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Marburger Zeitung. Nr. 90, Marburg, 03.08.1914.

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Marburger Zeitung.
Tagblatt.



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Sprechstunden
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Verwaltung: Edmund Schmidgasse 4. (Telephon Nr. 24.)


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Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und kostet die fünfmal gespaltene Kleinzeile 12 h.
Die Einzelnummer kostet 10 Heller.




Nr. 90 Montag, 3. August 1914 53. Jahrgang



Deutschlands Kriegserklärung an Rußland


[Spaltenumbruch]

Asiatentum vor der Kriegserklärung.
[Spaltenumbruch] -- Italien treu zum Dreibunde.
(Näheres unter Drahtnachrichten.)
[Spaltenumbruch] -- Deutsches Heldentum zur See.


[Spaltenumbruch]
Der Sturm bricht los!


Nun bringt jeder Tag eine neue dramatische
Steigerung; jeder Tag ist erfüllt und beherrscht
von einem neuen großen Ereignisse und alles drängt
immer wilder vorwärts zur surchtbaren Peripetie
des Ganzen. Was das letzte war, das klingt wie
der tiefste Sinn des Liedes von den Nibelungen,
das läßt die wundersame Treue des deutschen
Reiches, das sein Herzblut einsetzt für den Bundes-
genossen, in wunderbaren Lichtern erstrahlen, das
zeigt aber anderseits auch wieder, wie dünn der
Gesittungsfirnis ist, der in Rußland und Frank-
reich die wahre Psyche verdeckt. Wir haben den
Depeschenwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem
Zaren schon Samstag nachmittags veröffentlicht.
Als Deutschlands Kaiser zur Erkenntnis kam, daß
Rußlands Friedensversicherungen nur der Deck-
mantel für den glühendsten Haß ist, als er von der
Mobilisierung erfuhr, die der Zar trotz der heiligsten
Versicherungen gegen Österreich-Ungarn angeordnet
hatte, da stellte er ihm eine Frist von zwölf
Stunden zur Beantwortung der Frage, was Ruß-
land mit dieser Mobilisierung bezwecke. Und als
das hinterhältige Rußland diese Frist verstreichen
[Spaltenumbruch] ließ, da ordnete Kaiser Wilhelm noch am Abende
des 1. August die Mobilmachung der deutschen
Heere und seiner Kriegsflotte an und ließ der
russischen Regierung in Petersburg die Kriegserklärnng
überreichen, um dem tückischen Spiele Rußlands ein
Ende zu bereiten. Aber schon vor der Kriegserklärung
brachen russische Reiter über Deutschlands Grenze
und zu gleicher Zeit warfen französische Flieger,
ebenfalls ohne Kriegserklärung, Bomben in der Um-
gebung von Nürnberg. So ist also jede Kultur, jede
Achtung vor völkerrechtlichen Vereinbarungen bei
Russen und Franzofen mit einem Schlage ver-
schwunden, wenn es gilt, den Raub- und Brand-
gelüsten beim Nachbar zu fröhnen. Aber nun steht
das ganze Deutsche Reich auf, nun erhebt sich der
in Waffen starrende deutsche Riese und ein Schrei
der Entrüstung und zugleich der Begeisterung geht
durch alle deutschen Gaue und schon hat ein kleiner
deutscher Kreuzer einen russischen Kriegshafen in
Brand geschossen, schon brennt Liebau, das so
oft den Zaren in seinem Kriegshafen sah, wie
ein weithin leuchtendes Fanal des Krieges, der
nun entfesselt ist. Europa sieht, wie ein Wiener
Blatt schrieb, zum erstenmal den vom Fürsten
Bismarck geschaffenen Bund in voller Wirksamkeit
vor den Anfängen eines Krieges. Deutschland steht
[Spaltenumbruch] auf! Deutschland mit seinen fünfundsechzig Millionen
Einwohnern, mit der in der Friedensarbeit von
Jahrzehnten angesammelten Kraft, mit seinem
Wissen und mit seinem Können steht auf! Deutsch-
land mit der Gesundheit seines Volkes, mit der
Ehrbarkeit seiner Lebensführung, mit der Ver-
läßlichkeit und Tüchtigkeit in sämtlichen Schichten,
steht auf! Die schönste, die prächtigste, die durch-
gebildetste Armee, die jemals ausgerüstet wurde,
wird an der Seite unserer Soldaten fechten, und
das Bündnis ist lebendig geworden. Wie es sich
auf dem Papiere bewährt hat, zeigt es in Treue
und Sicherheit, was es für den Ernstfall bedeute.
Wer könnte da noch kleinmütig sein und nicht
ahnen, daß hier der Baumeister der Geschichte
wieder einmal mit Kelle und Mörtel jene
mächtige Mauer, welche die Kultur schützt, befestigt.
Was hat dieses deutsche Reich den Russen getan,
und dennoch wurde es von ihnen gehänselt, gequält
und gehaßt. Der deutsche Bürger, der den Groll
über solche Unbill schon langc nicht meistern konnte
und den russischen Hochmut nur ungeduldig trug,
wird über die Neider herfallen mit einem Grimme,
der als teutonischer Furor bekannt ist und vor
dem die Feinde noch immer gezittert haben. Die
Riesenkraft des Reiches beginnt sich zn erheben!




