Marburger Zeitung. Nr. 148, Marburg, 10.12.1912.Marburger Zeitung Nr. 148. 10. Dezember 1912 [Spaltenumbruch] verweigerung aufgefordert, da das Gebiet von Der in Török-Kanizsa begüterte, gewesene Unter der Maske von Spenden für das Rote In Maria-Theresiopel (Szabadka) werden Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo! Unterm Der Krieg. Die Gründe der türkischen Niederlagen bespricht unter anderen auch der Konstantinopeler Obgleich schon seit der Heimreise v. d. Goltz- Jetzt erst treffen die besten Streitkräfte ein, um Schlimm haben sich die Folgen dieses Gegen- Die Mannschaften haben sich nach der Aus- Um die überlebten einschüssigen Martinigewehre Wie es mit der Verpflegung der Truppen be- [Spaltenumbruch] einer Besprechung kennen gelernt. Der Sanitäts- "Herr Doktor", begann er langsam, als ob Der Sanitätsrat machte eine Pause. Als aber Werres nur stumm nickte, fuhr der Werres machte ein finsteres Gesicht und "Hätten Sie mich vorher gefragt, Herr Sa- "Aber weshalb? -- Ich verstehe Sie nicht!" Werres schwieg. Seine Gedanken irrten In seinem Hirn kreuzten allerlei Pläne und Was winkte da für ein Vermögen! Ob er Werres mußte sich zusammennehmen, er "Von Ihrem Standpunkt haben Sie richtig Der Sanitätsrat starrte ihn ungläubig an. "Diesen Standpunkt verstehe ich nicht, Herr (Fortsetzung folgt.) Marburger Zeitung Nr. 148. 10. Dezember 1912 [Spaltenumbruch] verweigerung aufgefordert, da das Gebiet von Der in Török-Kanizſa begüterte, geweſene Unter der Maske von Spenden für das Rote In Maria-Thereſiopel (Szabadka) werden Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo! Unterm Der Krieg. Die Gründe der türkiſchen Niederlagen beſpricht unter anderen auch der Konſtantinopeler Obgleich ſchon ſeit der Heimreiſe v. d. Goltz- Jetzt erſt treffen die beſten Streitkräfte ein, um Schlimm haben ſich die Folgen dieſes Gegen- Die Mannſchaften haben ſich nach der Aus- Um die überlebten einſchüſſigen Martinigewehre Wie es mit der Verpflegung der Truppen be- [Spaltenumbruch] einer Beſprechung kennen gelernt. Der Sanitäts- „Herr Doktor“, begann er langſam, als ob Der Sanitätsrat machte eine Pauſe. Als aber Werres nur ſtumm nickte, fuhr der Werres machte ein finſteres Geſicht und „Hätten Sie mich vorher gefragt, Herr Sa- „Aber weshalb? — Ich verſtehe Sie nicht!“ Werres ſchwieg. Seine Gedanken irrten In ſeinem Hirn kreuzten allerlei Pläne und Was winkte da für ein Vermögen! Ob er Werres mußte ſich zuſammennehmen, er „Von Ihrem Standpunkt haben Sie richtig Der Sanitätsrat ſtarrte ihn ungläubig an. „Dieſen Standpunkt verſtehe ich nicht, Herr (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung Nr. 148. 10. Dezember 1912</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="südungarn2" prev="#südungarn1" type="jArticle" n="2"> <p>verweigerung aufgefordert, da das Gebiet von<lb/> König Peter annektiert worden ſei. 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Die Leute<lb/> ſtehen derart im Bann der großſerbiſchen Agitation,<lb/> daß ſie ihre gewohnte Beſchäftigung vernachläſſigen<lb/> und den ganzen Tag unter Veranſtaltung von<lb/> Zechgelagen politiſieren.</p><lb/> <p>Der in Török-Kanizſa begüterte, geweſene<lb/> Ackerbauminiſter Geheimrat Baron Bela Tallian<lb/> erhielt vor kurzem ein in tadelloſer madjariſcher<lb/> Sprache abgefaßtes Schreiben, in welchem ihm<lb/> das Niederbrennen ſeines Schloſſes und die<lb/> Maſſakrierung nicht nur ſeiner Hausinſaſſen und<lb/> Diener, ſondern auch der übrigen nichtſerbiſchen<lb/> Grundbeſitzer angedroht wird. Tatſächlich erfolgte<lb/> nachts ein Angriff durch etwa ſiebzig Mann auf<lb/> das Schloß, doch wurde die Rotte von der<lb/> alarmierten Dienerſchaft durch Flintenſchüſſe ver-<lb/> trieben. Außer Török-Kanizſa ſtehen auch die<lb/> Gemeinden Jozſeffalva, Gyula und Szerbkereſztur<lb/> in einer ſehr exponierten Situation. 