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Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] und zu den Befugnissen des Reichsoberhauptes gehöre das un-
umschränkte Veto. Die Berliner Nationalversammlung, auf
deren Auflösung Vogt hingewiesen, wie auf eine Willkürmaßregel,
sey eben das beredteste Beispiel dafür, daß das absolute Veto des
Regenten gerade auch zum Schutze der Volksfrciheit dienen könne
gegen die Kravallsouveränetat.

Schmidt von Berlin: Wir sind es den Einzelstaaten schul-
dig, die Centralgewalt auf das Mindeste der nöthigen Macht zu
beschränken. Dem vereinten Willen des Staaten= und des Volks-
hauses gegenüber kann daher dem Reichsoberhaupte kein unbe-
dingtes Veto eingeräumt werden. v. Vincke bedauert, daß der
Verfassungsentwurf noch nicht so weit vorliegt, um zu übersehen,
ob er in einer monarchischen oder republitanischen Spitze aus-
gehe. Er hofft aber das Erstere. Die Berliner Versammlung
habe sich leider [unleserliches Material - 5 Zeichen fehlen]durch persönlichen Ehrgeiz bei ihren Abstimmungen
leiten lassen. ( Unterbrechung, Lärmen auf der Linken. Zimmer-
mann von Stuttgart: Das ist nicht ritterlich. ) Jch bin gewohnt,
für meine Aeußerungen auf das Ritterlichste einzustehen. Sollte
sich irgend Jemand von der "Berliner" Versammlung durch
meine Bemerkung verletzt fühlen, so bin ich bereit, sie vollstän-
dig zu vertreten. ( Beifall von der Mehrheit des Hauses. ) Das
unbedingte Veto ist unerläßlich für das Wesen der constitutio-
nellen Monarchie. Es ist auch unerläßlich für den Bundesstaat,
den wir errichten, wenn dessen Obergewalt nicht ein verächtlicher
Schatten seyn soll. v. Vincke nimmt sodann alle Einwendungen
gegen das absolute Veto, sie mögen in Behauptungen oder in Bei-
spielen bestehen, nach der Reihe auf, um sie in einer Rede voll der
geistreichsten Schlagfertigkeit zu widerlegen. Nur Herr Mitter-
maier
erhält nach ihm das Wort für das Minderheitserachten
des Ausschusses. Er ist gegen das unbedingte Veto im Jnteresse
des monarchischen Ansehens. Die Ausübung desselben untergrabe
die moralische Macht, das Vertrauen zum Regenten. Wie viel
der Regierung nöthig sey von Mitteln zur Verhinderung übereil-
ter Beschlüsse, das gewähre ihr der Vorschlag des Minderheits-
erachtens zu §. 19. -- Dem Berichterstatter der Mehrheit wird
das Wort vorbehalten und die Abstimmung auf die nächste Sitzung
vertagt. Schoder nimmt aus Vincke's Aeußerungen über die
preußische Nationalversammlung Anlaß, den Biedermann=sächsi-
schen Ausschuß dringend um Beschleunigung seiner Berichterstat-
tung über die preußischen Angelegenheiten anzurufen. Nachdem
Jordan von Marburg Auskunft im Namen dieses Ausschusses
ertheilt, wird die heutige Sitzung gegen drei Uhr Nachmittags ge-
schlossen. Die nächste Sitzung findet Donnerstag der 14. statt.

Deutschland.

Wien 8. December. ( St. C. ) Am gestrigen Nachmittage
fand wieder eine Hinrichtung statt. Ein Ungar, Horvath,
aus Oedenburg, wurde wegen absichtlicher Verheimlichung von
Waffen und scharfer Munition im Stadtgraben erschossen. Man
scheint die Stunde des größern Zulaufes und die Entfaltung mi-
litärischen Gepränges nicht ohne Vorbedacht angeordnet zu ha-
ben, weil man wegen mancherlei Excesse, insbesondere aber we-
gen der noch häufig genug vorkommenden Waffenverheimlichung
ein Beispiel der Strenge für nöthig gehalten zu haben scheint. --
Bei Krems sollen nicht unbedeutende Bauernunruhen, von ver-
triebenen Studenten angeregt, ausgebrochen seyn und die Absen-
dung einer Batterie nebst einem Truppendetaschement veranlaßt
haben. -- Das Verbot, aufreizende Reden an öffentlichen Orten
zu führen, ist neuerdings eingeschärft worden.

