Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 30. Stuttgart/Tübingen, 27. Juli 1856.Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 30. 27. Juli 1856. Goethe. Cornelius neueste Arbeit. [Beginn Spaltensatz]
Seit einiger Zeit ist in Berlin die fertige Zeich- Diese Composition ist für die Altarnische des großen Wohlwollende Vertheidiger begegnen diesem Be- Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 30. 27. Juli 1856. Goethe. Cornelius neueste Arbeit. [Beginn Spaltensatz]
Seit einiger Zeit ist in Berlin die fertige Zeich- Diese Composition ist für die Altarnische des großen Wohlwollende Vertheidiger begegnen diesem Be- <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[697]"/> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b #fr #g #larger">Morgenblatt</hi><lb/> <space dim="vertical"/> <hi rendition="#smaller">für</hi><lb/> <space dim="vertical"/> <hi rendition="#b #fr #g"><hi rendition="#g">gebildete Leser</hi>.</hi> </titlePart> </docTitle><lb/> <space dim="vertical"/> <docImprint> <hi rendition="#fr">Nr. 30.</hi> <docDate> <hi rendition="#right">27. Juli 1856.</hi> </docDate> </docImprint><lb/> </titlePage> <space dim="vertical"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </front> <body> <div n="1"> <epigraph> <cit> <quote> <lg type="poem"> <l>Sieh, was dein Werk für einen Eindruck macht,</l><lb/> <l>Das du in deinen reinsten Stunden</l><lb/> <l>Aus deinem innern Selbst empfunden,</l><lb/> <l>Mit Maaß und Weisheit durchgedacht,</l><lb/> <l>Mit stillem, treuem Fließ vollbracht!</l><lb/> </lg> </quote> <bibl><hi rendition="#g #right">Goethe</hi>.</bibl> </cit> </epigraph> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">Cornelius neueste Arbeit.</hi> </head><lb/> <cb type="start"/> <p>Seit einiger Zeit ist in Berlin die fertige Zeich-<lb/> nung zu sehen, welche Cornelius aus Rom gesandt<lb/> hat. Sie stellt die königliche Familie dar in Erwar-<lb/> tung des jüngsten Gerichts. Sie ist kein großer Karton,<lb/> wie die andern Compositionen, in deren Mitte sie im<lb/> Atelier einen Platz gefunden hat. Etwa sechs Fuß<lb/> hoch, in Deckfarben ausgeführt, bietet sie uns den<lb/> Entwurf für das später zu vergrößernde Gemälde. Eine<lb/> ziemlich bedeutende Anzahl von Figuren füllt das Blatt.<lb/> Auf dem Boden erblickt man das königliche Haus;<lb/> seine Mitglieder wenden die Augen nach oben, und es<lb/> erhebt sich über ihnen ein ganzer Aufbau himmlischer<lb/> Heerschaaren bis zur höchsten Spitze. Reihen von Hei-<lb/> ligen auf Wolkensitzen schichten sich über einander; soll<lb/> ich einen weltlichen Ausdruck gebrauchen, so ist gleich-<lb/> sam der ganze Hofstaat des Himmels dargeboten in<lb/> einer feierlichen Sitzung.</p><lb/> <p>Diese Composition ist für die Altarnische des großen<lb/> projektirten Doms bestimmt, also nicht flach zu denken,<lb/> wie wir sie vor uns haben, sondern in eine halbkreis-<lb/> förmige Höhlung gemalt. Natürlich muß dadurch ihr<lb/> Eindruck ein anderer werden. Die Mitte tritt dann<lb/><cb n="2"/> mehr heraus, die übereinander gebauten Abtheilungen<lb/> erscheinen weniger breit und stellen sich als natürliche<lb/> Ergebnisse des bedingenden Raumes dar. Jndem man<lb/> dieß hie und da nicht begreift oder mit ungeübter Phan-<lb/> tasie sich nicht gleich vorstellen kann, tadelt man die<lb/> Anordnung des Ganzen. Eben so findet man an der<lb/> Auffassung der königlichen Familie in Bezug auf das<lb/> Costüm viel auszusetzen. Wie der Meister anders hätte<lb/> verfahren können, hörte ich nicht. Endlich vermißt man<lb/> die protestantische Färbung des Bildes, das doch in<lb/> einem protestantischen Dome ausgeführt werden soll,<lb/> und fragt, wo neben den Kirchenvätern Luther und so<lb/> manche andere geblieben seyen?</p><lb/> <p>Wohlwollende Vertheidiger begegnen diesem Be-<lb/> denken mit der Versicherung, daß die schwarzen Röcke<lb/> der Reformatoren malerisch eine Unmöglichkeit gewesen<lb/> seyn würden. Jch maße mir darüber kein Urtheil an,<lb/> allein ich gestehe, daß mir ihre Abwesenheit überhaupt<lb/> gar nicht aufgefallen ist. Luther und die großen Ge-<lb/> nossen seiner Bestrebungen haben mit diesem Bilde<lb/> nichts zu schaffen. Undenkbar wäre es, daß eine solche<lb/> Composition dem Geiste eines protestantischen Künstlers<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [[697]/0001]
Morgenblatt
für
gebildete Leser.
