Neue Rheinische Zeitung. Nr. 1. Köln, 1. Juni 1848.Neue Rheinische Zeitung. Probeblatt. Organ der Demokratie. No 1. Köln, Donnerstag, 1. Juni 1848. Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum ... 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung." Das Erscheinen der Neuen Rheinischen Zeitung war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt. Die Arrangements mit den Correspondenten etc. waren auf diesen Termin getroffen. Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen, und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Correspordenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindungen uns befähigen. In wenig Tagen werden wir auch hierin allen Anforderungen genügen können. Redaktions-Comite. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure. Uebersicht. Deutschland Köln (die Frankfurter Versammlung. - Robert Blums Erklärung. - Preußische Staatsanleihe. - Hüser). - Berlin (Valdenaire.) - Frankfurt (die Nationalversammlung). - Wien (neue Revolution). Belgien. Brüssel (die belgische Konstitution). Italien. Verona (vom Kriegsschauplatz). - Neapel (Auflösung der Deputirtenkammer). Frankreich. Paris (Absetzung von Thomas. - Fortschritte der Reaktion. - Commision für die Nationalwerkstätten. - Gerücht über eine neue Revolution in Neapel). England. London (O'Connor, Cobden, Hume. - Mitchells Verurtheilung). Handels- und Börsennachrichten. Amtliche Nachrichten. Der bisherige Privat-Docent, Dr. jur. Berner hierselbst, ist zum außerordentlichen Professor in der juristischen Fakultät der hiesigen Universität ernannt worden. Bekanntmachung. Zur Verminderung des Dienstes, welchen die Bürgerwehr uns die zu derselben gehörigen fliegenden Corps zur Besetzung des Königlichen Schlosses bei dessen vielen Zugängen seither gehabt haben, ist in Uebereinstimmung mit dem Kommando der Bürgerwehr die Anordnung getroffen, daß die verschiedenen Portale mit Gitterthüren versehen werden, welche zur Nachtzeit für den zweiten (kleineren) Schloßhof geschlossen, für den ersten (großen) Schloßhof aber zur freien Passage geöffnet bleiben Bewohner des Schlosses, welche zur Nachtzeit den zweiten Schloßhof passiiren, nehmen alsdann den Weg durch das Portal im Quergebäude, sogenanntes Küchen-Portal. Berlin, den 28. Mai 1848. Königliches Hof-Marschall-Amt (gez.) Graf Keller. Deutschland ** Köln, 31. Mai. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben. Von Georg Weerth. Der Herr Preiß in Nöthen. Wiederum stehen wir im Comptoire des Herrn Preiß. Röthlich strahlt der Morgen durch zwei große, halbverstaubte Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpultes. Sandbüchsen, Federmesser, Gänsekiele und ähnliche friedfertige Instrumente schlummern in holder Gemeinschaft neben Postpapier und Propatria. Hohe, ledergepolsterte Dreifüße umringen das Pult; und das Pult hat Schubladen mit Schlössern und Riegeln daran von echtem Eisen. Todtenstille. "Das Jahrhundert ist sehr schlecht geworden," seufzt endlich der Herr Preiß. ""Sehr schlecht!"" erwiedert der dürre Buchhalter mit außerordentlichem Nachdruck. Armer Herr Preiß . . . . Er war ordentlich mager geworden, unheimlich mager, der sonst so stattlich runde, der handfeste Mann. Die flinken, unternehmenden Falkenaugen hatten allen Glanz verloren; schärfer als früher war die Biegung der Nase, und das sonst so keck nach vorn stehende Kinn, es hing hinab, ja verdächtig hinab auf dir Spitzen des Halstuches. An den Kleidern des ehrenwerthen Handelsherren, die, nicht zu vergessen, noch vor dem 24. Februar aus der Bude des kunstfertigsten aller Schneider gingen, sah man indeß erst recht, welche Veränderungen sich zugetragen. Die Hose war voller Falten . . . . Wahrheitsliebende Nachbarn behaupteten, der Herr Preiß habe vier geographische Meilen verloren, im Durchmesser. "Aber mögen die Zeiten auch noch so schlecht sein, die Energie ist mir geblieben!" fuhr der Herr Preiß zu dem Buchhalter fort. Bitterkeit lag im Ton seiner Stimme. ""So Gott will!"" seufzte dieser, ""aber die österreichischen Metallique Coupons fallen mit jedem Tage."" Wie dem Hexameter der Pentameter folgt, so folgte die Antwort des Buchhalters dem Ausrufe des Prinzipals. Der Buchhalter Lenz litt mit seinem Herrn; wenigstens scheinbar; denn trotz der schlechten Zeiten erhielt er nach wie vor seine sechs Hundert Thaler jährlich; das Neujahrsgeschenk extra. Der Herr Lenz hatte noch immer eine rothe Nase - das Morgenroth einer bessern Zukunft. Auch im Priesen war bei ihm keine Reaktion eingetreten - braun und duftig tropfte es hinab auf die verblichene Weste. Man sah ihm an der Nase an, daß er noch der alte Buchhalter war, aber dennoch litt er. Seit dem 24. Februar