Jn Frankfurt ist bei einigen Fractionen der Nationalver-
sammlung stark davon die Rede, die deutsche Kaiserkrone an
Oesterreich zu übertragen. Die folgenden fünf Punkte etwa bil-
den das Programm: 1 ) Der österreichische Kaiser empfängt die
deutsche Kaiserkrone wieder; 2 ) Der Ort des Reichstages wird
Wien; 3 ) Oesterreich tritt mit seinen Gesammtlanden in den
Zollverband; 4 ) Die österreichische Marine schützt deutschen
Handel und Schifffahrt im Mittelmeere, wofür Oesterreich keine
Matricularbeiträge zu zahlen hat; 5 ) endlich, die deutschen
Truppen Oesterreichs werden deutsche Reichstruppen, tragen die
deutschen Farben, können aber auch in Oesterreichs außer-
deutschen Gebieten verwandt werden.

Jtalien.

Kirchenstaat. Das Ministerium schickt Truppen an die
neapolitanische Grenze; es scheint einen Einfall des Königs von
Neapel zu befürchten. Es ging auch das Gerücht, daß die Oester-
reicher auf dem Marsche nach Rom wären und daß Radetzky der
Herrschaft des radicalen Clubs ( Circolo populare ) ein Ende
[Spaltenumbruch] machen wolle. Mamiani will mit den übrigen italienischen Mäch-
ten in Unterhandlung treten, um eine italienische Constitution zu
Stande zu bringen. Jn Ancona fand eine Art republikanischer
Demonstration statt; Bologna dagegen, wo der Prolegat der
Stadt den General Zuchi zum Gehilfen im Regimente erkoren
hat, wird der reactionären Bewegung beschuldigt. Er geht mit
Errichtung einer provisorischen Regierung um und die Steuern
werden im Namen des Papstes inne behalten. -- Der Minister
Campello gab den Schweizertruppen Befehl, sich in Foligno und
Cattolica zu concentriren; der Commandant Latour erwiederte
aber, seine Soldaten seyen vom Papste und nicht von Galetti
oder Campello in Dienst genommen. Man versichert, daß sich
alle Schweizer in Bologna vereinigen werden.

Neapel. Vier neapolitanische Kriegsschiffe liegen vor Gaeta,
wo der Papst sich bis zum 3. December fortwährend aufhielt.
Der König will, wie es heißt, die aus Rom entlassenen Schwei-
zer in seine Dienste nehmen. Pius IX. empfing täglich Besuche
vom Könige Ferdinand, der königlichen Familie, vom Admirale
Baudin und dem englischen Gesandten. Das ganze diplomatische
Corps ist jetzt beim Papste in Gaeta versammelt.

Großbritannien.