Nr. 30. 27. Juli 1856.
Sieh, was dein Werk für einen Eindruck macht,
Das du in deinen reinsten Stunden
Aus deinem innern Selbst empfunden,
Mit Maaß und Weisheit durchgedacht,
Mit stillem, treuem Fließ vollbracht!
Goethe.
Cornelius neueste Arbeit.
Seit einiger Zeit ist in Berlin die fertige Zeich-
nung zu sehen, welche Cornelius aus Rom gesandt
hat. Sie stellt die königliche Familie dar in Erwar-
tung des jüngsten Gerichts. Sie ist kein großer Karton,
wie die andern Compositionen, in deren Mitte sie im
Atelier einen Platz gefunden hat. Etwa sechs Fuß
hoch, in Deckfarben ausgeführt, bietet sie uns den
Entwurf für das später zu vergrößernde Gemälde. Eine
ziemlich bedeutende Anzahl von Figuren füllt das Blatt.
Auf dem Boden erblickt man das königliche Haus;
seine Mitglieder wenden die Augen nach oben, und es
erhebt sich über ihnen ein ganzer Aufbau himmlischer
Heerschaaren bis zur höchsten Spitze. Reihen von Hei-
ligen auf Wolkensitzen schichten sich über einander; soll
ich einen weltlichen Ausdruck gebrauchen, so ist gleich-
sam der ganze Hofstaat des Himmels dargeboten in
einer feierlichen Sitzung.
Diese Composition ist für die Altarnische des großen
projektirten Doms bestimmt, also nicht flach zu denken,
wie wir sie vor uns haben, sondern in eine halbkreis-
förmige Höhlung gemalt. Natürlich muß dadurch ihr
Eindruck ein anderer werden. Die Mitte tritt dann
mehr heraus, die übereinander gebauten Abtheilungen
erscheinen weniger breit und stellen sich als natürliche
Ergebnisse des bedingenden Raumes dar. Jndem man
dieß hie und da nicht begreift oder mit ungeübter Phan-
tasie sich nicht gleich vorstellen kann, tadelt man die
Anordnung des Ganzen. Eben so findet man an der
Auffassung der königlichen Familie in Bezug auf das
Costüm viel auszusetzen. Wie der Meister anders hätte
verfahren können, hörte ich nicht. Endlich vermißt man
die protestantische Färbung des Bildes, das doch in
einem protestantischen Dome ausgeführt werden soll,
und fragt, wo neben den Kirchenvätern Luther und so
manche andere geblieben seyen?
Wohlwollende Vertheidiger begegnen diesem Be-
denken mit der Versicherung, daß die schwarzen Röcke
der Reformatoren malerisch eine Unmöglichkeit gewesen
seyn würden. Jch maße mir darüber kein Urtheil an,
allein ich gestehe, daß mir ihre Abwesenheit überhaupt
gar nicht aufgefallen ist. Luther und die großen Ge-
nossen seiner Bestrebungen haben mit diesem Bilde
nichts zu schaffen. Undenkbar wäre es, daß eine solche
Composition dem Geiste eines protestantischen Künstlers
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