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Marburger Zeitung. Nr. 79, Marburg, 30.06.1904.

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Marburger Zeitung.



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Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zustellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Postversendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur schriftlichen Abbestellung.


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Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11--12 Uhr vorm. und von 5--6 Uhr nachm. Postgasse 4.

Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon-Nr. 24.)


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Einschaltungen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
Inseratenpreis: Für die 5mal gespaltene Zeile 12 h, be[i]
Wiederholung bedeut. Nachlaß, Schluß für Einschaltungen
Dienstag, Donnerstag, Samstag mittags. Manuskripte
werden nicht zurückgegeben. Die Einzelnummer kostet 10 h.




Nr. 79 Donnerstag, 30. Juni 1904 43. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Abonnements-Einladung.

Anläßlich des Quartalschlusses erlauben wir
uns, die deutsche Bevölkerung von Marburg und
Untersteiermark zum Bezuge unseres Blattes ein-
zuladen. Gänzlich unabhängig, wird die "Marburger
Zeitung" stets wie bisher für die Interessen der
deutschen Bevölkerung eintreten und durch Reich-
haltigkeit des Stoffes den Leser nach jeder Richtung
hin befriedigen. Soll eine Zeitung im hartbedrängten
Unterlande ihrer nationalen Aufgabe voll und ganz
genügen, dann bedarf sie auch der Unterstützung der
national gesinnten Bevölkerung.

Die Schriftleitung und Verwaltung
der
"Marburger Zeitung".




Geschäfte mit der Regierung.

Der Stern der Jungtschechen muß sich schon
ersichtlich zum Abende neigen, wenn die Alttschechen
offen gegen die jungtschechische Obstruktionspolitik
Stellung nehmen. Der Abg. Mattusch, dem die
Politik eine gut dotierte Finanzstellung gebracht
hat, erklärt sich in einer Monatsschrift für das Ab-
gehen von der tschechischen Obstruktion, die alle
ihre Zwecke versehlt habe. Ein Wechsel in der
Taktik, meint er, kann nicht als Kapitulation be-
trachtet werden. Das ist um so richtiger, als ja
niemand nachweisen kann, was denn die Tschechen
eigentlich verlieren, wenn sie die Obstruktion auf-
geben, oder was denn für schreckliche Folgen in
diesem Falle für das Tschechentum eintreten, abge-
sehen von der Blamage für die Jungtschechen, die
[Spaltenumbruch] ihre ganze Politik auf die Obstruktion gestellt
haben und durch Verlassen derselben das Einge-
ständnis machen würden, daß die glänzenden Ver-
sprechungen, welche sie dem Volke von dieser
Taktik vorgespiegelt haben, nicht in Erfüllung ge-
gangen sind und daß sie selbst, die Jungtschechen
nämlich, endgiltig an dem Erfolge dieser Taktik
verzweifeln. Allein eine Blamage der Jungtschechen
ist noch lange kein nationales Unglück für das
Tschechentum, was endlich auch das tschechische
Volk, das noch immer auf die Vorspiegelungen
eines Kramarsch und Herold etwas gibt, ein-
sehen wird.

Aber auch Dr. Mattusch möchte aus der
Obstruktion, die er verlassen sehen will, noch einigen
Profit, oder besser gesagt, so viel Profit als nur
möglich herausschlagen. Da das Festhalten an der
Obstruktion nichts getragen hat, soll das Abspringen
von derselben den Tschechen Gewinn bringen. Dr.
Mattusch ist nun so gnädig, Kredit zu geben,
während die Jungtschechen Vorauszahlung haben
wollen. "Wenn nun innerhalb eines bestimmten
Termines", diktiert der Alttscheche Dr. Mattusch,
"den dringendsten Forderungen der Tschechen nicht
Genüge geleistet sein sollte, und wenn bei Aufnahme
dieser neuen Taktik nicht gleichzeitig die Deutschen
die Obstruktion im böhmischen Landtage einstellen
sollten, dann hätten die böhmischen Abgeordneten
wieder freie Hand ...." d. h. sie könnten mit
der Obstruktion abermals einsetzen. Dr. Mattusch
diktiert also gerade so, wie die Jungtschechen dik-
tieren, was sie als "ihre dringenden Forderungen"
ansehen wollen, wahrscheinlich noch Einiges mehr
[Spaltenumbruch] als die innere Amtssprache und die mährische Uni-
versität; sie diktieren den Termin, bis zu welchem
diese zwei, drei oder zehn Forderungen erfüllt sein
müssen; sie diktieren insbesondere, daß die Deutschen
sofort ihre Obstruktion im Landtage aufzugeben haben.

