der cultivirten Völker zurückzukehren zu dem sogenannten Unschuldszustande, die wir schon in Tacitus Germania ausgesprochen sehen, diese Neigung wahrscheinlich hat An- laß gegeben von einer solchen Unschuldsweisheit der Ur- völker zu reden. Eine natürliche Astronomie, die wir bei so vielen alten Völkern finden ist nicht wunderbar, warum will man denn glauben, daß die Abtheilung der Jahre etc: von einer Nation zur andern hätte kommen müssen; es gehört zu ihrer Erlangung nur einige Aufmerksamkeit. Die Naturweisheit der Urvölker, die durch nichts Geschicht- liches bewiesen wird, gehört in eine Sphäre des Glau- bens, die diesen Vorlesungen fremd bleiben muß. Von Norden her wollen alle Völker ihre Kenntniße erlangt haben, so z. E. die Indier deren Braminen aus dem Himalaja sollen gekommen sein, die Chaldäer, die Griechen, die Mexikaner und Peruaner. Daraus wird folgen, daß mehr Kenntnisse von den nordischen Völkern nach dem Süden wanderten als umgekehrt.
Das Resultat aller dieser Betrachtungen ist: daß wir an rohen Völkern ein Gefühl von der Einheit der Na- tur finden, aber Kenntniße des Einzelnen vermissen. (So ist die schönste Blüthe der Poesie, das Epos, die frühste gewesen.) Wenn es uns als ausgemacht erscheint, daß es kein Urvolk gebe, so können wir auch nicht mit Ge- wißheit unterscheiden bei welchem Volke sich die ersten Spuren der Naturkenntniß vorfinden. Babel, Meroe, Indien und andere Orte werden als solche Ursitze der
der cultivirten Völker zurückzukehren zu dem sogenannten Unschuldszustande, die wir schon in Tacitus Germania ausgesprochen sehen, diese Neigung wahrscheinlich hat An- laß gegeben von einer solchen Unschuldsweisheit der Ur- völker zu reden. Eine natürliche Astronomie, die wir bei so vielen alten Völkern finden ist nicht wunderbar, warum will man denn glauben, daß die Abtheilung der Jahre etc: von einer Nation zur andern hätte kom̃en müssen; es gehört zu ihrer Erlangung nur einige Aufmerksamkeit. Die Naturweisheit der Urvölker, die durch nichts Geschicht- liches bewiesen wird, gehört in eine Sphäre des Glau- bens, die diesen Vorlesungen fremd bleiben muß. Von Norden her wollen alle Völker ihre Kenntniße erlangt haben, so z. E. die Indier deren Braminen aus dem Himalaja sollen gekommen sein, die Chaldäer, die Griechen, die Mexikaner und Peruaner. Daraus wird folgen, daß mehr Kenntnisse von den nordischen Völkern nach dem Süden wanderten als umgekehrt.
Das Resultat aller dieser Betrachtungen ist: daß wir an rohen Völkern ein Gefühl von der Einheit der Na- tur finden, aber Kenntniße des Einzelnen vermissen. (So ist die schönste Blüthe der Poesie, das Epos, die frühste gewesen.) Wenn es uns als ausgemacht erscheint, daß es kein Urvolk gebe, so können wir auch nicht mit Ge- wißheit unterscheiden bei welchem Volke sich die ersten Spuren der Naturkenntniß vorfinden. Babel, Meroe, Indien und andere Orte werden als solche Ursitze der
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der cultivirten Völker zurückzukehren zu dem sogenannten
Unschuldszustande, die wir schon in Tacitus Germania
ausgesprochen sehen, diese Neigung wahrscheinlich hat An-
laß gegeben von einer solchen Unschuldsweisheit der Ur-
völker zu reden. Eine natürliche Astronomie, die wir
bei so vielen alten Völkern finden ist nicht wunderbar,
warum will man denn glauben, daß die Abtheilung der
Jahre etc: von einer Nation zur andern hätte kom̃en müssen;
es gehört zu ihrer Erlangung nur einige Aufmerksamkeit.
Die Naturweisheit der Urvölker, die durch nichts Geschicht-
liches bewiesen wird, gehört in eine Sphäre des Glau-
bens, die diesen Vorlesungen fremd bleiben muß.
Von Norden her wollen alle Völker ihre Kenntniße erlangt
haben, so z. E. die Indier deren Braminen aus dem Himalaja
sollen gekommen sein, die Chaldäer, die Griechen, die
Mexikaner und Peruaner. Daraus wird folgen, daß
mehr Kenntnisse von den nordischen Völkern nach dem
Süden wanderten als umgekehrt.
Das Resultat aller dieser Betrachtungen ist: daß
wir an rohen Völkern ein Gefühl von der Einheit der Na-
tur finden, aber Kenntniße des Einzelnen vermissen.
(So ist die schönste Blüthe der Poesie, das Epos, die frühste
gewesen.) Wenn es uns als ausgemacht erscheint, daß
es kein Urvolk gebe, so können wir auch nicht mit Ge-
wißheit unterscheiden bei welchem Volke sich die ersten
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Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische
Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin
im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage
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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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