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Mainzer Journal. Nr. 244. Mainz, 13. Oktober 1849.

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Erste Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 244. Sonntag, den 14. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 11. October. ( F. Bl. ) Gleichzeitig mit der vorgestern
erfolgten Ratificat[ion] des Vertrages mit Oesterreich über die
Einsetzung der neuen provisorischen Centralgewalt, ist im Ver-
waltungsrathe über die Einberufung des Reichstages
für den engeren Bund vom 26. Mai Beschluß gefaßt worden
und der 15. Januar 1850 dazu bestimmt. Es heißt, daß die Be-
rufung desselben von Preußen erfolgen würde, ohne die Theil-
nahme der sächsischen und hannoverischen Regierung.

Die Differenzen zwischen dem diesseitigen Gesandten am eng-
lischen Hofe, Herrn Bunsen und der Regierung, welche den
Ritter längere Zeit in eine schiefe Stellung brachten, sind nun-
mehr als gänzlich ausgeglichen anzusehen. Herr Bunsen, der
bekanntlich vollkommen englisirt und kaum noch als Deutscher
betrachtet werden kann, verbleibt auch für die Folge in London.

Aus dem Bergischen 10. October wird der "Deutschen
Volkshalle" die nachstehende saubere Geschichte gemeldet: "Die
alten Brutalitäten der Fabrikherren gegen die Arbeiter
tauchen auch hier wieder auf. So trug sich z. B. in den letzten
Tagen in einer bergischen Stadt, die sich kürzlich das Prädicat
"treuergeben" verdiente, folgende Geschichte zu: Ein Arbeiter
kommt zum Fabrikherrn, um seinen Lohn in Empfang zu neh-
men. Dieser findet den Lohn sehr hoch, indem der Arbeiter
6 Thlr. in der Woche verdient hatte; läßt ihn jedoch ausbezah-
len und neue Arbeit geben. Als nun der Arbeiter zu Ende der
Woche dieselbe Arbeit einliefert und auch denselben Lohn erwar-
tet, werden ihm blos 3 Thlr. ausbezahlt. Er verlangt den alten
Lohn, allein er wird ihm verweigert, und als er um den Grund
fragt, wird ihm erwidert, mehr als 3 Thlr. brauche er in der
Woche nicht für sich und seine Familie. Da erklärte der Arbeiter
mit weinenden Augen, er sey in den letzten Nothjahren sehr zu-
rückgekommen und habe sich jetzt, wo die Arbeit gut gehe, ge-
freut, das wieder einholen zu können, darum habe er mit seiner
Familie Tag und Nacht gearbeitet; er habe am Tage gewebt,
während seine Tochter geschlafen habe und in der Nacht habe
seine Tochter auf dem Stuhle gearbeitet. Auf diese Weise habe
er in acht Tagen die Arbeit liefern können, wozu er sonst vierzehn
Tage gebrauche. Allein der Herr blieb kalt und meinte, mit
3 Thlr. habe er genug, und wenn er damit nicht zufrieden sey, so
könne er ihm keine Arbeit mehr geben. Wieder ein anderer Fa-
brikherr munterte seine Arbeiter mit Rücksicht auf die vielen Auf-
träge zum Fleiße auf und setzte eine Prämie von 1 Thlr. für
die aus, welche die meiste Arbeit in der Woche liefern würden.
Natürlich plagten sich die armen Leute, um den Thaler zu ver-
dienen. Allein der Herr hatte dabei eine andere Absicht; er wollte
kennen lernen, wie viele Arbeit ein Arbeiter in der Woche liefern
könne. Daher erklärte er, nachdem die Arbeiter sich Tag und
Nacht geplagt hatten, um möglichst viel liefern zu können, nur
der würde in Zukunft Arbeit von ihm erhalten, der zu dem von
ihm bestimmten Lohnsatze das höchste Maß Arbeit liefern würde.
Das sind unsere Errungenschaften!" Und da wundern sich die
Wohldenkenden noch, wenn Alles drunter und drüber gehen will!