war er drei Mal zur Kirche gewesen; stündlich seufzte er sechs Mal; zwölf alte Federn fraß er per Tag. "Ich kann Ihnen versichern," sprach der Herr Preiß weiter, "nichts auf der Welt konnte mir ungelegener kommen, als diese Revolution." ""Die verfl ... Revolution!"" hätte der Hr. Lenz beinah gesagt. Wahnsinn ist es, nichts als Wahnsinn! Froh und glücklich lebten wir dahin. Ein lauterer Bach war unser Leben, kaum getrübt von einer Fallite. Ruhig schlafend bei Nacht; gestärkt erwachend am Morgen, thaten wir was Gott gebot und unser eigenes Interesse. Thaten wir Böses, so lag es in der Natur der Sache, deun schwache Menschen sind wir, schwach und vergänglich. Zur Arbeit erhoben wir die Hände; steckten wir sie in die Tasche, so geschah es aus Gründen - um zu halten was wir hatten. Segen folgte unserm Beginnen, wie das Ende dem Anfang. Manchmal waren's zwanzig Prozent; manchmal darüber. Kam uns die Post, da gab's was. Ein Brief von den Ufern der Lahn, von der Mosel, von den Höhen des Schwarzwaldes: Zehn Fässer Häringe, eine Ordre auf Rosinen, und jedesmal war verdient. Ruhig gaben wir Kredit, wie uns selbst kreditirt wurde von Banquier zu Banquier. Gab es Gefahr, da mahnten wir stark, aber immer mit Anstand. Vertrauen genossen wir, Vertrauen gaben wir. Wir zahlten stets so spät als möglich, aber immer in Zeiten. Wir waren immer gefällig, nur nicht zu unserm Nachtheil. Sorgend für uns, schadeten wir Niemand - uns am wenigsten. Wir ließen leben und lebten. Das letztere war die Hauptsache. Zufrieden waren wir mit Gott und aller Welt, weil wir zufrieden waren mit uns. Trotzend der Konkurrenz, überwanden wir Vieles. Leuchtend lag die Zukunft vor uns - da schlägt die verfluchte Revolution hinein! ""Und unsre Bons auf die Insel Sandwich fallen auf Null,"" unterbrach der Buchhalter mit Schwermuth. "Ja, da schlägt die Revolution hinein, wie der Hagel in ein Kartoffelfeld, wie der Blitz in den Spinat! Verschwunden ist unser Hoffen und unser Glück ist aus. In düstern Träumen wälzt man sich Nachts auf seinem Lager, noch gestern träumte ich, eine Guillotine und ein Bettelsack tanzten einen schauerlichen Walzer. Schweißtriefend erwacht man am Morgen und sieht man in den Spiegel, da glaubt man einen vom Galgen Gefallenen zu sehen. Ruhe suchend im Gebet, gelingt dieses doch selten, denn unheilschwanger steht einem der Tag bevor und aus den frommsten Erhebungen zu Gott taumelt man unwillkürlich mit den Gedanken zurück in die entsetzliche Wirklichkeit. Voll Angst beginnt man seine Arbeit, und zitternd eröffnet man jeden Brief, denn es ist nur zu wahrscheinlich, daß irgend einer: ""Mit traurigem Herzen"" oder ""Ich sehe mich in die traurige Nothwendigkeit"" oder ""Bei dem Drang der Verhältnisse bedaure ich"" oder mit irgend einer andern bankerotten Phrase beginnen wird. Falliten folgen Falliten und der Credit ist erschüttert bis in seine Urtiefen. Throne wackeln und es wackelt der letzte Seifensieder. Banquiers fallen wie die Fliegen im Winter und die welche auf den Beinen bleiben, sind so hartleibig, als hätten sie nur Wasser gesoffen und gekochte Eier dazu gegessen, seit sieben Monaten. Wegen jedes Lause-Posten wird man gemahnt, als schuldete man eine Million zwei Jahre über Verfalltag. Die gleichgültigsten Freunde und weitläufigsten Anverwandten pumpen einen an wie der Student seinen Stiefelfuchs. Aufträge bleiben aus; die, welche eintreffen: Ziel 14 Monat. Keiner traut seinem Nachbar; man betrachtet sich wie ein Robert Macaire den andern. Auf der Straße geht man einher wie ein Leichenbitter, verhöhnt von rohen Proletariern, gierig angegafft vom nimmersatten Volk. Auf der Börse ist es still wie mitten in einem Kornfelde. Man hört die Mäuse an den Wänden krabbeln, und Thränen rinnen um die angeschlagenen niedrigen Kourse. O, Herr Lenz, wir sind heimgesucht worden von einer schweren, sehr schweren Landplage. Wie ein trauernder Jude an den Wassern zu Babylon, also sitze ich klagend auf meinem Comptoirstuhl." (Schluß f.) Neue Rheinische Zeitung. Probeblatt. Organ der Demokratie. No 1. Köln, Donnerstag, 1. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Das Erscheinen der Neuen Rheinischen Zeitung war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt. Die Arrangements mit den Correspondenten etc. waren auf diesen Termin getroffen. Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen, und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Correspordenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindungen uns befähigen. In wenig Tagen werden wir auch hierin allen Anforderungen genügen können. Redaktions-Comité. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure. Uebersicht. Deutschland Köln (die Frankfurter Versammlung. ‒ Robert Blums Erklärung. ‒ Preußische Staatsanleihe. ‒ Hüser). ‒ Berlin (Valdenaire.) ‒ Frankfurt (die Nationalversammlung). ‒ Wien (neue Revolution). Belgien. Brüssel (die belgische Konstitution). Italien. Verona (vom Kriegsschauplatz). ‒ Neapel (Auflösung der Deputirtenkammer). Frankreich. Paris (Absetzung von Thomas. ‒ Fortschritte der Reaktion. ‒ Commision für die Nationalwerkstätten. ‒ Gerücht über eine neue Revolution in Neapel). England. London (O'Connor, Cobden, Hume. ‒ Mitchells Verurtheilung). Handels- und Börsennachrichten. Amtliche Nachrichten. Der bisherige Privat-Docent, Dr. jur. Berner hierselbst, ist zum außerordentlichen Professor in der juristischen Fakultät der hiesigen Universität ernannt worden. Bekanntmachung. Zur Verminderung des Dienstes, welchen die Bürgerwehr uns die zu derselben gehörigen fliegenden Corps zur Besetzung des Königlichen Schlosses bei dessen vielen Zugängen seither gehabt haben, ist in Uebereinstimmung mit dem Kommando der Bürgerwehr die Anordnung getroffen, daß die verschiedenen Portale mit Gitterthüren versehen werden, welche zur Nachtzeit für den zweiten (kleineren) Schloßhof geschlossen, für den ersten (großen) Schloßhof aber zur freien Passage geöffnet bleiben Bewohner des Schlosses, welche zur Nachtzeit den zweiten Schloßhof passiiren, nehmen alsdann den Weg durch das Portal im Quergebäude, sogenanntes Küchen-Portal. Berlin, den 28. Mai 1848. Königliches Hof-Marschall-Amt (gez.) Graf Keller. Deutschland ** Köln, 31. Mai. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben. Von Georg Weerth. Der Herr Preiß in Nöthen. Wiederum stehen wir im Comptoire des Herrn Preiß. Röthlich strahlt der Morgen durch zwei große, halbverstaubte Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpultes. Sandbüchsen, Federmesser, Gänsekiele und ähnliche friedfertige Instrumente schlummern in holder Gemeinschaft neben Postpapier und Propatria. Hohe, ledergepolsterte Dreifüße umringen das Pult; und das Pult hat Schubladen mit Schlössern und Riegeln daran von echtem Eisen. Todtenstille. „Das Jahrhundert ist sehr schlecht geworden,“ seufzt endlich der Herr Preiß. „„Sehr schlecht!““ erwiedert der dürre Buchhalter mit außerordentlichem Nachdruck. Armer Herr Preiß . . . . Er war ordentlich mager geworden, unheimlich mager, der sonst so stattlich runde, der handfeste Mann. Die flinken, unternehmenden Falkenaugen hatten allen Glanz verloren; schärfer als früher war die Biegung der Nase, und das sonst so keck nach vorn stehende Kinn, es hing hinab, ja verdächtig hinab auf dir Spitzen des Halstuches. An den Kleidern des ehrenwerthen Handelsherren, die, nicht zu vergessen, noch vor dem 24. Februar aus der Bude des kunstfertigsten aller Schneider gingen, sah man indeß erst recht, welche Veränderungen sich zugetragen. Die Hose war voller Falten . . . . Wahrheitsliebende Nachbarn behaupteten, der Herr Preiß habe vier geographische Meilen verloren, im Durchmesser. „Aber mögen die Zeiten auch noch so schlecht sein, die Energie ist mir geblieben!“ fuhr der Herr Preiß zu dem Buchhalter fort. Bitterkeit lag im Ton seiner Stimme. „„So Gott will!““ seufzte dieser, „„aber die österreichischen Metallique Coupons fallen mit jedem Tage.““ Wie dem Hexameter der Pentameter folgt, so folgte die Antwort des Buchhalters dem Ausrufe des Prinzipals. Der Buchhalter Lenz litt mit seinem Herrn; wenigstens scheinbar; denn trotz der schlechten Zeiten erhielt er nach wie vor seine sechs Hundert Thaler jährlich; das Neujahrsgeschenk extra. Der Herr Lenz hatte noch immer eine rothe Nase ‒ das Morgenroth einer bessern Zukunft. Auch im Priesen war bei ihm keine Reaktion eingetreten ‒ braun und duftig tropfte es hinab auf die verblichene Weste. Man sah ihm an der Nase an, daß er noch der alte Buchhalter war, aber dennoch litt er. Seit dem 24. Februar war er drei Mal zur Kirche gewesen; stündlich seufzte er sechs Mal; zwölf alte Federn fraß er per Tag. „Ich kann Ihnen versichern,“ sprach der Herr Preiß weiter, „nichts auf der Welt konnte mir ungelegener kommen, als diese Revolution.“ „„Die verfl … Revolution!