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Mainzer Journal. Nr. 253. Mainz, 24. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] ziemlich unschlüssige demokratische Partei hat seit vierzehn Tagen
bis drei Wochen eine Thätigkeit entfaltet, gegen welche die der
conservativen kaum Stich halten dürfte. Wenn nicht Alles täuscht,
so dürfte diesmal wohl die conservativ=liberale Partei eine
schwache Majorität in den Kammern erlangen, was man aber
nicht unserem Wahlgesetze, sondern dem Umstande zu danken haben
wird, daß die berüchtigten Führer der radicalen Partei theils ab-
wesend, theils in Untersuchung und Haft sich befinden.

x Von der Fulda 23. October. Entschuldigen Sie, daß ich
Jhnen im Eingange meiner heutigen Correspondenz abermals
Mittheilungen mache über die Oberbürgermeisterfrage, die mit
jedem Tage verwickelter wird, darum aber auch an Jnteresse ge-
winnt. Der Fuldaer Stadtrath hat den Beschluß gefaßt, gegen
den Beschluß des hiesigen Bezirksausschusses die Wiedereinsetzung
Mackenrodt's in sein Amt betreffend feierlich zu protestiren,
und selbst auf dem Rechtswege gegen jene Restitutio in integrum
anzukämpfen. Mit diesem Beschlusse des Stadtrathes wird der
Bürgerausschuß wohl einverstanden seyn, zwei Mitglieder viel-
leicht ausgenommen. Außerdem aber will Herr Mackenrodt nicht
ohne Weiteres sein Amt wieder antreten, sondern durch den Be-
zirksdirector feierlich auf das Rathhaus und zu seinem frühe-
ren Geschäfte zurückgeführt seyn; auch diese Sache stößt auf
Schwierigkeiten. -- Jn den letzten Tagen ist vor den Fuldaer
Assisen der Proceß gegen die des Landfriedensbruches an-
geschuldigten Bewohner von Steinbach und Burghaun, die sich
bei den Excessen gegen die Juden in genannten Orten betheiligt
hatten, verhandelt worden, der Ausspruch der Geschworenen ist
heute Nacht um12 1 / 2 Uhr erfolgt, er lautete für die meisten An-
geklagten auf nicht schuldig. Der hiesige Gerichtshof ist für
die gegenwärtige Sitzungsperiode durch die Obergerichtsassessoren
Schultheis und Schmidt aus Kassel, von Maibom aus
Hanau verstärkt worden. -- Endlich ist auch das Ministerium
des Aeußeren wieder besetzt worden, Ministerialrath v. Wintz-
ingerode,
ein Vetter des Kurfürsten, hat es mit dem Titel
eines Legationsrathes übernommen. Der Prinz Friedrich von
Hessen, Wittwer der Großfürstin Alexandra, der Tochter des
Kaisers von Rußland, gedenkt sich mit der Tochter des Herzogs
von Cambridge zu vermählen, er ist der präsumtive Thronfolger
in Kurhessen. Die Ständekammer hat am gestrigen Tage ihre
Sitzungen wieder begonnen.

Oesterreichische Monarchie.

Pesth 15. October. Seit Kurzem hat unser Militär=Gericht
seine Verurtheilungen und Executionen eingestellt; man sagt,
es wäre in Folge eines aus Wien eingetroffenen höheren Befehles
geschehen. Die letzte Verurtheilung zum Tode traf den bekannten
Paul Nyari, früher Vicegespan des Pesther Comitats und zu-
letzt Deputirten und eines der thätigsten Häupter der ungarischen
Jnsurrection. Die Hinrichtung wurde vertagt; es heißt deshalb,
weil er nach Anhörung seines Urtheiles in Wahnsinn verfallen
sey; nach einer anderen Version soll ihm deshalb die Todesstrafe
im Wege der Gnade erlassen worden seyn, weil er einer der We-
nigen war, die in Debreczin gegen die Entsetzung des Hauses
Habsburg=Lothringen protestirten. Der am 10. d. M. durch den
Strang hingerichtete Csany wurde fast von Niemanden bedauert.
Seine ganze Laufbahn bezeichnete er durch die ärgsten
Grausamkeiten und Tyranneien
und er soll nicht weniger
als 60 Menschen wegen ihren politischen Meinungen haben hin-
richten lassen; er benahm sich auch bei seinem Tode feig.

Jtalien.

