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Mainzer Journal. Nr. 244. Mainz, 13. Oktober 1849.

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Mainzer Journal.


Nro 244. Samstag, den 13. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Das Ende 1) ?

A Welcher Zukunft geht Deutschland entgegen? -- Wahr-
scheinlich gar keiner!

Vielleicht wird Mancher, der diesen Ausspruch für paradox,
oder gar für einen schlechten Spaß hält, sich zu dieser Ansicht be-
kehren, wenn er die folgenden Sätze, welche an diesem Orte nur
in skizirten Umrissen aufgestellt werden können, einer Prüfung
würdigt und ihren Jnhalt an dem Maßstabe der eigenen Erfah-
rung zu untersuchen geeignet ist.

Unmöglich ist es doch wahrlich nicht, daß im Rathe der Vor-
sehung dem deutschen Reiche, der deutschen Nation, dem Deutsch-
thume nur Eine tausendjährige Existenz zugetheilt wäre, etwa
vom achten bis zum achtzehnten Jahrhunderte, von Karl dem
Großen bis auf Friedrich den Großen.

Hat etwa Deutschland in dem großen Wanderzuge der Völ-
ker seine Bestimmung nicht erfüllt? Oder wären Händel und
Gluck, Kant und Lessing, Schiller und Mozart, Göthe und Haydn
weniger unsterblich als Homer, Shakespeare und Cervantes?
Eine Nation, die so reiche Früchte getragen, kann ruhig und mit
Ehren zu Grabe gehen.

Und was können wir Besseres thuen? Die Zukunft gehört
der Jugend. Unserer Jugend? Gott erbarme sich! Man be-
trachte, von Einzelnen abgesehen, die Masse "des werdenden Ge-
schlechtes." Was ist das Kriterium unserer Schuljungen, inclusive
Gassenbuben, Turner par excellence und souverainer Studen-
ten? Frechheit in ihrer höchsten Potenz, wie immer mit der ge-
hörigen Zuthat von Feigheit, obgleich ihr Jugendmuth von unse-
ren Schandblättern zuweilen bis zu einer Katzenmusik, ja bis zum
Fenstereinwerfen, im Finstern nämlich, aufgestachelt wird.

Was muß ein Familienvater wünschen, wenn er das Schick-
sal seiner Kinder und Kindeskinder bedenkt, welche einer Zukunft
entgegengehen -- in solchen Händen!

Und was haben denn seit etwa hundert Jahren die deutschen
Männer gethan? Als die armen Franzosen im letzten Viertel des
vorigen Jahrhunderts den steilen Abhang betraten, auf welchem
sie seit nun bald siebenzig Jahren herumtaumelen, da rüttelte sich
Deutschland und meinte im Glauben an seine alte Kraft dem Völ-
kerschicksale entgegen treten zu können. Jnnere Zwietracht, der
alte Jammer einer schon sinkenden Nation, riß indessen Deutsch-
land mit auf die Bahn des Abgrundes, und nach kaum dreißig
Jahren war die deutsche Nation "in ihrer tiefsten Erniedrigung."

Hätte das französische Volk und sein Heerführer Maß halten
können, so war Deutschland schon damals vernichtet; aber auf
der Bahn des Unterganges gibt es kein Anhalten, sie rührten an
eine frische, entstehende Nation und wurden zertreten.

Und der Anstoß vom frischen Nordosten ließ auch in Deutsch-
land das verlöschende Flämmchen noch einmal aufflackern, bald
aber trat die alte Agonie wieder ein. Ein Abschnitzer von Deutsch-
land mit ein paar Millionen Strand= und Landbewohnern ver-
sperrte die eine Hauptader des Reiches, und Deuschland sah ruhig
zu. Die immer näher drängenden Slaven versperrten die andere,
und Deutschland sah abermals ruhig zu. Endlich bei einer
neuen krampfhaften Zuckung der Franzosen fing es auch in Deutsch-
land noch einmal an aufzukochen, und was kam auf die Ober-
fläche? -- Pfui über den Bodensatz! -- Zuletzt that ein anderer
Abschnitzer von Deutschland, dessen Million Einwohner schon nach
dem alten Arndt kein anderes Merkmal hat, als die fratzenhafte
Eitelkeit, einen "kühnen Griff" nach einer deutschen Provinz, es
erhoben 50 Millionen Deutsche ein klägliches Geschrei und zogen
[Spaltenumbruch] aus diese Narren zu züchtigen, -- nach zweimaligem Anlaufe
aber gingen sie unverrichteter Sache wieder nach Hause, während
das in dieser Angelegenheit beschriebene Papier hingereicht hätte,
die sogenannte dänische Nation aus ihrem Winkel hinauszu-
räuchern.

Das sind die Thaten der Deutschen seit dem Hubertsburger
Frieden und wir fragen: kann eine solche Nation eine Zukunft
haben? Wenn im Süden ein Achtzigjähriger den Sturz eines
deutschen Reiches durch Männlichkeit und Menschlichkeit für eine
Weile verzögert, -- wenn im Norden ein Achtzigjähriger in sei-
nem Kosmos die ganze Tiefe des deutschen Geistes noch einmal
zur Anschauung bringt, so mögen einzelne Erscheinungen dieser
Art uns tröstlich an unsere Vergangenheit erinnern, zugleich aber
werfen gerade sie ein um so grelleres Licht auf unsere trostlose
Gegenwart.

Darum folge man den Zügen unserer Auswanderer nicht mit
trüben Blicken, der Jnstinct, der sie treibt, ist derselbe, welcher
Mäuse und Ratten ein Gebäude kurz vor seinem Einsturze ver-
lassen lehrt. Warum ziehen die Deutschen aus der unheimlichen
Heimath nicht nach Spanien oder nach Portugal, wo noch Mil-
lionen sich ernähren könnten? Weil alle süd= und westlichen euro-
päischen Staaten in demselben Auflösungsprocesse begriffen sind
wie wir. Warum zieht fast Alles nach Nordamerika? Weil sich
dort ein neues Germanien anzusetzen sucht, dem freilich schon bei
seiner Geburt der Unstern leuchtet, daß es von den Anglo=Ameri-
kanern verschlungen zu werden droht!



Deutschland.

Wien 9. October. Außer dem an Graf Batthyani vollzoge-
nen hat F. Z. M. Haynau nachstehenden kriegsrechtlichen Urtheilen
die Bestätigung ertheilt: Nagy=Sandor, Aulich, Pöltenberg,
Leiningen, Balagh und Damjanich zum Tode durch den Strang;
Kiß, Lazar und Török zum Tode durch Pulver und Blei. Man
zweifelt nicht an dem Vollzuge dieser Todesurtheile; da derselbe
jedoch in Arad, wo diese ungarischen Generale gefangen sitzen,
stattfinden soll, so ist man hier noch ohne officielle Nachricht
darüber.

Das Urtheil an Graf Batthyani ist wirklich vollzogen. Die
"Pesther Zeitung" vom 7. October enthält im amtlichen Theile
folgende Kundmachung:

Kriegsrechtliches Urtheil. Ludwig Graf Bat-
thyani,
aus Preßburg gebürtig, 40 Jahre alt, katholisch, ver-
heirathet, theils geständig, theils rechtlich überwiesen, in seiner
frühern Eigenschaft als Premierminister Ungarns solche Be-
schlüsse gefaßt, vollzogen, oder deren Vollzug gestattet zu haben,
durch welche das in den Märzgesetzen gewährte administrative
Verhältniß Ungarns bei Weitem überschritten, der durch die
pragmatische Sanction festgestellte gesetzliche Verband zwischen
Ungarn und den kaiserlich königlichen Erbstaaten gelockert und
die bedrohlichsten Gefahren für gewaltsamen Umsturz der Staats-
verfassung herbeigeführt wurden, -- sowie auch nach Resigna-
tion seiner Ministerstelle am 3. October vorigen Jahres durch
seinen Eintritt in die Jnsurgentenreihen, -- durch seinen öffentli-
chen Aufruf zum bewaffneten Widerstande und durch Wiederein-
tritt in den von Seiner Majestät aufgelösten Reichstag die Revo-
lutionspartei gekräftigt und unterstützt zu haben, -- wurde wegen
Hochverrath -- bei Verfall seines sämmtlichen Vermögens zur
Entschädigung des Staatsschatzes -- zum Tode durch den Strang
verurtheilt und diese Sentenz nach erfolgter Bestätigung und
Kundmachung heute in Vollzug gesetzt. Pesth, am 6. October
1849. Vom k. k. Kriegsgerichte.

Bekanntlich verbreitet die Berliner Presse schon seit geraumer
Zeit die abenteuerlichsten Nachrichten über Oesterreich, wohl
weil diese tiefsinnigen Politiker meinen, Preußen werde stark,
wenn Oesterreich abgeschwächt wird! Ein Artikel eines Berliner
Blattes, der "Nationalzeitung," veranlaßt nun das " Constitutio-
nelle Blatt aus Böhmen" zu folgender Bemerkung. Dort heißt
[Ende Spaltensatz]

1) So wenig rosenfarbig wir auch die Gegenwart anzuschauen ge-
wohnt sind, so halten wir die Aussichten doch nicht für so ganz trübe,
wie sie hier geschildert werden. Jndessen rührt diese Mittheilung von
einem ganz freien unabhängigen Manne her, der im Laufe eines langen
Lebens viele Menschen und Länder gesehen und kennen gelernt hat --
und die Stimme der Erfahrung verdient unter allen Umständen Beach-
tung. Das Gefährlichste ist immer die eigenen Schäden nicht zu ken-
nen oder gar durch Schönfärberei sie zu verhüllen.     D. Red.
Mainzer Journal.


Nro 244. Samstag, den 13. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Das Ende 1) ?

A Welcher Zukunft geht Deutschland entgegen? — Wahr-
scheinlich gar keiner!

Vielleicht wird Mancher, der diesen Ausspruch für paradox,
oder gar für einen schlechten Spaß hält, sich zu dieser Ansicht be-
kehren, wenn er die folgenden Sätze, welche an diesem Orte nur
in skizirten Umrissen aufgestellt werden können, einer Prüfung
würdigt und ihren Jnhalt an dem Maßstabe der eigenen Erfah-
rung zu untersuchen geeignet ist.

Unmöglich ist es doch wahrlich nicht, daß im Rathe der Vor-
sehung dem deutschen Reiche, der deutschen Nation, dem Deutsch-
thume nur Eine tausendjährige Existenz zugetheilt wäre, etwa
vom achten bis zum achtzehnten Jahrhunderte, von Karl dem
Großen bis auf Friedrich den Großen.

Hat etwa Deutschland in dem großen Wanderzuge der Völ-
ker seine Bestimmung nicht erfüllt? Oder wären Händel und
Gluck, Kant und Lessing, Schiller und Mozart, Göthe und Haydn
weniger unsterblich als Homer, Shakespeare und Cervantes?
Eine Nation, die so reiche Früchte getragen, kann ruhig und mit
Ehren zu Grabe gehen.

Und was können wir Besseres thuen? Die Zukunft gehört
der Jugend. Unserer Jugend? Gott erbarme sich! Man be-
trachte, von Einzelnen abgesehen, die Masse „des werdenden Ge-
schlechtes.“ Was ist das Kriterium unserer Schuljungen, inclusive
Gassenbuben, Turner par excellence und souverainer Studen-
ten? Frechheit in ihrer höchsten Potenz, wie immer mit der ge-
hörigen Zuthat von Feigheit, obgleich ihr Jugendmuth von unse-
ren Schandblättern zuweilen bis zu einer Katzenmusik, ja bis zum
Fenstereinwerfen, im Finstern nämlich, aufgestachelt wird.

Was muß ein Familienvater wünschen, wenn er das Schick-
sal seiner Kinder und Kindeskinder bedenkt, welche einer Zukunft
entgegengehen — in solchen Händen!

Und was haben denn seit etwa hundert Jahren die deutschen
Männer gethan? Als die armen Franzosen im letzten Viertel des
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sie seit nun bald siebenzig Jahren herumtaumelen, da rüttelte sich
Deutschland und meinte im Glauben an seine alte Kraft dem Völ-
kerschicksale entgegen treten zu können. Jnnere Zwietracht, der
alte Jammer einer schon sinkenden Nation, riß indessen Deutsch-
land mit auf die Bahn des Abgrundes, und nach kaum dreißig
Jahren war die deutsche Nation „in ihrer tiefsten Erniedrigung.“

Hätte das französische Volk und sein Heerführer Maß halten
können, so war Deutschland schon damals vernichtet; aber auf
der Bahn des Unterganges gibt es kein Anhalten, sie rührten an
eine frische, entstehende Nation und wurden zertreten.

Und der Anstoß vom frischen Nordosten ließ auch in Deutsch-
land das verlöschende Flämmchen noch einmal aufflackern, bald
aber trat die alte Agonie wieder ein. Ein Abschnitzer von Deutsch-
land mit ein paar Millionen Strand= und Landbewohnern ver-
sperrte die eine Hauptader des Reiches, und Deuschland sah ruhig
zu. Die immer näher drängenden Slaven versperrten die andere,
und Deutschland sah abermals ruhig zu. Endlich bei einer
neuen krampfhaften Zuckung der Franzosen fing es auch in Deutsch-
land noch einmal an aufzukochen, und was kam auf die Ober-
fläche? — Pfui über den Bodensatz! — Zuletzt that ein anderer
Abschnitzer von Deutschland, dessen Million Einwohner schon nach
dem alten Arndt kein anderes Merkmal hat, als die fratzenhafte
Eitelkeit, einen „kühnen Griff“ nach einer deutschen Provinz, es
erhoben 50 Millionen Deutsche ein klägliches Geschrei und zogen
[Spaltenumbruch] aus diese Narren zu züchtigen, — nach zweimaligem Anlaufe
aber gingen sie unverrichteter Sache wieder nach Hause, während
das in dieser Angelegenheit beschriebene Papier hingereicht hätte,
die sogenannte dänische Nation aus ihrem Winkel hinauszu-
räuchern.

Das sind die Thaten der Deutschen seit dem Hubertsburger
Frieden und wir fragen: kann eine solche Nation eine Zukunft
haben? Wenn im Süden ein Achtzigjähriger den Sturz eines
deutschen Reiches durch Männlichkeit und Menschlichkeit für eine
Weile verzögert, — wenn im Norden ein Achtzigjähriger in sei-
nem Kosmos die ganze Tiefe des deutschen Geistes noch einmal
zur Anschauung bringt, so mögen einzelne Erscheinungen dieser
Art uns tröstlich an unsere Vergangenheit erinnern, zugleich aber
werfen gerade sie ein um so grelleres Licht auf unsere trostlose
Gegenwart.

Darum folge man den Zügen unserer Auswanderer nicht mit
trüben Blicken, der Jnstinct, der sie treibt, ist derselbe, welcher
Mäuse und Ratten ein Gebäude kurz vor seinem Einsturze ver-
lassen lehrt. Warum ziehen die Deutschen aus der unheimlichen
Heimath nicht nach Spanien oder nach Portugal, wo noch Mil-
lionen sich ernähren könnten? Weil alle süd= und westlichen euro-
päischen Staaten in demselben Auflösungsprocesse begriffen sind
wie wir. Warum zieht fast Alles nach Nordamerika? Weil sich
dort ein neues Germanien anzusetzen sucht, dem freilich schon bei
seiner Geburt der Unstern leuchtet, daß es von den Anglo=Ameri-
kanern verschlungen zu werden droht!



Deutschland.

Wien 9. October. Außer dem an Graf Batthyani vollzoge-
nen hat F. Z. M. Haynau nachstehenden kriegsrechtlichen Urtheilen
die Bestätigung ertheilt: Nagy=Sandor, Aulich, Pöltenberg,
Leiningen, Balagh und Damjanich zum Tode durch den Strang;
Kiß, Lazar und Török zum Tode durch Pulver und Blei. Man
zweifelt nicht an dem Vollzuge dieser Todesurtheile; da derselbe
jedoch in Arad, wo diese ungarischen Generale gefangen sitzen,
stattfinden soll, so ist man hier noch ohne officielle Nachricht
darüber.

Das Urtheil an Graf Batthyani ist wirklich vollzogen. Die
„Pesther Zeitung“ vom 7. October enthält im amtlichen Theile
folgende Kundmachung:

Kriegsrechtliches Urtheil. Ludwig Graf Bat-
thyani,
aus Preßburg gebürtig, 40 Jahre alt, katholisch, ver-
heirathet, theils geständig, theils rechtlich überwiesen, in seiner
frühern Eigenschaft als Premierminister Ungarns solche Be-
schlüsse gefaßt, vollzogen, oder deren Vollzug gestattet zu haben,
durch welche das in den Märzgesetzen gewährte administrative
Verhältniß Ungarns bei Weitem überschritten, der durch die
pragmatische Sanction festgestellte gesetzliche Verband zwischen
Ungarn und den kaiserlich königlichen Erbstaaten gelockert und
die bedrohlichsten Gefahren für gewaltsamen Umsturz der Staats-
verfassung herbeigeführt wurden, — sowie auch nach Resigna-
tion seiner Ministerstelle am 3. October vorigen Jahres durch
seinen Eintritt in die Jnsurgentenreihen, — durch seinen öffentli-
chen Aufruf zum bewaffneten Widerstande und durch Wiederein-
tritt in den von Seiner Majestät aufgelösten Reichstag die Revo-
lutionspartei gekräftigt und unterstützt zu haben, — wurde wegen
Hochverrath — bei Verfall seines sämmtlichen Vermögens zur
Entschädigung des Staatsschatzes — zum Tode durch den Strang
verurtheilt und diese Sentenz nach erfolgter Bestätigung und
Kundmachung heute in Vollzug gesetzt. Pesth, am 6. October
1849. Vom k. k. Kriegsgerichte.

Bekanntlich verbreitet die Berliner Presse schon seit geraumer
Zeit die abenteuerlichsten Nachrichten über Oesterreich, wohl
weil diese tiefsinnigen Politiker meinen, Preußen werde stark,
wenn Oesterreich abgeschwächt wird! Ein Artikel eines Berliner
Blattes, der „Nationalzeitung,“ veranlaßt nun das „ Constitutio-
nelle Blatt aus Böhmen“ zu folgender Bemerkung. Dort heißt
[Ende Spaltensatz]

1) So wenig rosenfarbig wir auch die Gegenwart anzuschauen ge-
wohnt sind, so halten wir die Aussichten doch nicht für so ganz trübe,
wie sie hier geschildert werden. Jndessen rührt diese Mittheilung von
einem ganz freien unabhängigen Manne her, der im Laufe eines langen
Lebens viele Menschen und Länder gesehen und kennen gelernt hat —
und die Stimme der Erfahrung verdient unter allen Umständen Beach-
tung. Das Gefährlichste ist immer die eigenen Schäden nicht zu ken-
nen oder gar durch Schönfärberei sie zu verhüllen.     D. Red.
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[0001] Mainzer Journal. Nro 244. Samstag, den 13. October. 1849. Das Ende 1) ? A Welcher Zukunft geht Deutschland entgegen? — Wahr- scheinlich gar keiner! Vielleicht wird Mancher, der diesen Ausspruch für paradox, oder gar für einen schlechten Spaß hält, sich zu dieser Ansicht be- kehren, wenn er die folgenden Sätze, welche an diesem Orte nur in skizirten Umrissen aufgestellt werden können, einer Prüfung würdigt und ihren Jnhalt an dem Maßstabe der eigenen Erfah- rung zu untersuchen geeignet ist. Unmöglich ist es doch wahrlich nicht, daß im Rathe der Vor- sehung dem deutschen Reiche, der deutschen Nation, dem Deutsch- thume nur Eine tausendjährige Existenz zugetheilt wäre, etwa vom achten bis zum achtzehnten Jahrhunderte, von Karl dem Großen bis auf Friedrich den Großen. Hat etwa Deutschland in dem großen Wanderzuge der Völ- ker seine Bestimmung nicht erfüllt? Oder wären Händel und Gluck, Kant und Lessing, Schiller und Mozart, Göthe und Haydn weniger unsterblich als Homer, Shakespeare und Cervantes? Eine Nation, die so reiche Früchte getragen, kann ruhig und mit Ehren zu Grabe gehen. Und was können wir Besseres thuen? Die Zukunft gehört der Jugend. Unserer Jugend? Gott erbarme sich! Man be- trachte, von Einzelnen abgesehen, die Masse „des werdenden Ge- schlechtes.“ Was ist das Kriterium unserer Schuljungen, inclusive Gassenbuben, Turner par excellence und souverainer Studen- ten? Frechheit in ihrer höchsten Potenz, wie immer mit der ge- hörigen Zuthat von Feigheit, obgleich ihr Jugendmuth von unse- ren Schandblättern zuweilen bis zu einer Katzenmusik, ja bis zum Fenstereinwerfen, im Finstern nämlich, aufgestachelt wird. Was muß ein Familienvater wünschen, wenn er das Schick- sal seiner Kinder und Kindeskinder bedenkt, welche einer Zukunft entgegengehen — in solchen Händen! Und was haben denn seit etwa hundert Jahren die deutschen Männer gethan? Als die armen Franzosen im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts den steilen Abhang betraten, auf welchem sie seit nun bald siebenzig Jahren herumtaumelen, da rüttelte sich Deutschland und meinte im Glauben an seine alte Kraft dem Völ- kerschicksale entgegen treten zu können. Jnnere Zwietracht, der alte Jammer einer schon sinkenden Nation, riß indessen Deutsch- land mit auf die Bahn des Abgrundes, und nach kaum dreißig Jahren war die deutsche Nation „in ihrer tiefsten Erniedrigung.“ Hätte das französische Volk und sein Heerführer Maß halten können, so war Deutschland schon damals vernichtet; aber auf der Bahn des Unterganges gibt es kein Anhalten, sie rührten an eine frische, entstehende Nation und wurden zertreten. Und der Anstoß vom frischen Nordosten ließ auch in Deutsch- land das verlöschende Flämmchen noch einmal aufflackern, bald aber trat die alte Agonie wieder ein. Ein Abschnitzer von Deutsch- land mit ein paar Millionen Strand= und Landbewohnern ver- sperrte die eine Hauptader des Reiches, und Deuschland sah ruhig zu. Die immer näher drängenden Slaven versperrten die andere, und Deutschland sah abermals ruhig zu. Endlich bei einer neuen krampfhaften Zuckung der Franzosen fing es auch in Deutsch- land noch einmal an aufzukochen, und was kam auf die Ober- fläche? — Pfui über den Bodensatz! — Zuletzt that ein anderer Abschnitzer von Deutschland, dessen Million Einwohner schon nach dem alten Arndt kein anderes Merkmal hat, als die fratzenhafte Eitelkeit, einen „kühnen Griff“ nach einer deutschen Provinz, es erhoben 50 Millionen Deutsche ein klägliches Geschrei und zogen aus diese Narren zu züchtigen, — nach zweimaligem Anlaufe aber gingen sie unverrichteter Sache wieder nach Hause, während das in dieser Angelegenheit beschriebene Papier hingereicht hätte, die sogenannte dänische Nation aus ihrem Winkel hinauszu- räuchern. Das sind die Thaten der Deutschen seit dem Hubertsburger Frieden und wir fragen: kann eine solche Nation eine Zukunft haben? Wenn im Süden ein Achtzigjähriger den Sturz eines deutschen Reiches durch Männlichkeit und Menschlichkeit für eine Weile verzögert, — wenn im Norden ein Achtzigjähriger in sei- nem Kosmos die ganze Tiefe des deutschen Geistes noch einmal zur Anschauung bringt, so mögen einzelne Erscheinungen dieser Art uns tröstlich an unsere Vergangenheit erinnern, zugleich aber werfen gerade sie ein um so grelleres Licht auf unsere trostlose Gegenwart. Darum folge man den Zügen unserer Auswanderer nicht mit trüben Blicken, der Jnstinct, der sie treibt, ist derselbe, welcher Mäuse und Ratten ein Gebäude kurz vor seinem Einsturze ver- lassen lehrt. Warum ziehen die Deutschen aus der unheimlichen Heimath nicht nach Spanien oder nach Portugal, wo noch Mil- lionen sich ernähren könnten? Weil alle süd= und westlichen euro- päischen Staaten in demselben Auflösungsprocesse begriffen sind wie wir. Warum zieht fast Alles nach Nordamerika? Weil sich dort ein neues Germanien anzusetzen sucht, dem freilich schon bei seiner Geburt der Unstern leuchtet, daß es von den Anglo=Ameri- kanern verschlungen zu werden droht! Deutschland. Wien 9. October. Außer dem an Graf Batthyani vollzoge- nen hat F. Z. M. Haynau nachstehenden kriegsrechtlichen Urtheilen die Bestätigung ertheilt: Nagy=Sandor, Aulich, Pöltenberg, Leiningen, Balagh und Damjanich zum Tode durch den Strang; Kiß, Lazar und Török zum Tode durch Pulver und Blei. Man zweifelt nicht an dem Vollzuge dieser Todesurtheile; da derselbe jedoch in Arad, wo diese ungarischen Generale gefangen sitzen, stattfinden soll, so ist man hier noch ohne officielle Nachricht darüber. Das Urtheil an Graf Batthyani ist wirklich vollzogen. Die „Pesther Zeitung“ vom 7. October enthält im amtlichen Theile folgende Kundmachung: Kriegsrechtliches Urtheil. Ludwig Graf Bat- thyani, aus Preßburg gebürtig, 40 Jahre alt, katholisch, ver- heirathet, theils geständig, theils rechtlich überwiesen, in seiner frühern Eigenschaft als Premierminister Ungarns solche Be- schlüsse gefaßt, vollzogen, oder deren Vollzug gestattet zu haben, durch welche das in den Märzgesetzen gewährte administrative Verhältniß Ungarns bei Weitem überschritten, der durch die pragmatische Sanction festgestellte gesetzliche Verband zwischen Ungarn und den kaiserlich königlichen Erbstaaten gelockert und die bedrohlichsten Gefahren für gewaltsamen Umsturz der Staats- verfassung herbeigeführt wurden, — sowie auch nach Resigna- tion seiner Ministerstelle am 3. October vorigen Jahres durch seinen Eintritt in die Jnsurgentenreihen, — durch seinen öffentli- chen Aufruf zum bewaffneten Widerstande und durch Wiederein- tritt in den von Seiner Majestät aufgelösten Reichstag die Revo- lutionspartei gekräftigt und unterstützt zu haben, — wurde wegen Hochverrath — bei Verfall seines sämmtlichen Vermögens zur Entschädigung des Staatsschatzes — zum Tode durch den Strang verurtheilt und diese Sentenz nach erfolgter Bestätigung und Kundmachung heute in Vollzug gesetzt. Pesth, am 6. October 1849. Vom k. k. Kriegsgerichte. Bekanntlich verbreitet die Berliner Presse schon seit geraumer Zeit die abenteuerlichsten Nachrichten über Oesterreich, wohl weil diese tiefsinnigen Politiker meinen, Preußen werde stark, wenn Oesterreich abgeschwächt wird! Ein Artikel eines Berliner Blattes, der „Nationalzeitung,“ veranlaßt nun das „ Constitutio- nelle Blatt aus Böhmen“ zu folgender Bemerkung. Dort heißt 1) So wenig rosenfarbig wir auch die Gegenwart anzuschauen ge- wohnt sind, so halten wir die Aussichten doch nicht für so ganz trübe, wie sie hier geschildert werden. Jndessen rührt diese Mittheilung von einem ganz freien unabhängigen Manne her, der im Laufe eines langen Lebens viele Menschen und Länder gesehen und kennen gelernt hat — und die Stimme der Erfahrung verdient unter allen Umständen Beach- tung. Das Gefährlichste ist immer die eigenen Schäden nicht zu ken- nen oder gar durch Schönfärberei sie zu verhüllen. D. Red.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 244. Mainz, 13. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal244_1849/1>, abgerufen am 21.11.2024.