Marburger Zeitung. Nr. 38, Marburg, 28.03.1905.Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Postversendung: [Spaltenumbruch] Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag nnd Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon-Nr. 24.) [Spaltenumbruch] Einschaltungen werden im Verlage des Blattes und von Nr. 38 Dienstag, 28. März 1905 44. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Stiefkind und Wein-Enquete. Marburg, 28. März. Unser Unterland sollte also wieder einmal als [Spaltenumbruch] Auf irrem Pfade. 7 (Nachdruck verboten) "Lassen Sie das, Margarethe", murrte er, "Das ist es: Sie erwarten Wunder, als Wolfgang kämpfte mit seinem Entschluß. Noch Langsam neigte er sich auf ihre Hände herab, IV. Noch im Laufe der Woche reiste Tieffenbach Unter dem Vorwande der Beschäftigung mit Vergebens berichtete ihr Will, der als lebendige Anfangs schrieb der Baron fast täglich. Er Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Poſtverſendung: [Spaltenumbruch] Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag nnd Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) [Spaltenumbruch] Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von Nr. 38 Dienstag, 28. März 1905 44. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Stiefkind und Wein-Enquete. Marburg, 28. März. Unſer Unterland ſollte alſo wieder einmal als [Spaltenumbruch] Auf irrem Pfade. 7 (Nachdruck verboten) „Laſſen Sie das, Margarethe“, murrte er, „Das iſt es: Sie erwarten Wunder, als Wolfgang kämpfte mit ſeinem Entſchluß. Noch Langſam neigte er ſich auf ihre Hände herab, IV. Noch im Laufe der Woche reiſte Tieffenbach Unter dem Vorwande der Beſchäftigung mit Vergebens berichtete ihr Will, der als lebendige Anfangs ſchrieb der Baron faſt täglich. 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Allerdings ſah ſich der Weinkulturausſchuß<lb/> veranlaßt, die Einbeziehung eines ſteiriſchen Dele-<lb/> gierten ſozuſagen zn „paralyſieren“, indem er gleich-<lb/> zeitig der Bozner Kammer einen weiteren Tiroler<lb/> Vertreter entnahm, ferners je einen Vertreter<lb/> des Landeskulturrates aus Trient, und der<lb/> Kammer von Rovreith (Rovereto) und Spalato<lb/> der Weinenquete einreihte. Sei dem aber wie immer:<lb/> Tatſache iſt, daß durch energiſches Handeln die<lb/> Gefahr, unſere Weingebiete vertretungslos zu laſſen,<lb/> beſeitigt wurde. Auch dieſer Fall zeigt wieder ein-<lb/> mal deutlich, daß im öffentlichen Leben nur jener<lb/> als Stiefkind behandelt werden kann, der ſich als<lb/> ſolches behandeln läßt. Daß die berufenen Hüter<lb/> unſerer Landwirtſchaft ihre Stimme machtvoll er-<lb/> hoben, dafür gebührt ihnen der Dank. 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Ich war ein Tor, daß<lb/> ich die längſt gebrochene Knoſpe nochmals zur Blüte<lb/> erwecken wollte.“</p><lb/> <p>„Das iſt es: Sie erwarten Wunder, als<lb/> hätten Sie ein Zauberwort geſprochen, welches im<lb/> Augenblick die Tür des Menſchenherzens öffnen<lb/> müſſe“, erwiderte Margarethe mit ſanftem Vorwurf.