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Marburger Zeitung. Nr. 91, Marburg, 30.07.1912.

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Marburger Zeitung Nr. 91. 30. Juli 1912

[Spaltenumbruch]

Prüfung in einer nichtungarischen Sprache, (z. B.
deutsch) ablegen wollen, als zweite Prüfungssprache
unbedingt ungarisch anzugeben haben. Die Ergän-
zungsprüfung muß spätestens am 1. Oktober des
Assentjahrganges abgelegt werden. Eine Wieder-
holung der Ergänzungsprüfung ist sogleich beim
nächsten Prüfungstermin bei einem "Ungenügend"
gestattet. Zum selben Termin setzen jene, welche bei
der vorhergehenden Prüfung erkrankt sind, die Prü-
fung fort. Bei zwei oder mehr "Ungenügend" darf
die Prüfung erst nach einem vollen Jahre wieder-
holt werden. Fällt die Wiederholung nach dem 1.
Oktober des Assentierungsjahres des Bewerbers, so
ist sie unzulässig.

Eine deutschradikale Verwahrung.

Bekanntlich haben die Deutschradikalen (Wolf-
Partei) bei den letzten Wiener Gemeinderatswahlen
die christlichsozialen Klerikalen auch bei jenen
Kandidaturen unterstützt, welche sich gegen deutsch-
freiheitliche Gemeinderatswahlwerber kehrten. Diese
antideutschfreiheitliche Haltung der sogenannten
Deutschradikalen (von denen der Abgeordnete Doktor
Kinz erst kürzlich sagte, daß sie in Wahrheit weit
weniger radikal sind als jene Abgeordnete, die sich
nicht radikal nennen ...) und ihr schmachvolles
Wahlbündnis mit den Klerikalen versuchten sie mit
"antisemitischen Gründen" zu rechtfertigen, an welche
faule Ausrede natürlich kein vernünftiger Mensch
glaubte, zumal sie angesichts jenes deutschradikal-
christlichsozialen Wahlbündnisses, welches auch gegen
deutschgesinnte arische Bewerber funktionierte, von
vornherein vollkommen mißlungen war. Nun aber
kommt das Gegenstück! Das deutschradikale Nord-
mährerblatt schüttelt im Namen der deutschradikalen
Partei den Antisemitismus vollständig von den
Rockschößen der Partei ab, führt den Juden zu
Gemüte, daß die Deutschradikalen in Mähren immer
für die jüdischen Bewerber gestimmt haben, daß sie
mit dem Judentum in treuer Waffenbrüderschaft
aus wohlverstandenem ureigensten Interesse zusammen-
halten müssen usw. Das deutschradikale (Wolf-)
Blatt schließt diese Ausführungen mit den Worten:
"Also hoffen wir, daß man den Antisemitismus
nicht mehr gegen uns (Deutschradikale) ausspielen
wird! -- Wird man gewiß nicht! Aber ein Bei-
spiel für die niederträchtige Verlogenheit, mit welcher
bei uns in Osterreich Politik gemacht und die
Wähler genarrt werden, ist dies zweifellos! In
Wien heißts mit den Schwarzen gegen die Deutsch-
freiheitlichen stimmen -- Motiv: Antisemitismus!
In Mähren verwahrt sich dieselbe Partei dagegen,
daß man sie in antisemitischen Geruch bringe! Der
ganze Schwindel rührt eben davon her, daß die
Deutschradikalen für einige Mandate in Böhmen
klerikale Hilfe brauchen gegen andere deutschfreitheit-
liche Bewerber und deshalb leisten sie wieder den
Klerikalen in Wien und Niederösterreich Schützen-
hilfe auch gegen die Deutschfreiheitlichen! Das offen
einzugestehen wäre wohl ehrlicher als mit dem Anti-
semitismus jenes erbärmliche Gaukelspiel aufzuführen
und die deutsche Politik durch die schlimmsten Ver-
[Spaltenumbruch] logenheiten zu vergiften. Es ist kein Wunder, wenn
unsere deutschen Abgeordneten der Alpenländer, ohne
Rücksicht auf etwaige politische Unterschiede, immer
mehr von Ekel erfüllt werden über das unehrliche
und hinterhältige, verlogene Treiben der sogenannten
Deutschradikalen!

Das Deutschtum der Alpenländer.

Die bisher vorliegenden Ergebnisse der letzten
Volkszählung zeigen eine erfreuliche Erstarkung des
Deutschtums in Österreich, besonders aber in den
Alpenländern und unter diesen wieder namentlich
in Kärnten. Im Jahre 1890 wurden in Kärnten
70 Prozent Deutsche und 30 Prozent Slowenen
gezählt. Zehn Jahre später ergab die Zählung
75 Prozent Deutsche und 25 Prozent Slowenen
und nach den neuesten Ziffern hat eine weitere Ver-
schiebung auf 79 Prozent Deutsche und 21 Prozent
Slowenen bei einer Allgemeinen Bevölkerungszu-
nahme stattgefunden. Allerdings hat dafür das
Slowenentum im "italienischen" Triest um 100 Prozent
zugenommen!

Allslawisches.

Einem Prager Jungtschechenblatte wurde
unterm 23. Juli aus Odessa geschrieben: "Hier
erschien soeben die erste Nummer des Blattes
"Slavjanski Jug." Das Blatt wird von einer
Gruppe südslawischer Politiker unter Teilnahme
russischer Faktoren herausgegeben. Das Programm
des in russischer, bulgarischer und serbischer Sprache
erscheinenden Blattes, das auch Artikel in slowe-
nischer
und tschechischer Sprache veröffentlichen
wird, hat den Zweck, eine Annäherung der Slawen
über die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen
Hauptaufgaben der Südslaven herbeizuführen." Das
heißt, so bemerkt dazu das Wiener Alldeutsche
Tagblatt: "Slavjanski Jug" wird südslawische
Politik vom allslawischen Standpunkte aus
betreiben und von Rußland aus. Und wie
entrüsten sich die Tschechen über Äußerungen all-
deutscher Gemeinbürgschaft, selbst wenn diese nicht-
politischer, rein kultureller Art sind!

