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Marburger Zeitung. Nr. 19, Marburg, 12.02.1907.

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Marburger Zeitung.



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Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zustellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Postversendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
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Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11--12 Uhr vorm. und von 5--6 Uhr nachm. Postgasse 4.

Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon-Nr. 24.)


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Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und kostet die fünfmal gespaltene Kleinzeile 12 h.

Schluß für Einschaltungen:
Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.

Die Einzelnummer kostet 10 Heller.




Nr. 19 Dienstag, 12. Februar 1907 46. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Der Marburg-Wieser Bahnbau.

Bei der Verhandlung eines parlamentarischen
Dringlichkeitsantrages betreffend die Berichte des
parlamentarischen Eisenbahnausschusses ergriff in der
484. Sitzung des Abgeordnetenhauses

Reichsratsabgeordneter Wastian
das Wort, um neuerdings für die Dringlichkeit der
Errichtung der Marburg-Wieser Bahn
einzutreten. Abg. Wastian erklärte zuerst, daß er
die Erschließung der Oststeiermark durch Bahnbauten
wie auch das Zustandekommen der Sulmtalbahn,
letztere im Interesse der Versorgung der Mittel-
steiermark mit Kohle aus dem Wieser und Eibis-
walder Becken begrüße, daß er aber anderseits auf
einen Herzenswunsch der untersteirischen Be-
völkerung und der Bewohnerschaft der südwestlichen
Steiermark hinweisen muß, auf den bisher leider
unberücksichtigt gebliebenen Wunsch nach Verwirk-
lichung
des Bahnprojektes Marburg-Wies.
Redner fuhr hierauf fort:

Steiermark ist stets bei den Investitionen und
bei den Eisenbahnsegnungen, die zum Beispiel über
Galizien unter schreiendem Mißbrauche strategischer
Schlagworte mit empörender Freigiebig-
keit
förmlich niedergeprasselt sind, leer aus-
gegangen; das steirische Alpenland, wiederhole ich,
ist hiebei immer stiefmütterlich von der k. k.
Mutter Austria behandelt worden, und bei dem
großen Bahngeschenke, das in den letzten Jahren die
Alpengegenden erfahren durften, hat die Steiermark
ja auch nur sozusagen einen Streifer abbekommen;
der Löwenanteil fällt doch auf unser Nachbarland
Kärnten, was naturgemäß eine neuerliche, sicher
arg verspürbare Ablenkung des Verkehres von
unserer ohnehin durch ungünstige Verhältnisse
empfindlich abseits gerückten steirischen Alpenmark
verursachen muß. (Lebhafte Zustimmung.)

Wir Steirer sind im Herzen eins mit unseren
[Spaltenumbruch] kärntnerischen Nachbarsleuten und gönnen ihnen
jeden Aufschwung herzlich gerne, aber in unserer
Verarmung und Zurücksetzung können wir uns
dieses Hinweises auf die ungleiche Verteilung der
volkswirtschaftlichen Förderungen nicht entschlagen.

Heute ist, wie ich bereits eingangs meiner
Rede erklärt habe, leider nicht die Zeit gegeben, die
Beweggründe, die zur Schaffung des Projektes
Marburg--Wies geführt haben, und die nun
mit emsig werbender Kraft lebendig und mitreißend
für dieses sprechen, in einer längeren Ausführung
zu prüfen. Ich bedauere das sehr, denn allzugerne
hätte ich das, was jetzt nur wie eine Begeisterung
ohne berechtigten, nahrhaften Hintergrund zur
Kenntnis des hohen Hauses gelangt, durch die
Schlagkraft der mehr als zulangenden Grundlagen
verfestigt und hiedurch dem vorläufig in Ihrer
Anschauung, verehrte Herren, bloß blinden Triebe,
wenn ich so sagen darf, Augen eingesetzt durch die
Begriffe. Nun, Sie werden mir auch bei der knappen,
nicht ziffermäßig belegten Schilderung nicht die an-
gemaßte Pose eines phrasengewaltigen Wähler-
beglückers und Wählerschwatzers zumuten, der Ihnen
diese Bahnfrage nur zur Festigung seiner Stellung
behufs Wiederergatterung des Mandates in die
Ohren zetert.

