Neue Rheinische Zeitung. Nr. 25. Köln, 25. Juni 1848.finden, der die Aktien des Herrn Finanzministers kaufe, der sich einläßt in ein Geschäft, dessen Bücher in so gränzenloser Unordnung sind, daß sich mit Leichtigkeit ein baldiger zweiter Bankerott voraussagen läßt. Aber Herr Hansemann bleibt unerschütterlich auf seinem Posten. Herr Hansemann will nun einmal das Vaterland retten und als ein Schild vor der Dynastie" stehen, wenn kein Anderer mehr Lust dazu hat. - "Die Minister sind geschlagen und sehr viel ist wieder für Preußen in Frage gestellt," schreibt ein Berliner Korrespondent der A. A. Z. und wahrlich der Mann hat diesmal das Rechte getroffen, "es ist sehr viel in Frage gestellt." Die Dynastie stellt das Volk in Frage und umgekehrt das Volk die Dynastie. Vor Allem aber ist in Frage gestellt: die Herrschaft der Bourgeoisie. Dieser neue Adel, der gleich dem alten wieder seine Abstufungen in hohen und niederen enthält, macht sich durch Stolz und Brutalität dem Volke, dem unterdrückten arbeitenden Volke, immer verhaßter, indem er außerhalb der Massen eine Stellung einzunehmen strebt, stellt er überhaupt seine Existenz in Frage. Die Zukunft der Welt gehört dem ganzen Volke, eben so wenig einer einzigen Klasse, als einer einzigen Familie. Die Bourgeoisie ist überall gleich gesinnungslos. Liberal ,so lange es nicht an den Geldsack geht; entschieden, so lange keine Gefahr vorhanden; großmüthig, so lange es nichts kostet, macht sie sogleich Kehrt, wenn sie diese erheuchelten Tugenden zur Ausübung bringen soll und erröthet nicht, ihren eigenen Repräsentanten ihre Hülfe zu versagen. - Sah nicht die preußische Bourgeoisie in Camphausen und Hansemann ihr Ideal? und doch, wie kleinlich sind die Ergebnisse der freiwilligen Anleihe, besser gesagt Bettelei, des Hrn. Finanzministers? Herrschen will die Bourgeoisie, das Volk aber soll zahlen. Hier in Berlin ist sie in ihrem freiheitsfeindlichen Streben thätig und zu diesem Zwecke mit der hohen Büreaukratie in einen Bund getreten. Der patriotische und der Preußen-Verein, vulgo Denunciantenklubb, sind die Vereinigungspunkte dieser reaktionären Koalition, die vom 1. Juli ab ein Organ erhält in der "Neuen Preuß. Zeitung," redigirt von Wagener, einem Unbekannten. Auch der famöse Censor, Herr Mathis (nicht zu verwechseln mit Polizeirath Mathy, Mitarbeiter der Deutschen Zeitung), soll bei dieser Zeitung betheiligt sein. Zum 1. Juli erscheint ferner eine "Neue Berliner Zeitung" im Verlage der Decker'schen Geh. Oberhofbuchdruckerei, Redakteur unbekannt, ein Organ des konstitutionellen Konservatismus. Dies sind die theoretischen Waffen gegen den "verruchten Radikalismus," für's Praktische sorgt nämlich Hr. Minutoli. Erst gestern wieder hat dieser Polizeimann ein Mitgled des demokratischen Klubs, Hrn. Meder, der sich in letzter Zeit durch seine Bemühungen für die brodlosen Arbeiter verdient gemacht hat, in die Falle gelockt. Meder war als Zeuge vor die Polizei geladen; er erscheint, wird aber sogleich festgenommen und eingesteckt. Nicht besser ging es dem Vater des Verrathenen, der, als er sich bei der Polizei nach seinem Sohne, dessen Ausbleiben ihn verwundert, erkundigt, ebenfalls sogleich verhaftet wurde. Das geschieht unter den Augen der Volksvertretung; so versteht man hier die persönliche Freiheit. Man spricht von Aufhebung des demokratischen Klubs und ferneren Verhaftungen von Mitgliedern desselben. Wir können nicht umhin, dem Klub selbst einen Theil der Schuld beizumessen. Es fehlt dem Klub durchaus an dem entschiedenen Handeln, wodurch er sich zu einer Macht erheben könnte. Zum ersten Male seit seinem Bestehen hält er heut eine Volksversammlung. Ist sie wichtig genug, so wollen wir morgen darüber berichten. - In Potsdam soll eine völlige Umwandlung vor sich gegangen und der alte Uebermuth wieder erwacht sein, seit immer beunruhigendere Nachrichten vom Osten eintreffen und Pfuel seine Missionsreise nach Petersburg angetreten. Ganz die alte Geschichte von Versailles. X Berlin, 22. Juni. Das Ministerium hat sich noch nicht vervollständigt, und wir haben jetzt die Bestätigung des Gerüchtes, daß die auswärtigen Angelegenheiten speziell vom Könige geleitet werden, ohne daß das Ministerium das Recht hat miteinzuwirken oder nur in die Depeschen zu blicken. Der Abg. Rodbertus, dem das Ministerium des Innern angetragen war, hat dies dem Abg. Balzer mitgetheilt und sich unter diesen Bedingungen auch geweigert, das Portefeuille anzunehmen. Wir erhalten täglich Nachrichten aus Schlesien, daß die dortigen preußischen Offiziere, die an der polnischen Gränze stehen, mit den russischen Offizieren fraternisiren. Sie erhalten mit Silber beschlagene Knuten zum Geschenk und freuen sich schon, diese Instrumente auf den Röcken der Berliner Reaktionärs tanzen zu lassen. Der Hof hat ein gefährliches Spiel begonnen. Wir rathen ihm, darin fortzufahren. - Die hiesigen Buchdrucker werden, wenn die Prinzipale ihren Forderungen nicht nachgeben, in den nächsten Tagen wahrscheinlich wieder ihre Arbeit einstellen. 103 Berlin, 21. Juni. Mit dem vor einigen Tagen hier verbreiteten Gerücht, daß 34 nordamerikanische Kriegsschiffe zur Unterstützung Deutschlands gegen Dänemark im Ansegeln seien, soll es folgende Bewandniß haben. Seit langer Zeit arbeitet Preußen für den deutschen Zollverein an Abschließung eines Handels- und Allianztraktats mit den nordamerikanischen Vereinigten Staaten. Durch den Einfluß Englands wurde der Abschluß bisher verzögert. Jetzt endlich soll der Abschluß der Verträge gelungen sein, welche zugleich die Stipulation enthalten sollen, daß die Vereinigten Staaten, gegen eine festgesetzte Remuneration, Deutschland im Kriege gegen Dänemark, und bis zur Herstellung einer eigenen deutschen Flotte, mit der ihrigen zu Hülfe kommen sollen. Demnach wird mit Hülfe Nordamerika's die schmachvolle Blokade unserer Häfen hoffentlich recht bald ein Ende nehmen. Auf dem Wege der Unterhandlung scheint dies unserm Kabinet nicht gelingen zu wollen, denn es wurden heute neuerdings Ersatzmannschaften unsern Truppen in Schleswig-Holstein per Eisenbahn nachgesandt. 103 Berlin, 22. Juni. Es ist Hansemann bis diesen Augenblick noch nicht gelungen, ein neues Ministerium zu bilden. Wohin er sich auch wandte, an Rodbertus, Milde, Pinder, überall wurde er zurückgewiesen. Da auch Bornemann und Patow nicht länger im Ministerium bleiben wollen, und Schleinitz, der nur auf Empfehlung der Prinzessin von Preußen Minister wurde, selbst Hn. Hansemann zu reaktionär scheint, so fehlen ihm in diesem Augenblick wenigstens vier Mitglieder, um das Ministerium herzustellen. Man sagt sogar, daß sich Hansemann an Beckerath und Vincke, seine Mitkämpfer auf dem Rechtsboden des seligen Landtags, gewandt habe. - Ueber diese Gerüchte vergißt aber der große Haufen die in Potsdam sehr thätige Camarilla. Gestern soll daselbst ein russischer Courier angekommen sein, nach dessen Ankunft sogleich mit seiner Hinzuziehung ein großer Familienrath gehalten worden sei, nach dessen Beendigung alle Mitglieder mit fröhlichem Gesichte und der Aeußerung sich entfernten, daß man nun allen Eventualitäten mit Ruhe entgegen sehen könne. Die russischen Depeschen sollen die Versicherung gebracht haben, daß Rußland Alles für das Interesse des königlichen Hauses thun werde. Es stehen uns große Ereignisse bevor. Russische Soldaten an der Gränze äußern bei Besuchen der diesseitigen Bekannten, daß sie nur als Freunde zu uns kommen wollen, da ja Rußland und Preußen verschwägert seien. In den Garnisonen von Pommern und Posen werden die Soldaten von den Offizieren auf den Besuch der Russen vorbereitet, daß sie nur als Freunde kämen, um den König, der von den Berlinern streng bewacht würde, zu befreien. Kommt nur immer heran, ihr russischen Armeen, damit endlich die Entscheidungsstunde schlägt. Heute Abend findet eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub wegen Abdankung des Ministeriums ausgeschrieben ist, wobei aber auch die in Folge der Zeughauserstürmung vorgenommenen Verhaftungen zur Sprache kommen werden. ^+_* Berlin, 22. Juni. Herr v. Meyendorf, der russische Gesandte, ist unter dem Vorwande von hier abgereist, daß sich die russische Regierung mit der preußischen wegen der dänischen Angelegenheiten in Spannung befinde. In der Wirklichkeit aber hat er sich, mit Instruktionen, die er aus Potsdam selbst abgeholt, nach Petersburg begeben, um dort mit Hrn. Pfuel vom "Höllenstein" fördersamst die geeignetsten Pläne ausbrüten zu helfen, wie die alte Wirthschaft in Deutschland auf's Schnellste wiederherzustellen und durch welche Mittel das gestürzte System "von Gottes Gnaden" und der "väterlichen" Regierung zu kräftigen und gegen jeden Neuerungsversuch des beschränkten Unterthanenverstandes zu sicheren sei. 125 Breslau, 20. Juni. Jetzt fangen eine Menge Bürger an, sich die Augen zu reiben bei den Nachrichten aus dem Posen'schen. Früher waren sie im herzlichsten Einverständniß mit allen Niederträchtigkeiten, die dort unter der Obhut eines Colomb, Steinäcker, Beurmann und Pfuel (von Höllenstein) von einer fanatisirten Soldateska gegen die Polen ausgeübt wurden. Jetzt merken sie beinahe, daß sie sehr bald selbst mit ihrem eigenen Gut und Blut werden ausbaden müssen, was im Großherzogthum eine Anzahl preußischer Beamten, deutscher Gutsbesitzer, Landräthe und Distriktskommissarien, in Verbindung mit jüdischem Schacher-Fanatismus und den Leitern der Reaktion in Potsdam, Berlin, Pommern etc. eingerührt haben. Man begreift jetzt allmählig, daß die Polen nach der ihnen widerfahrenen und noch fortdauernden entsetzlichen Behandlung, von gerechtem Rachegefühl aufgestachelt, sich den einziehenden Russen anschließen und Vergeltung suchen werden an den Deutschen. Um ihre Wuth auf's höchste zu entflammen, noch zu steigern, wenn dies überhaupt möglich: fahren Offiziere und Civilbeamte unermüdet in ihrer christlich-germanischen Liebesarbeit fort. Wir wollen blos ein paar Beispiele anführen. In Czarnikau läßt der Major Griesheim mit einer Wollust fortprügeln, die nur ein ächt "preußisches Gemüth", mit Gott für König und Vaterland, ganz erfassen kann. Gleiche Heldenthaten verrichtet ein anderer Preußenheld, der kommandirende Landwehr-Offizier in Chod-Ziesen, der die Bauern, welche keine Waffen ausliefern, weil sie keine verborgen haben, in solcher Art mit Prügeln traktiren, daß selbst der beste Knutenschwinger Rußlands über seine eigene Stümperhaftigkeit beschämt dastehen müßte. Lieutenant Oppen veranstaltet die nämlichen königlich-preußischen Amüsements in Schneidemühl. Leuten, die angeschuldigt waren - von Untersuchung und Beweisen kann natürlich bei jenen preußischen Patrioten keine Rede sein -, daß sie im Kreise von Bekannten sich unehrerbietig gegen den König geäußert, läßt er 20-30 Stockprügel aufzählen. Der Lehrer Zoch, der Theilnahme an einem Komplott