Der Mikado gestorben.

Nach einer Meldung aus Tokio ist dort
gestern in seinem von Chrysanthemen umgebenen
Palaste der Kaiser von Japan, Mutsuhilo,
gestorben. Der verschiedene japanische Herrscher,
welcher den unerhörten Aufschwung seines Volkes
förderte und dessen glänzenden Sieg über das
gewaltige Rußland erlebte, folgte als 15 jähriger
Jüngling, der im Jahre 1852 geboren war, seinem
Vater Kommei Tenno als 123. Mikado der
herrschenden Dynastie, die ihren Ursprung der Sage
nach auf die Sonnengöttin zurückführt, auf den
Thron. Er hat die Gewalt der Schoguns, die das
Land beherrschten, gebrochen und Japan, das
ängstlich vor jeder Verbindung mit den europäischen
"Barbaren" abgeschlossen wurde, mit Europa in
Verbindung g[e]bracht; davon rührt der ungeheure
Aufschwung Japans her.


[Spaltenumbruch]
Eigenberichte.
(Todesfall.)

In Rogeis
starb vorgestern an Herzschlag die 30jährige Grund-
besitzerin Maria Maleiner.

(Unter den Bier-
fässern.)

Ein Fuhrmann des Herrn Bachler in
Kranichsfeld führte einen Wagen voll Bierfässer und
-Kisten aus Marburg nach Kranichsfeld. Bei Win-
denau baten zwei Mädchen und ein Knabe aus
Skoggen bei Kranichsfeld den Fuhrmann, daß er sie
mitnehmen möge. In seiner Gutmütigkeit nahm der
Fuhrmann alle drei auf den Wagen. In Kötsch fiel
plötzlich ein Hinterrad herunter und der Wagen
senkte sich infolgedessen so sehr nach dieser Seite,
daß alle vier Personen herunterfielen und die vollen
Bierfässer über sie hinwegrollten. Alle vier wurden
mehr ober minder verletzt, ein Mädchen aber scheint
schlimme innere Verletzungen und wahrscheinlich auch
eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen zu
haben, da es trotz aller Labungen bewußtlos blieb.
Man holte rasch einen Wagen und führte die drei
bedauernswerten Passagiere heim. Der ebenfalls
beschädigte Fuhrmann konnte nach einiger Zeit allein
weiterfahren.

(Landwirtschaftliche
Versammlungen.)

Die Filiale Straß der k. k.
Landwirtschaftsgesellschaft hielt am 21. Juli zwei
Wanderversammlungen ab, und zwar vormittags in
St. Nikolai ob Draßling und nachmittags in Lipsch.
Beide Versammlungen wiesen einen äußerst zahl-
reichen Besuch auf und hielt der Bezirkstierarzt Herr
Zorn aus Leibnitz einen sehr lehrreichen Vortrag
über Viehzucht, Behandlung des Viehes und dessen
Krankheiten. Die Versammlungsbesucher waren sehr
zufrieden. Der Obmann Herr Karl Stift dankte
für den guten Vortrag und ersuchte den Bezirkstier-
arzt, den Landwirten wie bisher mit Rat und Tat
beizustehen.


(Hagelwetter.)

Freitag den 26. Juli gegen
halb sechs Uhr nachmittags ging ein orkanartiger
Sturm mit Hagelwetter in der Richtung über Gra-
dischberg (Gemeinde Willkomm) gegen Partin, St.
Georgen W.-B. nieder, Der dadurch angerichtete
Schaden ist sehr groß. Die ganze Weinernte
in dieser Gegend wurde vernichtet, teils durch Hagel,
teils durch den Sturm, welch letzterer derart wütete,
daß er sogar große Bäume, die in geschützter Lage
standen, entwurzelte.

(Sommerfest des
Reichsbundes deutscher Eisenbahner.)

Sonntag den 4. August findet in Pragerhof ein
großes Sommerfest, verbunden mit der Gründungs-
feier des Radfahrervereines Drauadler und der
Turnriege Pragerhof statt. Pflicht aller völkischen
Kreise der Umgebungsorte ist es, die im harten
Kampfe stehenden nationalen Eisenbahner durch einen
zahlreichen Besuch zu unterstützen und dadurch das
Volksbewußtsein neu zu heben und zu stärken. Der
Reingewinn dieser Veranstaltung wird zur Weih-




[Spaltenumbruch]

"Wie ich nach all dem Gesehenen und Gehörten
annehme, haben Sie Fräulein von Olenhusen in
einem überaus schweren Verdacht. Wenn es mir
auch bis ins Innerste widerstrebt, von einer
Bewohnerin meines Hauses etwas derartiges anzu-
nehmen, so bleibt mir -- ich kann kombinieren
wie ich will -- doch nichts anderes übrig, als
an einen Diebstahl der Banknoten von ihrer Seite
zu glauben. Es ist mir freilich ein Rätsel, das
ich außerstande bin zu lösen, wozu sie das viele
Geld gebraucht haben könnte. Sie besitzt keine
Angehörigen mehr, denen sie es etwa hätte
zukommen lassen können, und was ihre eigene
Person betrifft, so ist sie die Sparsamkeit selbst.
Sie hat sogar die abgelegte Garderobe meiner
Frau mit bestem Danke angenommen und trägt
sie jetzt mit Vorliebe. Kurz und gut, alles deutet
trotzdem auf sie als die Diebin, denn niemand als
sie konnte wissen, daß ein geheimer Weg zu meiner
Silberkammer führt, ein Weg, der selbst mir
unbekannt war ... Herrgott, in welcher Gefahr
habe ich geschwebt! Sie hätte mir mit der größten
Leichtigkeit alle in der Silberkammer befindlichen
Werte entwenden können und ich würde nicht
einmal gewußt haben, wie es möglich war. Ich
werde Ihnen nie genug danken können, Assessor",
fügte der sehr erregte Mann aufatmend hinzu.
Dann fuhr er fort: "So weit wäre die Angelegen-
heit also geklärt. Sie nehmen aber, wie Sie sagten,
auch an, daß die Dame mit dem Tode des Bau-
meisters in Zusammenhang zu bringen ist, und
[Spaltenumbruch] das ist es, was ich beim besten Willen nicht glau-
ben kann."