Der Papst wird im Laufe December in seiner Hauptstadt
zurück erwartet. Einem Briefe aus Rom vom 12. October in der
"Patrie" zufolge hatte Pius IX. das heilige Collegium in Betreff
seiner Rückkehr um Rath befragt. Eine sehr lange Verhandlung
über diesen Gegenstand hatte stattgefunden; sie begann am 6. Oc-
tober und ward am folgenden Tage wieder aufgenommen und be-
endigt. Die Majorität sprach sich dahin aus, daß der Aufenthalt
seiner Heiligkeit in Rom wünschenswerth sey; als Residenz schlug
sie den Vatican vor. -- Der Effectivbestand des französischen
Expeditionsheeres wird wahrscheinlich bis zum 1. Januar
nicht vermindert werden; von da an soll nur eine zur Er-
haltung der öffentlichen Ruhe hinreichende Garnison in Rom
bleiben. -- Jn Turin bildet noch immer die erwartete Modi-
fication des Cabinetes den Hauptgegenstand des Jnteresses. --
An den Festungswerken von Verona, Peschiera und Mai-
land
wird neuerdings eifrig gearbeitet. Mailand erhält eine
neue Citadelle; die den Lombarden auferlegten Kriegssteuern
müssen das Geld zu diesen Bauten hergeben. Kriegerisch genug
sieht es in der Hauptstadt der Lombardei noch immer aus; in
der Arena liegen Croaten und die Paläste sind in Casernen ver-
wandelt. Verschiedene Truppenbewegungen haben in der letzten
Zeit stattgefunden. Von Mailand sind starke Abtheilungen,
[Spaltenumbruch] hauptsächlich Train und Artillerie, nach Verona gezogen; das
früher nach Brescia beorderte dritte Armeekorps ist wieder nach
Bergamo vorgerückt. -- Der ehemalige Kriegsminister der römi-
schen Republik, General Avezzana, soll nebst einer großen An-
zahl seiner Landsleute New=York verlassen und sich nach Kentucky
begeben haben, um dort eine Stadt zu gründen, der er den
Namen Neu=Rom geben will.

Die "Piemontesische Zeitung" veröffentlicht ein auf die Re-
duction und Reorganisation des Heeres bezügliches Decret. Jedes
Regiment wird, statt wie bisher vier, in Zukunft nur drei Ba-
taillone haben; jedes Bataillon besteht aus fünf Compagnien,
darunter eine Eliten=Compagnie. Das piemontesische Heer, wel-
ches die Kriegspartei bis auf eine Stärke von 120,000 Mann
gebracht hatte, wird nach den neuen Bestimmungen nur etwa
40,000 zählen.

Frankreich.

*** Paris 22. October. Trotz der umlaufenden Gerüchte
vom Gegentheile ( s. unten ) scheint das Ministerium wieder einige
Consistenz gewonnen zu haben und auch das Verhältniß des Prä-
sidenten zur Majorität wird freundlicher, da die letztere sich dazu
herbeigelassen hat den dynastischen Gelüsten Louis Napoleons
einige Concessionen zu machen. Was den Präsidenten seither am
meisten ärgerte, war der Vorschlag eines seiner Vettern, sämmt-
liche Prätendenten aus den Häusern Orleans und Bourbon wie-
der nach Frankreich zurückzukommen zu lassen. Nun aber da die
Majorität auf diesen Antrag nicht eingeht, wird wohl auch der
Präsident in andern Stücken sich billiger finden lassen.

Jn der orientalischen Frage ist es immer noch nicht ganz
klar. Fuad=Effendi, der bereits am 5. in St. Petersburg ange-
kommen war, hatte bis zum 13. noch keine Audienz beim Kaiser
erhalten und es nur bis zu einer Conferenz mit dem Grafen Nes-
selrode gebracht. Rußlands Stimmung gegen den Großtürken
scheint also nicht sehr freundschaftlicher Art zu seyn. Auf der an-
dern Seite ist es gewiß, daß Oesterreich und Frankreich zu einem
friedlichen Arrangement geneigt sind und nur England, wie ge-
wöhnlich, die ganze Frage zu vergiften sucht.

