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Mainzer Journal. Nr. 64. Mainz, 19. August 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Wohl der Bürgerschaft gethan haben, oder welche Bürgschaft sie
leisten, daß sie, wenn sie des Stadtregimentes sich bemächtigt ha-
ben, irgend etwas dafür thun werden? -- Die einzige, die
einzige praktische Maßregel zur Linderung der Noth, der
Arbeiterunterstützungsverein ( über dessen Wirken wir
nächstens Mittheilungen machen werden ) ist von dem Stadtrath
ausgegangen und gerade s. g. ultramontane Mitglieder desselben
haben daran keinen geringen Antheil, und viel Zeit, Mühe und
Geld haben diese Männer zum Opfer gebracht. Zeitungsartikel
schreiben, Reden halten und dem Volke "die glänzendsten Gele-
genheiten " darbieten, um Zeit, Geld und Ruhe zu verlieren, ist
allerdings ein viel wohlfeileres Verdienst.

Jhr saget, daß ihr Freunde der Freiheit seyd, -- wir aber
sagen euch, daß ihr uns nach Herrschaft zu trachten schei-
net. Nur wer denkt, wie ihr, redet wie ihr, stimmt wie ihr, wer
euch Beifall klascht, den erkennet ihr als Freien an, jeder Andere,
der sich untersteht in religiöser oder politischer Beziehung andere
Ueberzeugungen zu haben, als ihr, den nennet ihr einen Jesuiten
oder Reactionär, thuet ihn damit in den Bann, erkläret ihn für
vogelfrei, sehet ihn als einen Sklaven an und wollet ihn wie
einen Sklaven behandeln. Schmach und Schande über ein sol-
ches Treiben!

Wollet ihr Freiheit, so sind wir einig, wollet ihr uns beherr-
schen, so wisset, daß wir nicht herrschen, aber auch nicht beherrscht
seyn wollen. Jhr saget, daß ihr tolerant seyd, nun wohlan, so
zeiget es durch das Werk! Aber nach dem, wie ihr euch gegen
die Katholiken gebehrdet, sagen wir euch, daß ihr dieselben um
ihrer Religion willen
hasset und alle Lust habet, sie zu
unterdrücken. Wir wollen aufrichtig und entschieden das
gleiche Recht Aller
ohne Unterschied der Religion, auch
ohne Unterschied, ob Jemand dem geistlichen oder weltlichen
Stande angehöre. Welch Zetergeschrei würdet ihr erheben, wenn
wir euch "Ketzer" schimpfen und auffordern würden die "Heiden"
aus dem Stadtrath auszutreiben! Wie kommet ihr aber dazu
uns beständig "Jesuiten" ( was ja bei euch das größte Schimpf-
wort ist ) und "Ultramontane" zu schimpfen, und wie könnet ihr
dazu auffordern ehrenhafte und patriotische Mainzer Bürger von
den Ehrenstellen zu verjagen, wozu das Vertrauen ihrer Mitbür-
ger in freier Wahl sie berufen, blos weil sie katholisch sind?

Zum Schluß noch eine Bemerkung: wir haben heute nur für
die Freiheit und das Recht gegen schreiende Unbilligkeit, gegen
Einschüchterung, Herrschsucht und religiöse und politische Jntole-
ranz das Wort ergriffen. Hingegen beklagt Niemand mehr, als
wir, und hat sich vielleicht Niemand mehr darüber gefreut, als
die Herren von der Mainzer Zeitung, daß allerdings bisher der
Stadtvorstand vielfach nicht mit der Energie und mit dem klaren
Bewußtseyn von seiner Stellung und den Bedürfnissen der Zeit
gehandelt hat, wie er gesollt hätte. Doch davon können wir
heute nicht reden. Möge er bald durch Thaten sich bewähren,
aber auch zu diesem Ende die Bürgerschaft mit Vertrauen
seinem guten Willen entgegenkommen. So viel für einstweilen.



Deutschland.

Wien 13. August. ( Br. Z. ) Dem Vernehmen nach beab-
sichtigt die Regierung dem Erzherzog=Reichsverweser 10
Regimenter als Kern einer zu bildenden Kriegsmacht der deutschen
Centralgewalt anzubieten, wovon ein Theil sogleich nach Schles-
wig marschiren soll. -- Feldmarschall Radetzky soll um eine
weitere Verstärkung von 30,000 Mann angesucht haben, um
auf alle Eventualitäten gefaßt zu seyn.