"Nun, ich habe zwingende Gründe zu der
Annahme, daß Fräulein von Olenhusen Herrn
Plock am Tage seines Verschwindens erschossen
hat, und zwar im Teufelsloch."

Aber ich bitte Sie, Assessor! Wie wäre so
etwas möglich! Sie war immer so häuslich und
weigerte sich direkt auszugehen. Sie wissen doch,
daß der Weg nach dem Teufelsloch durch die
ganze Stedt führt und über drei Viertelstunden in
Anspruch nimmt. Sie müßte also mindestens
eineinhalb bis zwei Stunden fortgewesen sein.
Das könnte sie nicht, ohne meiner Frau etwas zu
sagen, und diese war an dem Tage so kränklich,
daß sie die Hilfe ihrer Gesellschafterin gar nicht
entbehren konnte... Weiterhin behaupten Sie,
das Mädchen habe Plock erschossen und ich war
deshalb auch so heftig erschrocken, als ich den
Miniaturrevolver in ihrem Zimmer sah, aber es
ist mir wirklich unmöglich zu glauben, daß jemand,
mit dem ich täglich zusammenkomme, einer derar-
tigen Schandtat fähig ist."

"Wissen Sie denn, Herr Kommerzienrat, was
die Ursache dazu war? Wer kennt die Tiefen des
menschlichen Herzens! Ich persönlich bin der Ansicht,
daß mancher in der Verzweiflung zu der Mord-
waffe greift, der vor einer Stunde noch nicht im
entferntesten daran gedacht hat. Wenn Sie mir
versprechen, über alles, was ich Ihnen jetzt erzahlen
werde, vorderhand unverbrüchliches Stillschweigen
[Spaltenumbruch] zu beobachten, will ich Ihnen mitteilen, wie alles
kam und wie es mit Naturnotwendigkeit kommen
mußte."

Ich führte nunmehr dem stumm Dastehenden
meine Entdeckungen vor Augen. Bei der Erwähnung
des Teufelslochganges sprang er auf und rief:

"Das ist ja schrecklich. So hat also die Fama
doch recht gehabt. Da lebt man in einem Hause,
das einer Festung gleicht und das deshalb wie
geschaffen erscheint als Geschäftshaus eines Bankiers,
und dann stellt sich schließlich heraus, daß es für
einen Eingeweihten so leicht wie möglich ist, hier
einzudringen... Na, ich habe genug, ich glaube
jetzt alles, auch das Schlimmste.... Schrecklich,
schrecklich! ... Und all das muß gewissermaßen
vor meinen Augen passieren, der ich auf meine
sogenannte Menschenkenntnis stets so stolz gewesen
bin. Welches Fiasko!"

Ich fuhr dann mit meinen Mitteilungen fort
und erwähnte weiter die Auffindung des Medaillons
im Gange.

"Wie sah es aus? forschte Langenheim.

Es ist ein goldenes, mit Brillantperlen besetztes
Herz, wie es die Damen an der Uhrkette zu tragen
pflegen."

"Enthielt es ein Bild?"

"Ja, das Porträt Ihrer Frau Gemahlin."

"Das schließt Ihre Kette, lieber Freund, es
ist jetzt ganz sicher, daß Fräulein von Olenhusen zum
mindesten sich in dem Gange befunden haben muß."

(Schluß folgt.)


Marburger Zeitung Nr. 91. 30. Juli 1912

[Spaltenumbruch]

Prüfung in einer nichtungariſchen Sprache, (z. B.
deutſch) ablegen wollen, als zweite Prüfungsſprache
unbedingt ungariſch anzugeben haben. Die Ergän-
zungsprüfung muß ſpäteſtens am 1. Oktober des
Aſſentjahrganges abgelegt werden. Eine Wieder-
holung der Ergänzungsprüfung iſt ſogleich beim
nächſten Prüfungstermin bei einem „Ungenügend“
geſtattet. Zum ſelben Termin ſetzen jene, welche bei
der vorhergehenden Prüfung erkrankt ſind, die Prü-
fung fort. Bei zwei oder mehr „Ungenügend“ darf
die Prüfung erſt nach einem vollen Jahre wieder-
holt werden. Fällt die Wiederholung nach dem 1.
Oktober des Aſſentierungsjahres des Bewerbers, ſo
iſt ſie unzuläſſig.

Eine deutſchradikale Verwahrung.

