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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 6. Köln, 6. Juni 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 6. Köln, Dienstag 6. Juni 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich.

Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.

Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.

Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.

Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.

Infertionsgebühren.

Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum ... 1 Sgr. 6 Pf.

Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung."

Uebersicht.

Deutschland. Köln (die Reaktion. Comite de saurete generale zu Berlin). Koblenz (Armirung der Festung). Frankfurt (die National-Versammlung vom 3. Juni. - Eintrachtsfest. - Manifest der radikal-demokratischen Partei. - National-Versammlung. - Bundestag). Berlin (Deputation der demokratischen Klubs. - Aschoff abgedankt. - Blesson. - Bürgerwehrklub. - Polizeibekanntmachung. - Vereinbarungsdebatten. - Studentenrebellion). Cassel (Verbot der Eisenbahndirektion). München (Arbeiterdemonstration. - Die Polizei und die Arbeiter). Hamburg (erste Versammlung des Gewerbestandes).

Schweiz. Zürich (Antrag de s lombardischen Gesandten).

Italien. Neapel (Personalveränderungen. - Nachrichten aus den Provinzen). Botzen. (Peschiera soll entsetzt sein.)

Frankreich. (National-Versammlung vom 2. Juni. - Sitzung vom 3. Juni - Das Journal des Debats a n die Wähler. - Vertheidigungsschrift Louis Blancs).

Großbritannien. London (Sitzung des Oberhauses wegen der Unruhen. - Sitzung des Unterhauses (Schifffahrtsgesetz). - Zunehmende Armuth). Dublin (Mitchell).

Constantinopel (Russische Armee am Pruth).

Deutschland.
* Köln, 5. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 5. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Koblenz, 3. Juni.

Die Armirung unserer hiesigen Festungswerke wird sehr thätig betrieben, die Verpallisadirung der Werke wird in ausgedehntester Weise vorgenommen und fortwährend sieht man Fuhren mit schweren Balken nach den verschiedenen Forts hinfahren. Die vorgeschobenen Forts, welche seither als Munitions- und Pulvermagazine benutzt wurden, werden geräumt und das Pulver nach den innern Kernwerken gebracht. Die einberufenen Kriegsreservisten treffen dagegen mangelhaft ein. Inzwischen dauern die Truppenbewegungen um uns fort. Die achte Jägerabtheilung ist von Weßlar nach Neuwied verlegt und sollte gestern den Marsch antreten; an ihrer Spitze ist eine Kompagnie des 27. Regiments von Neuwied nach Wetzlar marschirt. Das 4. Dragoner-Regiment ist in kleinern Kommandos in hiesiger Umgegend vertheilt und eine Schwadron des 8. Husaren-Regiments bereits in Bonn eingerückt.

(D. Z.)
15Frankfurt, 2. Juni.

Auch wir haben unser Eintrachtsfest gehabt, und es war so charakteristisch, daß Sie jedenfalls Kunde davon nehmen müssen. Der Erbkaiser, der ersehnte Mittelpunkt und leider gegenwärtig noch Störenfried dieser Eintracht, war zwar wie Sie wissen, noch nicht fertig geworden; aber der Sinn, der Geist und die Eintracht, aus welcher er erzeugt werden soll, hatten sich in der Nationalversammlung am Tage der Präsidentenwahl so erfreulich gezeigt, daß ein Fest nur der Ausdruck der allgemeinen Stimmung war. Gagern, mit seinem energischen und männlichen Naturell, flößt den ruhigen Bürgern ein unendliches Vertrauen auf die ruhige Entwicklung der Dinge unter seinem Präsidium ein, und ihm hauptsächlich galt der Fackelzug, welchen die Freunde der Ruhe und Ordnung, nämlich die Bürgerwehr und die Schutzwachen, mit Musik und alterthümlichen "Quartierfahnen" vor das Eschenheimer Thor führten.

In der Villa Mumm war die Creme der Deputirten versammelt; wir sahen die Notabilitäten der Rechten und der Mitte, bis zum linken Centrum hin; Raveaux, der das Kunststück der Vereinigung zuerst zu Stande gebracht hatte, schien die äußerste Konzession zu sein, darüber hinaus wäre die Zusammensetzung der Gesellschaft nicht mehr gemüthlich gewesen. Die Linke war, wie gewöhnlich, auch diesen Abend im deutschen Hofe versammelt.

