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Mainzer Journal. Nr. 261. Mainz, 3. November 1849.

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Zeit versetzt worden waren und wie dadurch deren Begriffe ver-
wirrt werden mußten.



Deutschland.

Wien 28. October. Das ganze erste Feldartillerieregiment
hat Marschordre und wird zu dem Observationscorps in Böhmen
stoßen. Bei diesem Regimente wird der Anfang mit den Refor-
men gemacht werden, die in der österreichischen Artillerie erfolgen
sollen. Jede Compagnie wird hinfort aus einer Batterie, nicht
mehr von sechs, [unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]sondernon acht Geschützen bestehen und zwar
wird das seither getrennte Fuhrwesen mit der Artillerie in der
Art vereinigt, daß einer der beiden Unterlieutenants jeder Batterie
die Bespannungsmannschaft commandirt, eine Maßregel, durch
welche mehr als 200 Offiziere entbehrlich würden.

München 30. October 1). Der Vortrag des Ausschusses
der Abgeordneten über die deutsche Frage liegt vor mir
und ich beeile mich, Einiges aus demselben nachträglich zu dem be-
reits mitgetheilten Schlußantrage herauszuziehen. Vor Allem
entschuldigt der Ausschuß sein langes Wartenlassen mit Unwohl-
seyn seines Referenten Dr. v. Link, und mit der Schwierigkeit der
Aufgabe, die durch die Convention vom 30. September noch
verwickelter wurde. Nach mehreren vertraulichen Sitzungen,
in welchen der Herr Staatsminister des Aeußern über die mit
Oesterreich gepflogenen Unterhandlungen in vertraulicher
Weise
Aufschlüsse gab, wurde am 5. October der Referent gewählt
und von da bis zum 27. October mit zwei Ausnahmen jeden Tag in
oft vier= bis fünfstündigen Sitzungen berathen. Bei den weit ausein-
andergehenden Ansichten der Commissionsmitglieder suchte man eine
Form, der doch die Mehrzahl zustimmen könne. Nach mehrfachen De-
batten und Abänderungen ward nun der bereits mitgetheilte Antrag
mit 6 ( Thinnes, Lerchenfeld, v. Link, v. Hermann, Forndran und
Heine ) gegen 3 Stimmen ( Kirchgeßner, Paur und Jäger ) ange-
nommen. Thinnes beantragte, ohne jedoch eine Majorität zu er-
zielen, eine andere Form, durch welche auch [unleserliches Material - 12 Zeichen fehlen]ausdrücklich anerkannt
wird, "daß das Ministerium durch sein Bestreben den Grundgedan-
len des nationalen Aufschwunges festzuhalten und zu verwirklichen
den Jnteressen Deutschlands und Bayerns entsprechend gehan-
delt habe, und daß die unter diesen Verhältnissen von Bayern
bei Anerkennung der provisorischen Centralgewalt gebrachten
Opfer gerechtfertigt erscheinen" Forndran wollte in einem
Zusatze die Ueberzeugung ausgesprochen sehen: "die bayrische
Regierung werde nicht versäumen dahin zu wirken, daß, unbe-
schadet dieser Aufgabe, vor Allem die industriellen und handels-
politischen Verhältnisse und Bedürfnisse aller deutschen Staaten
unter geeigneter Betheiligung des Volkes gemeinsam geregelt
werden." Kirchgeßner begründet in einem Separatvotum
die Bitte an den König: "durch dessen Staatsregierung mit allem
Eifer dahin wirken zu lassen, daß eine deutsche Nationalvertre-
tung auf Grund der früheren Wahlgesetze alsbald berufen werde,
um durch dieselbe zwischen den Regierungen und dem Volke das
Verfassungswerk zu Stande zu bringen." Zugleich beantragt
Kirchgeßner eine Verwahrung der Kammer gegen alle Acte der
Staatsregierung, die in Betreff der deutschen Verfassungsfrage
einseitig ohne Zustimmung der Volksvertretung abgeschlossen
wurden oder werden. Abgeordneter Jäger versagt in einem
Separatvotum dem Entwurfe der Majorität seine Zustimmung,
weil er als Abschluß der Märzbewegung einen kräftigen Bun-
desstaat
mit centraler Volksvertretung und einheitlicher
Diplomatie
anstrebe, das bayrische Ministerium aber die
Einigung Deutschlands so lange verzögert habe, als bis
Oesterreich, das den Bundesstaat negirt, wieder thätig in die
deutschen Verhältnisse eingreifen und die Bewegung des Jahres
1848 zu ihrem Ausgangspunkte, dem alten Bundestage in neuer
Gestalt, zurückführen konnte, und weil endlich das bayrische
Ministerium in seinen Unterhandlungen mit Oesterreich und Preu-
ßen nicht gestrebt habe, die reine Jdee des Bundesstaates zu