Ich mache mich keiner Übertreibung schuldig,
wenn ich behaupte, daß der Bau der Bahn
Marburg--Wies einem dringenden Be-
dürfnisse vieler Tausender Steuer-
zahlern
entsprechen würde, denen dadurch endlich
die blutnotwendigen besseren Lebens- und Er-
werbsbedingungen
geschaffen werden könnten.
Wenn wir uns auf den Boden des nüchternen
Realismus stellen, auf den Boden der Volkswirt-
schaft und Industrie, dann wächst das Interesse,
das wir und mit uns natürlich der Staat voll
höchster Selbstverständlichkeit für das erwähnte
Projekt hegen müssen, ganz erheblich; wir können
da schon vom Billigkeitsstandpunkte mit Rücksicht
[Spaltenumbruch] auf die nnbezweifelbaren Vorteile für alle hier so
reichlich vorhandenen Produktionszweige getrost ver-
künden, es seien alle Vorbedingungen für den Bau dieser
Bahn in einem hervorragenden Ausmaße gegeben.

(Schluß folgt.)




Zu den Reichsratswahlen.
Wahlbezirk Pettau-Leibnitz.

Bezirksrichter Herr Dr. Glas in Pettau hat
seine Wahlbewerbung für den Wahlkreis Pettau-
Leibnitz zurückgezogen. Den Grund hiefür hat
Herr Dr. Glas öffentlich leider nicht bekannt ge-
geben und deshalb bleibt es ein Rätsel, wie er zu
diesem Entschlusse kam, bevor er noch in Ver-
sammlungen vor die Wähler trat.
Hof-
fentlich wird diese anscheinend unmotivierte Ver-
zichtleistung noch aufgeklärt werden, da besonders
die Pettauer Öffentlichkeit an einer solchen Auf-
klärung gewiß ein Interesse hat.

Wahlbezirk Rann-Lichtenwald-Tüffer.

Ein deutscher Kandidat im Ranner Bezirk.
Der Gutsbesitzer Alfred Baron Moscon hat seine
Kandidatur für den Wahlbezirk Rann-Lichtenwald-
Tüffer angemeldet; er will u. a. die Verständigung
zwischen den Nationalitäten zu erreichen versuchen.
Der "Narod" bemerkt dazu: Baron Moscon hat
im Ranner Bezirke ziemlich viel Stützen und wahr-
scheinlich wird auch die Pettauer "Stajerc"-Partei
seine Kandidatur unterstützen. (Dürfte stimmen! Die
Schriftl. der "Marb. Ztg.".) Weil in diesem Be-
zirke auch die slowenisch-fortschrittliche und die
klerikale Partei ihre Kandidaten aufstellen werden,
ist sicher, daß es zwischen diesen beiden Parteien
zur Stichwahl kommen wird. Daß aber Baron
Moscon in diesem Bezirke durchdringen könnte, ist
nicht ernstlich zu denken. -- Nun wir werden ja
sehen. Mit dem Prophezeien hat der "Narod"
noch immer Unglück gehabt.




[Spaltenumbruch]
Leutnant Lämmchens Abenteuer.

2)



(Nachdruck verboten.)

Nach langem, anstrengendem Marsch über-
schritten die Dragoner um elf Uhr vormittags die
Grenze von Ober-Süderau und wurden kurz vorher
noch von einem wolkenbruchartigen Gewitterregen
heimgesucht, der sie ganz durchweichte. Triefend vor
Nässe und mit Kot bespritzt, trafen sie auf dem
stattlichen, herrschaftlichen Gutshofe ein, wo der
junge Herr von Twielendorf sie erwartete und mit
großer Herzlichkeit empfing.

Gleich darauf erschien auch der alte Baron.
Die übliche Vorstellung erfolgte, die Ställe wie die
Quartiere der Mannschaften wurden flüchtig besehen,
die Burschen instruiert, und dann begleiteten die
Herren -- ein Major, ein Rittmeister und acht
jüngere Offiziere -- ihren liebenswürdigen Wirt
in das Schloß, in dem sie selbst untergebracht waren.

Das Schloß war ein mächtiger, kastenartiger
Bau, der einst von einem großen Herrn begonnen,
aber nie ganz vollendet worden war und darum
auf den ersten Blick einen etwas befremdlichen Ein-
druck machte. Zwei Stockwerke und ein hohes, mit
grüner Patina bedecktes Kupferdach türmten sich
übereinander, und die hübsch gegliederte Front mit
ihren großartigen Dimensionen wies nicht weniger
als 17 große Fenster auf. Von ornamentalem
Schmuck war nichts zu sehen. Derselbe war, der
ganzen Anlage nach, augenscheinlich beabsichtigt,
aber aus irgend einem Grunde nie ausgeführt
[Spaltenumbruch] worden, und man hatte sich schließlich damit
begnügt, das Haus in heller Sandsteinfarbe anzu-
streichen. Dazu kam, daß nur die beiden unteren
Stockwerke, das Erdgeschoß und die erste Etage,
ausgebaut und bewohnbar waren. Oben zeigten die
rohen Ziegelwände keinerlei Bekleidung, Öfen, Türen
und Schwellen fehlten gänzlich, die Decken waren
nicht vergipst, und der Fußboden bestand aus ein-
fachen Brettern, die man notdürftig zusammengefügt
hatte. Auch die Fensteröffnungen waren bis zu ihrer
halben Höhe mit Backsteinen versetzt, und die pracht-
vollen Räume wurden, ebenso wie ein Teil des
luftigen Dachbodens, als Getreidespeicher für die
Wirtschaft benutzt.