Hannover 4. October. Der Vorstand des Männerturn-
vereines
sagt sich durch Rundschreiben an sämmtliche Turnver-
eine des allgemeinen deutschen Turnerbundes vom 1. October
von den in Eisenach beschlossenen Statuten des Bundes los,
weil diese in ihrer Fassung jeder beliebigen Auslegung fähig
seyen, und der Hannoveraner Verein der Ansicht huldige, daß
das Turnwesen nicht durch politische Tendenzen seinem ursprüng-
lichen Zwecke entfremdet werden solle.

Kassel 10. October. ( D. Z. ) Der Zusammentritt des Land-
tages ist heute durch Ausschreiben des Ministeriums des Jnnern
auf den 22. d. M. angeordnet. Zu den Arbeiten des ersteren, von
welchem Gesetze über Umgestaltung der Forstverwaltung, Verwer-
thung der Staatsforstnutzungen, Ablösung der Waldservituten
und Auseinandersetzung der Hutgerechtigkeiten, ein Grundsteuer-
gesetz, das seit 1830 mehrfach Gegenstand landständischer Ver-
handlungen war, und ein Classen= oder Einkommensteuergesetz in
Berathung genommen werden, gehört auch das Wahlge-
setz zu dem Volkshause
und die Wahl der Deputirten zu
dem Staatenhause nach dem Bündnisse der drei Könige. Der Ent-
wurf des Wahlgesetzes für das Volkshaus theilt das Land, ent-
sprechend den unter Zutritt des Fürstenthumes Lippe=Bückeburg
zu wählenden acht Vertretern, in acht Wahlkreise, welche sich der
neuen Eintheilung in Verwaltungsbezirke möglichst anschließen,
[Spaltenumbruch] während ein kleinerer dieser Bezirke ( Schmalkalden ) einem ande-
ren angeschlossen und ein anderer kleinerer ( Grafschaft Schaum-
burg ) durch das Fürstenthum Lippe=Bückeburg ergänzt wird. Je-
der Wahlkreis hat etwas mehr oder weniger als 100,000 Ein-
wohner. Die Unterabtheilungen der Wahlkreise, Wahlbezirke,
sollen für die drei Abtheilungen der Wählerclassen verschieden
seyn, so daß die Hochbesteuerten in größeren Bezirken, die Ge-
ringbesteuerten in kleineren gewisse Anzahlen von Wahlmännern
wählen. Die Abgrenzung dieser Bezirke selbst wird von den Be-
zirksräthen, welche seit diesem Jahre bereits in Thätigkeit sind,
also durch gewählte Vertreter der Bezirke unter Leitung des Mi-
nisteriums des Jnnern bestimmt. Der ganze Entwurf ist ein
Muster liberaler Gesetzgebung.

Rastatt 12. October. ( D. Z. ) Diesen Morgen ging der erste
Transport der bisher in den Casematten gefangen gehaltenen
Bayern in die Heimath ab, um daselbst vor das ordentliche Ge-
richt gestellt zu werden. Morgen folgt sodann der zweite. Dieje-
nigen Bayern jedoch, die schwer gravirt und bestimmt sind, vor
das hiesige Standgericht zu kommen, hat man zurückbehalten.
Die aus der Schweiz zurückgekehrten badischen Soldaten, von
denen man bis jetzt nur wenige entlassen hat, werden nun auch
nach dem von der Untersuchungscommission gefällten Urtheil in
ihre Heimath beurlaubt. Durch diese Maßregel wird die Anzahl
der Gefangenen bis zum wirklichen Eintritt des Winters so zu-
sammenschmelzen, daß zwei bis drei Gebäude zu deren Unterkunft
hinreichen werden. Gleichfalls werden dem Staate bedeutende
Kosten erspart.

