eigentlichen Naturphylosophie, deren Gründe auf vielfache Weise gesucht sind. Ich kann diese Versuche nicht tadeln, obgleich ich selbst mehr empirisch zu Werke zu gehen veranlaßt wüurde. Bei dieser Naturphylosophie sind nur zu fürchten und schwer zu vermeiden: die falschen Thatsachen. Empiriker und Phylosophen sollten sich nicht gegenseitig verachten, denn nur mit einander verbunden vermögen sie den höchsten Zweck zu erreichen. In unserem Jahrhundert finden sich 2 Haupt- tendenzen: 1., die Tendenz viele Thatsachen aufzuhäufen; was doch nichts nützt wenn man keinen allgemeinen Ge- sichtspunkt und Ueberblick gewinnt; 2., die Tendenz die Be- obachtungen und Versuche zu verachten und z. E. eine Physik zu lehren, die man mit unbenetzten Händen treiben kann. Dies führt zu einem stolzen Dogmatismus. Letztere Tendenz ist die gefährlichste, weil sie leicht Anlaß giebt die Studien der positiven Wissenschaften zu verachten. So wenig nun Na- turphylosophie und Empirismus im Widerspruch sein sollten, so wenig sind auch aus der Emp[unleserliches Material]irie die sogenannten mathematischen Hypothesen zu verbannen; sie sind nicht bloß unschädlich, sie sind selbst nothwendig.
Geschichte unserer Wissenschaft bei abend-S. 27Vgl. Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Parthey. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ,Kosmos-Vorträge' Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827-26.4.1828] In: Deutsches Textarchiv >http://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/58<, S. 27v, abgerufen am 02.12.2015.
ländischen Völkern.
Diese Geschichte ist gleichsam die Geschichte der Entstehung des Gedankens. Es ist hier die Rede von der Entwickelung der einzelnen Naturkenntniße. Eine begeisterte Ahnung? Ahndung
des Allgemeinen brachte zur Betrachtung des Naturganzen nachdem man lange war bei Contrasten stehen geblieben.
eigentlichen Naturphÿlosophie, deren Gründe auf vielfache Weise gesucht sind. Ich kann diese Versuche nicht tadeln, obgleich ich selbst mehr empirisch zu Werke zu gehen veranlaßt wüurde. Bei dieser Naturphÿlosophie sind nur zu fürchten und schwer zu vermeiden: die falschen Thatsachen. Empiriker und Phÿlosophen sollten sich nicht gegenseitig verachten, denn nur mit einander verbunden vermögen sie den höchsten Zweck zu erreichen. In unserem Jahrhundert finden sich 2 Haupt- tendenzen: 1., die Tendenz viele Thatsachen aufzuhäufen; was doch nichts nützt wenn man keinen allgemeinen Ge- sichtspunkt und Ueberblick gewinnt; 2., die Tendenz die Be- obachtungen und Versuche zu verachten und z. E. eine Physik zu lehren, die man mit unbenetzten Händen treiben kann. Dies führt zu einem stolzen Dogmatismus. Letztere Tendenz ist die gefährlichste, weil sie leicht Anlaß giebt die Studien der positiven Wissenschaften zu verachten. So wenig nun Na- turphÿlosophie und Empirismus im Widerspruch sein sollten, so wenig sind auch aus der Emp[unleserliches Material]irie die sogenannten mathematischen Hÿpothesen zu verbannen; sie sind nicht bloß unschädlich, sie sind selbst nothwendig.
Geschichte unserer Wissenschaft bei abend-S. 27Vgl. Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828] In: Deutsches Textarchiv >http://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/58<, S. 27v, abgerufen am 02.12.2015.
ländischen Völkern.
Diese Geschichte ist gleichsam die Geschichte der Entstehung des Gedankens. Es ist hier die Rede von der Entwickelung der einzelnen Naturkenntniße. Eine begeisterte Ahnung? Ahndung
des Allgemeinen brachte zur Betrachtung des Naturganzen nachdem man lange war bei Contrasten stehen geblieben.
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schwer zu vermeiden: die falschen Thatsachen. Empiriker und
Phÿlosophen sollten sich nicht gegenseitig verachten, denn nur
mit einander verbunden vermögen sie den höchsten Zweck zu
erreichen. In unserem Jahrhundert finden sich 2 Haupt-
tendenzen: 1., die Tendenz viele Thatsachen aufzuhäufen;
was doch nichts nützt wenn man keinen allgemeinen Ge-
sichtspunkt und Ueberblick gewinnt; 2., die Tendenz die Be-
obachtungen und Versuche zu verachten und z. E. eine Physik
zu lehren, die man mit unbenetzten Händen treiben kann.
Dies führt zu einem stolzen Dogmatismus. Letztere Tendenz
ist die gefährlichste, weil sie leicht Anlaß giebt die Studien
der positiven Wissenschaften zu verachten. So wenig nun Na-
turphÿlosophie und Empirismus im Widerspruch sein sollten,
so wenig sind auch aus der Empirie die sogenannten
mathematischen Hÿpothesen zu verbannen; sie sind nicht
bloß unschädlich, sie sind selbst nothwendig.
Geschichte unserer Wissenschaft bei abend-
ländischen Völkern.
Diese Geschichte ist gleichsam die Geschichte der Entstehung
des Gedankens. Es ist hier die Rede von der Entwickelung
der einzelnen Naturkenntniße. Eine begeisterte Ahnung
des Allgemeinen brachte zur Betrachtung des Naturganzen
nachdem man lange war bei Contrasten stehen geblieben.
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Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin
im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage
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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/25>, abgerufen am 23.11.2024.
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