Zu diesem Zweck hatte man in dem dem Hofe
zugewandten Giebel in allen Stockwerken Türen
durchgebrochen und eine hohe, hölzerne, mit einem
Regendach versehene Außentreppe davor angelegt.
Durch diese gelangte man auch in die Wohnung
der unverheirateten Beamten im ersten Stock, und
darunter befanden sich Milchkeller, Mägdestube und
Gesindeküche.

War nun diese Seite des Schlosses nur
praktischen, wirtschaftlichen Zwecken gewidmet, so
zeigte die andere ein um so freundlicheres und vor-
nehmeres Gesicht.

Hier war die mächtige Giebelwand bis oben
hin mit dichtem, lebendigem Grün bedeckt. Glycinien
und Kletterrosen rankten in üppiger Fülle neben
kleinblätterigem Efeu empor, und eine niedrige, von
blühenden Topfgewächsen flankierte Freitreppe, die
sich oben zu einer breiten Plattform erweiterte,
führte zu den Wohnräumen der Familie empor.
[Spaltenumbruch] Auch war hier die nächste Umgebung besonders
gepflegt.

Während die eigentliche Front des Hauses,
in deren Mitte sich der Haupteingang befand, nur
auf einen Grasplatz und dichte Bosketts herabsah,
hinter denen sich wiederum die Landstraße befand,
breiteten sich hier grüne, kurzgeschorene Rasenflächen
mit bunten Teppichbeeten aus, und daran schloß
sich der große, parkähnliche Garten mit seinen
Karpfenteichen und altmodischen, schattigen Buchen-
gängen, die in der ganzen Gegend gerühmt waren.

Auf der Plattform des Schlosses machten die
Offiziere, ehe sie ins Haus gingen, einen Augen-
blick Halt und genossen, neben dem Hausherrn
stehend, die schöne Aussicht, welche sich von hier
aus bot. Nur Lämmchen machte eine Ausnahme.
Zerstreut, voll inneren Unbehagens, musterte er das
Schloß, das soviel unvermeidliche Weiblichkeit in
seinen festen Mauern barg, schaute zu den grün-
umrankten Fenstern empor und seufzte tief.

Da flog ihm plötzlich ein feuchtes, duftendes
Etwas ins Gesicht, und eine Rose, vollerblüht und
noch regenschwer, fiel zwischen seine gestiefelten
und gespornten Füße herab. Unwillkürlich bückte
er sich, um sie aufzuheben, aber erschreckt fuhr er
wieder zurück, denn nun traf ein unreifer, kleiner
Apfel, scharf wie ein Geschoß, seine rechte Hand,
und zugleich erklang unterdrücktes Kirchern und
Flüstern von oben herab. Helle Gestalten neigten
sich sekundenlang zum offenen Fenster hinaus, und
dann folgte eine ganze Ladung kleiner, scharfge-
drehter Papierkugeln, deren eine sogar dem alten
Baron einen heftigen Nasenstüber versetzte.


Marburger Zeitung.



[Spaltenumbruch]

Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.


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Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)


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Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.

Schluß für Einſchaltungen:
Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.

Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.




Nr. 19 Dienstag, 12. Februar 1907 46. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Der Marburg-Wieſer Bahnbau.

