Mainzer Journal. Nr. 161. Mainz, 11. Dezember 1848.[Beginn Spaltensatz]
schußantrag wird verworfen; angenommen der Antrag von Rühls Antrag auf Anordnung neuer Wahlen zur deut- Edel: Wenn Sie Jhre Aufgabe recht verstehen, so ist Jhre Rühl: Herr Edel hat den Verhandlungen auf der Pfingst- Deutschland. Wien 5. December. ( A. Z. ) Die Union Siebenbürgens mit Wien 6. December. ( St. C. ) Die Centralcommission der Kremster 5. December. ( N. C. ) Seine Majestät Franz Berlin 9. December. ( V. Z. ) Sowohl durch mündliche als Die gegenwärtige gelinde Witterung ist von sehr vortheil- Der frühere bayerische Minister von Abel ist zu Cham in Weimar 1. December. ( A. Z. ) Weiter eingelaufene Nach- [Beginn Spaltensatz]
schußantrag wird verworfen; angenommen der Antrag von Rühls Antrag auf Anordnung neuer Wahlen zur deut- Edel: Wenn Sie Jhre Aufgabe recht verstehen, so ist Jhre Rühl: Herr Edel hat den Verhandlungen auf der Pfingst- Deutschland. Wien 5. December. ( A. Z. ) Die Union Siebenbürgens mit Wien 6. December. ( St. C. ) Die Centralcommission der Kremster 5. December. ( N. C. ) Seine Majestät Franz Berlin 9. December. ( V. Z. ) Sowohl durch mündliche als Die gegenwärtige gelinde Witterung ist von sehr vortheil- Der frühere bayerische Minister von Abel ist zu Cham in Weimar 1. December. ( A. Z. ) Weiter eingelaufene Nach- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <p><pb facs="#f0003"/><cb type="start"/> schußantrag wird verworfen; angenommen der Antrag von<lb/> Waitz und Genossen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Rühls</hi> Antrag auf Anordnung <hi rendition="#g">neuer Wahlen</hi> zur deut-<lb/> schen Nationalversammlung, der jetzt zur Besprechung kommt,<lb/> rührt vom 18. September her. Der Antragsteller blickt in kläg-<lb/> lich tönender Sprache und mit schmerzlichen Empfindungen auf<lb/> diesen Tag zurück, dessen Blutvergießen durch die Annahme seines<lb/> Antrages wohl hätte verhindert werden können. Ein wehmüthiger<lb/> Moment ( Gelächter ) war's, der meinen Antrag — was lachen<lb/> Sie? hervorrief — einem wehmüthigen Momente — lachen Sie<lb/> nicht — verdankt mein Antrag seinen Ursprung. Sie hatten<lb/> eben den Malmöer Waffenstillstand unterzeichnet. Daß die Mehr-<lb/> heit das Vertrauen ihrer Wähler nicht mehr besitzt, das hat seine<lb/> natürlichen Ursachen. Unerhört in der Geschichte ist die Anzahl<lb/> von Mißtrauensadressen an die Versammlung sowohl im Ganzen<lb/> als an einzelne Mitglieder. Unerhört aber auch die Kraft, wie<lb/> dergleichen hier verdaut wird ( allgemeine Heiterkeit ) . Man spreche<lb/> von Wühlern, aber nicht die Personen wühlen hier, sondern die<lb/> Sachen ( abermaliges Gelächter ) . Die Mehrheit des Hauses sey<lb/> schwach, — eine kernhafte Majorität unentbehrlich und sein An-<lb/> trag gehe dahin, die Nationalversammlung nicht aufzulösen, son-<lb/> dern nach und nach durch neue Wahlen zu kräftigen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Edel:</hi> Wenn Sie Jhre Aufgabe recht verstehen, so ist Jhre<lb/> Zeit viel zu kostbar, um sie an einen Antrag zu verschwenden,<lb/> der zuerst auf der Pfingstweide zum Vorscheine kam. ( Gelogen!