Bekanntlich haben die Deutſchradikalen (Wolf-
Partei) bei den letzten Wiener Gemeinderatswahlen
die chriſtlichſozialen Klerikalen auch bei jenen
Kandidaturen unterſtützt, welche ſich gegen deutſch-
freiheitliche Gemeinderatswahlwerber kehrten. Dieſe
antideutſchfreiheitliche Haltung der ſogenannten
Deutſchradikalen (von denen der Abgeordnete Doktor
Kinz erſt kürzlich ſagte, daß ſie in Wahrheit weit
weniger radikal ſind als jene Abgeordnete, die ſich
nicht radikal nennen ...) und ihr ſchmachvolles
Wahlbündnis mit den Klerikalen verſuchten ſie mit
„antiſemitiſchen Gründen“ zu rechtfertigen, an welche
faule Ausrede natürlich kein vernünftiger Menſch
glaubte, zumal ſie angeſichts jenes deutſchradikal-
chriſtlichſozialen Wahlbündniſſes, welches auch gegen
deutſchgeſinnte ariſche Bewerber funktionierte, von
vornherein vollkommen mißlungen war. Nun aber
kommt das Gegenſtück! Das deutſchradikale Nord-
mährerblatt ſchüttelt im Namen der deutſchradikalen
Partei den Antiſemitismus vollſtändig von den
Rockſchößen der Partei ab, führt den Juden zu
Gemüte, daß die Deutſchradikalen in Mähren immer
für die jüdiſchen Bewerber geſtimmt haben, daß ſie
mit dem Judentum in treuer Waffenbrüderſchaft
aus wohlverſtandenem ureigenſten Intereſſe zuſammen-
halten müſſen uſw. Das deutſchradikale (Wolf-)
Blatt ſchließt dieſe Ausführungen mit den Worten:
„Alſo hoffen wir, daß man den Antiſemitismus
nicht mehr gegen uns (Deutſchradikale) ausſpielen
wird! — Wird man gewiß nicht! Aber ein Bei-
ſpiel für die niederträchtige Verlogenheit, mit welcher
bei uns in Oſterreich Politik gemacht und die
Wähler genarrt werden, iſt dies zweifellos! In
Wien heißts mit den Schwarzen gegen die Deutſch-
freiheitlichen ſtimmen — Motiv: Antiſemitismus!
In Mähren verwahrt ſich dieſelbe Partei dagegen,
daß man ſie in antiſemitiſchen Geruch bringe! Der
ganze Schwindel rührt eben davon her, daß die
Deutſchradikalen für einige Mandate in Böhmen
klerikale Hilfe brauchen gegen andere deutſchfreitheit-
liche Bewerber und deshalb leiſten ſie wieder den
Klerikalen in Wien und Niederöſterreich Schützen-
hilfe auch gegen die Deutſchfreiheitlichen! Das offen
einzugeſtehen wäre wohl ehrlicher als mit dem Anti-
ſemitismus jenes erbärmliche Gaukelſpiel aufzuführen
und die deutſche Politik durch die ſchlimmſten Ver-
[Spaltenumbruch] logenheiten zu vergiften. Es iſt kein Wunder, wenn
unſere deutſchen Abgeordneten der Alpenländer, ohne
Rückſicht auf etwaige politiſche Unterſchiede, immer
mehr von Ekel erfüllt werden über das unehrliche
und hinterhältige, verlogene Treiben der ſogenannten
Deutſchradikalen!

Das Deutſchtum der Alpenländer.

Die bisher vorliegenden Ergebniſſe der letzten
Volkszählung zeigen eine erfreuliche Erſtarkung des
Deutſchtums in Öſterreich, beſonders aber in den
Alpenländern und unter dieſen wieder namentlich
in Kärnten. Im Jahre 1890 wurden in Kärnten
70 Prozent Deutſche und 30 Prozent Slowenen
gezählt. Zehn Jahre ſpäter ergab die Zählung
75 Prozent Deutſche und 25 Prozent Slowenen
und nach den neueſten Ziffern hat eine weitere Ver-
ſchiebung auf 79 Prozent Deutſche und 21 Prozent
Slowenen bei einer Allgemeinen Bevölkerungszu-
nahme ſtattgefunden. Allerdings hat dafür das
Slowenentum im „italieniſchen“ Trieſt um 100 Prozent
zugenommen!

Allſlawiſches.

Einem Prager Jungtſchechenblatte wurde
unterm 23. Juli aus Odeſſa geſchrieben: „Hier
erſchien ſoeben die erſte Nummer des Blattes
„Slavjanski Jug.“ Das Blatt wird von einer
Gruppe ſüdſlawiſcher Politiker unter Teilnahme
ruſſiſcher Faktoren herausgegeben. Das Programm
des in ruſſiſcher, bulgariſcher und ſerbiſcher Sprache
erſcheinenden Blattes, das auch Artikel in ſlowe-
niſcher
und tſchechiſcher Sprache veröffentlichen
wird, hat den Zweck, eine Annäherung der Slawen
über die politiſchen, kulturellen und wirtſchaftlichen
Hauptaufgaben der Südſlaven herbeizuführen.“ Das
heißt, ſo bemerkt dazu das Wiener Alldeutſche
Tagblatt: „Slavjanski Jug“ wird ſüdſlawiſche
Politik vom allſlawiſchen Standpunkte aus
betreiben und von Rußland aus. Und wie
entrüſten ſich die Tſchechen über Äußerungen all-
deutſcher Gemeinbürgſchaft, ſelbſt wenn dieſe nicht-
politiſcher, rein kultureller Art ſind!

Der Mikado geſtorben.

Nach einer Meldung aus Tokio iſt dort
geſtern in ſeinem von Chryſanthemen umgebenen
Palaſte der Kaiſer von Japan, Mutſuhilo,
geſtorben. Der verſchiedene japaniſche Herrſcher,
welcher den unerhörten Aufſchwung ſeines Volkes
förderte und deſſen glänzenden Sieg über das
gewaltige Rußland erlebte, folgte als 15 jähriger
Jüngling, der im Jahre 1852 geboren war, ſeinem
Vater Kommei Tenno als 123. Mikado der
herrſchenden Dynaſtie, die ihren Urſprung der Sage
nach auf die Sonnengöttin zurückführt, auf den
Thron. Er hat die Gewalt der Schoguns, die das
Land beherrſchten, gebrochen und Japan, das
ängſtlich vor jeder Verbindung mit den europäiſchen
„Barbaren“ abgeſchloſſen wurde, mit Europa in
Verbindung g[e]bracht; davon rührt der ungeheure
Aufſchwung Japans her.


[Spaltenumbruch]
Eigenberichte.
(Todesfall.)

In Rogeis
ſtarb vorgeſtern an Herzſchlag die 30jährige Grund-
beſitzerin Maria Maleiner.

(Unter den Bier-
fäſſern.)

Ein Fuhrmann des Herrn Bachler in
Kranichsfeld führte einen Wagen voll Bierfäſſer und
-Kiſten aus Marburg nach Kranichsfeld. Bei Win-
denau baten zwei Mädchen und ein Knabe aus
Skoggen bei Kranichsfeld den Fuhrmann, daß er ſie
mitnehmen möge. In ſeiner Gutmütigkeit nahm der
Fuhrmann alle drei auf den Wagen. In Kötſch fiel
plötzlich ein Hinterrad herunter und der Wagen
ſenkte ſich infolgedeſſen ſo ſehr nach dieſer Seite,
daß alle vier Perſonen herunterfielen und die vollen
Bierfäſſer über ſie hinwegrollten. Alle vier wurden
mehr ober minder verletzt, ein Mädchen aber ſcheint
ſchlimme innere Verletzungen und wahrſcheinlich auch
eine ſchwere Gehirnerſchütterung davongetragen zu
haben, da es trotz aller Labungen bewußtlos blieb.
Man holte raſch einen Wagen und führte die drei
bedauernswerten Paſſagiere heim. Der ebenfalls
beſchädigte Fuhrmann konnte nach einiger Zeit allein
weiterfahren.