Wie man hört, beabsichtigt Lamartine, sich nach dem Mor-
genlande zurückzuziehen. Seit mehreren Wochen befindet sich einer
seiner Freunde, Hr. Rolland, Maire von Macon, in Konstanti-
nopel, um hierüber mit dem türkischen Minister des Aeußern zu
unterhandeln. Wie man sagt, habe der Sultan dem Dichter be-
deutende Ländereien in der fruchtbaren Ebene einige Stunden von
Smyrna geschenkt. Dort wolle sich Lamartine im nächsten Früh-
jahre ansiedeln und sich über den Lauf der menschlichen Dinge
weiteren "Meditationen" hingeben.

Fast täglich treffen neue Truppen hier ein. Die "Democratie
pacifique" kündigt an, daß nächste Woche ein Mitglied des Ber-
ges die Regierung deßhalb in der Nationalversammlung inter-
pelliren werde.

Die Gerüchte über die Unzufriedenheit Louis Napoleon's
mit seinem Ministerium und seine Drohung, ein anderes zu
nehmen, da dieses so wenige Rücksicht für seine Person zeige,
hatten sich nach und nach so weit ausgebildet, daß bereits fol-
gende Personen als künftige Mitglieder des neuen Cabinets
genannt wurden: Dufaure, Passy, Lacrosse, Barthelemy St.
Hilaire, Bixio, Vatismenil, Victor Hugo. Trotz der Un-
wahrscheinlichkeit dieser Zusammenstellung und dem gleichzei-
tigen Gerede von einem Cabinet, das größtentheils aus Bo-
napartisten bestehen sollte, fanden die Gemäßigten sich beun-
ruhigt, und beauftragten den Grafen Daru, dem Präsiden-
ten Vorstellungen über seine Pläne zu machen. Louis Napo-
leon gestand seine Absicht, das Cabinet zu wechseln, während
Daru geltend machte, daß ein neues Cabinet sich noch stärker nach
rechts hin neigen müsse, als das jetzige, und darauf hinwies, daß
Dufaure und Passy nicht auf die Unterstützung der Majorität
rechnen könnten. Seine Vorstellungen und die Odilon=Barrot's,
der erklärt haben soll, so lange er Minister sey, würde er nicht
gestatten, daß das neue Schreiben Louis Napoleons über die rö-
mische Frage officiell publicirt werde, brachten den Präsidenten
endlich zum Nachgeben. Doch wird die moralische Schlappe, die
Louis Napoleon diesmal erlitten hat, gewiß die Summe von Be-
schwerden, die er gegen die dynastischen Fractionen hegt, im Stillen
vergrößern und seiner Zeit das Jhrige dazu beitragen, um die augen-
blicklich in der jetzigen Regierung verbundenen, ihrer Natur nach un-
versöhnlichen Elemente auseinander zu sprengen. Das Organ der
Camarilla Louis Bonaparte's, der "Dix Decembre," der drei Tage
lang so muthig in die Schlachttrompete gestoßen und selbst mit dem
Schreckbilde eines Ministeriums von Montagnards gedroht hatte,
gibt klein bei und vertröstet auf bessere Zeiten. Kurz, die Komödie
ist ausgespielt: sie heißt viel Lärmen um Nichts. Dennoch glau-
ben Manche, daß Louis Bonaparte nicht der Eitelkeit werde wi-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ziemlich unschlüssige demokratische Partei hat seit vierzehn Tagen
bis drei Wochen eine Thätigkeit entfaltet, gegen welche die der
conservativen kaum Stich halten dürfte. Wenn nicht Alles täuscht,
so dürfte diesmal wohl die conservativ=liberale Partei eine
schwache Majorität in den Kammern erlangen, was man aber
nicht unserem Wahlgesetze, sondern dem Umstande zu danken haben
wird, daß die berüchtigten Führer der radicalen Partei theils ab-
wesend, theils in Untersuchung und Haft sich befinden.