<lb/> von der Linken. Präsident: Jch rufe Sie zur Ordnung, Herr<lb/> Rühl, für dies Wort. Unruhe. ) </p><lb/> <p><hi rendition="#g">Rühl:</hi> Herr Edel hat den Verhandlungen auf der Pfingst-<lb/> weide beigewohnt, er muß also wissen, daß dort nichts von mei-<lb/> nem Antrage vorgekommen. Deshalb sagt' ich gelogen! <hi rendition="#g">Edel:</hi><lb/> Jch erkläre auf das Feierlichste, daß ich am 17. September nicht<lb/> auf der Pfingstweide gewesen bin. Meine Kenntniß rührt ledig-<lb/> lich aus Zeitungsnachrichten her. Allgemeiner Ruf nach Schluß<lb/> beendet die kleinliche Scene. Die Abstimmung durch Zettel. Mit<lb/> 311 gegen 105 Stimmen wird über den Rühlschen Antrag zur<lb/> Tagesordnung geschritten und dann ( gegen drei Uhr Nachmit-<lb/> tags ) die Sitzung geschlossen.</p> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#g">Deutschland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Wien 5. December. ( A. Z. ) Die Union Siebenbürgens mit<lb/> Ungarn ist bereits definitiv als <hi rendition="#g">aufgehoben</hi> zu betrachten.<lb/> Nachdem Klausenburg von den kaiserl. königl. Truppen besetzt<lb/> worden ist, wird das siebenbürgische Gubernium wie es früher<lb/> bestanden ehestens reorganisirt werden, wozu man auch hier be-<lb/> reits die nöthigen Einleitungen getroffen hat. Was vor Allem<lb/> aber Noth thut ist, daß der bisher geführte Vernichtungskrieg<lb/> sogleich aufhöre, der, sollte er noch länger währen, dem Sieger<lb/> — wer es auch immer sey — nur Leichen, Trümmer und Brand-<lb/> stätten zurücklassen würde. Lange genug hat bis jetzt zwischen den<lb/> verschiedenen Stämmen, welche das unglückliche Land bewohnen,<lb/> Nationalhaß, Mord, Brand, Elend und Verzweiflung gewüthet,<lb/> und es wäre hohe Zeit, daß die Grausamkeiten und wilden Greuel<lb/> zwischen den Walachen, Szeklern, Magyaren, Serben und<lb/> Sachsen gegeneinander aufhören.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Wien 6. December. ( St. C. ) Die Centralcommission der<lb/> hiesigen Stadtcommandantur hat eine Currende an sämmtliche<lb/><hi rendition="#g">Zeitungsredactionen</hi> ergehen lassen, worin denselben auf<lb/> Befehl des Gouverneurs Welden streng eingeschärft wird, sich<lb/> während des Belagerungszustandes aller Artikel über die Größe,<lb/> den Stand und die Aufstellung der Armee zu enthalten. — Jn<lb/> Gumpendorf circulirt unter den zahlreichen dortigen Fabrikanten<lb/> ein <hi rendition="#g">Bittgesuch um Verlängerung des Belagerungs-<lb/> zustandes</hi> auf sechs Monate, da man nur hierin die Bürgschaft<lb/> für Erhaltung der dem Gewerbfleiße unentbehrlichen Ruhe und<lb/> Sicherheit erblickt. — Der zwanzigjährige <hi rendition="#g">Wehle,</hi> welcher als<lb/> Adjutant des General Bem stark gravirt war, ist begnadigt und<lb/> nebst etwa hundert anderen, ebenfalls in die letzten Ereignisse ver-<lb/> wickelten Jndividuen zum Militärdienste assentirt worden; der<lb/> ganze Transport ging sofort zur Armee nach Jtalien ab.