beschuldigt, erhält sofort 24 Stockschläge und wird dann nach Bromberg abgeführt. Bis Grabow bringt ihn ein Unteroffizier und ein Gemeiner des Schneidemühler Landwehr-Bataillons. Dort wird er 2 Dragonern überliefert, die ihn zwischen sich mit starken Stricken und mit jedem Arme an ein Pferd binden. Sein Schmerzgeheul war entsetzlich. Die Umstehenden riefen: "Schlagt ihn doch wenigstens gleich todt!" aber die christlich-germanische Tapferkeit ritt mit ihm ungerührt davon. Wie sich von selbst versteht, geht General "Shrapnell" (sonst v. Hirrschfeld geheißen) mit bestem Beispiele voran. Bei seinem Einrücken in Znin ließ er 3 Bürger vorführen; sie verlangten, erst gehört zu werden. Sie kannten den Mann schlecht. Er ließ sie sofort auf Schütten Stroh binden und ihnen vor dem Rathhause 25 resp. 50 Stockprügel geben. Der Eine hatte 3 Zeugen seiner Unschuld vorgeschlagen; der General v. "Shrapnell" rief: "Ei was, die Zeugen werden später vernommen werden; jetzt schlagt langsam und stark!" Auf seinem weitern Zuge ließ er 3 Wirthen in Gora, mit Namen: Sokola, Kostrzycki und Nowak, jedem 50 Hiebe aufzählen. Wofür? Das weiß bis jetzt Niemand. Wahrscheinlich aber hier, wie überall, damit die Polen praktisch den ganzen Umfang preußischer "Intelligenz" und "Humanität" kennen lernen und ihre letzte Hoffnung auf den russischen Schwager setzen. Der Unteroffizier Bauer vom 2. Bat., 18. Landwehr-Reg., hat sich zwar auch ausgezeichnet, aber auf humanere Weise. Er erschoß nämlich einen Bauer, der auf einem Felde bei Bukowice (Fraustädter Kr.) arbeitete, um, da das Bataillon nach der Heimath zurückkehrte, seinen Feldzug würdig zu beschließen. In der Gegend von Stezewo erschoß die zurückkehrende Landwehr zum Abschiede ebenfalls einen Bauer und ein Mädchen. Das Alles sind nur ein Paar Thatsachen, die aus unzähligen ähnlichen und noch ärgern Schändlichkeiten herausgegriffen sind. Diese höllische Saat wird und muß nächstens blutig aufgehen. Dann aber erinnere sich das Volk an die Werkzeuge jener Gräuel, die den deutschen Namen geschändet haben. Posen, 17. Juni. Man meldet aus Warschau, daß durch einen Ukas des Kaisers sämmtliche dort in der Festung gefangen gewesenen Polen in Freiheit gesetzt seyen; auch waren die nach Sibirien Deportirten begnadigt und werden auf Staatskosten in ihr Vater- zurückgebracht werden. Den Gegensatz hierzu bilden in Posen die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein.) 12 Frankfurt, 21. Juni. Es wird weitergeredet. Ich habe mich in Resignation ergeben, als ich hörte, daß noch 100 Redner eingeschrieben seien. Täglich schreiben sich noch neue ein. Zugleich werden neue Anträge auf die Tribüne niedergelegt. Jordan hatte wohl Recht, als er die Rechte mit dem Archimedes verglich, der nur an seine Figuren dachte, als man draußen stürmte, der dem eindringenden Römer nur zurief: "Zertritt mir meine Figuren nicht." Die Rechte kämpft nur noch für im Land gezeichnete Figuren, aber die Linke besteht nicht aus Römern. Heute hat die Rechte ihre Koryphäen in's Feld geschickt. Der Ritter Vincke unterhielt die Versammlung eine ganze Stunde lang mit Witzeleien, so daß selbst der "edle Gagern" zur Ordnung zu rufen sich veranlaßt fand. Der Lärm war so groß, daß mit Räumung der Tribünen gedroht werden mußte. Der Herr Vincke ist von seinen Wählern hiehergeschickt "nicht allein die Rechte des Volkes, sondern auch die der Fürsten zu vertreten," für die er in gewaltiger Liebe entbrannt ist. Er labt sich noch immer an dem Worte des großen Kurfürsten, welcher einst die Markaner seine "treuesten und gehorsamsten Unterthanen" genannt hat; "wir in der Grafschaft Mark sind stolz darauf." Vincke's Ausspruch, "er glaube sich bisweilen eher auf einem Theater zu befinden, als in einer solchen Versammlung," erklärte sein Auftreten auf der Tribüne. Er schlägt den Erzherzog Johann zum Präsidenten vor. Der baierische Minister Beißler erzählt der Versammlung, daß sie hiehergekommen sei "auf Aufforderung des Bundestages, um mit den Fürsten eine Verfassung zu vereinbaren," und versichert uns zugleich, daß "keine Reaktion mehr möglich sei, seitdem die verschiedenen Vertreter ihre Abgeordneten hieher geschickt hätten!" Es versteht sich von selbst, daß für ihn nur Fürsten im Centralausschuß taugen, und der Oestreicher Möhring kündigt der Versammlung sogar an, daß man in Oestreich ihrer Beschlüsse spotten würde, wenn man keine Fürsten wähle. - Auf die "Vereinbarer" folgen die "Versöhner," welche mit einem Vermittelungs-Antrage die ganze Versammlung unter einen Hut bringen wollen. Die Herren Schoder und Klaussen glauben, daß wenn man Deutschland einigen wolle, man mit der Versammlung jedenfalls den Anfang machen müsse. Eisenstuck vervollständigt den Kommissionsantrag dahin, daß er die Versammlung ersucht, für die vom Ausschuß vorgeschlagene Triarchie auch gleich 3 Hofstaaten und 3 Civillisten zu beschließen. Schaffrath droht der Versammlung, falls sie die Entscheidung über die Wahlen den Regierungen überlasse, in seine vaterländische Kammer zurückzukehren, um dort mit allen Kräften den Beschlüssen der Versammlung entgegenzuwirken. Wilh. Jordan hielt eine lange Rede voll glücklich und unglücklich gewählter Bilder, reich an Effekthascherei. Er schloß mit dem Wunsche: Gehe keiner der Anträge durch, welcher wenigstens die Souveränetät des Volkes rette, dann möchte der Antrag der äußersten Rechten durchgehen. Aus einem Meere von Blut werde dann ein Despot erstehen, welcher die Einheit Deutschlands, welche die Versammlung nicht habe schaffen können, mit dem Schwerte herbeiführen werde. - An eine Vereinigung der Versammlung ist nicht zu denken, denn über den Blum'schen Antrag hinaus will die Linke nicht nachgeben. Der Kommissionsantrag, für den auch Flottwell und Lindenau heute auftraten, scheint indeß gefallen zu sein. Die morgige Sitzung ist wegen des Feiertages auf Nachmittags 4 Uhr anberaumt. 15 Frankfurt, 22. Juni. In Folge eines Uebereinkommens zwischen den Parteien haben wir morgen den Schluß der unerquicklichen Debatten zu erwarten. Ueber 9 verschiedene Anträge wird abgestimmt werden, für jeden Antrag werden 2 Redner sprechen, wir haben also noch 18 zu hören. Wohin sich die Entscheidung wenden wird, läßt sich noch nicht voraussehn; die Linke und äußerste Linke werden sich bei dem Blum-Trützschler'schen vereinigen. Für den Vincke'schen Antrag erhob sich heute zwar eine große Zahl Mitglieder, ich bezweifle aber, daß sich die Mitte bis dahin drängen läßt. Etwas Halbes ist das wahrscheinliche Resultat. Von den heutigen Rednern verdient eigentlich nur Hr. Jacobus Venedey Erwähnung. Er meinte, die Versammlung die eigentlich ganz einig, sie sei nur uneinig über die Bedeutung der gebrauchten Schlagworte. Um nun diese latente Einigkeit wirklich in's Leben zu rufen, begann er der Versammlung das Verständniß des Wortes "Revolution und Republique unue et indivisible" zu eröffnen. Nach des Hrn. Jacobus Erwartungen wird sich die Versammlung morgen also einstimmig für einen Antrag erklären. Tarnowitz, 17. Juni. Bereits seit acht Tagen, wo sich hier das Gerücht verbreitet, daß große russische Truppenmassen gegen unsere Gränze im Anmarsch und die Brücken über das Gränzwasser auf Befehl der russischen Regierung schleunigst reparirt, theils auch neue geschlagen werden, gehen täglich von der hier stationirenden Kompagnie des 22. Landwehrregiments des Tags und des Nachts 5 Mann mit einem Unteroffizier an die Gränze, um daselbst den Stand der Russen zu beobachten. Die rückkehrenden Patrouillen erzählen, daß das an der Gränze stehende russische Militär stets freundlich sie begrüße und ihnen versichere, auf sie nicht zu schießen, "sie seien ja Schwägersleute." Heute marschirte die ganze Kompagnie an die polnische Gränze, um dieselbe zu recognosciren. Gestern wurden die deutschen Kokarden dem Militär hier wieder abgenommen, doch wahrscheinlich nur wegen des heutigen Marsches. Die hiesige Kompagnie hat die Ordre, sobald russische Truppen über die Gränze kommen, sich sofort zurückzuziehen und mit den andern in Oberschlesien jetzt stationirten Truppen sich zu vereinigen. Wie mir von einem Augenzeugen erzählt wurde, sind in voriger Woche mit einem Bahnzuge von Warschau 40 Kanonen nach Czenstochau gebracht worden. Ganz Polen, zumal an unserer Gränze, soll sehr kriegerisch aussehen, jedoch auch das russische Militär, selbst die Offiziere, wissen nicht, zu welchem Zwecke die großen Rüstungen? - Die Gazeta Krakowska meldet aus Petersburg, daß die dortigen Garden den Befehl erhalten hätten: am 15. Juni gegen die polnische Gränze aufzubrechen. Am 15. Juni wurde, demselben Blatte zufolge, der Fürst Paskiewitsch und Graf Orlow im Krakauischen erwartet; der Extrazug der dortigen Eisenbahn, auf welchem die Genannten das krakauische Gebiet durchreisen würden, würden, war bereits bestellt. - Ferner schreibt uns ein Correspondent aus Brieg vom 17. Juni: daß dort sowohl als in den meisten Orten längs dem rechten Oderufer Alles in Allarm sei vor Besorgniß, daß die Russen bald erscheinen möchten. Man wollte das wissen, daß sich an der Gränze zwischen Kempen und Myslowitz ein großes Russenheer zusammengezogen habe. Seit 14 Tagen ist bereits der russischen sowie der preußischen Gränzbesatzung untersagt: mit einander zu verkehren, was bis jetzt auf ganz freundschaftliche Weise geschah. (Will man durch dies Verbot verhüten, daß etwa Nachrichten über die jenseitigen Vorgänge die Gränze überschreiten möchten?) - Ferner will einer unserer Correspondenten in Ostrowo die authentische Nachricht brieflich aus Kalisch erhalten haben: daß 60,000 Russen binnen wenigen Tagen die preußische Gränze überschreiten würden, um das Großherzogthum Posen zu besetzen. Ja noch mehr, die russischen Truppen sollen bereits durch ein Manifest hiervon Kenntniß erhalten haben. Endlich meldet uns einer unserer Posener Correspondenten: daß die Preußen unmittelbar bei Thorn eine Schiffbrücke über die Weichsel geschlagen, die Russen aber 5 Meilen weiter hinauf dasselbe gethan haben. Daß aber in Thorn wirklich ernste Befürchtungen vor einer baldigen Belagerung vorhanden sein müssen, beweist der Umstand, daß im Thorner Wochenblatt den Bewohnern jener Stadt der Rath ertheilt wird: sich jetzt, da die Festung armirt und die Besatzung mit Proviant versehen sei, in Zeiten mit Lebensmitteln, wenigstens mit einem angemessenen Vorrath von Roggenmehl zu versorgen. (A. O. Z.)* Prag.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Auf die Verhandlungen der National-Versammlung über die Centralgewalt können wir erst näher eingehn, sobald uns die stenographischen Berichte vorliegen. In alter Reichstagssaumseligkeit werden diese Berichte 5-6 Tage zu spät ausgegeben. Anmerkung der Redaktion. Diese besteht in der genannten Gegend nur aus einem 400 starken Landwehr-Bataillon, welches in 4 Städten vertheilt garnisonirt.