verwirklichen. Außer diesen Separatvoten, welche die Zerklüftung
des Ausschusses wie der Kammer genügend bezeichnen, gab
Dr. Heine, der mit der Majorität der Commission stimmte, in
Bezug auf den Schlußantrag noch ein besonderes Gutachten ab,
welches mit folgendem Antrageschließt: A. "Die k. Staatsregierung
wolle sich im Vereine mit Württemberg, welches bis jetzt dem
Dreikönigsbündnisse nicht beigetreten ist, und bei der etwaigen
Ablehnung dieses Staates ohne ihn, mit der k. k. Staatsregierung
in vorläufiges Benehmen darüber zu setzen: ob Oesterreich die
[Spaltenumbruch] süddeutsche Hegemonie unter folgenden Verpflichtungen von seiner
Seite zu übernehmen gesonnen sey: 1 ) Die constitutionellen Ver-
fassungen Bayerns und der mit ihm übertretenden süddeutschen
Staaten zu gewährleisten; 2 ) diesen Staaten den gebührenden
Antheil und Zutritt an dem künftigen österreichischen Parlamente
zur Begründung seiner endlichen definitiven Staatsverfassung,
resp. des süddeutsch=slavischen Bundesstaates einzuräumen; 3 ) seine
Zollschranken diesen gegenüber fallen zu lassen; 4 ) die preußische
Hegemonie über die nordwestlichen Staaten Deutschlands anzuer-
kennen, und 5 ) auf dieser Basis mit derselben einen weiteren
Staatenbund
als Umgestaltung des alten deutschen Bundes
unter einem Directorium, mit der preußischen, österreichischen und
einer aus der periodischen freien Wahl der Mittelstaaten her-
vorgegangenen Dynastie an der Spitze, anzubahnen, welchem
Directorium auf einer wie oben angedeutet normirten Verfassung
eine aus den Kammern sämmtlicher Einzelstaaten gewählte
Volksvertretung -- laut Vorzug durch intellectuelle Befähigung,
größeren Güterbesitz und Charakter ein Oberhaus -- die periodi-
sche Mitwirkung zu leihen hätte. B. Die königliche Staatsregie-
rung wolle die Entgegnungen der kaiserlich österreichischen Staats-
regierung auf diese ansinnenden Vorfragen, welche der brüder-
lichsten Hingebung für Osterreich zu einem großdeutschen Zwecke
entquellen, die Rathgeber der österreichischen Krone bis in die
tiefsten Herzensfalten zu prüfen geeignet sind, wie weit es ihnen
noch anliege, mit den deutschen Jnteressen an Einigung und Frei-
heit zu gehen, zum Entscheide für weitere Maßnahmen den ver-
sammelten bayrischen Kammern zur Mittheilung bringen."

Selbst dem "Nürnberger Correspondenten" ist über die Ga-
gern 'schen Reden endlich der Geduldfaden gerissen! Es wird
dort bemerkt: Auch seit seinem Rücktritte in den Privatstand liebt
es Herr Heinrich v. Gagern, von Zeit zu Zeit eine Demon-
stration zu machen, um an die Fortdauer seiner Sorge für
deutsche Staatseinheit zu erinnern. So wenig die Berechtigung
hierzu überhaupt einem public character, wie er ist, streitig ge-
macht werden kann, so bemerkenswerth ist seine am 17. October
zu Bremen im großen Saale der Union gehaltene Rede, be-
merkenswerth schon durch das Stillschweigen, welches die
"Deutsche Zeitung" hierüber beobachtet. Auf das Bestreben
des Redners seinem größtentheils aus Bremer Handelsherren
und Pastoren bestandenem Auditorium sich und die Seinigen
als "conservativ gesinnt" darzustellen, wollen wir hier kein be-
sonderes Gewicht legen und eben so wenig auf seine sehr feine
und späte Unterscheidung zwischen der Volkssouveränetät und
der von ihm in der Frankfurter Paulskirche proclamirten Natio-
nalsouveränetät. Aber wichtig für die Zeitgeschichte sind die Auf-
schlüsse, welche die Rede über das Verhältniß des Herrn v. Ga-
gern zu seiner eigenen parlamentarischen Partei gibt. Bisher war
man gewohnt, den vorigen Präsidenten des Reichsministeriums
als Führer derjenigen zahlreichen Fraction der deutschen Natio-
nalversammlung zu betrachten, deren Angehörige ihn ( vor dem
Publicum wenigstens ) den "besten Mann Deutschlands" zu nennen
pflegen und von ihm erwiederungsweise mit dem Titel der "Besten
der Nation" geehrt werden. Man glaubte ihn einverstanden mit
allen erheblichen parlamentarischen Acten seiner "Freunde,"
welche den Verfassungsausschuß der Nationalversammlung bei-
nahe gänzlich, die diesjährigen Versammlungen im " Weiden-
busch," aber ohne alle Einschränkung in ihrer Gewalt hatten.
