Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 47. Stuttgart/Tübingen, 23. November 1856.[Beginn Spaltensatz]
eine der üblichen Redensarten, die man den Großen der Das Epitheton prächtig verdiente die Jllumination in Doch genug von einer Festfeier, deren flüchtige Be- Wenn ich meinen Brief jetzt schlösse, so würden Sie Unter die trüben Erscheinungen der jüngsten Zeit ge- Verantwortlicher Redakteur: Hauff. [Beginn Spaltensatz]
eine der üblichen Redensarten, die man den Großen der Das Epitheton prächtig verdiente die Jllumination in Doch genug von einer Festfeier, deren flüchtige Be- Wenn ich meinen Brief jetzt schlösse, so würden Sie Unter die trüben Erscheinungen der jüngsten Zeit ge- Verantwortlicher Redakteur: Hauff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="1128"/><fw type="pageNum" place="top">1128</fw><cb type="start"/> eine der üblichen Redensarten, die man den Großen der<lb/> Erde so gern zu Gefallen sagt, wenn sie auch das Prädicat<lb/> „schön“ nicht eben verdienen. Hier hatten wir wirklich eine<lb/> ausgezeichnet schöne Frau vor uns, schlank und graziös<lb/> von Gestalt, lieblich von Angesicht und herzgewinnend<lb/> freundlich in ihrem ganzen Wesen. So erschien sie in ihrem<lb/> Triumphzuge, so auf dem Balkon des Schlosses, vor dem<lb/> der ganze Festzug vorüberzog, so Abends im Theater und<lb/> bei der Nachtfahrt durch die prächtig erleuchtete Stadt. </p><lb/> <p>Das Epitheton prächtig verdiente die Jllumination in<lb/> der That. Sie kennen unser Mannheim mit seinen schnur-<lb/> geraden Straßen und regelmäßigen Plätzen und können sich<lb/> also wohl denken, wie diese langen Zeilen mit den Millio-<lb/> nen Lichtern sich ausgenommen haben mögen. Die öffent-<lb/> lichen Gebäude, deren architektonische Linien und Zierrathen<lb/> wir nicht eben besonders rühmen können, aber gerade für<lb/> eine solche Beleuchtung sich sehr wohl eignen, erschienen in<lb/> diesem Lichterglanze imposant und zierlich zugleich. So<lb/> das Zeughaus, das Rathhaus und vor allen das Kaufhaus<lb/> mit seinen vier Arkadenreihen und seinem Thurme, der bis<lb/> zur Spitze hinauf äußerst geschmackvoll illuminirt war.<lb/> Unter den Privathäusern zeichnete sich das Bassermannsche<lb/> vor allen aus. Auch an Transparenten mit Bildern und<lb/> Jnschriften fehlte es nicht, und als das neuvermählte<lb/> Paar, umwogt von einem unübersehbaren Menschenstrom,<lb/> durch die Straßen fuhr, leuchteten bald hier bald dort die<lb/> farbigen Flammen bengalischen Feuers auf. </p><lb/> <p>Doch genug von einer Festfeier, deren flüchtige Be-<lb/> schreibung sich höchst ärmlich ausnimmt, während sie selbst<lb/> in der That das Glänzendste war, was Mannheim je<lb/> gesehen. Jedenfalls ist sie werth, in den Annalen der<lb/> Festlichkeiten aufgezeichnet zu werden, wohl so gut wie der<lb/> Einzug jener Elisabeth Stuart, der Gemahlin Kurfürst<lb/> Friedrichs <hi rendition="#aq">V</hi>., in die Pfalz im Juni des Jahrs 1613, von<lb/> dem die Chronisten jener Zeit so viel zu erzählen wissen.