× Von der Fulda 23. October. Entschuldigen Sie, daß ich
Jhnen im Eingange meiner heutigen Correspondenz abermals
Mittheilungen mache über die Oberbürgermeisterfrage, die mit
jedem Tage verwickelter wird, darum aber auch an Jnteresse ge-
winnt. Der Fuldaer Stadtrath hat den Beschluß gefaßt, gegen
den Beschluß des hiesigen Bezirksausschusses die Wiedereinsetzung
Mackenrodt's in sein Amt betreffend feierlich zu protestiren,
und selbst auf dem Rechtswege gegen jene Restitutio in integrum
anzukämpfen. Mit diesem Beschlusse des Stadtrathes wird der
Bürgerausschuß wohl einverstanden seyn, zwei Mitglieder viel-
leicht ausgenommen. Außerdem aber will Herr Mackenrodt nicht
ohne Weiteres sein Amt wieder antreten, sondern durch den Be-
zirksdirector feierlich auf das Rathhaus und zu seinem frühe-
ren Geschäfte zurückgeführt seyn; auch diese Sache stößt auf
Schwierigkeiten. — Jn den letzten Tagen ist vor den Fuldaer
Assisen der Proceß gegen die des Landfriedensbruches an-
geschuldigten Bewohner von Steinbach und Burghaun, die sich
bei den Excessen gegen die Juden in genannten Orten betheiligt
hatten, verhandelt worden, der Ausspruch der Geschworenen ist
heute Nacht um12 1 / 2 Uhr erfolgt, er lautete für die meisten An-
geklagten auf nicht schuldig. Der hiesige Gerichtshof ist für
die gegenwärtige Sitzungsperiode durch die Obergerichtsassessoren
Schultheis und Schmidt aus Kassel, von Maibom aus
Hanau verstärkt worden. — Endlich ist auch das Ministerium
des Aeußeren wieder besetzt worden, Ministerialrath v. Wintz-
ingerode,
ein Vetter des Kurfürsten, hat es mit dem Titel
eines Legationsrathes übernommen. Der Prinz Friedrich von
Hessen, Wittwer der Großfürstin Alexandra, der Tochter des
Kaisers von Rußland, gedenkt sich mit der Tochter des Herzogs
von Cambridge zu vermählen, er ist der präsumtive Thronfolger
in Kurhessen. Die Ständekammer hat am gestrigen Tage ihre
Sitzungen wieder begonnen.

Oesterreichische Monarchie.

Pesth 15. October. Seit Kurzem hat unser Militär=Gericht
seine Verurtheilungen und Executionen eingestellt; man sagt,
es wäre in Folge eines aus Wien eingetroffenen höheren Befehles
geschehen. Die letzte Verurtheilung zum Tode traf den bekannten
Paul Nyari, früher Vicegespan des Pesther Comitats und zu-
letzt Deputirten und eines der thätigsten Häupter der ungarischen
Jnsurrection. Die Hinrichtung wurde vertagt; es heißt deshalb,
weil er nach Anhörung seines Urtheiles in Wahnsinn verfallen
sey; nach einer anderen Version soll ihm deshalb die Todesstrafe
im Wege der Gnade erlassen worden seyn, weil er einer der We-
nigen war, die in Debreczin gegen die Entsetzung des Hauses
Habsburg=Lothringen protestirten. Der am 10. d. M. durch den
Strang hingerichtete Csany wurde fast von Niemanden bedauert.
Seine ganze Laufbahn bezeichnete er durch die ärgsten
Grausamkeiten und Tyranneien
und er soll nicht weniger
als 60 Menschen wegen ihren politischen Meinungen haben hin-
richten lassen; er benahm sich auch bei seinem Tode feig.

Jtalien.

Der Papst wird im Laufe December in seiner Hauptstadt
zurück erwartet. Einem Briefe aus Rom vom 12. October in der
„Patrie“ zufolge hatte Pius IX. das heilige Collegium in Betreff
seiner Rückkehr um Rath befragt. Eine sehr lange Verhandlung
über diesen Gegenstand hatte stattgefunden; sie begann am 6. Oc-
tober und ward am folgenden Tage wieder aufgenommen und be-
endigt. Die Majorität sprach sich dahin aus, daß der Aufenthalt
seiner Heiligkeit in Rom wünschenswerth sey; als Residenz schlug
sie den Vatican vor. — Der Effectivbestand des französischen
Expeditionsheeres wird wahrscheinlich bis zum 1. Januar
nicht vermindert werden; von da an soll nur eine zur Er-
haltung der öffentlichen Ruhe hinreichende Garnison in Rom
bleiben. — Jn Turin bildet noch immer die erwartete Modi-
fication des Cabinetes den Hauptgegenstand des Jnteresses. —
An den Festungswerken von Verona, Peschiera und Mai-
land
wird neuerdings eifrig gearbeitet. Mailand erhält eine
neue Citadelle; die den Lombarden auferlegten Kriegssteuern
müssen das Geld zu diesen Bauten hergeben. Kriegerisch genug
sieht es in der Hauptstadt der Lombardei noch immer aus; in
der Arena liegen Croaten und die Paläste sind in Casernen ver-
wandelt. Verschiedene Truppenbewegungen haben in der letzten
Zeit stattgefunden. Von Mailand sind starke Abtheilungen,
[Spaltenumbruch] hauptsächlich Train und Artillerie, nach Verona gezogen; das
früher nach Brescia beorderte dritte Armeekorps ist wieder nach
Bergamo vorgerückt. — Der ehemalige Kriegsminister der römi-
schen Republik, General Avezzana, soll nebst einer großen An-
zahl seiner Landsleute New=York verlassen und sich nach Kentucky
begeben haben, um dort eine Stadt zu gründen, der er den
Namen Neu=Rom geben will.

