Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 46. Stuttgart/Tübingen, 16. November 1856.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

[Beginn Spaltensatz] noch spröder und widerspenstiger gezeigt, als der Stoff,
und er führt uns, ohne irgend welche Kraft der Dar-
stellung, Anordnung oder Charakterisirung, eine Reihe
dunkler und scheußlicher Thatsachen vor, ohne einen eigent-
lichen Zusammenhang aufweisen zu können. Es wäre
dem Leser vielleicht gar nicht eingefallen, in einer Geschichte
der Schwarzen von Haiti, wenigstens der Schwarzen, die
Soulouque zum Kaiser gemacht haben, irgend welche
Logik zu suchen, wenn nicht d'Alaux von Anfang an eine
Miene annähme, als wollte er eine Geschichte Roms oder
Athens schreiben, in welcher die Antecedentien und Basen
einer bedeutenden Zukunft festgestellt werden müssen. Sehr
tadelnswerth sind außerdem in diesem schwarzen Buche die
beständigen Anspielungen auf französische Persönlichkeiten,
Zustände und Parteien, die Herr d'Alaux als Historiker,
der er doch seyn will, füglich dem Charivari hätte über-
lassen können, der übrigens sein Vorläufer gewesen und
den er um seinen Ruhm nicht hätte beneiden sollen, da
er seinen Witz nicht haben konnte. -- Zugleich mit l'Empereur
Soulouque
ist in der Michel Levy'schen Buchhandlung ein
minder tadelnswerthes Buch von Francis Wey, dem be-
kannten Mitarbeiter der Revue des deux Mondes, unter
dem Titel: " l'es Anglais chez eux." erschienen. Francis
Wey ist trotz seinem Namen ein ächter Franzose, und
darum hat das kleine Werkchen jenes Jnteresse, das die
in neuerer Zeit entstandene Literatur über England, von
der ich in meinem vorigen Briefe gesprochen, unwillkür-
lich einflößt, selbst wenn sie nichts Außergewöhnliches
bringt. Jn der That bietet das Buch uns, die viele
bessere Sittenschilderungen aus England besitzen, nicht
viel neues; auch ist es nicht mit außerordentlichem Geiste
geschrieben. Jn jeder Beziehung steht es tief unter Max
Schlesingers "London;" aber wie jene ernsteren Werke von
Toqueville, Gomed, Montalemberts sich bemühen,
den Franzosen in englischer Geschichte und Politik ein
Beispiel hinzustellen, so strebt Francis Wey seine Lands-
leute zu überreden, daß die Engländer nicht jene Carri-
katuren sind, die seit Menschengedenken die Zielscheibe
französischen Witzes und die Helden der beliebtesten Farcen
abgeben müssen. Jm Gegentheil sucht er die liebenswür-
digen und gemüthlichen Seiten des britischen Charakters
hervorzuheben, und in so ferne wird sein Buch allerdings
den Franzosen wie eine Reisebeschreibung in unentdeckte
[Spaltenumbruch] Länder vorkommen. Daß F. Wey den vorurtheilsvollen
eitlen und oberflächlichen Franzosen trotz der besten Absicht
auf die Reise, die große Reise über den Kanal mitge-
nommen, und daß dieser doch fast überall mitspricht, ver-
steht sich beinahe von selbst. -- Mehr Aufsehen als all
diese Bücher machte in letzter Zeit der Artikel Amp e re's
über Augustus und das römische Kaiserreich, den die
Revue des deux mondes in ihrem Heft vom 15. Oktober
veröffentlichte. Er bildet die Fortsetzung einer großen
Reihe von Artikeln: l'histoire Romaine a Rome, welche
den Franzosen schon viel Geistreiches und Neues über die
römische Geschichte gesagt haben. Amp e re ist ein Schüler
Niebuhrs und hat außerdem selbstständige und fleißige