<lb/> Freilich fallen in unsern Tagen die kostspieligen Geleite<lb/> von Seiten der Fürsten, Grafen und Herren mit ihrem<lb/> zahlreichen Gefolge, die colossalen Bankette und die gebra-<lb/> tenen Ochsen oder sonstige Volksschmausereien in großartigem<lb/> Style weg, aber als ein Unglück ist das gewiß nicht zu<lb/> betrachten. Baden in seiner jetzigen Weise, die jugendliche<lb/> Landesmutter zu empfangen, steht sicherlich nicht hinter der<lb/> damaligen Pfalz zurück, wenn auch der Prunk dort größer<lb/> gewesen seyn mochte. Wir wissen ja jetzt, wie die Resi-<lb/> denzstadt Karlsruhe, wie das ganze Land bis zur Jnsel<lb/> Meinau und der alten Stadt Kostnitz hinauf das Fürstenpaar<lb/> empfangen, welche schönen Geschenke an Kunstwerken oder<lb/> auch an milden Stiftungen die Städte der schönen Groß-<lb/> herzogin dargebracht haben, und sind der gewissen Zuver-<lb/><cb n="2"/> sicht, daß ihr Loos auf dem Throne unseres Landes ein<lb/> besseres seyn werde, als es jener gefeierten Kurfürstin<lb/> Elisabeth Stuart an der Seite ihres unglücklichen böhmi-<lb/> schen Winterkönigs zu Theil geworden. </p><lb/> <p>Wenn ich meinen Brief jetzt schlösse, so würden Sie<lb/> wohl wenig dagegen einwenden, lassen Sie mich aber zum<lb/> Schlusse wenigstens noch an einigen andern Gegenständen<lb/> vorüber streifen. Jch nenne hier zunächst noch die Aus-<lb/> stellung des rheinischen Kunstvereins, die in diesen Tagen<lb/> ihren dießjährigen Turnus in unserer Stadt beschlossen hat.<lb/> Sie war wieder recht reichlich beschickt, ohne gerade sehr<lb/> hervortretende Werke zur Beschauung gebracht zu haben;<lb/> doch fand sich unter den 400 Bildern des Guten nicht eben<lb/> wenig. Besonders anziehend aber ist die Ausstellung gegen<lb/> ihr Ende hin geworden. <hi rendition="#g">Heinlein,</hi> der treffliche Land-<lb/> schaftsmaler von München, von dem wir schon so manches<lb/> schöne Bild gesehen, besuchte unsere Stadt und führte 37<lb/> Skizzen in Oel mit sich, die er auf Ersuchen dem Kunst-<lb/> verein ebenfalls zur Ausstellung überließ und die das<lb/> Publikum ganz besonders anzogen und fesselten, wie sie den<lb/> Kenner durch ihre geniale Behandlung befriedigten. Was<lb/> wir seit Jahren schon vermißten, fehlte auch in diesem<lb/> wieder. Jch meine die größere Betheiligung der besseren<lb/> Historienmaler. Die Zahl besserer Erzeugnisse auf diesem<lb/> Felde scheint sich immer mehr verringern zu wollen, wäh-<lb/> rend die Fluth der Landschaften und Genrestücke wächst.<lb/> Bei der dießjährigen Ausstellung standen jene zu diesen wie-<lb/> der außer allem billigen Verhältniß. Auch Architektur-<lb/> bilder würden wir gerne mehre sehen, nicht als ob es an<lb/> guten ganz gefehlt hätte, sondern eben weil einzelne recht<lb/> gute da waren. Was die Betheiligung der Schulen und<lb/> Nationalitäten betrifft, so war unter letzteren die franzö-<lb/> sische, unter ersteren die Münchener wieder weitaus am<lb/> stärksten vertreten. Frankreich hatte gegen 130, München<lb/> etliche achtzig Bilder geliefert. Dagegen scheint Norddeutsch-<lb/> land sich spärlicher einstellen