““ hätte der Hr. Lenz beinah gesagt. Wahnsinn ist es, nichts als Wahnsinn! Froh und glücklich lebten wir dahin. Ein lauterer Bach war unser Leben, kaum getrübt von einer Fallite. Ruhig schlafend bei Nacht; gestärkt erwachend am Morgen, thaten wir was Gott gebot und unser eigenes Interesse. Thaten wir Böses, so lag es in der Natur der Sache, deun schwache Menschen sind wir, schwach und vergänglich. Zur Arbeit erhoben wir die Hände; steckten wir sie in die Tasche, so geschah es aus Gründen ‒ um zu halten was wir hatten. Segen folgte unserm Beginnen, wie das Ende dem Anfang. Manchmal waren's zwanzig Prozent; manchmal darüber. Kam uns die Post, da gab's was. Ein Brief von den Ufern der Lahn, von der Mosel, von den Höhen des Schwarzwaldes: Zehn Fässer Häringe, eine Ordre auf Rosinen, und jedesmal war verdient. Ruhig gaben wir Kredit, wie uns selbst kreditirt wurde von Banquier zu Banquier. Gab es Gefahr, da mahnten wir stark, aber immer mit Anstand. Vertrauen genossen wir, Vertrauen gaben wir. Wir zahlten stets so spät als möglich, aber immer in Zeiten. Wir waren immer gefällig, nur nicht zu unserm Nachtheil. Sorgend für uns, schadeten wir Niemand ‒ uns am wenigsten. Wir ließen leben und lebten. Das letztere war die Hauptsache. Zufrieden waren wir mit Gott und aller Welt, weil wir zufrieden waren mit uns. Trotzend der Konkurrenz, überwanden wir Vieles. Leuchtend lag die Zukunft vor uns ‒ da schlägt die verfluchte Revolution hinein! „„Und unsre Bons auf die Insel Sandwich fallen auf Null,““ unterbrach der Buchhalter mit Schwermuth. „Ja, da schlägt die Revolution hinein, wie der Hagel in ein Kartoffelfeld, wie der Blitz in den Spinat! Verschwunden ist unser Hoffen und unser Glück ist aus. In düstern Träumen wälzt man sich Nachts auf seinem Lager, noch gestern träumte ich, eine Guillotine und ein Bettelsack tanzten einen schauerlichen Walzer. Schweißtriefend erwacht man am Morgen und sieht man in den Spiegel, da glaubt man einen vom Galgen Gefallenen zu sehen. Ruhe suchend im Gebet, gelingt dieses doch selten, denn unheilschwanger steht einem der Tag bevor und aus den frommsten Erhebungen zu Gott taumelt man unwillkürlich mit den Gedanken zurück in die entsetzliche Wirklichkeit. Voll Angst beginnt man seine Arbeit, und zitternd eröffnet man jeden Brief, denn es ist nur zu wahrscheinlich, daß irgend einer: „„Mit traurigem Herzen““ oder „„Ich sehe mich in die traurige Nothwendigkeit““ oder „„Bei dem Drang der Verhältnisse bedaure ich““ oder mit irgend einer andern bankerotten Phrase beginnen wird. Falliten folgen Falliten und der Credit ist erschüttert bis in seine Urtiefen. Throne wackeln und es wackelt der letzte Seifensieder. Banquiers fallen wie die Fliegen im Winter und die welche auf den Beinen bleiben, sind so hartleibig, als hätten sie nur Wasser gesoffen und gekochte Eier dazu gegessen, seit sieben Monaten. Wegen jedes Lause-Posten wird man gemahnt, als schuldete man eine Million zwei Jahre über Verfalltag. Die gleichgültigsten Freunde und weitläufigsten Anverwandten pumpen einen an wie der Student seinen Stiefelfuchs. Aufträge bleiben aus; die, welche eintreffen: Ziel 14 Monat. Keiner traut seinem Nachbar; man betrachtet sich wie ein Robert Macaire den andern. Auf der Straße geht man einher wie ein Leichenbitter, verhöhnt von rohen Proletariern, gierig angegafft vom nimmersatten Volk. Auf der Börse ist es still wie mitten in einem Kornfelde. Man hört die Mäuse an den Wänden krabbeln, und Thränen rinnen um die angeschlagenen niedrigen Kourse. O, Herr Lenz, wir sind heimgesucht worden von einer schweren, sehr schweren Landplage. Wie ein trauernder Jude an den Wassern zu Babylon, also sitze ich klagend auf meinem Comptoirstuhl.“ (Schluß f.) <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0001"/> <front> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart><lb/> <titlePart type="sub">Probeblatt.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart><lb/> <docImprint> <docDate>No 1. Köln, Donnerstag, 1. Juni 1848.</docDate> </docImprint> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die <hi rendition="#b">„Neue Rheinische Zeitung“</hi> erscheint vom 1. Juni <hi rendition="#b">an täglich.</hi></p> <p>Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.</p> <p>Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.</p> <p>Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. <hi rendition="#b">W. Clouth,</hi> <hi rendition="#g">St. Agatha 12,</hi> Köln.</p> <p>Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.</p> <p> <hi rendition="#b">Insertionsgebühren.</hi> </p> <p>Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.</p> <p> <hi rendition="#b">Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“</hi> </p> </div> <div type="jEditorialStaff"> <p>Das Erscheinen der Neuen Rheinischen Zeitung war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt. Die Arrangements mit den Correspondenten etc. waren auf diesen Termin getroffen.</p> <p>Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen, und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Correspordenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindungen uns befähigen. In wenig Tagen werden wir auch hierin allen Anforderungen genügen können.</p> <p>Redaktions-Comité.