Bei der Verhandlung eines parlamentariſchen
Dringlichkeitsantrages betreffend die Berichte des
parlamentariſchen Eiſenbahnausſchuſſes ergriff in der
484. Sitzung des Abgeordnetenhauſes

Reichsratsabgeordneter Waſtian
das Wort, um neuerdings für die Dringlichkeit der
Errichtung der Marburg-Wieſer Bahn
einzutreten. Abg. Waſtian erklärte zuerſt, daß er
die Erſchließung der Oſtſteiermark durch Bahnbauten
wie auch das Zuſtandekommen der Sulmtalbahn,
letztere im Intereſſe der Verſorgung der Mittel-
ſteiermark mit Kohle aus dem Wieſer und Eibis-
walder Becken begrüße, daß er aber anderſeits auf
einen Herzenswunſch der unterſteiriſchen Be-
völkerung und der Bewohnerſchaft der ſüdweſtlichen
Steiermark hinweiſen muß, auf den bisher leider
unberückſichtigt gebliebenen Wunſch nach Verwirk-
lichung
des Bahnprojektes Marburg-Wies.
Redner fuhr hierauf fort:

Steiermark iſt ſtets bei den Inveſtitionen und
bei den Eiſenbahnſegnungen, die zum Beiſpiel über
Galizien unter ſchreiendem Mißbrauche ſtrategiſcher
Schlagworte mit empörender Freigiebig-
keit
förmlich niedergepraſſelt ſind, leer aus-
gegangen; das ſteiriſche Alpenland, wiederhole ich,
iſt hiebei immer ſtiefmütterlich von der k. k.
Mutter Auſtria behandelt worden, und bei dem
großen Bahngeſchenke, das in den letzten Jahren die
Alpengegenden erfahren durften, hat die Steiermark
ja auch nur ſozuſagen einen Streifer abbekommen;
der Löwenanteil fällt doch auf unſer Nachbarland
Kärnten, was naturgemäß eine neuerliche, ſicher
arg verſpürbare Ablenkung des Verkehres von
unſerer ohnehin durch ungünſtige Verhältniſſe
empfindlich abſeits gerückten ſteiriſchen Alpenmark
verurſachen muß. (Lebhafte Zuſtimmung.)

Wir Steirer ſind im Herzen eins mit unſeren
[Spaltenumbruch] kärntneriſchen Nachbarsleuten und gönnen ihnen
jeden Aufſchwung herzlich gerne, aber in unſerer
Verarmung und Zurückſetzung können wir uns
dieſes Hinweiſes auf die ungleiche Verteilung der
volkswirtſchaftlichen Förderungen nicht entſchlagen.

Heute iſt, wie ich bereits eingangs meiner
Rede erklärt habe, leider nicht die Zeit gegeben, die
Beweggründe, die zur Schaffung des Projektes
Marburg—Wies geführt haben, und die nun
mit emſig werbender Kraft lebendig und mitreißend
für dieſes ſprechen, in einer längeren Ausführung
zu prüfen. Ich bedauere das ſehr, denn allzugerne
hätte ich das, was jetzt nur wie eine Begeiſterung
ohne berechtigten, nahrhaften Hintergrund zur
Kenntnis des hohen Hauſes gelangt, durch die
Schlagkraft der mehr als zulangenden Grundlagen
verfeſtigt und hiedurch dem vorläufig in Ihrer
Anſchauung, verehrte Herren, bloß blinden Triebe,
wenn ich ſo ſagen darf, Augen eingeſetzt durch die
Begriffe. Nun, Sie werden mir auch bei der knappen,
nicht ziffermäßig belegten Schilderung nicht die an-
gemaßte Poſe eines phraſengewaltigen Wähler-
beglückers und Wählerſchwatzers zumuten, der Ihnen
dieſe Bahnfrage nur zur Feſtigung ſeiner Stellung
behufs Wiederergatterung des Mandates in die
Ohren zetert.

Ich mache mich keiner Übertreibung ſchuldig,
wenn ich behaupte, daß der Bau der Bahn
Marburg—Wies einem dringenden Be-
dürfniſſe vieler Tauſender Steuer-
zahlern
entſprechen würde, denen dadurch endlich
die blutnotwendigen beſſeren Lebens- und Er-
werbsbedingungen
geſchaffen werden könnten.
Wenn wir uns auf den Boden des nüchternen
Realismus ſtellen, auf den Boden der Volkswirt-
ſchaft und Induſtrie, dann wächſt das Intereſſe,
das wir und mit uns natürlich der Staat voll
höchſter Selbſtverſtändlichkeit für das erwähnte
Projekt hegen müſſen, ganz erheblich; wir können
da ſchon vom Billigkeitsſtandpunkte mit Rückſicht
[Spaltenumbruch] auf die nnbezweifelbaren Vorteile für alle hier ſo
reichlich vorhandenen Produktionszweige getroſt ver-
künden, es ſeien alle Vorbedingungen für den Bau dieſer
Bahn in einem hervorragenden Ausmaße gegeben.

(Schluß folgt.)




Zu den Reichsratswahlen.
Wahlbezirk Pettau-Leibnitz.