Das Volk war draußen, um sich an Fackeln, Musik und Reden zu erfreuen; die Arbeiter und Gesellen bilden die Bürgerwehr nicht mit; das ganze verachtete Geschlecht der "Permissionisten," d. h. derer, die mit allergnädigster Permission der Republik sich in Frankfurt aufhalten dürfen, ist, wie von den Wahlen, so von der Volksbewaffnung ausgeschlossen. Indeß die Masse vor der Villa Mumm war groß genug, und als das Hoch der Fackelträger ausgebracht war, harrte Alles in einer Stille, daß man die vom Balkon gesprochnen Worte weit besser als die von der Tribüne in der Paulskirche verstand.

Die Einleitung Gagern's lautete gut demokratisch : der Einzelne sei nichts; erst das Volk trage ihn, erst die Stimme des Volks mache ihm seinen Beruf klar. - Aber immer mehr kam er in den parlamentarischen Styl. Das Versprechen, eine gute Verfassung zu Stande zu bringen, glaubte er "im Geiste der großen Mehrheit" der Nationalversammlung geben zu können, - das lautete schon weniger erbaulich von der Eintracht. Er schloß nicht mit der deutschen Einheit, wie man erwarten, sondern mit einem Hoch auf die frankfurter Bürger, die sich so vortrefflich bewährt hatten.

Der Beifall war so gemessen, wie die Rede; ich weiß nicht, ob die frankfurter Bürger aus Bescheidenheit ihr eignes Lob nicht so laut verkünden wollten, oder ob sie, wie Ihr Korrespondent und die Mitglieder des Arbeitervereins, an die letzte herrliche Bewährung der deutschen Einheit dachten, die bekanntlich darin bestand, daß die frankfurter Bürger um die Ausweisung dreier deutschen Ausländer beim Senat petitionirt hatten, der denn auch "im Geist der großen Mehrheit" der frankfurter Bürger diese Ausweisung verfügt hatte. Möglich ist auch, daß sie in Gedanken versunken waren über die nächste herrliche Bewährung, welche darin bestehen wird, daß die auf den 14. Juni hierhin eingeladene Konferenz der demokratischen Vereine untersagt werden wird.

Soiron sprach, wie ein alter Burschenschafter, von der zu erringenden Freiheit, und ließ "das Streben nach der Kraft" hochleben! Nur ein deutsches Gemüth kann so großartige Umwege machen, und Sachen erfinden wie diese, die ins französische und ins demokratische unmöglich zu übersetzen sind.

Auch Andrian, als zweiter Vizepräsident, erhielt sein Hoch auf die Kameradschaft hin, denn da er in der Nationalversammlung noch nicht gesprochen hat, konnte niemand ihn kennen. Wenn Gagern die ernste Mitte, Soiron die gemüthliche Mitte repräsentirte, so sprach Andrian im kalten Salonton der Rechten. Er behauptete, seit Jahrhunderten hätten Oesterreich und Deutschland stets miteinander gekämpft - was die Geschichte bloß in ein "gegen ein ander" zu korrigiren hat, bis auf den Erzherzog Karl. Gegen wen der Krieg losgehen sollte, wurde nicht gesagt.

Das war unser Eintrachtsfest

Trotz alledem!
Variirt.
Das war 'ne heiße Märzenzeit,
Trotz Regen, Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüthen schneit,
Nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Wien, Berlin und alledem -
Ein schnöder scharfer Winterwind
Durchfröstelt uns trotz alledem!
Das ist der Wind der Reaktion
Mit Mehltau, Reif und alledem!
Das ist die Bourgeoisie am Thron -
Der annoch steht, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Blutschuld, Trug und alledem -
Er steht noch und er hudelt uns
Wie früher fast, trotz alledem!
Die Waffen, die der Sieg uns gab,
Der Sieg des Rechts trotz alledem,
Die nimmt man sacht uns wieder ab,
Sammt Kraut und Loth und alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Parlament und alledem -
Wir werden unsre Büchsen los,
Soldatenwild trotz alledem!
Doch sind wir frisch und wohlgemuth,
Und zagen nicht trotz alledem!
In tiefer Brust des Zornes Gluth,
Die halt uns warm trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Es gilt uns gleich trotz alledem!
Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind,
Doch weiter nichts trotz alledem!
Denn ob der Reichstag sich blamirt
Professorhaft, trotz alledem!
Und ob der Teufel reagirt
Mit Huf und Horn und alledem -
Trotz alledem und alledem,
Trotz Dummheit, List und alledem,
Wir wissen doch: die Menschlichkeit
Behält den Sieg trotz alledem!
Und ob der Prinz zurück auch kehrt
Mit Hurrah hoch und alledem: -
Sein Schwert ist ein gebrochen Schwert,
Ein ehrlos Schwert trotz alledem!
Ja dock: trotz all- und alledem,
Der Meinung Acht, trotz alledem,
Die brach den Degen ihm entzwei
Vor Gott und Welt, trotz alledem!
So füllt denn nur der Mörser Schlund
Mit Eisen, Blei und alledem:
Wir halten aus auf unserm Grund,
Wir wanken nicht trotz alledem!
Trotz alledem und alledem!
Und macht ihr's gar, trotz alledem,
Wie zu Neapel jener Schuft:
Das hilft erst recht trotz alledem!
Nur, was zerfällt, vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz alledem!
Wir sind das Volk, die Menschheit wir,
Sind ewig drum, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem!
So kommt denn an, trotz alledem!
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht -
Unser die Welt trotz alledem! F. Freiligrath.
Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No. 6. Köln, Dienstag 6. Juni 1848.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich.

Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.

Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.

Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.

Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.

Infertionsgebühren.

Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.

Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“

Uebersicht.

Deutschland. Köln (die Reaktion. Comité de sûrèté générale zu Berlin). Koblenz (Armirung der Festung). Frankfurt (die National-Versammlung vom 3. Juni. ‒ Eintrachtsfest. ‒ Manifest der radikal-demokratischen Partei. ‒ National-Versammlung. ‒ Bundestag). Berlin (Deputation der demokratischen Klubs. ‒ Aschoff abgedankt. ‒ Blesson. ‒ Bürgerwehrklub. ‒ Polizeibekanntmachung. ‒ Vereinbarungsdebatten. ‒ Studentenrebellion). Cassel (Verbot der Eisenbahndirektion). München (Arbeiterdemonstration. ‒ Die Polizei und die Arbeiter). Hamburg (erste Versammlung des Gewerbestandes).

Schweiz. Zürich (Antrag de s lombardischen Gesandten).

Italien. Neapel (Personalveränderungen. ‒ Nachrichten aus den Provinzen). Botzen. (Peschiera soll entsetzt sein.)

Frankreich. (National-Versammlung vom 2. Juni. ‒ Sitzung vom 3. Juni ‒ Das Journal des Debats a n die Wähler. ‒ Vertheidigungsschrift Louis Blancs).

Großbritannien. London (Sitzung des Oberhauses wegen der Unruhen. ‒ Sitzung des Unterhauses (Schifffahrtsgesetz). ‒ Zunehmende Armuth). Dublin (Mitchell).

Constantinopel (Russische Armee am Pruth).

Deutschland.
* Köln, 5. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 5. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Koblenz, 3. Juni.

Die Armirung unserer hiesigen Festungswerke wird sehr thätig betrieben, die Verpallisadirung der Werke wird in ausgedehntester Weise vorgenommen und fortwährend sieht man Fuhren mit schweren Balken nach den verschiedenen Forts hinfahren. Die vorgeschobenen Forts, welche seither als Munitions- und Pulvermagazine benutzt wurden, werden geräumt und das Pulver nach den innern Kernwerken gebracht. Die einberufenen Kriegsreservisten treffen dagegen mangelhaft ein. Inzwischen dauern die Truppenbewegungen um uns fort. Die achte Jägerabtheilung ist von Weßlar nach Neuwied verlegt und sollte gestern den Marsch antreten; an ihrer Spitze ist eine Kompagnie des 27. Regiments von Neuwied nach Wetzlar marschirt. Das 4. Dragoner-Regiment ist in kleinern Kommandos in hiesiger Umgegend vertheilt und eine Schwadron des 8. Husaren-Regiments bereits in Bonn eingerückt.

(D. Z.)
15Frankfurt, 2. Juni.

Auch wir haben unser Eintrachtsfest gehabt, und es war so charakteristisch, daß Sie jedenfalls Kunde davon nehmen müssen. Der Erbkaiser, der ersehnte Mittelpunkt und leider gegenwärtig noch Störenfried dieser Eintracht, war zwar wie Sie wissen, noch nicht fertig geworden; aber der Sinn, der Geist und die Eintracht, aus welcher er erzeugt werden soll, hatten sich in der Nationalversammlung am Tage der Präsidentenwahl so erfreulich gezeigt, daß ein Fest nur der Ausdruck der allgemeinen Stimmung war. Gagern, mit seinem energischen und männlichen Naturell, flößt den ruhigen Bürgern ein unendliches Vertrauen auf die ruhige Entwicklung der Dinge unter seinem Präsidium ein, und ihm hauptsächlich galt der Fackelzug, welchen die Freunde der Ruhe und Ordnung, nämlich die Bürgerwehr und die Schutzwachen, mit Musik und alterthümlichen „Quartierfahnen“ vor das Eschenheimer Thor führten.