Die „Piemontesische Zeitung“ veröffentlicht ein auf die Re-
duction und Reorganisation des Heeres bezügliches Decret. Jedes
Regiment wird, statt wie bisher vier, in Zukunft nur drei Ba-
taillone haben; jedes Bataillon besteht aus fünf Compagnien,
darunter eine Eliten=Compagnie. Das piemontesische Heer, wel-
ches die Kriegspartei bis auf eine Stärke von 120,000 Mann
gebracht hatte, wird nach den neuen Bestimmungen nur etwa
40,000 zählen.

Frankreich.

*** Paris 22. October. Trotz der umlaufenden Gerüchte
vom Gegentheile ( s. unten ) scheint das Ministerium wieder einige
Consistenz gewonnen zu haben und auch das Verhältniß des Prä-
sidenten zur Majorität wird freundlicher, da die letztere sich dazu
herbeigelassen hat den dynastischen Gelüsten Louis Napoleons
einige Concessionen zu machen. Was den Präsidenten seither am
meisten ärgerte, war der Vorschlag eines seiner Vettern, sämmt-
liche Prätendenten aus den Häusern Orleans und Bourbon wie-
der nach Frankreich zurückzukommen zu lassen. Nun aber da die
Majorität auf diesen Antrag nicht eingeht, wird wohl auch der
Präsident in andern Stücken sich billiger finden lassen.

Jn der orientalischen Frage ist es immer noch nicht ganz
klar. Fuad=Effendi, der bereits am 5. in St. Petersburg ange-
kommen war, hatte bis zum 13. noch keine Audienz beim Kaiser
erhalten und es nur bis zu einer Conferenz mit dem Grafen Nes-
selrode gebracht. Rußlands Stimmung gegen den Großtürken
scheint also nicht sehr freundschaftlicher Art zu seyn. Auf der an-
dern Seite ist es gewiß, daß Oesterreich und Frankreich zu einem
friedlichen Arrangement geneigt sind und nur England, wie ge-
wöhnlich, die ganze Frage zu vergiften sucht.

Wie man hört, beabsichtigt Lamartine, sich nach dem Mor-
genlande zurückzuziehen. Seit mehreren Wochen befindet sich einer
seiner Freunde, Hr. Rolland, Maire von Macon, in Konstanti-
nopel, um hierüber mit dem türkischen Minister des Aeußern zu
unterhandeln. Wie man sagt, habe der Sultan dem Dichter be-
deutende Ländereien in der fruchtbaren Ebene einige Stunden von
Smyrna geschenkt. Dort wolle sich Lamartine im nächsten Früh-
jahre ansiedeln und sich über den Lauf der menschlichen Dinge
weiteren „Meditationen“ hingeben.

Fast täglich treffen neue Truppen hier ein. Die „Democratie
pacifique“ kündigt an, daß nächste Woche ein Mitglied des Ber-
ges die Regierung deßhalb in der Nationalversammlung inter-
pelliren werde.