<lb/> „Sie fühlen ſich verletzt und brechen ab, ohne mir<lb/> ein Wort der Verteidigung zu gönnen, ohne nach<lb/> meinen Gründen zu forſchen. Vielleicht ſchwieg ich<lb/> nur in der wohlmeinenden Abſicht, nicht noch mehr<lb/> der trüben Erinnerungen in Ihnen heraufzube-<lb/> ſchwören; in der Vorausſetzung, Sie würden Ihr<lb/> Vertrauen aus eigenem Antriebe ſo weit ausdehnen,<lb/> als Sie es für erforderlich erachteten. Nicht Gefühl-<lb/> loſigkeit band mir die Zunge, doch vielleicht mädchen-<lb/> hafte Scheu, vielleicht doch das Mitleid, deſſen<lb/> Ausdruck Sie vermiſſen. Und warum ich Ihnen<lb/> mein Jawort gab? ... weil auch mein Herz ver-<lb/> einſamt iſt, weil ich hoffe, in der Erfüllung meiner<lb/> Frauenpflichten Befriedigung zu finden, weil ich ſo<lb/> gern einen Zweck für mein Leben fände. Das iſt<lb/> mein heiligſtes Wollen, und Sie widerſprechen ſich<lb/> ſelbſt, wenn Sie ſchon jetzt höhere Forderungen<lb/> ſtellen. Glauben Sie daran, ſo haben Sie ein wenig<lb/> Geduld und Nachſicht mit mir. Sie ſprachen von<lb/> der ſchöneren Vergangenheit, Wolfgang ... nun<lb/><cb/> denn, ich will es ehrlich verſuchen, ſie zurückzurufen,<lb/> Ihnen ſtets eine treue, teilnehmende Genoſſin ſein,<lb/> mein Leben lang Ihnen danken, was Sie für uns<lb/> getan.“</p><lb/> <p>Wolfgang kämpfte mit ſeinem Entſchluß. Noch<lb/> immer meinte er ein geheimes Mahnen zu empfinden:<lb/> laß ab, laß ab, du wirſt nicht ernten, was du zur<lb/> rechten Zeit zu ſäen verſäumteſt! .... 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Sie fühlte ſich auf allen Seiten beengt.<lb/> Selbſt die doppelte Zärtlichkeit, mit der der Vater<lb/> ſie umgab, vermochte nur ein ſchwaches Lächeln<lb/> auf ihre immer bleicher werdenden Wangen zu<lb/> zaubern.</p><lb/> <p>Unter dem Vorwande der Beſchäftigung mit<lb/> der Ausſteuer brach ſie faſt jeden Verkehr mit be-<lb/> freundeten Familien und Altersgenoſſinnen ab. Sie<lb/> fühlte, wie man allgemein ihre Verlobung beurteilte ...<lb/><cb/> ihr war, als müſſe es ihr jeder vom Geſicht ableſen,<lb/> daß ſie ſich verkauft habe. Im Geſpräch wurde ihr<lb/> das harmloſeſte Wort zu einer ſpitzen Anſpielung,<lb/> jeder Glückwunſch, jedes Erwähnen Tieffenbachs<lb/> dünkte ihr nur ein verſteckter, verächtlicher Hohn.</p><lb/> <p>Vergebens berichtete ihr Will, der als lebendige<lb/> Chronik des Stadtklatſches gelten konnte, daß man<lb/> freilich über ihre ſo unerwartete Verlobung erſtaunt<lb/> ſei, dieſe Verwunderung aber weniger ihr als ihrem<lb/> Bräutigam gelte, der doch bei ſeinem Namen und<lb/> Vermögen in der höchſten Geburts- und Geld-<lb/> ariſtokratie freie Wahl gehabt habe. Vergebens rollte<lb/> er mit ſeiner in dieſer Beziehung ſehr ausgiebigen<lb/> Phantaſie, das ihr nun beſchiedene glänzende Los<lb/> auf und verſicherte ihr, ſie errege nur den Neid<lb/> ihrer Freundinnen, welche ganz abgeſehen von der<lb/> brillanten Partie, den ſchleſiſchen Freiherrn für einen<lb/> „furchtbar intereſſanten“ Mann erklärten. Sie<lb/> fühlte ſich trotz alledem tief unglücklich. Die hochherzige<lb/> Opferfreudigkeit und das echt weibliche Mitleid,<lb/> das ſich in ihr erregt, als Wolfgang von ſeinem<lb/> einſamen, ſtillen Dulden ſprach, waren in der Er-<lb/> kenntnis ihrer Übereilung ſchnell wieder verloren ge-<lb/> gangen. Was ſie ſich in jener Stunde um keinen<lb/> Preis eingeſtanden hätte: daß hauptſächlich der zor-<lb/> nige Schmerz über Wills Unempfindlichkeit, das<lb/> trotzige Verlangen, ſich von dieſer Neigung zu be-<lb/> freien, ſie zu ihrem Entſchluß getrieben hatten —<lb/> jetzt ſagte ſie ſich es unverhohlen, und ihr Herz ver-<lb/> ſtockte immer mehr in bitterem Groll gegen ſich ſelbſt<lb/> und alle Welt.</p><lb/> <p>Anfangs ſchrieb der Baron faſt täglich. Er<lb/> gehörte zu den Männern, welche ihr Empfinden</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Marburger Zeitung.
Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K. halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.
Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.
Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag nnd
Samstag abends.
Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.
Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)
Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen.
Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei
Wiederholung bedeut. Nachlaß. Schluß für Einſchaltungen
Dienstag, Donnerstag, Samstag mittags. Manuſkripte
werden nicht zurückgegeben. Die Einzelnnummer koſtet 10 h.
Nr. 38 Dienstag, 28. März 1905 44. Jahrgang.
Stiefkind und Wein-Enquete.
Marburg, 28. März.
Unſer Unterland ſollte alſo wieder einmal als
ein Stiefkind behandelt werden. Wir ſind dies
zwar ſchon gewohnt — die leidige Marburger
Brückenfrage, der geplante Bau der Marburg—
Wieſer-Bahn und andere Dinge erläutern die Liebe,
die man uns entgegenbringt, in ſchlagender Weiſe
— aber die Hintanſetzung, die man uns in einem
gerade für uns außerordentlich wichtigen Partikelchen
des Abgeordnetenhauſes zufügen wollte, überſchreitet
die Grenze des Ertragbaren, zumal es ſich um das
hervorragendſte Lebensintereſſe des Unterlandes
handelt. Der Weinkultur-Ausſchuß des Parlamen-
tes hat zur Beratung des neuen Weingeſetzes die
Einſetzung einer Weinenquete beſchloſſen, in welche
die ſach- und fachkundigen Vertreter der Weinbau
treibenden Gebiete der „im Reichsrate vertretenen
Königreiche und Länder“ einberufen werden ſollen.
Aber mit einer verblüffenden Skrupelloſigkeit war
man darauf bedacht, eine Vertretung der unterſtei-
riſchen Weinproduzenten in der Enquete zu verhin-
dern. Es wurden ihr nur die Vertreter von Nie-
deröſterreich und jene von Südtirol beigezogen —
uns gedachte man gänzlich auszuſchließen, unſere
Intereſſen ſollten mundtot gemacht werden, damit
ſie nicht etwa ſtörend in die niederöſterreichiſch-ſüd-
tiroliſchen Abmachungen hineintönen können. So
wurden in die Weinbauenquete berufen aus dem
Lande Nieder-Öſterreich der Landes-Weinbau-
Direktor Reckendorfer, der Adjunkt der Verſuchsan-
ſtalt Dr. Kaſerer in Wien und zwei Vertreter der
Wiener Handels- und Gewerbekammer; von Süd-
tirol wurde berufen ein Vertreter der Bozener
Kammer, — das war alles! Wohl bemühte ſich der
Abgeordnete Dr. Wolffhardt, auch für das wein-
reiche Unterland, alſo für ein Weinbaugebiet, deſſen
Verhältniſſe in mancherlei Art von jenen Nieder-
öſterreichs oder Südtirols abweichen, einen Vertreter
in die Weinenquete zu bekommen, aber an der ſon-
derbaren, verneinenden Haltung des parlamentari-
ſchen Weinkultur-Ausſchuſſes ſcheiterten ſeine Be-
mühungen. Und es ſchien, als ob wir tatſächlich
ausgeſchloſſen bleiben ſollten von den Beratungen,
die auch für unſer Weinland von Geltung, von ein-
ſchneidender Bedeutung ſind. Da nahm, angeregt
durch den parlamentariſchen Vertreter der Stadt
Marburg, die verdienſtvolle ſteiriſche Landwirt-
ſchafts-Geſellſchaft die Sache in die Hand. In
dem Ausſchuſſe ihrer Weinbauſektion ſitzen die Her-
ren Direktor Zweifler, Direktor Schmid,
Julius Pfrimer und Franz Girſtmayr, aus
Graz Herr Dr. Hotterer. Daß die Genannten,
die, mit Ausnahme des letztgenannten Herrn, ſchon
aus ihrer unterländiſchen Bodenſtändigkeit heraus
und dann auch alle zuſammen in Anbetracht ihrer
fachlichen Eignung am beſten geeignet waren, die
Intereſſen des Unterlandes energiſch zu vertreten,
liegt auf der Hand. Ihren einhelligen, im Namen
der ſteiriſchen Landwirtſchafts-Geſellſchaft erhobenen,
an das Präſidium des Abgeordnetenhauſes und von