Bezirksrichter Herr Dr. Glas in Pettau hat
ſeine Wahlbewerbung für den Wahlkreis Pettau-
Leibnitz zurückgezogen. Den Grund hiefür hat
Herr Dr. Glas öffentlich leider nicht bekannt ge-
geben und deshalb bleibt es ein Rätſel, wie er zu
dieſem Entſchluſſe kam, bevor er noch in Ver-
ſammlungen vor die Wähler trat.
Hof-
fentlich wird dieſe anſcheinend unmotivierte Ver-
zichtleiſtung noch aufgeklärt werden, da beſonders
die Pettauer Öffentlichkeit an einer ſolchen Auf-
klärung gewiß ein Intereſſe hat.

Wahlbezirk Rann-Lichtenwald-Tüffer.

Ein deutſcher Kandidat im Ranner Bezirk.
Der Gutsbeſitzer Alfred Baron Moscon hat ſeine
Kandidatur für den Wahlbezirk Rann-Lichtenwald-
Tüffer angemeldet; er will u. a. die Verſtändigung
zwiſchen den Nationalitäten zu erreichen verſuchen.
Der „Narod“ bemerkt dazu: Baron Moscon hat
im Ranner Bezirke ziemlich viel Stützen und wahr-
ſcheinlich wird auch die Pettauer „Stajerc“-Partei
ſeine Kandidatur unterſtützen. (Dürfte ſtimmen! Die
Schriftl. der „Marb. Ztg.“.) Weil in dieſem Be-
zirke auch die ſloweniſch-fortſchrittliche und die
klerikale Partei ihre Kandidaten aufſtellen werden,
iſt ſicher, daß es zwiſchen dieſen beiden Parteien
zur Stichwahl kommen wird. Daß aber Baron
Moscon in dieſem Bezirke durchdringen könnte, iſt
nicht ernſtlich zu denken. — Nun wir werden ja
ſehen. Mit dem Prophezeien hat der „Narod“
noch immer Unglück gehabt.




[Spaltenumbruch]
Leutnant Lämmchens Abenteuer.

2)



(Nachdruck verboten.)

Nach langem, anſtrengendem Marſch über-
ſchritten die Dragoner um elf Uhr vormittags die
Grenze von Ober-Süderau und wurden kurz vorher
noch von einem wolkenbruchartigen Gewitterregen
heimgeſucht, der ſie ganz durchweichte. Triefend vor
Näſſe und mit Kot beſpritzt, trafen ſie auf dem
ſtattlichen, herrſchaftlichen Gutshofe ein, wo der
junge Herr von Twielendorf ſie erwartete und mit
großer Herzlichkeit empfing.

Gleich darauf erſchien auch der alte Baron.
Die übliche Vorſtellung erfolgte, die Ställe wie die
Quartiere der Mannſchaften wurden flüchtig beſehen,
die Burſchen inſtruiert, und dann begleiteten die
Herren — ein Major, ein Rittmeiſter und acht
jüngere Offiziere — ihren liebenswürdigen Wirt
in das Schloß, in dem ſie ſelbſt untergebracht waren.

Das Schloß war ein mächtiger, kaſtenartiger
Bau, der einſt von einem großen Herrn begonnen,
aber nie ganz vollendet worden war und darum
auf den erſten Blick einen etwas befremdlichen Ein-
druck machte. Zwei Stockwerke und ein hohes, mit
grüner Patina bedecktes Kupferdach türmten ſich
übereinander, und die hübſch gegliederte Front mit
ihren großartigen Dimenſionen wies nicht weniger
als 17 große Fenſter auf. Von ornamentalem
Schmuck war nichts zu ſehen. Derſelbe war, der
ganzen Anlage nach, augenſcheinlich beabſichtigt,
aber aus irgend einem Grunde nie ausgeführt
[Spaltenumbruch] worden, und man hatte ſich ſchließlich damit
begnügt, das Haus in heller Sandſteinfarbe anzu-
ſtreichen. Dazu kam, daß nur die beiden unteren
Stockwerke, das Erdgeſchoß und die erſte Etage,
ausgebaut und bewohnbar waren. Oben zeigten die
rohen Ziegelwände keinerlei Bekleidung, Öfen, Türen
und Schwellen fehlten gänzlich, die Decken waren
nicht vergipſt, und der Fußboden beſtand aus ein-
fachen Brettern, die man notdürftig zuſammengefügt
hatte. Auch die Fenſteröffnungen waren bis zu ihrer
halben Höhe mit Backſteinen verſetzt, und die pracht-
vollen Räume wurden, ebenſo wie ein Teil des
luftigen Dachbodens, als Getreideſpeicher für die
Wirtſchaft benutzt.