Die Gerüchte über die Unzufriedenheit Louis Napoleon's
mit seinem Ministerium und seine Drohung, ein anderes zu
nehmen, da dieses so wenige Rücksicht für seine Person zeige,
hatten sich nach und nach so weit ausgebildet, daß bereits fol-
gende Personen als künftige Mitglieder des neuen Cabinets
genannt wurden: Dufaure, Passy, Lacrosse, Barthelemy St.
Hilaire, Bixio, Vatismenil, Victor Hugo. Trotz der Un-
wahrscheinlichkeit dieser Zusammenstellung und dem gleichzei-
tigen Gerede von einem Cabinet, das größtentheils aus Bo-
napartisten bestehen sollte, fanden die Gemäßigten sich beun-
ruhigt, und beauftragten den Grafen Daru, dem Präsiden-
ten Vorstellungen über seine Pläne zu machen. Louis Napo-
leon gestand seine Absicht, das Cabinet zu wechseln, während
Daru geltend machte, daß ein neues Cabinet sich noch stärker nach
rechts hin neigen müsse, als das jetzige, und darauf hinwies, daß
Dufaure und Passy nicht auf die Unterstützung der Majorität
rechnen könnten. Seine Vorstellungen und die Odilon=Barrot's,
der erklärt haben soll, so lange er Minister sey, würde er nicht
gestatten, daß das neue Schreiben Louis Napoleons über die rö-
mische Frage officiell publicirt werde, brachten den Präsidenten
endlich zum Nachgeben. Doch wird die moralische Schlappe, die
Louis Napoleon diesmal erlitten hat, gewiß die Summe von Be-
schwerden, die er gegen die dynastischen Fractionen hegt, im Stillen
vergrößern und seiner Zeit das Jhrige dazu beitragen, um die augen-
blicklich in der jetzigen Regierung verbundenen, ihrer Natur nach un-
versöhnlichen Elemente auseinander zu sprengen. Das Organ der
Camarilla Louis Bonaparte's, der „Dix Decembre,“ der drei Tage
lang so muthig in die Schlachttrompete gestoßen und selbst mit dem
Schreckbilde eines Ministeriums von Montagnards gedroht hatte,
gibt klein bei und vertröstet auf bessere Zeiten. Kurz, die Komödie
ist ausgespielt: sie heißt viel Lärmen um Nichts. Dennoch glau-
ben Manche, daß Louis Bonaparte nicht der Eitelkeit werde wi-
[Ende Spaltensatz]