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Außerdem wurden<lb/> in der Gegend von Nagy-Becskerek acht Waggons<lb/> Lebensmittel, beſtehend aus Mehl, Eiern und<lb/> Speck, zuſtandegebracht und nach Serbien dirigiert.<lb/> Den ungariſchen Behörden bot ſich keine Hand-<lb/> habe zur Zurückhaltung dieſes Transportes, welcher<lb/> in Belgrad zu Heereszwecken verwendet wurde.</p><lb/> <p>In Maria-Thereſiopel (Szabadka) werden<lb/> aufreizende Flugſchriften mit Landkarten verteilt,<lb/> auf welchen die Grenze des zukünftigen „Groß-<lb/> ſerbiſchen Reiches“ bis zum Franzenskanal reicht.<lb/> Die dortige Polizei verhaftete den in der Gemeinde<lb/> Martonos anſäſſigen, ſchwerreichen ſerbiſchen Fleiſch-<lb/> hauer Angradac unter der Beſchuldigung des<lb/> Hochverrates und lieferte ihn der Staatsanwalt-<lb/> ſchaft ein. In Zombor wurden dreißig auf der<lb/> Durchreiſe befindlichen ruſſiſchen Offizieren, die<lb/> als Inſtrukteure nach Belgrad reiſten, ſtürmiſche<lb/> Ovationen bereitet. Überhaupt iſt die ſerbiſche<lb/> Bevölkerung ſeit einiger Zeit wie umgewandelt;<lb/> das bisherige gute oder zumindeſt leidliche Ver-<lb/> hältnis zu den anſäſſigen Nichtſerben hat eine<lb/><cb/> ſchwere Trübung erfahren, die ſich auch in<lb/> wirtſchaftlicher Beziehung merklich — ja ſehr<lb/> empfindlich äußert.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo! Unterm<lb/> 9. d. meldet das ungar. Tel.-Korr.-Bureau aus<lb/> Groß-Kikinda: Geſtern fand hier eine General-<lb/> verſammlung der ſerbiſchen Kirchengemeinde ſtatt,<lb/> in der die Ausſtreuungen über eine ſtaatsfeindliche<lb/> Bewegung unter den ungarländiſchen Serben zur<lb/> Sprache kamen. Die Generalverſammlung legt<lb/> gegen dieſe Ausſtreuungen energiſcheſt Proteſt ein<lb/> und erklärt, ſie müſſe dieſe Gerüchte mit Ent-<lb/> rüſtung zurückweiſen. Die ungarländiſchen Serben<lb/> werden auch weiterhin die Vaterlandsliebe mit<lb/> ihren Gefühlen als nationale Serben in Harmonte<lb/> zu bringen wiſſen. Sodann wurde der früher<lb/> für die ſerbiſchen Verwundeten bewilligte Betrag<lb/> von 20.000 K. auf 5000 K. herabgeſetzt. Schließlich<lb/> wurde das königliche Reſkript über die Suspen-<lb/> dierung der Kirchenautonomie, deſſen Kenntnis-<lb/> nahme früher verweigert worden war, mit<lb/> homagialer Ehrfurcht zur Kenntnis genommen. —<lb/> Den ungarländiſchen Serben ſcheint der Boden<lb/> nun doch zu heiß geworden zu ſein und die<lb/> ungariſche Regierung dürfte auch ein wenig nach-<lb/> geholfen haben. 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Nur fünf Öffiziere ſetzten es<lb/> mit Mühe durch, daß man ſie zur Front zuließ.<lb/> Erſt als die Bulgaren die Tſchataldſchaſtellung be-<lb/> drohten, konnten auch die anderen Deutſchen in den<lb/> Sattel ſteigen — und ſogleich wurde der Einfluß<lb/> ihrer geiſtigen Hilfe in Erfolgen ſichtbar. (Daß dieſe<lb/> Herren dem Deutſchen Heere nicht mehr angehörten,<lb/> braucht wohl nicht erſt noch einmal ausdrücklich her-<lb/> vorgehoben zu werden.) Ein Stabsoffizier des Train<lb/> machte rechtzeitig auf die mangelhafte Transport-<lb/> organiſation aufmerkſam und erbot ſich dem Mini-<lb/> ſterium, ſofort Abhilfe zu ſchaffen — man wies ihn<lb/> ab. Ein anderer namhafter Fachmann arbeitete in<lb/> feiner Eigenſchaft als türkiſcher Generalſtabsoffizier<lb/> den vollſtändigen Kriegsplan aus — Abdullah-<lb/> Paſcha hielt es für richtiger, das gerade Gegenteil<lb/> anzuordenn. Am verhängisvollſten aber war es, daß<lb/> die Mobiliſation derartig ungenügend vorbereitet<lb/><cb/> und durchgeführt wurde, daß ſie noch heute als un-<lb/> beendet angeſehen werden kann.