zu wollen, was von den<lb/> Freunden der Kunst aufrichtig beklagt wird, während man<lb/> mit der Betheiligung der Niederländer immer noch zufrie-<lb/> den seyn darf. </p><lb/> <p>Unter die trüben Erscheinungen der jüngsten Zeit ge-<lb/> hören mehrere Selbstmorde junger Mädchen aus besseren<lb/> Familien, die viel Aufsehen und lebendige Theilnahme er-<lb/> regt haben. Das heitere Rheinland überhaupt und Mannheim<lb/> insonderheit ist kein Boden für den Spleen; aber kranke<lb/> Herzen kann's ja allenthalben geben, und daß sie bei jungen<lb/> Damen vorkommen, ist bekanntlich nicht eben eine Selten-<lb/> heit. Eine Epidemie wird hoffentlich nicht aus dieser<lb/> Krankheit werden. </p> </div> </div><lb/> <cb type="end"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> <back> <div type="imprint" n="1"> <p> <hi rendition="#c">Verantwortlicher Redakteur: <hi rendition="#g">Hauff.</hi><lb/> Druck der Buchdruckerei der J. G. <hi rendition="#g">Cotta'</hi> schen Buchhandlung in Stuttgart.</hi> </p> </div> </back> </text> </TEI> [1128/0024]
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eine der üblichen Redensarten, die man den Großen der
Erde so gern zu Gefallen sagt, wenn sie auch das Prädicat
„schön“ nicht eben verdienen. Hier hatten wir wirklich eine
ausgezeichnet schöne Frau vor uns, schlank und graziös
von Gestalt, lieblich von Angesicht und herzgewinnend
freundlich in ihrem ganzen Wesen. So erschien sie in ihrem
Triumphzuge, so auf dem Balkon des Schlosses, vor dem
der ganze Festzug vorüberzog, so Abends im Theater und
bei der Nachtfahrt durch die prächtig erleuchtete Stadt.
Das Epitheton prächtig verdiente die Jllumination in
der That. Sie kennen unser Mannheim mit seinen schnur-
geraden Straßen und regelmäßigen Plätzen und können sich
also wohl denken, wie diese langen Zeilen mit den Millio-
nen Lichtern sich ausgenommen haben mögen. Die öffent-
lichen Gebäude, deren architektonische Linien und Zierrathen
wir nicht eben besonders rühmen können, aber gerade für
eine solche Beleuchtung sich sehr wohl eignen, erschienen in
diesem Lichterglanze imposant und zierlich zugleich. So
das Zeughaus, das Rathhaus und vor allen das Kaufhaus
mit seinen vier Arkadenreihen und seinem Thurme, der bis
zur Spitze hinauf äußerst geschmackvoll illuminirt war.
Unter den Privathäusern zeichnete sich das Bassermannsche
vor allen aus. Auch an Transparenten mit Bildern und
Jnschriften fehlte es nicht, und als das neuvermählte
Paar, umwogt von einem unübersehbaren Menschenstrom,
durch die Straßen fuhr, leuchteten bald hier bald dort die
farbigen Flammen bengalischen Feuers auf.
Doch genug von einer Festfeier, deren flüchtige Be-
schreibung sich höchst ärmlich ausnimmt, während sie selbst
in der That das Glänzendste war, was Mannheim je
gesehen. Jedenfalls ist sie werth, in den Annalen der
Festlichkeiten aufgezeichnet zu werden, wohl so gut wie der
Einzug jener Elisabeth Stuart, der Gemahlin Kurfürst
Friedrichs V., in die Pfalz im Juni des Jahrs 1613, von
dem die Chronisten jener Zeit so viel zu erzählen wissen.