Darmstadt 12. October. ( Deutsche Z. ) Heute beschäftigte
abermals ein politischer Proceß unsere Assisen. Einer der jungen
Rechtsgelehrten, welche sich hier zu Führern und Sprechern der
demokratischen Partei aufgeworfen haben und zwar anerkannt
einer der exaltirtesten derselben, wie sein Auftreten in den Clubs
und Volksversammlungen beweist, Hofgerichtssecretariatsaccessist
Dr. Robert Schmidt, 29 Jahre alt, gebürtig aus Alten-
stadt, gegenwärtig wohnhaft zu Frankfurt, war der Majestätsbe-
leidigung angeklagt. Nach Ausbruch der badischen Revolution
und als man das Einrücken der Preußen zur Bekämpfung dersel-
ben erwartete, am 18. Mai d. J. veranstalteten jene demokrati-
schen Führer eine sogenannte "Bürgerversammlung." Es wurden
darin die heftigsten, aufregendsten Reden gehalten, in den stärk-
sten Ausdrücken der glühendste Haß gegen die Preußen gepredigt,
zum Widerstande gegen ihr Einrücken ermahnt, in der auffallend-
sten Weise an die sicilianische Vesper erinnert, freilich mit
dem verwahrenden Zusatze, daß man aber nicht meuchelmorden
wolle, das Zurückziehen der hessischen Truppen von der badischen
Grenze verlangt, der badische Aufstand für rechtmäßig erklärt, zu
den Waffen gerufen u. dgl. mehr. Jm Verlaufe dieser heftigen
Expectorationen verlas der Angeklagte, Dr. Schmidt, eine an
diesem Tage veröffentlichte Proclamation des Großherzogs an seine
Truppen, worin er sie, an die seit Jahrhunderten bewährte hessische
Treue und Tapferkeit erinnernd und an eine vorausgegangene
Proclamation des Erzherzogs Reichsverwesers an die im Reichs-
dienste stehenden deutschen Truppen anknüpfend, zu gleicher Treue
und Tapferkeit ermahnt. Diese Proclamation versah Hr. Schmidt
mit Randglossen; er erklärte die ganze Proclamation für unecht,
untergeschoben, für unmöglich vom Großherzoge selbst herrüh-
rend, "den er sonst auch für einen Verräther am Volke halten
müsse." Dies bildete den eigentlichen Anklagepunkt, als eine Ma-
jestätsbeleidigung, da nach einem Zeugnisse des Kriegsministeri-
ums die Proclamation wirklich vom Großherzoge ist. Viele Zeu-
gen bestätigten die Sache eidlich. Die Entlastungszeugen stellten
die Möglichkeit, daß Herr Schmidt jene Worte gesprochen, nicht
in Abrede, wollten sie aber nicht gehört haben! Der Staatsan-
walt sah die Majestätsbeleidigung für vollbracht und erwiesen
an. Der Angeklagte und sein Vertheidiger, Advocat Metz, stellten
dies in Abrede und suchten namentlich darzuthuen, daß die erste
Bedingniß des Verbrechens, der Vorsatz, fehle. Man wollte
auch der damaligen aufgeregten Zeit Manches zu gute gehalten
haben, berief sich auf die Oberpostamtszeitung, welche
das Volk in ähnlicher Weise zum Widerstande aufgerufen habe,
auf Männer wie H. v. Gagern, Wiedenbrugk , welche
in gleicher Art bedingungsweise vom Verrathe auf den Thronen
und Rebellen im Purpur wie in der Blouse gesprochen hätten
u. dgl. m. Die Geschworenen erklärten den Angeschuldigten für
nicht schuldig.

[Ende Spaltensatz]
Erste Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 244. Sonntag, den 14. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 11. October. ( F. Bl. ) Gleichzeitig mit der vorgestern
erfolgten Ratificat[ion] des Vertrages mit Oesterreich über die
Einsetzung der neuen provisorischen Centralgewalt, ist im Ver-
waltungsrathe über die Einberufung des Reichstages
für den engeren Bund vom 26. Mai Beschluß gefaßt worden
und der 15. Januar 1850 dazu bestimmt. Es heißt, daß die Be-
rufung desselben von Preußen erfolgen würde, ohne die Theil-
nahme der sächsischen und hannoverischen Regierung.

Die Differenzen zwischen dem diesseitigen Gesandten am eng-
lischen Hofe, Herrn Bunsen und der Regierung, welche den
Ritter längere Zeit in eine schiefe Stellung brachten, sind nun-
mehr als gänzlich ausgeglichen anzusehen. Herr Bunsen, der
bekanntlich vollkommen englisirt und kaum noch als Deutscher
betrachtet werden kann, verbleibt auch für die Folge in London.