London 9. December. Die Königin wird am 16. zu Osborne
eine Geheimerathsitzung halten, in welcher wahrscheinlich der
Tag festgesetzt wird, bis zu welchem das Parlament zur Erledig-
ung der Geschäfte prorogirt werden soll. -- Dem dieser Tage neu
verbreiteten Gerüchte von einem nahen theilweisen Wechsel des
Ministeriums wird von einem gewöhnlich gut unterrichteten Blatte
auf das Bestimmteste mit dem Bemerken widersprochen, daß Lord
J. Russell entschlossen sey, ohne die dringendste Nothwendigkeit
sich von keinem seiner jetzigen Collegen zu trennen. -- Die Fonds-
course hielten sich gestern und heute fest; die Nachrichten aus
Frankreich über etwaige nachtheilige Einflüsse, welche die Ge-
schichte mit den Nationalbelohnungen auf den Erfolg von Cavaig-
nacs Candidatur haben könnte, machten nicht so viel Eindruck,
daß der Fondsmarkt dadurch gedrückt worden wäre. Jn Wechsel-
geschäften auf die großen Festlandsstädte wird fortwährend wenig
gemacht, weil man gegen alle Städte, welche kürzlich der Schau-
platz politischer Unruhen waren, ein sehr begreifliches Mißtrauen
hegt. Nach dem Wochenberichte der Bank von England hatte
ihr Metallvorrath um 127,413 Pf. St. zugenommen und betrug
14,262,259 Pf. St.; die Bilanz des Schatzes hatte sich aber-
mals günstiger gestellt und der active Notenumlauf etwas abge-
nommen. -- Die Todtenschaujury hat bezüglich der am Bord
des Londondery=Dämpfers erstickten Auswanderer folgenden
Ausspruch gefällt: "Wir finden, daß der Tod durch Erstickung
verursacht ward, in Folge der gröblichen Nachlässigkeit und
des gänzlichen Mangels der üblichen und nöthigen Vorsicht
von Seiten des Capitäns, des ersten und zweiten Steuer-
mannes und wir finden diese daher der Tödtung schuldig. --
Die Directoren der ostindischen Compagnie erließen gestern Be-
fehle, nach denen 3500 Mann Truppen sich zwischen dem 3. und
10. Januar zur Einschiffung nach Calcutta und Bombay bereit
halten müssen. Die Mannschaften werden per Eisenbahn und
Dampfschiff nach Cork gebracht, wo sie sich am Bord von Trans-
portfahrzeugen einschiffen; der größere Theil wird zu Bombay
landen. -- Das "Clare Journal" sagt: Der Schatzmeister un-
serer Grafschaft hat den Befehl erhalten, auf die Kraft der
Hilfsacte geleisteten Regierungsvorschüsse sich eine Rückzahlung
von 14,000 Pf. St. leisten zu lassen. Diese Summe, zu der jetzi-
gen schweren Besteuerung der Grafschaft hinzugerechnet, wird,
wie wir fürchten, die Bürde ganz unerträglich machen. -- Vom
Cap sind über die Gefechte, welche Gouverneur Smith mit den
rebellischen Boers vor ihrer Unterwerfung bestand, amtliche Be-
richte eingetroffen, die jedoch kein weiteres Jnteresse darbieten.
Die Lage am Cap war bei Abgang der neuesten Berichte recht
befriedigend und die Ruhe schien auf lange Zeit gesichert. -- Aus
Buenos=Ayres wird unterm 11. October gemeldet, daß unser erst
einige Tage vorher dort angelangter Gesandte eine Unterredung
mit Rosa's Minister gehabt hatte. -- Nach neueren Briefen aus
Neu=Seeland war die Colonie ruhig. Vor einigen Monaten
war dort ein Lieutenant Snow mit Familie aufs schrecklichste er-
mordet worden, und der Verdacht fiel auf Eingeborene. Es hat
sich aber erwiesen, daß Europäer die Greuelthat verübten, und
einer der Betheiligten wurde bereits gehängt. Zu Auckland war
die Gouverneurswohnung, deren Bau 16,000 Pf. St. gekostet,
mit dem ganzen Mobiliar niedergebrannt; die Bewohner konnten
sich nur mit Noth retten.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] und zu den Befugnissen des Reichsoberhauptes gehöre das un-
umschränkte Veto. Die Berliner Nationalversammlung, auf
deren Auflösung Vogt hingewiesen, wie auf eine Willkürmaßregel,
sey eben das beredteste Beispiel dafür, daß das absolute Veto des
Regenten gerade auch zum Schutze der Volksfrciheit dienen könne
gegen die Kravallsouveränetat.