finden, der die Aktien des Herrn Finanzministers kaufe, der sich einläßt in ein Geschäft, dessen Bücher in so gränzenloser Unordnung sind, daß sich mit Leichtigkeit ein baldiger zweiter Bankerott voraussagen läßt. Aber Herr Hansemann bleibt unerschütterlich auf seinem Posten. Herr Hansemann will nun einmal das Vaterland retten und als ein Schild vor der Dynastie“ stehen, wenn kein Anderer mehr Lust dazu hat. ‒ „Die Minister sind geschlagen und sehr viel ist wieder für Preußen in Frage gestellt,“ schreibt ein Berliner Korrespondent der A. A. Z. und wahrlich der Mann hat diesmal das Rechte getroffen, „es ist sehr viel in Frage gestellt.“ Die Dynastie stellt das Volk in Frage und umgekehrt das Volk die Dynastie. Vor Allem aber ist in Frage gestellt: die Herrschaft der Bourgeoisie. Dieser neue Adel, der gleich dem alten wieder seine Abstufungen in hohen und niederen enthält, macht sich durch Stolz und Brutalität dem Volke, dem unterdrückten arbeitenden Volke, immer verhaßter, indem er außerhalb der Massen eine Stellung einzunehmen strebt, stellt er überhaupt seine Existenz in Frage. Die Zukunft der Welt gehört dem ganzen Volke, eben so wenig einer einzigen Klasse, als einer einzigen Familie. Die Bourgeoisie ist überall gleich gesinnungslos. Liberal ,so lange es nicht an den Geldsack geht; entschieden, so lange keine Gefahr vorhanden; großmüthig, so lange es nichts kostet, macht sie sogleich Kehrt, wenn sie diese erheuchelten Tugenden zur Ausübung bringen soll und erröthet nicht, ihren eigenen Repräsentanten ihre Hülfe zu versagen. ‒ Sah nicht die preußische Bourgeoisie in Camphausen und Hansemann ihr Ideal? und doch, wie kleinlich sind die Ergebnisse der freiwilligen Anleihe, besser gesagt Bettelei, des Hrn. Finanzministers? Herrschen will die Bourgeoisie, das Volk aber soll zahlen. Hier in Berlin ist sie in ihrem freiheitsfeindlichen Streben thätig und zu diesem Zwecke mit der hohen Büreaukratie in einen Bund getreten. Der patriotische und der Preußen-Verein, vulgo Denunciantenklubb, sind die Vereinigungspunkte dieser reaktionären Koalition, die vom 1. Juli ab ein Organ erhält in der „Neuen Preuß. Zeitung,“ redigirt von Wagener, einem Unbekannten. Auch der famöse Censor, Herr Mathis (nicht zu verwechseln mit Polizeirath Mathy, Mitarbeiter der Deutschen Zeitung), soll bei dieser Zeitung betheiligt sein. Zum 1. Juli erscheint ferner eine „Neue Berliner Zeitung“ im Verlage der Decker'schen Geh. Oberhofbuchdruckerei, Redakteur unbekannt, ein Organ des konstitutionellen Konservatismus. Dies sind die theoretischen Waffen gegen den „verruchten Radikalismus,“ für's Praktische sorgt nämlich Hr. Minutoli. Erst gestern wieder hat dieser Polizeimann ein Mitgled des demokratischen Klubs, Hrn. Meder, der sich in letzter Zeit durch seine Bemühungen für die brodlosen Arbeiter verdient gemacht hat, in die Falle gelockt. Meder war als Zeuge vor die Polizei geladen; er erscheint, wird aber sogleich festgenommen und eingesteckt. Nicht besser ging es dem Vater des Verrathenen, der, als er sich bei der Polizei nach seinem Sohne, dessen Ausbleiben ihn verwundert, erkundigt, ebenfalls sogleich verhaftet wurde. Das geschieht unter den Augen der Volksvertretung; so versteht man hier die persönliche Freiheit. Man spricht von Aufhebung des demokratischen Klubs und ferneren Verhaftungen von Mitgliedern desselben. Wir können nicht umhin, dem Klub selbst einen Theil der Schuld beizumessen. Es fehlt dem Klub durchaus an dem entschiedenen Handeln, wodurch er sich zu einer Macht erheben könnte. Zum ersten Male seit seinem Bestehen hält er heut eine Volksversammlung. Ist sie wichtig genug, so wollen wir morgen darüber berichten. ‒ In Potsdam soll eine völlige Umwandlung vor sich gegangen und der alte Uebermuth wieder erwacht sein, seit immer beunruhigendere Nachrichten vom Osten eintreffen und Pfuel seine Missionsreise nach Petersburg angetreten. Ganz die alte Geschichte von Versailles. X Berlin, 22. Juni. Das Ministerium hat sich noch nicht vervollständigt, und wir haben jetzt die Bestätigung des Gerüchtes, daß die auswärtigen Angelegenheiten speziell vom Könige geleitet werden, ohne daß das Ministerium das Recht hat miteinzuwirken oder nur in die Depeschen zu blicken. Der Abg. Rodbertus, dem das Ministerium des Innern angetragen war, hat dies dem Abg. Balzer mitgetheilt und sich unter diesen Bedingungen auch geweigert, das Portefeuille anzunehmen. Wir erhalten täglich Nachrichten aus Schlesien, daß die dortigen preußischen Offiziere, die an der polnischen Gränze stehen, mit den russischen Offizieren fraternisiren. Sie erhalten mit Silber beschlagene Knuten zum Geschenk und freuen sich schon, diese Instrumente auf den Röcken der Berliner Reaktionärs tanzen zu lassen. Der Hof hat ein gefährliches Spiel begonnen. Wir rathen ihm, darin fortzufahren. ‒ Die hiesigen Buchdrucker werden, wenn die Prinzipale ihren Forderungen nicht nachgeben, in den nächsten Tagen wahrscheinlich wieder ihre Arbeit einstellen. 103 Berlin, 21. Juni. Mit dem vor einigen Tagen hier verbreiteten Gerücht, daß 34 nordamerikanische Kriegsschiffe zur Unterstützung Deutschlands gegen Dänemark im Ansegeln seien, soll es folgende Bewandniß haben. Seit langer Zeit arbeitet Preußen für den deutschen Zollverein an Abschließung eines Handels- und Allianztraktats mit den nordamerikanischen Vereinigten Staaten. Durch den Einfluß Englands wurde der Abschluß bisher verzögert. Jetzt endlich soll der Abschluß der Verträge gelungen sein, welche zugleich die Stipulation enthalten sollen, daß die Vereinigten Staaten, gegen eine festgesetzte Remuneration, Deutschland im Kriege gegen Dänemark, und bis zur Herstellung einer eigenen deutschen Flotte, mit der ihrigen zu Hülfe kommen sollen. Demnach wird mit Hülfe Nordamerika's die schmachvolle Blokade unserer Häfen hoffentlich recht bald ein Ende nehmen. Auf dem Wege der Unterhandlung scheint dies unserm Kabinet nicht gelingen zu wollen, denn es wurden heute neuerdings Ersatzmannschaften unsern Truppen in Schleswig-Holstein per Eisenbahn nachgesandt. 103 Berlin, 22. Juni. Es ist Hansemann bis diesen Augenblick noch nicht gelungen, ein neues Ministerium zu bilden. Wohin er sich auch wandte, an Rodbertus, Milde, Pinder, überall wurde er zurückgewiesen. Da auch Bornemann und Patow nicht länger im Ministerium bleiben wollen, und Schleinitz, der nur auf Empfehlung der Prinzessin von Preußen Minister wurde, selbst Hn. Hansemann zu reaktionär scheint, so fehlen ihm in diesem Augenblick wenigstens vier Mitglieder, um das Ministerium herzustellen. Man sagt sogar, daß sich Hansemann an Beckerath und Vincke, seine Mitkämpfer auf dem Rechtsboden des seligen Landtags, gewandt habe. ‒ Ueber diese Gerüchte vergißt aber der große Haufen die in Potsdam sehr thätige Camarilla. Gestern soll daselbst ein russischer Courier angekommen sein, nach dessen Ankunft sogleich mit seiner Hinzuziehung ein großer Familienrath gehalten worden sei, nach dessen Beendigung alle Mitglieder mit fröhlichem Gesichte und der Aeußerung sich entfernten, daß man nun allen Eventualitäten mit Ruhe entgegen sehen könne. Die russischen Depeschen sollen die Versicherung gebracht haben, daß Rußland Alles für das Interesse des königlichen Hauses thun werde. Es stehen uns große Ereignisse bevor. Russische Soldaten an der Gränze äußern bei Besuchen der diesseitigen Bekannten, daß sie nur als Freunde zu uns kommen wollen, da ja Rußland und Preußen verschwägert seien. In den Garnisonen von Pommern und Posen werden die Soldaten von den Offizieren auf den Besuch der Russen vorbereitet, daß sie nur als Freunde kämen, um den König, der von den Berlinern streng bewacht würde, zu befreien. Kommt nur immer heran, ihr russischen Armeen, damit endlich die Entscheidungsstunde schlägt. Heute Abend findet eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub wegen Abdankung des Ministeriums ausgeschrieben ist, wobei aber auch die in Folge der Zeughauserstürmung vorgenommenen Verhaftungen zur Sprache kommen werden. ^+_* Berlin, 22. Juni. Herr v. Meyendorf, der russische Gesandte, ist unter dem Vorwande von hier abgereist, daß sich die russische Regierung mit der preußischen wegen der dänischen Angelegenheiten in Spannung befinde. In der Wirklichkeit aber hat er sich, mit Instruktionen, die er aus Potsdam selbst abgeholt, nach Petersburg begeben, um dort mit Hrn. Pfuel vom „Höllenstein“ fördersamst die geeignetsten Pläne ausbrüten zu helfen, wie die alte Wirthschaft in Deutschland auf's Schnellste wiederherzustellen und durch welche Mittel das gestürzte System „von Gottes Gnaden“ und der „väterlichen“ Regierung zu kräftigen und gegen jeden Neuerungsversuch des beschränkten Unterthanenverstandes zu sicheren sei. 125 Breslau, 20. Juni. Jetzt fangen eine Menge Bürger an, sich die Augen zu reiben bei den Nachrichten aus dem Posen'schen. Früher waren sie im herzlichsten Einverständniß mit allen Niederträchtigkeiten, die dort unter der Obhut eines Colomb, Steinäcker, Beurmann und Pfuel (von Höllenstein) von einer fanatisirten Soldateska gegen die Polen ausgeübt wurden. Jetzt merken sie beinahe, daß sie sehr bald selbst mit ihrem eigenen Gut und Blut werden ausbaden müssen, was im Großherzogthum eine Anzahl preußischer Beamten, deutscher Gutsbesitzer, Landräthe und Distriktskommissarien, in Verbindung mit jüdischem Schacher-Fanatismus und den Leitern der Reaktion in Potsdam, Berlin, Pommern etc. eingerührt haben. Man begreift jetzt allmählig, daß die Polen nach der ihnen widerfahrenen und noch fortdauernden entsetzlichen Behandlung, von gerechtem Rachegefühl aufgestachelt, sich den einziehenden Russen anschließen und Vergeltung suchen werden an den Deutschen. Um ihre Wuth auf's höchste zu entflammen, noch zu steigern, wenn dies überhaupt möglich: fahren Offiziere und Civilbeamte unermüdet in ihrer christlich-germanischen Liebesarbeit fort. Wir wollen blos ein paar Beispiele anführen. In Czarnikau läßt der Major Griesheim mit einer Wollust fortprügeln, die nur ein ächt „preußisches Gemüth“, mit Gott für König und Vaterland, ganz erfassen kann. Gleiche Heldenthaten verrichtet ein anderer Preußenheld, der kommandirende Landwehr-Offizier in Chod-Ziesen, der die Bauern, welche keine Waffen ausliefern, weil sie keine verborgen haben, in solcher Art mit Prügeln traktiren, daß selbst der beste Knutenschwinger Rußlands über seine eigene Stümperhaftigkeit beschämt dastehen müßte. Lieutenant Oppen veranstaltet die nämlichen königlich-preußischen Amüsements in Schneidemühl. Leuten, die angeschuldigt waren ‒ von Untersuchung und Beweisen kann natürlich bei jenen preußischen Patrioten keine Rede sein ‒, daß sie im Kreise von Bekannten sich unehrerbietig gegen den König geäußert, läßt er 20-30 Stockprügel aufzählen. Der Lehrer Zoch, der Theilnahme an einem Komplott beschuldigt, erhält sofort 24 Stockschläge und wird dann nach Bromberg abgeführt. Bis Grabow bringt ihn ein Unteroffizier und ein Gemeiner des Schneidemühler Landwehr-Bataillons. Dort wird er 2 Dragonern überliefert, die ihn zwischen sich mit starken Stricken und mit jedem Arme an ein Pferd binden. Sein Schmerzgeheul war entsetzlich. Die Umstehenden riefen: „Schlagt ihn doch wenigstens gleich todt!