Studien in Rom und in ganz Jtalien angestellt, und konnte
so den Franzosen, die sich in den letzten fünfzig Jahren
am allerwenigsten mit alter Geschichte abgegeben, und was
die Kenntniß des Alterthums betrifft, noch vollkommen
in den Zeiten Rollin's und Lebeau's stecken, manches sa-
gen, was sie im höchsten Grad überrascht hat und wor-
über sie zum Theil noch heute den Kopf schütteln. Wie,
die römischen Könige sollten nicht so friedlich auf einander
gefolgt seyn, wie im Aurelius Victor? Die ältesten Bauten
in Rom sollten von Etruskern herrühren? Die Etrusker
und ihre Porsenas sollten weiter vorgedrungen seyn, als
bis an die Thore Roms? Alles das scheint ihnen noch heute
im höchsten Grade zweifelhaft und die Schulbücher aus
der Zeit Ludwigs XV. sind ihnen noch immer viel glaub-
würdiger als die gelehrtesten Forschungen der ganzen neuen
Historiographie und Philologie und Archäologie. Nun
kommt Amp e re und macht ihnen auch den August ihres
Corneille zu nichte! Doch ist es nicht dieser Vandalismus,
der von dem Artikel reden macht; es ist der Geist, mit
dem er einen Typus zeichnet, der frappirt, und der Muth,
mit dem er Wahrheiten ausspricht, die heute wahrer sind
als je. Bei all dem ist die Würde des ernsten Schrift-
stellers, des gewissenhaften Historikers gewahrt; Amp e re
macht keine niedrigen Anspielungen, er entwürdigt die
Geschichte nicht, wie Herr Troplong, zum Behufe kleinli-
cher Tendenzmacherei. Wenn seine Schilderung Augusts
und seiner Zeit zum Theil sehr beziehungsreich ausge-
fallen ist, so ist das nicht seine Schuld, sondern die Schuld
seines Gegenstandes und jedes Andern, der sich darin be-
spiegeln kann.

[Ende Spaltensatz]



Verantwortlicher Redakteur: Hauff.
Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.

[Beginn Spaltensatz] noch spröder und widerspenstiger gezeigt, als der Stoff,
und er führt uns, ohne irgend welche Kraft der Dar-
stellung, Anordnung oder Charakterisirung, eine Reihe
dunkler und scheußlicher Thatsachen vor, ohne einen eigent-
lichen Zusammenhang aufweisen zu können. Es wäre
dem Leser vielleicht gar nicht eingefallen, in einer Geschichte
der Schwarzen von Haiti, wenigstens der Schwarzen, die
Soulouque zum Kaiser gemacht haben, irgend welche
Logik zu suchen, wenn nicht d'Alaux von Anfang an eine
Miene annähme, als wollte er eine Geschichte Roms oder
Athens schreiben, in welcher die Antecedentien und Basen
einer bedeutenden Zukunft festgestellt werden müssen. Sehr
tadelnswerth sind außerdem in diesem schwarzen Buche die
beständigen Anspielungen auf französische Persönlichkeiten,
Zustände und Parteien, die Herr d'Alaux als Historiker,
der er doch seyn will, füglich dem Charivari hätte über-
lassen können, der übrigens sein Vorläufer gewesen und
den er um seinen Ruhm nicht hätte beneiden sollen, da
er seinen Witz nicht haben konnte. — Zugleich mit l'Empereur
Soulouque
ist in der Michel Levy'schen Buchhandlung ein
minder tadelnswerthes Buch von Francis Wey, dem be-
kannten Mitarbeiter der Revue des deux Mondes, unter
dem Titel: » l'es Anglais chez eux.« erschienen. Francis
Wey ist trotz seinem Namen ein ächter Franzose, und
darum hat das kleine Werkchen jenes Jnteresse, das die
in neuerer Zeit entstandene Literatur über England, von
der ich in meinem vorigen Briefe gesprochen, unwillkür-