</p><lb/> <p>Jetzt erſt treffen die beſten Streitkräfte ein, um<lb/> ausgebildet zu werden. Ein großer Teil der Laſen<lb/> und Anatolier und die prächttgen, männlich ernſten<lb/> Tſcherkeſſen. Dieſe Leute müſſen durch ihre kriegeri-<lb/> fchen Anlagen das erſetzen, was ihnen an Ausbil-<lb/> dung mangelt. Um ihren Ehrgeiz aufzuſtacheln, hat<lb/> man ihnen die typiſchen Abzeichen ihres Stammes<lb/> zur Uniform gelaſſen: die große Pelzmütze und das<lb/> Tſcherkeſſenſchwert. Die albaneſiſchen Jägervölker<lb/> mußten leider kurz vor dem Kriege als unſichere<lb/> Kantoniſten entwaffnet werden werden und können<lb/> jetzt deshalb von den Serben mühelos dahinge-<lb/> ſchlachtet werden. Jetzt erſt, in höchſter Not, haben<lb/> ſich die Prieſter ihres natürlichen Amtes beſonnen:<lb/> Sie empfangen jeden Zug Freiwilliger, geleiten ihn<lb/> unter feurigen Reden und reiten in beſonderer Feld-<lb/> uniform an die Front, um die Truppen anzufeuern.</p><lb/> <p>Schlimm haben ſich die Folgen dieſes Gegen-<lb/> ſatzes zwiſchen den Offizieren alter und neuer Schule<lb/> im Felde gezeigt. Haben doch die Anhänger der<lb/> einen den Anhängern der anderen offen den Ge-<lb/> horſam verweigert! Viele Mitglieder des Off zier-<lb/> korps ſind einſt nur durch die Günſtlingswirtſchaft<lb/> Abdul Hamids in dieſes hineingekommen und ſolche<lb/> kenntnisloſe und intereſſeloſe Leute ſtellte dieſer Tage<lb/> das Kontingent derer, die als Vaterlandsverräter<lb/> feſte Plätze ohne Schwertſtreich übergaben, die im<lb/> Gefechte als erſte ihren wertvollen Leib in Sicher-<lb/> heit brachten und dadurch Paniken hervorriefen.</p><lb/> <p>Die Mannſchaften haben ſich nach der Aus-<lb/> bildung bei Deutſchen erkundigt, wie man das<lb/> Mauſergewehr öffnen müſſe! Es kommt hinzu, daß<lb/> tatſächlich trotz des guten Willens der Redifs deren<lb/> Belehrung recht ſchwierig iſt, da ſie keinerlei Schul-<lb/> bildung genoſſen haben, zu 95 Prozent Analpha-<lb/> beten ſind und nicht einmal die Zahlen auf dem<lb/> Viſiere ihres Gewehres leſen können. Die Bulgaren<lb/> wußten dies! Schlugen die türkiſchen Geſchoſſe zu<lb/> dicht ein, ſo wechſelten ſie ihre Stellung um hundert<lb/> Meter und waren von nun an vor Treffern geſchützt!</p><lb/> <p>Um die überlebten einſchüſſigen Martinigewehre<lb/> nicht ausſchalten zu müſſen, ſtellte man zur Mo-<lb/> derniſierung einen Werkmeiſter der Mauſerfabrik an.<lb/> Bald überwarf man ſich mit ihm und führte allein<lb/> die Umarbeitung fort. Im Felde flogen Dutzende<lb/> der „verbeſſerten“ Martiniſchlöſſer auseinander und<lb/> verletzten die Schützen an beiden Händen. Ich ge-<lb/> ſtehe, daß ich gehandelt hätte, wie die Kameraden<lb/> der Betroffenen, die ihre gefährliche Waffe von ſich<lb/> warfen und das Weite ſuchten. Noch bezeichnender iſt<lb/> es, daß viele Mannſchaften notoriſch nur mit<lb/> Platzpatronen ausgerüſtet waren, die natürlich unter<lb/> den Bulgaren nicht gerade vernichtend wüteten!