“ aber die christlich-germanische Tapferkeit ritt mit ihm ungerührt davon. Wie sich von selbst versteht, geht General „Shrapnell“ (sonst v. Hirrschfeld geheißen) mit bestem Beispiele voran. Bei seinem Einrücken in Znin ließ er 3 Bürger vorführen; sie verlangten, erst gehört zu werden. Sie kannten den Mann schlecht. Er ließ sie sofort auf Schütten Stroh binden und ihnen vor dem Rathhause 25 resp. 50 Stockprügel geben. Der Eine hatte 3 Zeugen seiner Unschuld vorgeschlagen; der General v. „Shrapnell“ rief: „Ei was, die Zeugen werden später vernommen werden; jetzt schlagt langsam und stark!“ Auf seinem weitern Zuge ließ er 3 Wirthen in Gora, mit Namen: Sokola, Kostrzycki und Nowak, jedem 50 Hiebe aufzählen. Wofür? Das weiß bis jetzt Niemand. Wahrscheinlich aber hier, wie überall, damit die Polen praktisch den ganzen Umfang preußischer „Intelligenz“ und „Humanität“ kennen lernen und ihre letzte Hoffnung auf den russischen Schwager setzen. Der Unteroffizier Bauer vom 2. Bat., 18. Landwehr-Reg., hat sich zwar auch ausgezeichnet, aber auf humanere Weise. Er erschoß nämlich einen Bauer, der auf einem Felde bei Bukowice (Fraustädter Kr.) arbeitete, um, da das Bataillon nach der Heimath zurückkehrte, seinen Feldzug würdig zu beschließen. In der Gegend von Stezewo erschoß die zurückkehrende Landwehr zum Abschiede ebenfalls einen Bauer und ein Mädchen. Das Alles sind nur ein Paar Thatsachen, die aus unzähligen ähnlichen und noch ärgern Schändlichkeiten herausgegriffen sind. Diese höllische Saat wird und muß nächstens blutig aufgehen. Dann aber erinnere sich das Volk an die Werkzeuge jener Gräuel, die den deutschen Namen geschändet haben. Posen, 17. Juni. Man meldet aus Warschau, daß durch einen Ukas des Kaisers sämmtliche dort in der Festung gefangen gewesenen Polen in Freiheit gesetzt seyen; auch waren die nach Sibirien Deportirten begnadigt und werden auf Staatskosten in ihr Vater- zurückgebracht werden. Den Gegensatz hierzu bilden in Posen die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein.) 12 Frankfurt, 21. Juni. Es wird weitergeredet. Ich habe mich in Resignation ergeben, als ich hörte, daß noch 100 Redner eingeschrieben seien. Täglich schreiben sich noch neue ein. Zugleich werden neue Anträge auf die Tribüne niedergelegt. Jordan hatte wohl Recht, als er die Rechte mit dem Archimedes verglich, der nur an seine Figuren dachte, als man draußen stürmte, der dem eindringenden Römer nur zurief: „Zertritt mir meine Figuren nicht.“ Die Rechte kämpft nur noch für im Land gezeichnete Figuren, aber die Linke besteht nicht aus Römern. Heute hat die Rechte ihre Koryphäen in's Feld geschickt. Der Ritter Vincke unterhielt die Versammlung eine ganze Stunde lang mit Witzeleien, so daß selbst der „edle Gagern“ zur Ordnung zu rufen sich veranlaßt fand. Der Lärm war so groß, daß mit Räumung der Tribünen gedroht werden mußte. Der Herr Vincke ist von seinen Wählern hiehergeschickt „nicht allein die Rechte des Volkes, sondern auch die der Fürsten zu vertreten,“ für die er in gewaltiger Liebe entbrannt ist. Er labt sich noch immer an dem Worte des großen Kurfürsten, welcher einst die Markaner seine „treuesten und gehorsamsten Unterthanen“ genannt hat; „wir in der Grafschaft Mark sind stolz darauf.“ Vincke's Ausspruch, „er glaube sich bisweilen eher auf einem Theater zu befinden, als in einer solchen Versammlung,“ erklärte sein Auftreten auf der Tribüne. Er schlägt den Erzherzog Johann zum Präsidenten vor. Der baierische Minister Beißler erzählt der Versammlung, daß sie hiehergekommen sei „auf Aufforderung des Bundestages, um mit den Fürsten eine Verfassung zu vereinbaren,“ und versichert uns zugleich, daß „keine Reaktion mehr möglich sei, seitdem die verschiedenen Vertreter ihre Abgeordneten hieher geschickt hätten!“ Es versteht sich von selbst, daß für ihn nur Fürsten im Centralausschuß taugen, und der Oestreicher Möhring kündigt der Versammlung sogar an, daß man in Oestreich ihrer Beschlüsse spotten würde, wenn man keine Fürsten wähle. ‒ Auf die „Vereinbarer“ folgen die „Versöhner,“ welche mit einem Vermittelungs-Antrage die ganze Versammlung unter einen Hut bringen wollen. Die Herren Schoder und Klaussen glauben, daß wenn man Deutschland einigen wolle, man mit der Versammlung jedenfalls den Anfang machen müsse. Eisenstuck vervollständigt den Kommissionsantrag dahin, daß er die Versammlung ersucht, für die vom Ausschuß vorgeschlagene Triarchie auch gleich 3 Hofstaaten und 3 Civillisten zu beschließen. Schaffrath droht der Versammlung, falls sie die Entscheidung über die Wahlen den Regierungen überlasse, in seine vaterländische Kammer zurückzukehren, um dort mit allen Kräften den Beschlüssen der Versammlung entgegenzuwirken. Wilh. Jordan hielt eine lange Rede voll glücklich und unglücklich gewählter Bilder, reich an Effekthascherei. Er schloß mit dem Wunsche: Gehe keiner der Anträge durch, welcher wenigstens die Souveränetät des Volkes rette, dann möchte der Antrag der äußersten Rechten durchgehen. Aus einem Meere von Blut werde dann ein Despot erstehen, welcher die Einheit Deutschlands, welche die Versammlung nicht habe schaffen können, mit dem Schwerte herbeiführen werde. ‒ An eine Vereinigung der Versammlung ist nicht zu denken, denn über den Blum'schen Antrag hinaus will die Linke nicht nachgeben. Der Kommissionsantrag, für den auch Flottwell und Lindenau heute auftraten, scheint indeß gefallen zu sein. Die morgige Sitzung ist wegen des Feiertages auf Nachmittags 4 Uhr anberaumt. 15 Frankfurt, 22. Juni. In Folge eines Uebereinkommens zwischen den Parteien haben wir morgen den Schluß der unerquicklichen Debatten zu erwarten. Ueber 9 verschiedene Anträge wird abgestimmt werden, für jeden Antrag werden 2 Redner sprechen, wir haben also noch 18 zu hören. Wohin sich die Entscheidung wenden wird, läßt sich noch nicht voraussehn; die Linke und äußerste Linke werden sich bei dem Blum-Trützschler'schen vereinigen. Für den Vincke'schen Antrag erhob sich heute zwar eine große Zahl Mitglieder, ich bezweifle aber, daß sich die Mitte bis dahin drängen läßt. Etwas Halbes ist das wahrscheinliche Resultat. Von den heutigen Rednern verdient eigentlich nur Hr. Jacobus Venedey Erwähnung. Er meinte, die Versammlung die eigentlich ganz einig, sie sei nur uneinig über die Bedeutung der gebrauchten Schlagworte. Um nun diese latente Einigkeit wirklich in's Leben zu rufen, begann er der Versammlung das Verständniß des Wortes „Revolution und Republique unue et indivisible“ zu eröffnen. Nach des Hrn. Jacobus Erwartungen wird sich die Versammlung morgen also einstimmig für einen Antrag erklären. Tarnowitz, 17. Juni. Bereits seit acht Tagen, wo sich hier das Gerücht verbreitet, daß große russische Truppenmassen gegen unsere Gränze im Anmarsch und die Brücken über das Gränzwasser auf Befehl der russischen Regierung schleunigst reparirt, theils auch neue geschlagen werden, gehen täglich von der hier stationirenden Kompagnie des 22. Landwehrregiments des Tags und des Nachts 5 Mann mit einem Unteroffizier an die Gränze, um daselbst den Stand der Russen zu beobachten. Die rückkehrenden Patrouillen erzählen, daß das an der Gränze stehende russische Militär stets freundlich sie begrüße und ihnen versichere, auf sie nicht zu schießen, „sie seien ja Schwägersleute.“ Heute marschirte die ganze Kompagnie an die polnische Gränze, um dieselbe zu recognosciren. Gestern wurden die deutschen Kokarden dem Militär hier wieder abgenommen, doch wahrscheinlich nur wegen des heutigen Marsches. Die hiesige Kompagnie hat die Ordre, sobald russische Truppen über die Gränze kommen, sich sofort zurückzuziehen und mit den andern in Oberschlesien jetzt stationirten Truppen sich zu vereinigen. Wie mir von einem Augenzeugen erzählt wurde, sind in voriger Woche mit einem Bahnzuge von Warschau 40 Kanonen nach Czenstochau gebracht worden. Ganz Polen, zumal an unserer Gränze, soll sehr kriegerisch aussehen, jedoch auch das russische Militär, selbst die Offiziere, wissen nicht, zu welchem Zwecke die großen Rüstungen? ‒ Die Gazeta Krakowska meldet aus Petersburg, daß die dortigen Garden den Befehl erhalten hätten: am 15. Juni gegen die polnische Gränze aufzubrechen. Am 15. Juni wurde, demselben Blatte zufolge, der Fürst Paskiewitsch und Graf Orlow im Krakauischen erwartet; der Extrazug der dortigen Eisenbahn, auf welchem die Genannten das krakauische Gebiet durchreisen würden, würden, war bereits bestellt. ‒ Ferner schreibt uns ein Correspondent aus Brieg vom 17. Juni: daß dort sowohl als in den meisten Orten längs dem rechten Oderufer Alles in Allarm sei vor Besorgniß, daß die Russen bald erscheinen möchten. Man wollte das wissen, daß sich an der Gränze zwischen Kempen und Myslowitz ein großes Russenheer zusammengezogen habe. Seit 14 Tagen ist bereits der russischen sowie der preußischen Gränzbesatzung untersagt: mit einander zu verkehren, was bis jetzt auf ganz freundschaftliche Weise geschah. (Will man durch dies Verbot verhüten, daß etwa Nachrichten über die jenseitigen Vorgänge die Gränze überschreiten möchten?) ‒ Ferner will einer unserer Correspondenten in Ostrowo die authentische Nachricht brieflich aus Kalisch erhalten haben: daß 60,000 Russen binnen wenigen Tagen die preußische Gränze überschreiten würden, um das Großherzogthum Posen zu besetzen. Ja noch mehr, die russischen Truppen sollen bereits durch ein Manifest hiervon Kenntniß erhalten haben. Endlich meldet uns einer unserer Posener Correspondenten: daß die Preußen unmittelbar bei Thorn eine Schiffbrücke über die Weichsel geschlagen, die Russen aber 5 Meilen weiter hinauf dasselbe gethan haben. Daß aber in Thorn wirklich ernste Befürchtungen vor einer baldigen Belagerung vorhanden sein müssen, beweist der Umstand, daß im Thorner Wochenblatt den Bewohnern jener Stadt der Rath ertheilt wird: sich jetzt, da die Festung armirt und die Besatzung mit Proviant versehen sei, in Zeiten mit Lebensmitteln, wenigstens mit einem angemessenen Vorrath von Roggenmehl zu versorgen. (A. O. Z.)