Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 46. Stuttgart/Tübingen, 16. November 1856.[Beginn Spaltensatz]
für die Präsidentschaft Partei nehmen. Jhr eigener Nach vierstündiger Fahrt gelangten wir nach Jch verschluckte eilig eines jener unerhört schlechten Wenn man das Thal durchschritten hat, gelangt Jch bin nicht feig und wußte außerdem, daß Howe [Beginn Spaltensatz]
für die Präsidentschaft Partei nehmen. Jhr eigener Nach vierstündiger Fahrt gelangten wir nach Jch verschluckte eilig eines jener unerhört schlechten Wenn man das Thal durchschritten hat, gelangt Jch bin nicht feig und wußte außerdem, daß Howe <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="1097"/><fw type="pageNum" place="top">1097</fw><cb type="start"/> für die Präsidentschaft Partei nehmen. Jhr eigener<lb/> Vortheil bringt dieß mit sich; wie erfreulich ist aber<lb/> auch der Blick über das schöne wohlangebaute Land,<lb/> wo die Leute unter dem Segen der freien Arbeit alle<lb/> gedeihen und wohlhabend werden, wenn man damit die<lb/> schlechte Cultur und dadurch herbeigeführte Verarmung<lb/> in den Sklavenstaaten vergleicht, ganz abgesehen von<lb/> den Gräueln der Sklaverei an sich!</p><lb/> <p>Nach vierstündiger Fahrt gelangten wir nach<lb/> Schoharie, einem freundlichen Flecken mit geschmack-<lb/> vollen, eleganten Holzhäusern in einem schönen schattigen<lb/> Thal zwischen bewaldeten Hügelreihen. Jm Wirths-<lb/> haus erkundigte ich mich nach dem Wege zur Höhle<lb/> und erfuhr, daß sie noch fünf Meilen weiter westlich<lb/> liege, daß es aber keine Fahrgelegenheit dorthin gebe.<lb/> Jn jedem civilisirten Lande Europas würde es sicher<lb/> deren mehr als eine nach einem so viel besuchten Orte<lb/> geben, allein hier sind die Plätze, welche nur des Ver-<lb/> gnügens wegen aufgesucht werden, die letzten, welche<lb/> die Speculation zugänglich zu machen unternimmt; ja<lb/> selbst die Gegend am Niagara soll sich noch vor zehn<lb/> Jahren im Zustand der vollkommensten Wildniß be-<lb/> funden haben.</p><lb/> <p>Jch verschluckte eilig eines jener unerhört schlechten<lb/> Diners, mit denen nur amerikanische Wirthe auf den<lb/> gesunden Hunger armer Reisender zu speculiren wagen<lb/> dürfen, und den achten Theil einer Tasse Kaffee mit<lb/> einem so gräßlichen Schwanz in Gestalt eines Nach-<lb/> geschmacks, daß es rein unmöglich war, das Ganze hin-<lb/> unter zu bringen. Diesen geschwänzten Kaffee, der an<lb/> Abscheulichkeit alles überbietet, was die vereinten Cicho-<lb/> rienfabriken Europas zu leisten vermögen, kann man<lb/> hier übrigens im ganzen Lande täglich vorgesetzt erhal-<lb/> ten. Als dieses Vergnügen beseitigt war, trat ich den<lb/> Weg nach der Höhle zu Fuß an, einen der schönsten<lb/> und lohnendsten für den Wanderer <hi rendition="#aq">con amore</hi>. Erst<lb/> überschreitet man einen hohen Berg, von dessen Höhe<lb/> man das Thal und Schoharie darin übersieht; dann<lb/> geht es auf der entgegengesetzten Seite in ein anderes<lb/> reizendes Thal hinab, das von einem kleinen Fluß<lb/> durchschlängelt wird. Kleine Nadelholzungen wechseln<lb/> mit reichen Feldern ab, und der Himmel ist so blau,<lb/> und die Jnsekten, hier viel zahlreicher als in Deutsch-<lb/> land, singen, summen, brummen und schwärmen, daß<lb/> es den mangelnden Gesang der Vögel kaum entbehren<lb/> läßt, und die Nadelhölzer duften in der Sonnenwärme,<lb/> daß es eine Lust ist. Kein Gefühl der Einsamkeit<lb/> überkommt einen, wenn einem auch oft lange Zeit kein<lb/> Mensch begegnet. Erde und Sonne sehen einen so<lb/> freundlich an, und alle Augenblicke besucht einen ein<lb/> neugieriger Käfer, oft von der allerabenteuerlichsten Ge-<lb/><cb n="2"/> stalt; große Grashüpfer mit schmetterlingsartigen blau-<lb/> oder braun umsäumten Flügeln, dergleichen man in<lb/> Deutschland gar nicht kennt, schießen zu Tausenden<lb/> umher, weite Bogen durch die Luft beschreibend, oder<lb/> ein vorlauter Frosch hüpft einem über den Fuß, so daß<lb/> man sich immer in guter Gesellschaft befindet. Ueber-<lb/> haupt bin ich in meinem Leben zu oft von Menschen<lb/> gequält worden, die einem in der großartigsten Gegend<lb/> Familiengeschichten erzählen, oder was noch schlimmer<lb/> ist, einen mit sentimentalen Ergüssen bedienen, um<lb/> nicht lieber ganz allein in die Welt hineinzugehen, wenn<lb/> ich nicht mir ganz zusagende Gesellschaft haben kann.