<lb/> Und man darf auch nicht Erfolge von Batterien er-<lb/> warten, die infolge falſcher Führung genommen<lb/> werden, bevor ſie einen Schuß gelöst haben, oder<lb/> die von einer Unterzahl völlig ungeſchulter Sol-<lb/> daten „bedient“ werden.</p><lb/> <p>Wie es mit der Verpflegung der Truppen be-<lb/> ſtellt war, habe ich ſchon früher erörtert. Man kann</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="erfolg2" prev="#erfolg1" type="jArticle" n="2"> <p>einer Beſprechung kennen gelernt. Der Sanitäts-<lb/> rat nahm Platz und ſchaute ſeinem Gegenüber<lb/> prüfend in das faſt unbewegliche leidenſchaftsloſe<lb/> Geſicht.</p><lb/> <p>„Herr Doktor“, begann er langſam, als ob<lb/> er jedes Wort genau überlegte, „ich komme ſoeben<lb/> von dem Herrn Staatsanwalt Hübner“.</p><lb/> <p>Der Sanitätsrat machte eine Pauſe.</p><lb/> <p>Als aber Werres nur ſtumm nickte, fuhr der<lb/> Ältere zögernd fort: „Ich habe nämlich nach<lb/> Rückſprache mit dem Herrn Staatsanwalt für<lb/> die Entdeckung des Täters eine Belohnung von<lb/> 5000 Mark ausgeſetzt, und ebenſo dem Wieder-<lb/> bringer des geraubten Geldes ein Drittel der noch<lb/> vorhandenen Summe zugeſichert. — Das ſteht<lb/> ſchon in allen heutigen Zeitungen. Was meinen<lb/> Sie zu dieſem Verſuch, die Wahrheit durch die<lb/> Lockungen klingenden Goldes an den Tag zu<lb/> bringen?“</p><lb/> <p>Werres machte ein finſteres Geſicht und<lb/> blickte den alten Herrn prüfend an.</p><lb/> <p>„Hätten Sie mich vorher gefragt, Herr Sa-<lb/> nitätsrat“, — ſagte er merkwürdig gepreßt —<lb/> „ich hätte Ihnen von dieſem Schritt entſchieden<lb/> abgeraten.“</p><lb/> <p>„Aber weshalb? — Ich verſtehe Sie nicht!“<lb/> ſagte der Sanitätsrat eifrig. „Sehen Sie, Herr<lb/> Doktor, 5000 Mark ſind für viele eine bedeutende<lb/> Summe und ein Drittel des wiederaufgefundenen<lb/> Geldes — das können unter Umſtänden an<lb/> die 50.000 Mark ſein — ein ganzes Vermögen!<lb/><cb/> Und um zu dem Gelde zu kommen, da öffnet ſich<lb/> mancher Mund, der ſonſt wohl geſchwiegen hätte.<lb/> Der Verſtand arbeitet emſiger, der Eifer wächſt.<lb/> Das letztere wollte ich hauptſächlich; denn offen<lb/> geſtanden, Herr Doktor, mir ſcheint es, als ob in<lb/> den letzten Tagen der Mut und damit auch die<lb/> Arbeitsfreudigkeit der Polizei bedeutend geſunken<lb/> wäre.“</p><lb/> <p>Werres ſchwieg. Seine Gedanken irrten<lb/> offenbar weit ab. Er ſtarrte an dem Sanitätsrat<lb/> vorüber auf die graugetünchte Wand.</p><lb/> <p>In ſeinem Hirn kreuzten allerlei Pläne und<lb/> heiße Wünſche!</p><lb/> <p>Was winkte da für ein Vermögen! Ob er<lb/> es erringen würde? Wer vermochte das zu ſagen!<lb/> Faſt war es ihm, als könne er jetzt ſchon die Hand<lb/> nach dieſen Tauſenden ausſtrecken, die ihm ein<lb/> Glück ausbauen konnten — ſeine Zukunft wäre<lb/> geſichert, — ſeine und die eines lieblichen ſüßen<lb/> Mädchens dort in der Grenzſtadt in Oſtpreußen,<lb/> — das er liebte und nach dem er ſich oft in<lb/> einſamen Stunden ſehnte. Kannten ihn denn dieſe<lb/> Menſchen, die ihm aus dem Wege gingen, weil er<lb/> klüger war als ſie, weil er zu ehrlich war, um<lb/> ihnen ſeine Geringſchätzung nicht zu zeigen, weil<lb/> eine harte Lebensſchule ſeinen Verſtand gereift und<lb/> ihn äußerlich hart gemacht tatte? Wer ahnte von<lb/> ihnen, daß unter dieſen ſtarren Zügen, hinter dieſen<lb/> leidenſchaftsloſen Augen eine Welt von reinen<lb/> Empfindungen, ein ſo reiches Innenleben ſich ver-<lb/> barg? — Nur eine einzige wußte es, nur ihr<lb/><cb/> allein hatte er einen Blick in dieſes Herz vergönnt,<lb/> das ſich vor allen anderen ſo feſt verſchloß. In<lb/> Werres Geſicht war wenig von alledem zu leſen,<lb/> nur die Linien um den Mund waren weich gewor-<lb/> den und ihm ſelbſt unbewußt huſchte ein träumeri-<lb/> ſcher, beinahe glücklicher Ausdruck, — wenn auch<lb/> nur für Sekunden — darüber hin. „Müſſen Sie<lb/> mir nicht recht geben, Herr Doktor?