Freilich fallen in unsern Tagen die kostspieligen Geleite
von Seiten der Fürsten, Grafen und Herren mit ihrem
zahlreichen Gefolge, die colossalen Bankette und die gebra-
tenen Ochsen oder sonstige Volksschmausereien in großartigem
Style weg, aber als ein Unglück ist das gewiß nicht zu
betrachten. Baden in seiner jetzigen Weise, die jugendliche
Landesmutter zu empfangen, steht sicherlich nicht hinter der
damaligen Pfalz zurück, wenn auch der Prunk dort größer
gewesen seyn mochte. Wir wissen ja jetzt, wie die Resi-
denzstadt Karlsruhe, wie das ganze Land bis zur Jnsel
Meinau und der alten Stadt Kostnitz hinauf das Fürstenpaar
empfangen, welche schönen Geschenke an Kunstwerken oder
auch an milden Stiftungen die Städte der schönen Groß-
herzogin dargebracht haben, und sind der gewissen Zuver-
sicht, daß ihr Loos auf dem Throne unseres Landes ein
besseres seyn werde, als es jener gefeierten Kurfürstin
Elisabeth Stuart an der Seite ihres unglücklichen böhmi-
schen Winterkönigs zu Theil geworden.
Wenn ich meinen Brief jetzt schlösse, so würden Sie
wohl wenig dagegen einwenden, lassen Sie mich aber zum
Schlusse wenigstens noch an einigen andern Gegenständen
vorüber streifen. Jch nenne hier zunächst noch die Aus-
stellung des rheinischen Kunstvereins, die in diesen Tagen
ihren dießjährigen Turnus in unserer Stadt beschlossen hat.
Sie war wieder recht reichlich beschickt, ohne gerade sehr
hervortretende Werke zur Beschauung gebracht zu haben;
doch fand sich unter den 400 Bildern des Guten nicht eben
wenig. Besonders anziehend aber ist die Ausstellung gegen
ihr Ende hin geworden. Heinlein, der treffliche Land-
schaftsmaler von München, von dem wir schon so manches
schöne Bild gesehen, besuchte unsere Stadt und führte 37
Skizzen in Oel mit sich, die er auf Ersuchen dem Kunst-
verein ebenfalls zur Ausstellung überließ und die das
Publikum ganz besonders anzogen und fesselten, wie sie den
Kenner durch ihre geniale Behandlung befriedigten. Was
wir seit Jahren schon vermißten, fehlte auch in diesem
wieder. Jch meine die größere Betheiligung der besseren
Historienmaler. Die Zahl besserer Erzeugnisse auf diesem
Felde scheint sich immer mehr verringern zu wollen, wäh-
rend die Fluth der Landschaften und Genrestücke wächst.
Bei der dießjährigen Ausstellung standen jene zu diesen wie-
der außer allem billigen Verhältniß. Auch Architektur-
bilder würden wir gerne mehre sehen, nicht als ob es an
guten ganz gefehlt hätte, sondern eben weil einzelne recht
gute da waren. Was die Betheiligung der Schulen und
Nationalitäten betrifft, so war unter letzteren die franzö-
sische, unter ersteren die Münchener wieder weitaus am
stärksten vertreten. Frankreich hatte gegen 130, München
etliche achtzig Bilder geliefert. Dagegen scheint Norddeutsch-
land sich spärlicher einstellen zu wollen, was von den
Freunden der Kunst aufrichtig beklagt wird, während man
mit der Betheiligung der Niederländer immer noch zufrie-
den seyn darf.
Unter die trüben Erscheinungen der jüngsten Zeit ge-
hören mehrere Selbstmorde junger Mädchen aus besseren
Familien, die viel Aufsehen und lebendige Theilnahme er-
regt haben. Das heitere Rheinland überhaupt und Mannheim
insonderheit ist kein Boden für den Spleen; aber kranke
Herzen kann's ja allenthalben geben, und daß sie bei jungen
Damen vorkommen, ist bekanntlich nicht eben eine Selten-
heit. Eine Epidemie wird hoffentlich nicht aus dieser
Krankheit werden.
Verantwortlicher Redakteur: Hauff.
Druck der Buchdruckerei der J. G. Cotta' schen Buchhandlung in Stuttgart.
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