* Prag.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Auf die Verhandlungen der National-Versammlung über die Centralgewalt können wir erst näher eingehn, sobald uns die stenographischen Berichte vorliegen. In alter Reichstagssaumseligkeit werden diese Berichte 5-6 Tage zu spät ausgegeben. Anmerkung der Redaktion. Diese besteht in der genannten Gegend nur aus einem 400 starken Landwehr-Bataillon, welches in 4 Städten vertheilt garnisonirt.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar025_006" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0114"/> finden, der die Aktien des Herrn Finanzministers kaufe, der sich einläßt in ein Geschäft, dessen Bücher in so gränzenloser Unordnung sind, daß sich mit Leichtigkeit ein baldiger zweiter Bankerott voraussagen läßt. Aber Herr Hansemann bleibt unerschütterlich auf seinem Posten. Herr Hansemann will nun einmal das Vaterland retten und als ein Schild vor der Dynastie“ stehen, wenn kein Anderer mehr Lust dazu hat. ‒ „Die Minister sind geschlagen und sehr viel ist wieder für Preußen in Frage gestellt,“ schreibt ein Berliner Korrespondent der A. A. Z. und wahrlich der Mann hat diesmal das Rechte getroffen, „es ist sehr viel in Frage gestellt.“ Die Dynastie stellt das Volk in Frage und umgekehrt das Volk die Dynastie. Vor Allem aber ist in Frage gestellt: die Herrschaft der Bourgeoisie. Dieser neue Adel, der gleich dem alten wieder seine Abstufungen in hohen und niederen enthält, macht sich durch Stolz und Brutalität dem Volke, dem unterdrückten arbeitenden Volke, immer verhaßter, indem er außerhalb der Massen eine Stellung einzunehmen strebt, stellt er überhaupt seine Existenz in Frage. Die Zukunft der Welt gehört dem <hi rendition="#g">ganzen</hi> Volke, eben so wenig einer einzigen Klasse, als einer einzigen Familie.</p> <p>Die Bourgeoisie ist überall gleich gesinnungslos. Liberal ,so lange es nicht an den Geldsack geht; entschieden, so lange keine Gefahr vorhanden; großmüthig, so lange es nichts kostet, macht sie sogleich Kehrt, wenn sie diese erheuchelten Tugenden zur Ausübung bringen soll und erröthet nicht, ihren eigenen Repräsentanten ihre Hülfe zu versagen. ‒ Sah nicht die preußische Bourgeoisie in Camphausen und Hansemann ihr Ideal? und doch, wie kleinlich sind die Ergebnisse der freiwilligen Anleihe, besser gesagt Bettelei, des Hrn. Finanzministers? Herrschen will die <hi rendition="#g">Bourgeoisie,</hi> das <hi rendition="#g">Volk</hi> aber soll <hi rendition="#g">zahlen.</hi> Hier in Berlin ist sie in ihrem freiheitsfeindlichen Streben thätig und zu diesem Zwecke mit der hohen Büreaukratie in einen Bund getreten. Der patriotische und der Preußen-Verein, vulgo Denunciantenklubb, sind die Vereinigungspunkte dieser reaktionären Koalition, die vom 1. Juli ab ein Organ erhält in der „Neuen Preuß. Zeitung,“ redigirt von Wagener, einem Unbekannten. Auch der famöse Censor, Herr Mathis (nicht zu verwechseln mit Polizeirath Mathy, Mitarbeiter der Deutschen Zeitung), soll bei dieser Zeitung betheiligt sein. Zum 1. Juli erscheint ferner eine „Neue Berliner Zeitung“ im Verlage der Decker'schen Geh. Oberhofbuchdruckerei, Redakteur unbekannt, ein Organ des konstitutionellen Konservatismus. Dies sind die theoretischen Waffen gegen den „verruchten Radikalismus,“ für's Praktische sorgt nämlich Hr. Minutoli. Erst gestern wieder hat dieser Polizeimann ein Mitgled des demokratischen Klubs, Hrn. Meder, der sich in letzter Zeit durch seine Bemühungen für die brodlosen Arbeiter verdient gemacht hat, in die Falle gelockt. Meder war als Zeuge vor die Polizei geladen; er erscheint, wird aber sogleich festgenommen und eingesteckt. Nicht besser ging es dem Vater des Verrathenen, der, als er sich bei der Polizei nach seinem Sohne, dessen Ausbleiben ihn verwundert, erkundigt, ebenfalls sogleich verhaftet wurde. Das geschieht unter den Augen der Volksvertretung; so versteht man hier die persönliche Freiheit. Man spricht von Aufhebung des demokratischen Klubs und ferneren Verhaftungen von Mitgliedern desselben. Wir können nicht umhin, dem Klub selbst einen Theil der Schuld beizumessen. Es fehlt dem Klub durchaus an dem entschiedenen Handeln, wodurch er sich zu einer Macht erheben könnte. Zum ersten Male seit seinem Bestehen hält er heut eine Volksversammlung. Ist sie wichtig genug, so wollen wir morgen darüber berichten. ‒ In Potsdam soll eine völlige Umwandlung vor sich gegangen und der alte Uebermuth wieder erwacht sein, seit immer beunruhigendere Nachrichten vom Osten eintreffen und Pfuel seine Missionsreise nach Petersburg angetreten. Ganz die alte Geschichte von Versailles.</p> </div> <div xml:id="ar025_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 22. Juni.</head> <p>Das Ministerium hat sich noch nicht vervollständigt, und wir haben jetzt die Bestätigung des Gerüchtes, daß die auswärtigen Angelegenheiten speziell vom Könige geleitet werden, ohne daß das Ministerium das Recht hat miteinzuwirken oder nur in die Depeschen zu blicken. Der Abg. Rodbertus, dem das Ministerium des Innern angetragen war, hat dies dem Abg. Balzer mitgetheilt und sich unter diesen Bedingungen auch geweigert, das Portefeuille anzunehmen. Wir erhalten täglich Nachrichten aus Schlesien, daß die dortigen preußischen Offiziere, die an der polnischen Gränze stehen, mit den russischen Offizieren fraternisiren. Sie erhalten mit Silber beschlagene Knuten zum Geschenk und freuen sich schon, diese Instrumente auf den Röcken der Berliner Reaktionärs tanzen zu lassen. Der Hof hat ein gefährliches Spiel begonnen. Wir rathen ihm, darin fortzufahren. ‒ Die hiesigen Buchdrucker werden, wenn die Prinzipale ihren Forderungen nicht nachgeben, in den nächsten Tagen wahrscheinlich wieder ihre Arbeit einstellen.</p> </div> <div xml:id="ar025_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 21. Juni.</head> <p>Mit dem vor einigen Tagen hier verbreiteten Gerücht, daß 34 nordamerikanische Kriegsschiffe zur Unterstützung Deutschlands gegen Dänemark im Ansegeln seien, soll es folgende Bewandniß haben. Seit langer Zeit arbeitet Preußen für den deutschen Zollverein an Abschließung eines Handels- und Allianztraktats mit den nordamerikanischen Vereinigten Staaten. Durch den Einfluß Englands wurde der Abschluß bisher verzögert. Jetzt endlich soll der Abschluß der Verträge gelungen sein, welche zugleich die Stipulation enthalten sollen, daß die Vereinigten Staaten, gegen eine festgesetzte Remuneration, Deutschland im Kriege gegen Dänemark, und bis zur Herstellung einer eigenen deutschen Flotte, mit der ihrigen zu Hülfe kommen sollen. Demnach wird mit Hülfe Nordamerika's die schmachvolle Blokade unserer Häfen hoffentlich recht bald ein Ende nehmen. Auf dem Wege der Unterhandlung scheint dies unserm Kabinet nicht gelingen zu wollen, denn es wurden heute neuerdings Ersatzmannschaften unsern Truppen in Schleswig-Holstein per Eisenbahn nachgesandt.</p> </div> <div xml:id="ar025_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 22. Juni.</head> <p>Es ist Hansemann bis diesen Augenblick noch nicht gelungen, ein neues Ministerium zu bilden. Wohin er sich auch wandte, an Rodbertus, Milde, Pinder, überall wurde er zurückgewiesen. Da auch Bornemann und Patow nicht länger im Ministerium bleiben wollen, und Schleinitz, der nur auf Empfehlung der Prinzessin von Preußen Minister wurde, selbst Hn. Hansemann zu reaktionär scheint, so fehlen ihm in diesem Augenblick wenigstens vier Mitglieder, um das Ministerium herzustellen. Man sagt sogar, daß sich Hansemann an Beckerath und Vincke, seine Mitkämpfer auf dem Rechtsboden des seligen Landtags, gewandt habe. ‒ Ueber diese Gerüchte vergißt aber der große Haufen die in Potsdam sehr thätige Camarilla. Gestern soll daselbst ein russischer Courier angekommen sein, nach dessen Ankunft sogleich mit seiner Hinzuziehung ein großer Familienrath gehalten worden sei, nach dessen Beendigung alle Mitglieder mit fröhlichem Gesichte und der Aeußerung sich entfernten, daß man nun allen Eventualitäten mit Ruhe entgegen sehen könne. Die russischen Depeschen sollen die Versicherung gebracht haben, daß Rußland Alles für das Interesse des königlichen Hauses thun werde.</p> <p>Es stehen uns große Ereignisse bevor. Russische Soldaten an der Gränze äußern bei Besuchen der diesseitigen Bekannten, daß sie nur als Freunde zu uns kommen wollen, da ja Rußland und Preußen verschwägert seien. In den Garnisonen von Pommern und Posen werden die Soldaten von den Offizieren auf den Besuch der Russen vorbereitet, daß sie nur als Freunde kämen, um den König, der von den Berlinern streng bewacht würde, zu befreien. Kommt nur immer heran, ihr russischen Armeen, damit endlich die Entscheidungsstunde schlägt.</p> <p>Heute Abend findet eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub wegen Abdankung des Ministeriums ausgeschrieben ist, wobei aber auch die in Folge der Zeughauserstürmung vorgenommenen Verhaftungen zur Sprache kommen werden.</p> </div> <div xml:id="ar025_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>^+_*</author></bibl> Berlin, 22. Juni.</head> <p>Herr v. <hi rendition="#g">Meyendorf,</hi> der russische Gesandte, ist unter dem Vorwande von hier abgereist, daß sich die russische Regierung mit der preußischen wegen der dänischen Angelegenheiten in Spannung befinde. In der Wirklichkeit aber hat er sich, mit Instruktionen, die er aus Potsdam selbst abgeholt, nach Petersburg begeben, um dort mit Hrn. Pfuel vom „Höllenstein“ fördersamst die geeignetsten Pläne ausbrüten zu helfen, wie die alte Wirthschaft in Deutschland auf's Schnellste wiederherzustellen und durch welche Mittel das gestürzte System „von Gottes Gnaden“ und der „väterlichen“ Regierung zu kräftigen und gegen jeden Neuerungsversuch des beschränkten Unterthanenverstandes zu sicheren sei.</p> </div> <div xml:id="ar025_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>125</author></bibl> Breslau, 20. Juni.