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Mainzer Journal. Nr. 167. Mainz, 18. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz]

1 ) "Die Nationalversammlung ermächtigt die Centralgewalt,
die Lösung der zwischen deutschen Einzelstaaten und fremden Na-
tionen bestehenden Handels= und Schifffahrtsverträge, und er-
forderlichen Falles deren Umwandlung in Reichsverträge zu be-
wirken, auch neue Verträge dieser Art abzuschließen, alles unter
Vorbehalt der Genehmigung der Nationalversammlung."

2 ) "Die Nationalversammlung beschließt, daß der Ausschuß
der Centralgewalt die zur Bearbeitung von Reichsgesetzen über
deutsche Schifffahrt, Eisenbahnen und Postwesen in seinen Acten
vorhandenen Materialien zu dem Zwecke überweise, die diese
Verhältnisse betreffenden Gesetzentwürfe baldthunlichst der Na-
tionalversammlung zur Beschlußnahme vorzulegen."

3 ) "Die Nationalversammlung beauftragt die provisorische
Centralglwalt, mit möglichster Beschleunigung Gesetzesvorlagen
zur Begründung einer Zolleinheit Deutschlands, soweit solche
zum Zwecke der Vorarbeiten erforderlich sind, zu machen."

4 ) "Die Nationalversammlung beauftragt die Centralgewalt,
ein Zollgesetz und einen Zolltarif zu entwerfen und der National-
versammlung vorzulegen."

5 ) "Die Nationalversammlung erklärt, daß sie durch die
vorstehend ertheilten Aufträge in keiner Weise das ihr zustehende
Recht der Jnitiative gefährdet wissen will."

Das Wort ergreift zuerst sehr ausführlich und im Sinne der
Minderheit des Ausschusses der Freiherr v. Reden. Die Vor-
schläge der Minorität, die er dringend zur Annahme empfiehlt,
seyen nichts als eine Wiederholung der Verfassungsbeschlüsse und
die Zolleinigung Deutschlands müsse aus allen Kräften beschleu-
nigt werden, wenn sie überhaupt zu Stande kommen solle.
Francke aus Schleswig: Jch weiß nicht, ob Herr von Reden
pro domo oder ob pro ministerio spricht. ( Oho! von der Lin-
ken. ) Aber es handelt sich darum, ob wir schon heute gesetzge-
bend auftreten wollen, wie es die Minderheit des Ausschusses
fordert und dabei bedauere ich nur, daß das von ihr vorgeschla-
gene Gesetz eine Unmöglichkeit ist in seiner Ausführung. Denn
die politische Einigung muß der commerciellen nothwendig voran-
gehen.

Reichsminister Duckwitz: Jch habe mich in der zweiten
Hälfte des September über meine handelspolitischen Ansichten
ausgesprochen, damit ich eine Aeußerung von Jhnen empfinge,
ob ich der Mann ihres Vertrauens sey oder nicht. Darauf haben
Sie zwar geschwiegen, allein Jhr Auftrag zu mehreren höchst
wichtigen Gesetzen galt mir als eine solche Vertrauensäußerung.
Diese Entwürfe sind so weit gereift, daß sie nur noch der letzten
Feile bedürfen, um Jhnen vorgelegt zu werden. Wollten Sie
sich nun heute in eine Discussion über leitende Grundsätze ein-
lassen, so wäre das zu spät, weil jene Entwürfe bereits fertig
sind, und zu früh, weil sie Jhnen noch nicht übergeben wurden.
Die allgemeine Fassung meiner Vorlage entschuldigt sich durch die
Kürze, in der ich mich mitzutheilen hatte. Von den Verträgen
der Einzelstaaten, die einer augenblicklichen Zolleinigung ent-
gegenstehen, sind die mit den Vereinigten Staaten auf zehn= oder
zwölfmonatliche Kündigung abgeschlossen und ist zu berücksichti-
gen ein Vertrag Mecklenburgs mit Frankreich. Die Besorgniß
aber, daß sich irgend ein norddeutscher Staat durch die Ueber-
nahme neuer Verpflichtungen gegen fremde Staaten binden und
dadurch das Einigungswerk stören könne, ist ein Verdacht des
Verrathes, den die norddeutschen Stämme nicht verdienen! Jch
gehöre ihnen an und wenn irgendwo, so herrscht gerade unter
ihnen eine echt deutsche Gesinnung! Sehr begründet ist jedoch der
Einwand, daß die commercielle Einheit des Vaterlandes nur auf
die politische zu gründen sey. Nur für die letztere wird das Volk
financielle Opfer zu bringen geneigt seyn. Beschleunigen Sie
daher die Verfassung und geben Sie den Vorschlägen der Mehr-
heit des Ausschusses Jhre Zustimmung.