</p> <p>Karl Marx, Redakteur en Chef.</p> <list> <item>Heinrich Bürgers,</item> <item>Ernst Dronke,</item> <item>Friedrich Engels,</item> <item>Georg Weerth,</item> <item>Ferdinand Wolff,</item> <item>Wilhelm Wolff,</item> <trailer rendition="#leftBraced">Redakteure.</trailer> </list> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi> Köln (die Frankfurter Versammlung. ‒ Robert Blums Erklärung. ‒ Preußische Staatsanleihe. ‒ Hüser). ‒ Berlin (Valdenaire.) ‒ Frankfurt (die Nationalversammlung). ‒ Wien (neue Revolution).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel (die belgische Konstitution).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Verona (vom Kriegsschauplatz). ‒ Neapel (Auflösung der Deputirtenkammer).</p> <p><hi rendition="#g">Frankreich.</hi> Paris (Absetzung von Thomas. ‒ Fortschritte der Reaktion. ‒ Commision für die Nationalwerkstätten. ‒ Gerücht über eine neue Revolution in Neapel).</p> <p><hi rendition="#g">England.</hi> London (O'Connor, Cobden, Hume. ‒ Mitchells Verurtheilung).</p> <p> <hi rendition="#g">Handels- und Börsennachrichten.</hi> </p> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Amtliche Nachrichten.</hi> </head> <div xml:id="ar001_001" type="jArticle"> <p>Der bisherige Privat-Docent, Dr. jur. <hi rendition="#g">Berner</hi> hierselbst, ist zum außerordentlichen Professor in der juristischen Fakultät der hiesigen Universität ernannt worden.</p> </div> <div xml:id="ar001_002" type="jArticle"> <head> <hi rendition="#g">Bekanntmachung.</hi> </head> <p>Zur Verminderung des Dienstes, welchen die Bürgerwehr uns die zu derselben gehörigen fliegenden Corps zur Besetzung des Königlichen Schlosses bei dessen vielen Zugängen seither gehabt haben, ist in Uebereinstimmung mit dem Kommando der Bürgerwehr die Anordnung getroffen, daß die verschiedenen Portale mit Gitterthüren versehen werden, welche zur Nachtzeit für den zweiten (kleineren) Schloßhof geschlossen, für den ersten (großen) Schloßhof aber zur freien Passage geöffnet bleiben Bewohner des Schlosses, welche zur Nachtzeit den zweiten Schloßhof passiiren, nehmen alsdann den Weg durch das Portal im Quergebäude, sogenanntes Küchen-Portal.</p> <p>Berlin, den 28. Mai 1848. Königliches Hof-Marschall-Amt</p> <p>(gez.) Graf <hi rendition="#g">Keller.</hi></p> </div> </div> <div xml:id="se001_de" n="1"> <head> <hi rendition="#g">Deutschland</hi> </head> <div xml:id="ar001_003_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Frankfurter Versammlung. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 32.</bibl></note> <head><bibl><author>**</author></bibl><hi rendition="#g">Köln,</hi> 31. Mai.</head> <gap reason="copyright"/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar001_004" type="jArticle"> <head> <hi rendition="#b">Humoristische Skizzen aus dem deutschen<lb/> Handelsleben.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Von Georg Weerth.<lb/> Der Herr Preiß in Nöthen.</hi> </head> <p>Wiederum stehen wir im Comptoire des Herrn Preiß. Röthlich strahlt der Morgen durch zwei große, halbverstaubte Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpultes. Sandbüchsen, Federmesser, Gänsekiele und ähnliche friedfertige Instrumente schlummern in holder Gemeinschaft neben Postpapier und Propatria. Hohe, ledergepolsterte Dreifüße umringen das Pult; und das Pult hat Schubladen mit Schlössern und Riegeln daran von echtem Eisen.</p> <p>Todtenstille.</p> <p>„Das Jahrhundert ist sehr schlecht geworden,“ seufzt endlich der Herr Preiß.</p> <p>„„Sehr schlecht!““ erwiedert der dürre Buchhalter mit außerordentlichem Nachdruck.</p> <p>Armer Herr Preiß . . . . Er war ordentlich mager geworden, unheimlich mager, der sonst so stattlich runde, der handfeste Mann. Die flinken, unternehmenden Falkenaugen hatten allen Glanz verloren; schärfer als früher war die Biegung der Nase, und das sonst so keck nach vorn stehende Kinn, es hing hinab, ja verdächtig hinab auf dir Spitzen des Halstuches. An den Kleidern des ehrenwerthen Handelsherren, die, nicht zu vergessen, noch vor dem 24. Februar aus der Bude des kunstfertigsten aller Schneider gingen, sah man indeß erst recht, welche Veränderungen sich zugetragen. Die Hose war voller Falten . . . . Wahrheitsliebende Nachbarn behaupteten, der Herr Preiß habe vier geographische Meilen verloren, im Durchmesser.</p> <p>„Aber mögen die Zeiten auch noch so schlecht sein, die Energie ist mir geblieben!“ fuhr der Herr Preiß zu dem Buchhalter fort. Bitterkeit lag im Ton seiner Stimme.</p> <p>„„So Gott will!““ seufzte dieser, „„aber die österreichischen Metallique Coupons fallen mit jedem Tage.““</p> <p>Wie dem Hexameter der Pentameter folgt, so folgte die Antwort des Buchhalters dem Ausrufe des Prinzipals.