lich einflößt, selbst wenn sie nichts Außergewöhnliches
bringt. Jn der That bietet das Buch uns, die viele
bessere Sittenschilderungen aus England besitzen, nicht
viel neues; auch ist es nicht mit außerordentlichem Geiste
geschrieben. Jn jeder Beziehung steht es tief unter Max
Schlesingers „London;“ aber wie jene ernsteren Werke von
Toqueville, Gomed, Montalemberts sich bemühen,
den Franzosen in englischer Geschichte und Politik ein
Beispiel hinzustellen, so strebt Francis Wey seine Lands-
leute zu überreden, daß die Engländer nicht jene Carri-
katuren sind, die seit Menschengedenken die Zielscheibe
französischen Witzes und die Helden der beliebtesten Farcen
abgeben müssen. Jm Gegentheil sucht er die liebenswür-
digen und gemüthlichen Seiten des britischen Charakters
hervorzuheben, und in so ferne wird sein Buch allerdings
den Franzosen wie eine Reisebeschreibung in unentdeckte
[Spaltenumbruch] Länder vorkommen. Daß F. Wey den vorurtheilsvollen
eitlen und oberflächlichen Franzosen trotz der besten Absicht
auf die Reise, die große Reise über den Kanal mitge-
nommen, und daß dieser doch fast überall mitspricht, ver-
steht sich beinahe von selbst. — Mehr Aufsehen als all
diese Bücher machte in letzter Zeit der Artikel Amp è re's
über Augustus und das römische Kaiserreich, den die
Revue des deux mondes in ihrem Heft vom 15. Oktober
veröffentlichte. Er bildet die Fortsetzung einer großen
Reihe von Artikeln: l'histoire Romaine à Rome, welche
den Franzosen schon viel Geistreiches und Neues über die
römische Geschichte gesagt haben. Amp è re ist ein Schüler
Niebuhrs und hat außerdem selbstständige und fleißige
Studien in Rom und in ganz Jtalien angestellt, und konnte
so den Franzosen, die sich in den letzten fünfzig Jahren
am allerwenigsten mit alter Geschichte abgegeben, und was
die Kenntniß des Alterthums betrifft, noch vollkommen
in den Zeiten Rollin's und Lebeau's stecken, manches sa-
gen, was sie im höchsten Grad überrascht hat und wor-
über sie zum Theil noch heute den Kopf schütteln. Wie,
die römischen Könige sollten nicht so friedlich auf einander
gefolgt seyn, wie im Aurelius Victor? Die ältesten Bauten
in Rom sollten von Etruskern herrühren? Die Etrusker
und ihre Porsenas sollten weiter vorgedrungen seyn, als
bis an die Thore Roms? Alles das scheint ihnen noch heute
im höchsten Grade zweifelhaft und die Schulbücher aus
der Zeit Ludwigs XV. sind ihnen noch immer viel glaub-
würdiger als die gelehrtesten Forschungen der ganzen neuen
Historiographie und Philologie und Archäologie. Nun
kommt Amp è re und macht ihnen auch den August ihres
Corneille zu nichte! Doch ist es nicht dieser Vandalismus,
der von dem Artikel reden macht; es ist der Geist, mit
dem er einen Typus zeichnet, der frappirt, und der Muth,
mit dem er Wahrheiten ausspricht, die heute wahrer sind
als je. Bei all dem ist die Würde des ernsten Schrift-
stellers, des gewissenhaften Historikers gewahrt; Amp è re
macht keine niedrigen Anspielungen, er entwürdigt die
Geschichte nicht, wie Herr Troplong, zum Behufe kleinli-
cher Tendenzmacherei. Wenn seine Schilderung Augusts
und seiner Zeit zum Theil sehr beziehungsreich ausge-
fallen ist, so ist das nicht seine Schuld, sondern die Schuld
seines Gegenstandes und jedes Andern, der sich darin be-
spiegeln kann.

[Ende Spaltensatz]



Verantwortlicher Redakteur: Hauff.
Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="1104"/><fw type="pageNum" place="top">1104</fw><cb type="start"/>
noch spröder und widerspenstiger gezeigt, als der Stoff,<lb/>
und er führt uns, ohne irgend welche Kraft der Dar-<lb/>
stellung, Anordnung oder Charakterisirung, eine Reihe<lb/>
dunkler und scheußlicher Thatsachen vor, ohne einen eigent-<lb/>
lichen Zusammenhang aufweisen zu können. Es wäre<lb/>
dem Leser vielleicht gar nicht eingefallen, in einer Geschichte<lb/>
der Schwarzen von Haiti, wenigstens der Schwarzen, die<lb/>
Soulouque zum Kaiser gemacht haben, irgend welche<lb/>
Logik zu suchen, wenn nicht d'Alaux von Anfang an eine<lb/>
Miene annähme, als wollte er eine Geschichte Roms oder<lb/>
Athens schreiben, in welcher die Antecedentien und Basen<lb/>
einer bedeutenden Zukunft festgestellt werden müssen. Sehr<lb/>
tadelnswerth sind außerdem in diesem schwarzen Buche die<lb/>
beständigen Anspielungen auf französische Persönlichkeiten,<lb/>
Zustände und Parteien, die Herr d'Alaux als Historiker,<lb/>
der er doch seyn will, füglich dem Charivari hätte über-<lb/>
lassen können, der übrigens sein Vorläufer gewesen und<lb/>
den er um seinen Ruhm nicht hätte beneiden sollen, da<lb/>
er seinen Witz nicht haben konnte. &#x2014; Zugleich mit <hi rendition="#aq">l'Empereur<lb/>
Soulouque</hi> ist in der Michel Levy'schen Buchhandlung ein<lb/>
minder tadelnswerthes Buch von Francis Wey, dem be-<lb/>
kannten Mitarbeiter der <hi rendition="#aq">Revue des deux Mondes</hi>, unter<lb/>
dem Titel: » <hi rendition="#aq">l'es Anglais chez eux</hi>.« erschienen. Francis<lb/>
Wey ist trotz seinem Namen ein ächter Franzose, und<lb/>
darum hat das kleine Werkchen jenes Jnteresse, das die<lb/>
in neuerer Zeit entstandene Literatur über England, von<lb/>
der ich in meinem vorigen Briefe gesprochen, unwillkür-<lb/>
lich einflößt, selbst wenn sie nichts Außergewöhnliches<lb/>
bringt. Jn der That bietet das Buch uns, die viele<lb/>
bessere Sittenschilderungen aus England besitzen, nicht<lb/>
viel neues; auch ist es nicht mit außerordentlichem Geiste<lb/>
geschrieben. Jn jeder Beziehung steht es tief unter Max<lb/>
Schlesingers &#x201E;London;&#x201C; aber wie jene ernsteren Werke von<lb/>
Toqueville, Gomed, Montalemberts <choice><abbr>ec.</abbr></choice> sich bemühen,<lb/>
den Franzosen in englischer Geschichte und Politik ein<lb/>
Beispiel hinzustellen, so strebt Francis Wey seine Lands-<lb/>
leute zu überreden, daß die Engländer nicht jene Carri-<lb/>
katuren sind, die seit Menschengedenken die Zielscheibe<lb/>
französischen Witzes und die Helden der beliebtesten Farcen<lb/>
abgeben müssen. Jm Gegentheil sucht er die liebenswür-<lb/>
digen und gemüthlichen Seiten des britischen Charakters<lb/>
hervorzuheben, und in so ferne wird sein Buch allerdings<lb/>
den Franzosen wie eine Reisebeschreibung in unentdeckte<lb/><cb n="2"/>
Länder vorkommen. Daß F. Wey den vorurtheilsvollen<lb/>
eitlen und oberflächlichen Franzosen trotz der besten Absicht<lb/>
auf die Reise, die große Reise über den Kanal mitge-<lb/>
nommen, und daß dieser doch fast überall mitspricht, ver-<lb/>
steht sich beinahe von selbst. &#x2014; Mehr Aufsehen als all<lb/>
diese Bücher machte in letzter Zeit der Artikel Amp <hi rendition="#aq">è</hi> re's<lb/>
über Augustus und das römische Kaiserreich, den die<lb/><hi rendition="#aq">Revue des deux mondes</hi> in ihrem Heft vom 15. Oktober<lb/>
veröffentlichte. Er bildet die Fortsetzung einer großen<lb/>
Reihe von Artikeln: <hi rendition="#aq">l'histoire Romaine à Rome</hi>, welche<lb/>
den Franzosen schon viel Geistreiches und Neues über die<lb/>
römische Geschichte gesagt haben. Amp <hi rendition="#aq">è</hi> re ist ein Schüler<lb/>
Niebuhrs und hat außerdem selbstständige und fleißige<lb/>