Moritz Mohl: Wenn uns der Reichsminister des Handels
Gesetzentwürfe vorlegen soll, so muß er unterrichtet seyn über die
handelspolitischen Grundsätze, welche im Hause die herrschenden
sind. Das ist der Zweck des Minderheitserachtens des volkswirth-
schaftlichen Ausschusses gewesen. Aller Unterschied, um den es sich
handelt, faßt sich in der Frage zusammen, ob das Freihan-
delssystem
gelten, oder ob die inländische Arbeit, der
deutsche Handel und die deutsche Schifffahrt
durch
einen Differentiallzoll geschützt werden sollen. Der Handelsmini-
ster will die Differentialzölle nur als Retorsion angewendet wissen.
Die Minderheit des Ausschusses hingegen stellt sie als Regel hin.
Der Handelsminister ferner hat behauptet, kein norddeutscher
Staat werde unter den obwaltenden Umständen den Verrath be-
gehen und neue Verträge mit dem Auslande schließen. Allein wenn
das Handelsministerium nicht auf Grund der vollzogenen com-
merciellen Einheit verhandeln kann, so kann es mit auswärtigen
Staaten überhaupt nicht verhandeln, und ebensowenig kann es
[Spaltenumbruch] die Sonderverträge einzelner Staaten in Reichsverträge verwan-
deln. Endlich erblickt Moritz Mohl auch in den österreichischen
Verhältnissen nur einen Grund mehr dazu, die Zolleinheit Deutsch-
lands zu beschleunigen.

Nachdem der Schluß der Debatte verlangt und genehmigt
worden, vertheidigt Eisenstuck die Minderheits= und Stahl
darauf die Mehrheitsanträge.

Eisenstuck: Jm Mai gab es keinen Widerstreit der Mei-
nungen darüber, daß wir vor Allem berufen seyen, die materielle
Einheit Deutschlands herzustellen. Aber die Blüthen des Mai
sind verwelkt, der Winterfrost vor der Thüre. 176 Petitionen,
bedeckt mit mehr als 39,000 Unterschriften, sind eingegangen.
Sie alle fordern die commercielle Einheit Deutschlands und for-
dern sie sofort. Der nächste Weg, der zur Lösung dieser Frage
führt, der unserige, ist der beste. Der Handelsminister faßt das
Pferd beim Schwanze, wenn er sein Gesetzgebungswerk nicht be-
ginnt mit dem Zolltarife und den Schifffahrtsgesetzen. Den nord-
deutschen Staaten das Vertrauen schenken, sie würden sich in keine
weiteren Verträge einlassen, das kommt uns nicht zu, sondern sie
müssen in die gesetzliche Unmöglichkeit dazu gebracht werden.
Einige Bewegung ruft folgende Bemerkung Eisenstucks hervor:
Es hätten Mitglieder des Hauses die hier auf der äußersten
Rechten gesessen, in Hamburg Demokratenversammlungen gehal-
ten, um dort gegen die handelspolitischen Maßregeln der deutschen
Nationalversammlung aufzuregen. Jn Süddeutschland, fährt er
fort, war früher die Abneigung gegen das Zollsystem am Stärk-
sten, welches einheimische Jndustrie vor der fremden bevorzugt.
Und gerade dort ist jetzt der Hauptsitz der Schutzfreunde. Freilich,
um die deutsche Selbstständigkeit handelt es sich in dieser Frage.
Der Kampf darum ist uralt, und daß es an Feinden dieser Selbst-
ständigkeit nicht fehlt, kein Wunder. Sollte aber das Werk der
politischen Einheit, wie hier die Befürchtung ausgesprochen wor-
den ist, scheitern, sollten wir die abermalige Zersplitterung des
Vaterlandes nicht abwenden können, so wollen wir doch retten,
was noch zu retten ist, zum wenigsten also die materielle Einheit.
Dahin ist das Minderheitserachten des Ausschusses gerichtet.
Sagen Sie nicht, daß die Versammlung nicht competent sey zu
einer Beschlußfassung, wie wir sie vorschlagen. Haben wir das
Geld für die Truppenverlegungen bewilligen und das Wechsel-
gesetz erlassen dürfen, werden wir in künftiger Woche nicht über
30 Millionen des Finanzbudgets zur motwirten Tagesordnung
übergehen, so sind wir auch competent zu dem Gesetze über die
commercielle Einheit Deutschlands.