(Landwirtſchaftliche
Verſammlungen.)

Die Filiale Straß der k. k.
Landwirtſchaftsgeſellſchaft hielt am 21. Juli zwei
Wanderverſammlungen ab, und zwar vormittags in
St. Nikolai ob Draßling und nachmittags in Lipſch.
Beide Verſammlungen wieſen einen äußerſt zahl-
reichen Beſuch auf und hielt der Bezirkstierarzt Herr
Zorn aus Leibnitz einen ſehr lehrreichen Vortrag
über Viehzucht, Behandlung des Viehes und deſſen
Krankheiten. Die Verſammlungsbeſucher waren ſehr
zufrieden. Der Obmann Herr Karl Stift dankte
für den guten Vortrag und erſuchte den Bezirkstier-
arzt, den Landwirten wie bisher mit Rat und Tat
beizuſtehen.


(Hagelwetter.)

Freitag den 26. Juli gegen
halb ſechs Uhr nachmittags ging ein orkanartiger
Sturm mit Hagelwetter in der Richtung über Gra-
diſchberg (Gemeinde Willkomm) gegen Partin, St.
Georgen W.-B. nieder, Der dadurch angerichtete
Schaden iſt ſehr groß. Die ganze Weinernte
in dieſer Gegend wurde vernichtet, teils durch Hagel,
teils durch den Sturm, welch letzterer derart wütete,
daß er ſogar große Bäume, die in geſchützter Lage
ſtanden, entwurzelte.

(Sommerfeſt des
Reichsbundes deutſcher Eiſenbahner.)

Sonntag den 4. Auguſt findet in Pragerhof ein
großes Sommerfeſt, verbunden mit der Gründungs-
feier des Radfahrervereines Drauadler und der
Turnriege Pragerhof ſtatt. Pflicht aller völkiſchen
Kreiſe der Umgebungsorte iſt es, die im harten
Kampfe ſtehenden nationalen Eiſenbahner durch einen
zahlreichen Beſuch zu unterſtützen und dadurch das
Volksbewußtſein neu zu heben und zu ſtärken. Der
Reingewinn dieſer Veranſtaltung wird zur Weih-




[Spaltenumbruch]

„Wie ich nach all dem Geſehenen und Gehörten
annehme, haben Sie Fräulein von Olenhuſen in
einem überaus ſchweren Verdacht. Wenn es mir
auch bis ins Innerſte widerſtrebt, von einer
Bewohnerin meines Hauſes etwas derartiges anzu-
nehmen, ſo bleibt mir — ich kann kombinieren
wie ich will — doch nichts anderes übrig, als
an einen Diebſtahl der Banknoten von ihrer Seite
zu glauben. Es iſt mir freilich ein Rätſel, das
ich außerſtande bin zu löſen, wozu ſie das viele
Geld gebraucht haben könnte. Sie beſitzt keine
Angehörigen mehr, denen ſie es etwa hätte
zukommen laſſen können, und was ihre eigene
Perſon betrifft, ſo iſt ſie die Sparſamkeit ſelbſt.
Sie hat ſogar die abgelegte Garderobe meiner
Frau mit beſtem Danke angenommen und trägt
ſie jetzt mit Vorliebe. Kurz und gut, alles deutet
trotzdem auf ſie als die Diebin, denn niemand als
ſie konnte wiſſen, daß ein geheimer Weg zu meiner
Silberkammer führt, ein Weg, der ſelbſt mir
unbekannt war ... Herrgott, in welcher Gefahr
habe ich geſchwebt! Sie hätte mir mit der größten
Leichtigkeit alle in der Silberkammer befindlichen
Werte entwenden können und ich würde nicht
einmal gewußt haben, wie es möglich war. Ich
werde Ihnen nie genug danken können, Aſſeſſor“,
fügte der ſehr erregte Mann aufatmend hinzu.
Dann fuhr er fort: „So weit wäre die Angelegen-
heit alſo geklärt. Sie nehmen aber, wie Sie ſagten,
auch an, daß die Dame mit dem Tode des Bau-
meiſters in Zuſammenhang zu bringen iſt, und
[Spaltenumbruch] das iſt es, was ich beim beſten Willen nicht glau-
ben kann.“

„Nun, ich habe zwingende Gründe zu der
Annahme, daß Fräulein von Olenhuſen Herrn
Plock am Tage ſeines Verſchwindens erſchoſſen
hat, und zwar im Teufelsloch.“

Aber ich bitte Sie, Aſſeſſor! Wie wäre ſo
etwas möglich! Sie war immer ſo häuslich und
weigerte ſich direkt auszugehen. Sie wiſſen doch,
daß der Weg nach dem Teufelsloch durch die
ganze Stedt führt und über drei Viertelſtunden in
Anſpruch nimmt. Sie müßte alſo mindeſtens
eineinhalb bis zwei Stunden fortgeweſen ſein.
Das könnte ſie nicht, ohne meiner Frau etwas zu
ſagen, und dieſe war an dem Tage ſo kränklich,
daß ſie die Hilfe ihrer Geſellſchafterin gar nicht
entbehren konnte... Weiterhin behaupten Sie,
das Mädchen habe Plock erſchoſſen und ich war
deshalb auch ſo heftig erſchrocken, als ich den
Miniaturrevolver in ihrem Zimmer ſah, aber es
iſt mir wirklich unmöglich zu glauben, daß jemand,
mit dem ich täglich zuſammenkomme, einer derar-
tigen Schandtat fähig iſt.“