Unter diesen Umständen fällt einem wirklich
die Wahl zwischen den Alt- und Jungtschechen
schwer. Was die einen und was die anderen fordern,
das ist sozusagen "gehupft wie gesprungen". Herr
v. Koerber mag daraus ersehen, wie wenig ihm ein
Abgehen der Tschechen von der Obstruktion, für
die er sich abrackert, eigentlich eintrüge. Er hätte
nur die Wahl zwischen der tatsächlichen Obstruktion
und der ewig drohenden Obstruktion, die jeden
Augenblick wieder tatsächlich werden könnte. Eine
österreichische Regierung müßte daraus die Lehre
ziehen, daß die Tschechen ganz anders behandelt
werden müssen, als mit dem endlos gewordenen
Bestreben, die Tschechen zum Aufgeben der jeweils
einander in holdem Reigen folgenden Obstruktionen
zu bestimmen, daß Tatsachen geschaffen werden
müssen, welche den Tschechen den stets geladenen
Obstruktions-Revolver aus der Hand schlagen, und
sie bestimmen, ohne Shylok-Schein und Shylok-
Messer im Gürtel an der Weiterentwicklung Oester-
reichs einträchtig mit den anderen Stämmen mit-
zuwirken. Das Diktieren muß den Tschechen endlich
verleidet werden, den Jungtschechen, den Alttschechen
und den anderen, die allesammt von derselben
Diktier- und Profitierwut besessen sind.

Den Deutschen in Oesterreich ist es längst
gleichgiltig, ob die Tschechen obstruieren oder nicht
obstruieren; sie wachen darüber, daß den Tschechen




[Spaltenumbruch]
Nachdruck verboten.
Edle Rache.
(Fortsetzung.)

"Was Du klug bist, Iwanchen! Du heißt ja
wohl Iwan, mein Söhnchen!" sagte Peter Petro-
witsch wohlgefällig. "Jawohl, wir wollen ins
Quartier zurück und eine reitende Patrouille nach-
schicken. Zum Glück ist auch die Panna Jeliska
noch da, um die ganze Zeche zu bezahlen. Gewehr
über! Marsch!"

Der würdige Kapitän hatte natürlich keine
Ahnung davon, daß die Panna Jeliska schon vor-
beigefahren war, als er bei den verkehrten Fußstapfen
mit Ischar die Kriegslist der Rebellen studiert hatte.
Sie war, als Adlerheim sich von ihr verabschiedet
hatte, schnell mit sich einig geworden, dessen Rat
zu befolgen und nach Sareweo zu fahren. Isaak
holte aus dem Nachbargehöft den Bauernsohn, der
gern bereit war, in diesen schlechten Zeiten für guten
Lohn die Rolle des Kutschers zu übernehmen, und
auf diese Weise glückte es der Panna Jeliska, früh
genug aufzubrechen, um der Begegnung mit Peter
Petrowitsch entgehen zu können. Sie langte auch
ohne ein Abenteuer an der Grenze an. Bei der
Annäherung des Wagens zeigte sich zwar eine Ko-
sakenpatrouille, aber der Führer sah nur in den-
selben hinein und ritt, als er die einsame Dame
und den jugendlichen Kutscher gewahrte, die er
beide für unverdächtig halten mußte, mit einem flüch-
tigen Gruße weiter.