Zu dieſem Zweck hatte man in dem dem Hofe
zugewandten Giebel in allen Stockwerken Türen
durchgebrochen und eine hohe, hölzerne, mit einem
Regendach verſehene Außentreppe davor angelegt.
Durch dieſe gelangte man auch in die Wohnung
der unverheirateten Beamten im erſten Stock, und
darunter befanden ſich Milchkeller, Mägdeſtube und
Geſindeküche.

War nun dieſe Seite des Schloſſes nur
praktiſchen, wirtſchaftlichen Zwecken gewidmet, ſo
zeigte die andere ein um ſo freundlicheres und vor-
nehmeres Geſicht.

Hier war die mächtige Giebelwand bis oben
hin mit dichtem, lebendigem Grün bedeckt. Glycinien
und Kletterroſen rankten in üppiger Fülle neben
kleinblätterigem Efeu empor, und eine niedrige, von
blühenden Topfgewächſen flankierte Freitreppe, die
ſich oben zu einer breiten Plattform erweiterte,
führte zu den Wohnräumen der Familie empor.
[Spaltenumbruch] Auch war hier die nächſte Umgebung beſonders
gepflegt.

Während die eigentliche Front des Hauſes,
in deren Mitte ſich der Haupteingang befand, nur
auf einen Grasplatz und dichte Bosketts herabſah,
hinter denen ſich wiederum die Landſtraße befand,
breiteten ſich hier grüne, kurzgeſchorene Raſenflächen
mit bunten Teppichbeeten aus, und daran ſchloß
ſich der große, parkähnliche Garten mit ſeinen
Karpfenteichen und altmodiſchen, ſchattigen Buchen-
gängen, die in der ganzen Gegend gerühmt waren.

Auf der Plattform des Schloſſes machten die
Offiziere, ehe ſie ins Haus gingen, einen Augen-
blick Halt und genoſſen, neben dem Hausherrn
ſtehend, die ſchöne Ausſicht, welche ſich von hier
aus bot. Nur Lämmchen machte eine Ausnahme.
Zerſtreut, voll inneren Unbehagens, muſterte er das
Schloß, das ſoviel unvermeidliche Weiblichkeit in
ſeinen feſten Mauern barg, ſchaute zu den grün-
umrankten Fenſtern empor und ſeufzte tief.

Da flog ihm plötzlich ein feuchtes, duftendes
Etwas ins Geſicht, und eine Roſe, vollerblüht und
noch regenſchwer, fiel zwiſchen ſeine geſtiefelten
und geſpornten Füße herab. Unwillkürlich bückte
er ſich, um ſie aufzuheben, aber erſchreckt fuhr er
wieder zurück, denn nun traf ein unreifer, kleiner
Apfel, ſcharf wie ein Geſchoß, ſeine rechte Hand,
und zugleich erklang unterdrücktes Kirchern und
Flüſtern von oben herab. Helle Geſtalten neigten
ſich ſekundenlang zum offenen Fenſter hinaus, und
dann folgte eine ganze Ladung kleiner, ſcharfge-
drehter Papierkugeln, deren eine ſogar dem alten
Baron einen heftigen Naſenſtüber verſetzte.