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[0003] ziemlich unschlüssige demokratische Partei hat seit vierzehn Tagen bis drei Wochen eine Thätigkeit entfaltet, gegen welche die der conservativen kaum Stich halten dürfte. Wenn nicht Alles täuscht, so dürfte diesmal wohl die conservativ=liberale Partei eine schwache Majorität in den Kammern erlangen, was man aber nicht unserem Wahlgesetze, sondern dem Umstande zu danken haben wird, daß die berüchtigten Führer der radicalen Partei theils ab- wesend, theils in Untersuchung und Haft sich befinden. × Von der Fulda 23. October. Entschuldigen Sie, daß ich Jhnen im Eingange meiner heutigen Correspondenz abermals Mittheilungen mache über die Oberbürgermeisterfrage, die mit jedem Tage verwickelter wird, darum aber auch an Jnteresse ge- winnt. Der Fuldaer Stadtrath hat den Beschluß gefaßt, gegen den Beschluß des hiesigen Bezirksausschusses die Wiedereinsetzung Mackenrodt's in sein Amt betreffend feierlich zu protestiren, und selbst auf dem Rechtswege gegen jene Restitutio in integrum anzukämpfen. Mit diesem Beschlusse des Stadtrathes wird der Bürgerausschuß wohl einverstanden seyn, zwei Mitglieder viel- leicht ausgenommen. Außerdem aber will Herr Mackenrodt nicht ohne Weiteres sein Amt wieder antreten, sondern durch den Be- zirksdirector feierlich auf das Rathhaus und zu seinem frühe- ren Geschäfte zurückgeführt seyn; auch diese Sache stößt auf Schwierigkeiten. — Jn den letzten Tagen ist vor den Fuldaer Assisen der Proceß gegen die des Landfriedensbruches an- geschuldigten Bewohner von Steinbach und Burghaun, die sich bei den Excessen gegen die Juden in genannten Orten betheiligt hatten, verhandelt worden, der Ausspruch der Geschworenen ist heute Nacht um12 1 / 2 Uhr erfolgt, er lautete für die meisten An- geklagten auf nicht schuldig. Der hiesige Gerichtshof ist für die gegenwärtige Sitzungsperiode durch die Obergerichtsassessoren Schultheis und Schmidt aus Kassel, von Maibom aus Hanau verstärkt worden. — Endlich ist auch das Ministerium des Aeußeren wieder besetzt worden, Ministerialrath v. Wintz- ingerode, ein Vetter des Kurfürsten, hat es mit dem Titel eines Legationsrathes übernommen. Der Prinz Friedrich von Hessen, Wittwer der Großfürstin Alexandra, der Tochter des Kaisers von Rußland, gedenkt sich mit der Tochter des Herzogs von Cambridge zu vermählen, er ist der präsumtive Thronfolger in Kurhessen. Die Ständekammer hat am gestrigen Tage ihre Sitzungen wieder begonnen. Oesterreichische Monarchie. Pesth 15. October. Seit Kurzem hat unser Militär=Gericht seine Verurtheilungen und Executionen eingestellt; man sagt, es wäre in Folge eines aus Wien eingetroffenen höheren Befehles geschehen. Die letzte Verurtheilung zum Tode traf den bekannten Paul Nyari, früher Vicegespan des Pesther Comitats und zu- letzt Deputirten und eines der thätigsten Häupter der ungarischen Jnsurrection. Die Hinrichtung wurde vertagt; es heißt deshalb, weil er nach Anhörung seines Urtheiles in Wahnsinn verfallen sey; nach einer anderen Version soll ihm deshalb die Todesstrafe im Wege der Gnade erlassen worden seyn, weil er einer der We- nigen war, die in Debreczin gegen die Entsetzung des Hauses Habsburg=Lothringen protestirten. Der am 10. d. M. durch den Strang hingerichtete Csany wurde fast von Niemanden bedauert. Seine ganze Laufbahn bezeichnete er durch die ärgsten Grausamkeiten und Tyranneien und er soll nicht weniger als 60 Menschen wegen ihren politischen Meinungen haben hin- richten lassen; er benahm sich auch bei seinem Tode feig. Jtalien. Der Papst wird im Laufe December in seiner Hauptstadt zurück erwartet. Einem Briefe aus Rom vom 12. October in der „Patrie“ zufolge hatte Pius IX. das heilige Collegium in Betreff seiner Rückkehr um Rath befragt. Eine sehr lange Verhandlung über diesen Gegenstand hatte stattgefunden; sie begann am 6. Oc- tober und ward am folgenden Tage wieder aufgenommen und be- endigt. Die Majorität sprach sich dahin aus, daß der Aufenthalt seiner Heiligkeit in Rom wünschenswerth sey; als Residenz schlug sie den Vatican vor. — Der Effectivbestand des französischen Expeditionsheeres wird wahrscheinlich bis zum 1. Januar nicht vermindert werden; von da an soll nur eine zur Er- haltung der öffentlichen Ruhe hinreichende Garnison in Rom bleiben. — Jn Turin bildet noch immer die erwartete Modi- fication des Cabinetes den Hauptgegenstand des Jnteresses. — An den Festungswerken von Verona, Peschiera und Mai- land wird neuerdings eifrig gearbeitet. Mailand erhält eine neue Citadelle; die den Lombarden auferlegten Kriegssteuern müssen das Geld zu diesen Bauten hergeben. Kriegerisch genug sieht es in der Hauptstadt der Lombardei noch immer aus; in der Arena liegen Croaten und die Paläste sind in Casernen ver- wandelt. Verschiedene Truppenbewegungen haben in der letzten Zeit stattgefunden. Von Mailand sind starke Abtheilungen, hauptsächlich Train und Artillerie, nach