[Spaltenumbruch]

Es war in der zehnten Stunde, als sie die
Grenze passierten, und die Panna, die zu übergroßer
Eile keinen Grund mehr hatte, beschloß, im nächsten
Städtchen zu übernachten. Dasselbe war bald er-
reicht, und wenn es auch nicht viel größer war als
ein ansehnliches Kirchdorf, so besaß es doch einen
wirklichen Gasthof, in dem eine Dame einkehren
konnte. Der Wirt war ausnahmsweise kein Jude
und die Frau Wirtin eine junge, dralle und zutun-
liche Person, die der Panna Jeliska, als sie ein-
trat, sofort ihre ganze Wirtschaft zur Verfügung
stellte und zur Empfehlung derselben ihr mit-
teilte, daß der Ortsrichter, der Bürgermeister und
andere Notabilitäten des Städtchens soeben erst
fortgegangen wären und allabendlich in der Gast-
stube sich mit Kartenspiel zu unterhalten pflegten.
Die Panna verlangte für sich nur ein Glas Warm-
bier, stellte aber frei, dem Kutscher alles zu geben,
was in Küche und Keller für eine gute Mahlzeit
bereit sei. Der Frau Wirtin kam diese Anordnung
ganz recht, denn, kalkulierte sie, dem jungen Men-
schen ist es eher zu gönnen, als der gnädigen Frau,
wenn ihm etwas Gutes vorgesetzt wird, außerdem
aber ißt und trinkt er, wenn er es dazu hat, min-
destens dreimal so viel, als diese. Mit dem Wohl-
wollen, das bei diesem Gedanken in ihr Herz ein-
zog, versicherte sie auch, daß sie in dem Zimmer,
welches für die gnädige Frau geheizt werde, selbst
die Ofenklappe zumachen wolle, wenn das letzte
Flämmchen verglimmt sei; man könne ja nicht vor-
sichtig genug sein, erst in voriger Woche sei im
Nachbarstädtchen durch den Leichtsinn des Dienst-
mädchens im Gasthof zum Doppeladler ein Vieh-
[Spaltenumbruch] händler erstickt, der in der Heimat eine Frau und
sechs unmündige Kinder habe. Es sei schrecklich,
aber in ihrer Wirtschaft könne solche Ruchlosigkeit
schlechterdings nicht vorkommen. Sie ging hinaus,
um in der Küche die nötigen Anordnungen zu
treffen, der Wirt desgleichen, um die Haustür zu
schließen, was stets mit dem Glockenschlag zehn
geschah, und die Panna nahm im Lehnstuhl am
Ofen Platz, um ihren trüben Gedanken nachzuhän-
gen. Auf dem Schemel, der an der anderen Seite
des Ofens stand, lag eine große graue Katze, die
den Kopf zwischen die Hinterpfoten gesteckt hatte
und gemütlich schnurrte, die Wanduhr machte ihren
einförmigen und melancholischen Tiktak, die Lampe
auf dem Tische verbreitete in dem ziemlich großen
Zimmer nur einen Dämmerschein: es paßte alles
so schön und fast wohltuend zu ihrer Stimmung,
daß sie unwillkürlich die Augen schloß und ermüdet,
wie sie war, in eine Art Halbschlummer sank, in
dem sie aber alsbald durch ein heftiges Klopfen an
die Haustür gestört wurde. Sie fuhr empor und
hörte, wie der Wirt mit dem, der Einlaß begehrte,
einige Worte wechselte und die Tür wieder auf-
schloß. Gleich darauf kam auch schon die Wirtin
ins Zimmer und schrie zum Gotterbarmen: "Jesus,
Maria, sie schleppen mir einen Verwundeten ins
Haus und ich soll dazu mein bestes, mein eigenes
Gemach hergeben!"

Die Panna hatte sich erhoben. "Wer?
Wo?", fragte sie, von einer Ahnung ergriffen,
daß der Verwundete Stephan sei und zugleich in
Furcht erbebend, daß er bis auf den Tod getroffen
sein könne.


Marburger Zeitung.



[Spaltenumbruch]

Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Poſtverſendung:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.


[Spaltenumbruch]

Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)


[Spaltenumbruch]

Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, be[i]
Wiederholung bedeut. Nachlaß, Schluß für Einſchaltungen
Dienstag, Donnerstag, Samstag mittags. Manuſkripte
werden nicht zurückgegeben. Die Einzelnummer koſtet 10 h.




Nr. 79 Donnerstag, 30. Juni 1904 43. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Abonnements-Einladung.