Der reiche Mann.

13 (Nachdruck verboten.)

"Bitte recht sehr, es hat mir keine Mühe
gemacht. Wahrscheinlich wird man Ihnen vorerst
den Titel eines Geheimen Kommerzienrats verleihen,
dem dann später die Erhebung in den Adelsstand
folgt. Aber vergessen Sie nicht, daß Sie diese
Auszeichnungen in der Hauptsache der Verbindung
mit uns verdanken", fügte er mit scherzendem Tone
hinzu.

"Gewiß nicht, Herr Baron! Ich weiß diese
Ehre in ihrem ganzen Umfange zu schätzen."

"Ich sagte Ihnen, daß man sich bei Hofe mit
der Verlobung meines Sohnes beschäftige und
daraufhin auch Ihrer gedacht habe. Es wäre mir
wünschenswert, weniger für mich als für Sie,
daß eine offizielle Bestätigung dieser Verlobung
recht bald stattfände."

"Auch ich wünsche das", sagte der Kommerzien-
rat zögernd, "aber Agna befindet sich in diesen Tagen
nicht wohl."

"Mein lieber Freund, sollte dieses angebliche
Unwohlsein nicht ein Vorwand sein, um die Ent-
scheidung zu verzögern?"

"Von meiner Seite gewiß nicht!"

"Ich weiß das. Wir wollen ganz offen mit-
einander reden. Fräulein Agna sträubt sich gegen
diese Verbindung. Ihr Neffe, der Referendar hat
[Spaltenumbruch] ihr das schöne Köpfchen etwas verrückt, sie kann
gewiß diesem ersten Liebestraum noch nicht ent-
sagen."

Der Kommerzienrat nickte gedankenvoll; er
konnte ja dieser Behauptung nicht entgegentreten,
so gern er es auch getan hätte. Und vielleicht war
es auch das beste, wenn er offen mit dem Baron
darüber sprach, man konnte dann gemeinschaftlich
beraten.

"Sie haben recht", sagte er, "aber man muß
ihr eine kurze Zeit gönnen, sie wird ja auch nach-
denken und --"

"Herr Kommerzienrat, es gibt Fälle, in denen
man mit Energie eingreifen muß", fiel der Edel-
mann ihm ins Wort. Überdies wird es ja auch
in Ihrem Kreis Sitte sein, daß die Eltern für ihre
Kinder die Wahl treffen und die Kinder dieser Wahl
ohne Bedenken sich fügen."

"Allerdings, -- und ich werde meiner Tochter
befehlen, sich zu entscheiden, sie muß und wird ge-
horchen. Du lieber Gott, wir würden uns ja bei
Hofe kompromittieren, wenn diese Verlobung nicht
zustande käme."