Nach der Rede vom 17. October hingegen stellt sich die Sache
ganz anders dar. Herr v. G. bekennt nun offen, "daß er sehr
wohl wisse, wie die Grundrechte gar vieles Verderbliche
und Schädliche
enthielten[unleserliches Material]." Er ist, wie er versichert, " gegen
den Kaisertitel
gewesen;" aber seine Freunde sind "darauf
bestanden." Mit dem Vorschlage des Verfassungsausschusses über
den Reichsrath ( auf dessen Durchsetzung bekanntlich die "Freunde"
sehr großen Werth gelegt hatten ) hat Herr v. G. "sich niemals
zufrieden erklärt," weil die diesem Jnstitute angewiesene Stellung
eine " unwürdige " gewesen. Er findet es daher "ganz recht,
daß der Reichsrath verworfen wurde." Und gleichwohl hat Herr
v. G. in der Paulskirche für Kaisertitel und Reichsrath votirt,
hat derselbe seine gewichtige Stimme zum Stillschweigen verur-
theilt, als es sich darum handelte, theils vor, theils mit der Ver-
fassung die Grundrechte publiciren zu lassen, also mit Einschluß
ihrer "verderblichen" Bestandtheile. Weit entfernt, seinen Freun-
den entgegenzutreten, denen die Grundrechte nur ein "Rattengift"
waren, wodurch die Widerstandskraft der deutschen Einzelstaaten
gelähmt werden sollte, hat Herr v. G. als Ministerpräsident dieses
Rattengift, und zwar ausdrücklich zu dem eben bemerkten Zwecke,
den Körpern der Einzelstaaten mit Gewalt einzugießen gesucht,
wie sein am 8. Mai d. J. dem Reichsverweser vorgelegtes,
aber von diesem zurückgewiesenes Programm darthut. Es
kann also als constatirt gelten, daß Her v. Gagern nicht nur
[Ende Spaltensatz]

1) Wir kommen hier auf diese [unleserliches Material - 13 Zeichen fehlen]Angelegenheit noch einmal zurück, zu-
nächst wegen der originellen Separatvota der beiden
pfälzischen Abgeordneten.
    Red. d. M. J.

[Beginn Spaltensatz][unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]eidigung der Truppen, als durch alle übrigen Umtriebe jener
Zeit versetzt worden waren und wie dadurch deren Begriffe ver-
wirrt werden mußten.



Deutschland.

Wien 28. October. Das ganze erste Feldartillerieregiment
hat Marschordre und wird zu dem Observationscorps in Böhmen
stoßen. Bei diesem Regimente wird der Anfang mit den Refor-
men gemacht werden, die in der österreichischen Artillerie erfolgen
sollen. Jede Compagnie wird hinfort aus einer Batterie, nicht
mehr von sechs, [unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]sondernon acht Geschützen bestehen und zwar
wird das seither getrennte Fuhrwesen mit der Artillerie in der
Art vereinigt, daß einer der beiden Unterlieutenants jeder Batterie
die Bespannungsmannschaft commandirt, eine Maßregel, durch
welche mehr als 200 Offiziere entbehrlich würden.