</p> <p>Der Buchhalter Lenz litt mit seinem Herrn; wenigstens scheinbar; denn trotz der schlechten Zeiten erhielt er nach wie vor seine sechs Hundert Thaler jährlich; das Neujahrsgeschenk extra. Der Herr Lenz hatte noch immer eine rothe Nase ‒ das Morgenroth einer bessern Zukunft. Auch im Priesen war bei ihm keine Reaktion eingetreten ‒ braun und duftig tropfte es hinab auf die verblichene Weste. Man sah ihm an der Nase an, daß er noch der alte Buchhalter war, aber dennoch litt er. Seit dem 24. Februar war er drei Mal zur Kirche gewesen; stündlich seufzte er sechs Mal; zwölf alte Federn fraß er per Tag.</p> <p>„Ich kann Ihnen versichern,“ sprach der Herr Preiß weiter, „nichts auf der Welt konnte mir ungelegener kommen, als diese Revolution.“</p> <p>„„Die verfl … Revolution!““ hätte der Hr. Lenz beinah gesagt.</p> <p>Wahnsinn ist es, nichts als Wahnsinn! Froh und glücklich lebten wir dahin. Ein lauterer Bach war unser Leben, kaum getrübt von einer Fallite. Ruhig schlafend bei Nacht; gestärkt erwachend am Morgen, thaten wir was Gott gebot und unser eigenes Interesse. Thaten wir Böses, so lag es in der Natur der Sache, deun schwache Menschen sind wir, schwach und vergänglich. Zur Arbeit erhoben wir die Hände; steckten wir sie in die Tasche, so geschah es aus Gründen ‒ um zu halten was wir hatten. Segen folgte unserm Beginnen, wie das Ende dem Anfang. Manchmal waren's zwanzig Prozent; manchmal darüber. Kam uns die Post, da gab's was. Ein Brief von den Ufern der Lahn, von der Mosel, von den Höhen des Schwarzwaldes: Zehn Fässer Häringe, eine Ordre auf Rosinen, und jedesmal war verdient. Ruhig gaben wir Kredit, wie uns selbst kreditirt wurde von Banquier zu Banquier. Gab es Gefahr, da mahnten wir stark, aber immer mit Anstand. Vertrauen genossen wir, Vertrauen gaben wir. Wir zahlten stets so spät als möglich, aber immer in Zeiten. Wir waren immer gefällig, nur nicht zu unserm Nachtheil. Sorgend für uns, schadeten wir Niemand ‒ uns am wenigsten. Wir ließen leben und lebten. Das letztere war die Hauptsache. Zufrieden waren wir mit Gott und aller Welt, weil wir zufrieden waren mit uns. Trotzend der Konkurrenz, überwanden wir Vieles. Leuchtend lag die Zukunft vor uns ‒ da schlägt die verfluchte Revolution hinein!</p> <p>„„Und unsre Bons auf die Insel Sandwich fallen auf Null,““ unterbrach der Buchhalter mit Schwermuth.</p> <p>„Ja, da schlägt die Revolution hinein, wie der Hagel in ein Kartoffelfeld, wie der Blitz in den Spinat! Verschwunden ist unser Hoffen und unser Glück ist aus. In düstern Träumen wälzt man sich Nachts auf seinem Lager, noch gestern träumte ich, eine Guillotine und ein Bettelsack tanzten einen schauerlichen Walzer. Schweißtriefend erwacht man am Morgen und sieht man in den Spiegel, da glaubt man einen vom Galgen Gefallenen zu sehen. Ruhe suchend im Gebet, gelingt dieses doch selten, denn unheilschwanger steht einem der Tag bevor und aus den frommsten Erhebungen zu Gott taumelt man unwillkürlich mit den Gedanken zurück in die entsetzliche Wirklichkeit. Voll Angst beginnt man seine Arbeit, und zitternd eröffnet man jeden Brief, denn es ist nur zu wahrscheinlich, daß irgend einer: „„Mit traurigem Herzen““ oder „„Ich sehe mich in die traurige Nothwendigkeit““ oder „„Bei dem Drang der Verhältnisse bedaure ich““ oder mit irgend einer andern bankerotten Phrase beginnen wird. Falliten folgen Falliten und der Credit ist erschüttert bis in seine Urtiefen. Throne wackeln und es wackelt der letzte Seifensieder. Banquiers fallen wie die Fliegen im Winter und die welche auf den Beinen bleiben, sind so hartleibig, als hätten sie nur Wasser gesoffen und gekochte Eier dazu gegessen, seit sieben Monaten. Wegen jedes Lause-Posten wird man gemahnt, als schuldete man eine Million zwei Jahre über Verfalltag. Die gleichgültigsten Freunde und weitläufigsten Anverwandten pumpen einen an wie der Student seinen Stiefelfuchs. Aufträge bleiben aus; die, welche eintreffen: Ziel 14 Monat. Keiner traut seinem Nachbar; man betrachtet sich wie ein Robert Macaire den andern. Auf der Straße geht man einher wie ein Leichenbitter, verhöhnt von rohen Proletariern, gierig angegafft vom nimmersatten Volk. Auf der Börse ist es still wie mitten in einem Kornfelde. Man hört die Mäuse an den Wänden krabbeln, und Thränen rinnen um die angeschlagenen niedrigen Kourse. O, Herr Lenz, wir sind heimgesucht worden von einer schweren, sehr schweren Landplage. Wie ein trauernder Jude an den Wassern zu Babylon, also sitze ich klagend auf meinem Comptoirstuhl.“</p> <p> <ref type="link">(Schluß f.)</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0001/0001]
Neue Rheinische Zeitung.