Eisenstuck schließt unter dem Applause des Hauses, worauf
Stahl aus Erlangen das Majoritätserachten rechtfertigt: Die
Verschiedenheit der beiden Ausschußparteien ist nur eine formelle,
denn über viele Punkte des von der Minderheit vorgeschlagenen Gesetz-
entwurfes herrscht Uebereinstimmung. Aber wir von der Mehrheit ver-
tagen die Darlegung unserer Grundsätze auf die Berathung der Vor-
lagen des Handelsministeriums und wollen keine Anticipation dersel-
ben. Herr Eisenstuck fürchtet, die Begründung der politischen Einheit
Deutschlands könne mißlingen. Jch theile diese Besorgniß nicht.
Allein wenn wir nicht durch die Verfassung die politische Einheit
des Vaterlandes zu sichern vermögen, so haben wir auch kein Mit-
tel, die commercielle Einheit zu schützen. Vielmehr wird die coni-
mercielle Einheit der politischen von selbst folgen. Allerdings lie-
gen die Sachen nicht wie im Mai. Es ist ein Zwiespalt in Deutsch-
land ausgebrochen, aber kein politischer, sondern die hier ausge-
sprochenen Zollgrundsätze haben die norddeutschen Bevölkerungen
im höchsten Grade aufgereizt. Um die Sympathien ganzer Volks-
stämme handelt es sich. Wollen wir sie aufs Spiel setzen, indem
wir unveranlaßt allgemeine Grundsätze verkündigen, die hier auf
Beifall, dort auf die tiefste Abneigung treffen? Den Gesetzesvor-
lagen des Handelsministers gegenüber werden die Grundsätze zur
Anwendung kommen, die in diesem Hause die Mehrheit haben.
Das ist der Gesichtspunkt, aus dem, Sie die Majoritätsanträge
betrachten wollen.

Auf den Antrag Wernhers von Nierstein entscheidet sich die
Versammlung mit 262 gegen 175 Stimmen für den Uebergang
zur Tagesordnung über die Vorschläge der Minderheit
des volkswirthschaftlichen Ausschusses.
Zur An-
nahme
gelangen dagegen von den Anträgen der Ausschuß-
mehrheit,
ohne Abänderung, die Absätze 1. und 2., wie wir
sie in vorstehendem Berichte mitgetheilt haben. Der Absatz 3.
dagegen erhält durch eine kleine Auslassung die folgende Gestalt:
"Die Nationalversammlung beauftragt die provisorische Central-
gewalt, mit möglichster Beschleunigung Gesetzesvorlagen zur Be-
gründung einer Zolleinheit Deutschlands zu machen." Absatz 4.
und 5. werden ebenfalls unverändert angenommen und mit der
Verwerfung aller Verbesserungs- und Zusatzanträge wird die
Angelegenheit vollends beseitigt.

[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]

1 ) „Die Nationalversammlung ermächtigt die Centralgewalt,
die Lösung der zwischen deutschen Einzelstaaten und fremden Na-
tionen bestehenden Handels= und Schifffahrtsverträge, und er-
forderlichen Falles deren Umwandlung in Reichsverträge zu be-
wirken, auch neue Verträge dieser Art abzuschließen, alles unter
Vorbehalt der Genehmigung der Nationalversammlung.“

2 ) „Die Nationalversammlung beschließt, daß der Ausschuß
der Centralgewalt die zur Bearbeitung von Reichsgesetzen über
deutsche Schifffahrt, Eisenbahnen und Postwesen in seinen Acten
vorhandenen Materialien zu dem Zwecke überweise, die diese
Verhältnisse betreffenden Gesetzentwürfe baldthunlichst der Na-
tionalversammlung zur Beschlußnahme vorzulegen.“

3 ) „Die Nationalversammlung beauftragt die provisorische
Centralglwalt, mit möglichster Beschleunigung Gesetzesvorlagen
zur Begründung einer Zolleinheit Deutschlands, soweit solche
zum Zwecke der Vorarbeiten erforderlich sind, zu machen.“

4 ) „Die Nationalversammlung beauftragt die Centralgewalt,
ein Zollgesetz und einen Zolltarif zu entwerfen und der National-
versammlung vorzulegen.“