</p><lb/> <p>Wenn man das Thal durchschritten hat, gelangt<lb/> man endlich zu dem geräumigen Hause des Herrn Howe,<lb/> welches sich in der schönsten Gegend, am Eingang ei-<lb/> nes Waldes an die jenseitige Höhe lehnt. Dicht dabei<lb/> befindet sich der Eingang zur Höhle, aus der einem<lb/> schon aus der Entfernung ein kühler Luftstrom entgegen<lb/> dringt, durch welchen Master Howe vor vierzehn Jahren<lb/> die Höhle, welche damals durch Felsstücke und Bäume<lb/> unsichtbar und versperrt war, zuerst entdeckte, worauf<lb/> er sie als sein Eigenthum in Besitz nahm und für Be-<lb/> sucher zugänglich machte. Das Geld, welches ihm diese<lb/> einbringen — der Besuch kostet, wohlfeil genug, einen<lb/> Dollar — wendet er zur weiteren Verbesserung der<lb/> Wege an und ist beständig geschäftig, sie noch weiter<lb/> zu durchforschen, wobei er bis jetzt wohl an zwölf<lb/> Meilen weit vorgedrungen ist, ohne noch an's Ende<lb/> gelangt zu seyn. Er ist ein schlichter, einfacher, doch<lb/> nicht ungebildeter Mann, in dessen Aeußern und ganzen<lb/> Wesen unverkennbar der Ausdruck jenes ruhigen, kalt-<lb/> blütig kühnen Unternehmungsgeistes liegt, mit dem die<lb/> Amerikaner alljährlich in bisher unbetretene Wildnisse<lb/> eindringen, die sie später, in fruchtbare Gebiete ver-<lb/> wandelt, ihrem Land hinzufügen. Das Haus liegt in<lb/> gänzlicher Abgeschiedenheit und muß im Winter fast<lb/> unzugänglich seyn, so daß die Familie dann von allem<lb/> Verkehr so gut wie abgeschnitten ist, wobei sie sich in-<lb/> dessen ganz wohl zu fühlen scheint. Während des Som-<lb/> mers sollen oft hundert Personen auf einmal die Höhle<lb/> besuchen; dießmal blieb ich jedoch ganz allein und nur<lb/> Howe und seine Töchter gingen mit mir hinein. Nach<lb/> dem Abendessen, mit einbrechender Dämmerung, rüstete<lb/> man sich für die unterirdische Expedition. Jeder Be-<lb/> sucher zieht dazu leinene Beinkleider, einen leichten Rock<lb/> und dicke lederne Schuhe an, nimmt eine kleine, ziem-<lb/> lich trübe brennende Oellampe in die Hand, und vor-<lb/> wärts geht es.</p><lb/> <p>Jch bin nicht feig und wußte außerdem, daß Howe<lb/> ein sicherer, zuverlässiger Führer ist, und daß sich dort<lb/> noch niemals ein Unglücksfall ereignet hat, aber alle<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1097/0017]
1097
für die Präsidentschaft Partei nehmen. Jhr eigener
Vortheil bringt dieß mit sich; wie erfreulich ist aber
auch der Blick über das schöne wohlangebaute Land,
wo die Leute unter dem Segen der freien Arbeit alle
gedeihen und wohlhabend werden, wenn man damit die
schlechte Cultur und dadurch herbeigeführte Verarmung
in den Sklavenstaaten vergleicht, ganz abgesehen von
den Gräueln der Sklaverei an sich!
Nach vierstündiger Fahrt gelangten wir nach
Schoharie, einem freundlichen Flecken mit geschmack-
vollen, eleganten Holzhäusern in einem schönen schattigen
Thal zwischen bewaldeten Hügelreihen. Jm Wirths-
haus erkundigte ich mich nach dem Wege zur Höhle
und erfuhr, daß sie noch fünf Meilen weiter westlich
liege, daß es aber keine Fahrgelegenheit dorthin gebe.
Jn jedem civilisirten Lande Europas würde es sicher
deren mehr als eine nach einem so viel besuchten Orte
geben, allein hier sind die Plätze, welche nur des Ver-
gnügens wegen aufgesucht werden, die letzten, welche
die Speculation zugänglich zu machen unternimmt; ja
selbst die Gegend am Niagara soll sich noch vor zehn
Jahren im Zustand der vollkommensten Wildniß be-
funden haben.