</head> <p>Jetzt fangen eine Menge Bürger an, sich die Augen zu reiben bei den Nachrichten aus dem Posen'schen. Früher waren sie im herzlichsten Einverständniß mit allen Niederträchtigkeiten, die dort unter der Obhut eines Colomb, Steinäcker, Beurmann und Pfuel (von Höllenstein) von einer fanatisirten Soldateska gegen die Polen ausgeübt wurden. Jetzt merken sie beinahe, daß sie sehr bald selbst mit ihrem eigenen Gut und Blut werden ausbaden müssen, was im Großherzogthum eine Anzahl preußischer Beamten, deutscher Gutsbesitzer, Landräthe und Distriktskommissarien, in Verbindung mit jüdischem Schacher-Fanatismus und den Leitern der Reaktion in Potsdam, Berlin, Pommern etc. eingerührt haben. Man begreift jetzt allmählig, daß die Polen nach der ihnen widerfahrenen und noch fortdauernden entsetzlichen Behandlung, von gerechtem Rachegefühl aufgestachelt, sich den einziehenden Russen anschließen und Vergeltung suchen werden an den Deutschen. Um ihre Wuth auf's höchste zu entflammen, noch zu steigern, wenn dies überhaupt möglich: fahren Offiziere und Civilbeamte unermüdet in ihrer christlich-germanischen Liebesarbeit fort. Wir wollen blos ein paar Beispiele anführen.</p> <p>In Czarnikau läßt der Major Griesheim mit einer Wollust fortprügeln, die nur ein ächt „preußisches Gemüth“, mit Gott für König und Vaterland, ganz erfassen kann. Gleiche Heldenthaten verrichtet ein anderer Preußenheld, der kommandirende Landwehr-Offizier in Chod-Ziesen, der die Bauern, welche keine Waffen ausliefern, weil sie keine verborgen haben, in solcher Art mit Prügeln traktiren, daß selbst der beste Knutenschwinger Rußlands über seine eigene Stümperhaftigkeit beschämt dastehen müßte. Lieutenant Oppen veranstaltet die nämlichen königlich-preußischen Amüsements in Schneidemühl. Leuten, die angeschuldigt waren ‒ von Untersuchung und Beweisen kann natürlich bei jenen preußischen Patrioten keine Rede sein ‒, daß sie im Kreise von Bekannten sich unehrerbietig gegen den König geäußert, läßt er 20-30 Stockprügel aufzählen. Der Lehrer Zoch, der Theilnahme an einem Komplott beschuldigt, erhält sofort 24 Stockschläge und wird dann nach Bromberg abgeführt. Bis Grabow bringt ihn ein Unteroffizier und ein Gemeiner des Schneidemühler Landwehr-Bataillons. Dort wird er 2 Dragonern überliefert, die ihn zwischen sich mit starken Stricken und mit jedem Arme an ein Pferd binden. Sein Schmerzgeheul war entsetzlich. Die Umstehenden riefen: „Schlagt ihn doch wenigstens gleich todt!“ aber die christlich-germanische Tapferkeit ritt mit ihm ungerührt davon.</p> <p>Wie sich von selbst versteht, geht General „Shrapnell“ (sonst v. Hirrschfeld geheißen) mit bestem Beispiele voran. Bei seinem Einrücken in Znin ließ er 3 Bürger vorführen; sie verlangten, erst gehört zu werden. Sie kannten den Mann schlecht. Er ließ sie sofort auf Schütten Stroh binden und ihnen vor dem Rathhause 25 resp. 50 Stockprügel geben. Der Eine hatte 3 Zeugen seiner Unschuld vorgeschlagen; der General v. „Shrapnell“ rief: „Ei was, die Zeugen werden später vernommen werden; jetzt schlagt langsam und stark!“ Auf seinem weitern Zuge ließ er 3 Wirthen in Gora, mit Namen: Sokola, Kostrzycki und Nowak, jedem 50 Hiebe aufzählen. Wofür? Das weiß bis jetzt Niemand. Wahrscheinlich aber hier, wie überall, damit die Polen praktisch den ganzen Umfang preußischer „Intelligenz“ und „Humanität“ kennen lernen und ihre letzte Hoffnung auf den russischen Schwager setzen.</p> <p>Der Unteroffizier Bauer vom 2. Bat., 18. Landwehr-Reg., hat sich zwar auch ausgezeichnet, aber auf humanere Weise. Er erschoß nämlich einen Bauer, der auf einem Felde bei Bukowice (Fraustädter Kr.) arbeitete, um, da das Bataillon nach der Heimath zurückkehrte, seinen Feldzug würdig zu beschließen. In der Gegend von Stezewo erschoß die zurückkehrende Landwehr zum Abschiede ebenfalls einen Bauer und ein Mädchen.</p> <p>Das Alles sind nur ein Paar Thatsachen, die aus unzähligen ähnlichen und noch ärgern Schändlichkeiten herausgegriffen sind. Diese höllische Saat wird und muß nächstens blutig aufgehen. Dann aber erinnere sich das Volk an die Werkzeuge jener Gräuel, die den deutschen Namen geschändet haben.</p> </div> <div xml:id="ar025_012" type="jArticle"> <head>Posen, 17. Juni.</head> <p>Man meldet aus Warschau, daß durch einen Ukas des Kaisers sämmtliche dort in der Festung gefangen gewesenen Polen in Freiheit gesetzt seyen; auch waren die nach Sibirien Deportirten begnadigt und werden auf Staatskosten in ihr Vater- zurückgebracht werden.</p> <p>Den Gegensatz hierzu bilden in Posen die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein.)</p> </div> <div xml:id="ar025_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Frankfurt, 21. Juni.</head> <p>Es wird weitergeredet. Ich habe mich in Resignation ergeben, als ich hörte, daß noch 100 Redner eingeschrieben seien. Täglich schreiben sich noch neue ein. Zugleich werden neue Anträge auf die Tribüne niedergelegt. Jordan hatte wohl Recht, als er die Rechte mit dem Archimedes verglich, der nur an seine Figuren dachte, als man draußen stürmte, der dem eindringenden Römer nur zurief: „Zertritt mir meine Figuren nicht.“ Die Rechte kämpft nur noch für im Land gezeichnete Figuren, aber die Linke besteht nicht aus Römern. Heute hat die Rechte ihre Koryphäen in's Feld geschickt. Der Ritter Vincke unterhielt die Versammlung eine ganze Stunde lang mit Witzeleien, so daß selbst der „edle Gagern“ zur Ordnung zu rufen sich veranlaßt fand. Der Lärm war so groß, daß mit Räumung der Tribünen gedroht werden mußte. Der Herr Vincke ist von seinen Wählern hiehergeschickt „nicht allein die Rechte des Volkes, sondern auch die der Fürsten zu vertreten,“ für die er in gewaltiger Liebe entbrannt ist. Er labt sich noch immer an dem Worte des großen Kurfürsten, welcher einst die Markaner seine „treuesten und gehorsamsten Unterthanen“ genannt hat; „wir in der Grafschaft Mark sind stolz darauf.“ Vincke's Ausspruch, „er glaube sich bisweilen eher auf einem Theater zu befinden, als in einer solchen Versammlung,“ erklärte sein Auftreten auf der Tribüne. Er schlägt den Erzherzog Johann zum Präsidenten vor. Der baierische Minister <hi rendition="#g">Beißler</hi> erzählt der Versammlung, daß sie hiehergekommen sei „auf Aufforderung des Bundestages, um mit den Fürsten eine Verfassung zu vereinbaren,“ und versichert uns zugleich, daß „keine Reaktion mehr möglich sei, seitdem die verschiedenen Vertreter ihre Abgeordneten hieher geschickt hätten!“ Es versteht sich von selbst, daß für ihn nur Fürsten im Centralausschuß taugen, und der Oestreicher <hi rendition="#g">Möhring</hi> kündigt der Versammlung sogar an, daß man in Oestreich ihrer Beschlüsse spotten würde, wenn man keine Fürsten wähle. ‒ Auf die „Vereinbarer“ folgen die „Versöhner,“ welche mit einem Vermittelungs-Antrage die ganze Versammlung unter einen Hut bringen wollen. Die Herren Schoder und Klaussen glauben, daß wenn man Deutschland einigen wolle, man mit der Versammlung jedenfalls den Anfang machen müsse. <hi rendition="#g">Eisenstuck</hi> vervollständigt den Kommissionsantrag dahin, daß er die Versammlung ersucht, für die vom Ausschuß vorgeschlagene Triarchie auch gleich 3 Hofstaaten und 3 Civillisten zu beschließen. <hi rendition="#g">Schaffrath</hi> droht der Versammlung, falls sie die Entscheidung über die Wahlen den Regierungen überlasse, in seine vaterländische Kammer zurückzukehren, um dort mit allen Kräften den Beschlüssen der Versammlung entgegenzuwirken. <hi rendition="#g">Wilh. Jordan</hi> hielt eine lange Rede voll glücklich und unglücklich gewählter Bilder, reich an Effekthascherei. Er schloß mit dem Wunsche: Gehe keiner der Anträge durch, welcher wenigstens die Souveränetät des Volkes rette, dann möchte der Antrag der äußersten Rechten durchgehen. Aus einem Meere von Blut werde dann ein Despot erstehen, welcher die Einheit Deutschlands, welche die Versammlung nicht habe schaffen können, mit dem Schwerte herbeiführen werde. ‒ An eine Vereinigung der Versammlung ist nicht zu denken, denn über den Blum'schen Antrag hinaus will die Linke nicht nachgeben. Der Kommissionsantrag, für den auch Flottwell und Lindenau heute auftraten, scheint indeß gefallen zu sein.</p> <p>Die morgige Sitzung ist wegen des Feiertages auf Nachmittags 4 Uhr anberaumt.</p> </div> <div xml:id="ar025_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Frankfurt, 22. Juni.</head> <p>In Folge eines Uebereinkommens zwischen den Parteien haben wir morgen den Schluß der unerquicklichen Debatten zu erwarten. Ueber 9 verschiedene Anträge wird abgestimmt werden, für jeden Antrag werden 2 Redner sprechen, wir haben also noch 18 zu hören. Wohin sich die Entscheidung wenden wird, läßt sich noch nicht voraussehn; die Linke und äußerste Linke werden sich bei dem Blum-Trützschler'schen vereinigen. Für den Vincke'schen Antrag erhob sich heute zwar eine große Zahl Mitglieder, ich bezweifle aber, daß sich die Mitte bis dahin drängen läßt. Etwas Halbes ist das wahrscheinliche Resultat.</p> <p>Von den heutigen Rednern verdient eigentlich nur Hr. Jacobus Venedey Erwähnung. Er meinte, die Versammlung die eigentlich ganz einig, sie sei nur uneinig über die Bedeutung der gebrauchten Schlagworte. Um nun diese latente Einigkeit wirklich in's Leben zu rufen, begann er der Versammlung das Verständniß des Wortes „Revolution und Republique unue et indivisible“ zu eröffnen. Nach des Hrn. 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Die rückkehrenden Patrouillen erzählen, daß das an der Gränze stehende russische Militär stets freundlich sie begrüße und ihnen versichere, auf sie nicht zu schießen, „sie seien ja Schwägersleute.“ Heute marschirte die ganze Kompagnie an die polnische Gränze, um dieselbe zu recognosciren. Gestern wurden die deutschen Kokarden dem Militär hier wieder abgenommen, doch wahrscheinlich nur wegen des heutigen Marsches. Die hiesige Kompagnie hat die Ordre, sobald russische Truppen über die Gränze kommen, sich sofort zurückzuziehen und mit den andern in Oberschlesien jetzt stationirten Truppen sich zu vereinigen. Wie mir von einem Augenzeugen erzählt wurde, sind in voriger Woche mit einem Bahnzuge von Warschau 40 Kanonen nach Czenstochau gebracht worden. Ganz Polen, zumal an unserer Gränze, soll sehr kriegerisch aussehen, jedoch auch das russische Militär, selbst die Offiziere, wissen nicht, zu welchem Zwecke die großen Rüstungen?