5 ) „Die Nationalversammlung erklärt, daß sie durch die
vorstehend ertheilten Aufträge in keiner Weise das ihr zustehende
Recht der Jnitiative gefährdet wissen will.“

Das Wort ergreift zuerst sehr ausführlich und im Sinne der
Minderheit des Ausschusses der Freiherr v. Reden. Die Vor-
schläge der Minorität, die er dringend zur Annahme empfiehlt,
seyen nichts als eine Wiederholung der Verfassungsbeschlüsse und
die Zolleinigung Deutschlands müsse aus allen Kräften beschleu-
nigt werden, wenn sie überhaupt zu Stande kommen solle.
Francke aus Schleswig: Jch weiß nicht, ob Herr von Reden
pro domo oder ob pro ministerio spricht. ( Oho! von der Lin-
ken. ) Aber es handelt sich darum, ob wir schon heute gesetzge-
bend auftreten wollen, wie es die Minderheit des Ausschusses
fordert und dabei bedauere ich nur, daß das von ihr vorgeschla-
gene Gesetz eine Unmöglichkeit ist in seiner Ausführung. Denn
die politische Einigung muß der commerciellen nothwendig voran-
gehen.

Reichsminister Duckwitz: Jch habe mich in der zweiten
Hälfte des September über meine handelspolitischen Ansichten
ausgesprochen, damit ich eine Aeußerung von Jhnen empfinge,
ob ich der Mann ihres Vertrauens sey oder nicht. Darauf haben
Sie zwar geschwiegen, allein Jhr Auftrag zu mehreren höchst
wichtigen Gesetzen galt mir als eine solche Vertrauensäußerung.
Diese Entwürfe sind so weit gereift, daß sie nur noch der letzten
Feile bedürfen, um Jhnen vorgelegt zu werden. Wollten Sie
sich nun heute in eine Discussion über leitende Grundsätze ein-
lassen, so wäre das zu spät, weil jene Entwürfe bereits fertig
sind, und zu früh, weil sie Jhnen noch nicht übergeben wurden.
Die allgemeine Fassung meiner Vorlage entschuldigt sich durch die
Kürze, in der ich mich mitzutheilen hatte. Von den Verträgen
der Einzelstaaten, die einer augenblicklichen Zolleinigung ent-
gegenstehen, sind die mit den Vereinigten Staaten auf zehn= oder
zwölfmonatliche Kündigung abgeschlossen und ist zu berücksichti-
gen ein Vertrag Mecklenburgs mit Frankreich. Die Besorgniß
aber, daß sich irgend ein norddeutscher Staat durch die Ueber-
nahme neuer Verpflichtungen gegen fremde Staaten binden und
dadurch das Einigungswerk stören könne, ist ein Verdacht des
Verrathes, den die norddeutschen Stämme nicht verdienen! Jch
gehöre ihnen an und wenn irgendwo, so herrscht gerade unter
ihnen eine echt deutsche Gesinnung! Sehr begründet ist jedoch der
Einwand, daß die commercielle Einheit des Vaterlandes nur auf
die politische zu gründen sey. Nur für die letztere wird das Volk
financielle Opfer zu bringen geneigt seyn. Beschleunigen Sie
daher die Verfassung und geben Sie den Vorschlägen der Mehr-
heit des Ausschusses Jhre Zustimmung.

Moritz Mohl: Wenn uns der Reichsminister des Handels
Gesetzentwürfe vorlegen soll, so muß er unterrichtet seyn über die
handelspolitischen Grundsätze, welche im Hause die herrschenden
sind. Das ist der Zweck des Minderheitserachtens des volkswirth-
schaftlichen Ausschusses gewesen. Aller Unterschied, um den es sich
handelt, faßt sich in der Frage zusammen, ob das Freihan-
delssystem
gelten, oder ob die inländische Arbeit, der
deutsche Handel und die deutsche Schifffahrt
durch
einen Differentiallzoll geschützt werden sollen. Der Handelsmini-
ster will die Differentialzölle nur als Retorsion angewendet wissen.
Die Minderheit des Ausschusses hingegen stellt sie als Regel hin.
Der Handelsminister ferner hat behauptet, kein norddeutscher
Staat werde unter den obwaltenden Umständen den Verrath be-
gehen und neue Verträge mit dem Auslande schließen. Allein wenn
das Handelsministerium nicht auf Grund der vollzogenen com-
merciellen Einheit verhandeln kann, so kann es mit auswärtigen
Staaten überhaupt nicht verhandeln, und ebensowenig kann es
[Spaltenumbruch] die Sonderverträge einzelner Staaten in Reichsverträge verwan-
deln. Endlich erblickt Moritz Mohl auch in den österreichischen
Verhältnissen nur einen Grund mehr dazu, die Zolleinheit Deutsch-
lands zu beschleunigen.

