Marburger Zeitung. Nr. 57, Marburg, 11.03.1915.Marburger Zeitung. Tagblatt. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: [Spaltenumbruch] Erscheint täglich um 5 Uhr abends. [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Nr. 57 Donnerstag, 11. März 1915 54. Jahrgang Die Bilanz der Champagneschlacht. [Spaltenumbruch] In der Champagne. Marburg, 11. März. Ein neuer Heldensang, der aus der weinge- [Spaltenumbruch] Das Geheimnis der Brüder 21 (Nachdruck verboten. "Wer weiß, ob es Ihnen gerade angenehm Ich hatte Zeit genug gehabt, über die mich "Meine Schwägerin ist bedeutend älter als "Gerade das glaubt mein Mann in dem Mir war heiß geworden um den Kopf; ich Vor meinen Augen erhob sich der glückliche "Es ist Ihnen nicht angenehm?" sagte sie leise. "Doch, doch!" fuhr ich herum. "Im Gegen- "Darf ich sie also zu Ihnen schicken? Oder "Gewiß -- wenn es Ihrem Fräulein Tochter "Herr Doktor -- meine Tochter ist kein Sie zögerte -- die sonst hellen Augen leuch- Was konnte ich anders tun, als die mich Be- Schnell trat ich hinaus in den heiter lachen- Stürmische Fragen begrüßten mich, als ich zu "Ich werde mich für alle Fälle bereit halten!" Trotz dem inneren Mißbehagen hatte ich ein Ich trat ins Eßzimmer; ein Blick durchs Marburger Zeitung. Tagblatt. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: [Spaltenumbruch] Erſcheint täglich um 5 Uhr abends. [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Nr. 57 Donnerstag, 11. März 1915 54. Jahrgang Die Bilanz der Champagneschlacht. [Spaltenumbruch] In der Champagne. Marburg, 11. März. Ein neuer Heldenſang, der aus der weinge- [Spaltenumbruch] Das Geheimnis der Brüder 21 (Nachdruck verboten. „Wer weiß, ob es Ihnen gerade angenehm Ich hatte Zeit genug gehabt, über die mich „Meine Schwägerin iſt bedeutend älter als „Gerade das glaubt mein Mann in dem Mir war heiß geworden um den Kopf; ich Vor meinen Augen erhob ſich der glückliche „Es iſt Ihnen nicht angenehm?“ ſagte ſie leiſe. „Doch, doch!“ fuhr ich herum. „Im Gegen- „Darf ich ſie alſo zu Ihnen ſchicken? Oder „Gewiß — wenn es Ihrem Fräulein Tochter „Herr Doktor — meine Tochter iſt kein Sie zögerte — die ſonſt hellen Augen leuch- Was konnte ich anders tun, als die mich Be- Schnell trat ich hinaus in den heiter lachen- Stürmiſche Fragen begrüßten mich, als ich zu „Ich werde mich für alle Fälle bereit halten!“ Trotz dem inneren Mißbehagen hatte ich ein Ich trat ins Eßzimmer; ein Blick durchs <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <front> <titlePage xml:id="tp1a" type="heading" next="#tp1b"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung.</hi> </titlePart><lb/> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">Tagblatt.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p>Der Preis des Blattes beträgt:<lb/> Für Marburg monatlich 1 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi> Bei Zuſtellung ins Haus<lb/> monatlich 40 <hi rendition="#aq">h</hi> mehr.<lb/> Mit Poſtverſendung wie bisher:<lb/> Ganzjährig 14 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 7 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi><lb/> Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.</p><lb/> <cb/> <p><hi rendition="#b">Erſcheint täglich um 5 Uhr abends.<lb/> Sprechſtunden</hi> des Schriftleiters an allen Wochentagen von<lb/><hi rendition="#b">11—12</hi> Uhr und von <hi rendition="#b">5—6</hi> Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.<lb/> Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. 