Verona gezogen; das früher nach Brescia beorderte dritte Armeekorps ist wieder nach Bergamo vorgerückt. — Der ehemalige Kriegsminister der römi- schen Republik, General Avezzana, soll nebst einer großen An- zahl seiner Landsleute New=York verlassen und sich nach Kentucky begeben haben, um dort eine Stadt zu gründen, der er den Namen Neu=Rom geben will. Die „Piemontesische Zeitung“ veröffentlicht ein auf die Re- duction und Reorganisation des Heeres bezügliches Decret. Jedes Regiment wird, statt wie bisher vier, in Zukunft nur drei Ba- taillone haben; jedes Bataillon besteht aus fünf Compagnien, darunter eine Eliten=Compagnie. Das piemontesische Heer, wel- ches die Kriegspartei bis auf eine Stärke von 120,000 Mann gebracht hatte, wird nach den neuen Bestimmungen nur etwa 40,000 zählen. Frankreich. *** Paris 22. October. Trotz der umlaufenden Gerüchte vom Gegentheile ( s. unten ) scheint das Ministerium wieder einige Consistenz gewonnen zu haben und auch das Verhältniß des Prä- sidenten zur Majorität wird freundlicher, da die letztere sich dazu herbeigelassen hat den dynastischen Gelüsten Louis Napoleons einige Concessionen zu machen. Was den Präsidenten seither am meisten ärgerte, war der Vorschlag eines seiner Vettern, sämmt- liche Prätendenten aus den Häusern Orleans und Bourbon wie- der nach Frankreich zurückzukommen zu lassen. Nun aber da die Majorität auf diesen Antrag nicht eingeht, wird wohl auch der Präsident in andern Stücken sich billiger finden lassen. Jn der orientalischen Frage ist es immer noch nicht ganz klar. Fuad=Effendi, der bereits am 5. in St. Petersburg ange- kommen war, hatte bis zum 13. noch keine Audienz beim Kaiser erhalten und es nur bis zu einer Conferenz mit dem Grafen Nes- selrode gebracht. Rußlands Stimmung gegen den Großtürken scheint also nicht sehr freundschaftlicher Art zu seyn. Auf der an- dern Seite ist es gewiß, daß Oesterreich und Frankreich zu einem friedlichen Arrangement geneigt sind und nur England, wie ge- wöhnlich, die ganze Frage zu vergiften sucht. Wie man hört, beabsichtigt Lamartine, sich nach dem Mor- genlande zurückzuziehen. Seit mehreren Wochen befindet sich einer seiner Freunde, Hr. Rolland, Maire von Macon, in Konstanti- nopel, um hierüber mit dem türkischen Minister des Aeußern zu unterhandeln. Wie man sagt, habe der Sultan dem Dichter be- deutende Ländereien in der fruchtbaren Ebene einige Stunden von Smyrna geschenkt. Dort wolle sich Lamartine im nächsten Früh- jahre ansiedeln und sich über den Lauf der menschlichen Dinge weiteren „Meditationen“ hingeben. Fast täglich treffen neue Truppen hier ein. Die „Democratie pacifique“ kündigt an, daß nächste Woche ein Mitglied des Ber- ges die Regierung deßhalb in der Nationalversammlung inter- pelliren werde. Die Gerüchte über die Unzufriedenheit Louis Napoleon's mit seinem Ministerium und seine Drohung, ein anderes zu nehmen, da dieses so wenige Rücksicht für seine Person zeige, hatten sich nach und nach so weit ausgebildet, daß bereits fol- gende Personen als künftige Mitglieder des neuen Cabinets genannt wurden: Dufaure, Passy, Lacrosse, Barthelemy St. Hilaire, Bixio, Vatismenil, Victor Hugo. Trotz der Un- wahrscheinlichkeit dieser Zusammenstellung und dem gleichzei- tigen Gerede von einem Cabinet, das größtentheils aus Bo- napartisten bestehen sollte, fanden die Gemäßigten sich beun- ruhigt, und beauftragten den Grafen Daru, dem Präsiden- ten Vorstellungen über seine Pläne zu machen. Louis Napo- leon gestand seine Absicht, das Cabinet zu wechseln, während Daru geltend machte, daß ein neues Cabinet sich noch stärker nach rechts hin neigen müsse, als das jetzige, und darauf hinwies, daß Dufaure und Passy nicht auf die Unterstützung der Majorität rechnen könnten. Seine Vorstellungen und die Odilon=Barrot's, der erklärt haben soll, so lange er Minister sey, würde er nicht gestatten, daß das neue Schreiben Louis Napoleons über die rö- mische Frage officiell publicirt werde, brachten den Präsidenten endlich zum Nachgeben. Doch wird die moralische Schlappe, die Louis Napoleon diesmal erlitten hat, gewiß die Summe von Be- schwerden, die er gegen die dynastischen Fractionen hegt, im Stillen vergrößern und seiner Zeit das Jhrige dazu beitragen, um die augen- blicklich in der jetzigen Regierung verbundenen, ihrer Natur nach un- versöhnlichen Elemente auseinander zu sprengen. Das Organ der Camarilla Louis Bonaparte's, der „Dix Decembre,“ der drei Tage lang so muthig in die Schlachttrompete gestoßen und selbst mit dem Schreckbilde eines Ministeriums von Montagnards gedroht hatte, gibt klein bei und vertröstet auf bessere Zeiten. Kurz, die Komödie ist ausgespielt: sie heißt viel Lärmen um Nichts. Dennoch glau- ben Manche, daß Louis Bonaparte nicht der Eitelkeit werde wi-

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 253. Mainz, 24. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal253_1849/3>, abgerufen am 13.06.2024.