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Kremster 5. December. ( N. C. ) Seine Majestät <hi rendition="#g">Franz<lb/> Joseph</hi> <hi rendition="#aq">I</hi>. hat die Deputation der Reichsversammlung, welche<lb/> ihm die Beglückwünschungsadresse überreichte, ausnehmend kalt<lb/> empfangen; er soll geäußert haben: der Reichstag möge sich mit<lb/> der Vollendung des Constitutionswerkes beeilen, damit er ( der<lb/> Kaiser ) dasselbe alsbald seiner Prüfung unterziehen könne. Wie<lb/> begreiflich, ist ein solcher Vorgang nur zu geeignet, die reactio-<lb/> nären Gelüste der <hi rendition="#g">Rechten</hi> auf's hohe Pferd zu setzen, während<lb/> die <hi rendition="#g">äußerste Linke</hi> durch das Damoklesschwert des Martialge-<lb/> setzes einerseits, durch die zahlreichen Mißtrauensvota anderer-<lb/> seits im Schache gehalten, nicht nur nicht fest im Sattel mehr sitzt,<lb/> sondern bereits im Sande liegt. Konnte man einen solchen Um-<lb/> schwung vor wenigen Wochen auch nur ahnen? „Wer die Ge-<lb/> walt hat, bei dem ist auch das Recht;“ dieser Satz findet volle<lb/><cb n="2"/> Anwendung auf unsere dermaligen Verhältnisse. Die Partei-<lb/> gänger der Linken schleichen umher wie Verbrecher, die nicht von<lb/> — sondern aus Gottesgnaden noch in der Kammer geduldet wer-<lb/> den; wie verdächtige Jndividuen, die mit gebundener Marsch-<lb/> route ihren Weg verfolgen. Die Linke scheint mit dem Centrum<lb/> übereingekommen zu seyn, die vom Finanzminister in der gestrigen<lb/> Sitzung beantragte Creditsbewilligung von 80 Millionen zu ge-<lb/> nehmigen, jedoch nur bedingungsweise. Eine derlei Bedingung<lb/> ist: in Ungarn Friedensunterhandlungen einzuleiten und einen<lb/> Völkercongreß nach Wien zu berufen. Wir zweifeln, ob diese<lb/> Bedingungen dem starken Ministerium genehm seyn möchten, und<lb/> fürchten mit sehr Vielen aus der Kammer, die Versammlung<lb/> werde nach der Bewilligung der 80 Millionen auf unbestimmte<lb/> Zeit abermals prorogirt werden ( ? ) . Darüber, daß sie nicht mehr<lb/> nach Wien verlegt werden wird, ist man hier so ziemlich einig:<lb/> ist doch erst vor einigen Tagen das Gebäude, worin sich ein Theil<lb/> der hierher verlegten Staatsdruckerei befindet, auf ein ganzes Jahr<lb/> gemiethet worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Berlin 9. December. ( V. Z. ) Sowohl durch mündliche als<lb/> durch briefliche Mittheilungen von außerhalb, bestätigt sich die<lb/> allgemein gehegte Erwartung von dem günstigen Eindrucke, welchen<lb/> die Verleihung der Verfassung und die dadurch geschehene Been-<lb/> digung unserer unheilvoll schwankenden Zustände, überall in der<lb/> Provinz hervorgebracht hat. Auch in <hi rendition="#g">Breslau</hi> herrschte, wie<lb/> uns durch Reisende, die von dorther kommen, versichert wird,<lb/> eine sehr befriedigte Stimmung und die demokratischen Elemente,<lb/> insbesondere die Führer derselben sind plötzlich wie verschwunden.<lb/> Jn <hi rendition="#g">Liegnitz</hi> war der Eindruck ein gleicher gewesen. — Doch<lb/> nicht in preußischen Provinzen allein, sondern auch in Nachbar-<lb/> staaten herrschte die nämliche Empfindung. So lauten die Be-<lb/> richte aus <hi rendition="#g">Dresden</hi> und <hi rendition="#g">Leipzig,</hi> aus <hi rendition="#g">Mecklenburg</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Hamburg.