Schmidt von Berlin: Wir sind es den Einzelstaaten schul-
dig, die Centralgewalt auf das Mindeste der nöthigen Macht zu
beschränken. Dem vereinten Willen des Staaten= und des Volks-
hauses gegenüber kann daher dem Reichsoberhaupte kein unbe-
dingtes Veto eingeräumt werden. v. Vincke bedauert, daß der
Verfassungsentwurf noch nicht so weit vorliegt, um zu übersehen,
ob er in einer monarchischen oder republitanischen Spitze aus-
gehe. Er hofft aber das Erstere. Die Berliner Versammlung
habe sich leider [unleserliches Material – 5 Zeichen fehlen]durch persönlichen Ehrgeiz bei ihren Abstimmungen
leiten lassen. ( Unterbrechung, Lärmen auf der Linken. Zimmer-
mann von Stuttgart: Das ist nicht ritterlich. ) Jch bin gewohnt,
für meine Aeußerungen auf das Ritterlichste einzustehen. Sollte
sich irgend Jemand von der „Berliner“ Versammlung durch
meine Bemerkung verletzt fühlen, so bin ich bereit, sie vollstän-
dig zu vertreten. ( Beifall von der Mehrheit des Hauses. ) Das
unbedingte Veto ist unerläßlich für das Wesen der constitutio-
nellen Monarchie. Es ist auch unerläßlich für den Bundesstaat,
den wir errichten, wenn dessen Obergewalt nicht ein verächtlicher
Schatten seyn soll. v. Vincke nimmt sodann alle Einwendungen
gegen das absolute Veto, sie mögen in Behauptungen oder in Bei-
spielen bestehen, nach der Reihe auf, um sie in einer Rede voll der
geistreichsten Schlagfertigkeit zu widerlegen. Nur Herr Mitter-
maier
erhält nach ihm das Wort für das Minderheitserachten
des Ausschusses. Er ist gegen das unbedingte Veto im Jnteresse
des monarchischen Ansehens. Die Ausübung desselben untergrabe
die moralische Macht, das Vertrauen zum Regenten. Wie viel
der Regierung nöthig sey von Mitteln zur Verhinderung übereil-
ter Beschlüsse, das gewähre ihr der Vorschlag des Minderheits-
erachtens zu §. 19. — Dem Berichterstatter der Mehrheit wird
das Wort vorbehalten und die Abstimmung auf die nächste Sitzung
vertagt. Schoder nimmt aus Vincke's Aeußerungen über die
preußische Nationalversammlung Anlaß, den Biedermann=sächsi-
schen Ausschuß dringend um Beschleunigung seiner Berichterstat-
tung über die preußischen Angelegenheiten anzurufen. Nachdem
Jordan von Marburg Auskunft im Namen dieses Ausschusses
ertheilt, wird die heutige Sitzung gegen drei Uhr Nachmittags ge-
schlossen. Die nächste Sitzung findet Donnerstag der 14. statt.

Deutschland.

Wien 8. December. ( St. C. ) Am gestrigen Nachmittage
fand wieder eine Hinrichtung statt. Ein Ungar, Horvath,
aus Oedenburg, wurde wegen absichtlicher Verheimlichung von
Waffen und scharfer Munition im Stadtgraben erschossen. Man
scheint die Stunde des größern Zulaufes und die Entfaltung mi-
litärischen Gepränges nicht ohne Vorbedacht angeordnet zu ha-
ben, weil man wegen mancherlei Excesse, insbesondere aber we-
gen der noch häufig genug vorkommenden Waffenverheimlichung
ein Beispiel der Strenge für nöthig gehalten zu haben scheint. —
Bei Krems sollen nicht unbedeutende Bauernunruhen, von ver-
triebenen Studenten angeregt, ausgebrochen seyn und die Absen-
dung einer Batterie nebst einem Truppendetaschement veranlaßt
haben. — Das Verbot, aufreizende Reden an öffentlichen Orten
zu führen, ist neuerdings eingeschärft worden.

Jn Frankfurt ist bei einigen Fractionen der Nationalver-
sammlung stark davon die Rede, die deutsche Kaiserkrone an
Oesterreich zu übertragen. Die folgenden fünf Punkte etwa bil-
den das Programm: 1 ) Der österreichische Kaiser empfängt die
deutsche Kaiserkrone wieder; 2 ) Der Ort des Reichstages wird
Wien; 3 ) Oesterreich tritt mit seinen Gesammtlanden in den
Zollverband; 4 ) Die österreichische Marine schützt deutschen
Handel und Schifffahrt im Mittelmeere, wofür Oesterreich keine
Matricularbeiträge zu zahlen hat; 5 ) endlich, die deutschen
Truppen Oesterreichs werden deutsche Reichstruppen, tragen die
deutschen Farben, können aber auch in Oesterreichs außer-
deutschen Gebieten verwandt werden.

Jtalien.