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Oder<lb/> beſſer, würde Ihr Fräulein Schwägerin heut eine<lb/> Ausfahrt mit Erika machen?“ fiel ſie erfreut ein.</p><lb/> <p>„Gewiß — wenn es Ihrem Fräulein Tochter<lb/> ſo beliebt!“ Es klang wohl ſteif und wenig ein-<lb/> ladend. Da fühlte ich plötzlich meine Hand ergriffen:</p><lb/> <p>„Herr Doktor — meine Tochter iſt kein<lb/> fröhliches Kind mehr, ich bange um ſie — langge-<lb/> hegten Jugendträumen zu entſagen iſt nicht leicht<lb/> — wir alle wiſſen das ja vielfach aus eigener Er-<lb/> fahrung; ich bitte Sie, uns freundlichſt Ihre Hand<lb/> auch zur Bekämpfung ſeeliſchen Leidens zu bieten.“</p><lb/> <p>Sie zögerte — die ſonſt hellen Augen leuch-<lb/> teten dunkel vor innerer Sorge und Erregung.</p><lb/> <p>Was konnte ich anders tun, als die mich Be-<lb/> ſchwörende erfaſſen und verſtändnisvoll, ja rührend<lb/> ihren Druck zu erwidern! — Ich mußte da nun<lb/> ſchon ſehen, wie ich andernfalls aus dem Dilemma<lb/> herauskam. 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Marburger Zeitung.
Tagblatt.
Der Preis des Blattes beträgt:
Für Marburg monatlich 1 K 50 h. Bei Zuſtellung ins Haus
monatlich 40 h mehr.
Mit Poſtverſendung wie bisher:
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Erſcheint täglich um 5 Uhr abends.
Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr und von 5—6 Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.
Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.)
Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenemmen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.
Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.
Nr. 57 Donnerstag, 11. März 1915 54. Jahrgang
Die Bilanz der Champagneschlacht.
Neue Fortſchritte in Weſtgalizien und in den Karpathen. Deutſche Erfolge in Polen,
3000 Gekangene, 3 Geſchütze, 10 Maſchinengewehre. Griechenland bleibt neutral.
In der Champagne.
Marburg, 11. März.
Ein neuer Heldenſang, der aus der weinge-
ſegneten Champagne in die Welt brauſt! Karg iſt
das Große Deutſche Hauptquartier anſonſt mit
Wort und Lob und dann nur, wenn das Ge-
ſchehene rieſengroß, wenn der Heldenmut der Trup-
pen und die Kunſt der Führer über jedes Maß des
Gewohnten gigantiſch emporwuchs, dann zeichnet
der amtliche deutſche Griffel die Taten lebendiger
und uns iſt dann ein Einblick gegönnt in die
höchſten Wunder des Menſchentumes. So ſtiegen
vor uns einſt die Bilder auf von der erſten Schlacht
bei Mühlhauſen, wo Bayerns Kronprinz acht fran-
zöſiſche Armeekorps ſchlug, von den Rieſentrümmern
der Feſtungen von Belgien und Nordfrankreich —
und auch da noch waren die amtlichen Berichte
karg und kurz, gleichſam als ob ſie nur Selbſt-
verſtändlichkeiten wären, jene Taten, die ganz
Deutſchland und Öſterreich-Ungarn mit Jubel und
mit dem Geläute der Glocken erfüllten. Aber
lebensvoller und trotz ihrer Sachlichkeit alles Grauen
der Phantaſie erweckend und zugleich die Herzen
im gewaltigen Schwunge bis zu Himmelshöhen der
Empfindung reißend, waren die Schilderungen jener
Tage, da der Befreier Oſtpreußens bei Ortelsburg
und Tannenberg die Nordheere des Zaren ver-
nichtete und einen unendlichen Zug von mehr als
hunderttauſend Gefangenen nach Deutſchland führen
ließ. Wieder wars ein Heldenſang, der ſich auf den
Höhen von Soiſſons erhob, wo die deutſchen
Truppen die Stiefel im tiefen Lehme ſtecken laſſend,
barfuß über das Hochland von Craonne ſtürmten,
wo unterm Artilleriefeuer und vor den Bajonetten
der barfüſſigen Truppen, wie vom Schwerte St.