"Jedenfalls, ich würde mich genötigt sehen,
das Gerücht dieser Verlobung zu dementieren und
meinem eigenen Namen jede Schuld fern zu halten.
Ich würde das sehr bedauern, aber ich könnte nicht
vermeiden, daß es alsdann zwischen unseren Fa-
milien zu einem völligen Bruch käme und darunter
würden Sie zunächst am meisten leiden."

Der Kommerzienrat strich mit der Hand über
[Spaltenumbruch] sein glatt rasiertes Kinn und zog die Brauen zu-
sammen.

Für das ihm in Aussicht gestellte Wappen mit
dem Titel eines geheimen Kommerzienrats brachte
er jedes Opfer.

"Was würden Sie denn in diesem Fall an
meiner Stelle tun -- -- ?"

"Etwas sehr einfaches", sagte der Baron. "Ich
würde die Tatsache der Verlobung feststellen. Lassen
Sie die Verlobungskarten drucken; sind diese Karten
abgeschickt, so muß das Fräulein Agna sich fügen
und ein Rücktritt ist alsdann von keiner Seite mehr
möglich."

"In der Tat, dieser Vorschlag scheint gut zu
sein!" erwiderte der Kommerzienrat rasch. "Ich
werde ihn befolgen, Her Baron!"

"Und ich werde Ihnen beweisen, daß ich Ihr
Freund bin und daß meine Freundschaft für Sie
großen Wert hat."

Der Baron erhob sich, um Abschied zu nehmen,
der Zweck seines Besuches war erfüllt, er durfte
jetzt die feste Zuversicht hegen, daß der Kommerzien-
rat die Angelegenheit in Ordnung bringen werde.

"Säumen Sie nicht länger", sagte er in halb
scherzendem, halb warnendem Tone, "je rascher
und energischer Sie vorgehen, desto leichter werden
Sie jeden Widerstand besiegen. So lange die Damen
noch einen Sieg hoffen dürfen, kämpfen Sie, aber
sobald sie vor einer vollendeten Tatsache stehen,
legen sie die Waffen nieder."

(Fortsetzung folgt.)



Marburger Zeitung.
Tagblatt.



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Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 40 h mehr.
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Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.


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Erſcheint täglich um 5 Uhr abends.
Sprechſtunden
des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr und von 5—6 Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.
Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.)


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Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.
Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.




Nr. 90 Montag, 3. Auguſt 1914 53. Jahrgang



Deutschlands Kriegserklärung an Rußland


[Spaltenumbruch]

Aſiatentum vor der Kriegserklärung.
[Spaltenumbruch]Italien treu zum Dreibunde.
(Näheres unter Drahtnachrichten.)
[Spaltenumbruch]Deutſches Heldentum zur See.


[Spaltenumbruch]
Der Sturm bricht los!