München 30. October 1). Der Vortrag des Ausschusses
der Abgeordneten über die deutsche Frage liegt vor mir
und ich beeile mich, Einiges aus demselben nachträglich zu dem be-
reits mitgetheilten Schlußantrage herauszuziehen. Vor Allem
entschuldigt der Ausschuß sein langes Wartenlassen mit Unwohl-
seyn seines Referenten Dr. v. Link, und mit der Schwierigkeit der
Aufgabe, die durch die Convention vom 30. September noch
verwickelter wurde. Nach mehreren vertraulichen Sitzungen,
in welchen der Herr Staatsminister des Aeußern über die mit
Oesterreich gepflogenen Unterhandlungen in vertraulicher
Weise
Aufschlüsse gab, wurde am 5. October der Referent gewählt
und von da bis zum 27. October mit zwei Ausnahmen jeden Tag in
oft vier= bis fünfstündigen Sitzungen berathen. Bei den weit ausein-
andergehenden Ansichten der Commissionsmitglieder suchte man eine
Form, der doch die Mehrzahl zustimmen könne. Nach mehrfachen De-
batten und Abänderungen ward nun der bereits mitgetheilte Antrag
mit 6 ( Thinnes, Lerchenfeld, v. Link, v. Hermann, Forndran und
Heine ) gegen 3 Stimmen ( Kirchgeßner, Paur und Jäger ) ange-
nommen. Thinnes beantragte, ohne jedoch eine Majorität zu er-
zielen, eine andere Form, durch welche auch [unleserliches Material – 12 Zeichen fehlen]ausdrücklich anerkannt
wird, „daß das Ministerium durch sein Bestreben den Grundgedan-
len des nationalen Aufschwunges festzuhalten und zu verwirklichen
den Jnteressen Deutschlands und Bayerns entsprechend gehan-
delt habe, und daß die unter diesen Verhältnissen von Bayern
bei Anerkennung der provisorischen Centralgewalt gebrachten
Opfer gerechtfertigt erscheinen“ Forndran wollte in einem
Zusatze die Ueberzeugung ausgesprochen sehen: „die bayrische
Regierung werde nicht versäumen dahin zu wirken, daß, unbe-
schadet dieser Aufgabe, vor Allem die industriellen und handels-
politischen Verhältnisse und Bedürfnisse aller deutschen Staaten
unter geeigneter Betheiligung des Volkes gemeinsam geregelt
werden.“ Kirchgeßner begründet in einem Separatvotum
die Bitte an den König: „durch dessen Staatsregierung mit allem
Eifer dahin wirken zu lassen, daß eine deutsche Nationalvertre-
tung auf Grund der früheren Wahlgesetze alsbald berufen werde,
um durch dieselbe zwischen den Regierungen und dem Volke das
Verfassungswerk zu Stande zu bringen.“ Zugleich beantragt
Kirchgeßner eine Verwahrung der Kammer gegen alle Acte der
Staatsregierung, die in Betreff der deutschen Verfassungsfrage
einseitig ohne Zustimmung der Volksvertretung abgeschlossen
wurden oder werden. Abgeordneter Jäger versagt in einem
Separatvotum dem Entwurfe der Majorität seine Zustimmung,
weil er als Abschluß der Märzbewegung einen kräftigen Bun-
desstaat
mit centraler Volksvertretung und einheitlicher
Diplomatie
anstrebe, das bayrische Ministerium aber die
Einigung Deutschlands so lange verzögert habe, als bis
Oesterreich, das den Bundesstaat negirt, wieder thätig in die
deutschen Verhältnisse eingreifen und die Bewegung des Jahres
1848 zu ihrem Ausgangspunkte, dem alten Bundestage in neuer
Gestalt, zurückführen konnte, und weil endlich das bayrische
Ministerium in seinen Unterhandlungen mit Oesterreich und Preu-
ßen nicht gestrebt habe, die reine Jdee des Bundesstaates zu
verwirklichen. Außer diesen Separatvoten, welche die Zerklüftung
des Ausschusses wie der Kammer genügend bezeichnen, gab
Dr. Heine, der mit der Majorität der Commission stimmte, in
Bezug auf den Schlußantrag noch ein besonderes Gutachten ab,
welches mit folgendem Antrageschließt: A. „Die k. Staatsregierung
wolle sich im Vereine mit Württemberg, welches bis jetzt dem
Dreikönigsbündnisse nicht beigetreten ist, und bei der etwaigen