Studien in Rom und in ganz Jtalien angestellt, und konnte<lb/>
so den Franzosen, die sich in den letzten fünfzig Jahren<lb/>
am allerwenigsten mit alter Geschichte abgegeben, und was<lb/>
die Kenntniß des Alterthums betrifft, noch vollkommen<lb/>
in den Zeiten Rollin's und Lebeau's stecken, manches sa-<lb/>
gen, was sie im höchsten Grad überrascht hat und wor-<lb/>
über sie zum Theil noch heute den Kopf schütteln. Wie,<lb/>
die römischen Könige sollten nicht so friedlich auf einander<lb/>
gefolgt seyn, wie im Aurelius Victor? Die ältesten Bauten<lb/>
in Rom sollten von Etruskern herrühren? Die Etrusker<lb/>
und ihre Porsenas sollten weiter vorgedrungen seyn, als<lb/>
bis an die Thore Roms? Alles das scheint ihnen noch heute<lb/>
im höchsten Grade zweifelhaft und die Schulbücher aus<lb/>
der Zeit Ludwigs <hi rendition="#aq">XV</hi>. sind ihnen noch immer viel glaub-<lb/>
würdiger als die gelehrtesten Forschungen der ganzen neuen<lb/>
Historiographie und Philologie und Archäologie. Nun<lb/>
kommt Amp <hi rendition="#aq">è</hi> re und macht ihnen auch den August ihres<lb/>
Corneille zu nichte! Doch ist es nicht dieser Vandalismus,<lb/>
der von dem Artikel reden macht; es ist der Geist, mit<lb/>
dem er einen Typus zeichnet, der frappirt, und der Muth,<lb/>
mit dem er Wahrheiten ausspricht, die heute wahrer sind<lb/>
als je. Bei all dem ist die Würde des ernsten Schrift-<lb/>
stellers, des gewissenhaften Historikers gewahrt; Amp <hi rendition="#aq">è</hi> re<lb/>
macht keine niedrigen Anspielungen, er entwürdigt die<lb/>
Geschichte nicht, wie Herr Troplong, zum Behufe kleinli-<lb/>
cher Tendenzmacherei. Wenn seine Schilderung Augusts<lb/>
und seiner Zeit zum Theil sehr beziehungsreich ausge-<lb/>
fallen ist, so ist das nicht seine Schuld, sondern die Schuld<lb/>
seines Gegenstandes und jedes Andern, der sich darin be-<lb/>
spiegeln kann. </p>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <space dim="vertical"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <space dim="vertical"/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint" n="1">
        <p> <hi rendition="#c">Verantwortlicher Redakteur: <hi rendition="#g">Hauff.</hi><lb/>
Druck der Buchdruckerei der J. G. <hi rendition="#g">Cotta'</hi> schen Buchhandlung in Stuttgart.</hi> </p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[1104/0024] 1104 noch spröder und widerspenstiger gezeigt, als der Stoff, und er führt uns, ohne irgend welche Kraft der Dar- stellung, Anordnung oder Charakterisirung, eine Reihe dunkler und scheußlicher Thatsachen vor, ohne einen eigent- lichen Zusammenhang aufweisen zu können. Es wäre dem Leser vielleicht gar nicht eingefallen, in einer Geschichte der Schwarzen von Haiti, wenigstens der Schwarzen, die Soulouque zum Kaiser gemacht haben, irgend welche Logik zu suchen, wenn nicht d'Alaux von Anfang an eine Miene annähme, als wollte er eine Geschichte Roms oder Athens schreiben, in welcher die Antecedentien und Basen einer bedeutenden Zukunft festgestellt werden müssen. Sehr tadelnswerth sind außerdem in diesem schwarzen Buche die beständigen Anspielungen auf französische Persönlichkeiten, Zustände und Parteien, die Herr d'Alaux als Historiker, der er doch seyn will, füglich dem Charivari hätte über- lassen können, der übrigens sein Vorläufer gewesen und den er um seinen Ruhm nicht hätte beneiden sollen, da er seinen Witz nicht haben konnte. — Zugleich mit l'Empereur Soulouque ist in der Michel Levy'schen Buchhandlung ein minder tadelnswerthes Buch von Francis Wey, dem be- kannten Mitarbeiter der Revue des deux Mondes, unter dem Titel: » l'es Anglais chez eux.