Kirchenstaat. Das Ministerium schickt Truppen an die
neapolitanische Grenze; es scheint einen Einfall des Königs von
Neapel zu befürchten. Es ging auch das Gerücht, daß die Oester-
reicher auf dem Marsche nach Rom wären und daß Radetzky der
Herrschaft des radicalen Clubs ( Circolo populare ) ein Ende
[Spaltenumbruch] machen wolle. Mamiani will mit den übrigen italienischen Mäch-
ten in Unterhandlung treten, um eine italienische Constitution zu
Stande zu bringen. Jn Ancona fand eine Art republikanischer
Demonstration statt; Bologna dagegen, wo der Prolegat der
Stadt den General Zuchi zum Gehilfen im Regimente erkoren
hat, wird der reactionären Bewegung beschuldigt. Er geht mit
Errichtung einer provisorischen Regierung um und die Steuern
werden im Namen des Papstes inne behalten. — Der Minister
Campello gab den Schweizertruppen Befehl, sich in Foligno und
Cattolica zu concentriren; der Commandant Latour erwiederte
aber, seine Soldaten seyen vom Papste und nicht von Galetti
oder Campello in Dienst genommen. Man versichert, daß sich
alle Schweizer in Bologna vereinigen werden.

Neapel. Vier neapolitanische Kriegsschiffe liegen vor Gaeta,
wo der Papst sich bis zum 3. December fortwährend aufhielt.
Der König will, wie es heißt, die aus Rom entlassenen Schwei-
zer in seine Dienste nehmen. Pius IX. empfing täglich Besuche
vom Könige Ferdinand, der königlichen Familie, vom Admirale
Baudin und dem englischen Gesandten. Das ganze diplomatische
Corps ist jetzt beim Papste in Gaeta versammelt.

Großbritannien.

