Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

neren Naturanschauung weichen mußte, ist unstreitig mehr dem fortrückenden
Geist der Zeit, als dem Einflusse einzelner Männer zuzuschreiben. Doch verdie-
nen hier 3 derselben genannt zu werden, deren Wirken und Schriften von dem
entschiedensten Einflusse waren. 1. Giordano Bruno, ein Pantheist, der sich zuerst
das copernikanische System aneignete, zu London, Paris und Wittenberg Naturwissen-
schaften lehrte, und das sonderbare Schicksal hatte, von Calvin verketzert, und von
der Inquisition in Venedig verbrannt zu werden. 2. der Kanzler Baco von Ve-
rulam
einer der ausgezeichnetsten Geister, deren ein Zeitalter sich zu rühmen hat:
der es fühlte und darthat, daß in allen Zweigen der positiven Wissenschaft, der
einzige Weg zur Wahrheit die Beobachtung der Natur sey. 3. der Italiener Cam-
panella
der durch Beobachtungen und Versuche sich um die Wissenschaft ganz beson-
ders verdient gemacht hat.

Die 5te Epoche von 1590-1643 ist durch die Entdeckungen neuer physikalischer
Instrumente bezeichnet, welche der sinnlichen Beobachtung, (mit der natürlichen
Stärke unserer Sinne) geschärftere Organe hinzufügte. Wir heben hier insbeson-
dere 4 Werkzeuge heraus, welche die Fortschritte der Wissenschaft merkwürdig geför-
dert haben: das Fernrohr, das Thermometer, das Barometer, und wenn es erlaubt
ist eine der schönsten Entdeckungen ein Organ zu nennen, die Infinitesimal-Rech-
nung. - Das Fernrohr wurde 1590 von Janssen in Middelburg erfunden, und bis
zum Jahre 1611 waren schon die wichtigsten Entdeckungen damit gemacht. Die Ju-
piterstrabanten waren aufgefunden, die Phasen der Venus beobachtet, und somit
ein neuer Beweis für die Richtigkeit des Copernikanischen Weltsystems geführt. Das
neblichte Ansehen der Milchstraße hatte vor dem Fernrohr sich in unendliche

Sterne

neren Naturanschauung weichen mußte, ist unstreitig mehr dem fortrückenden
Geist der Zeit, als dem Einflusse einzelner Männer zuzuschreiben. Doch verdie-
nen hier 3 derselben genannt zu werden, deren Wirken und Schriften von dem
entschiedensten Einflusse waren. 1. Giordano Bruno, ein Pantheist, der sich zuerst
das copernikanische System aneignete, zu London, Paris und Wittenberg Naturwissen-
schaften lehrte, und das sonderbare Schicksal hatte, von Calvin verketzert, und von
der Inquisition in Venedig verbrannt zu werden. 2. der Kanzler Baco von Ve-
rulam
einer der ausgezeichnetsten Geister, deren ein Zeitalter sich zu rühmen hat:
der es fühlte und darthat, daß in allen Zweigen der positiven Wissenschaft, der
einzige Weg zur Wahrheit die Beobachtung der Natur sey. 3. der Italiener Cam-
panella
der durch Beobachtungen und Versuche sich um die Wissenschaft ganz beson-
ders verdient gemacht hat.

Die 5te Epoche von 1590–1643 ist durch die Entdeckungen neuer physikalischer
Instrumente bezeichnet, welche der sinnlichen Beobachtung, (mit der natürlichen
Stärke unserer Sinne) geschärftere Organe hinzufügte. Wir heben hier insbeson-
dere 4 Werkzeuge heraus, welche die Fortschritte der Wissenschaft merkwürdig geför-
dert haben: das Fernrohr, das Thermometer, das Barometer, und wenn es erlaubt
ist eine der schönsten Entdeckungen ein Organ zu nennen, die Infinitesimal-Rech-
nung. – Das Fernrohr wurde 1590 von Janssen in Middelburg erfunden, und bis
zum Jahre 1611 waren schon die wichtigsten Entdeckungen damit gemacht. Die Ju-
piterstrabanten waren aufgefunden, die Phasen der Venus beobachtet, und somit
ein neuer Beweis für die Richtigkeit des Copernikanischen Weltsystems geführt. Das
neblichte Ansehen der Milchstraße hatte vor dem Fernrohr sich in unendliche