Nun bringt jeder Tag eine neue dramatiſche
Steigerung; jeder Tag iſt erfüllt und beherrſcht
von einem neuen großen Ereigniſſe und alles drängt
immer wilder vorwärts zur ſurchtbaren Peripetie
des Ganzen. Was das letzte war, das klingt wie
der tiefſte Sinn des Liedes von den Nibelungen,
das läßt die wunderſame Treue des deutſchen
Reiches, das ſein Herzblut einſetzt für den Bundes-
genoſſen, in wunderbaren Lichtern erſtrahlen, das
zeigt aber anderſeits auch wieder, wie dünn der
Geſittungsfirnis iſt, der in Rußland und Frank-
reich die wahre Pſyche verdeckt. Wir haben den
Depeſchenwechſel zwiſchen Kaiſer Wilhelm und dem
Zaren ſchon Samstag nachmittags veröffentlicht.
Als Deutſchlands Kaiſer zur Erkenntnis kam, daß
Rußlands Friedensverſicherungen nur der Deck-
mantel für den glühendſten Haß iſt, als er von der
Mobiliſierung erfuhr, die der Zar trotz der heiligſten
Verſicherungen gegen Öſterreich-Ungarn angeordnet
hatte, da ſtellte er ihm eine Friſt von zwölf
Stunden zur Beantwortung der Frage, was Ruß-
land mit dieſer Mobiliſierung bezwecke. Und als
das hinterhältige Rußland dieſe Friſt verſtreichen
[Spaltenumbruch] ließ, da ordnete Kaiſer Wilhelm noch am Abende
des 1. Auguſt die Mobilmachung der deutſchen
Heere und ſeiner Kriegsflotte an und ließ der
ruſſiſchen Regierung in Petersburg die Kriegserklärnng
überreichen, um dem tückiſchen Spiele Rußlands ein
Ende zu bereiten. Aber ſchon vor der Kriegserklärung
brachen ruſſiſche Reiter über Deutſchlands Grenze
und zu gleicher Zeit warfen franzöſiſche Flieger,
ebenfalls ohne Kriegserklärung, Bomben in der Um-
gebung von Nürnberg. So iſt alſo jede Kultur, jede
Achtung vor völkerrechtlichen Vereinbarungen bei
Ruſſen und Franzofen mit einem Schlage ver-
ſchwunden, wenn es gilt, den Raub- und Brand-
gelüſten beim Nachbar zu fröhnen. Aber nun ſteht
das ganze Deutſche Reich auf, nun erhebt ſich der
in Waffen ſtarrende deutſche Rieſe und ein Schrei
der Entrüſtung und zugleich der Begeiſterung geht
durch alle deutſchen Gaue und ſchon hat ein kleiner
deutſcher Kreuzer einen ruſſiſchen Kriegshafen in
Brand geſchoſſen, ſchon brennt Liebau, das ſo
oft den Zaren in ſeinem Kriegshafen ſah, wie
ein weithin leuchtendes Fanal des Krieges, der
nun entfeſſelt iſt. Europa ſieht, wie ein Wiener
Blatt ſchrieb, zum erſtenmal den vom Fürſten
Bismarck geſchaffenen Bund in voller Wirkſamkeit
vor den Anfängen eines Krieges. Deutſchland ſteht
[Spaltenumbruch] auf! Deutſchland mit ſeinen fünfundſechzig Millionen
Einwohnern, mit der in der Friedensarbeit von
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Wiſſen und mit ſeinem Können ſteht auf! Deutſch-
land mit der Geſundheit ſeines Volkes, mit der
Ehrbarkeit ſeiner Lebensführung, mit der Ver-
läßlichkeit und Tüchtigkeit in ſämtlichen Schichten,
ſteht auf! Die ſchönſte, die prächtigſte, die durch-
gebildetſte Armee, die jemals ausgerüſtet wurde,
wird an der Seite unſerer Soldaten fechten, und
das Bündnis iſt lebendig geworden. Wie es ſich
auf dem Papiere bewährt hat, zeigt es in Treue
und Sicherheit, was es für den Ernſtfall bedeute.
Wer könnte da noch kleinmütig ſein und nicht
ahnen, daß hier der Baumeiſter der Geſchichte
wieder einmal mit Kelle und Mörtel jene
mächtige Mauer, welche die Kultur ſchützt, befeſtigt.
Was hat dieſes deutſche Reich den Ruſſen getan,
und dennoch wurde es von ihnen gehänſelt, gequält
und gehaßt. Der deutſche Bürger, der den Groll
über ſolche Unbill ſchon langc nicht meiſtern konnte
und den ruſſiſchen Hochmut nur ungeduldig trug,
wird über die Neider herfallen mit einem Grimme,
der als teutoniſcher Furor bekannt iſt und vor
dem die Feinde noch immer gezittert haben. Die
Rieſenkraft des Reiches beginnt ſich zn erheben!




Der reiche Mann.

13 (Nachdruck verboten.)

„Bitte recht ſehr, es hat mir keine Mühe
gemacht. Wahrſcheinlich wird man Ihnen vorerſt
den Titel eines Geheimen Kommerzienrats verleihen,
dem dann ſpäter die Erhebung in den Adelsſtand
folgt. Aber vergeſſen Sie nicht, daß Sie dieſe
Auszeichnungen in der Hauptſache der Verbindung
mit uns verdanken“, fügte er mit ſcherzendem Tone
hinzu.