</hi> Besonders in der letztgenannten Stadt hatte sich<lb/> eine Art Beneiden unserer jetzigen Lage lebhaft ausgesprochen,<lb/> weil man aus den Elementen, welche die dortigen Zustände be-<lb/> rathen und bestimmen sollen, wenig Heilsames hervorgehen zu<lb/> sehen hoffen darf. Es drückt sich eine allgemeine Besorgniß über<lb/> die vorwaltenden Tendenzen aus, so daß man auch dort ohne<lb/> kräftige Einschreitung, bei der man sich auf die Reichshilfe stützen<lb/> würde, nicht zu einem guten Ziele gelangen zu können glaubt. [ Jn<lb/> Hamburg, wo die „constituirende Versammlung“ es auf's „ Thei-<lb/> len “ abgesehen zu haben scheint, rüsten sich die reichen Handels-<lb/> herren bereits zur Abreise. ] </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Die gegenwärtige gelinde Witterung ist von sehr vortheil-<lb/> haftem Einflusse auf die Lage der arbeitenden Classen. Eine Menge<lb/> Arbeiten, die bei der strengen Kälte eingestellt werden müssen,<lb/> sind noch im Gange, so Erd= und Bauarbeiten, was Vielen eine<lb/> große Hilfe im Drange der Zeit gewährt. Für den Weinachts-<lb/> verkehr wäre allerdings trockenes Wetter zu wünschen und kommt<lb/> ihm dies zu Hilfe, so wird er, scheint es, bei der Erhaltung der<lb/> Ordnung und der gesetzlichen Zustände, die jetzt herrschen, sich<lb/> recht lebendig gestalten. Viele Anstalten dazu werden getroffen,<lb/> wie nur in den besten Jahren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Der frühere bayerische Minister <hi rendition="#g">von Abel</hi> ist zu <hi rendition="#g">Cham</hi> in<lb/> der Oberpfalz zum Abgeordneten in die zweite Kammer gewählt<lb/> worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Weimar 1. December. ( A. Z. ) Weiter eingelaufene Nach-<lb/> richten <hi rendition="#g">aus Erfurt</hi> lauten schauerlich. Wirklich hat der aufge-<lb/> regte Volkshaufe sammt Bürgerwehr zuerst angegriffen. Die<lb/> Cuirassiere hatten, als sie zur Säuberung der Straße vorrückten,<lb/> nicht einmal den Pallasch gezogen; sie wurden plötzlich ohne die<lb/> mindeste Veranlassung von ihrer Seite einzeln vom Pferde gerissen<lb/> und im Rücken und in den Flanken mit Schüssen begrüßt. Sie<lb/> geriethen in Verwirrung und mußten sich zurückziehen. Einem<lb/> halbtodten Reiter wurden beide Hände abgehackt. Der Aufstand<lb/> war planmäßig vorbereitet. Der Stadtverordnete <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Kasten,<lb/> der sich mit unter den Gefangenen befindet, übrigens durch Kol-<lb/> benstöße und Schläge, die er von den Soldaten empfing, übel<lb/> zugerichtet, ja in Lebensgefahr ist, hatte Gelder gesammelt, an-<lb/> geblich zur Einlösung von Armenpfändern, und dafür gerade<lb/> Sensen angekauft, welche am Morgen des 24. unter die zuver-<lb/> lässigen Demokraten, Leute aus der Hefe des Volkes, vertheilt<lb/> wurden. Man wollte die Bevölkerung „epuriren,“ d. h. alle<lb/> „Reactionäre“ aufhängen, und hatte zu diesem Ende schon ein<lb/> Local und Stricke in Bereitschaft, ja die Nägel reihenweise einge-<lb/> schlagen. Zur Plünderung, die eine nothwendige Zugabe schien,<lb/> hatten die liebenswürdigen Demokratinnen Säcke in Bereitschaft.<lb/> Ueberhaupt zeichnete sich das schöne Geschlecht durch Hetzen und<lb/> Schimpfen bei dem Aufruhre aus; viele schwangen auch Beile<lb/> oder Sensen in der nervigen Faust. Besonders betheiligt sollen<lb/> die Juden seyn, deren in Erfurt viele wohnen und sich zum Theile<lb/> auf die elendeste Weise von Schacher, Trödel und ähnlichen Ge-<lb/> werbszweigen nähren. Man hatte stark auf die Sympathien des<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
schußantrag wird verworfen; angenommen der Antrag von
Waitz und Genossen.
Rühls Antrag auf Anordnung neuer Wahlen zur deut-
schen Nationalversammlung, der jetzt zur Besprechung kommt,
rührt vom 18. September her. Der Antragsteller blickt in kläg-
lich tönender Sprache und mit schmerzlichen Empfindungen auf
diesen Tag zurück, dessen Blutvergießen durch die Annahme seines
Antrages wohl hätte verhindert werden können. Ein wehmüthiger
Moment ( Gelächter ) war's, der meinen Antrag — was lachen
Sie? hervorrief — einem wehmüthigen Momente — lachen Sie
nicht — verdankt mein Antrag seinen Ursprung. Sie hatten
eben den Malmöer Waffenstillstand unterzeichnet. Daß die Mehr-
heit das Vertrauen ihrer Wähler nicht mehr besitzt, das hat seine
natürlichen Ursachen. Unerhört in der Geschichte ist die Anzahl
von Mißtrauensadressen an die Versammlung sowohl im Ganzen
als an einzelne Mitglieder. Unerhört aber auch die Kraft, wie
dergleichen hier verdaut wird ( allgemeine Heiterkeit ) . Man spreche
von Wühlern, aber nicht die Personen wühlen hier, sondern die
Sachen ( abermaliges Gelächter ) . Die Mehrheit des Hauses sey
schwach, — eine kernhafte Majorität unentbehrlich und sein An-
trag gehe dahin, die Nationalversammlung nicht aufzulösen, son-
dern nach und nach durch neue Wahlen zu kräftigen.
Edel: Wenn Sie Jhre Aufgabe recht verstehen, so ist Jhre
Zeit viel zu kostbar, um sie an einen Antrag zu verschwenden,
der zuerst auf der Pfingstweide zum Vorscheine kam. ( Gelogen!
von der Linken. Präsident: Jch rufe Sie zur Ordnung, Herr
Rühl, für dies Wort. Unruhe. )
Rühl: Herr Edel hat den Verhandlungen auf der Pfingst-
weide beigewohnt, er muß also wissen, daß dort nichts von mei-
nem Antrage vorgekommen. Deshalb sagt' ich gelogen! Edel:
Jch erkläre auf das Feierlichste, daß ich am 17. September nicht
auf der Pfingstweide gewesen bin. Meine Kenntniß rührt ledig-
lich aus Zeitungsnachrichten her. Allgemeiner Ruf nach Schluß
beendet die kleinliche Scene. Die Abstimmung durch Zettel. Mit
311 gegen 105 Stimmen wird über den Rühlschen Antrag zur
Tagesordnung geschritten und dann ( gegen drei Uhr Nachmit-
tags ) die Sitzung geschlossen.
Deutschland.
Wien 5. December. ( A. Z. ) Die Union Siebenbürgens mit
Ungarn ist bereits definitiv als aufgehoben zu betrachten.
Nachdem Klausenburg von den kaiserl. königl. Truppen besetzt
worden ist, wird das siebenbürgische Gubernium wie es früher
bestanden ehestens reorganisirt werden, wozu man auch hier be-
reits die nöthigen Einleitungen getroffen hat. Was vor Allem
aber Noth thut ist, daß der bisher geführte Vernichtungskrieg
sogleich aufhöre, der, sollte er noch länger währen, dem Sieger
— wer es auch immer sey — nur Leichen, Trümmer und Brand-
stätten zurücklassen würde. Lange genug hat bis jetzt zwischen den
verschiedenen Stämmen, welche das unglückliche Land bewohnen,
Nationalhaß, Mord, Brand, Elend und Verzweiflung gewüthet,
und es wäre hohe Zeit, daß die Grausamkeiten und wilden Greuel
zwischen den Walachen, Szeklern, Magyaren, Serben und
Sachsen gegeneinander aufhören.
Wien 6. December. ( St. C. ) Die Centralcommission der
hiesigen Stadtcommandantur hat eine Currende an sämmtliche
Zeitungsredactionen ergehen lassen, worin denselben auf
Befehl des Gouverneurs Welden streng eingeschärft wird, sich
während des Belagerungszustandes aller Artikel über die Größe,
den Stand und die Aufstellung der Armee zu enthalten. — Jn
Gumpendorf circulirt unter den zahlreichen dortigen Fabrikanten
ein Bittgesuch um Verlängerung des Belagerungs-
zustandes auf sechs Monate, da man nur hierin die Bürgschaft
für Erhaltung der dem Gewerbfleiße unentbehrlichen Ruhe und
Sicherheit erblickt. — Der zwanzigjährige Wehle, welcher als
Adjutant des General Bem stark gravirt war, ist begnadigt und
nebst etwa hundert anderen, ebenfalls in die letzten Ereignisse ver-
wickelten Jndividuen zum Militärdienste assentirt worden; der
ganze Transport ging sofort zur Armee nach Jtalien ab.
Kremster 5. December. ( N. C. ) Seine Majestät Franz
Joseph I. hat die Deputation der Reichsversammlung, welche
ihm die Beglückwünschungsadresse überreichte, ausnehmend kalt
empfangen; er soll geäußert haben: der Reichstag möge sich mit
der Vollendung des Constitutionswerkes beeilen, damit er ( der
Kaiser ) dasselbe alsbald seiner Prüfung unterziehen könne. Wie
begreiflich, ist ein solcher Vorgang nur zu geeignet, die reactio-
nären Gelüste der Rechten auf's hohe Pferd zu setzen, während
die äußerste Linke durch das Damoklesschwert des Martialge-
setzes einerseits, durch die zahlreichen Mißtrauensvota anderer-
seits im Schache gehalten, nicht nur nicht fest im Sattel mehr sitzt,
sondern bereits im Sande liegt. Konnte man einen solchen Um-
schwung vor wenigen Wochen auch nur ahnen? „Wer die Ge-
walt hat, bei dem ist auch das Recht;“ dieser Satz findet volle
Anwendung auf unsere dermaligen Verhältnisse. Die Partei-
gänger der Linken schleichen umher wie Verbrecher, die nicht von
— sondern aus Gottesgnaden noch in der Kammer geduldet wer-
den; wie verdächtige Jndividuen, die mit gebundener Marsch-
route ihren Weg verfolgen. Die Linke scheint mit dem Centrum
übereingekommen zu seyn, die vom Finanzminister in der gestrigen
Sitzung beantragte Creditsbewilligung von 80 Millionen zu ge-
nehmigen, jedoch nur bedingungsweise. Eine derlei Bedingung
ist: in Ungarn Friedensunterhandlungen einzuleiten und einen
Völkercongreß nach Wien zu berufen. Wir zweifeln, ob diese
Bedingungen dem starken Ministerium genehm seyn möchten, und
fürchten mit sehr Vielen aus der Kammer, die Versammlung
werde nach der Bewilligung der 80 Millionen auf unbestimmte
Zeit abermals prorogirt werden ( ? ) . Darüber, daß sie nicht mehr
nach Wien verlegt werden wird, ist man hier so ziemlich einig:
ist doch erst vor einigen Tagen das Gebäude, worin sich ein Theil
der hierher verlegten Staatsdruckerei befindet, auf ein ganzes Jahr
gemiethet worden.
Berlin 9. December. ( V. Z. ) Sowohl durch mündliche als
durch briefliche Mittheilungen von außerhalb, bestätigt sich die
allgemein gehegte Erwartung von dem günstigen Eindrucke, welchen
die Verleihung der Verfassung und die dadurch geschehene Been-
digung unserer unheilvoll schwankenden Zustände, überall in der
Provinz hervorgebracht hat. Auch in Breslau herrschte, wie
uns durch Reisende, die von dorther kommen, versichert wird,
eine sehr befriedigte Stimmung und die demokratischen Elemente,
insbesondere die Führer derselben sind plötzlich wie verschwunden.
Jn Liegnitz war der Eindruck ein gleicher gewesen. — Doch
nicht in preußischen Provinzen allein, sondern auch in Nachbar-
staaten herrschte die nämliche Empfindung. So lauten die Be-
richte aus Dresden und Leipzig, aus Mecklenburg und
Hamburg. Besonders in der letztgenannten Stadt hatte sich
eine Art Beneiden unserer jetzigen Lage lebhaft ausgesprochen,
weil man aus den Elementen, welche die dortigen Zustände be-
rathen und bestimmen sollen, wenig Heilsames hervorgehen zu
sehen hoffen darf. Es drückt sich eine allgemeine Besorgniß über
die vorwaltenden Tendenzen aus, so daß man auch dort ohne
kräftige Einschreitung, bei der man sich auf die Reichshilfe stützen
würde, nicht zu einem guten Ziele gelangen zu können glaubt. [ Jn
Hamburg, wo die „constituirende Versammlung“ es auf's „ Thei-
len “ abgesehen zu haben scheint, rüsten sich die reichen Handels-
herren bereits zur Abreise. ]
Die gegenwärtige gelinde Witterung ist von sehr vortheil-
haftem Einflusse auf die Lage der arbeitenden Classen. Eine Menge
Arbeiten, die bei der strengen Kälte eingestellt werden müssen,
sind noch im Gange, so Erd= und Bauarbeiten, was Vielen eine
große Hilfe im Drange der Zeit gewährt. Für den Weinachts-
verkehr wäre allerdings trockenes Wetter zu wünschen und kommt
ihm dies zu Hilfe, so wird er, scheint es, bei der Erhaltung der
Ordnung und der gesetzlichen Zustände, die jetzt herrschen, sich
recht lebendig gestalten. Viele Anstalten dazu werden getroffen,
wie nur in den besten Jahren.
Der frühere bayerische Minister von Abel ist zu Cham in
der Oberpfalz zum Abgeordneten in die zweite Kammer gewählt
worden.
Weimar 1. December. ( A. Z. ) Weiter eingelaufene Nach-
richten aus Erfurt lauten schauerlich. Wirklich hat der aufge-
regte Volkshaufe sammt Bürgerwehr zuerst angegriffen. Die
Cuirassiere hatten, als sie zur Säuberung der Straße vorrückten,
nicht einmal den Pallasch gezogen; sie wurden plötzlich ohne die
mindeste Veranlassung von ihrer Seite einzeln vom Pferde gerissen
und im Rücken und in den Flanken mit Schüssen begrüßt. Sie
geriethen in Verwirrung und mußten sich zurückziehen. Einem
halbtodten Reiter wurden beide Hände abgehackt. Der Aufstand
war planmäßig vorbereitet. Der Stadtverordnete Dr. Kasten,
der sich mit unter den Gefangenen befindet, übrigens durch Kol-
benstöße und Schläge, die er von den Soldaten empfing, übel
zugerichtet, ja in Lebensgefahr ist, hatte Gelder gesammelt, an-
geblich zur Einlösung von Armenpfändern, und dafür gerade
Sensen angekauft, welche am Morgen des 24. unter die zuver-
lässigen Demokraten, Leute aus der Hefe des Volkes, vertheilt
wurden. Man wollte die Bevölkerung „epuriren,“ d. h. alle
„Reactionäre“ aufhängen, und hatte zu diesem Ende schon ein
Local und Stricke in Bereitschaft, ja die Nägel reihenweise einge-
schlagen. Zur Plünderung, die eine nothwendige Zugabe schien,
hatten die liebenswürdigen Demokratinnen Säcke in Bereitschaft.
Ueberhaupt zeichnete sich das schöne Geschlecht durch Hetzen und
Schimpfen bei dem Aufruhre aus; viele schwangen auch Beile
oder Sensen in der nervigen Faust. Besonders betheiligt sollen
die Juden seyn, deren in Erfurt viele wohnen und sich zum Theile
auf die elendeste Weise von Schacher, Trödel und ähnlichen Ge-
werbszweigen nähren. Man hatte stark auf die Sympathien des
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