</p> <p>‒ Die Gazeta Krakowska meldet aus Petersburg, daß die dortigen Garden den Befehl erhalten hätten: am 15. Juni gegen die polnische Gränze aufzubrechen. Am 15. Juni wurde, demselben Blatte zufolge, der Fürst Paskiewitsch und Graf Orlow im Krakauischen erwartet; der Extrazug der dortigen Eisenbahn, auf welchem die Genannten das krakauische Gebiet durchreisen würden, würden, war bereits bestellt. ‒ Ferner schreibt uns ein Correspondent aus Brieg vom 17. Juni: daß dort sowohl als in den meisten Orten längs dem rechten Oderufer Alles in Allarm sei vor Besorgniß, daß die Russen bald erscheinen möchten. Man wollte das wissen, daß sich an der Gränze zwischen Kempen und Myslowitz ein großes Russenheer zusammengezogen habe. Seit 14 Tagen ist bereits der russischen sowie der preußischen <note place="foot">Diese besteht in der genannten Gegend <hi rendition="#g">nur</hi> aus einem 400 starken Landwehr-Bataillon, welches in 4 Städten vertheilt garnisonirt.</note> Gränzbesatzung untersagt: mit einander zu verkehren, was bis jetzt auf ganz freundschaftliche Weise geschah. (Will man durch dies Verbot verhüten, daß etwa Nachrichten über die jenseitigen Vorgänge die Gränze überschreiten möchten?) ‒ Ferner will einer unserer Correspondenten in Ostrowo die authentische Nachricht brieflich aus Kalisch erhalten haben: daß 60,000 Russen binnen wenigen Tagen die preußische Gränze überschreiten würden, um das Großherzogthum Posen zu besetzen. Ja noch mehr, die russischen Truppen sollen bereits durch ein Manifest hiervon Kenntniß erhalten haben. Endlich meldet uns einer unserer Posener Correspondenten: daß die Preußen unmittelbar bei Thorn eine Schiffbrücke über die Weichsel geschlagen, die Russen aber 5 Meilen weiter hinauf dasselbe gethan haben. Daß aber in Thorn wirklich ernste Befürchtungen vor einer baldigen Belagerung vorhanden sein müssen, beweist der Umstand, daß im Thorner Wochenblatt den Bewohnern jener Stadt der Rath ertheilt wird: sich jetzt, da die Festung armirt und die Besatzung mit Proviant versehen sei, in Zeiten mit Lebensmitteln, wenigstens mit einem angemessenen Vorrath von Roggenmehl zu versorgen.</p> <bibl>(A. O. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar025_016_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Demokratischer Charakter des Prager Aufstandes. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 172.</bibl></note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Prag.</head> <gap reason="copyright"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114/0002]
finden, der die Aktien des Herrn Finanzministers kaufe, der sich einläßt in ein Geschäft, dessen Bücher in so gränzenloser Unordnung sind, daß sich mit Leichtigkeit ein baldiger zweiter Bankerott voraussagen läßt. Aber Herr Hansemann bleibt unerschütterlich auf seinem Posten. Herr Hansemann will nun einmal das Vaterland retten und als ein Schild vor der Dynastie“ stehen, wenn kein Anderer mehr Lust dazu hat. ‒ „Die Minister sind geschlagen und sehr viel ist wieder für Preußen in Frage gestellt,“ schreibt ein Berliner Korrespondent der A. A. Z. und wahrlich der Mann hat diesmal das Rechte getroffen, „es ist sehr viel in Frage gestellt.“ Die Dynastie stellt das Volk in Frage und umgekehrt das Volk die Dynastie. Vor Allem aber ist in Frage gestellt: die Herrschaft der Bourgeoisie. Dieser neue Adel, der gleich dem alten wieder seine Abstufungen in hohen und niederen enthält, macht sich durch Stolz und Brutalität dem Volke, dem unterdrückten arbeitenden Volke, immer verhaßter, indem er außerhalb der Massen eine Stellung einzunehmen strebt, stellt er überhaupt seine Existenz in Frage. Die Zukunft der Welt gehört dem ganzen Volke, eben so wenig einer einzigen Klasse, als einer einzigen Familie.
Die Bourgeoisie ist überall gleich gesinnungslos. Liberal ,so lange es nicht an den Geldsack geht; entschieden, so lange keine Gefahr vorhanden; großmüthig, so lange es nichts kostet, macht sie sogleich Kehrt, wenn sie diese erheuchelten Tugenden zur Ausübung bringen soll und erröthet nicht, ihren eigenen Repräsentanten ihre Hülfe zu versagen. ‒ Sah nicht die preußische Bourgeoisie in Camphausen und Hansemann ihr Ideal? und doch, wie kleinlich sind die Ergebnisse der freiwilligen Anleihe, besser gesagt Bettelei, des Hrn. Finanzministers? Herrschen will die Bourgeoisie, das Volk aber soll zahlen. Hier in Berlin ist sie in ihrem freiheitsfeindlichen Streben thätig und zu diesem Zwecke mit der hohen Büreaukratie in einen Bund getreten. Der patriotische und der Preußen-Verein, vulgo Denunciantenklubb, sind die Vereinigungspunkte dieser reaktionären Koalition, die vom 1. Juli ab ein Organ erhält in der „Neuen Preuß. Zeitung,“ redigirt von Wagener, einem Unbekannten. Auch der famöse Censor, Herr Mathis (nicht zu verwechseln mit Polizeirath Mathy, Mitarbeiter der Deutschen Zeitung), soll bei dieser Zeitung betheiligt sein. Zum 1. Juli erscheint ferner eine „Neue Berliner Zeitung“ im Verlage der Decker'schen Geh. Oberhofbuchdruckerei, Redakteur unbekannt, ein Organ des konstitutionellen Konservatismus. Dies sind die theoretischen Waffen gegen den „verruchten Radikalismus,“ für's Praktische sorgt nämlich Hr. Minutoli. Erst gestern wieder hat dieser Polizeimann ein Mitgled des demokratischen Klubs, Hrn. Meder, der sich in letzter Zeit durch seine Bemühungen für die brodlosen Arbeiter verdient gemacht hat, in die Falle gelockt. Meder war als Zeuge vor die Polizei geladen; er erscheint, wird aber sogleich festgenommen und eingesteckt. Nicht besser ging es dem Vater des Verrathenen, der, als er sich bei der Polizei nach seinem Sohne, dessen Ausbleiben ihn verwundert, erkundigt, ebenfalls sogleich verhaftet wurde. Das geschieht unter den Augen der Volksvertretung; so versteht man hier die persönliche Freiheit. Man spricht von Aufhebung des demokratischen Klubs und ferneren Verhaftungen von Mitgliedern desselben. Wir können nicht umhin, dem Klub selbst einen Theil der Schuld beizumessen. Es fehlt dem Klub durchaus an dem entschiedenen Handeln, wodurch er sich zu einer Macht erheben könnte. Zum ersten Male seit seinem Bestehen hält er heut eine Volksversammlung. Ist sie wichtig genug, so wollen wir morgen darüber berichten. ‒ In Potsdam soll eine völlige Umwandlung vor sich gegangen und der alte Uebermuth wieder erwacht sein, seit immer beunruhigendere Nachrichten vom Osten eintreffen und Pfuel seine Missionsreise nach Petersburg angetreten. Ganz die alte Geschichte von Versailles.
X Berlin, 22. Juni. Das Ministerium hat sich noch nicht vervollständigt, und wir haben jetzt die Bestätigung des Gerüchtes, daß die auswärtigen Angelegenheiten speziell vom Könige geleitet werden, ohne daß das Ministerium das Recht hat miteinzuwirken oder nur in die Depeschen zu blicken. Der Abg. Rodbertus, dem das Ministerium des Innern angetragen war, hat dies dem Abg. Balzer mitgetheilt und sich unter diesen Bedingungen auch geweigert, das Portefeuille anzunehmen. Wir erhalten täglich Nachrichten aus Schlesien, daß die dortigen preußischen Offiziere, die an der polnischen Gränze stehen, mit den russischen Offizieren fraternisiren. Sie erhalten mit Silber beschlagene Knuten zum Geschenk und freuen sich schon, diese Instrumente auf den Röcken der Berliner Reaktionärs tanzen zu lassen. Der Hof hat ein gefährliches Spiel begonnen. Wir rathen ihm, darin fortzufahren. ‒ Die hiesigen Buchdrucker werden, wenn die Prinzipale ihren Forderungen nicht nachgeben, in den nächsten Tagen wahrscheinlich wieder ihre Arbeit einstellen.
103 Berlin, 21. Juni. Mit dem vor einigen Tagen hier verbreiteten Gerücht, daß 34 nordamerikanische Kriegsschiffe zur Unterstützung Deutschlands gegen Dänemark im Ansegeln seien, soll es folgende Bewandniß haben. Seit langer Zeit arbeitet Preußen für den deutschen Zollverein an Abschließung eines Handels- und Allianztraktats mit den nordamerikanischen Vereinigten Staaten. Durch den Einfluß Englands wurde der Abschluß bisher verzögert. Jetzt endlich soll der Abschluß der Verträge gelungen sein, welche zugleich die Stipulation enthalten sollen, daß die Vereinigten Staaten, gegen eine festgesetzte Remuneration, Deutschland im Kriege gegen Dänemark, und bis zur Herstellung einer eigenen deutschen Flotte, mit der ihrigen zu Hülfe kommen sollen. Demnach wird mit Hülfe Nordamerika's die schmachvolle Blokade unserer Häfen hoffentlich recht bald ein Ende nehmen. Auf dem Wege der Unterhandlung scheint dies unserm Kabinet nicht gelingen zu wollen, denn es wurden heute neuerdings Ersatzmannschaften unsern Truppen in Schleswig-Holstein per Eisenbahn nachgesandt.
103 Berlin, 22. Juni. Es ist Hansemann bis diesen Augenblick noch nicht gelungen, ein neues Ministerium zu bilden. Wohin er sich auch wandte, an Rodbertus, Milde, Pinder, überall wurde er zurückgewiesen. Da auch Bornemann und Patow nicht länger im Ministerium bleiben wollen, und Schleinitz, der nur auf Empfehlung der Prinzessin von Preußen Minister wurde, selbst Hn. Hansemann zu reaktionär scheint, so fehlen ihm in diesem Augenblick wenigstens vier Mitglieder, um das Ministerium herzustellen. Man sagt sogar, daß sich Hansemann an Beckerath und Vincke, seine Mitkämpfer auf dem Rechtsboden des seligen Landtags, gewandt habe. ‒ Ueber diese Gerüchte vergißt aber der große Haufen die in Potsdam sehr thätige Camarilla. Gestern soll daselbst ein russischer Courier angekommen sein, nach dessen Ankunft sogleich mit seiner Hinzuziehung ein großer Familienrath gehalten worden sei, nach dessen Beendigung alle Mitglieder mit fröhlichem Gesichte und der Aeußerung sich entfernten, daß man nun allen Eventualitäten mit Ruhe entgegen sehen könne. Die russischen Depeschen sollen die Versicherung gebracht haben, daß Rußland Alles für das Interesse des königlichen Hauses thun werde.
Es stehen uns große Ereignisse bevor. Russische Soldaten an der Gränze äußern bei Besuchen der diesseitigen Bekannten, daß sie nur als Freunde zu uns kommen wollen, da ja Rußland und Preußen verschwägert seien. In den Garnisonen von Pommern und Posen werden die Soldaten von den Offizieren auf den Besuch der Russen vorbereitet, daß sie nur als Freunde kämen, um den König, der von den Berlinern streng bewacht würde, zu befreien. Kommt nur immer heran, ihr russischen Armeen, damit endlich die Entscheidungsstunde schlägt.
Heute Abend findet eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub wegen Abdankung des Ministeriums ausgeschrieben ist, wobei aber auch die in Folge der Zeughauserstürmung vorgenommenen Verhaftungen zur Sprache kommen werden.