„Gewiß nicht, Herr Baron! Ich weiß dieſe
Ehre in ihrem ganzen Umfange zu ſchätzen.“

„Ich ſagte Ihnen, daß man ſich bei Hofe mit
der Verlobung meines Sohnes beſchäftige und
daraufhin auch Ihrer gedacht habe. Es wäre mir
wünſchenswert, weniger für mich als für Sie,
daß eine offizielle Beſtätigung dieſer Verlobung
recht bald ſtattfände.“

„Auch ich wünſche das“, ſagte der Kommerzien-
rat zögernd, „aber Agna befindet ſich in dieſen Tagen
nicht wohl.“

„Mein lieber Freund, ſollte dieſes angebliche
Unwohlſein nicht ein Vorwand ſein, um die Ent-
ſcheidung zu verzögern?“

„Von meiner Seite gewiß nicht!“

„Ich weiß das. Wir wollen ganz offen mit-
einander reden. Fräulein Agna ſträubt ſich gegen
dieſe Verbindung. Ihr Neffe, der Referendar hat
[Spaltenumbruch] ihr das ſchöne Köpfchen etwas verrückt, ſie kann
gewiß dieſem erſten Liebestraum noch nicht ent-
ſagen.“

Der Kommerzienrat nickte gedankenvoll; er
konnte ja dieſer Behauptung nicht entgegentreten,
ſo gern er es auch getan hätte. Und vielleicht war
es auch das beſte, wenn er offen mit dem Baron
darüber ſprach, man konnte dann gemeinſchaftlich
beraten.

„Sie haben recht“, ſagte er, „aber man muß
ihr eine kurze Zeit gönnen, ſie wird ja auch nach-
denken und —“

„Herr Kommerzienrat, es gibt Fälle, in denen
man mit Energie eingreifen muß“, fiel der Edel-
mann ihm ins Wort. Überdies wird es ja auch
in Ihrem Kreis Sitte ſein, daß die Eltern für ihre
Kinder die Wahl treffen und die Kinder dieſer Wahl
ohne Bedenken ſich fügen.“

„Allerdings, — und ich werde meiner Tochter
befehlen, ſich zu entſcheiden, ſie muß und wird ge-
horchen. Du lieber Gott, wir würden uns ja bei
Hofe kompromittieren, wenn dieſe Verlobung nicht
zuſtande käme.“

„Jedenfalls, ich würde mich genötigt ſehen,
das Gerücht dieſer Verlobung zu dementieren und
meinem eigenen Namen jede Schuld fern zu halten.
Ich würde das ſehr bedauern, aber ich könnte nicht
vermeiden, daß es alsdann zwiſchen unſeren Fa-
milien zu einem völligen Bruch käme und darunter
würden Sie zunächſt am meiſten leiden.“

Der Kommerzienrat ſtrich mit der Hand über
[Spaltenumbruch] ſein glatt raſiertes Kinn und zog die Brauen zu-
ſammen.

Für das ihm in Ausſicht geſtellte Wappen mit
dem Titel eines geheimen Kommerzienrats brachte
er jedes Opfer.

„Was würden Sie denn in dieſem Fall an
meiner Stelle tun — — ?“

„Etwas ſehr einfaches“, ſagte der Baron. „Ich
würde die Tatſache der Verlobung feſtſtellen. Laſſen
Sie die Verlobungskarten drucken; ſind dieſe Karten
abgeſchickt, ſo muß das Fräulein Agna ſich fügen
und ein Rücktritt iſt alsdann von keiner Seite mehr
möglich.“

„In der Tat, dieſer Vorſchlag ſcheint gut zu
ſein!“ erwiderte der Kommerzienrat raſch. „Ich
werde ihn befolgen, Her Baron!“

„Und ich werde Ihnen beweiſen, daß ich Ihr
Freund bin und daß meine Freundſchaft für Sie
großen Wert hat.“

Der Baron erhob ſich, um Abſchied zu nehmen,
der Zweck ſeines Beſuches war erfüllt, er durfte
jetzt die feſte Zuverſicht hegen, daß der Kommerzien-
rat die Angelegenheit in Ordnung bringen werde.