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[[1]/0001] Marburger Zeitung. Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat- lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr. Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung. Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends. Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4. Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h. Schluß für Einſchaltungen: Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags. Die Einzelnummer koſtet 10 Heller. Nr. 19 Dienstag, 12. Februar 1907 46. Jahrgang. Der Marburg-Wieſer Bahnbau. Bei der Verhandlung eines parlamentariſchen Dringlichkeitsantrages betreffend die Berichte des parlamentariſchen Eiſenbahnausſchuſſes ergriff in der 484. Sitzung des Abgeordnetenhauſes Reichsratsabgeordneter Waſtian das Wort, um neuerdings für die Dringlichkeit der Errichtung der Marburg-Wieſer Bahn einzutreten. Abg. Waſtian erklärte zuerſt, daß er die Erſchließung der Oſtſteiermark durch Bahnbauten wie auch das Zuſtandekommen der Sulmtalbahn, letztere im Intereſſe der Verſorgung der Mittel- ſteiermark mit Kohle aus dem Wieſer und Eibis- walder Becken begrüße, daß er aber anderſeits auf einen Herzenswunſch der unterſteiriſchen Be- völkerung und der Bewohnerſchaft der ſüdweſtlichen Steiermark hinweiſen muß, auf den bisher leider unberückſichtigt gebliebenen Wunſch nach Verwirk- lichung des Bahnprojektes Marburg-Wies. Redner fuhr hierauf fort: Steiermark iſt ſtets bei den Inveſtitionen und bei den Eiſenbahnſegnungen, die zum Beiſpiel über Galizien unter ſchreiendem Mißbrauche ſtrategiſcher Schlagworte mit empörender Freigiebig- keit förmlich niedergepraſſelt ſind, leer aus- gegangen; das ſteiriſche Alpenland, wiederhole ich, iſt hiebei immer ſtiefmütterlich von der k. k. Mutter Auſtria behandelt worden, und bei dem großen Bahngeſchenke, das in den letzten Jahren die Alpengegenden erfahren durften, hat die Steiermark ja auch nur ſozuſagen einen Streifer abbekommen; der Löwenanteil fällt doch auf unſer Nachbarland Kärnten, was naturgemäß eine neuerliche, ſicher arg verſpürbare Ablenkung des Verkehres von unſerer ohnehin durch ungünſtige Verhältniſſe empfindlich abſeits gerückten ſteiriſchen Alpenmark verurſachen muß. (Lebhafte Zuſtimmung.) Wir Steirer ſind im Herzen eins mit unſeren kärntneriſchen Nachbarsleuten und gönnen ihnen jeden Aufſchwung herzlich gerne, aber in unſerer Verarmung und Zurückſetzung können wir uns dieſes Hinweiſes auf die ungleiche Verteilung der volkswirtſchaftlichen Förderungen nicht entſchlagen. Heute iſt, wie ich bereits eingangs meiner Rede erklärt habe, leider nicht die Zeit gegeben, die Beweggründe, die zur Schaffung des Projektes Marburg—Wies geführt haben, und die nun mit emſig werbender Kraft lebendig und mitreißend für dieſes ſprechen, in einer längeren Ausführung zu prüfen. Ich bedauere das ſehr, denn allzugerne hätte ich das, was jetzt nur wie eine Begeiſterung ohne berechtigten, nahrhaften Hintergrund zur Kenntnis des hohen Hauſes gelangt, durch die Schlagkraft der mehr als zulangenden Grundlagen verfeſtigt und hiedurch dem vorläufig in Ihrer Anſchauung, verehrte Herren, bloß blinden Triebe, wenn ich ſo ſagen darf, Augen eingeſetzt durch die Begriffe. Nun, Sie werden mir auch bei der knappen, nicht ziffermäßig belegten Schilderung nicht die an- gemaßte Poſe eines phraſengewaltigen Wähler- beglückers und Wählerſchwatzers zumuten, der Ihnen dieſe Bahnfrage nur zur Feſtigung ſeiner Stellung behufs Wiederergatterung des Mandates in die Ohren zetert. Ich mache mich keiner Übertreibung ſchuldig, wenn ich behaupte, daß der Bau der Bahn Marburg—Wies einem dringenden Be- dürfniſſe vieler Tauſender Steuer- zahlern entſprechen würde, denen dadurch endlich die blutnotwendigen beſſeren Lebens- und Er- werbsbedingungen geſchaffen werden könnten. 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Daß aber Baron Moscon in dieſem Bezirke durchdringen könnte, iſt nicht ernſtlich zu denken. — Nun wir werden ja ſehen. Mit dem Prophezeien hat der „Narod“ noch immer Unglück gehabt. Leutnant Lämmchens Abenteuer. Eine heitere Geſchichte von G. v. Stokmans-Germanis. 2) (Nachdruck verboten.) Nach langem, anſtrengendem Marſch über- ſchritten die Dragoner um elf Uhr vormittags die Grenze von Ober-Süderau und wurden kurz vorher noch von einem wolkenbruchartigen Gewitterregen heimgeſucht, der ſie ganz durchweichte. Triefend vor Näſſe und mit Kot beſpritzt, trafen ſie auf dem ſtattlichen, herrſchaftlichen Gutshofe ein, wo der junge Herr von Twielendorf ſie erwartete und mit großer Herzlichkeit empfing. Gleich darauf erſchien auch der alte Baron. Die übliche Vorſtellung erfolgte, die Ställe wie die Quartiere der Mannſchaften wurden flüchtig beſehen, die Burſchen inſtruiert, und dann begleiteten die Herren — ein Major, ein Rittmeiſter und acht jüngere Offiziere — ihren liebenswürdigen Wirt in das Schloß, in dem ſie ſelbſt untergebracht waren. Das Schloß war ein mächtiger, kaſtenartiger Bau, der einſt von einem großen Herrn begonnen, aber nie ganz vollendet worden war und darum auf den erſten Blick einen etwas befremdlichen Ein- druck machte. Zwei Stockwerke und ein hohes, mit grüner Patina bedecktes Kupferdach türmten ſich übereinander, und die hübſch gegliederte Front mit ihren großartigen Dimenſionen wies nicht weniger als 17 große Fenſter auf. Von ornamentalem Schmuck war nichts zu ſehen. Derſelbe war, der ganzen Anlage nach, augenſcheinlich beabſichtigt, aber aus irgend einem Grunde nie ausgeführt worden, und man hatte ſich ſchließlich damit begnügt, das Haus in heller Sandſteinfarbe anzu- ſtreichen. Dazu kam, daß nur die beiden unteren Stockwerke, das Erdgeſchoß und die erſte Etage, ausgebaut und bewohnbar waren. Oben zeigten die rohen Ziegelwände keinerlei Bekleidung, Öfen, Türen und Schwellen fehlten gänzlich, die Decken waren nicht vergipſt, und der Fußboden beſtand aus ein- fachen Brettern, die man notdürftig zuſammengefügt hatte. Auch die Fenſteröffnungen waren bis zu ihrer halben Höhe mit Backſteinen verſetzt, und die pracht- vollen Räume wurden, ebenſo wie ein Teil des luftigen Dachbodens, als Getreideſpeicher für die Wirtſchaft benutzt. Zu dieſem Zweck hatte man in dem dem Hofe zugewandten Giebel in allen Stockwerken Türen durchgebrochen und eine hohe, hölzerne, mit einem Regendach verſehene Außentreppe davor angelegt. Durch dieſe gelangte man auch in die Wohnung der unverheirateten Beamten im erſten Stock, und darunter befanden ſich Milchkeller, Mägdeſtube und Geſindeküche. War nun dieſe Seite des Schloſſes nur praktiſchen, wirtſchaftlichen Zwecken gewidmet, ſo zeigte die andere ein um ſo freundlicheres und vor- nehmeres Geſicht. Hier war die mächtige Giebelwand bis oben hin mit dichtem, lebendigem Grün bedeckt. Glycinien und Kletterroſen rankten in üppiger Fülle neben kleinblätterigem Efeu empor, und eine niedrige, von blühenden Topfgewächſen flankierte Freitreppe, die ſich oben zu einer breiten Plattform erweiterte, führte zu den Wohnräumen der Familie empor. Auch war hier die nächſte Umgebung beſonders gepflegt. Während die eigentliche Front des Hauſes, in deren Mitte ſich der Haupteingang befand, nur auf einen Grasplatz und dichte Bosketts herabſah, hinter denen ſich wiederum die Landſtraße befand, breiteten ſich hier grüne, kurzgeſchorene Raſenflächen mit bunten Teppichbeeten aus, und daran ſchloß ſich der große, parkähnliche Garten mit ſeinen Karpfenteichen und altmodiſchen, ſchattigen Buchen- gängen, die in der ganzen Gegend gerühmt waren. Auf der Plattform des Schloſſes machten die Offiziere, ehe ſie ins Haus gingen, einen Augen- blick Halt und genoſſen, neben dem Hausherrn ſtehend, die ſchöne Ausſicht, welche ſich von hier aus bot. Nur Lämmchen machte eine Ausnahme. Zerſtreut, voll inneren Unbehagens, muſterte er das Schloß, das ſoviel unvermeidliche Weiblichkeit in ſeinen feſten Mauern barg, ſchaute zu den grün- umrankten Fenſtern empor und ſeufzte tief. Da flog ihm plötzlich ein feuchtes, duftendes Etwas ins Geſicht, und eine Roſe, vollerblüht und noch regenſchwer, fiel zwiſchen ſeine geſtiefelten und geſpornten Füße herab. Unwillkürlich bückte er ſich, um ſie aufzuheben, aber erſchreckt fuhr er wieder zurück, denn nun traf ein unreifer, kleiner Apfel, ſcharf wie ein Geſchoß, ſeine rechte Hand, und zugleich erklang unterdrücktes Kirchern und Flüſtern von oben herab. Helle Geſtalten neigten ſich ſekundenlang zum offenen Fenſter hinaus, und dann folgte eine ganze Ladung kleiner, ſcharfge- drehter Papierkugeln, deren eine ſogar dem alten Baron einen heftigen Naſenſtüber verſetzte.

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 19, Marburg, 12.02.1907, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger19_1907/1>, abgerufen am 28.03.2024.