Anläßlich des Quartalſchluſſes erlauben wir
uns, die deutſche Bevölkerung von Marburg und
Unterſteiermark zum Bezuge unſeres Blattes ein-
zuladen. Gänzlich unabhängig, wird die „Marburger
Zeitung“ ſtets wie bisher für die Intereſſen der
deutſchen Bevölkerung eintreten und durch Reich-
haltigkeit des Stoffes den Leſer nach jeder Richtung
hin befriedigen. Soll eine Zeitung im hartbedrängten
Unterlande ihrer nationalen Aufgabe voll und ganz
genügen, dann bedarf ſie auch der Unterſtützung der
national geſinnten Bevölkerung.

Die Schriftleitung und Verwaltung
der
„Marburger Zeitung“.




Geſchäfte mit der Regierung.

Der Stern der Jungtſchechen muß ſich ſchon
erſichtlich zum Abende neigen, wenn die Alttſchechen
offen gegen die jungtſchechiſche Obſtruktionspolitik
Stellung nehmen. Der Abg. Mattuſch, dem die
Politik eine gut dotierte Finanzſtellung gebracht
hat, erklärt ſich in einer Monatsſchrift für das Ab-
gehen von der tſchechiſchen Obſtruktion, die alle
ihre Zwecke verſehlt habe. Ein Wechſel in der
Taktik, meint er, kann nicht als Kapitulation be-
trachtet werden. Das iſt um ſo richtiger, als ja
niemand nachweiſen kann, was denn die Tſchechen
eigentlich verlieren, wenn ſie die Obſtruktion auf-
geben, oder was denn für ſchreckliche Folgen in
dieſem Falle für das Tſchechentum eintreten, abge-
ſehen von der Blamage für die Jungtſchechen, die
[Spaltenumbruch] ihre ganze Politik auf die Obſtruktion geſtellt
haben und durch Verlaſſen derſelben das Einge-
ſtändnis machen würden, daß die glänzenden Ver-
ſprechungen, welche ſie dem Volke von dieſer
Taktik vorgeſpiegelt haben, nicht in Erfüllung ge-
gangen ſind und daß ſie ſelbſt, die Jungtſchechen
nämlich, endgiltig an dem Erfolge dieſer Taktik
verzweifeln. Allein eine Blamage der Jungtſchechen
iſt noch lange kein nationales Unglück für das
Tſchechentum, was endlich auch das tſchechiſche
Volk, das noch immer auf die Vorſpiegelungen
eines Kramarſch und Herold etwas gibt, ein-
ſehen wird.

Aber auch Dr. Mattuſch möchte aus der
Obſtruktion, die er verlaſſen ſehen will, noch einigen
Profit, oder beſſer geſagt, ſo viel Profit als nur
möglich herausſchlagen. Da das Feſthalten an der
Obſtruktion nichts getragen hat, ſoll das Abſpringen
von derſelben den Tſchechen Gewinn bringen. Dr.
Mattuſch iſt nun ſo gnädig, Kredit zu geben,
während die Jungtſchechen Vorauszahlung haben
wollen. „Wenn nun innerhalb eines beſtimmten
Termines“, diktiert der Alttſcheche Dr. Mattuſch,
„den dringendſten Forderungen der Tſchechen nicht
Genüge geleiſtet ſein ſollte, und wenn bei Aufnahme
dieſer neuen Taktik nicht gleichzeitig die Deutſchen
die Obſtruktion im böhmiſchen Landtage einſtellen
ſollten, dann hätten die böhmiſchen Abgeordneten
wieder freie Hand ....“ d. h. ſie könnten mit
der Obſtruktion abermals einſetzen. Dr. Mattuſch
diktiert alſo gerade ſo, wie die Jungtſchechen dik-
tieren, was ſie als „ihre dringenden Forderungen“
anſehen wollen, wahrſcheinlich noch Einiges mehr
[Spaltenumbruch] als die innere Amtsſprache und die mähriſche Uni-
verſität; ſie diktieren den Termin, bis zu welchem
dieſe zwei, drei oder zehn Forderungen erfüllt ſein
müſſen; ſie diktieren insbeſondere, daß die Deutſchen
ſofort ihre Obſtruktion im Landtage aufzugeben haben.