Ablehnung dieses Staates ohne ihn, mit der k. k. Staatsregierung
in vorläufiges Benehmen darüber zu setzen: ob Oesterreich die
[Spaltenumbruch] süddeutsche Hegemonie unter folgenden Verpflichtungen von seiner
Seite zu übernehmen gesonnen sey: 1 ) Die constitutionellen Ver-
fassungen Bayerns und der mit ihm übertretenden süddeutschen
Staaten zu gewährleisten; 2 ) diesen Staaten den gebührenden
Antheil und Zutritt an dem künftigen österreichischen Parlamente
zur Begründung seiner endlichen definitiven Staatsverfassung,
resp. des süddeutsch=slavischen Bundesstaates einzuräumen; 3 ) seine
Zollschranken diesen gegenüber fallen zu lassen; 4 ) die preußische
Hegemonie über die nordwestlichen Staaten Deutschlands anzuer-
kennen, und 5 ) auf dieser Basis mit derselben einen weiteren
Staatenbund
als Umgestaltung des alten deutschen Bundes
unter einem Directorium, mit der preußischen, österreichischen und
einer aus der periodischen freien Wahl der Mittelstaaten her-
vorgegangenen Dynastie an der Spitze, anzubahnen, welchem
Directorium auf einer wie oben angedeutet normirten Verfassung
eine aus den Kammern sämmtlicher Einzelstaaten gewählte
Volksvertretung — laut Vorzug durch intellectuelle Befähigung,
größeren Güterbesitz und Charakter ein Oberhaus — die periodi-
sche Mitwirkung zu leihen hätte. B. Die königliche Staatsregie-
rung wolle die Entgegnungen der kaiserlich österreichischen Staats-
regierung auf diese ansinnenden Vorfragen, welche der brüder-
lichsten Hingebung für Osterreich zu einem großdeutschen Zwecke
entquellen, die Rathgeber der österreichischen Krone bis in die
tiefsten Herzensfalten zu prüfen geeignet sind, wie weit es ihnen
noch anliege, mit den deutschen Jnteressen an Einigung und Frei-
heit zu gehen, zum Entscheide für weitere Maßnahmen den ver-
sammelten bayrischen Kammern zur Mittheilung bringen.“

Selbst dem „Nürnberger Correspondenten“ ist über die Ga-
gern 'schen Reden endlich der Geduldfaden gerissen! Es wird
dort bemerkt: Auch seit seinem Rücktritte in den Privatstand liebt
es Herr Heinrich v. Gagern, von Zeit zu Zeit eine Demon-
stration zu machen, um an die Fortdauer seiner Sorge für
deutsche Staatseinheit zu erinnern. So wenig die Berechtigung
hierzu überhaupt einem public character, wie er ist, streitig ge-
macht werden kann, so bemerkenswerth ist seine am 17. October
zu Bremen im großen Saale der Union gehaltene Rede, be-
merkenswerth schon durch das Stillschweigen, welches die
„Deutsche Zeitung“ hierüber beobachtet. Auf das Bestreben
des Redners seinem größtentheils aus Bremer Handelsherren
und Pastoren bestandenem Auditorium sich und die Seinigen
als „conservativ gesinnt“ darzustellen, wollen wir hier kein be-
sonderes Gewicht legen und eben so wenig auf seine sehr feine
und späte Unterscheidung zwischen der Volkssouveränetät und
der von ihm in der Frankfurter Paulskirche proclamirten Natio-
nalsouveränetät. Aber wichtig für die Zeitgeschichte sind die Auf-
schlüsse, welche die Rede über das Verhältniß des Herrn v. Ga-
gern zu seiner eigenen parlamentarischen Partei gibt. Bisher war
man gewohnt, den vorigen Präsidenten des Reichsministeriums
als Führer derjenigen zahlreichen Fraction der deutschen Natio-
nalversammlung zu betrachten, deren Angehörige ihn ( vor dem
Publicum wenigstens ) den „besten Mann Deutschlands“ zu nennen
pflegen und von ihm erwiederungsweise mit dem Titel der „Besten
der Nation“ geehrt werden. Man glaubte ihn einverstanden mit
allen erheblichen parlamentarischen Acten seiner „Freunde,“
welche den Verfassungsausschuß der Nationalversammlung bei-
nahe gänzlich, die diesjährigen Versammlungen im „ Weiden-
busch,“ aber ohne alle Einschränkung in ihrer Gewalt hatten.