« erschienen. Francis Wey ist trotz seinem Namen ein ächter Franzose, und darum hat das kleine Werkchen jenes Jnteresse, das die in neuerer Zeit entstandene Literatur über England, von der ich in meinem vorigen Briefe gesprochen, unwillkür- lich einflößt, selbst wenn sie nichts Außergewöhnliches bringt. Jn der That bietet das Buch uns, die viele bessere Sittenschilderungen aus England besitzen, nicht viel neues; auch ist es nicht mit außerordentlichem Geiste geschrieben. Jn jeder Beziehung steht es tief unter Max Schlesingers „London;“ aber wie jene ernsteren Werke von Toqueville, Gomed, Montalemberts sich bemühen, den Franzosen in englischer Geschichte und Politik ein Beispiel hinzustellen, so strebt Francis Wey seine Lands- leute zu überreden, daß die Engländer nicht jene Carri- katuren sind, die seit Menschengedenken die Zielscheibe französischen Witzes und die Helden der beliebtesten Farcen abgeben müssen. Jm Gegentheil sucht er die liebenswür- digen und gemüthlichen Seiten des britischen Charakters hervorzuheben, und in so ferne wird sein Buch allerdings den Franzosen wie eine Reisebeschreibung in unentdeckte Länder vorkommen. Daß F. Wey den vorurtheilsvollen eitlen und oberflächlichen Franzosen trotz der besten Absicht auf die Reise, die große Reise über den Kanal mitge- nommen, und daß dieser doch fast überall mitspricht, ver- steht sich beinahe von selbst. — Mehr Aufsehen als all diese Bücher machte in letzter Zeit der Artikel Amp è re's über Augustus und das römische Kaiserreich, den die Revue des deux mondes in ihrem Heft vom 15. Oktober veröffentlichte. Er bildet die Fortsetzung einer großen Reihe von Artikeln: l'histoire Romaine à Rome, welche den Franzosen schon viel Geistreiches und Neues über die römische Geschichte gesagt haben. Amp è re ist ein Schüler Niebuhrs und hat außerdem selbstständige und fleißige Studien in Rom und in ganz Jtalien angestellt, und konnte so den Franzosen, die sich in den letzten fünfzig Jahren am allerwenigsten mit alter Geschichte abgegeben, und was die Kenntniß des Alterthums betrifft, noch vollkommen in den Zeiten Rollin's und Lebeau's stecken, manches sa- gen, was sie im höchsten Grad überrascht hat und wor- über sie zum Theil noch heute den Kopf schütteln. Wie, die römischen Könige sollten nicht so friedlich auf einander gefolgt seyn, wie im Aurelius Victor? Die ältesten Bauten in Rom sollten von Etruskern herrühren? Die Etrusker und ihre Porsenas sollten weiter vorgedrungen seyn, als bis an die Thore Roms? Alles das scheint ihnen noch heute im höchsten Grade zweifelhaft und die Schulbücher aus der Zeit Ludwigs XV. sind ihnen noch immer viel glaub- würdiger als die gelehrtesten Forschungen der ganzen neuen Historiographie und Philologie und Archäologie. Nun kommt Amp è re und macht ihnen auch den August ihres Corneille zu nichte! Doch ist es nicht dieser Vandalismus, der von dem Artikel reden macht; es ist der Geist, mit dem er einen Typus zeichnet, der frappirt, und der Muth, mit dem er Wahrheiten ausspricht, die heute wahrer sind als je. Bei all dem ist die Würde des ernsten Schrift- stellers, des gewissenhaften Historikers gewahrt; Amp è re macht keine niedrigen Anspielungen, er entwürdigt die Geschichte nicht, wie Herr Troplong, zum Behufe kleinli- cher Tendenzmacherei. Wenn seine Schilderung Augusts und seiner Zeit zum Theil sehr beziehungsreich ausge- fallen ist, so ist das nicht seine Schuld, sondern die Schuld seines Gegenstandes und jedes Andern, der sich darin be- spiegeln kann. Verantwortlicher Redakteur: Hauff. Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt46_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt46_1856/24
Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 46. Stuttgart/Tübingen, 16. November 1856, S. 1104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt46_1856/24>, abgerufen am 24.11.2024.