Unter dieſen Umſtänden fällt einem wirklich
die Wahl zwiſchen den Alt- und Jungtſchechen
ſchwer. Was die einen und was die anderen fordern,
das iſt ſozuſagen „gehupft wie geſprungen“. Herr
v. Koerber mag daraus erſehen, wie wenig ihm ein
Abgehen der Tſchechen von der Obſtruktion, für
die er ſich abrackert, eigentlich eintrüge. Er hätte
nur die Wahl zwiſchen der tatſächlichen Obſtruktion
und der ewig drohenden Obſtruktion, die jeden
Augenblick wieder tatſächlich werden könnte. Eine
öſterreichiſche Regierung müßte daraus die Lehre
ziehen, daß die Tſchechen ganz anders behandelt
werden müſſen, als mit dem endlos gewordenen
Beſtreben, die Tſchechen zum Aufgeben der jeweils
einander in holdem Reigen folgenden Obſtruktionen
zu beſtimmen, daß Tatſachen geſchaffen werden
müſſen, welche den Tſchechen den ſtets geladenen
Obſtruktions-Revolver aus der Hand ſchlagen, und
ſie beſtimmen, ohne Shylok-Schein und Shylok-
Meſſer im Gürtel an der Weiterentwicklung Oeſter-
reichs einträchtig mit den anderen Stämmen mit-
zuwirken. Das Diktieren muß den Tſchechen endlich
verleidet werden, den Jungtſchechen, den Alttſchechen
und den anderen, die alleſammt von derſelben
Diktier- und Profitierwut beſeſſen ſind.

Den Deutſchen in Oeſterreich iſt es längſt
gleichgiltig, ob die Tſchechen obſtruieren oder nicht
obſtruieren; ſie wachen darüber, daß den Tſchechen




[Spaltenumbruch]
Nachdruck verboten.
Edle Rache.
(Fortſetzung.)

„Was Du klug biſt, Iwanchen! Du heißt ja
wohl Iwan, mein Söhnchen!“ ſagte Peter Petro-
witſch wohlgefällig. „Jawohl, wir wollen ins
Quartier zurück und eine reitende Patrouille nach-
ſchicken. Zum Glück iſt auch die Panna Jeliska
noch da, um die ganze Zeche zu bezahlen. Gewehr
über! Marſch!“

Der würdige Kapitän hatte natürlich keine
Ahnung davon, daß die Panna Jeliska ſchon vor-
beigefahren war, als er bei den verkehrten Fußſtapfen
mit Iſchar die Kriegsliſt der Rebellen ſtudiert hatte.
Sie war, als Adlerheim ſich von ihr verabſchiedet
hatte, ſchnell mit ſich einig geworden, deſſen Rat
zu befolgen und nach Sareweo zu fahren. Iſaak
holte aus dem Nachbargehöft den Bauernſohn, der
gern bereit war, in dieſen ſchlechten Zeiten für guten
Lohn die Rolle des Kutſchers zu übernehmen, und
auf dieſe Weiſe glückte es der Panna Jeliska, früh
genug aufzubrechen, um der Begegnung mit Peter
Petrowitſch entgehen zu können. Sie langte auch
ohne ein Abenteuer an der Grenze an. Bei der
Annäherung des Wagens zeigte ſich zwar eine Ko-
ſakenpatrouille, aber der Führer ſah nur in den-
ſelben hinein und ritt, als er die einſame Dame
und den jugendlichen Kutſcher gewahrte, die er
beide für unverdächtig halten mußte, mit einem flüch-
tigen Gruße weiter.