Aus dem Bergischen 10. October wird der „Deutschen
Volkshalle“ die nachstehende saubere Geschichte gemeldet: „Die
alten Brutalitäten der Fabrikherren gegen die Arbeiter
tauchen auch hier wieder auf. So trug sich z. B. in den letzten
Tagen in einer bergischen Stadt, die sich kürzlich das Prädicat
„treuergeben“ verdiente, folgende Geschichte zu: Ein Arbeiter
kommt zum Fabrikherrn, um seinen Lohn in Empfang zu neh-
men. Dieser findet den Lohn sehr hoch, indem der Arbeiter
6 Thlr. in der Woche verdient hatte; läßt ihn jedoch ausbezah-
len und neue Arbeit geben. Als nun der Arbeiter zu Ende der
Woche dieselbe Arbeit einliefert und auch denselben Lohn erwar-
tet, werden ihm blos 3 Thlr. ausbezahlt. Er verlangt den alten
Lohn, allein er wird ihm verweigert, und als er um den Grund
fragt, wird ihm erwidert, mehr als 3 Thlr. brauche er in der
Woche nicht für sich und seine Familie. Da erklärte der Arbeiter
mit weinenden Augen, er sey in den letzten Nothjahren sehr zu-
rückgekommen und habe sich jetzt, wo die Arbeit gut gehe, ge-
freut, das wieder einholen zu können, darum habe er mit seiner
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während seine Tochter geschlafen habe und in der Nacht habe
seine Tochter auf dem Stuhle gearbeitet. Auf diese Weise habe
er in acht Tagen die Arbeit liefern können, wozu er sonst vierzehn
Tage gebrauche. Allein der Herr blieb kalt und meinte, mit
3 Thlr. habe er genug, und wenn er damit nicht zufrieden sey, so
könne er ihm keine Arbeit mehr geben. Wieder ein anderer Fa-
brikherr munterte seine Arbeiter mit Rücksicht auf die vielen Auf-
träge zum Fleiße auf und setzte eine Prämie von 1 Thlr. für
die aus, welche die meiste Arbeit in der Woche liefern würden.
Natürlich plagten sich die armen Leute, um den Thaler zu ver-
dienen. Allein der Herr hatte dabei eine andere Absicht; er wollte
kennen lernen, wie viele Arbeit ein Arbeiter in der Woche liefern
könne. Daher erklärte er, nachdem die Arbeiter sich Tag und
Nacht geplagt hatten, um möglichst viel liefern zu können, nur
der würde in Zukunft Arbeit von ihm erhalten, der zu dem von
ihm bestimmten Lohnsatze das höchste Maß Arbeit liefern würde.
Das sind unsere Errungenschaften!“ Und da wundern sich die
Wohldenkenden noch, wenn Alles drunter und drüber gehen will!

Hannover 4. October. Der Vorstand des Männerturn-
vereines
sagt sich durch Rundschreiben an sämmtliche Turnver-
eine des allgemeinen deutschen Turnerbundes vom 1. October
von den in Eisenach beschlossenen Statuten des Bundes los,
weil diese in ihrer Fassung jeder beliebigen Auslegung fähig
seyen, und der Hannoveraner Verein der Ansicht huldige, daß
das Turnwesen nicht durch politische Tendenzen seinem ursprüng-
lichen Zwecke entfremdet werden solle.

Kassel 10. October. ( D. Z. ) Der Zusammentritt des Land-
tages ist heute durch Ausschreiben des Ministeriums des Jnnern
auf den 22. d. M. angeordnet. Zu den Arbeiten des ersteren, von
welchem Gesetze über Umgestaltung der Forstverwaltung, Verwer-
thung der Staatsforstnutzungen, Ablösung der Waldservituten
und Auseinandersetzung der Hutgerechtigkeiten, ein Grundsteuer-
gesetz, das seit 1830 mehrfach Gegenstand landständischer Ver-
handlungen war, und ein Classen= oder Einkommensteuergesetz in
Berathung genommen werden, gehört auch das Wahlge-
setz zu dem Volkshause
und die Wahl der Deputirten zu
dem Staatenhause nach dem Bündnisse der drei Könige. Der Ent-
wurf des Wahlgesetzes für das Volkshaus theilt das Land, ent-
sprechend den unter Zutritt des Fürstenthumes Lippe=Bückeburg
zu wählenden acht Vertretern, in acht Wahlkreise, welche sich der
neuen Eintheilung in Verwaltungsbezirke möglichst anschließen,
[Spaltenumbruch] während ein kleinerer dieser Bezirke ( Schmalkalden ) einem ande-
ren angeschlossen und ein anderer kleinerer ( Grafschaft Schaum-
burg ) durch das Fürstenthum Lippe=Bückeburg ergänzt wird. Je-
der Wahlkreis hat etwas mehr oder weniger als 100,000 Ein-
wohner. Die Unterabtheilungen der Wahlkreise, Wahlbezirke,
sollen für die drei Abtheilungen der Wählerclassen verschieden
seyn, so daß die Hochbesteuerten in größeren Bezirken, die Ge-
ringbesteuerten in kleineren gewisse Anzahlen von Wahlmännern
wählen. Die Abgrenzung dieser Bezirke selbst wird von den Be-
zirksräthen, welche seit diesem Jahre bereits in Thätigkeit sind,
also durch gewählte Vertreter der Bezirke unter Leitung des Mi-
nisteriums des Jnnern bestimmt. Der ganze Entwurf ist ein
Muster liberaler Gesetzgebung.

Rastatt 12. October. ( D. Z. ) Diesen Morgen ging der erste
Transport der bisher in den Casematten gefangen gehaltenen
Bayern in die Heimath ab, um daselbst vor das ordentliche Ge-
richt gestellt zu werden. Morgen folgt sodann der zweite. Dieje-
nigen Bayern jedoch, die schwer gravirt und bestimmt sind, vor
das hiesige Standgericht zu kommen, hat man zurückbehalten.
Die aus der Schweiz zurückgekehrten badischen Soldaten, von
denen man bis jetzt nur wenige entlassen hat, werden nun auch
nach dem von der Untersuchungscommission gefällten Urtheil in
ihre Heimath beurlaubt. Durch diese Maßregel wird die Anzahl
der Gefangenen bis zum wirklichen Eintritt des Winters so zu-
sammenschmelzen, daß zwei bis drei Gebäude zu deren Unterkunft
hinreichen werden. Gleichfalls werden dem Staate bedeutende
Kosten erspart.

Darmstadt 12. October. ( Deutsche Z. ) Heute beschäftigte
abermals ein politischer Proceß unsere Assisen. Einer der jungen
Rechtsgelehrten, welche sich hier zu Führern und Sprechern der
demokratischen Partei aufgeworfen haben und zwar anerkannt
einer der exaltirtesten derselben, wie sein Auftreten in den Clubs
und Volksversammlungen beweist, Hofgerichtssecretariatsaccessist
Dr. Robert Schmidt, 29 Jahre alt, gebürtig aus Alten-
stadt, gegenwärtig wohnhaft zu Frankfurt, war der Majestätsbe-
leidigung angeklagt. Nach Ausbruch der badischen Revolution
und als man das Einrücken der Preußen zur Bekämpfung dersel-
ben erwartete, am 18. Mai d. J. veranstalteten jene demokrati-
schen Führer eine sogenannte „Bürgerversammlung.“ Es wurden
darin die heftigsten, aufregendsten Reden gehalten, in den stärk-
sten Ausdrücken der glühendste Haß gegen die Preußen gepredigt,
zum Widerstande gegen ihr Einrücken ermahnt, in der auffallend-
sten Weise an die sicilianische Vesper erinnert, freilich mit
dem verwahrenden Zusatze, daß man aber nicht meuchelmorden
wolle, das Zurückziehen der hessischen Truppen von der badischen
Grenze verlangt, der badische Aufstand für rechtmäßig erklärt, zu
den Waffen gerufen u. dgl. mehr. Jm Verlaufe dieser heftigen
Expectorationen verlas der Angeklagte, Dr. Schmidt, eine an
diesem Tage veröffentlichte Proclamation des Großherzogs an seine
Truppen, worin er sie, an die seit Jahrhunderten bewährte hessische
Treue und Tapferkeit erinnernd und an eine vorausgegangene
Proclamation des Erzherzogs Reichsverwesers an die im Reichs-
dienste stehenden deutschen Truppen anknüpfend, zu gleicher Treue
und Tapferkeit ermahnt. Diese Proclamation versah Hr. Schmidt
mit Randglossen; er erklärte die ganze Proclamation für unecht,
untergeschoben, für unmöglich vom Großherzoge selbst herrüh-
rend, „den er sonst auch für einen Verräther am Volke halten
müsse.“ Dies bildete den eigentlichen Anklagepunkt, als eine Ma-
jestätsbeleidigung, da nach einem Zeugnisse des Kriegsministeri-
ums die Proclamation wirklich vom Großherzoge ist. Viele Zeu-
gen bestätigten die Sache eidlich. Die Entlastungszeugen stellten
die Möglichkeit, daß Herr Schmidt jene Worte gesprochen, nicht
in Abrede, wollten sie aber nicht gehört haben! Der Staatsan-
walt sah die Majestätsbeleidigung für vollbracht und erwiesen
an. Der Angeklagte und sein Vertheidiger, Advocat Metz, stellten
dies in Abrede und suchten namentlich darzuthuen, daß die erste
Bedingniß des Verbrechens, der Vorsatz, fehle. Man wollte
auch der damaligen aufgeregten Zeit Manches zu gute gehalten
haben, berief sich auf die Oberpostamtszeitung, welche
das Volk in ähnlicher Weise zum Widerstande aufgerufen habe,
auf Männer wie H. v. Gagern, Wiedenbrugk , welche
in gleicher Art bedingungsweise vom Verrathe auf den Thronen
und Rebellen im Purpur wie in der Blouse gesprochen hätten
u. dgl. m. Die Geschworenen erklärten den Angeschuldigten für
nicht schuldig.

[Ende Spaltensatz]
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[0005] Erste Beilage zum Mainzer Journal. Nro 244. Sonntag, den 14. October. 1849. Deutschland. Berlin 11. October. ( F. Bl. ) Gleichzeitig mit der vorgestern erfolgten Ratification des Vertrages mit Oesterreich über die Einsetzung der neuen provisorischen Centralgewalt, ist im Ver- waltungsrathe über die Einberufung des Reichstages für den engeren Bund vom 26. Mai Beschluß gefaßt worden und der 15. Januar 1850 dazu bestimmt. Es heißt, daß die Be- rufung desselben von Preußen erfolgen würde, ohne die Theil- nahme der sächsischen und hannoverischen Regierung. Die Differenzen zwischen dem diesseitigen Gesandten am eng- lischen Hofe, Herrn Bunsen und der Regierung, welche den Ritter längere Zeit in eine schiefe Stellung brachten, sind nun- mehr als gänzlich ausgeglichen anzusehen. Herr Bunsen, der bekanntlich vollkommen englisirt und kaum noch als Deutscher betrachtet werden kann, verbleibt auch für die Folge in London. Aus dem Bergischen 10. October wird der „Deutschen Volkshalle“ die nachstehende saubere Geschichte gemeldet: „Die alten Brutalitäten der Fabrikherren gegen die Arbeiter tauchen auch hier wieder auf. So trug sich z. B. in den letzten Tagen in einer bergischen Stadt, die sich kürzlich das Prädicat „treuergeben“ verdiente, folgende Geschichte zu: Ein Arbeiter kommt zum Fabrikherrn, um seinen Lohn in Empfang zu neh- men. Dieser findet den Lohn sehr hoch, indem der Arbeiter 6 Thlr. in der Woche verdient hatte; läßt ihn jedoch ausbezah- len und neue Arbeit geben. Als nun der Arbeiter zu Ende der Woche dieselbe Arbeit einliefert und auch denselben Lohn erwar- tet, werden ihm blos 3 Thlr. ausbezahlt. Er verlangt den alten Lohn, allein er wird ihm verweigert, und als er um den Grund fragt, wird ihm erwidert, mehr als 3 Thlr. brauche er in der Woche nicht für sich und seine Familie. Da erklärte der Arbeiter mit weinenden Augen, er sey in den letzten Nothjahren sehr zu- rückgekommen und habe sich jetzt, wo die Arbeit gut gehe, ge- freut, das wieder einholen zu können, darum habe er mit seiner Familie Tag und Nacht gearbeitet; er habe am Tage gewebt, während seine Tochter geschlafen habe und in der Nacht habe seine Tochter auf dem Stuhle gearbeitet. Auf diese Weise habe er in acht Tagen die Arbeit liefern können, wozu er sonst vierzehn Tage gebrauche. Allein der Herr blieb kalt und meinte, mit 3 Thlr. habe er genug, und wenn er damit nicht zufrieden sey, so könne er ihm keine Arbeit mehr geben. Wieder ein anderer Fa- brikherr munterte seine Arbeiter mit Rücksicht auf die vielen Auf- träge zum Fleiße auf und setzte eine Prämie von 1 Thlr. für die aus, welche die meiste Arbeit in der Woche liefern würden. Natürlich plagten sich die armen Leute, um den Thaler zu ver- dienen. Allein der Herr hatte dabei eine andere Absicht; er wollte kennen lernen, wie viele Arbeit ein Arbeiter in der Woche liefern könne. Daher erklärte er, nachdem die Arbeiter sich Tag und Nacht geplagt hatten, um möglichst viel liefern zu können, nur der würde in Zukunft Arbeit von ihm erhalten, der zu dem von ihm bestimmten Lohnsatze das höchste Maß Arbeit liefern würde. Das sind unsere Errungenschaften!