Nach der Rede vom 17. October hingegen stellt sich die Sache
ganz anders dar. Herr v. G. bekennt nun offen, „daß er sehr
wohl wisse, wie die Grundrechte gar vieles Verderbliche
und Schädliche
enthielten[unleserliches Material].“ Er ist, wie er versichert, „ gegen
den Kaisertitel
gewesen;“ aber seine Freunde sind „darauf
bestanden.“ Mit dem Vorschlage des Verfassungsausschusses über
den Reichsrath ( auf dessen Durchsetzung bekanntlich die „Freunde“
sehr großen Werth gelegt hatten ) hat Herr v. G. „sich niemals
zufrieden erklärt,“ weil die diesem Jnstitute angewiesene Stellung
eine „ unwürdige “ gewesen. Er findet es daher „ganz recht,
daß der Reichsrath verworfen wurde.“ Und gleichwohl hat Herr
v. G. in der Paulskirche für Kaisertitel und Reichsrath votirt,
hat derselbe seine gewichtige Stimme zum Stillschweigen verur-
theilt, als es sich darum handelte, theils vor, theils mit der Ver-
fassung die Grundrechte publiciren zu lassen, also mit Einschluß
ihrer „verderblichen“ Bestandtheile. Weit entfernt, seinen Freun-
den entgegenzutreten, denen die Grundrechte nur ein „Rattengift“
waren, wodurch die Widerstandskraft der deutschen Einzelstaaten
gelähmt werden sollte, hat Herr v. G. als Ministerpräsident dieses
Rattengift, und zwar ausdrücklich zu dem eben bemerkten Zwecke,
den Körpern der Einzelstaaten mit Gewalt einzugießen gesucht,
wie sein am 8. Mai d. J. dem Reichsverweser vorgelegtes,
aber von diesem zurückgewiesenes Programm darthut. Es
kann also als constatirt gelten, daß Her v. Gagern nicht nur
[Ende Spaltensatz]

1) Wir kommen hier auf diese [unleserliches Material – 13 Zeichen fehlen]Angelegenheit noch einmal zurück, zu-
nächst wegen der originellen Separatvota der beiden
pfälzischen Abgeordneten.
    Red. d. M. J.
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[0002] ________eidigung der Truppen, als durch alle übrigen Umtriebe jener Zeit versetzt worden waren und wie dadurch deren Begriffe ver- wirrt werden mußten. Deutschland. Wien 28. October. Das ganze erste Feldartillerieregiment hat Marschordre und wird zu dem Observationscorps in Böhmen stoßen. Bei diesem Regimente wird der Anfang mit den Refor- men gemacht werden, die in der österreichischen Artillerie erfolgen sollen. Jede Compagnie wird hinfort aus einer Batterie, nicht mehr von sechs, _________sondernon acht Geschützen bestehen und zwar wird das seither getrennte Fuhrwesen mit der Artillerie in der Art vereinigt, daß einer der beiden Unterlieutenants jeder Batterie die Bespannungsmannschaft commandirt, eine Maßregel, durch welche mehr als 200 Offiziere entbehrlich würden. München 30. October 1). Der Vortrag des Ausschusses der Abgeordneten über die deutsche Frage liegt vor mir und ich beeile mich, Einiges aus demselben nachträglich zu dem be- reits mitgetheilten Schlußantrage herauszuziehen. Vor Allem entschuldigt der Ausschuß sein langes Wartenlassen mit Unwohl- seyn seines Referenten Dr. v. Link, und mit der Schwierigkeit der Aufgabe, die durch die Convention vom 30. September noch verwickelter wurde. Nach mehreren vertraulichen Sitzungen, in welchen der Herr Staatsminister des Aeußern über die mit Oesterreich gepflogenen Unterhandlungen in vertraulicher Weise Aufschlüsse gab, wurde am 5. October der Referent gewählt und von da bis zum 27. October mit zwei Ausnahmen jeden Tag in oft vier= bis fünfstündigen Sitzungen berathen. Bei den weit ausein- andergehenden Ansichten der Commissionsmitglieder suchte man eine Form, der doch die Mehrzahl zustimmen könne. Nach mehrfachen De- batten und Abänderungen ward nun der bereits mitgetheilte Antrag mit 6 ( Thinnes, Lerchenfeld, v. Link, v. Hermann, Forndran und Heine ) gegen 3 Stimmen ( Kirchgeßner, Paur und Jäger ) ange- nommen. Thinnes beantragte, ohne jedoch eine Majorität zu er- zielen, eine andere Form, durch welche auch ____________ausdrücklich anerkannt wird, „daß das Ministerium durch sein Bestreben den