London 9. December. Die Königin wird am 16. zu Osborne
eine Geheimerathsitzung halten, in welcher wahrscheinlich der
Tag festgesetzt wird, bis zu welchem das Parlament zur Erledig-
ung der Geschäfte prorogirt werden soll. — Dem dieser Tage neu
verbreiteten Gerüchte von einem nahen theilweisen Wechsel des
Ministeriums wird von einem gewöhnlich gut unterrichteten Blatte
auf das Bestimmteste mit dem Bemerken widersprochen, daß Lord
J. Russell entschlossen sey, ohne die dringendste Nothwendigkeit
sich von keinem seiner jetzigen Collegen zu trennen. — Die Fonds-
course hielten sich gestern und heute fest; die Nachrichten aus
Frankreich über etwaige nachtheilige Einflüsse, welche die Ge-
schichte mit den Nationalbelohnungen auf den Erfolg von Cavaig-
nacs Candidatur haben könnte, machten nicht so viel Eindruck,
daß der Fondsmarkt dadurch gedrückt worden wäre. Jn Wechsel-
geschäften auf die großen Festlandsstädte wird fortwährend wenig
gemacht, weil man gegen alle Städte, welche kürzlich der Schau-
platz politischer Unruhen waren, ein sehr begreifliches Mißtrauen
hegt. Nach dem Wochenberichte der Bank von England hatte
ihr Metallvorrath um 127,413 Pf. St. zugenommen und betrug
14,262,259 Pf. St.; die Bilanz des Schatzes hatte sich aber-
mals günstiger gestellt und der active Notenumlauf etwas abge-
nommen. — Die Todtenschaujury hat bezüglich der am Bord
des Londondery=Dämpfers erstickten Auswanderer folgenden
Ausspruch gefällt: „Wir finden, daß der Tod durch Erstickung
verursacht ward, in Folge der gröblichen Nachlässigkeit und
des gänzlichen Mangels der üblichen und nöthigen Vorsicht
von Seiten des Capitäns, des ersten und zweiten Steuer-
mannes und wir finden diese daher der Tödtung schuldig. —
Die Directoren der ostindischen Compagnie erließen gestern Be-
fehle, nach denen 3500 Mann Truppen sich zwischen dem 3. und
10. Januar zur Einschiffung nach Calcutta und Bombay bereit
halten müssen. Die Mannschaften werden per Eisenbahn und
Dampfschiff nach Cork gebracht, wo sie sich am Bord von Trans-
portfahrzeugen einschiffen; der größere Theil wird zu Bombay
landen. — Das „Clare Journal“ sagt: Der Schatzmeister un-
serer Grafschaft hat den Befehl erhalten, auf die Kraft der
Hilfsacte geleisteten Regierungsvorschüsse sich eine Rückzahlung
von 14,000 Pf. St. leisten zu lassen. Diese Summe, zu der jetzi-
gen schweren Besteuerung der Grafschaft hinzugerechnet, wird,
wie wir fürchten, die Bürde ganz unerträglich machen. — Vom
Cap sind über die Gefechte, welche Gouverneur Smith mit den
rebellischen Boers vor ihrer Unterwerfung bestand, amtliche Be-
richte eingetroffen, die jedoch kein weiteres Jnteresse darbieten.
Die Lage am Cap war bei Abgang der neuesten Berichte recht
befriedigend und die Ruhe schien auf lange Zeit gesichert. — Aus
Buenos=Ayres wird unterm 11. October gemeldet, daß unser erst
einige Tage vorher dort angelangter Gesandte eine Unterredung
mit Rosa's Minister gehabt hatte. — Nach neueren Briefen aus
Neu=Seeland war die Colonie ruhig. Vor einigen Monaten
war dort ein Lieutenant Snow mit Familie aufs schrecklichste er-
mordet worden, und der Verdacht fiel auf Eingeborene. Es hat
sich aber erwiesen, daß Europäer die Greuelthat verübten, und
einer der Betheiligten wurde bereits gehängt. Zu Auckland war
die Gouverneurswohnung, deren Bau 16,000 Pf. St. gekostet,
mit dem ganzen Mobiliar niedergebrannt; die Bewohner konnten
sich nur mit Noth retten.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0006] und zu den Befugnissen des Reichsoberhauptes gehöre das un- umschränkte Veto. Die Berliner Nationalversammlung, auf deren Auflösung Vogt hingewiesen, wie auf eine Willkürmaßregel, sey eben das beredteste Beispiel dafür, daß das absolute Veto des Regenten gerade auch zum Schutze der Volksfrciheit dienen könne gegen die Kravallsouveränetat. Schmidt von Berlin: Wir sind es den Einzelstaaten schul- dig, die Centralgewalt auf das Mindeste der nöthigen Macht zu beschränken. Dem vereinten Willen des Staaten= und des Volks- hauses gegenüber kann daher dem Reichsoberhaupte kein unbe- dingtes Veto eingeräumt werden. v. Vincke bedauert, daß der Verfassungsentwurf noch nicht so weit vorliegt, um zu übersehen, ob er in einer monarchischen oder republitanischen Spitze