“ Und da wundern sich die Wohldenkenden noch, wenn Alles drunter und drüber gehen will! Hannover 4. October. Der Vorstand des Männerturn- vereines sagt sich durch Rundschreiben an sämmtliche Turnver- eine des allgemeinen deutschen Turnerbundes vom 1. October von den in Eisenach beschlossenen Statuten des Bundes los, weil diese in ihrer Fassung jeder beliebigen Auslegung fähig seyen, und der Hannoveraner Verein der Ansicht huldige, daß das Turnwesen nicht durch politische Tendenzen seinem ursprüng- lichen Zwecke entfremdet werden solle. Kassel 10. October. ( D. Z. ) Der Zusammentritt des Land- tages ist heute durch Ausschreiben des Ministeriums des Jnnern auf den 22. d. M. angeordnet. Zu den Arbeiten des ersteren, von welchem Gesetze über Umgestaltung der Forstverwaltung, Verwer- thung der Staatsforstnutzungen, Ablösung der Waldservituten und Auseinandersetzung der Hutgerechtigkeiten, ein Grundsteuer- gesetz, das seit 1830 mehrfach Gegenstand landständischer Ver- handlungen war, und ein Classen= oder Einkommensteuergesetz in Berathung genommen werden, gehört auch das Wahlge- setz zu dem Volkshause und die Wahl der Deputirten zu dem Staatenhause nach dem Bündnisse der drei Könige. Der Ent- wurf des Wahlgesetzes für das Volkshaus theilt das Land, ent- sprechend den unter Zutritt des Fürstenthumes Lippe=Bückeburg zu wählenden acht Vertretern, in acht Wahlkreise, welche sich der neuen Eintheilung in Verwaltungsbezirke möglichst anschließen, während ein kleinerer dieser Bezirke ( Schmalkalden ) einem ande- ren angeschlossen und ein anderer kleinerer ( Grafschaft Schaum- burg ) durch das Fürstenthum Lippe=Bückeburg ergänzt wird. Je- der Wahlkreis hat etwas mehr oder weniger als 100,000 Ein- wohner. Die Unterabtheilungen der Wahlkreise, Wahlbezirke, sollen für die drei Abtheilungen der Wählerclassen verschieden seyn, so daß die Hochbesteuerten in größeren Bezirken, die Ge- ringbesteuerten in kleineren gewisse Anzahlen von Wahlmännern wählen. Die Abgrenzung dieser Bezirke selbst wird von den Be- zirksräthen, welche seit diesem Jahre bereits in Thätigkeit sind, also durch gewählte Vertreter der Bezirke unter Leitung des Mi- nisteriums des Jnnern bestimmt. Der ganze Entwurf ist ein Muster liberaler Gesetzgebung. Rastatt 12. October. ( D. Z. ) Diesen Morgen ging der erste Transport der bisher in den Casematten gefangen gehaltenen Bayern in die Heimath ab, um daselbst vor das ordentliche Ge- richt gestellt zu werden. Morgen folgt sodann der zweite. Dieje- nigen Bayern jedoch, die schwer gravirt und bestimmt sind, vor das hiesige Standgericht zu kommen, hat man zurückbehalten. Die aus der Schweiz zurückgekehrten badischen Soldaten, von denen man bis jetzt nur wenige entlassen hat, werden nun auch nach dem von der Untersuchungscommission gefällten Urtheil in ihre Heimath beurlaubt. Durch diese Maßregel wird die Anzahl der Gefangenen bis zum wirklichen Eintritt des Winters so zu- sammenschmelzen, daß zwei bis drei Gebäude zu deren Unterkunft hinreichen werden. Gleichfalls werden dem Staate