“ fragte der<lb/> Sanitätsrat mitten in das eingetretene Schwei-<lb/> gen hinein, — „wird die Ausſicht auf eine ſo<lb/> große Belohnung nicht doch die Unterſuchung för-<lb/> dern? Sie wundern ſich vielleicht über die Höhe<lb/> der ausgeſetzten Summe, aber — mein Bruder<lb/> hat mir mehr als eine Million hinterlaſſen, ich<lb/> ſelbſt bin reich und meine Pflicht muß es ſein,<lb/> mit allen Mitteln wenigſtens den Verſuch zu<lb/> machen, der vergeltenden Gerechtigkeit ihr Amt zu<lb/> erleichtern.“</p><lb/> <p>Werres mußte ſich zuſammennehmen, er<lb/> drängte die Flut von Gedanken, Hoffnungen und<lb/> Befürchtungen zurück.</p><lb/> <p>„Von Ihrem Standpunkt haben Sie richtig<lb/> gehandelt, das gebe ich zu“, — ſagte er ernſt<lb/> und langſam, „aber ich — von meinem Stand-<lb/> punkt aus, — da wäre es mir lieber geweſen,<lb/> es wäre ein folches Ausſchreiben unterblieben!“</p><lb/> <p>Der Sanitätsrat ſtarrte ihn ungläubig an.</p><lb/> <p>„Dieſen Standpunkt verſtehe ich nicht, Herr<lb/> Doktor, wollen Sie mir dieſen Umſtand nicht<lb/> erklären?“</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 148. 10. Dezember 1912
verweigerung aufgefordert, da das Gebiet von
König Peter annektiert worden ſei. Die irregeführten
leute glaubten dieſen Stumpfſinn und eine ein-
gerückte Abteilung Gendarmerie mußte die Ordnung
wieder herſtellen. Kaum zog dieſe ab, erſchienen
die Plakate wieder und die Bevölkerung nahm
gegen die Ortsbehörde eine derart drohende Haltung
ein, daß dieſe ſchleunigſt Militär einquartieren
ließ. Ähnliche Vorfälle ereigneten ſich auch in
Modos, Ellemer und Antalfalva. Die Leute
ſtehen derart im Bann der großſerbiſchen Agitation,
daß ſie ihre gewohnte Beſchäftigung vernachläſſigen
und den ganzen Tag unter Veranſtaltung von
Zechgelagen politiſieren.
Der in Török-Kanizſa begüterte, geweſene
Ackerbauminiſter Geheimrat Baron Bela Tallian
erhielt vor kurzem ein in tadelloſer madjariſcher
Sprache abgefaßtes Schreiben, in welchem ihm
das Niederbrennen ſeines Schloſſes und die
Maſſakrierung nicht nur ſeiner Hausinſaſſen und
Diener, ſondern auch der übrigen nichtſerbiſchen
Grundbeſitzer angedroht wird. Tatſächlich erfolgte
nachts ein Angriff durch etwa ſiebzig Mann auf
das Schloß, doch wurde die Rotte von der
alarmierten Dienerſchaft durch Flintenſchüſſe ver-
trieben. Außer Török-Kanizſa ſtehen auch die
Gemeinden Jozſeffalva, Gyula und Szerbkereſztur
in einer ſehr exponierten Situation. Trotz An-
weſenheit ſtarker Gendarmeriepoſten provozieren die
Serben die dort anſäſſige deutſche und madjariſche
Bevölkerung und Meſſerſtechereien mit tragiſchem
Ausgang ſind auf der Tagesordnung.
Unter der Maske von Spenden für das Rote
Kreuz wurden unter den Serben Sammlungen für
ſerbiſche Kriegszwecke eingeleitet, deren Ergebniſſe
bereits die Summe mehrerer Millionen erreichen.
Die in Gyula anſäſſigen Leiter einer Sparkaſſe,
Zivan Jajagin und Svetislav Malbaski, ſammelten
in einigen Tagen 20.000 K.; die Török-Kanizſaer
Sparbank leitete bisher im Auftrage ihrer Einleger
etwa 400.000 K. nach Belgrad. Außerdem wurden
in der Gegend von Nagy-Becskerek acht Waggons
Lebensmittel, beſtehend aus Mehl, Eiern und
Speck, zuſtandegebracht und nach Serbien dirigiert.