aus- gehe. Er hofft aber das Erstere. Die Berliner Versammlung habe sich leider _____durch persönlichen Ehrgeiz bei ihren Abstimmungen leiten lassen. ( Unterbrechung, Lärmen auf der Linken. Zimmer- mann von Stuttgart: Das ist nicht ritterlich. ) Jch bin gewohnt, für meine Aeußerungen auf das Ritterlichste einzustehen. Sollte sich irgend Jemand von der „Berliner“ Versammlung durch meine Bemerkung verletzt fühlen, so bin ich bereit, sie vollstän- dig zu vertreten. ( Beifall von der Mehrheit des Hauses. ) Das unbedingte Veto ist unerläßlich für das Wesen der constitutio- nellen Monarchie. Es ist auch unerläßlich für den Bundesstaat, den wir errichten, wenn dessen Obergewalt nicht ein verächtlicher Schatten seyn soll. v. Vincke nimmt sodann alle Einwendungen gegen das absolute Veto, sie mögen in Behauptungen oder in Bei- spielen bestehen, nach der Reihe auf, um sie in einer Rede voll der geistreichsten Schlagfertigkeit zu widerlegen. Nur Herr Mitter- maier erhält nach ihm das Wort für das Minderheitserachten des Ausschusses. Er ist gegen das unbedingte Veto im Jnteresse des monarchischen Ansehens. Die Ausübung desselben untergrabe die moralische Macht, das Vertrauen zum Regenten. Wie viel der Regierung nöthig sey von Mitteln zur Verhinderung übereil- ter Beschlüsse, das gewähre ihr der Vorschlag des Minderheits- erachtens zu §. 19. — Dem Berichterstatter der Mehrheit wird das Wort vorbehalten und die Abstimmung auf die nächste Sitzung vertagt. Schoder nimmt aus Vincke's Aeußerungen über die preußische Nationalversammlung Anlaß, den Biedermann=sächsi- schen Ausschuß dringend um Beschleunigung seiner Berichterstat- tung über die preußischen Angelegenheiten anzurufen. Nachdem Jordan von Marburg Auskunft im Namen dieses Ausschusses ertheilt, wird die heutige Sitzung gegen drei Uhr Nachmittags ge- schlossen. Die nächste Sitzung findet Donnerstag der 14. statt. Deutschland. Wien 8. December. ( St. C. ) Am gestrigen Nachmittage fand wieder eine Hinrichtung statt. Ein Ungar, Horvath, aus Oedenburg, wurde wegen absichtlicher Verheimlichung von Waffen und scharfer Munition im Stadtgraben erschossen. Man scheint die Stunde des größern Zulaufes und die Entfaltung mi- litärischen Gepränges nicht ohne Vorbedacht angeordnet zu ha- ben, weil man wegen mancherlei Excesse, insbesondere aber we- gen der noch häufig genug vorkommenden Waffenverheimlichung ein Beispiel der Strenge für nöthig gehalten zu haben scheint. — Bei Krems sollen nicht unbedeutende Bauernunruhen, von ver- triebenen Studenten angeregt, ausgebrochen seyn und die Absen- dung einer Batterie nebst einem Truppendetaschement veranlaßt haben. — Das Verbot, aufreizende Reden an öffentlichen Orten zu führen, ist neuerdings eingeschärft worden. Jn Frankfurt ist bei einigen Fractionen der Nationalver- sammlung stark davon die Rede, die deutsche Kaiserkrone an Oesterreich zu übertragen. Die folgenden fünf Punkte etwa bil- den das Programm: 1 ) Der österreichische Kaiser empfängt die deutsche Kaiserkrone wieder; 2 ) Der Ort des Reichstages wird Wien; 3 ) Oesterreich tritt mit seinen Gesammtlanden in den Zollverband; 4 ) Die österreichische Marine schützt deutschen Handel und Schifffahrt im Mittelmeere, wofür Oesterreich keine Matricularbeiträge zu zahlen hat; 5 ) endlich, die deutschen Truppen Oesterreichs werden deutsche Reichstruppen, tragen die deutschen Farben, können aber auch in Oesterreichs außer- deutschen Gebieten verwandt werden. Jtalien. Kirchenstaat. Das Ministerium schickt Truppen an die neapolitanische Grenze; es scheint einen Einfall des Königs von Neapel zu befürchten. Es ging auch das Gerücht, daß die Oester- reicher auf dem Marsche nach Rom wären und daß Radetzky der Herrschaft des radicalen Clubs ( Circolo populare ) ein Ende machen wolle. Mamiani will mit den übrigen italienischen Mäch- ten in Unterhandlung treten, um eine italienische Constitution zu Stande zu bringen. Jn Ancona fand eine Art republikanischer Demonstration statt; Bologna dagegen, wo der Prolegat der Stadt den General Zuchi zum Gehilfen im Regimente erkoren hat, wird der reactionären Bewegung beschuldigt. Er geht mit Errichtung einer provisorischen Regierung um und die Steuern werden im Namen des Papstes inne behalten. — Der