bedeutende Kosten erspart. Darmstadt 12. October. ( Deutsche Z. ) Heute beschäftigte abermals ein politischer Proceß unsere Assisen. Einer der jungen Rechtsgelehrten, welche sich hier zu Führern und Sprechern der demokratischen Partei aufgeworfen haben und zwar anerkannt einer der exaltirtesten derselben, wie sein Auftreten in den Clubs und Volksversammlungen beweist, Hofgerichtssecretariatsaccessist Dr. Robert Schmidt, 29 Jahre alt, gebürtig aus Alten- stadt, gegenwärtig wohnhaft zu Frankfurt, war der Majestätsbe- leidigung angeklagt. Nach Ausbruch der badischen Revolution und als man das Einrücken der Preußen zur Bekämpfung dersel- ben erwartete, am 18. Mai d. J. veranstalteten jene demokrati- schen Führer eine sogenannte „Bürgerversammlung.“ Es wurden darin die heftigsten, aufregendsten Reden gehalten, in den stärk- sten Ausdrücken der glühendste Haß gegen die Preußen gepredigt, zum Widerstande gegen ihr Einrücken ermahnt, in der auffallend- sten Weise an die sicilianische Vesper erinnert, freilich mit dem verwahrenden Zusatze, daß man aber nicht meuchelmorden wolle, das Zurückziehen der hessischen Truppen von der badischen Grenze verlangt, der badische Aufstand für rechtmäßig erklärt, zu den Waffen gerufen u. dgl. mehr. Jm Verlaufe dieser heftigen Expectorationen verlas der Angeklagte, Dr. Schmidt, eine an diesem Tage veröffentlichte Proclamation des Großherzogs an seine Truppen, worin er sie, an die seit Jahrhunderten bewährte hessische Treue und Tapferkeit erinnernd und an eine vorausgegangene Proclamation des Erzherzogs Reichsverwesers an die im Reichs- dienste stehenden deutschen Truppen anknüpfend, zu gleicher Treue und Tapferkeit ermahnt. Diese Proclamation versah Hr. Schmidt mit Randglossen; er erklärte die ganze Proclamation für unecht, untergeschoben, für unmöglich vom Großherzoge selbst herrüh- rend, „den er sonst auch für einen Verräther am Volke halten müsse.“ Dies bildete den eigentlichen Anklagepunkt, als eine Ma- jestätsbeleidigung, da nach einem Zeugnisse des Kriegsministeri- ums die Proclamation wirklich vom Großherzoge ist. Viele Zeu- gen bestätigten die Sache eidlich. Die Entlastungszeugen stellten die Möglichkeit, daß Herr Schmidt jene Worte gesprochen, nicht in Abrede, wollten sie aber nicht gehört haben! Der Staatsan- walt sah die Majestätsbeleidigung für vollbracht und erwiesen an. Der Angeklagte und sein Vertheidiger, Advocat Metz, stellten dies in Abrede und suchten namentlich darzuthuen, daß die erste Bedingniß des Verbrechens, der Vorsatz, fehle. Man wollte auch der damaligen aufgeregten Zeit Manches zu gute gehalten haben, berief sich auf die Oberpostamtszeitung, welche das Volk in ähnlicher Weise zum Widerstande aufgerufen habe, auf Männer wie H. v. Gagern, Wiedenbrugk , welche in gleicher Art bedingungsweise vom Verrathe auf den Thronen und Rebellen im Purpur wie in der Blouse gesprochen hätten u. dgl. m. Die Geschworenen erklärten den Angeschuldigten für nicht schuldig.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 244. Mainz, 13. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal244_1849/5>, abgerufen am 21.11.2024.