Nachdem der Schluß der Debatte verlangt und genehmigt
worden, vertheidigt Eisenstuck die Minderheits= und Stahl
darauf die Mehrheitsanträge.

Eisenstuck: Jm Mai gab es keinen Widerstreit der Mei-
nungen darüber, daß wir vor Allem berufen seyen, die materielle
Einheit Deutschlands herzustellen. Aber die Blüthen des Mai
sind verwelkt, der Winterfrost vor der Thüre. 176 Petitionen,
bedeckt mit mehr als 39,000 Unterschriften, sind eingegangen.
Sie alle fordern die commercielle Einheit Deutschlands und for-
dern sie sofort. Der nächste Weg, der zur Lösung dieser Frage
führt, der unserige, ist der beste. Der Handelsminister faßt das
Pferd beim Schwanze, wenn er sein Gesetzgebungswerk nicht be-
ginnt mit dem Zolltarife und den Schifffahrtsgesetzen. Den nord-
deutschen Staaten das Vertrauen schenken, sie würden sich in keine
weiteren Verträge einlassen, das kommt uns nicht zu, sondern sie
müssen in die gesetzliche Unmöglichkeit dazu gebracht werden.
Einige Bewegung ruft folgende Bemerkung Eisenstucks hervor:
Es hätten Mitglieder des Hauses die hier auf der äußersten
Rechten gesessen, in Hamburg Demokratenversammlungen gehal-
ten, um dort gegen die handelspolitischen Maßregeln der deutschen
Nationalversammlung aufzuregen. Jn Süddeutschland, fährt er
fort, war früher die Abneigung gegen das Zollsystem am Stärk-
sten, welches einheimische Jndustrie vor der fremden bevorzugt.
Und gerade dort ist jetzt der Hauptsitz der Schutzfreunde. Freilich,
um die deutsche Selbstständigkeit handelt es sich in dieser Frage.
Der Kampf darum ist uralt, und daß es an Feinden dieser Selbst-
ständigkeit nicht fehlt, kein Wunder. Sollte aber das Werk der
politischen Einheit, wie hier die Befürchtung ausgesprochen wor-
den ist, scheitern, sollten wir die abermalige Zersplitterung des
Vaterlandes nicht abwenden können, so wollen wir doch retten,
was noch zu retten ist, zum wenigsten also die materielle Einheit.
Dahin ist das Minderheitserachten des Ausschusses gerichtet.
Sagen Sie nicht, daß die Versammlung nicht competent sey zu
einer Beschlußfassung, wie wir sie vorschlagen. Haben wir das
Geld für die Truppenverlegungen bewilligen und das Wechsel-
gesetz erlassen dürfen, werden wir in künftiger Woche nicht über
30 Millionen des Finanzbudgets zur motwirten Tagesordnung
übergehen, so sind wir auch competent zu dem Gesetze über die
commercielle Einheit Deutschlands.

Eisenstuck schließt unter dem Applause des Hauses, worauf
Stahl aus Erlangen das Majoritätserachten rechtfertigt: Die
Verschiedenheit der beiden Ausschußparteien ist nur eine formelle,
denn über viele Punkte des von der Minderheit vorgeschlagenen Gesetz-
entwurfes herrscht Uebereinstimmung. Aber wir von der Mehrheit ver-
tagen die Darlegung unserer Grundsätze auf die Berathung der Vor-
lagen des Handelsministeriums und wollen keine Anticipation dersel-
ben. Herr Eisenstuck fürchtet, die Begründung der politischen Einheit
Deutschlands könne mißlingen. Jch theile diese Besorgniß nicht.
Allein wenn wir nicht durch die Verfassung die politische Einheit
des Vaterlandes zu sichern vermögen, so haben wir auch kein Mit-
tel, die commercielle Einheit zu schützen. Vielmehr wird die coni-
mercielle Einheit der politischen von selbst folgen. Allerdings lie-
gen die Sachen nicht wie im Mai. Es ist ein Zwiespalt in Deutsch-
land ausgebrochen, aber kein politischer, sondern die hier ausge-
sprochenen Zollgrundsätze haben die norddeutschen Bevölkerungen
im höchsten Grade aufgereizt. Um die Sympathien ganzer Volks-
stämme handelt es sich. Wollen wir sie aufs Spiel setzen, indem
wir unveranlaßt allgemeine Grundsätze verkündigen, die hier auf
Beifall, dort auf die tiefste Abneigung treffen? Den Gesetzesvor-
lagen des Handelsministers gegenüber werden die Grundsätze zur
Anwendung kommen, die in diesem Hause die Mehrheit haben.
Das ist der Gesichtspunkt, aus dem, Sie die Majoritätsanträge
betrachten wollen.