In der Villa Mumm war die Creme der Deputirten versammelt; wir sahen die Notabilitäten der Rechten und der Mitte, bis zum linken Centrum hin; Raveaux, der das Kunststück der Vereinigung zuerst zu Stande gebracht hatte, schien die äußerste Konzession zu sein, darüber hinaus wäre die Zusammensetzung der Gesellschaft nicht mehr gemüthlich gewesen. Die Linke war, wie gewöhnlich, auch diesen Abend im deutschen Hofe versammelt.

Das Volk war draußen, um sich an Fackeln, Musik und Reden zu erfreuen; die Arbeiter und Gesellen bilden die Bürgerwehr nicht mit; das ganze verachtete Geschlecht der „Permissionisten,“ d. h. derer, die mit allergnädigster Permission der Republik sich in Frankfurt aufhalten dürfen, ist, wie von den Wahlen, so von der Volksbewaffnung ausgeschlossen. Indeß die Masse vor der Villa Mumm war groß genug, und als das Hoch der Fackelträger ausgebracht war, harrte Alles in einer Stille, daß man die vom Balkon gesprochnen Worte weit besser als die von der Tribüne in der Paulskirche verstand.

Die Einleitung Gagern's lautete gut demokratisch : der Einzelne sei nichts; erst das Volk trage ihn, erst die Stimme des Volks mache ihm seinen Beruf klar. ‒ Aber immer mehr kam er in den parlamentarischen Styl. Das Versprechen, eine gute Verfassung zu Stande zu bringen, glaubte er „im Geiste der großen Mehrheit“ der Nationalversammlung geben zu können, ‒ das lautete schon weniger erbaulich von der Eintracht. Er schloß nicht mit der deutschen Einheit, wie man erwarten, sondern mit einem Hoch auf die frankfurter Bürger, die sich so vortrefflich bewährt hatten.

Der Beifall war so gemessen, wie die Rede; ich weiß nicht, ob die frankfurter Bürger aus Bescheidenheit ihr eignes Lob nicht so laut verkünden wollten, oder ob sie, wie Ihr Korrespondent und die Mitglieder des Arbeitervereins, an die letzte herrliche Bewährung der deutschen Einheit dachten, die bekanntlich darin bestand, daß die frankfurter Bürger um die Ausweisung dreier deutschen Ausländer beim Senat petitionirt hatten, der denn auch „im Geist der großen Mehrheit“ der frankfurter Bürger diese Ausweisung verfügt hatte. Möglich ist auch, daß sie in Gedanken versunken waren über die nächste herrliche Bewährung, welche darin bestehen wird, daß die auf den 14. Juni hierhin eingeladene Konferenz der demokratischen Vereine untersagt werden wird.

Soiron sprach, wie ein alter Burschenschafter, von der zu erringenden Freiheit, und ließ „das Streben nach der Kraft“ hochleben! Nur ein deutsches Gemüth kann so großartige Umwege machen, und Sachen erfinden wie diese, die ins französische und ins demokratische unmöglich zu übersetzen sind.

Auch Andrian, als zweiter Vizepräsident, erhielt sein Hoch auf die Kameradschaft hin, denn da er in der Nationalversammlung noch nicht gesprochen hat, konnte niemand ihn kennen. Wenn Gagern die ernste Mitte, Soiron die gemüthliche Mitte repräsentirte, so sprach Andrian im kalten Salonton der Rechten. Er behauptete, seit Jahrhunderten hätten Oesterreich und Deutschland stets miteinander gekämpft ‒ was die Geschichte bloß in ein „gegen ein ander“ zu korrigiren hat, bis auf den Erzherzog Karl. Gegen wen der Krieg losgehen sollte, wurde nicht gesagt.