Probeblatt. Organ der Demokratie.
No 1. Köln, Donnerstag, 1. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich.
Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.
Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.
Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.
Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.
Insertionsgebühren.
Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.
Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Das Erscheinen der Neuen Rheinischen Zeitung war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt. Die Arrangements mit den Correspondenten etc. waren auf diesen Termin getroffen.
Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen, und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Correspordenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindungen uns befähigen. In wenig Tagen werden wir auch hierin allen Anforderungen genügen können.
Redaktions-Comité.
Karl Marx, Redakteur en Chef.
Heinrich Bürgers,
Ernst Dronke,
Friedrich Engels,
Georg Weerth,
Ferdinand Wolff,
Wilhelm Wolff, Redakteure.
Uebersicht. Deutschland Köln (die Frankfurter Versammlung. ‒ Robert Blums Erklärung. ‒ Preußische Staatsanleihe. ‒ Hüser). ‒ Berlin (Valdenaire.) ‒ Frankfurt (die Nationalversammlung). ‒ Wien (neue Revolution).
Belgien. Brüssel (die belgische Konstitution).
Italien. Verona (vom Kriegsschauplatz). ‒ Neapel (Auflösung der Deputirtenkammer).
Frankreich. Paris (Absetzung von Thomas. ‒ Fortschritte der Reaktion. ‒ Commision für die Nationalwerkstätten. ‒ Gerücht über eine neue Revolution in Neapel).
England. London (O'Connor, Cobden, Hume. ‒ Mitchells Verurtheilung).
Handels- und Börsennachrichten.
Amtliche Nachrichten. Der bisherige Privat-Docent, Dr. jur. Berner hierselbst, ist zum außerordentlichen Professor in der juristischen Fakultät der hiesigen Universität ernannt worden.
Bekanntmachung. Zur Verminderung des Dienstes, welchen die Bürgerwehr uns die zu derselben gehörigen fliegenden Corps zur Besetzung des Königlichen Schlosses bei dessen vielen Zugängen seither gehabt haben, ist in Uebereinstimmung mit dem Kommando der Bürgerwehr die Anordnung getroffen, daß die verschiedenen Portale mit Gitterthüren versehen werden, welche zur Nachtzeit für den zweiten (kleineren) Schloßhof geschlossen, für den ersten (großen) Schloßhof aber zur freien Passage geöffnet bleiben Bewohner des Schlosses, welche zur Nachtzeit den zweiten Schloßhof passiiren, nehmen alsdann den Weg durch das Portal im Quergebäude, sogenanntes Küchen-Portal.
Berlin, den 28. Mai 1848. Königliches Hof-Marschall-Amt
(gez.) Graf Keller.
Deutschland ** Köln, 31. Mai. _ Humoristische Skizzen aus dem deutschen
Handelsleben.
Von Georg Weerth.
Der Herr Preiß in Nöthen. Wiederum stehen wir im Comptoire des Herrn Preiß. Röthlich strahlt der Morgen durch zwei große, halbverstaubte Fenster auf die Dintenkleckse des Schreibpultes. Sandbüchsen, Federmesser, Gänsekiele und ähnliche friedfertige Instrumente schlummern in holder Gemeinschaft neben Postpapier und Propatria. Hohe, ledergepolsterte Dreifüße umringen das Pult; und das Pult hat Schubladen mit Schlössern und Riegeln daran von echtem Eisen.
Todtenstille.
„Das Jahrhundert ist sehr schlecht geworden,“ seufzt endlich der Herr Preiß.
„„Sehr schlecht!““ erwiedert der dürre Buchhalter mit außerordentlichem Nachdruck.
Armer Herr Preiß . . . . Er war ordentlich mager geworden, unheimlich mager, der sonst so stattlich runde, der handfeste Mann. Die flinken, unternehmenden Falkenaugen hatten allen Glanz verloren; schärfer als früher war die Biegung der Nase, und das sonst so keck nach vorn stehende Kinn, es hing hinab, ja verdächtig hinab auf dir Spitzen des Halstuches. An den Kleidern des ehrenwerthen Handelsherren, die, nicht zu vergessen, noch vor dem 24. Februar aus der Bude des kunstfertigsten aller Schneider gingen, sah man indeß erst recht, welche Veränderungen sich zugetragen. Die Hose war voller Falten . . . . Wahrheitsliebende Nachbarn behaupteten, der Herr Preiß habe vier geographische Meilen verloren, im Durchmesser.
„Aber mögen die Zeiten auch noch so schlecht sein, die Energie ist mir geblieben!“ fuhr der Herr Preiß zu dem Buchhalter fort. Bitterkeit lag im Ton seiner Stimme.
„„So Gott will!““ seufzte dieser, „„aber die österreichischen Metallique Coupons fallen mit jedem Tage.““
Wie dem Hexameter der Pentameter folgt, so folgte die Antwort des Buchhalters dem Ausrufe des Prinzipals.