dieſem an den Weinkultur-Ausſchuß geleiteten ener-
giſchen Vorſtellungen gelang es endlich, Un-
terſteiermark zu ſeinem Rechte zu ver-
helfen. Der Weinkultur-Ausſchuß mußte, da er
das berechtigte und energiſche Verlangen der Inter-
eſſenten vor ſich hatte, endlich nachgeben. Er wandte
ſich an die Grazer Handels- und Gewerbekammer,
welche den Bürgermeiſter-Stellvertreter von Mar-
burg, Herrn Karl Pfrimer, als den in die En-
quete zu entſendenden Vertreter der unter- und
mittelſteiriſchen Weinbauintereſſen vorſchlug. Herr
Karl Pfrimer wurde auch in der Tat bereits in die
Enquete einberufen und fährt heute Dienstag nach
Wien. Allerdings ſah ſich der Weinkulturausſchuß
veranlaßt, die Einbeziehung eines ſteiriſchen Dele-
gierten ſozuſagen zn „paralyſieren“, indem er gleich-
zeitig der Bozner Kammer einen weiteren Tiroler
Vertreter entnahm, ferners je einen Vertreter
des Landeskulturrates aus Trient, und der
Kammer von Rovreith (Rovereto) und Spalato
der Weinenquete einreihte. Sei dem aber wie immer:
Tatſache iſt, daß durch energiſches Handeln die
Gefahr, unſere Weingebiete vertretungslos zu laſſen,
beſeitigt wurde. Auch dieſer Fall zeigt wieder ein-
mal deutlich, daß im öffentlichen Leben nur jener
als Stiefkind behandelt werden kann, der ſich als
ſolches behandeln läßt. Daß die berufenen Hüter
unſerer Landwirtſchaft ihre Stimme machtvoll er-
hoben, dafür gebührt ihnen der Dank. In Herrn
Karl Pfrimer haben wir einen ſchneidigen Vertreter
der Intereſſen des Unterlandes in der Weinenquete.
Hätte ſich alles ſtill verhalten, ſo hätten wir nichts
erreicht — das mag uns als Richtſchnur für alle
anderen Dinge gelten.
N. J.
Auf irrem Pfade.
Roman von Hans Richter.
7 (Nachdruck verboten)
„Laſſen Sie das, Margarethe“, murrte er,
„es iſt ja doch vergebens. Ich war ein Tor, daß
ich die längſt gebrochene Knoſpe nochmals zur Blüte
erwecken wollte.“
„Das iſt es: Sie erwarten Wunder, als
hätten Sie ein Zauberwort geſprochen, welches im
Augenblick die Tür des Menſchenherzens öffnen
müſſe“, erwiderte Margarethe mit ſanftem Vorwurf.
„Sie fühlen ſich verletzt und brechen ab, ohne mir
ein Wort der Verteidigung zu gönnen, ohne nach
meinen Gründen zu forſchen. Vielleicht ſchwieg ich
nur in der wohlmeinenden Abſicht, nicht noch mehr
der trüben Erinnerungen in Ihnen heraufzube-
ſchwören; in der Vorausſetzung, Sie würden Ihr
Vertrauen aus eigenem Antriebe ſo weit ausdehnen,
als Sie es für erforderlich erachteten. Nicht Gefühl-
loſigkeit band mir die Zunge, doch vielleicht mädchen-
hafte Scheu, vielleicht doch das Mitleid, deſſen
Ausdruck Sie vermiſſen. Und warum ich Ihnen
mein Jawort gab? ... weil auch mein Herz ver-
einſamt iſt, weil ich hoffe, in der Erfüllung meiner
Frauenpflichten Befriedigung zu finden, weil ich ſo
gern einen Zweck für mein Leben fände. Das iſt
mein heiligſtes Wollen, und Sie widerſprechen ſich
ſelbſt, wenn Sie ſchon jetzt höhere Forderungen
ſtellen. Glauben Sie daran, ſo haben Sie ein wenig
Geduld und Nachſicht mit mir. Sie ſprachen von
der ſchöneren Vergangenheit, Wolfgang ... nun
denn, ich will es ehrlich verſuchen, ſie zurückzurufen,
Ihnen ſtets eine treue, teilnehmende Genoſſin ſein,
mein Leben lang Ihnen danken, was Sie für uns
getan.“
Wolfgang kämpfte mit ſeinem Entſchluß. Noch
immer meinte er ein geheimes Mahnen zu empfinden:
laß ab, laß ab, du wirſt nicht ernten, was du zur
rechten Zeit zu ſäen verſäumteſt! .... Aber die
blauen Mädchenaugen blickten ſo flehend treuherzig
zu ihm auf, die herrliche Geſtalt lehnte ſich ver-
trauend auf ſeine Schulter, er hätte einen Stein
anſtatt ſeines liebeflammenden Herzens im Buſen
tragen müſſen, um dieſer Verlockung zu widerſtehen.
Langſam neigte er ſich auf ihre Hände herab,
und nachdem er ſie geküßt, ſchob er ſeinen Ring
an ihren Finger.
IV.
Noch im Laufe der Woche reiſte Tieffenbach
nach Liebenau, ſeinem Hauptgute zurück, um dort
die erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, da er
den Brautſtand möglichſt abzukürzen wünſchte, worin
ihm Margarethe völlig beiſtimmte. Am liebſten
hätte auch ſie die Stadt ſogleich verlaſſen. Die ge-
wohnten Verhältniſſe däuchten ihr plötzlich uner-
träglich. Sie fühlte ſich auf allen Seiten beengt.
Selbſt die doppelte Zärtlichkeit, mit der der Vater
ſie umgab, vermochte nur ein ſchwaches Lächeln
auf ihre immer bleicher werdenden Wangen zu
zaubern.
Unter dem Vorwande der Beſchäftigung mit
der Ausſteuer brach ſie faſt jeden Verkehr mit be-
freundeten Familien und Altersgenoſſinnen ab. Sie
fühlte, wie man allgemein ihre Verlobung beurteilte ...
ihr war, als müſſe es ihr jeder vom Geſicht ableſen,
daß ſie ſich verkauft habe. Im Geſpräch wurde ihr
das harmloſeſte Wort zu einer ſpitzen Anſpielung,
jeder Glückwunſch, jedes Erwähnen Tieffenbachs
dünkte ihr nur ein verſteckter, verächtlicher Hohn.
Vergebens berichtete ihr Will, der als lebendige
Chronik des Stadtklatſches gelten konnte, daß man
freilich über ihre ſo unerwartete Verlobung erſtaunt
ſei, dieſe Verwunderung aber weniger ihr als ihrem
Bräutigam gelte, der doch bei ſeinem Namen und
Vermögen in der höchſten Geburts- und Geld-
ariſtokratie freie Wahl gehabt habe. Vergebens rollte
er mit ſeiner in dieſer Beziehung ſehr ausgiebigen
Phantaſie, das ihr nun beſchiedene glänzende Los
auf und verſicherte ihr, ſie errege nur den Neid
ihrer Freundinnen, welche ganz abgeſehen von der
brillanten Partie, den ſchleſiſchen Freiherrn für einen
„furchtbar intereſſanten“ Mann erklärten. Sie
fühlte ſich trotz alledem tief unglücklich. Die hochherzige
Opferfreudigkeit und das echt weibliche Mitleid,
das ſich in ihr erregt, als Wolfgang von ſeinem
einſamen, ſtillen Dulden ſprach, waren in der Er-
kenntnis ihrer Übereilung ſchnell wieder verloren ge-
gangen. Was ſie ſich in jener Stunde um keinen
Preis eingeſtanden hätte: daß hauptſächlich der zor-
nige Schmerz über Wills Unempfindlichkeit, das
trotzige Verlangen, ſich von dieſer Neigung zu be-
freien, ſie zu ihrem Entſchluß getrieben hatten —
jetzt ſagte ſie ſich es unverhohlen, und ihr Herz ver-
ſtockte immer mehr in bitterem Groll gegen ſich ſelbſt
und alle Welt.
Anfangs ſchrieb der Baron faſt täglich. Er
gehörte zu den Männern, welche ihr Empfinden
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