Den ungariſchen Behörden bot ſich keine Hand-
habe zur Zurückhaltung dieſes Transportes, welcher
in Belgrad zu Heereszwecken verwendet wurde.
In Maria-Thereſiopel (Szabadka) werden
aufreizende Flugſchriften mit Landkarten verteilt,
auf welchen die Grenze des zukünftigen „Groß-
ſerbiſchen Reiches“ bis zum Franzenskanal reicht.
Die dortige Polizei verhaftete den in der Gemeinde
Martonos anſäſſigen, ſchwerreichen ſerbiſchen Fleiſch-
hauer Angradac unter der Beſchuldigung des
Hochverrates und lieferte ihn der Staatsanwalt-
ſchaft ein. In Zombor wurden dreißig auf der
Durchreiſe befindlichen ruſſiſchen Offizieren, die
als Inſtrukteure nach Belgrad reiſten, ſtürmiſche
Ovationen bereitet. Überhaupt iſt die ſerbiſche
Bevölkerung ſeit einiger Zeit wie umgewandelt;
das bisherige gute oder zumindeſt leidliche Ver-
hältnis zu den anſäſſigen Nichtſerben hat eine
ſchwere Trübung erfahren, die ſich auch in
wirtſchaftlicher Beziehung merklich — ja ſehr
empfindlich äußert.
Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo! Unterm
9. d. meldet das ungar. Tel.-Korr.-Bureau aus
Groß-Kikinda: Geſtern fand hier eine General-
verſammlung der ſerbiſchen Kirchengemeinde ſtatt,
in der die Ausſtreuungen über eine ſtaatsfeindliche
Bewegung unter den ungarländiſchen Serben zur
Sprache kamen. Die Generalverſammlung legt
gegen dieſe Ausſtreuungen energiſcheſt Proteſt ein
und erklärt, ſie müſſe dieſe Gerüchte mit Ent-
rüſtung zurückweiſen. Die ungarländiſchen Serben
werden auch weiterhin die Vaterlandsliebe mit
ihren Gefühlen als nationale Serben in Harmonte
zu bringen wiſſen. Sodann wurde der früher
für die ſerbiſchen Verwundeten bewilligte Betrag
von 20.000 K. auf 5000 K. herabgeſetzt. Schließlich
wurde das königliche Reſkript über die Suspen-
dierung der Kirchenautonomie, deſſen Kenntnis-
nahme früher verweigert worden war, mit
homagialer Ehrfurcht zur Kenntnis genommen. —
Den ungarländiſchen Serben ſcheint der Boden
nun doch zu heiß geworden zu ſein und die
ungariſche Regierung dürfte auch ein wenig nach-
geholfen haben. In dieſer Hinſicht iſt die gewaltige
Herabſetzung der Serbenſpende ſehr intereſſant.
Warum wohl dieſe Herabſetzung erfolgte?
Der Krieg.
Die Gründe der türkiſchen Niederlagen
beſpricht unter anderen auch der Konſtantinopeler
Berichterſtatter eines reichsdeutſchen Blattes, deſſen
vom 28. November datierten ausführlichen Berichte
wir auszugsweiſe folgende Stellen entnehmen.
Obgleich ſchon ſeit der Heimreiſe v. d. Goltz-
Paſchas die deutſchen Inſtrukteure mehr und mehr
unter der wachſenden Fremdherrſchaft der Ottomanen
zu leiden hatten, war man doch überraſcht, als ihrer
Teilnahme, ja ihrer bloßen Anweſenheit auf dem
Kriegsſchauplatze erhebliche Schwierigkeiten in den
Weg gelegt wurden. Nur fünf Öffiziere ſetzten es
mit Mühe durch, daß man ſie zur Front zuließ.
Erſt als die Bulgaren die Tſchataldſchaſtellung be-
drohten, konnten auch die anderen Deutſchen in den
Sattel ſteigen — und ſogleich wurde der Einfluß
ihrer geiſtigen Hilfe in Erfolgen ſichtbar. (Daß dieſe
Herren dem Deutſchen Heere nicht mehr angehörten,
braucht wohl nicht erſt noch einmal ausdrücklich her-
vorgehoben zu werden.) Ein Stabsoffizier des Train
machte rechtzeitig auf die mangelhafte Transport-
organiſation aufmerkſam und erbot ſich dem Mini-
ſterium, ſofort Abhilfe zu ſchaffen — man wies ihn
ab. Ein anderer namhafter Fachmann arbeitete in
feiner Eigenſchaft als türkiſcher Generalſtabsoffizier
den vollſtändigen Kriegsplan aus — Abdullah-
Paſcha hielt es für richtiger, das gerade Gegenteil
anzuordenn. Am verhängisvollſten aber war es, daß
die Mobiliſation derartig ungenügend vorbereitet
und durchgeführt wurde, daß ſie noch heute als un-
beendet angeſehen werden kann.