Der Buchhalter Lenz litt mit seinem Herrn; wenigstens scheinbar; denn trotz der schlechten Zeiten erhielt er nach wie vor seine sechs Hundert Thaler jährlich; das Neujahrsgeschenk extra. Der Herr Lenz hatte noch immer eine rothe Nase ‒ das Morgenroth einer bessern Zukunft. Auch im Priesen war bei ihm keine Reaktion eingetreten ‒ braun und duftig tropfte es hinab auf die verblichene Weste. Man sah ihm an der Nase an, daß er noch der alte Buchhalter war, aber dennoch litt er. Seit dem 24. Februar war er drei Mal zur Kirche gewesen; stündlich seufzte er sechs Mal; zwölf alte Federn fraß er per Tag.
„Ich kann Ihnen versichern,“ sprach der Herr Preiß weiter, „nichts auf der Welt konnte mir ungelegener kommen, als diese Revolution.“
„„Die verfl … Revolution!““ hätte der Hr. Lenz beinah gesagt.
Wahnsinn ist es, nichts als Wahnsinn! Froh und glücklich lebten wir dahin. Ein lauterer Bach war unser Leben, kaum getrübt von einer Fallite. Ruhig schlafend bei Nacht; gestärkt erwachend am Morgen, thaten wir was Gott gebot und unser eigenes Interesse. Thaten wir Böses, so lag es in der Natur der Sache, deun schwache Menschen sind wir, schwach und vergänglich. Zur Arbeit erhoben wir die Hände; steckten wir sie in die Tasche, so geschah es aus Gründen ‒ um zu halten was wir hatten. Segen folgte unserm Beginnen, wie das Ende dem Anfang. Manchmal waren's zwanzig Prozent; manchmal darüber. Kam uns die Post, da gab's was. Ein Brief von den Ufern der Lahn, von der Mosel, von den Höhen des Schwarzwaldes: Zehn Fässer Häringe, eine Ordre auf Rosinen, und jedesmal war verdient. Ruhig gaben wir Kredit, wie uns selbst kreditirt wurde von Banquier zu Banquier. Gab es Gefahr, da mahnten wir stark, aber immer mit Anstand. Vertrauen genossen wir, Vertrauen gaben wir. Wir zahlten stets so spät als möglich, aber immer in Zeiten. Wir waren immer gefällig, nur nicht zu unserm Nachtheil. Sorgend für uns, schadeten wir Niemand ‒ uns am wenigsten. Wir ließen leben und lebten. Das letztere war die Hauptsache. Zufrieden waren wir mit Gott und aller Welt, weil wir zufrieden waren mit uns. Trotzend der Konkurrenz, überwanden wir Vieles. Leuchtend lag die Zukunft vor uns ‒ da schlägt die verfluchte Revolution hinein!
„„Und unsre Bons auf die Insel Sandwich fallen auf Null,““ unterbrach der Buchhalter mit Schwermuth.
„Ja, da schlägt die Revolution hinein, wie der Hagel in ein Kartoffelfeld, wie der Blitz in den Spinat! Verschwunden ist unser Hoffen und unser Glück ist aus. In düstern Träumen wälzt man sich Nachts auf seinem Lager, noch gestern träumte ich, eine Guillotine und ein Bettelsack tanzten einen schauerlichen Walzer. Schweißtriefend erwacht man am Morgen und sieht man in den Spiegel, da glaubt man einen vom Galgen Gefallenen zu sehen. Ruhe suchend im Gebet, gelingt dieses doch selten, denn unheilschwanger steht einem der Tag bevor und aus den frommsten Erhebungen zu Gott taumelt man unwillkürlich mit den Gedanken zurück in die entsetzliche Wirklichkeit. Voll Angst beginnt man seine Arbeit, und zitternd eröffnet man jeden Brief, denn es ist nur zu wahrscheinlich, daß irgend einer: „„Mit traurigem Herzen““ oder „„Ich sehe mich in die traurige Nothwendigkeit““ oder „„Bei dem Drang der Verhältnisse bedaure ich““ oder mit irgend einer andern bankerotten Phrase beginnen wird. Falliten folgen Falliten und der Credit ist erschüttert bis in seine Urtiefen. Throne wackeln und es wackelt der letzte Seifensieder. Banquiers fallen wie die Fliegen im Winter und die welche auf den Beinen bleiben, sind so hartleibig, als hätten sie nur Wasser gesoffen und gekochte Eier dazu gegessen, seit sieben Monaten. Wegen jedes Lause-Posten wird man gemahnt, als schuldete man eine Million zwei Jahre über Verfalltag. Die gleichgültigsten Freunde und weitläufigsten Anverwandten pumpen einen an wie der Student seinen Stiefelfuchs. Aufträge bleiben aus; die, welche eintreffen: Ziel 14 Monat. Keiner traut seinem Nachbar; man betrachtet sich wie ein Robert Macaire den andern. Auf der Straße geht man einher wie ein Leichenbitter, verhöhnt von rohen Proletariern, gierig angegafft vom nimmersatten Volk. Auf der Börse ist es still wie mitten in einem Kornfelde. Man hört die Mäuse an den Wänden krabbeln, und Thränen rinnen um die angeschlagenen niedrigen Kourse. O, Herr Lenz, wir sind heimgesucht worden von einer schweren, sehr schweren Landplage. Wie ein trauernder Jude an den Wassern zu Babylon, also sitze ich klagend auf meinem Comptoirstuhl.“
(Schluß f.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |