Marburger Zeitung. Nr. 59, Marburg, 26.05.1914.Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Postversendung: [Spaltenumbruch] Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Schluß für Einschaltungen Nr. 59 Dienstag, 26. Mai 1914 53. Jahrgang [Spaltenumbruch] An die geehrte Bevölkerung Marburgs! Innerhalb der Mauern der deutschen Um der Freude über den Burschen- Die Kaizlbriefe. In der Wiener Halbmonatsschrift Deutsch- Kaizl ließ sich während seiner Tätigkeit als Die Kaizlbriefe zeigen mit erschreckender Deut- Die Herausgabe der Kaizlbriefe ist den Tsche- [Spaltenumbruch] Fürstin Morrow. 12 (Nachdruck verboten.) "Wie steht es denn mit der Familie Ihres "Der Graf war nie verheiratet, soviel ich "Und seine Brüder, Schwestern, Vettern und "Ich sagte schon, daß er mit Großfürsten ver- "Sie reden Ihrem Freunde so warm das "Weil seine Gegenwart tatsächlich ein Gewinn [Spaltenumbruch] "Meinen Sie?" entgegnete die Fürstin zer- "Ja, ganz sicher! Allerdings spielt der Graf "Ah, er spielt?" "Meist allerdings mit entschiedenem Unglück. "So, er ist sehr reich? Wo liegen denn seine "Ich habe bisher noch nicht Gelegenheit ge- Die Oper neigte sich ihrem Ende zu. Mit Graf Astrachow lächelte etwas spöttisch, dann "Ich bin mit Ihrer Empfehlung zufrieden, "Ah, vortrefflich, gnädige Fürstin!" "Sie sehen, daß Ihre Empfehlung bei mir et- [Spaltenumbruch] "Dafür spreche ich Ihnen meinen verbindlichsten "Auf Wiedersehen!" "Bitte, noch eine Frage, gnädige Fürstin!" "Und -- nun?" "Wann, wo und wie soll ich Ihnen den Grafen "Ich werde Ihnen eine Einladung zu meinem "Ich werde dort erscheinen, gnädige Fürstin, "O, dann schlägt er meine wohl auch aus!" "Nicht daran zu denken! Ich werde die Ein- Man trennte sich. Die Fürstin durchschritt die Reihe ihrer Diener, VI. Den folgenden Morgen brachte die Fürstin Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Poſtverſendung: [Spaltenumbruch] Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von [Spaltenumbruch] Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von Schluß für Einſchaltungen Nr. 59 Dienstag, 26. Mai 1914 53. Jahrgang [Spaltenumbruch] An die geehrte Bevölkerung Marburgs! Innerhalb der Mauern der deutſchen Um der Freude über den Burſchen- Die Kaizlbriefe. In der Wiener Halbmonatsſchrift Deutſch- Kaizl ließ ſich während ſeiner Tätigkeit als Die Kaizlbriefe zeigen mit erſchreckender Deut- Die Herausgabe der Kaizlbriefe iſt den Tſche- [Spaltenumbruch] Fürſtin Morrow. 12 (Nachdruck verboten.) „Wie ſteht es denn mit der Familie Ihres „Der Graf war nie verheiratet, ſoviel ich „Und ſeine Brüder, Schweſtern, Vettern und „Ich ſagte ſchon, daß er mit Großfürſten ver- „Sie reden Ihrem Freunde ſo warm das „Weil ſeine Gegenwart tatſächlich ein Gewinn [Spaltenumbruch] „Meinen Sie?“ entgegnete die Fürſtin zer- „Ja, ganz ſicher! Allerdings ſpielt der Graf „Ah, er ſpielt?“ „Meiſt allerdings mit entſchiedenem Unglück. „So, er iſt ſehr reich? Wo liegen denn ſeine „Ich habe bisher noch nicht Gelegenheit ge- Die Oper neigte ſich ihrem Ende zu. Mit Graf Aſtrachow lächelte etwas ſpöttiſch, dann „Ich bin mit Ihrer Empfehlung zufrieden, „Ah, vortrefflich, gnädige Fürſtin!“ „Sie ſehen, daß Ihre Empfehlung bei mir et- [Spaltenumbruch] „Dafür ſpreche ich Ihnen meinen verbindlichſten „Auf Wiederſehen!“ „Bitte, noch eine Frage, gnädige Fürſtin!“ „Und — nun?“ „Wann, wo und wie ſoll ich Ihnen den Grafen „Ich werde Ihnen eine Einladung zu meinem „Ich werde dort erſcheinen, gnädige Fürſtin, „O, dann ſchlägt er meine wohl auch aus!“ „Nicht daran zu denken! Ich werde die Ein- Man trennte ſich. Die Fürſtin durchſchritt die Reihe ihrer Diener, VI. 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Marburger Zeitung.
Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.
Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.
Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.
Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr und von 5—6 Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.
Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.)
Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.
Schluß für Einſchaltungen
Dienstag, Donnerstag. Samstag 10 Uhr vormittags.
Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.
Nr. 59 Dienstag, 26. Mai 1914 53. Jahrgang
An die geehrte
Bevölkerung Marburgs!
Innerhalb der Mauern der deutſchen
Drauſtadt wird heuer von den Burſchen-
ſchaftern der Oſtmark der Burſchenſchafter-
tag abgehalten werden. Viele hundert alte
und junge Burſchenſchafter werden am nächſten
Freitag, Samstag und Sonntag in unſerer
Stadt verweilen und deutſche Gemeinbürg-
ſchaft zum Ausdrucke bringen.
Um der Freude über den Burſchen-
ſchaftertag in Marburg auch äußerlich Aus-
druck zu geben, richte ich an die Bevölkerung
unſerer Stadt die freundliche Bitte, die
Häuſer an dieſen Tagen beflaggen zu wollen.
Dr. Johann Schmiderer
Bürgermeiſter.
Die Kaizlbriefe.
In der Wiener Halbmonatsſchrift Deutſch-
Öſterreich werden die von uns ſchon beſprochenen
Kaizlbriefe, deren Veröffentlichung die gegenwärtige
politiſche Senſation darſtellt, einer Betrachtung
unterzogen, der wir folgende Stellen entnehmen:
Kaizl ließ ſich während ſeiner Tätigkeit als
Finanzminiſter ausſchließlich von nationalen Geſichts-
punkten leiten. Er betreute die öſterreichiſchen Fi-
nanzen nicht um ihrer ſelbſt willen, nicht der Ehr-
geiz, die beſte Finanzverwaltung zu haben, war
die Triebfeder ſeiner Amtstätigkeit — maßgebend
für ihn war allein die nationale Beutepolitik! Der
Geſamtſtaat iſt dieſem Manne gleichgültig, er fühlt
ſich nicht als Öſterreicher, ſondern als Tſcheche,
ſeine Sorge gilt einzig und allein ſeiner Nation.
Öſterreichiſcher Finanzminiſter iſt er nur geworden,
um ungehindert nationale Beutezüge zu machen.
Die Kaizlbriefe zeigen mit erſchreckender Deut-
lichkeit, daß die tſchechiſchen parlamentariſchen
Miniſter und hohen Beamten eigentlich nichts ſind,
als die Vollzugsorgane einer organiſierten tſchechi-
ſchen Verſorgungsanſtalt, daß ihnen der Staat
nicht Selbſtzweck, ſondern nur Mittel zur Erreichung
nationaler Zwecke iſt, eine Maſchine, deren Kräfte
man gegen die Deutſchen verwenden könne. Nicht
ein Quentchen öſterreichiſchen Staatsgefühls iſt in
dieſen Männern vorhanden — alles betrachten ſie,
alles behandeln ſie aus dem engen Geſichtswinkel
der tſchechiſchen Volksintereſſen — Öſterreich iſt
ihnen nur ein Anhängſel an das tſchechiſche Sprach-
gebiet, ein Beutegebiet für die tſchechiſche Expanſion.
Der Begriff „Allgemeinheit“ iſt bei dieſen Männern
ganz altteſtamentariſch beſchränkt auf die eigene
Nation. Rückſichten auf Kaiſer und Reich nehmen
ſie nur dann, wenn ihnen daraus ein nationaler
Vorteil erwächſt. Kaizl iſt ein Gegner des Huß-
denkmals, verärgert über die panſlawiſtiſchen Trei-
bereien in Prag — nicht aus Patriotismus, ſondern
einzig und allein aus Furcht, dadurch die Sym-
pathien der Krone zu verlieren. Kaizl begnügt ſich
aber nicht mit der Rolle eines Vollzugsorganes, er
fordert ſelbſt zum Widerſtande gegen die geltende
Verwaltung auf, er revoltiert die Gemeinden und
die Ämter gegen die noch geltende ſprachliche Übung.
Der k. k. Miniſter als nationaler Agent provocateur
erinnert bedenklich an ruſſiſche Vorbilder, wie denn
überhaupt Kaizl’s und ſeiner Freunde Auffaſſungs-
weiſe ſehr öſtlich anmutet. Daraus darf nicht der
Vorwurf moraliſcher Minderwertigkeit abgeleitet
werden — wohl aber die Feſtſtellung, daß die
Tſchechen die für die Verwaltung großen Stiles
nötige Objektivität nicht beſitzen; denn ihre natio-
nale Auffaſſung iſt eine alle Rückſichten auf andere
Nationen ausſchließende. Hierin liegt ja auch ihre
Stärke, hierin iſt ihre Opferwilligkeit begründet.
Faſt könnte man ſie einen großen Clan nach ſchot-
tiſchem Sprachgebrauche nennen.
Die Herausgabe der Kaizlbriefe iſt den Tſche-
chen ſehr unangenehm. Sie werden eine geradezu
aufrüttelnde Wirkung auf alle jene Elemente aus-
üben, denen der Staat denn doch noch mehr iſt
als ein Weidegebiet für die endloſen Scharen ver-
ſorgungsbedürftiger tſchechiſcher Beamten und An-
geſtellten. Sie werden aber auch der noch immer
nicht ausgeſtorbenen öſterreichiſch geſinnten Bureau-
kratie das Rückgrat ſtärken und ſie ermutigen, der
nationalpolitiſchen Korruption der Verwaltung ent-
gegenzutreten. Wir raten ihnen dringend die Flucht
in die Öffentlichkeit an — das Echo wird dank
den Kaizlbriefen ein ſtarkes ſein. Auch das Par-
lament wird dieſe hiſtoriſch bedeutſame Veröffent-
lichung einer Beſprechung unterziehen müſſen.
Fürſtin Morrow.
Roman von Karl Meiſner.
12 (Nachdruck verboten.)
„Wie ſteht es denn mit der Familie Ihres
Freundes?“ fragte ſie.
„Der Graf war nie verheiratet, ſoviel ich
weiß.“
„Und ſeine Brüder, Schweſtern, Vettern und
ſonſtigen Anverwandten?“
„Ich ſagte ſchon, daß er mit Großfürſten ver-
kehrt. Allerdings, ich verſtehe, gnädige Fürſtin, was
Sie meinen. Der Lebenswandel einiger unſerer
Großfürſten iſt gerade nicht ſonderlich einwandfrei,
und ihr Verkehr entſpricht häufig durchaus nicht
ihrem Stande. Sie ſind eben ſkrupellos in jeder
Beziehung. Doch laſſen wir dies unerquickliche
Thema, das noch dazu gefährlich iſt, da in unſerem
heiligen Rußland leider leicht ein Ohr des Ver-
räters und Lauſchers Gehör findet. — Graf
Aſtrachow iſt der letzte Träger ſeines Namens.
Weder in der Armeeliſte noch in den Liſten unſeres
heimiſchen Adels findet ſich auch nur ein Namens-
vetter von ihm. Aber Sie können ſich darauf ver-
laſſen, er iſt von untadeligem Ruf, und ſeine ge-
ſellſchaftliche Bildung iſt volllommen.“
„Sie reden Ihrem Freunde ſo warm das
Wort!“
„Weil ſeine Gegenwart tatſächlich ein Gewinn
für unſere Geſellſchaften wäre.“
„Meinen Sie?“ entgegnete die Fürſtin zer-
ſtrent, da ihre Gedanken momentan ganz wo anders
weilten.
„Ja, ganz ſicher! Allerdings ſpielt der Graf
ſehr hoch.“
„Ah, er ſpielt?“
„Meiſt allerdings mit entſchiedenem Unglück.
Das Spiel iſt die einzige Leidenſchaft, der er fröhnt.
Das ſchadet aber nichts weiter, da er ein ſehr
großes Vermögen beſitzt.“
„So, er iſt ſehr reich? Wo liegen denn ſeine
Güter?“
„Ich habe bisher noch nicht Gelegenheit ge-
nommen, mich darüber zu orientieren.“
Die Oper neigte ſich ihrem Ende zu. Mit
großer Aufmerkſamkeit lauſchte man, bis die letzten
Töne verklungen waren. Als der Vorhang ſiel,
klatſchte das Publikum wie raſend Beifall.
Graf Aſtrachow lächelte etwas ſpöttiſch, dann
erhob er ſich, grüßte leicht nach der Loge der Für-
ſtin herüber und verſchwand im Gedränge des den
Garderoben zuſtrömenden Publikums. Auch Ale-
xandra erhob ſich und verließ langſam mit ihrem
Begleiter die Loge. Schon im Korridor flüſterte
ſie ihm zu:
„Ich bin mit Ihrer Empfehlung zufrieden,
führen Sie Ihren Freund bei mir ein.“
„Ah, vortrefflich, gnädige Fürſtin!“
„Sie ſehen, daß Ihre Empfehlung bei mir et-
was gilt.“
„Dafür ſpreche ich Ihnen meinen verbindlichſten
Dank aus.“
„Auf Wiederſehen!“
„Bitte, noch eine Frage, gnädige Fürſtin!“
„Und — nun?“
„Wann, wo und wie ſoll ich Ihnen den Grafen
vorſtellen?“
„Ich werde Ihnen eine Einladung zu meinem
erſten Ball überſenden. Übrigens, werden Sie mit
Ihrem Freunde den Ball des Statthalters auch be-
ſuchen?“
„Ich werde dort erſcheinen, gnädige Fürſtin,
aber Graf Aſtrachow nicht. Er hat, wie ich gehört
habe, die Einladung beſtimmt abgelehnt.“
„O, dann ſchlägt er meine wohl auch aus!“
„Nicht daran zu denken! Ich werde die Ein-
ladung ſehr diplomatiſch vermitteln, verlaſſen Sie
ſich ganz auf mich. Übrigens, in Ihren Salons
wird ja geſpielt — — der Graf wird dann er-
ſcheinen!“
Man trennte ſich.
Die Fürſtin durchſchritt die Reihe ihrer Diener,
die mit Laternen verſehen waren, beſtieg den Wagen
und fuhr ihrem Palaſte zu. Die perſönliche Be-
kanntſchaft mit dem Grafen Aſtrachow konnte für
ſie von unſchätzbarem Vorteil werden. Nur hegte
ſie Befürchtung, der Graf möchte doch noch ihren
Ball nicht beſuchen.
VI.
Den folgenden Morgen brachte die Fürſtin
mit dem Schreiben verſchiedener Briefe zu.
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(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
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