[Spaltenumbruch]

Es war in der zehnten Stunde, als ſie die
Grenze paſſierten, und die Panna, die zu übergroßer
Eile keinen Grund mehr hatte, beſchloß, im nächſten
Städtchen zu übernachten. Dasſelbe war bald er-
reicht, und wenn es auch nicht viel größer war als
ein anſehnliches Kirchdorf, ſo beſaß es doch einen
wirklichen Gaſthof, in dem eine Dame einkehren
konnte. Der Wirt war ausnahmsweiſe kein Jude
und die Frau Wirtin eine junge, dralle und zutun-
liche Perſon, die der Panna Jeliska, als ſie ein-
trat, ſofort ihre ganze Wirtſchaft zur Verfügung
ſtellte und zur Empfehlung derſelben ihr mit-
teilte, daß der Ortsrichter, der Bürgermeiſter und
andere Notabilitäten des Städtchens ſoeben erſt
fortgegangen wären und allabendlich in der Gaſt-
ſtube ſich mit Kartenſpiel zu unterhalten pflegten.
Die Panna verlangte für ſich nur ein Glas Warm-
bier, ſtellte aber frei, dem Kutſcher alles zu geben,
was in Küche und Keller für eine gute Mahlzeit
bereit ſei. Der Frau Wirtin kam dieſe Anordnung
ganz recht, denn, kalkulierte ſie, dem jungen Men-
ſchen iſt es eher zu gönnen, als der gnädigen Frau,
wenn ihm etwas Gutes vorgeſetzt wird, außerdem
aber ißt und trinkt er, wenn er es dazu hat, min-
deſtens dreimal ſo viel, als dieſe. Mit dem Wohl-
wollen, das bei dieſem Gedanken in ihr Herz ein-
zog, verſicherte ſie auch, daß ſie in dem Zimmer,
welches für die gnädige Frau geheizt werde, ſelbſt
die Ofenklappe zumachen wolle, wenn das letzte
Flämmchen verglimmt ſei; man könne ja nicht vor-
ſichtig genug ſein, erſt in voriger Woche ſei im
Nachbarſtädtchen durch den Leichtſinn des Dienſt-
mädchens im Gaſthof zum Doppeladler ein Vieh-
[Spaltenumbruch] händler erſtickt, der in der Heimat eine Frau und
ſechs unmündige Kinder habe. Es ſei ſchrecklich,
aber in ihrer Wirtſchaft könne ſolche Ruchloſigkeit
ſchlechterdings nicht vorkommen. Sie ging hinaus,
um in der Küche die nötigen Anordnungen zu
treffen, der Wirt desgleichen, um die Haustür zu
ſchließen, was ſtets mit dem Glockenſchlag zehn
geſchah, und die Panna nahm im Lehnſtuhl am
Ofen Platz, um ihren trüben Gedanken nachzuhän-
gen. Auf dem Schemel, der an der anderen Seite
des Ofens ſtand, lag eine große graue Katze, die
den Kopf zwiſchen die Hinterpfoten geſteckt hatte
und gemütlich ſchnurrte, die Wanduhr machte ihren
einförmigen und melancholiſchen Tiktak, die Lampe
auf dem Tiſche verbreitete in dem ziemlich großen
Zimmer nur einen Dämmerſchein: es paßte alles
ſo ſchön und faſt wohltuend zu ihrer Stimmung,
daß ſie unwillkürlich die Augen ſchloß und ermüdet,
wie ſie war, in eine Art Halbſchlummer ſank, in
dem ſie aber alsbald durch ein heftiges Klopfen an
die Haustür geſtört wurde. Sie fuhr empor und
hörte, wie der Wirt mit dem, der Einlaß begehrte,
einige Worte wechſelte und die Tür wieder auf-
ſchloß. Gleich darauf kam auch ſchon die Wirtin
ins Zimmer und ſchrie zum Gotterbarmen: „Jeſus,
Maria, ſie ſchleppen mir einen Verwundeten ins
Haus und ich ſoll dazu mein beſtes, mein eigenes
Gemach hergeben!“