Grundgedan- len des nationalen Aufschwunges festzuhalten und zu verwirklichen den Jnteressen Deutschlands und Bayerns entsprechend gehan- delt habe, und daß die unter diesen Verhältnissen von Bayern bei Anerkennung der provisorischen Centralgewalt gebrachten Opfer gerechtfertigt erscheinen“ Forndran wollte in einem Zusatze die Ueberzeugung ausgesprochen sehen: „die bayrische Regierung werde nicht versäumen dahin zu wirken, daß, unbe- schadet dieser Aufgabe, vor Allem die industriellen und handels- politischen Verhältnisse und Bedürfnisse aller deutschen Staaten unter geeigneter Betheiligung des Volkes gemeinsam geregelt werden.“ Kirchgeßner begründet in einem Separatvotum die Bitte an den König: „durch dessen Staatsregierung mit allem Eifer dahin wirken zu lassen, daß eine deutsche Nationalvertre- tung auf Grund der früheren Wahlgesetze alsbald berufen werde, um durch dieselbe zwischen den Regierungen und dem Volke das Verfassungswerk zu Stande zu bringen.“ Zugleich beantragt Kirchgeßner eine Verwahrung der Kammer gegen alle Acte der Staatsregierung, die in Betreff der deutschen Verfassungsfrage einseitig ohne Zustimmung der Volksvertretung abgeschlossen wurden oder werden. Abgeordneter Jäger versagt in einem Separatvotum dem Entwurfe der Majorität seine Zustimmung, weil er als Abschluß der Märzbewegung einen kräftigen Bun- desstaat mit centraler Volksvertretung und einheitlicher Diplomatie anstrebe, das bayrische Ministerium aber die Einigung Deutschlands so lange verzögert habe, als bis Oesterreich, das den Bundesstaat negirt, wieder thätig in die deutschen Verhältnisse eingreifen und die Bewegung des Jahres 1848 zu ihrem Ausgangspunkte, dem alten Bundestage in neuer Gestalt, zurückführen konnte, und weil endlich das bayrische Ministerium in seinen Unterhandlungen mit Oesterreich und Preu- ßen nicht gestrebt habe, die reine Jdee des Bundesstaates zu verwirklichen. Außer diesen Separatvoten, welche die Zerklüftung des Ausschusses wie der Kammer genügend bezeichnen, gab Dr. Heine, der mit der Majorität der Commission stimmte, in Bezug auf den Schlußantrag noch ein besonderes Gutachten ab, welches mit folgendem Antrageschließt: A. „Die k. Staatsregierung wolle sich im Vereine mit Württemberg, welches bis jetzt dem Dreikönigsbündnisse nicht beigetreten ist, und bei der etwaigen Ablehnung dieses Staates ohne ihn, mit der k. k. Staatsregierung in vorläufiges Benehmen darüber zu setzen: ob Oesterreich die süddeutsche Hegemonie unter folgenden Verpflichtungen von seiner Seite zu übernehmen gesonnen sey: 1 ) Die constitutionellen Ver- fassungen Bayerns und der mit ihm übertretenden süddeutschen Staaten zu gewährleisten; 2 ) diesen Staaten den gebührenden Antheil und Zutritt an dem künftigen österreichischen Parlamente zur Begründung seiner endlichen definitiven Staatsverfassung, resp. des süddeutsch=slavischen Bundesstaates einzuräumen; 3 ) seine Zollschranken diesen gegenüber fallen zu lassen; 4 ) die preußische Hegemonie über die nordwestlichen Staaten Deutschlands anzuer- kennen, und 5 ) auf dieser Basis mit derselben einen weiteren Staatenbund als Umgestaltung des alten deutschen Bundes unter einem Directorium, mit der preußischen, österreichischen und einer aus der periodischen freien Wahl der Mittelstaaten her- vorgegangenen Dynastie an der Spitze, anzubahnen, welchem Directorium auf einer wie oben angedeutet normirten Verfassung eine aus den Kammern sämmtlicher Einzelstaaten gewählte Volksvertretung — laut Vorzug durch intellectuelle Befähigung, größeren Güterbesitz und Charakter ein Oberhaus — die periodi- sche Mitwirkung zu leihen hätte. B. Die königliche Staatsregie- rung wolle die Entgegnungen der kaiserlich österreichischen Staats- regierung auf diese ansinnenden Vorfragen, welche der brüder- lichsten Hingebung für Osterreich zu einem großdeutschen Zwecke entquellen, die Rathgeber der österreichischen Krone bis in die tiefsten Herzensfalten zu prüfen geeignet sind, wie weit es ihnen noch anliege, mit den deutschen Jnteressen an Einigung und Frei- heit zu gehen, zum Entscheide für weitere Maßnahmen den ver- sammelten bayrischen Kammern zur Mittheilung bringen.