Jetzt erſt treffen die beſten Streitkräfte ein, um
ausgebildet zu werden. Ein großer Teil der Laſen
und Anatolier und die prächttgen, männlich ernſten
Tſcherkeſſen. Dieſe Leute müſſen durch ihre kriegeri-
fchen Anlagen das erſetzen, was ihnen an Ausbil-
dung mangelt. Um ihren Ehrgeiz aufzuſtacheln, hat
man ihnen die typiſchen Abzeichen ihres Stammes
zur Uniform gelaſſen: die große Pelzmütze und das
Tſcherkeſſenſchwert. Die albaneſiſchen Jägervölker
mußten leider kurz vor dem Kriege als unſichere
Kantoniſten entwaffnet werden werden und können
jetzt deshalb von den Serben mühelos dahinge-
ſchlachtet werden. Jetzt erſt, in höchſter Not, haben
ſich die Prieſter ihres natürlichen Amtes beſonnen:
Sie empfangen jeden Zug Freiwilliger, geleiten ihn
unter feurigen Reden und reiten in beſonderer Feld-
uniform an die Front, um die Truppen anzufeuern.
Schlimm haben ſich die Folgen dieſes Gegen-
ſatzes zwiſchen den Offizieren alter und neuer Schule
im Felde gezeigt. Haben doch die Anhänger der
einen den Anhängern der anderen offen den Ge-
horſam verweigert! Viele Mitglieder des Off zier-
korps ſind einſt nur durch die Günſtlingswirtſchaft
Abdul Hamids in dieſes hineingekommen und ſolche
kenntnisloſe und intereſſeloſe Leute ſtellte dieſer Tage
das Kontingent derer, die als Vaterlandsverräter
feſte Plätze ohne Schwertſtreich übergaben, die im
Gefechte als erſte ihren wertvollen Leib in Sicher-
heit brachten und dadurch Paniken hervorriefen.
Die Mannſchaften haben ſich nach der Aus-
bildung bei Deutſchen erkundigt, wie man das
Mauſergewehr öffnen müſſe! Es kommt hinzu, daß
tatſächlich trotz des guten Willens der Redifs deren
Belehrung recht ſchwierig iſt, da ſie keinerlei Schul-
bildung genoſſen haben, zu 95 Prozent Analpha-
beten ſind und nicht einmal die Zahlen auf dem
Viſiere ihres Gewehres leſen können. Die Bulgaren
wußten dies! Schlugen die türkiſchen Geſchoſſe zu
dicht ein, ſo wechſelten ſie ihre Stellung um hundert
Meter und waren von nun an vor Treffern geſchützt!
Um die überlebten einſchüſſigen Martinigewehre
nicht ausſchalten zu müſſen, ſtellte man zur Mo-
derniſierung einen Werkmeiſter der Mauſerfabrik an.
Bald überwarf man ſich mit ihm und führte allein
die Umarbeitung fort. Im Felde flogen Dutzende
der „verbeſſerten“ Martiniſchlöſſer auseinander und
verletzten die Schützen an beiden Händen. Ich ge-
ſtehe, daß ich gehandelt hätte, wie die Kameraden
der Betroffenen, die ihre gefährliche Waffe von ſich
warfen und das Weite ſuchten. Noch bezeichnender iſt
es, daß viele Mannſchaften notoriſch nur mit
Platzpatronen ausgerüſtet waren, die natürlich unter
den Bulgaren nicht gerade vernichtend wüteten!
Und man darf auch nicht Erfolge von Batterien er-
warten, die infolge falſcher Führung genommen
werden, bevor ſie einen Schuß gelöst haben, oder
die von einer Unterzahl völlig ungeſchulter Sol-
daten „bedient“ werden.
Wie es mit der Verpflegung der Truppen be-
ſtellt war, habe ich ſchon früher erörtert. Man kann
einer Beſprechung kennen gelernt. Der Sanitäts-
rat nahm Platz und ſchaute ſeinem Gegenüber
prüfend in das faſt unbewegliche leidenſchaftsloſe
Geſicht.
„Herr Doktor“, begann er langſam, als ob
er jedes Wort genau überlegte, „ich komme ſoeben
von dem Herrn Staatsanwalt Hübner“.
Der Sanitätsrat machte eine Pauſe.