„Säumen Sie nicht länger“, ſagte er in halb
ſcherzendem, halb warnendem Tone, „je raſcher
und energiſcher Sie vorgehen, deſto leichter werden
Sie jeden Widerſtand beſiegen. So lange die Damen
noch einen Sieg hoffen dürfen, kämpfen Sie, aber
ſobald ſie vor einer vollendeten Tatſache ſtehen,
legen ſie die Waffen nieder.“

(Fortſetzung folgt.)


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Nun bringt jeder Tag eine neue dramatiſche Steigerung; jeder Tag iſt erfüllt und beherrſcht von einem neuen großen Ereigniſſe und alles drängt immer wilder vorwärts zur ſurchtbaren Peripetie des Ganzen. Was das letzte war, das klingt wie der tiefſte Sinn des Liedes von den Nibelungen, das läßt die wunderſame Treue des deutſchen Reiches, das ſein Herzblut einſetzt für den Bundes- genoſſen, in wunderbaren Lichtern erſtrahlen, das zeigt aber anderſeits auch wieder, wie dünn der Geſittungsfirnis iſt, der in Rußland und Frank- reich die wahre Pſyche verdeckt. Wir haben den Depeſchenwechſel zwiſchen Kaiſer Wilhelm und dem Zaren ſchon Samstag nachmittags veröffentlicht. Als Deutſchlands Kaiſer zur Erkenntnis kam, daß Rußlands Friedensverſicherungen nur der Deck- mantel für den glühendſten Haß iſt, als er von der Mobiliſierung erfuhr, die der Zar trotz der heiligſten Verſicherungen gegen Öſterreich-Ungarn angeordnet hatte, da ſtellte er ihm eine Friſt von zwölf Stunden zur Beantwortung der Frage, was Ruß- land mit dieſer Mobiliſierung bezwecke. Und als das hinterhältige Rußland dieſe Friſt verſtreichen ließ, da ordnete Kaiſer Wilhelm noch am Abende des 1. Auguſt die Mobilmachung der deutſchen Heere und ſeiner Kriegsflotte an und ließ der ruſſiſchen Regierung in Petersburg die Kriegserklärnng überreichen, um dem tückiſchen Spiele Rußlands ein Ende zu bereiten. Aber ſchon vor der Kriegserklärung brachen ruſſiſche Reiter über Deutſchlands Grenze und zu gleicher Zeit warfen franzöſiſche Flieger, ebenfalls ohne Kriegserklärung, Bomben in der Um- gebung von Nürnberg. So iſt alſo jede Kultur, jede Achtung vor völkerrechtlichen Vereinbarungen bei Ruſſen und Franzofen mit einem Schlage ver- ſchwunden, wenn es gilt, den Raub- und Brand- gelüſten beim Nachbar zu fröhnen. Aber nun ſteht das ganze Deutſche Reich auf, nun erhebt ſich der in Waffen ſtarrende deutſche Rieſe und ein Schrei der Entrüſtung und zugleich der Begeiſterung geht durch alle deutſchen Gaue und ſchon hat ein kleiner deutſcher Kreuzer einen ruſſiſchen Kriegshafen in Brand geſchoſſen, ſchon brennt Liebau, das ſo oft den Zaren in ſeinem Kriegshafen ſah, wie ein weithin leuchtendes Fanal des Krieges, der nun entfeſſelt iſt. Europa ſieht, wie ein Wiener Blatt ſchrieb, zum erſtenmal den vom Fürſten Bismarck geſchaffenen Bund in voller Wirkſamkeit vor den Anfängen eines Krieges. Deutſchland ſteht auf! Deutſchland mit ſeinen fünfundſechzig Millionen Einwohnern, mit der in der Friedensarbeit von Jahrzehnten angeſammelten Kraft, mit ſeinem Wiſſen und mit ſeinem Können ſteht auf! Deutſch- land mit der Geſundheit ſeines Volkes, mit der Ehrbarkeit ſeiner Lebensführung, mit der Ver- läßlichkeit und Tüchtigkeit in ſämtlichen Schichten, ſteht auf! Die ſchönſte, die prächtigſte, die durch- gebildetſte Armee, die jemals ausgerüſtet wurde, wird an der Seite unſerer Soldaten fechten, und das Bündnis iſt lebendig geworden. Wie es ſich auf dem Papiere bewährt hat, zeigt es in Treue und Sicherheit, was es für den Ernſtfall bedeute. Wer könnte da noch kleinmütig ſein und nicht ahnen, daß hier der Baumeiſter der Geſchichte wieder einmal mit Kelle und Mörtel jene mächtige Mauer, welche die Kultur ſchützt, befeſtigt. Was hat dieſes deutſche Reich den Ruſſen getan, und dennoch wurde es von ihnen gehänſelt, gequält und gehaßt. Der deutſche Bürger, der den Groll über ſolche Unbill ſchon langc nicht meiſtern konnte und den ruſſiſchen Hochmut nur ungeduldig trug, wird über die Neider herfallen mit einem Grimme, der als teutoniſcher Furor bekannt iſt und vor dem die Feinde noch immer gezittert haben. Die Rieſenkraft des Reiches beginnt ſich zn erheben! Der reiche Mann. Roman von Hans Altenburg. 13 (Nachdruck verboten.) „Bitte recht ſehr, es hat mir keine Mühe gemacht. Wahrſcheinlich wird man Ihnen vorerſt den Titel eines Geheimen Kommerzienrats verleihen, dem dann ſpäter die Erhebung in den Adelsſtand folgt. Aber vergeſſen Sie nicht, daß Sie dieſe Auszeichnungen in der Hauptſache der Verbindung mit uns verdanken“, fügte er mit ſcherzendem Tone hinzu. „Gewiß nicht, Herr Baron! Ich weiß dieſe Ehre in ihrem ganzen Umfange zu ſchätzen.“ „Ich ſagte Ihnen, daß man ſich bei Hofe mit der Verlobung meines Sohnes beſchäftige und daraufhin auch Ihrer gedacht habe. 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Ich würde das ſehr bedauern, aber ich könnte nicht vermeiden, daß es alsdann zwiſchen unſeren Fa- milien zu einem völligen Bruch käme und darunter würden Sie zunächſt am meiſten leiden.“ Der Kommerzienrat ſtrich mit der Hand über ſein glatt raſiertes Kinn und zog die Brauen zu- ſammen. Für das ihm in Ausſicht geſtellte Wappen mit dem Titel eines geheimen Kommerzienrats brachte er jedes Opfer. „Was würden Sie denn in dieſem Fall an meiner Stelle tun — — ?“ „Etwas ſehr einfaches“, ſagte der Baron. „Ich würde die Tatſache der Verlobung feſtſtellen. Laſſen Sie die Verlobungskarten drucken; ſind dieſe Karten abgeſchickt, ſo muß das Fräulein Agna ſich fügen und ein Rücktritt iſt alsdann von keiner Seite mehr möglich.“ „In der Tat, dieſer Vorſchlag ſcheint gut zu ſein!“ erwiderte der Kommerzienrat raſch. „Ich werde ihn befolgen, Her Baron!“ „Und ich werde Ihnen beweiſen, daß ich Ihr Freund bin und daß meine Freundſchaft für Sie großen Wert hat.“ Der Baron erhob ſich, um Abſchied zu nehmen, der Zweck ſeines Beſuches war erfüllt, er durfte jetzt die feſte Zuverſicht hegen, daß der Kommerzien- rat die Angelegenheit in Ordnung bringen werde. „Säumen Sie nicht länger“, ſagte er in halb ſcherzendem, halb warnendem Tone, „je raſcher und energiſcher Sie vorgehen, deſto leichter werden Sie jeden Widerſtand beſiegen. So lange die Damen noch einen Sieg hoffen dürfen, kämpfen Sie, aber ſobald ſie vor einer vollendeten Tatſache ſtehen, legen ſie die Waffen nieder.“ (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 90, Marburg, 03.08.1914, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger90_1914/1>, abgerufen am 21.11.2024.