Auf den Antrag Wernhers von Nierstein entscheidet sich die
Versammlung mit 262 gegen 175 Stimmen für den Uebergang
zur Tagesordnung über die Vorschläge der Minderheit
des volkswirthschaftlichen Ausschusses.
Zur An-
nahme
gelangen dagegen von den Anträgen der Ausschuß-
mehrheit,
ohne Abänderung, die Absätze 1. und 2., wie wir
sie in vorstehendem Berichte mitgetheilt haben. Der Absatz 3.
dagegen erhält durch eine kleine Auslassung die folgende Gestalt:
„Die Nationalversammlung beauftragt die provisorische Central-
gewalt, mit möglichster Beschleunigung Gesetzesvorlagen zur Be-
gründung einer Zolleinheit Deutschlands zu machen.“ Absatz 4.
und 5. werden ebenfalls unverändert angenommen und mit der
Verwerfung aller Verbesserungs- und Zusatzanträge wird die
Angelegenheit vollends beseitigt.

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[0002] 1 ) „Die Nationalversammlung ermächtigt die Centralgewalt, die Lösung der zwischen deutschen Einzelstaaten und fremden Na- tionen bestehenden Handels= und Schifffahrtsverträge, und er- forderlichen Falles deren Umwandlung in Reichsverträge zu be- wirken, auch neue Verträge dieser Art abzuschließen, alles unter Vorbehalt der Genehmigung der Nationalversammlung.“ 2 ) „Die Nationalversammlung beschließt, daß der Ausschuß der Centralgewalt die zur Bearbeitung von Reichsgesetzen über deutsche Schifffahrt, Eisenbahnen und Postwesen in seinen Acten vorhandenen Materialien zu dem Zwecke überweise, die diese Verhältnisse betreffenden Gesetzentwürfe baldthunlichst der Na- tionalversammlung zur Beschlußnahme vorzulegen.“ 3 ) „Die Nationalversammlung beauftragt die provisorische Centralglwalt, mit möglichster Beschleunigung Gesetzesvorlagen zur Begründung einer Zolleinheit Deutschlands, soweit solche zum Zwecke der Vorarbeiten erforderlich sind, zu machen.“ 4 ) „Die Nationalversammlung beauftragt die Centralgewalt, ein Zollgesetz und einen Zolltarif zu entwerfen und der National- versammlung vorzulegen.“ 5 ) „Die Nationalversammlung erklärt, daß sie durch die vorstehend ertheilten Aufträge in keiner Weise das ihr zustehende Recht der Jnitiative gefährdet wissen will.“ Das Wort ergreift zuerst sehr ausführlich und im Sinne der Minderheit des Ausschusses der Freiherr v. Reden. Die Vor- schläge der Minorität, die er dringend zur Annahme empfiehlt, seyen nichts als eine Wiederholung der Verfassungsbeschlüsse und die Zolleinigung Deutschlands müsse aus allen Kräften beschleu- nigt werden, wenn sie überhaupt zu Stande kommen solle. Francke aus Schleswig: Jch weiß nicht, ob Herr von Reden pro domo oder ob pro ministerio spricht. ( Oho! von der Lin- ken. ) Aber es handelt sich darum, ob wir schon heute gesetzge- bend auftreten wollen, wie es die Minderheit des Ausschusses fordert und dabei bedauere ich nur, daß das von ihr vorgeschla- gene Gesetz eine Unmöglichkeit ist in seiner Ausführung. Denn die politische Einigung muß der commerciellen nothwendig voran- gehen. Reichsminister Duckwitz: Jch habe mich in der zweiten Hälfte des September über meine handelspolitischen Ansichten ausgesprochen, damit ich eine Aeußerung von Jhnen empfinge, ob ich der Mann ihres Vertrauens sey oder nicht. Darauf haben Sie zwar geschwiegen, allein Jhr Auftrag zu mehreren höchst wichtigen Gesetzen galt mir als eine solche Vertrauensäußerung. Diese Entwürfe sind so weit gereift, daß sie nur noch der letzten Feile bedürfen, um Jhnen vorgelegt zu werden. Wollten Sie sich nun heute in eine Discussion über leitende Grundsätze ein- lassen, so wäre das zu spät, weil jene Entwürfe bereits fertig sind, und zu früh, weil sie Jhnen noch nicht übergeben wurden. Die allgemeine Fassung meiner Vorlage entschuldigt sich durch die Kürze, in der ich mich mitzutheilen hatte. Von den Verträgen der Einzelstaaten, die einer augenblicklichen Zolleinigung ent- gegenstehen, sind die mit den Vereinigten Staaten auf zehn= oder zwölfmonatliche Kündigung abgeschlossen und ist zu berücksichti- gen ein Vertrag Mecklenburgs mit Frankreich. Die Besorgniß aber, daß sich irgend ein norddeutscher Staat durch die Ueber- nahme neuer Verpflichtungen gegen fremde Staaten binden und dadurch das Einigungswerk stören könne, ist ein Verdacht des Verrathes, den die norddeutschen Stämme nicht verdienen! Jch gehöre ihnen an und wenn irgendwo, so herrscht gerade unter ihnen eine echt deutsche Gesinnung! Sehr begründet ist jedoch der Einwand, daß die commercielle Einheit des Vaterlandes nur auf die politische zu gründen sey. Nur für die letztere wird das Volk financielle Opfer zu bringen geneigt seyn. Beschleunigen Sie daher die Verfassung und geben Sie den Vorschlägen der Mehr- heit des Ausschusses Jhre Zustimmung. Moritz Mohl: Wenn uns der Reichsminister des Handels Gesetzentwürfe vorlegen soll, so muß er unterrichtet seyn über die handelspolitischen Grundsätze, welche im Hause die herrschenden sind. Das ist der Zweck des Minderheitserachtens des volkswirth- schaftlichen Ausschusses gewesen. Aller Unterschied, um den es sich handelt, faßt sich in der Frage zusammen, ob das Freihan- delssystem gelten, oder ob die inländische Arbeit, der deutsche Handel und die deutsche Schifffahrt durch einen Differentiallzoll geschützt werden sollen. Der Handelsmini- ster will die Differentialzölle nur als Retorsion angewendet wissen. Die Minderheit des Ausschusses hingegen stellt sie als Regel hin. Der Handelsminister ferner hat behauptet, kein norddeutscher Staat werde unter den obwaltenden Umständen den Verrath be- gehen und neue Verträge mit dem Auslande schließen. Allein wenn das Handelsministerium nicht auf Grund der vollzogenen com- merciellen Einheit verhandeln kann, so kann es mit auswärtigen Staaten überhaupt nicht verhandeln, und ebensowenig kann es die Sonderverträge einzelner Staaten in Reichsverträge verwan- deln. Endlich erblickt Moritz Mohl auch in den österreichischen Verhältnissen nur einen Grund mehr dazu, die Zolleinheit Deutsch- lands zu beschleunigen. Nachdem der Schluß der Debatte verlangt und genehmigt worden, vertheidigt Eisenstuck die Minderheits= und Stahl darauf die Mehrheitsanträge. Eisenstuck: Jm Mai gab es keinen Widerstreit der Mei- nungen darüber, daß wir vor Allem berufen seyen, die materielle Einheit Deutschlands herzustellen. Aber die Blüthen des Mai sind verwelkt, der Winterfrost vor der Thüre. 176 Petitionen, bedeckt mit mehr als 39,000 Unterschriften, sind eingegangen. Sie alle fordern die commercielle Einheit Deutschlands und for- dern sie sofort. Der nächste Weg, der zur Lösung dieser Frage führt, der unserige, ist der beste. Der Handelsminister faßt das Pferd beim Schwanze, wenn er sein Gesetzgebungswerk nicht be- ginnt mit dem Zolltarife und den Schifffahrtsgesetzen. Den nord- deutschen Staaten das Vertrauen schenken, sie würden sich in keine weiteren Verträge einlassen, das kommt uns nicht zu, sondern sie müssen in die gesetzliche Unmöglichkeit dazu gebracht werden. Einige Bewegung ruft folgende Bemerkung Eisenstucks hervor: Es hätten Mitglieder des Hauses die hier auf der äußersten Rechten gesessen, in Hamburg Demokratenversammlungen gehal- ten, um dort gegen die handelspolitischen Maßregeln der deutschen Nationalversammlung aufzuregen. Jn Süddeutschland, fährt