Als aber Werres nur ſtumm nickte, fuhr der
Ältere zögernd fort: „Ich habe nämlich nach
Rückſprache mit dem Herrn Staatsanwalt für
die Entdeckung des Täters eine Belohnung von
5000 Mark ausgeſetzt, und ebenſo dem Wieder-
bringer des geraubten Geldes ein Drittel der noch
vorhandenen Summe zugeſichert. — Das ſteht
ſchon in allen heutigen Zeitungen. Was meinen
Sie zu dieſem Verſuch, die Wahrheit durch die
Lockungen klingenden Goldes an den Tag zu
bringen?“
Werres machte ein finſteres Geſicht und
blickte den alten Herrn prüfend an.
„Hätten Sie mich vorher gefragt, Herr Sa-
nitätsrat“, — ſagte er merkwürdig gepreßt —
„ich hätte Ihnen von dieſem Schritt entſchieden
abgeraten.“
„Aber weshalb? — Ich verſtehe Sie nicht!“
ſagte der Sanitätsrat eifrig. „Sehen Sie, Herr
Doktor, 5000 Mark ſind für viele eine bedeutende
Summe und ein Drittel des wiederaufgefundenen
Geldes — das können unter Umſtänden an
die 50.000 Mark ſein — ein ganzes Vermögen!
Und um zu dem Gelde zu kommen, da öffnet ſich
mancher Mund, der ſonſt wohl geſchwiegen hätte.
Der Verſtand arbeitet emſiger, der Eifer wächſt.
Das letztere wollte ich hauptſächlich; denn offen
geſtanden, Herr Doktor, mir ſcheint es, als ob in
den letzten Tagen der Mut und damit auch die
Arbeitsfreudigkeit der Polizei bedeutend geſunken
wäre.“
Werres ſchwieg. Seine Gedanken irrten
offenbar weit ab. Er ſtarrte an dem Sanitätsrat
vorüber auf die graugetünchte Wand.
In ſeinem Hirn kreuzten allerlei Pläne und
heiße Wünſche!
Was winkte da für ein Vermögen! Ob er
es erringen würde? Wer vermochte das zu ſagen!
Faſt war es ihm, als könne er jetzt ſchon die Hand
nach dieſen Tauſenden ausſtrecken, die ihm ein
Glück ausbauen konnten — ſeine Zukunft wäre
geſichert, — ſeine und die eines lieblichen ſüßen
Mädchens dort in der Grenzſtadt in Oſtpreußen,
— das er liebte und nach dem er ſich oft in
einſamen Stunden ſehnte. Kannten ihn denn dieſe
Menſchen, die ihm aus dem Wege gingen, weil er
klüger war als ſie, weil er zu ehrlich war, um
ihnen ſeine Geringſchätzung nicht zu zeigen, weil
eine harte Lebensſchule ſeinen Verſtand gereift und
ihn äußerlich hart gemacht tatte? Wer ahnte von
ihnen, daß unter dieſen ſtarren Zügen, hinter dieſen
leidenſchaftsloſen Augen eine Welt von reinen
Empfindungen, ein ſo reiches Innenleben ſich ver-
barg? — Nur eine einzige wußte es, nur ihr
allein hatte er einen Blick in dieſes Herz vergönnt,
das ſich vor allen anderen ſo feſt verſchloß. In
Werres Geſicht war wenig von alledem zu leſen,
nur die Linien um den Mund waren weich gewor-
den und ihm ſelbſt unbewußt huſchte ein träumeri-
ſcher, beinahe glücklicher Ausdruck, — wenn auch
nur für Sekunden — darüber hin. „Müſſen Sie
mir nicht recht geben, Herr Doktor?“ fragte der
Sanitätsrat mitten in das eingetretene Schwei-
gen hinein, — „wird die Ausſicht auf eine ſo
große Belohnung nicht doch die Unterſuchung för-
dern? Sie wundern ſich vielleicht über die Höhe
der ausgeſetzten Summe, aber — mein Bruder
hat mir mehr als eine Million hinterlaſſen, ich
ſelbſt bin reich und meine Pflicht muß es ſein,
mit allen Mitteln wenigſtens den Verſuch zu
machen, der vergeltenden Gerechtigkeit ihr Amt zu
erleichtern.“
Werres mußte ſich zuſammennehmen, er
drängte die Flut von Gedanken, Hoffnungen und
Befürchtungen zurück.
„Von Ihrem Standpunkt haben Sie richtig
gehandelt, das gebe ich zu“, — ſagte er ernſt
und langſam, „aber ich — von meinem Stand-
punkt aus, — da wäre es mir lieber geweſen,
es wäre ein folches Ausſchreiben unterblieben!“
Der Sanitätsrat ſtarrte ihn ungläubig an.
„Dieſen Standpunkt verſtehe ich nicht, Herr
Doktor, wollen Sie mir dieſen Umſtand nicht
erklären?“
(Fortſetzung folgt.)
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(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
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