Das war unser Eintrachtsfest

Trotz alledem!
Variirt.
Das war 'ne heiße Märzenzeit,
Trotz Regen, Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüthen schneit,
Nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Wien, Berlin und alledem ‒
Ein schnöder scharfer Winterwind
Durchfröstelt uns trotz alledem!
Das ist der Wind der Reaktion
Mit Mehltau, Reif und alledem!
Das ist die Bourgeoisie am Thron ‒
Der annoch steht, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Blutschuld, Trug und alledem ‒
Er steht noch und er hudelt uns
Wie früher fast, trotz alledem!
Die Waffen, die der Sieg uns gab,
Der Sieg des Rechts trotz alledem,
Die nimmt man sacht uns wieder ab,
Sammt Kraut und Loth und alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Parlament und alledem ‒
Wir werden unsre Büchsen los,
Soldatenwild trotz alledem!
Doch sind wir frisch und wohlgemuth,
Und zagen nicht trotz alledem!
In tiefer Brust des Zornes Gluth,
Die halt uns warm trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Es gilt uns gleich trotz alledem!
Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind,
Doch weiter nichts trotz alledem!
Denn ob der Reichstag sich blamirt
Professorhaft, trotz alledem!
Und ob der Teufel reagirt
Mit Huf und Horn und alledem ‒
Trotz alledem und alledem,
Trotz Dummheit, List und alledem,
Wir wissen doch: die Menschlichkeit
Behält den Sieg trotz alledem!
Und ob der Prinz zurück auch kehrt
Mit Hurrah hoch und alledem: ‒
Sein Schwert ist ein gebrochen Schwert,
Ein ehrlos Schwert trotz alledem!
Ja dock: trotz all- und alledem,
Der Meinung Acht, trotz alledem,
Die brach den Degen ihm entzwei
Vor Gott und Welt, trotz alledem!
So füllt denn nur der Mörser Schlund
Mit Eisen, Blei und alledem:
Wir halten aus auf unserm Grund,
Wir wanken nicht trotz alledem!
Trotz alledem und alledem!
Und macht ihr's gar, trotz alledem,
Wie zu Neapel jener Schuft:
Das hilft erst recht trotz alledem!
Nur, was zerfällt, vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz alledem!
Wir sind das Volk, die Menschheit wir,
Sind ewig drum, trotz alledem!
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Unser die Welt trotz alledem! F. Freiligrath.
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          <p>Auch wir haben unser Eintrachtsfest gehabt, und es war so charakteristisch,                         daß Sie jedenfalls Kunde davon nehmen müssen. Der Erbkaiser, der ersehnte                         Mittelpunkt und leider gegenwärtig noch Störenfried dieser Eintracht, war                         zwar wie Sie wissen, noch nicht fertig geworden; aber der Sinn, der Geist                         und die Eintracht, aus welcher er erzeugt werden soll, hatten sich in der                         Nationalversammlung am Tage der Präsidentenwahl so erfreulich gezeigt, daß                         ein Fest nur der Ausdruck der allgemeinen Stimmung war. Gagern, mit seinem                         energischen und männlichen Naturell, flößt den ruhigen Bürgern ein                         unendliches Vertrauen auf die ruhige Entwicklung der Dinge unter seinem                         Präsidium ein, und ihm hauptsächlich galt der Fackelzug, welchen die Freunde                         der Ruhe und Ordnung, nämlich die Bürgerwehr und die Schutzwachen, mit Musik                         und alterthümlichen &#x201E;Quartierfahnen&#x201C; vor das Eschenheimer Thor führten.</p>
          <p>In der Villa Mumm war die Creme der Deputirten versammelt; wir sahen die                         Notabilitäten der Rechten und der Mitte, bis zum linken Centrum hin;                         Raveaux, der das Kunststück der Vereinigung zuerst zu Stande gebracht hatte,                         schien die äußerste Konzession zu sein, darüber hinaus wäre die                         Zusammensetzung der Gesellschaft nicht mehr gemüthlich gewesen. Die Linke                         war, wie gewöhnlich, auch diesen Abend im deutschen Hofe versammelt.</p>