„Wiſſen Sie denn, Herr Kommerzienrat, was
die Urſache dazu war? Wer kennt die Tiefen des
menſchlichen Herzens! Ich perſönlich bin der Anſicht,
daß mancher in der Verzweiflung zu der Mord-
waffe greift, der vor einer Stunde noch nicht im
entfernteſten daran gedacht hat. Wenn Sie mir
verſprechen, über alles, was ich Ihnen jetzt erzahlen
werde, vorderhand unverbrüchliches Stillſchweigen
[Spaltenumbruch] zu beobachten, will ich Ihnen mitteilen, wie alles
kam und wie es mit Naturnotwendigkeit kommen
mußte.“

Ich führte nunmehr dem ſtumm Daſtehenden
meine Entdeckungen vor Augen. Bei der Erwähnung
des Teufelslochganges ſprang er auf und rief:

„Das iſt ja ſchrecklich. So hat alſo die Fama
doch recht gehabt. Da lebt man in einem Hauſe,
das einer Feſtung gleicht und das deshalb wie
geſchaffen erſcheint als Geſchäftshaus eines Bankiers,
und dann ſtellt ſich ſchließlich heraus, daß es für
einen Eingeweihten ſo leicht wie möglich iſt, hier
einzudringen... Na, ich habe genug, ich glaube
jetzt alles, auch das Schlimmſte.... Schrecklich,
ſchrecklich! ... Und all das muß gewiſſermaßen
vor meinen Augen paſſieren, der ich auf meine
ſogenannte Menſchenkenntnis ſtets ſo ſtolz geweſen
bin. Welches Fiasko!“

Ich fuhr dann mit meinen Mitteilungen fort
und erwähnte weiter die Auffindung des Medaillons
im Gange.

„Wie ſah es aus? forſchte Langenheim.

Es iſt ein goldenes, mit Brillantperlen beſetztes
Herz, wie es die Damen an der Uhrkette zu tragen
pflegen.“

„Enthielt es ein Bild?“

„Ja, das Porträt Ihrer Frau Gemahlin.“

„Das ſchließt Ihre Kette, lieber Freund, es
iſt jetzt ganz ſicher, daß Fräulein von Olenhuſen zum
mindeſten ſich in dem Gange befunden haben muß.“

(Schluß folgt.)