Michaels getrieben, die Reſte des Feindes in wahn-
ſinniger Flucht zur einzigen Rettung verheißenden
Brücke über die angeſchwollene und blutigrot ge-
färbte Aisne dahinſtürmend, 5000 Gefangene in
deutſchen Händen ließen. Und auch das furchtbare
Grauen der Kämpfe im weiten dichten Tann der
Argonnen ſtellte uns zuſammenfaſſend der deutſche
Bericht vor die Seele, jenes ſtille Heldentum in
Wald und Schlucht, bis in den Tagen des Feber
die neue erſchütternde Kunde kam von der Ver-
nichtung der ruſſiſchen 10. Armee, von jenem
Hexenkeſſel, in den der Befreier Oſtpreußens nach
neuntägiger Winterſchlacht die ruſſiſchen Diviſionen
zuſammentrieb und ihnen im Tale von Wolkuſch
jenes Ende bereitete, von dem einſt Kinder und
Kindeskinder ſingen und ſagen werden, wie von
jener unermeßlichen Kriegsbeute, die unerhört iſt
in der Geſchichte aller Zeiten. Nun aber rauſcht
aus den Gefilden der Champagne, die für hundert
Jahre mit dem Blute von vielen Tauſenden ge-
tränkt wurden, als ob für hundert Jahre dort
roter Wein und rote Roſen dem Boden entſprie-
ßen ſollten, ein neues, gewaltiges Heldenepos über
beide Kaiſerſtaaten dahin, der Ruhmesgeſang des
Rheinlandes und der von der Garde. Zwei ſchwache
rheiniſche Diviſionen, von Gardebataillonen unter-
ſtützt, hielten dort, wie der geſtrige Bericht des
deutſchen Hauptquartieres verkündet, durch mehr
als drei Wochen dem Anſturme ſechs vollausge-
füllter franzöſiſcher Armeekorps ſtand, durch mehr
als drei Wochen ſechsfacher feindlicher Übermacht
gegenüber, täglich und allnächtlich vom grauen-
haften Hagel der Granaten und von den Geſchoſſen
ſchwerer Artillerie überſchüttet, „oft mehr als
100.000 Schüſſe in vierundzwanzig Stunden“ und
dies alles in einer Front von nur acht Kilometern
Breite! Immer Sechs gegen Einen, Zwölf gegen
Zwei und dazu das vernichtende Feuer der ebenſo
überlegenen Artillerie des Feindes. Deutſchland
konnte ihnen keine Hilfe bringen, denn unendlich
lang iſt die Front vom Meere bis zur Schweiz
und in Polen wie in den Karpathen und in unſerer
Das Geheimnis der Brüder
Roman von J Fichtner.
21 (Nachdruck verboten.
„Wer weiß, ob es Ihnen gerade angenehm
ſein wird, was ich Ihnen zu ſagen habe. Mein
Mann wünſcht dringend, daß unſerer Tochter ge-
ſtattet ſein möge, in engeren Verkehr mit Ihrem
Fräulein Schwägerin zu treten. Er verſpricht ſich
den günſtigſten Einfluß auf die Gemütsſtimmung
meiner Tochter, die gegenwärtig ſehr deprimiert iſt.
Es beunruhigt ihn ſehr, daß ſie ſich jetzt ſo ſelbſt
überlaſſen iſt — wir haben ja noch Kinder, aber
ihre Ziele gehen weit auseinander und der Druck
der jetzigen Krankheit meines Mannes liegt ja auch
auf allen ſehr!“ Sie ſchwieg erwartungsvoll.
Ich hatte Zeit genug gehabt, über die mich
überraſchende Bitte nachzudenken, dennoch ſand
ich nicht das rechte Wort und war unſchlüſſig und
verwirrt.