Jch verschluckte eilig eines jener unerhört schlechten
Diners, mit denen nur amerikanische Wirthe auf den
gesunden Hunger armer Reisender zu speculiren wagen
dürfen, und den achten Theil einer Tasse Kaffee mit
einem so gräßlichen Schwanz in Gestalt eines Nach-
geschmacks, daß es rein unmöglich war, das Ganze hin-
unter zu bringen. Diesen geschwänzten Kaffee, der an
Abscheulichkeit alles überbietet, was die vereinten Cicho-
rienfabriken Europas zu leisten vermögen, kann man
hier übrigens im ganzen Lande täglich vorgesetzt erhal-
ten. Als dieses Vergnügen beseitigt war, trat ich den
Weg nach der Höhle zu Fuß an, einen der schönsten
und lohnendsten für den Wanderer con amore. Erst
überschreitet man einen hohen Berg, von dessen Höhe
man das Thal und Schoharie darin übersieht; dann
geht es auf der entgegengesetzten Seite in ein anderes
reizendes Thal hinab, das von einem kleinen Fluß
durchschlängelt wird. Kleine Nadelholzungen wechseln
mit reichen Feldern ab, und der Himmel ist so blau,
und die Jnsekten, hier viel zahlreicher als in Deutsch-
land, singen, summen, brummen und schwärmen, daß
es den mangelnden Gesang der Vögel kaum entbehren
läßt, und die Nadelhölzer duften in der Sonnenwärme,
daß es eine Lust ist. Kein Gefühl der Einsamkeit
überkommt einen, wenn einem auch oft lange Zeit kein
Mensch begegnet. Erde und Sonne sehen einen so
freundlich an, und alle Augenblicke besucht einen ein
neugieriger Käfer, oft von der allerabenteuerlichsten Ge-
stalt; große Grashüpfer mit schmetterlingsartigen blau-
oder braun umsäumten Flügeln, dergleichen man in
Deutschland gar nicht kennt, schießen zu Tausenden
umher, weite Bogen durch die Luft beschreibend, oder
ein vorlauter Frosch hüpft einem über den Fuß, so daß
man sich immer in guter Gesellschaft befindet. Ueber-
haupt bin ich in meinem Leben zu oft von Menschen
gequält worden, die einem in der großartigsten Gegend
Familiengeschichten erzählen, oder was noch schlimmer
ist, einen mit sentimentalen Ergüssen bedienen, um
nicht lieber ganz allein in die Welt hineinzugehen, wenn
ich nicht mir ganz zusagende Gesellschaft haben kann.
Wenn man das Thal durchschritten hat, gelangt
man endlich zu dem geräumigen Hause des Herrn Howe,
welches sich in der schönsten Gegend, am Eingang ei-
nes Waldes an die jenseitige Höhe lehnt. Dicht dabei
befindet sich der Eingang zur Höhle, aus der einem
schon aus der Entfernung ein kühler Luftstrom entgegen
dringt, durch welchen Master Howe vor vierzehn Jahren
die Höhle, welche damals durch Felsstücke und Bäume
unsichtbar und versperrt war, zuerst entdeckte, worauf
er sie als sein Eigenthum in Besitz nahm und für Be-
sucher zugänglich machte. Das Geld, welches ihm diese
einbringen — der Besuch kostet, wohlfeil genug, einen
Dollar — wendet er zur weiteren Verbesserung der
Wege an und ist beständig geschäftig, sie noch weiter
zu durchforschen, wobei er bis jetzt wohl an zwölf
Meilen weit vorgedrungen ist, ohne noch an's Ende
gelangt zu seyn. Er ist ein schlichter, einfacher, doch
nicht ungebildeter Mann, in dessen Aeußern und ganzen
Wesen unverkennbar der Ausdruck jenes ruhigen, kalt-
blütig kühnen Unternehmungsgeistes liegt, mit dem die
Amerikaner alljährlich in bisher unbetretene Wildnisse
eindringen, die sie später, in fruchtbare Gebiete ver-
wandelt, ihrem Land hinzufügen. Das Haus liegt in
gänzlicher Abgeschiedenheit und muß im Winter fast
unzugänglich seyn, so daß die Familie dann von allem
Verkehr so gut wie abgeschnitten ist, wobei sie sich in-
dessen ganz wohl zu fühlen scheint. Während des Som-
mers sollen oft hundert Personen auf einmal die Höhle
besuchen; dießmal blieb ich jedoch ganz allein und nur
Howe und seine Töchter gingen mit mir hinein. Nach
dem Abendessen, mit einbrechender Dämmerung, rüstete
man sich für die unterirdische Expedition. Jeder Be-
sucher zieht dazu leinene Beinkleider, einen leichten Rock
und dicke lederne Schuhe an, nimmt eine kleine, ziem-
lich trübe brennende Oellampe in die Hand, und vor-
wärts geht es.
Jch bin nicht feig und wußte außerdem, daß Howe
ein sicherer, zuverlässiger Führer ist, und daß sich dort
noch niemals ein Unglücksfall ereignet hat, aber alle
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