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[2/0002] Marburger Zeitung Nr. 91. 30. Juli 1912 Prüfung in einer nichtungariſchen Sprache, (z. B. deutſch) ablegen wollen, als zweite Prüfungsſprache unbedingt ungariſch anzugeben haben. Die Ergän- zungsprüfung muß ſpäteſtens am 1. Oktober des Aſſentjahrganges abgelegt werden. Eine Wieder- holung der Ergänzungsprüfung iſt ſogleich beim nächſten Prüfungstermin bei einem „Ungenügend“ geſtattet. Zum ſelben Termin ſetzen jene, welche bei der vorhergehenden Prüfung erkrankt ſind, die Prü- fung fort. Bei zwei oder mehr „Ungenügend“ darf die Prüfung erſt nach einem vollen Jahre wieder- holt werden. Fällt die Wiederholung nach dem 1. Oktober des Aſſentierungsjahres des Bewerbers, ſo iſt ſie unzuläſſig. Eine deutſchradikale Verwahrung. Bekanntlich haben die Deutſchradikalen (Wolf- Partei) bei den letzten Wiener Gemeinderatswahlen die chriſtlichſozialen Klerikalen auch bei jenen Kandidaturen unterſtützt, welche ſich gegen deutſch- freiheitliche Gemeinderatswahlwerber kehrten. Dieſe antideutſchfreiheitliche Haltung der ſogenannten Deutſchradikalen (von denen der Abgeordnete Doktor Kinz erſt kürzlich ſagte, daß ſie in Wahrheit weit weniger radikal ſind als jene Abgeordnete, die ſich nicht radikal nennen ...) und ihr ſchmachvolles Wahlbündnis mit den Klerikalen verſuchten ſie mit „antiſemitiſchen Gründen“ zu rechtfertigen, an welche faule Ausrede natürlich kein vernünftiger Menſch glaubte, zumal ſie angeſichts jenes deutſchradikal- chriſtlichſozialen Wahlbündniſſes, welches auch gegen deutſchgeſinnte ariſche Bewerber funktionierte, von vornherein vollkommen mißlungen war. Nun aber kommt das Gegenſtück! Das deutſchradikale Nord- mährerblatt ſchüttelt im Namen der deutſchradikalen Partei den Antiſemitismus vollſtändig von den Rockſchößen der Partei ab, führt den Juden zu Gemüte, daß die Deutſchradikalen in Mähren immer für die jüdiſchen Bewerber geſtimmt haben, daß ſie mit dem Judentum in treuer Waffenbrüderſchaft aus wohlverſtandenem ureigenſten Intereſſe zuſammen- halten müſſen uſw. Das deutſchradikale (Wolf-) Blatt ſchließt dieſe Ausführungen mit den Worten: „Alſo hoffen wir, daß man den Antiſemitismus nicht mehr gegen uns (Deutſchradikale) ausſpielen wird! — Wird man gewiß nicht! Aber ein Bei- ſpiel für die niederträchtige Verlogenheit, mit welcher bei uns in Oſterreich Politik gemacht und die Wähler genarrt werden, iſt dies zweifellos! In Wien heißts mit den Schwarzen gegen die Deutſch- freiheitlichen ſtimmen — Motiv: Antiſemitismus! In Mähren verwahrt ſich dieſelbe Partei dagegen, daß man ſie in antiſemitiſchen Geruch bringe! Der ganze Schwindel rührt eben davon her, daß die Deutſchradikalen für einige Mandate in Böhmen klerikale Hilfe brauchen gegen andere deutſchfreitheit- liche Bewerber und deshalb leiſten ſie wieder den Klerikalen in Wien und Niederöſterreich Schützen- hilfe auch gegen die Deutſchfreiheitlichen! Das offen einzugeſtehen wäre wohl ehrlicher als mit dem Anti- ſemitismus jenes erbärmliche Gaukelſpiel aufzuführen und die deutſche Politik durch die ſchlimmſten Ver- logenheiten zu vergiften. Es iſt kein Wunder, wenn unſere deutſchen Abgeordneten der Alpenländer, ohne Rückſicht auf etwaige politiſche Unterſchiede, immer mehr von Ekel erfüllt werden über das unehrliche und hinterhältige, verlogene Treiben der ſogenannten Deutſchradikalen! Das Deutſchtum der Alpenländer. Die bisher vorliegenden Ergebniſſe der letzten Volkszählung zeigen eine erfreuliche Erſtarkung des Deutſchtums in Öſterreich, beſonders aber in den Alpenländern und unter dieſen wieder namentlich in Kärnten. Im Jahre 1890 wurden in Kärnten 70 Prozent Deutſche und 30 Prozent Slowenen gezählt. Zehn Jahre ſpäter ergab die Zählung 75 Prozent Deutſche und 25 Prozent Slowenen und nach den neueſten Ziffern hat eine weitere Ver- ſchiebung auf 79 Prozent Deutſche und 21 Prozent Slowenen bei einer Allgemeinen Bevölkerungszu- nahme ſtattgefunden. Allerdings hat dafür das Slowenentum im „italieniſchen“ Trieſt um 100 Prozent zugenommen! Allſlawiſches. Einem Prager Jungtſchechenblatte wurde unterm 23. Juli aus Odeſſa geſchrieben: „Hier erſchien ſoeben die erſte Nummer des Blattes „Slavjanski Jug.“ Das Blatt wird von einer Gruppe ſüdſlawiſcher Politiker unter Teilnahme ruſſiſcher Faktoren herausgegeben. Das Programm des in ruſſiſcher, bulgariſcher und ſerbiſcher Sprache erſcheinenden Blattes, das auch Artikel in ſlowe- niſcher und tſchechiſcher Sprache veröffentlichen wird, hat den Zweck, eine Annäherung der Slawen über die politiſchen, kulturellen und wirtſchaftlichen Hauptaufgaben der Südſlaven herbeizuführen.“ Das heißt, ſo bemerkt dazu das Wiener Alldeutſche Tagblatt: „Slavjanski Jug“ wird ſüdſlawiſche Politik vom allſlawiſchen Standpunkte aus betreiben und von Rußland aus. Und wie entrüſten ſich die Tſchechen über Äußerungen all- deutſcher Gemeinbürgſchaft, ſelbſt wenn dieſe nicht- politiſcher, rein kultureller Art ſind! Der Mikado geſtorben. Nach einer Meldung aus Tokio iſt dort geſtern in ſeinem von Chryſanthemen umgebenen Palaſte der Kaiſer von Japan, Mutſuhilo, geſtorben. Der verſchiedene japaniſche Herrſcher, welcher den unerhörten Aufſchwung ſeines Volkes förderte und deſſen glänzenden Sieg über das gewaltige Rußland erlebte, folgte als 15 jähriger Jüngling, der im Jahre 1852 geboren war, ſeinem Vater Kommei Tenno als 123. Mikado der herrſchenden Dynaſtie, die ihren Urſprung der Sage nach auf die Sonnengöttin zurückführt, auf den Thron. Er hat die Gewalt der Schoguns, die das Land beherrſchten, gebrochen und Japan, das ängſtlich vor jeder Verbindung mit den europäiſchen „Barbaren“ abgeſchloſſen wurde, mit Europa in Verbindung gebracht; davon rührt der ungeheure Aufſchwung Japans her. Eigenberichte. Kötſch, 28. Juli. (Todesfall.) In Rogeis ſtarb vorgeſtern an Herzſchlag die 30jährige Grund- beſitzerin Maria Maleiner. Kötſch, 29. Juli. (Unter den Bier- fäſſern.) Ein Fuhrmann des Herrn Bachler in Kranichsfeld führte einen Wagen voll Bierfäſſer und -Kiſten aus Marburg nach Kranichsfeld. Bei Win- denau baten zwei Mädchen und ein Knabe aus Skoggen bei Kranichsfeld den Fuhrmann, daß er ſie mitnehmen möge. In ſeiner Gutmütigkeit nahm der Fuhrmann alle drei auf den Wagen. In Kötſch fiel plötzlich ein Hinterrad herunter und der Wagen ſenkte ſich infolgedeſſen ſo ſehr nach dieſer Seite, daß alle vier Perſonen herunterfielen und