Sterne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="13">
        <p><pb facs="#f0127" n="62r"/>
neren Naturanschauung weichen mußte, ist unstreitig mehr dem fortrückenden<lb/>
Geist der Zeit,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 170: Komma fehlt.</note> als dem Einflusse einzelner Männer zuzuschreiben. Doch verdie-<lb/>
nen hier 3 derselben genannt zu werden, deren Wirken<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 170: "Werken".</note> und Schriften von dem<lb/>
entschiedensten Einflusse waren. 1. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118516221 http://d-nb.info/gnd/118516221">Giordano Bruno</persName></hi>, ein Pantheist, der sich zuerst<lb/>
das copernikanische System aneignete, zu <hi rendition="#aq">London</hi>, <hi rendition="#aq">Paris</hi> und <hi rendition="#aq">Wittenberg</hi> Naturwissen-<lb/>
schaften lehrte, und das sonderbare Schicksal hatte, von <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118518534 http://d-nb.info/gnd/118518534">Calvin</persName></hi> verketzert,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 170: Komma fehlt.</note> und von<lb/>
der Inquisition in Venedig verbrannt zu werden. 2. der Kanzler <persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118505696 http://d-nb.info/gnd/118505696"><hi rendition="#aq">Baco</hi> von <hi rendition="#aq">Ve-<lb/>
rulam</hi></persName> einer der ausgezeichnetsten Geister, deren ein Zeitalter sich zu rühmen hat:<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 170: "hat,".</note><lb/>
der es fühlte und darthat, daß in allen Zweigen der positiven Wissenschaft, der<lb/>
einzige Weg zur Wahrheit die Beobachtung der Natur sey. 3. der Italiener <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11863819X http://d-nb.info/gnd/11863819X">Cam-<lb/>
panella</persName></hi> der durch Beobachtungen und Versuche sich um die Wissenschaft ganz beson-<lb/>
ders verdient gemacht hat.</p><lb/>
        <p>Die 5<hi rendition="#sup #u">te</hi> Epoche von 1590&#x2013;1643 ist durch die Entdeckungen neuer physikalischer<lb/>
Instrumente bezeichnet, welche der sinnlichen Beobachtung, (mit der natürlichen<lb/>
Stärke unserer Sinne) geschärftere Organe hinzufügte<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 170: "hinzufügt".</note>. Wir heben hier insbeson-<lb/>
dere 4 Werkzeuge heraus, welche die Fortschritte der Wissenschaft merkwürdig geför-<lb/>
dert haben: das Fernrohr, das Thermometer, das Barometer, und wenn es erlaubt<lb/>
ist eine der schönsten Entdeckungen ein Organ zu nennen, die Infinitesimal-Rech-<lb/>
nung. &#x2013; Das Fernrohr wurde 1590 von <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-1026506565 http://d-nb.info/gnd/1026506565">Janssen</persName></hi> in <hi rendition="#aq">Middelburg</hi> erfunden, und bis<lb/>
zum Jahre 1611 waren schon die wichtigsten Entdeckungen damit gemacht. Die Ju-<lb/>
piterstrabanten waren aufgefunden, die Phasen der Venus beobachtet, und somit<lb/>
ein neuer Beweis für die Richtigkeit des Copernikanischen Weltsystems geführt. Das<lb/>
neblichte<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 170: "nebliche".</note> Ansehen der Milchstraße hatte vor dem Fernrohr sich in unendliche<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">Sterne</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62r/0127] neren Naturanschauung weichen mußte, ist unstreitig mehr dem fortrückenden Geist der Zeit, als dem Einflusse einzelner Männer zuzuschreiben. Doch verdie- nen hier 3 derselben genannt zu werden, deren Wirken und Schriften von dem entschiedensten Einflusse waren. 1. Giordano Bruno, ein Pantheist, der sich zuerst das copernikanische System aneignete, zu London, Paris und Wittenberg Naturwissen- schaften lehrte, und das sonderbare Schicksal hatte, von Calvin verketzert, und von der Inquisition in Venedig verbrannt zu werden. 2. der Kanzler Baco von Ve- rulam einer der ausgezeichnetsten Geister, deren ein Zeitalter sich zu rühmen hat: der es fühlte und darthat, daß in allen Zweigen der positiven Wissenschaft, der einzige Weg zur Wahrheit die Beobachtung der Natur sey. 3. der Italiener Cam- panella der durch Beobachtungen und Versuche sich um die Wissenschaft ganz beson- ders verdient gemacht hat. Die 5te Epoche von 1590–1643 ist durch die Entdeckungen neuer physikalischer Instrumente bezeichnet, welche der sinnlichen Beobachtung, (mit der natürlichen Stärke unserer Sinne) geschärftere Organe hinzufügte. Wir heben hier insbeson- dere 4 Werkzeuge heraus, welche die Fortschritte der Wissenschaft merkwürdig geför- dert haben: das Fernrohr, das Thermometer, das Barometer, und wenn es erlaubt ist eine der schönsten Entdeckungen ein Organ zu nennen, die Infinitesimal-Rech- nung. – Das Fernrohr wurde 1590 von Janssen in Middelburg erfunden, und bis zum Jahre 1611 waren schon die wichtigsten Entdeckungen damit gemacht. Die Ju- piterstrabanten waren aufgefunden, die Phasen der Venus beobachtet, und somit ein neuer Beweis für die Richtigkeit des Copernikanischen Weltsystems geführt. Das neblichte Ansehen der Milchstraße hatte vor dem Fernrohr sich in unendliche Sterne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/127
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 62r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/127>, abgerufen am 21.11.2024.