Minister Campello gab den Schweizertruppen Befehl, sich in Foligno und Cattolica zu concentriren; der Commandant Latour erwiederte aber, seine Soldaten seyen vom Papste und nicht von Galetti oder Campello in Dienst genommen. Man versichert, daß sich alle Schweizer in Bologna vereinigen werden. Neapel. Vier neapolitanische Kriegsschiffe liegen vor Gaeta, wo der Papst sich bis zum 3. December fortwährend aufhielt. Der König will, wie es heißt, die aus Rom entlassenen Schwei- zer in seine Dienste nehmen. Pius IX. empfing täglich Besuche vom Könige Ferdinand, der königlichen Familie, vom Admirale Baudin und dem englischen Gesandten. Das ganze diplomatische Corps ist jetzt beim Papste in Gaeta versammelt. Großbritannien. London 9. December. Die Königin wird am 16. zu Osborne eine Geheimerathsitzung halten, in welcher wahrscheinlich der Tag festgesetzt wird, bis zu welchem das Parlament zur Erledig- ung der Geschäfte prorogirt werden soll. — Dem dieser Tage neu verbreiteten Gerüchte von einem nahen theilweisen Wechsel des Ministeriums wird von einem gewöhnlich gut unterrichteten Blatte auf das Bestimmteste mit dem Bemerken widersprochen, daß Lord J. Russell entschlossen sey, ohne die dringendste Nothwendigkeit sich von keinem seiner jetzigen Collegen zu trennen. — Die Fonds- course hielten sich gestern und heute fest; die Nachrichten aus Frankreich über etwaige nachtheilige Einflüsse, welche die Ge- schichte mit den Nationalbelohnungen auf den Erfolg von Cavaig- nacs Candidatur haben könnte, machten nicht so viel Eindruck, daß der Fondsmarkt dadurch gedrückt worden wäre. Jn Wechsel- geschäften auf die großen Festlandsstädte wird fortwährend wenig gemacht, weil man gegen alle Städte, welche kürzlich der Schau- platz politischer Unruhen waren, ein sehr begreifliches Mißtrauen hegt. Nach dem Wochenberichte der Bank von England hatte ihr Metallvorrath um 127,413 Pf. St. zugenommen und betrug 14,262,259 Pf. St.; die Bilanz des Schatzes hatte sich aber- mals günstiger gestellt und der active Notenumlauf etwas abge- nommen. — Die Todtenschaujury hat bezüglich der am Bord des Londondery=Dämpfers erstickten Auswanderer folgenden Ausspruch gefällt: „Wir finden, daß der Tod durch Erstickung verursacht ward, in Folge der gröblichen Nachlässigkeit und des gänzlichen Mangels der üblichen und nöthigen Vorsicht von Seiten des Capitäns, des ersten und zweiten Steuer- mannes und wir finden diese daher der Tödtung schuldig. — Die Directoren der ostindischen Compagnie erließen gestern Be- fehle, nach denen 3500 Mann Truppen sich zwischen dem 3. und 10. Januar zur Einschiffung nach Calcutta und Bombay bereit halten müssen. Die Mannschaften werden per Eisenbahn und Dampfschiff nach Cork gebracht, wo sie sich am Bord von Trans- portfahrzeugen einschiffen; der größere Theil wird zu Bombay landen. — Das „Clare Journal“ sagt: Der Schatzmeister un- serer Grafschaft hat den Befehl erhalten, auf die Kraft der Hilfsacte geleisteten Regierungsvorschüsse sich eine Rückzahlung von 14,000 Pf. St. leisten zu lassen. Diese Summe, zu der jetzi- gen schweren Besteuerung der Grafschaft hinzugerechnet, wird, wie wir fürchten, die Bürde ganz unerträglich machen. — Vom Cap sind über die Gefechte, welche Gouverneur Smith mit den rebellischen Boers vor ihrer Unterwerfung bestand, amtliche Be- richte eingetroffen, die jedoch kein weiteres Jnteresse darbieten. Die Lage am Cap war bei Abgang der neuesten Berichte recht befriedigend und die Ruhe schien auf lange Zeit gesichert. — Aus Buenos=Ayres wird unterm 11. October gemeldet, daß unser erst einige Tage vorher dort angelangter Gesandte eine Unterredung mit Rosa's Minister gehabt hatte. — Nach neueren Briefen aus Neu=Seeland war die Colonie ruhig. Vor einigen Monaten war dort ein Lieutenant Snow mit Familie aufs schrecklichste er- mordet worden, und der Verdacht fiel auf Eingeborene. Es hat sich aber erwiesen, daß Europäer die Greuelthat verübten, und einer der Betheiligten wurde bereits gehängt. Zu Auckland war die Gouverneurswohnung, deren Bau 16,000 Pf. St. gekostet, mit dem ganzen Mobiliar niedergebrannt; die Bewohner konnten sich nur mit Noth retten. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal162_1848/6>, abgerufen am 21.11.2024.