Die Panna hatte ſich erhoben. „Wer?
Wo?“, fragte ſie, von einer Ahnung ergriffen,
daß der Verwundete Stephan ſei und zugleich in
Furcht erbebend, daß er bis auf den Tod getroffen
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[[1]/0001] Marburger Zeitung. Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat- lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr. Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung. Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends. Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4. Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei Wiederholung bedeut. Nachlaß, Schluß für Einſchaltungen Dienstag, Donnerstag, Samstag mittags. Manuſkripte werden nicht zurückgegeben. Die Einzelnummer koſtet 10 h. Nr. 79 Donnerstag, 30. Juni 1904 43. Jahrgang. Abonnements-Einladung. Anläßlich des Quartalſchluſſes erlauben wir uns, die deutſche Bevölkerung von Marburg und Unterſteiermark zum Bezuge unſeres Blattes ein- zuladen. Gänzlich unabhängig, wird die „Marburger Zeitung“ ſtets wie bisher für die Intereſſen der deutſchen Bevölkerung eintreten und durch Reich- haltigkeit des Stoffes den Leſer nach jeder Richtung hin befriedigen. Soll eine Zeitung im hartbedrängten Unterlande ihrer nationalen Aufgabe voll und ganz genügen, dann bedarf ſie auch der Unterſtützung der national geſinnten Bevölkerung. Die Schriftleitung und Verwaltung der „Marburger Zeitung“. Geſchäfte mit der Regierung. Der Stern der Jungtſchechen muß ſich ſchon erſichtlich zum Abende neigen, wenn die Alttſchechen offen gegen die jungtſchechiſche Obſtruktionspolitik Stellung nehmen. Der Abg. Mattuſch, dem die Politik eine gut dotierte Finanzſtellung gebracht hat, erklärt ſich in einer Monatsſchrift für das Ab- gehen von der tſchechiſchen Obſtruktion, die alle ihre Zwecke verſehlt habe. 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Aber auch Dr. Mattuſch möchte aus der Obſtruktion, die er verlaſſen ſehen will, noch einigen Profit, oder beſſer geſagt, ſo viel Profit als nur möglich herausſchlagen. Da das Feſthalten an der Obſtruktion nichts getragen hat, ſoll das Abſpringen von derſelben den Tſchechen Gewinn bringen. Dr. Mattuſch iſt nun ſo gnädig, Kredit zu geben, während die Jungtſchechen Vorauszahlung haben wollen. „Wenn nun innerhalb eines beſtimmten Termines“, diktiert der Alttſcheche Dr. Mattuſch, „den dringendſten Forderungen der Tſchechen nicht Genüge geleiſtet ſein ſollte, und wenn bei Aufnahme dieſer neuen Taktik nicht gleichzeitig die Deutſchen die Obſtruktion im böhmiſchen Landtage einſtellen ſollten, dann hätten die böhmiſchen Abgeordneten wieder freie Hand ....“ d. h. ſie könnten mit der Obſtruktion abermals einſetzen. Dr. Mattuſch diktiert alſo gerade ſo, wie die Jungtſchechen dik- tieren, was ſie als „ihre dringenden Forderungen“ anſehen wollen, wahrſcheinlich noch Einiges mehr als die innere Amtsſprache und die mähriſche Uni- verſität; ſie diktieren den Termin, bis zu welchem dieſe zwei, drei oder zehn Forderungen erfüllt ſein müſſen; ſie diktieren insbeſondere, daß die Deutſchen ſofort ihre Obſtruktion im Landtage aufzugeben haben. Unter dieſen Umſtänden fällt einem wirklich die Wahl zwiſchen den Alt- und Jungtſchechen ſchwer. Was die einen und was die anderen fordern, das iſt ſozuſagen „gehupft wie geſprungen“. Herr v. Koerber mag daraus erſehen, wie wenig ihm ein Abgehen der Tſchechen von der Obſtruktion, für die er ſich abrackert, eigentlich eintrüge. Er hätte nur die Wahl zwiſchen der tatſächlichen Obſtruktion und der ewig drohenden Obſtruktion, die jeden Augenblick wieder tatſächlich werden könnte. 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Du heißt ja wohl Iwan, mein Söhnchen!