“ Selbst dem „Nürnberger Correspondenten“ ist über die Ga- gern 'schen Reden endlich der Geduldfaden gerissen! Es wird dort bemerkt: Auch seit seinem Rücktritte in den Privatstand liebt es Herr Heinrich v. Gagern, von Zeit zu Zeit eine Demon- stration zu machen, um an die Fortdauer seiner Sorge für deutsche Staatseinheit zu erinnern. So wenig die Berechtigung hierzu überhaupt einem public character, wie er ist, streitig ge- macht werden kann, so bemerkenswerth ist seine am 17. October zu Bremen im großen Saale der Union gehaltene Rede, be- merkenswerth schon durch das Stillschweigen, welches die „Deutsche Zeitung“ hierüber beobachtet. Auf das Bestreben des Redners seinem größtentheils aus Bremer Handelsherren und Pastoren bestandenem Auditorium sich und die Seinigen als „conservativ gesinnt“ darzustellen, wollen wir hier kein be- sonderes Gewicht legen und eben so wenig auf seine sehr feine und späte Unterscheidung zwischen der Volkssouveränetät und der von ihm in der Frankfurter Paulskirche proclamirten Natio- nalsouveränetät. Aber wichtig für die Zeitgeschichte sind die Auf- schlüsse, welche die Rede über das Verhältniß des Herrn v. Ga- gern zu seiner eigenen parlamentarischen Partei gibt. Bisher war man gewohnt, den vorigen Präsidenten des Reichsministeriums als Führer derjenigen zahlreichen Fraction der deutschen Natio- nalversammlung zu betrachten, deren Angehörige ihn ( vor dem Publicum wenigstens ) den „besten Mann Deutschlands“ zu nennen pflegen und von ihm erwiederungsweise mit dem Titel der „Besten der Nation“ geehrt werden. Man glaubte ihn einverstanden mit allen erheblichen parlamentarischen Acten seiner „Freunde,“ welche den Verfassungsausschuß der Nationalversammlung bei- nahe gänzlich, die diesjährigen Versammlungen im „ Weiden- busch,“ aber ohne alle Einschränkung in ihrer Gewalt hatten. Nach der Rede vom 17. October hingegen stellt sich die Sache ganz anders dar. Herr v. G. bekennt nun offen, „daß er sehr wohl wisse, wie die Grundrechte gar vieles Verderbliche und Schädliche enthielten_ .“ Er ist, wie er versichert, „ gegen den Kaisertitel gewesen;“ aber seine Freunde sind „darauf bestanden.“ Mit dem Vorschlage des Verfassungsausschusses über den Reichsrath ( auf dessen Durchsetzung bekanntlich die „Freunde“ sehr großen Werth gelegt hatten ) hat Herr v. G. „sich niemals zufrieden erklärt,“ weil die diesem Jnstitute angewiesene Stellung eine „ unwürdige “ gewesen. Er findet es daher „ganz recht, daß der Reichsrath verworfen wurde.“ Und gleichwohl hat Herr v. G. in der Paulskirche für Kaisertitel und Reichsrath votirt, hat derselbe seine gewichtige Stimme zum Stillschweigen verur- theilt, als es sich darum handelte, theils vor, theils mit der Ver- fassung die Grundrechte publiciren zu lassen, also mit Einschluß ihrer „verderblichen“ Bestandtheile. Weit entfernt, seinen Freun- den entgegenzutreten, denen die Grundrechte nur ein „Rattengift“ waren, wodurch die Widerstandskraft der deutschen Einzelstaaten gelähmt werden sollte, hat Herr v. G. als Ministerpräsident dieses Rattengift, und zwar ausdrücklich zu dem eben bemerkten Zwecke, den Körpern der Einzelstaaten mit Gewalt einzugießen gesucht, wie sein am 8. Mai d. J. dem Reichsverweser vorgelegtes, aber von diesem zurückgewiesenes Programm darthut. Es kann also als constatirt gelten, daß Her v. Gagern nicht nur 1) Wir kommen hier auf diese _____________Angelegenheit noch einmal zurück, zu- nächst wegen der originellen Separatvota der beiden pfälzischen Abgeordneten. Red. d. M. J.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 261. Mainz, 3. November 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal261_1849/2>, abgerufen am 21.11.2024.