die vollen Bierfäſſer über ſie hinwegrollten. Alle vier wurden mehr ober minder verletzt, ein Mädchen aber ſcheint ſchlimme innere Verletzungen und wahrſcheinlich auch eine ſchwere Gehirnerſchütterung davongetragen zu haben, da es trotz aller Labungen bewußtlos blieb. Man holte raſch einen Wagen und führte die drei bedauernswerten Paſſagiere heim. Der ebenfalls beſchädigte Fuhrmann konnte nach einiger Zeit allein weiterfahren. Straß, 28. Juli. (Landwirtſchaftliche Verſammlungen.) Die Filiale Straß der k. k. Landwirtſchaftsgeſellſchaft hielt am 21. Juli zwei Wanderverſammlungen ab, und zwar vormittags in St. Nikolai ob Draßling und nachmittags in Lipſch. Beide Verſammlungen wieſen einen äußerſt zahl- reichen Beſuch auf und hielt der Bezirkstierarzt Herr Zorn aus Leibnitz einen ſehr lehrreichen Vortrag über Viehzucht, Behandlung des Viehes und deſſen Krankheiten. Die Verſammlungsbeſucher waren ſehr zufrieden. Der Obmann Herr Karl Stift dankte für den guten Vortrag und erſuchte den Bezirkstier- arzt, den Landwirten wie bisher mit Rat und Tat beizuſtehen. St. Margareten bei Marburg, 28 Juli. (Hagelwetter.) Freitag den 26. Juli gegen halb ſechs Uhr nachmittags ging ein orkanartiger Sturm mit Hagelwetter in der Richtung über Gra- diſchberg (Gemeinde Willkomm) gegen Partin, St. Georgen W.-B. nieder, Der dadurch angerichtete Schaden iſt ſehr groß. Die ganze Weinernte in dieſer Gegend wurde vernichtet, teils durch Hagel, teils durch den Sturm, welch letzterer derart wütete, daß er ſogar große Bäume, die in geſchützter Lage ſtanden, entwurzelte. Pragerhof, 29. Juli. (Sommerfeſt des Reichsbundes deutſcher Eiſenbahner.) Sonntag den 4. Auguſt findet in Pragerhof ein großes Sommerfeſt, verbunden mit der Gründungs- feier des Radfahrervereines Drauadler und der Turnriege Pragerhof ſtatt. Pflicht aller völkiſchen Kreiſe der Umgebungsorte iſt es, die im harten Kampfe ſtehenden nationalen Eiſenbahner durch einen zahlreichen Beſuch zu unterſtützen und dadurch das Volksbewußtſein neu zu heben und zu ſtärken. Der Reingewinn dieſer Veranſtaltung wird zur Weih- „Wie ich nach all dem Geſehenen und Gehörten annehme, haben Sie Fräulein von Olenhuſen in einem überaus ſchweren Verdacht. Wenn es mir auch bis ins Innerſte widerſtrebt, von einer Bewohnerin meines Hauſes etwas derartiges anzu- nehmen, ſo bleibt mir — ich kann kombinieren wie ich will — doch nichts anderes übrig, als an einen Diebſtahl der Banknoten von ihrer Seite zu glauben. Es iſt mir freilich ein Rätſel, das ich außerſtande bin zu löſen, wozu ſie das viele Geld gebraucht haben könnte. Sie beſitzt keine Angehörigen mehr, denen ſie es etwa hätte zukommen laſſen können, und was ihre eigene Perſon betrifft, ſo iſt ſie die Sparſamkeit ſelbſt. Sie hat ſogar die abgelegte Garderobe meiner Frau mit beſtem Danke angenommen und trägt ſie jetzt mit Vorliebe. Kurz und gut, alles deutet trotzdem auf ſie als die Diebin, denn niemand als ſie konnte wiſſen, daß ein geheimer Weg zu meiner Silberkammer führt, ein Weg, der ſelbſt mir unbekannt war ... Herrgott, in welcher Gefahr habe ich geſchwebt! Sie hätte mir mit der größten Leichtigkeit alle in der Silberkammer befindlichen Werte entwenden können und ich würde nicht einmal gewußt haben, wie es möglich war. Ich werde Ihnen nie genug danken können, Aſſeſſor“, fügte der ſehr erregte Mann aufatmend hinzu. Dann fuhr er fort: „So weit wäre die Angelegen- heit alſo geklärt. Sie nehmen aber, wie Sie ſagten, auch an, daß die Dame mit dem Tode des Bau- meiſters in Zuſammenhang zu bringen iſt, und das iſt es, was ich beim beſten Willen nicht glau- ben kann.“ „Nun, ich habe zwingende Gründe zu der Annahme, daß Fräulein von Olenhuſen Herrn Plock am Tage ſeines Verſchwindens erſchoſſen hat, und zwar im Teufelsloch.“ Aber ich bitte Sie, Aſſeſſor! Wie wäre ſo etwas möglich! Sie war immer ſo häuslich und weigerte ſich direkt auszugehen. Sie wiſſen doch, daß der Weg nach dem Teufelsloch durch die ganze Stedt führt und über drei Viertelſtunden in Anſpruch nimmt. Sie müßte alſo mindeſtens eineinhalb bis zwei Stunden fortgeweſen ſein. Das könnte ſie nicht, ohne meiner Frau etwas zu ſagen, und dieſe war an dem Tage ſo kränklich, daß ſie die Hilfe ihrer Geſellſchafterin gar nicht entbehren konnte... Weiterhin behaupten Sie, das Mädchen habe Plock erſchoſſen und ich war deshalb auch ſo heftig erſchrocken, als ich den Miniaturrevolver in ihrem Zimmer ſah, aber es iſt mir wirklich unmöglich zu glauben, daß jemand, mit dem ich täglich zuſammenkomme, einer derar- tigen Schandtat fähig iſt.“ „Wiſſen Sie denn, Herr Kommerzienrat, was die Urſache dazu war? Wer kennt die Tiefen des menſchlichen Herzens! Ich perſönlich bin der Anſicht, daß mancher in der Verzweiflung zu der Mord- waffe greift, der vor einer Stunde noch nicht im entfernteſten daran gedacht hat. Wenn Sie mir verſprechen, über alles, was ich Ihnen jetzt erzahlen werde, vorderhand unverbrüchliches Stillſchweigen zu beobachten, will ich Ihnen mitteilen, wie alles kam und wie es mit Naturnotwendigkeit kommen mußte.“ Ich führte nunmehr dem ſtumm Daſtehenden meine Entdeckungen vor Augen. Bei der Erwähnung des Teufelslochganges ſprang er auf und rief: „Das iſt ja ſchrecklich. So hat alſo die Fama doch recht gehabt. Da lebt man in einem Hauſe, das einer Feſtung gleicht und das deshalb wie geſchaffen erſcheint als Geſchäftshaus eines Bankiers, und dann ſtellt ſich ſchließlich heraus, daß es für einen Eingeweihten ſo leicht wie möglich iſt, hier einzudringen... Na, ich habe genug, ich glaube jetzt alles, auch das Schlimmſte.... Schrecklich, ſchrecklich! ... Und all das muß gewiſſermaßen vor meinen Augen paſſieren, der ich auf meine ſogenannte Menſchenkenntnis ſtets ſo ſtolz geweſen bin. Welches Fiasko!“ Ich fuhr dann mit meinen Mitteilungen fort und erwähnte weiter die Auffindung des Medaillons im Gange. „Wie ſah es aus? forſchte Langenheim. Es iſt ein goldenes, mit Brillantperlen beſetztes Herz, wie es die Damen an der Uhrkette zu tragen pflegen.“ „Enthielt es ein Bild?“ „Ja, das Porträt Ihrer Frau Gemahlin.“ „Das ſchließt Ihre Kette, lieber Freund, es iſt jetzt ganz ſicher, daß Fräulein von Olenhuſen zum mindeſten ſich in dem Gange befunden haben muß.“ (Schluß folgt.)

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 91, Marburg, 30.07.1912, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger91_1912/2>, abgerufen am 23.11.2024.