“ ſagte Peter Petro- witſch wohlgefällig. „Jawohl, wir wollen ins Quartier zurück und eine reitende Patrouille nach- ſchicken. Zum Glück iſt auch die Panna Jeliska noch da, um die ganze Zeche zu bezahlen. Gewehr über! Marſch!“ Der würdige Kapitän hatte natürlich keine Ahnung davon, daß die Panna Jeliska ſchon vor- beigefahren war, als er bei den verkehrten Fußſtapfen mit Iſchar die Kriegsliſt der Rebellen ſtudiert hatte. Sie war, als Adlerheim ſich von ihr verabſchiedet hatte, ſchnell mit ſich einig geworden, deſſen Rat zu befolgen und nach Sareweo zu fahren. Iſaak holte aus dem Nachbargehöft den Bauernſohn, der gern bereit war, in dieſen ſchlechten Zeiten für guten Lohn die Rolle des Kutſchers zu übernehmen, und auf dieſe Weiſe glückte es der Panna Jeliska, früh genug aufzubrechen, um der Begegnung mit Peter Petrowitſch entgehen zu können. Sie langte auch ohne ein Abenteuer an der Grenze an. Bei der Annäherung des Wagens zeigte ſich zwar eine Ko- ſakenpatrouille, aber der Führer ſah nur in den- ſelben hinein und ritt, als er die einſame Dame und den jugendlichen Kutſcher gewahrte, die er beide für unverdächtig halten mußte, mit einem flüch- tigen Gruße weiter. Es war in der zehnten Stunde, als ſie die Grenze paſſierten, und die Panna, die zu übergroßer Eile keinen Grund mehr hatte, beſchloß, im nächſten Städtchen zu übernachten. Dasſelbe war bald er- reicht, und wenn es auch nicht viel größer war als ein anſehnliches Kirchdorf, ſo beſaß es doch einen wirklichen Gaſthof, in dem eine Dame einkehren konnte. Der Wirt war ausnahmsweiſe kein Jude und die Frau Wirtin eine junge, dralle und zutun- liche Perſon, die der Panna Jeliska, als ſie ein- trat, ſofort ihre ganze Wirtſchaft zur Verfügung ſtellte und zur Empfehlung derſelben ihr mit- teilte, daß der Ortsrichter, der Bürgermeiſter und andere Notabilitäten des Städtchens ſoeben erſt fortgegangen wären und allabendlich in der Gaſt- ſtube ſich mit Kartenſpiel zu unterhalten pflegten. Die Panna verlangte für ſich nur ein Glas Warm- bier, ſtellte aber frei, dem Kutſcher alles zu geben, was in Küche und Keller für eine gute Mahlzeit bereit ſei. Der Frau Wirtin kam dieſe Anordnung ganz recht, denn, kalkulierte ſie, dem jungen Men- ſchen iſt es eher zu gönnen, als der gnädigen Frau, wenn ihm etwas Gutes vorgeſetzt wird, außerdem aber ißt und trinkt er, wenn er es dazu hat, min- deſtens dreimal ſo viel, als dieſe. 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Auf dem Schemel, der an der anderen Seite des Ofens ſtand, lag eine große graue Katze, die den Kopf zwiſchen die Hinterpfoten geſteckt hatte und gemütlich ſchnurrte, die Wanduhr machte ihren einförmigen und melancholiſchen Tiktak, die Lampe auf dem Tiſche verbreitete in dem ziemlich großen Zimmer nur einen Dämmerſchein: es paßte alles ſo ſchön und faſt wohltuend zu ihrer Stimmung, daß ſie unwillkürlich die Augen ſchloß und ermüdet, wie ſie war, in eine Art Halbſchlummer ſank, in dem ſie aber alsbald durch ein heftiges Klopfen an die Haustür geſtört wurde. Sie fuhr empor und hörte, wie der Wirt mit dem, der Einlaß begehrte, einige Worte wechſelte und die Tür wieder auf- ſchloß. Gleich darauf kam auch ſchon die Wirtin ins Zimmer und ſchrie zum Gotterbarmen: „Jeſus, Maria, ſie ſchleppen mir einen Verwundeten ins Haus und ich ſoll dazu mein beſtes, mein eigenes Gemach hergeben!“ Die Panna hatte ſich erhoben. „Wer? Wo?“, fragte ſie, von einer Ahnung ergriffen, daß der Verwundete Stephan ſei und zugleich in Furcht erbebend, daß er bis auf den Tod getroffen ſein könne.

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 79, Marburg, 30.06.1904, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger79_1904/1>, abgerufen am 28.03.2024.