„Meine Schwägerin iſt bedeutend älter als
Ihr Fräulein Tochter. Sollten ſich wirklich ihre
Charaktere ergänzen und gegenſeittg anziehen?“
„Gerade das glaubt mein Mann in dem
näheren Verkehr zu finden, er hofft einen Ausgleich
für beide. Ruhige Vernunft und unklare Jugend-
ſchwärmerei paſſen ſtets zuſammen, meint mein
Mann, und ich möchte ihm gerade jetzt nicht wider-
ſprechen!“
Mir war heiß geworden um den Kopf; ich
konnte es nicht hindern, daß ich unwillkürlich mit
der Hand durch mein Haar fuhr, wie ich in ver-
zweifelten Fällen immer zu tun pflegte.
Vor meinen Augen erhob ſich der glückliche
Vater mit ſeiner Bitte, mir den Sohn zuführen
zu dürfen, hier die unglückliche Mutter, die ihr
Kind von der Leidenſchaft retten wollte und un-
bewußt gerade das Gegenteil tat.
„Es iſt Ihnen nicht angenehm?“ ſagte ſie leiſe.
„Doch, doch!“ fuhr ich herum. „Im Gegen-
teil, es wird mir und meinen Damen ein beſonderes
Vergnügen ſein.“
„Darf ich ſie alſo zu Ihnen ſchicken? Oder
beſſer, würde Ihr Fräulein Schwägerin heut eine
Ausfahrt mit Erika machen?“ fiel ſie erfreut ein.
„Gewiß — wenn es Ihrem Fräulein Tochter
ſo beliebt!“ Es klang wohl ſteif und wenig ein-
ladend. Da fühlte ich plötzlich meine Hand ergriffen:
„Herr Doktor — meine Tochter iſt kein
fröhliches Kind mehr, ich bange um ſie — langge-
hegten Jugendträumen zu entſagen iſt nicht leicht
— wir alle wiſſen das ja vielfach aus eigener Er-
fahrung; ich bitte Sie, uns freundlichſt Ihre Hand
auch zur Bekämpfung ſeeliſchen Leidens zu bieten.“
Sie zögerte — die ſonſt hellen Augen leuch-
teten dunkel vor innerer Sorge und Erregung.
Was konnte ich anders tun, als die mich Be-
ſchwörende erfaſſen und verſtändnisvoll, ja rührend
ihren Druck zu erwidern! — Ich mußte da nun
ſchon ſehen, wie ich andernfalls aus dem Dilemma
herauskam. Fürs erſte ſuchte ich von dieſer Schwelle
fortzukommen, wo tauſend unſichtbare Fäden mich
umſpannen, um mich in das Netz zu ziehen, das
die dunklen Schickſalswirren zu weben begannen.
Schnell trat ich hinaus in den heiter lachen-
den Spätherbſttag.
Stürmiſche Fragen begrüßten mich, als ich zu
Hauſe ankam. Mir ſchien es gar, als wären Sophiens
hübſche Augen von Tränen gerötet — Ich hielt
es für geraten, das ungewöhnliche Intereſſe der
beiden Schweſtern nicht noch mehr anzufachen, ich
behielt alſo meine ſämtlichen Erlebniſſe für mich
und gedachte das Kommende ſo nach und nach dem
Zufall zu überlaſſen. Nur, daß Fräulein Franke
jedenfalls Sophie zu einer Ausfahrt abholen würde,
ließ ich ſo mir hinein fließen. Von dem gewünſchten
näheren Verkehr zu ſprechen, hatte ich weder Luſt
noch Laune, denn ich war ebenſo abgeſpannt wie
mißgeſtimmt und zog mich deshalb bald zurück,
den vielerlei Fagen ein für allemal dadurch vor-
beugend.
„Ich werde mich für alle Fälle bereit halten!“
rief mir Sophie noch nach, während ſie ſchon zum
erſtenmal durchs Fenſter ſah, um nach der Er-
warteten auszuſpähen.
Trotz dem inneren Mißbehagen hatte ich ein
paar Stunden gut geſchlaſen.
Ich trat ins Eßzimmer; ein Blick durchs
Fenſter belehrte mich, daß Sophie eben von ihrer
Ausfahrt zurückkehrte. Die Equipage fuhr eben
langſam vor. Die beiden Damen verabſchiedeten
ſich, Sophie in ihrer natürlich herzlichen Weiſe,
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