Berlin 15. August. ( Spen. Z. ) Mehrere von hier zum Zweck
einer Verständigung in die Provinzen gegangene, hier als Volks-
redner beliebte Demokraten haben dort keine günstige Auf-
nahme gefunden; sie sind sogar von den Bewohnern mehrerer
Ortschaften, welche sich mit den Jdeen der Neuzeit nicht vertraut
machen können, insultirt worden und mußten sich, weitere Unan-
nehmlichkeiten zu vermeiden, entfernen.

Von der Weichsel 12. August. ( B. H. ) Die Reaction hat
noch einmal ihre Kräfte zusammengenommen und am letzten
Mittwoch in der That einen "Preußen=Verein" in Königsberg
zu Stande gebracht. Der reactionäre, von dem General Dohna
gepflegte und begünstigte Theil des Königsberger Officiercorps
hatte sich en masse in eine neu berufene Volksversammlung be-
geben; Unteroffiziere und Soldaten, auf deren Brutalität man
sich verlassen konnte, waren zum Erscheinen commandirt. Ar-
beiter der schlechtesten Sorte waren aufgeboten. Daneben ließen
einige servile Universitätslehrer sich mißbrauchen, scheinbar die
Leitung zu übernehmen. Das Militär war, in offenem Unge-
horsam gegen das ihm wohlbekannte Gesetz, in Wassen erschienen.
Alles, was nicht dem Stockpreußenthum und der absoluten
[Spaltenumbruch] Militairdespotie zu huldigen schien, wurde unter zum Theil le-
bensgefährlichen Mißhandlungen aus der Versammlung getrieben.
Ein Baron von der Goltz ( ich weiß nicht ob Rittmeister oder
Major ) schrie von der Tribüne herab, das Militär würde sich
keine Opposition gefallen lassen, es würde bald so weit seyn,
daß jeder Soldat ein ganzes Dutzend widerspensti-
ger Bürgerlicher niederwerfen würde.
Jn diesem
Sinne sind wenigstens seine Aeußerungen verstanden worden.
Natürlich kann die Reaction durch solche Brutalität nur ver-
lieren, zumal es im Militär und auch unter den Officieren nicht
an Männern fehlt, die im entscheidenden Augenblicke mit den
Bürgern Hand in Hand gehen werden. Aber doch müssen wir
jetzt erwarten, daß es über kurz oder lang zu bedrohlichen Auf-
tritten kommen wird, wenn das Ministerium noch fernerhin mit
der schon so oft geforderten Abberufung des Grafen Dohna zö-
gern sollte. Die Schuld aber wird auf das Haupt des Herrn
v. Schreckenstein fallen, wenn er durch höhern Einfluß sich sollte
abhalten lassen, auch in unserer Provinz und namentlich in Kö-
nigsberg so zu handeln, wie es das preußische Volk durch seine
Vertreter in der Sitzung des neunten August von ihm gefordert
hat. Auch die anderen Minister würden die Mitschuldigen ihres
Collegen werden, wenn sie noch länger die unconstitutionellen
Einflüsse dulden sollten, denen das Kriegsministerium bisher nur
zu bereitwillig sich gefügt hat.

x Vom Hunsrücken 17. August. Zur Verherrlichung des
sechsten Augustes wurde in Simmern von einem eigens zu diesem
Feste gebildeten Comit e ein Ball veranstaltet, dem überaus große
Theilnahme zugewendet wurde. Während desselben wurde vom
dasigen Kreisphysikus der erste Toast auf Deutschlands Einheit,
der zweite vom Präsidenten des dortigen politischen Clubbs dem
Reichsverweser und der dritte vom Bürgermeister dem Könige
von Preußen gebracht. Das jedesmalige Hoch wurde beim Er-
sten- und Drittenmale mit einem rauschenden Tusche begleitet,
beim Zweitenmale aber gab die Musik keinen Ton von sich, --
weil es dem Reichsverweser galt. Sieben Mann der Musik des
in Simmern liegenden siebenten Uhlanenregimentes spielten auf,
denen, wie es hieß, von ihrem Commandanten jede Mitwirkung
zur Verherrlichung des Huldigungsactes für den Reichsverweser
untersagt worden war. Dagegen huldigten die Bewohner des
preußischen und nassauischen Rheinthales dem Erzherzoge, als
er am verflossenen Sonntage nach Köln fuhr, mit wahrer Begeister-
ung. Allenthalben ertönten Vivats und Böllerschüsse, läuteten
die Glocken festlich zusammen, und wo eine Bürgerwehr besteht,
hatte sie sich am Gestade des Rheines aufgestellt, um den Vor-
überkommenden zu begrüßen, ihm zu huldigen. Jn Koblenz,
wo man den Reichsverweser besonders glänzend empfing, stieg
derselbe aus, um die Bürgerwehr zu bewillkommen. Trotz aller
Mühe, die man sich von Seiten der Republikaner und der alten
Fürstenanhänger gibt, hat der Reichsverweser beim Volke im
Allgemeinen die tiefsten Wurzeln geschlagen, weil es die Einheit
will und sie am Besten in Einer Person und zwar aus einem
bekannten, beliebten und einer solchen Stellung gewachsenen
Hause, dargestellt und befestigt sehen will.

# Aus Oberbayern 15. August. Fürst Wallerstein
möchte wieder Minister werden; denn er hat in der "Neuen
Münchner Zeitung" eine lange Popularitätshascherei abdrucken
lassen. Dergleichen thut er aber allemal, wenn er ein Portefeuille
im Schilde führt: denn vor Allem muß man sich möglich machen.
Beim ersten Abelsturm, bei welchem der nachmalige anderthalb-
stundenlange Kartätschenminister Wrede Wallersteins Marionette
war, wie "man sagt," da "sagte man" auch schon, was noch
unglaublich schien, Zu=Rhein, auch einer vom "System,"
würde Minister werden, und weil er sich zu halten unfähig,
würde dann Wallerstein eine Nothwendigkeit seyn. Und so ge-
schah es auch! Wallerstein ist kein Jntrigant, aber ein Clair-
voyant, -- nur sind es Andere auch. Damals nun, im Jahre
1846, hielt er jene Rede, deren Vertheidigung gegen Professor
Höfler als Beilage zu den reichsräthlichen Sitzungsprotokollen,
unter die sie gerathen war, bis zum 20. Juli 1847 dem Beschlage
unterlag, im April 1847 aber schon versendet worden war. Jn
jener Rede aber legte er, wie ein Küchenmeister, allen Klassen
vor, was für eine Tafel er ihnen bereiten würde, und Allen
wässerte der Mund, Einige wurden schon gleich damals
satt! Jetzt wird die captatio benevolentiae in der "Neuen
Münchner Zeitung" und in eigener Beilage zu Nro. 104. der
Neuesten Nachrichten des Leipziger Buchdruckergesellen Schurich
ausgeboten. Wallerstein also rettet das alte ehrwürdige
Städtebürgerthum vor unfehlbarem Zerfalle durch seine Ar-
menpflege=Jnstruction von 1833 ( 90 wohlgestellte Para-
graphen, 16 Beilagen, eben so viele Tabellen mit unzähli-
gen Columnen, Rubriken, Nummern, lateinischen und griech. Buch-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Wohl der Bürgerschaft gethan haben, oder welche Bürgschaft sie
leisten, daß sie, wenn sie des Stadtregimentes sich bemächtigt ha-
ben, irgend etwas dafür thun werden? — Die einzige, die
einzige praktische Maßregel zur Linderung der Noth, der
Arbeiterunterstützungsverein ( über dessen Wirken wir
nächstens Mittheilungen machen werden ) ist von dem Stadtrath
ausgegangen und gerade s. g. ultramontane Mitglieder desselben
haben daran keinen geringen Antheil, und viel Zeit, Mühe und
Geld haben diese Männer zum Opfer gebracht. Zeitungsartikel
schreiben, Reden halten und dem Volke „die glänzendsten Gele-
genheiten “ darbieten, um Zeit, Geld und Ruhe zu verlieren, ist
allerdings ein viel wohlfeileres Verdienst.

Jhr saget, daß ihr Freunde der Freiheit seyd, — wir aber
sagen euch, daß ihr uns nach Herrschaft zu trachten schei-
net. Nur wer denkt, wie ihr, redet wie ihr, stimmt wie ihr, wer
euch Beifall klascht, den erkennet ihr als Freien an, jeder Andere,
der sich untersteht in religiöser oder politischer Beziehung andere
Ueberzeugungen zu haben, als ihr, den nennet ihr einen Jesuiten
oder Reactionär, thuet ihn damit in den Bann, erkläret ihn für
vogelfrei, sehet ihn als einen Sklaven an und wollet ihn wie
einen Sklaven behandeln. Schmach und Schande über ein sol-
ches Treiben!

Wollet ihr Freiheit, so sind wir einig, wollet ihr uns beherr-
schen, so wisset, daß wir nicht herrschen, aber auch nicht beherrscht
seyn wollen. Jhr saget, daß ihr tolerant seyd, nun wohlan, so
zeiget es durch das Werk! Aber nach dem, wie ihr euch gegen
die Katholiken gebehrdet, sagen wir euch, daß ihr dieselben um
ihrer Religion willen
hasset und alle Lust habet, sie zu
unterdrücken. Wir wollen aufrichtig und entschieden das
gleiche Recht Aller
ohne Unterschied der Religion, auch
ohne Unterschied, ob Jemand dem geistlichen oder weltlichen
Stande angehöre. Welch Zetergeschrei würdet ihr erheben, wenn
wir euch „Ketzer“ schimpfen und auffordern würden die „Heiden“
aus dem Stadtrath auszutreiben! Wie kommet ihr aber dazu
uns beständig „Jesuiten“ ( was ja bei euch das größte Schimpf-
wort ist ) und „Ultramontane“ zu schimpfen, und wie könnet ihr
dazu auffordern ehrenhafte und patriotische Mainzer Bürger von
den Ehrenstellen zu verjagen, wozu das Vertrauen ihrer Mitbür-
ger in freier Wahl sie berufen, blos weil sie katholisch sind?

Zum Schluß noch eine Bemerkung: wir haben heute nur für
die Freiheit und das Recht gegen schreiende Unbilligkeit, gegen
Einschüchterung, Herrschsucht und religiöse und politische Jntole-
ranz das Wort ergriffen. Hingegen beklagt Niemand mehr, als
wir, und hat sich vielleicht Niemand mehr darüber gefreut, als
die Herren von der Mainzer Zeitung, daß allerdings bisher der
Stadtvorstand vielfach nicht mit der Energie und mit dem klaren
Bewußtseyn von seiner Stellung und den Bedürfnissen der Zeit
gehandelt hat, wie er gesollt hätte. Doch davon können wir
heute nicht reden. Möge er bald durch Thaten sich bewähren,
aber auch zu diesem Ende die Bürgerschaft mit Vertrauen
seinem guten Willen entgegenkommen. So viel für einstweilen.



Deutschland.

Wien 13. August. ( Br. Z. ) Dem Vernehmen nach beab-
sichtigt die Regierung dem Erzherzog=Reichsverweser 10
Regimenter als Kern einer zu bildenden Kriegsmacht der deutschen
Centralgewalt anzubieten, wovon ein Theil sogleich nach Schles-
wig marschiren soll. — Feldmarschall Radetzky soll um eine
weitere Verstärkung von 30,000 Mann angesucht haben, um
auf alle Eventualitäten gefaßt zu seyn.

Berlin 15. August. ( Spen. Z. ) Mehrere von hier zum Zweck
einer Verständigung in die Provinzen gegangene, hier als Volks-
redner beliebte Demokraten haben dort keine günstige Auf-
nahme gefunden; sie sind sogar von den Bewohnern mehrerer
Ortschaften, welche sich mit den Jdeen der Neuzeit nicht vertraut
machen können, insultirt worden und mußten sich, weitere Unan-
nehmlichkeiten zu vermeiden, entfernen.

Von der Weichsel 12. August. ( B. H. ) Die Reaction hat
noch einmal ihre Kräfte zusammengenommen und am letzten
Mittwoch in der That einen „Preußen=Verein“ in Königsberg
zu Stande gebracht. Der reactionäre, von dem General Dohna
gepflegte und begünstigte Theil des Königsberger Officiercorps
hatte sich en masse in eine neu berufene Volksversammlung be-
geben; Unteroffiziere und Soldaten, auf deren Brutalität man
sich verlassen konnte, waren zum Erscheinen commandirt. Ar-
beiter der schlechtesten Sorte waren aufgeboten. Daneben ließen
einige servile Universitätslehrer sich mißbrauchen, scheinbar die
Leitung zu übernehmen. Das Militär war, in offenem Unge-
horsam gegen das ihm wohlbekannte Gesetz, in Wassen erschienen.
Alles, was nicht dem Stockpreußenthum und der absoluten
[Spaltenumbruch] Militairdespotie zu huldigen schien, wurde unter zum Theil le-
bensgefährlichen Mißhandlungen aus der Versammlung getrieben.
Ein Baron von der Goltz ( ich weiß nicht ob Rittmeister oder
Major ) schrie von der Tribüne herab, das Militär würde sich
keine Opposition gefallen lassen, es würde bald so weit seyn,
daß jeder Soldat ein ganzes Dutzend widerspensti-
ger Bürgerlicher niederwerfen würde.
Jn diesem
Sinne sind wenigstens seine Aeußerungen verstanden worden.
Natürlich kann die Reaction durch solche Brutalität nur ver-
lieren, zumal es im Militär und auch unter den Officieren nicht
an Männern fehlt, die im entscheidenden Augenblicke mit den
Bürgern Hand in Hand gehen werden. Aber doch müssen wir
jetzt erwarten, daß es über kurz oder lang zu bedrohlichen Auf-
tritten kommen wird, wenn das Ministerium noch fernerhin mit
der schon so oft geforderten Abberufung des Grafen Dohna zö-
gern sollte. Die Schuld aber wird auf das Haupt des Herrn
v. Schreckenstein fallen, wenn er durch höhern Einfluß sich sollte
abhalten lassen, auch in unserer Provinz und namentlich in Kö-
nigsberg so zu handeln, wie es das preußische Volk durch seine
Vertreter in der Sitzung des neunten August von ihm gefordert
hat. Auch die anderen Minister würden die Mitschuldigen ihres
Collegen werden, wenn sie noch länger die unconstitutionellen
Einflüsse dulden sollten, denen das Kriegsministerium bisher nur
zu bereitwillig sich gefügt hat.

× Vom Hunsrücken 17. August. Zur Verherrlichung des
sechsten Augustes wurde in Simmern von einem eigens zu diesem
Feste gebildeten Comit é ein Ball veranstaltet, dem überaus große
Theilnahme zugewendet wurde. Während desselben wurde vom
dasigen Kreisphysikus der erste Toast auf Deutschlands Einheit,
der zweite vom Präsidenten des dortigen politischen Clubbs dem
Reichsverweser und der dritte vom Bürgermeister dem Könige
von Preußen gebracht. Das jedesmalige Hoch wurde beim Er-
sten- und Drittenmale mit einem rauschenden Tusche begleitet,
beim Zweitenmale aber gab die Musik keinen Ton von sich, —
weil es dem Reichsverweser galt. Sieben Mann der Musik des
in Simmern liegenden siebenten Uhlanenregimentes spielten auf,
denen, wie es hieß, von ihrem Commandanten jede Mitwirkung
zur Verherrlichung des Huldigungsactes für den Reichsverweser
untersagt worden war. Dagegen huldigten die Bewohner des
preußischen und nassauischen Rheinthales dem Erzherzoge, als
er am verflossenen Sonntage nach Köln fuhr, mit wahrer Begeister-
ung. Allenthalben ertönten Vivats und Böllerschüsse, läuteten
die Glocken festlich zusammen, und wo eine Bürgerwehr besteht,
hatte sie sich am Gestade des Rheines aufgestellt, um den Vor-
überkommenden zu begrüßen, ihm zu huldigen. Jn Koblenz,
wo man den Reichsverweser besonders glänzend empfing, stieg
derselbe aus, um die Bürgerwehr zu bewillkommen. Trotz aller
Mühe, die man sich von Seiten der Republikaner und der alten
Fürstenanhänger gibt, hat der Reichsverweser beim Volke im
Allgemeinen die tiefsten Wurzeln geschlagen, weil es die Einheit
will und sie am Besten in Einer Person und zwar aus einem
bekannten, beliebten und einer solchen Stellung gewachsenen
Hause, dargestellt und befestigt sehen will.

□ Aus Oberbayern 15. August. Fürst Wallerstein
möchte wieder Minister werden; denn er hat in der „Neuen
Münchner Zeitung“ eine lange Popularitätshascherei abdrucken
lassen. Dergleichen thut er aber allemal, wenn er ein Portefeuille
im Schilde führt: denn vor Allem muß man sich möglich machen.
Beim ersten Abelsturm, bei welchem der nachmalige anderthalb-
stundenlange Kartätschenminister Wrede Wallersteins Marionette
war, wie „man sagt,“ da „sagte man“ auch schon, was noch
unglaublich schien, Zu=Rhein, auch einer vom „System,“
würde Minister werden, und weil er sich zu halten unfähig,
würde dann Wallerstein eine Nothwendigkeit seyn. Und so ge-
schah es auch! Wallerstein ist kein Jntrigant, aber ein Clair-
voyant, — nur sind es Andere auch. Damals nun, im Jahre
1846, hielt er jene Rede, deren Vertheidigung gegen Professor
Höfler als Beilage zu den reichsräthlichen Sitzungsprotokollen,
unter die sie gerathen war, bis zum 20. Juli 1847 dem Beschlage
unterlag, im April 1847 aber schon versendet worden war. Jn
jener Rede aber legte er, wie ein Küchenmeister, allen Klassen
vor, was für eine Tafel er ihnen bereiten würde, und Allen
wässerte der Mund, Einige wurden schon gleich damals
satt! Jetzt wird die captatio benevolentiae in der „Neuen
Münchner Zeitung“ und in eigener Beilage zu Nro. 104. der
Neuesten Nachrichten des Leipziger Buchdruckergesellen Schurich
ausgeboten. Wallerstein also rettet das alte ehrwürdige
Städtebürgerthum vor unfehlbarem Zerfalle durch seine Ar-
menpflege=Jnstruction von 1833 ( 90 wohlgestellte Para-
graphen, 16 Beilagen, eben so viele Tabellen mit unzähli-
gen Columnen, Rubriken, Nummern, lateinischen und griech. Buch-
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[0002] Wohl der Bürgerschaft gethan haben, oder welche Bürgschaft sie leisten, daß sie, wenn sie des Stadtregimentes sich bemächtigt ha- ben, irgend etwas dafür thun werden? — Die einzige, die einzige praktische Maßregel zur Linderung der Noth, der Arbeiterunterstützungsverein ( über dessen Wirken wir nächstens Mittheilungen machen werden ) ist von dem Stadtrath ausgegangen und gerade s. g. ultramontane Mitglieder desselben haben daran keinen geringen Antheil, und viel Zeit, Mühe und Geld haben diese Männer zum Opfer gebracht. Zeitungsartikel schreiben, Reden halten und dem Volke „die glänzendsten Gele- genheiten “ darbieten, um Zeit, Geld und Ruhe zu verlieren, ist allerdings ein viel wohlfeileres Verdienst. Jhr saget, daß ihr Freunde der Freiheit seyd, — wir aber sagen euch, daß ihr uns nach Herrschaft zu trachten schei- net. Nur wer denkt, wie ihr, redet wie ihr, stimmt wie ihr, wer euch Beifall klascht, den erkennet ihr als Freien an, jeder Andere, der sich untersteht in religiöser oder politischer Beziehung andere Ueberzeugungen zu haben, als ihr, den nennet ihr einen Jesuiten oder Reactionär, thuet ihn damit in den Bann, erkläret ihn für vogelfrei, sehet ihn als einen Sklaven an und wollet ihn wie einen Sklaven behandeln. Schmach und Schande über ein sol- ches Treiben! Wollet ihr Freiheit, so sind wir einig, wollet ihr uns beherr- schen, so wisset, daß wir nicht herrschen, aber auch nicht beherrscht seyn wollen. Jhr saget, daß ihr tolerant seyd, nun wohlan, so zeiget es durch das Werk! Aber nach dem, wie ihr euch gegen die Katholiken gebehrdet, sagen wir euch, daß ihr dieselben um ihrer Religion willen hasset und alle Lust habet, sie zu unterdrücken. Wir wollen aufrichtig und entschieden das gleiche Recht Aller ohne Unterschied der Religion, auch ohne Unterschied, ob Jemand dem geistlichen oder weltlichen Stande angehöre. Welch Zetergeschrei würdet ihr erheben, wenn wir euch „Ketzer“ schimpfen und auffordern würden die „Heiden“ aus dem Stadtrath auszutreiben! Wie kommet ihr aber dazu uns beständig „Jesuiten“ ( was ja bei euch das größte Schimpf- wort ist ) und „Ultramontane“ zu schimpfen, und wie könnet ihr dazu auffordern ehrenhafte und patriotische Mainzer Bürger von den Ehrenstellen zu verjagen, wozu das Vertrauen ihrer Mitbür- ger in freier Wahl sie berufen, blos weil sie katholisch sind? Zum Schluß noch eine Bemerkung: wir haben heute nur für die Freiheit und das Recht gegen schreiende Unbilligkeit, gegen Einschüchterung, Herrschsucht und religiöse und politische Jntole- ranz das Wort ergriffen. Hingegen beklagt Niemand mehr, als wir, und hat sich vielleicht Niemand mehr darüber gefreut, als die Herren von der Mainzer Zeitung, daß allerdings bisher der Stadtvorstand vielfach nicht mit der Energie und mit dem klaren Bewußtseyn von seiner Stellung und den Bedürfnissen der Zeit gehandelt hat, wie er gesollt hätte. Doch davon können wir heute nicht reden. Möge er bald durch Thaten sich bewähren, aber auch zu diesem Ende die Bürgerschaft mit Vertrauen seinem guten Willen entgegenkommen. So viel für einstweilen. Deutschland. Wien 13. August. ( Br. Z. ) Dem Vernehmen nach beab- sichtigt die Regierung dem Erzherzog=Reichsverweser 10 Regimenter als Kern einer zu bildenden Kriegsmacht der deutschen Centralgewalt anzubieten, wovon ein Theil sogleich nach Schles- wig marschiren soll. — Feldmarschall Radetzky soll um eine weitere Verstärkung von 30,000 Mann angesucht haben, um auf alle Eventualitäten gefaßt zu seyn. Berlin 15. August. ( Spen. Z. ) Mehrere von hier zum Zweck einer Verständigung in die Provinzen gegangene, hier als Volks- redner beliebte Demokraten haben dort keine günstige Auf- nahme gefunden; sie sind sogar von den Bewohnern mehrerer Ortschaften, welche sich mit den Jdeen der Neuzeit nicht vertraut machen können, insultirt worden und mußten sich, weitere Unan- nehmlichkeiten zu vermeiden, entfernen. Von der Weichsel 12. August. ( B. H. ) Die Reaction hat noch einmal ihre Kräfte zusammengenommen und am letzten Mittwoch in der That einen „Preußen=Verein“ in Königsberg zu Stande gebracht. Der reactionäre, von dem General Dohna gepflegte und begünstigte Theil des Königsberger Officiercorps hatte sich en masse in eine neu berufene Volksversammlung be- geben; Unteroffiziere und Soldaten, auf deren Brutalität man sich verlassen konnte, waren zum Erscheinen commandirt. Ar- beiter der schlechtesten Sorte waren aufgeboten. Daneben ließen einige servile Universitätslehrer sich mißbrauchen, scheinbar die Leitung zu übernehmen. Das Militär war, in offenem Unge- horsam gegen das ihm wohlbekannte Gesetz, in Wassen erschienen. Alles, was nicht dem Stockpreußenthum und der absoluten Militairdespotie zu huldigen schien, wurde unter zum Theil le- bensgefährlichen Mißhandlungen aus der Versammlung getrieben. Ein Baron von der Goltz ( ich weiß nicht ob Rittmeister oder Major ) schrie von der Tribüne herab, das Militär würde sich keine Opposition gefallen lassen, es würde bald so weit seyn, daß jeder Soldat ein ganzes Dutzend widerspensti- ger Bürgerlicher niederwerfen würde. Jn diesem Sinne sind wenigstens seine Aeußerungen verstanden worden. Natürlich kann die Reaction durch solche Brutalität nur ver- lieren, zumal es im Militär und auch unter den Officieren nicht an Männern fehlt, die im entscheidenden Augenblicke mit den Bürgern Hand in Hand gehen werden. Aber doch müssen wir jetzt erwarten, daß es über kurz oder lang zu bedrohlichen Auf- tritten kommen wird, wenn das Ministerium noch fernerhin mit der schon so oft geforderten Abberufung des Grafen Dohna zö- gern sollte. Die Schuld aber wird auf das Haupt des Herrn v. Schreckenstein fallen, wenn er durch höhern Einfluß sich sollte abhalten lassen, auch in unserer Provinz und namentlich in Kö- nigsberg so zu handeln, wie es das preußische Volk durch seine Vertreter in der Sitzung des neunten August von ihm gefordert hat. Auch die anderen Minister würden die Mitschuldigen ihres Collegen werden, wenn sie noch länger die unconstitutionellen Einflüsse dulden sollten, denen das Kriegsministerium bisher nur zu bereitwillig sich gefügt hat. × Vom Hunsrücken 17. August. Zur Verherrlichung des sechsten Augustes wurde in Simmern von einem eigens zu diesem Feste gebildeten Comit é ein Ball veranstaltet, dem überaus große Theilnahme zugewendet wurde. Während desselben wurde vom dasigen Kreisphysikus der erste Toast auf Deutschlands Einheit, der zweite vom Präsidenten des dortigen politischen Clubbs dem Reichsverweser und der dritte vom Bürgermeister dem Könige von Preußen gebracht. Das jedesmalige Hoch wurde beim Er- sten- und Drittenmale mit einem rauschenden Tusche begleitet, beim Zweitenmale aber gab die Musik keinen Ton von sich, — weil es dem Reichsverweser galt. Sieben Mann der Musik des in Simmern liegenden siebenten Uhlanenregimentes spielten auf, denen, wie es hieß, von ihrem Commandanten jede Mitwirkung zur Verherrlichung des Huldigungsactes für den Reichsverweser untersagt worden war. Dagegen huldigten die Bewohner des preußischen und nassauischen Rheinthales dem Erzherzoge, als er am verflossenen Sonntage nach Köln fuhr, mit wahrer Begeister- ung. Allenthalben ertönten Vivats und Böllerschüsse, läuteten die Glocken festlich zusammen, und wo eine Bürgerwehr besteht, hatte sie sich am Gestade des Rheines aufgestellt, um den Vor- überkommenden zu begrüßen, ihm zu huldigen. Jn Koblenz, wo man den Reichsverweser besonders glänzend empfing, stieg derselbe aus, um die Bürgerwehr zu bewillkommen. Trotz aller Mühe, die man sich von Seiten der Republikaner und der alten Fürstenanhänger gibt, hat der Reichsverweser beim Volke im Allgemeinen die tiefsten Wurzeln geschlagen, weil es die Einheit will und sie am Besten in Einer Person und zwar aus einem bekannten, beliebten und einer solchen Stellung gewachsenen Hause, dargestellt und befestigt sehen will. □ Aus Oberbayern 15. August. Fürst Wallerstein möchte wieder Minister werden; denn er hat in der „Neuen Münchner Zeitung“ eine lange Popularitätshascherei abdrucken lassen. Dergleichen thut er aber allemal, wenn er ein Portefeuille im Schilde führt: denn vor Allem muß man sich möglich machen. Beim ersten Abelsturm, bei welchem der nachmalige anderthalb- stundenlange Kartätschenminister Wrede Wallersteins Marionette war, wie „man sagt,“ da „sagte man“ auch schon, was noch unglaublich schien, Zu=Rhein, auch einer vom „System,“ würde Minister werden, und weil er sich zu halten unfähig, würde dann Wallerstein eine Nothwendigkeit seyn. Und so ge- schah es auch! Wallerstein ist kein Jntrigant, aber ein Clair- voyant, — nur sind es Andere auch. Damals nun, im Jahre 1846, hielt er jene Rede, deren Vertheidigung gegen Professor Höfler als Beilage zu den reichsräthlichen Sitzungsprotokollen, unter die sie gerathen war, bis zum 20. Juli 1847 dem Beschlage unterlag, im April 1847 aber schon versendet worden war. Jn jener Rede aber legte er, wie ein Küchenmeister, allen Klassen vor, was für eine Tafel er ihnen bereiten würde, und Allen wässerte der Mund, Einige wurden schon gleich damals satt! Jetzt wird die captatio benevolentiae in der „Neuen Münchner Zeitung“ und in eigener Beilage zu Nro. 104. der Neuesten Nachrichten des Leipziger Buchdruckergesellen Schurich ausgeboten. Wallerstein also rettet das alte ehrwürdige Städtebürgerthum vor unfehlbarem Zerfalle durch seine Ar- menpflege=Jnstruction von 1833 ( 90 wohlgestellte Para- graphen, 16 Beilagen, eben so viele Tabellen mit unzähli- gen Columnen, Rubriken, Nummern, lateinischen und griech. Buch-

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 64. Mainz, 19. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal064_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.