          <p>Das Volk war draußen, um sich an Fackeln, Musik und Reden zu erfreuen; die                         Arbeiter und Gesellen bilden die Bürgerwehr nicht mit; das ganze verachtete                         Geschlecht der &#x201E;Permissionisten,&#x201C; d. h. derer, die mit allergnädigster                         Permission der Republik sich in Frankfurt aufhalten dürfen, ist, wie von den                         Wahlen, so von der Volksbewaffnung ausgeschlossen. Indeß die Masse vor der                         Villa Mumm war groß genug, und als das Hoch der Fackelträger ausgebracht                         war, harrte Alles in einer Stille, daß man die vom Balkon gesprochnen Worte                         weit besser als die von der Tribüne in der Paulskirche verstand.</p>
          <p>Die Einleitung Gagern's lautete gut demokratisch : der Einzelne sei nichts;                         erst das Volk trage ihn, erst die Stimme des Volks mache ihm seinen Beruf                         klar. &#x2012; Aber immer mehr kam er in den parlamentarischen Styl. Das                         Versprechen, eine gute Verfassung zu Stande zu bringen, glaubte er &#x201E;im                         Geiste der <hi rendition="#g">großen Mehrheit</hi>&#x201C; der Nationalversammlung                         geben zu können, &#x2012; das lautete schon weniger erbaulich von der Eintracht. Er                         schloß nicht mit der deutschen Einheit, wie man erwarten, sondern mit einem                         Hoch auf die <hi rendition="#g">frankfurter Bürger,</hi> die sich so                         vortrefflich bewährt hatten.</p>
          <p>Der Beifall war so gemessen, wie die Rede; ich weiß nicht, ob die frankfurter                         Bürger aus Bescheidenheit ihr eignes Lob nicht so laut verkünden wollten,                         oder ob sie, wie Ihr Korrespondent und die Mitglieder des Arbeitervereins,                         an die letzte herrliche Bewährung der deutschen Einheit dachten, die                         bekanntlich darin bestand, daß die frankfurter Bürger um die Ausweisung                         dreier deutschen Ausländer beim Senat petitionirt hatten, der denn auch &#x201E;im                         Geist der großen Mehrheit&#x201C; der frankfurter Bürger diese Ausweisung verfügt                         hatte. Möglich ist auch, daß sie in Gedanken versunken waren über die <hi rendition="#g">nächste</hi> herrliche Bewährung, welche darin bestehen                         wird, daß die auf den 14. Juni hierhin eingeladene <hi rendition="#g">Konferenz der demokratischen Vereine</hi> untersagt werden wird.</p>
          <p>Soiron sprach, wie ein alter Burschenschafter, von der zu erringenden                         Freiheit, und ließ &#x201E;<hi rendition="#g">das Streben nach der Kraft</hi>&#x201C;                         hochleben! Nur ein deutsches Gemüth kann so großartige Umwege machen, und                         Sachen erfinden wie diese, die ins französische und ins demokratische                         unmöglich zu übersetzen sind.</p>
          <p>Auch Andrian, als zweiter Vizepräsident, erhielt sein Hoch auf die                         Kameradschaft hin, denn da er in der Nationalversammlung noch nicht                         gesprochen hat, konnte niemand ihn <hi rendition="#g">kennen.</hi> Wenn                         Gagern die ernste Mitte, Soiron die gemüthliche Mitte repräsentirte, so                         sprach Andrian im kalten Salonton der Rechten. Er behauptete, seit                         Jahrhunderten hätten Oesterreich und Deutschland stets miteinander gekämpft                         &#x2012; was die Geschichte bloß in ein &#x201E;gegen ein ander&#x201C; zu korrigiren hat, bis                         auf den Erzherzog Karl. Gegen wen der Krieg losgehen sollte, wurde nicht                         gesagt.</p>
          <p>Das war unser Eintrachtsfest</p>