er fort, war früher die Abneigung gegen das Zollsystem am Stärk- sten, welches einheimische Jndustrie vor der fremden bevorzugt. Und gerade dort ist jetzt der Hauptsitz der Schutzfreunde. Freilich, um die deutsche Selbstständigkeit handelt es sich in dieser Frage. Der Kampf darum ist uralt, und daß es an Feinden dieser Selbst- ständigkeit nicht fehlt, kein Wunder. Sollte aber das Werk der politischen Einheit, wie hier die Befürchtung ausgesprochen wor- den ist, scheitern, sollten wir die abermalige Zersplitterung des Vaterlandes nicht abwenden können, so wollen wir doch retten, was noch zu retten ist, zum wenigsten also die materielle Einheit. Dahin ist das Minderheitserachten des Ausschusses gerichtet. Sagen Sie nicht, daß die Versammlung nicht competent sey zu einer Beschlußfassung, wie wir sie vorschlagen. Haben wir das Geld für die Truppenverlegungen bewilligen und das Wechsel- gesetz erlassen dürfen, werden wir in künftiger Woche nicht über 30 Millionen des Finanzbudgets zur motwirten Tagesordnung übergehen, so sind wir auch competent zu dem Gesetze über die commercielle Einheit Deutschlands. Eisenstuck schließt unter dem Applause des Hauses, worauf Stahl aus Erlangen das Majoritätserachten rechtfertigt: Die Verschiedenheit der beiden Ausschußparteien ist nur eine formelle, denn über viele Punkte des von der Minderheit vorgeschlagenen Gesetz- entwurfes herrscht Uebereinstimmung. Aber wir von der Mehrheit ver- tagen die Darlegung unserer Grundsätze auf die Berathung der Vor- lagen des Handelsministeriums und wollen keine Anticipation dersel- ben. Herr Eisenstuck fürchtet, die Begründung der politischen Einheit Deutschlands könne mißlingen. Jch theile diese Besorgniß nicht. Allein wenn wir nicht durch die Verfassung die politische Einheit des Vaterlandes zu sichern vermögen, so haben wir auch kein Mit- tel, die commercielle Einheit zu schützen. Vielmehr wird die coni- mercielle Einheit der politischen von selbst folgen. Allerdings lie- gen die Sachen nicht wie im Mai. Es ist ein Zwiespalt in Deutsch- land ausgebrochen, aber kein politischer, sondern die hier ausge- sprochenen Zollgrundsätze haben die norddeutschen Bevölkerungen im höchsten Grade aufgereizt. Um die Sympathien ganzer Volks- stämme handelt es sich. Wollen wir sie aufs Spiel setzen, indem wir unveranlaßt allgemeine Grundsätze verkündigen, die hier auf Beifall, dort auf die tiefste Abneigung treffen? Den Gesetzesvor- lagen des Handelsministers gegenüber werden die Grundsätze zur Anwendung kommen, die in diesem Hause die Mehrheit haben. Das ist der Gesichtspunkt, aus dem, Sie die Majoritätsanträge betrachten wollen. Auf den Antrag Wernhers von Nierstein entscheidet sich die Versammlung mit 262 gegen 175 Stimmen für den Uebergang zur Tagesordnung über die Vorschläge der Minderheit des volkswirthschaftlichen Ausschusses. Zur An- nahme gelangen dagegen von den Anträgen der Ausschuß- mehrheit, ohne Abänderung, die Absätze 1. und 2., wie wir sie in vorstehendem Berichte mitgetheilt haben. Der Absatz 3. dagegen erhält durch eine kleine Auslassung die folgende Gestalt: „Die Nationalversammlung beauftragt die provisorische Central- gewalt, mit möglichster Beschleunigung Gesetzesvorlagen zur Be- gründung einer Zolleinheit Deutschlands zu machen.“ Absatz 4. und 5. werden ebenfalls unverändert angenommen und mit der Verwerfung aller Verbesserungs- und Zusatzanträge wird die Angelegenheit vollends beseitigt.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 167. Mainz, 18. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal167_1848/2>, abgerufen am 13.06.2024.