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[0021/0001] Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 6. Köln, Dienstag 6. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Infertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Uebersicht. Deutschland. Köln (die Reaktion. Comité de sûrèté générale zu Berlin). Koblenz (Armirung der Festung). Frankfurt (die National-Versammlung vom 3. Juni. ‒ Eintrachtsfest. ‒ Manifest der radikal-demokratischen Partei. ‒ National-Versammlung. ‒ Bundestag). Berlin (Deputation der demokratischen Klubs. ‒ Aschoff abgedankt. ‒ Blesson. ‒ Bürgerwehrklub. ‒ Polizeibekanntmachung. ‒ Vereinbarungsdebatten. ‒ Studentenrebellion). Cassel (Verbot der Eisenbahndirektion). München (Arbeiterdemonstration. ‒ Die Polizei und die Arbeiter). Hamburg (erste Versammlung des Gewerbestandes). Schweiz. Zürich (Antrag de s lombardischen Gesandten). Italien. Neapel (Personalveränderungen. ‒ Nachrichten aus den Provinzen). Botzen. (Peschiera soll entsetzt sein.) Frankreich. (National-Versammlung vom 2. Juni. ‒ Sitzung vom 3. Juni ‒ Das Journal des Debats a n die Wähler. ‒ Vertheidigungsschrift Louis Blancs). Großbritannien. London (Sitzung des Oberhauses wegen der Unruhen. ‒ Sitzung des Unterhauses (Schifffahrtsgesetz). ‒ Zunehmende Armuth). Dublin (Mitchell). Constantinopel (Russische Armee am Pruth). Deutschland. * Köln, 5. Juni. _ * Köln, 5. Juni. _ Koblenz, 3. Juni. Die Armirung unserer hiesigen Festungswerke wird sehr thätig betrieben, die Verpallisadirung der Werke wird in ausgedehntester Weise vorgenommen und fortwährend sieht man Fuhren mit schweren Balken nach den verschiedenen Forts hinfahren. Die vorgeschobenen Forts, welche seither als Munitions- und Pulvermagazine benutzt wurden, werden geräumt und das Pulver nach den innern Kernwerken gebracht. Die einberufenen Kriegsreservisten treffen dagegen mangelhaft ein. Inzwischen dauern die Truppenbewegungen um uns fort. Die achte Jägerabtheilung ist von Weßlar nach Neuwied verlegt und sollte gestern den Marsch antreten; an ihrer Spitze ist eine Kompagnie des 27. Regiments von Neuwied nach Wetzlar marschirt. Das 4. Dragoner-Regiment ist in kleinern Kommandos in hiesiger Umgegend vertheilt und eine Schwadron des 8. Husaren-Regiments bereits in Bonn eingerückt. (D. Z.) 15Frankfurt, 2. Juni. Auch wir haben unser Eintrachtsfest gehabt, und es war so charakteristisch, daß Sie jedenfalls Kunde davon nehmen müssen. Der Erbkaiser, der ersehnte Mittelpunkt und leider gegenwärtig noch Störenfried dieser Eintracht, war zwar wie Sie wissen, noch nicht fertig geworden; aber der Sinn, der Geist und die Eintracht, aus welcher er erzeugt werden soll, hatten sich in der Nationalversammlung am Tage der Präsidentenwahl so erfreulich gezeigt, daß ein Fest nur der Ausdruck der allgemeinen Stimmung war. Gagern, mit seinem energischen und männlichen Naturell, flößt den ruhigen Bürgern ein unendliches Vertrauen auf die ruhige Entwicklung der Dinge unter seinem Präsidium ein, und ihm hauptsächlich galt der Fackelzug, welchen die Freunde der Ruhe und Ordnung, nämlich die Bürgerwehr und die Schutzwachen, mit Musik und alterthümlichen „Quartierfahnen“ vor das Eschenheimer Thor führten. In der Villa Mumm war die Creme der Deputirten versammelt; wir sahen die Notabilitäten der Rechten und der Mitte, bis zum linken Centrum hin; Raveaux, der das Kunststück der Vereinigung zuerst zu Stande gebracht hatte, schien die äußerste Konzession zu sein, darüber hinaus wäre die Zusammensetzung der Gesellschaft nicht mehr gemüthlich gewesen. Die Linke war, wie gewöhnlich, auch diesen Abend im deutschen Hofe versammelt. Das Volk war draußen, um sich an Fackeln, Musik und Reden zu erfreuen; die Arbeiter und Gesellen bilden die Bürgerwehr nicht mit; das ganze verachtete Geschlecht der „Permissionisten,“ d. h. derer, die mit allergnädigster Permission der Republik sich in Frankfurt aufhalten dürfen, ist, wie von den Wahlen, so von der Volksbewaffnung ausgeschlossen. Indeß die Masse vor der Villa Mumm war groß genug, und als das Hoch der Fackelträger ausgebracht war, harrte Alles in einer Stille, daß man die vom Balkon gesprochnen Worte weit besser als die von der Tribüne in der Paulskirche verstand. Die Einleitung Gagern's lautete gut demokratisch : der Einzelne sei nichts; erst das Volk trage ihn, erst die Stimme des Volks mache ihm seinen Beruf klar. ‒ Aber immer mehr kam er in den parlamentarischen Styl. Das Versprechen, eine gute Verfassung zu Stande zu bringen, glaubte er „im Geiste der großen Mehrheit“ der Nationalversammlung geben zu können, ‒ das lautete schon weniger erbaulich von der Eintracht. Er schloß nicht mit der deutschen Einheit, wie man erwarten, sondern mit einem Hoch auf die frankfurter Bürger, die sich so vortrefflich bewährt hatten. Der Beifall war so gemessen, wie die Rede; ich weiß nicht, ob die frankfurter Bürger aus Bescheidenheit ihr eignes Lob nicht so laut verkünden wollten, oder ob sie, wie Ihr Korrespondent und die Mitglieder des Arbeitervereins, an die letzte herrliche Bewährung der deutschen Einheit dachten, die bekanntlich darin bestand, daß die frankfurter Bürger um die Ausweisung dreier deutschen Ausländer beim Senat petitionirt hatten, der denn auch „im Geist der großen Mehrheit“ der frankfurter Bürger diese Ausweisung verfügt hatte. Möglich ist auch, daß sie in Gedanken versunken waren über die nächste herrliche Bewährung, welche darin bestehen wird, daß die auf den 14. Juni hierhin eingeladene Konferenz der demokratischen Vereine untersagt werden wird. Soiron sprach, wie ein alter Burschenschafter, von der zu erringenden Freiheit, und ließ „das Streben nach der Kraft“ hochleben! Nur ein deutsches Gemüth kann so großartige Umwege machen, und Sachen erfinden wie diese, die ins französische und ins demokratische unmöglich zu übersetzen sind. Auch Andrian, als zweiter Vizepräsident, erhielt sein Hoch auf die Kameradschaft hin, denn da er in der Nationalversammlung noch nicht gesprochen hat, konnte niemand ihn kennen. Wenn Gagern die ernste Mitte, Soiron die gemüthliche Mitte repräsentirte, so sprach Andrian im kalten Salonton der Rechten. Er behauptete, seit Jahrhunderten hätten Oesterreich und Deutschland stets miteinander gekämpft ‒ was die Geschichte bloß in ein „gegen ein ander“ zu korrigiren hat, bis auf den Erzherzog Karl. Gegen wen der Krieg losgehen sollte, wurde nicht gesagt. Das war unser Eintrachtsfest Trotz alledem! Variirt. Das war 'ne heiße Märzenzeit, Trotz Regen, Schnee und alledem! Nun aber, da es Blüthen schneit, Nun ist es kalt, trotz alledem! Trotz alledem und alledem, Trotz Wien, Berlin und alledem ‒ Ein schnöder scharfer Winterwind Durchfröstelt uns trotz alledem! Das ist der Wind der Reaktion Mit Mehltau, Reif und alledem! Das ist die Bourgeoisie am Thron ‒ Der annoch steht, trotz alledem! Trotz alledem und alledem, Trotz Blutschuld, Trug und alledem ‒ Er steht noch und er hudelt uns Wie früher fast, trotz alledem! Die Waffen, die der Sieg uns gab, Der Sieg des Rechts trotz alledem, Die nimmt man sacht uns wieder ab, Sammt Kraut und Loth und alledem! Trotz alledem und alledem, Trotz Parlament und alledem ‒ Wir werden unsre Büchsen los, Soldatenwild trotz alledem! Doch sind wir frisch und wohlgemuth, Und zagen nicht trotz alledem! In tiefer Brust des Zornes Gluth, Die halt uns warm trotz alledem! Trotz alledem und alledem, Es gilt uns gleich trotz alledem! Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind, Doch weiter nichts trotz alledem! Denn ob der Reichstag sich blamirt Professorhaft, trotz alledem! Und ob der Teufel reagirt Mit Huf und Horn und alledem ‒ Trotz alledem und alledem, Trotz Dummheit, List und alledem, Wir wissen doch: die Menschlichkeit Behält den Sieg trotz alledem! Und ob der Prinz zurück auch kehrt Mit Hurrah hoch und alledem: ‒ Sein Schwert ist ein gebrochen Schwert, Ein ehrlos Schwert trotz alledem! Ja dock: trotz all- und alledem, Der Meinung Acht, trotz alledem, Die brach den Degen ihm entzwei Vor Gott und Welt, trotz alledem! So füllt denn nur der Mörser Schlund Mit Eisen, Blei und alledem: Wir halten aus auf unserm Grund, Wir wanken nicht trotz alledem! Trotz alledem und alledem! Und macht ihr's gar, trotz alledem, Wie zu Neapel jener Schuft: Das hilft erst recht trotz alledem! Nur, was zerfällt, vertretet ihr! Seid Kasten nur, trotz alledem! Wir sind das Volk, die Menschheit wir, Sind ewig drum, trotz alledem! Trotz alledem und alledem! So kommt denn an, trotz alledem! Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht ‒ Unser die Welt trotz alledem! F. Freiligrath.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 6. Köln, 6. Juni 1848, S. 0021. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz006_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.