^+_* Berlin, 22. Juni. Herr v. Meyendorf, der russische Gesandte, ist unter dem Vorwande von hier abgereist, daß sich die russische Regierung mit der preußischen wegen der dänischen Angelegenheiten in Spannung befinde. In der Wirklichkeit aber hat er sich, mit Instruktionen, die er aus Potsdam selbst abgeholt, nach Petersburg begeben, um dort mit Hrn. Pfuel vom „Höllenstein“ fördersamst die geeignetsten Pläne ausbrüten zu helfen, wie die alte Wirthschaft in Deutschland auf's Schnellste wiederherzustellen und durch welche Mittel das gestürzte System „von Gottes Gnaden“ und der „väterlichen“ Regierung zu kräftigen und gegen jeden Neuerungsversuch des beschränkten Unterthanenverstandes zu sicheren sei.
125 Breslau, 20. Juni. Jetzt fangen eine Menge Bürger an, sich die Augen zu reiben bei den Nachrichten aus dem Posen'schen. Früher waren sie im herzlichsten Einverständniß mit allen Niederträchtigkeiten, die dort unter der Obhut eines Colomb, Steinäcker, Beurmann und Pfuel (von Höllenstein) von einer fanatisirten Soldateska gegen die Polen ausgeübt wurden. Jetzt merken sie beinahe, daß sie sehr bald selbst mit ihrem eigenen Gut und Blut werden ausbaden müssen, was im Großherzogthum eine Anzahl preußischer Beamten, deutscher Gutsbesitzer, Landräthe und Distriktskommissarien, in Verbindung mit jüdischem Schacher-Fanatismus und den Leitern der Reaktion in Potsdam, Berlin, Pommern etc. eingerührt haben. Man begreift jetzt allmählig, daß die Polen nach der ihnen widerfahrenen und noch fortdauernden entsetzlichen Behandlung, von gerechtem Rachegefühl aufgestachelt, sich den einziehenden Russen anschließen und Vergeltung suchen werden an den Deutschen. Um ihre Wuth auf's höchste zu entflammen, noch zu steigern, wenn dies überhaupt möglich: fahren Offiziere und Civilbeamte unermüdet in ihrer christlich-germanischen Liebesarbeit fort. Wir wollen blos ein paar Beispiele anführen.
In Czarnikau läßt der Major Griesheim mit einer Wollust fortprügeln, die nur ein ächt „preußisches Gemüth“, mit Gott für König und Vaterland, ganz erfassen kann. Gleiche Heldenthaten verrichtet ein anderer Preußenheld, der kommandirende Landwehr-Offizier in Chod-Ziesen, der die Bauern, welche keine Waffen ausliefern, weil sie keine verborgen haben, in solcher Art mit Prügeln traktiren, daß selbst der beste Knutenschwinger Rußlands über seine eigene Stümperhaftigkeit beschämt dastehen müßte. Lieutenant Oppen veranstaltet die nämlichen königlich-preußischen Amüsements in Schneidemühl. Leuten, die angeschuldigt waren ‒ von Untersuchung und Beweisen kann natürlich bei jenen preußischen Patrioten keine Rede sein ‒, daß sie im Kreise von Bekannten sich unehrerbietig gegen den König geäußert, läßt er 20-30 Stockprügel aufzählen. Der Lehrer Zoch, der Theilnahme an einem Komplott beschuldigt, erhält sofort 24 Stockschläge und wird dann nach Bromberg abgeführt. Bis Grabow bringt ihn ein Unteroffizier und ein Gemeiner des Schneidemühler Landwehr-Bataillons. Dort wird er 2 Dragonern überliefert, die ihn zwischen sich mit starken Stricken und mit jedem Arme an ein Pferd binden. Sein Schmerzgeheul war entsetzlich. Die Umstehenden riefen: „Schlagt ihn doch wenigstens gleich todt!“ aber die christlich-germanische Tapferkeit ritt mit ihm ungerührt davon.
Wie sich von selbst versteht, geht General „Shrapnell“ (sonst v. Hirrschfeld geheißen) mit bestem Beispiele voran. Bei seinem Einrücken in Znin ließ er 3 Bürger vorführen; sie verlangten, erst gehört zu werden. Sie kannten den Mann schlecht. Er ließ sie sofort auf Schütten Stroh binden und ihnen vor dem Rathhause 25 resp. 50 Stockprügel geben. Der Eine hatte 3 Zeugen seiner Unschuld vorgeschlagen; der General v. „Shrapnell“ rief: „Ei was, die Zeugen werden später vernommen werden; jetzt schlagt langsam und stark!“ Auf seinem weitern Zuge ließ er 3 Wirthen in Gora, mit Namen: Sokola, Kostrzycki und Nowak, jedem 50 Hiebe aufzählen. Wofür? Das weiß bis jetzt Niemand. Wahrscheinlich aber hier, wie überall, damit die Polen praktisch den ganzen Umfang preußischer „Intelligenz“ und „Humanität“ kennen lernen und ihre letzte Hoffnung auf den russischen Schwager setzen.
Der Unteroffizier Bauer vom 2. Bat., 18. Landwehr-Reg., hat sich zwar auch ausgezeichnet, aber auf humanere Weise. Er erschoß nämlich einen Bauer, der auf einem Felde bei Bukowice (Fraustädter Kr.) arbeitete, um, da das Bataillon nach der Heimath zurückkehrte, seinen Feldzug würdig zu beschließen. In der Gegend von Stezewo erschoß die zurückkehrende Landwehr zum Abschiede ebenfalls einen Bauer und ein Mädchen.
Das Alles sind nur ein Paar Thatsachen, die aus unzähligen ähnlichen und noch ärgern Schändlichkeiten herausgegriffen sind. Diese höllische Saat wird und muß nächstens blutig aufgehen. Dann aber erinnere sich das Volk an die Werkzeuge jener Gräuel, die den deutschen Namen geschändet haben.
Posen, 17. Juni. Man meldet aus Warschau, daß durch einen Ukas des Kaisers sämmtliche dort in der Festung gefangen gewesenen Polen in Freiheit gesetzt seyen; auch waren die nach Sibirien Deportirten begnadigt und werden auf Staatskosten in ihr Vater- zurückgebracht werden.
Den Gegensatz hierzu bilden in Posen die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein.)
12 Frankfurt, 21. Juni. Es wird weitergeredet. Ich habe mich in Resignation ergeben, als ich hörte, daß noch 100 Redner eingeschrieben seien. Täglich schreiben sich noch neue ein. Zugleich werden neue Anträge auf die Tribüne niedergelegt. Jordan hatte wohl Recht, als er die Rechte mit dem Archimedes verglich, der nur an seine Figuren dachte, als man draußen stürmte, der dem eindringenden Römer nur zurief: „Zertritt mir meine Figuren nicht.“ Die Rechte kämpft nur noch für im Land gezeichnete Figuren, aber die Linke besteht nicht aus Römern. Heute hat die Rechte ihre Koryphäen in's Feld geschickt. Der Ritter Vincke unterhielt die Versammlung eine ganze Stunde lang mit Witzeleien, so daß selbst der „edle Gagern“ zur Ordnung zu rufen sich veranlaßt fand. Der Lärm war so groß, daß mit Räumung der Tribünen gedroht werden mußte. Der Herr Vincke ist von seinen Wählern hiehergeschickt „nicht allein die Rechte des Volkes, sondern auch die der Fürsten zu vertreten,“ für die er in gewaltiger Liebe entbrannt ist. Er labt sich noch immer an dem Worte des großen Kurfürsten, welcher einst die Markaner seine „treuesten und gehorsamsten Unterthanen“ genannt hat; „wir in der Grafschaft Mark sind stolz darauf.“ Vincke's Ausspruch, „er glaube sich bisweilen eher auf einem Theater zu befinden, als in einer solchen Versammlung,“ erklärte sein Auftreten auf der Tribüne. Er schlägt den Erzherzog Johann zum Präsidenten vor. Der baierische Minister Beißler erzählt der Versammlung, daß sie hiehergekommen sei „auf Aufforderung des Bundestages, um mit den Fürsten eine Verfassung zu vereinbaren,“ und versichert uns zugleich, daß „keine Reaktion mehr möglich sei, seitdem die verschiedenen Vertreter ihre Abgeordneten hieher geschickt hätten!“ Es versteht sich von selbst, daß für ihn nur Fürsten im Centralausschuß taugen, und der Oestreicher Möhring kündigt der Versammlung sogar an, daß man in Oestreich ihrer Beschlüsse spotten würde, wenn man keine Fürsten wähle. ‒ Auf die „Vereinbarer“ folgen die „Versöhner,“ welche mit einem Vermittelungs-Antrage die ganze Versammlung unter einen Hut bringen wollen. Die Herren Schoder und Klaussen glauben, daß wenn man Deutschland einigen wolle, man mit der Versammlung jedenfalls den Anfang machen müsse. Eisenstuck vervollständigt den Kommissionsantrag dahin, daß er die Versammlung ersucht, für die vom Ausschuß vorgeschlagene Triarchie auch gleich 3 Hofstaaten und 3 Civillisten zu beschließen. Schaffrath droht der Versammlung, falls sie die Entscheidung über die Wahlen den Regierungen überlasse, in seine vaterländische Kammer zurückzukehren, um dort mit allen Kräften den Beschlüssen der Versammlung entgegenzuwirken. Wilh. Jordan hielt eine lange Rede voll glücklich und unglücklich gewählter Bilder, reich an Effekthascherei. Er schloß mit dem Wunsche: Gehe keiner der Anträge durch, welcher wenigstens die Souveränetät des Volkes rette, dann möchte der Antrag der äußersten Rechten durchgehen. Aus einem Meere von Blut werde dann ein Despot erstehen, welcher die Einheit Deutschlands, welche die Versammlung nicht habe schaffen können, mit dem Schwerte herbeiführen werde. ‒ An eine Vereinigung der Versammlung ist nicht zu denken, denn über den Blum'schen Antrag hinaus will die Linke nicht nachgeben. Der Kommissionsantrag, für den auch Flottwell und Lindenau heute auftraten, scheint indeß gefallen zu sein.
Die morgige Sitzung ist wegen des Feiertages auf Nachmittags 4 Uhr anberaumt.
15 Frankfurt, 22. Juni. In Folge eines Uebereinkommens zwischen den Parteien haben wir morgen den Schluß der unerquicklichen Debatten zu erwarten. Ueber 9 verschiedene Anträge wird abgestimmt werden, für jeden Antrag werden 2 Redner sprechen, wir haben also noch 18 zu hören. Wohin sich die Entscheidung wenden wird, läßt sich noch nicht voraussehn; die Linke und äußerste Linke werden sich bei dem Blum-Trützschler'schen vereinigen. Für den Vincke'schen Antrag erhob sich heute zwar eine große Zahl Mitglieder, ich bezweifle aber, daß sich die Mitte bis dahin drängen läßt. Etwas Halbes ist das wahrscheinliche Resultat.
Von den heutigen Rednern verdient eigentlich nur Hr. Jacobus Venedey Erwähnung. Er meinte, die Versammlung die eigentlich ganz einig, sie sei nur uneinig über die Bedeutung der gebrauchten Schlagworte. Um nun diese latente Einigkeit wirklich in's Leben zu rufen, begann er der Versammlung das Verständniß des Wortes „Revolution und Republique unue et indivisible“ zu eröffnen. Nach des Hrn. Jacobus Erwartungen wird sich die Versammlung morgen also einstimmig für einen Antrag erklären.
Tarnowitz, 17. Juni. Bereits seit acht Tagen, wo sich hier das Gerücht verbreitet, daß große russische Truppenmassen gegen unsere Gränze im Anmarsch und die Brücken über das Gränzwasser auf Befehl der russischen Regierung schleunigst reparirt, theils auch neue geschlagen werden, gehen täglich von der hier stationirenden Kompagnie des 22. Landwehrregiments des Tags und des Nachts 5 Mann mit einem Unteroffizier an die Gränze, um daselbst den Stand der Russen zu beobachten. Die rückkehrenden Patrouillen erzählen, daß das an der Gränze stehende russische Militär stets freundlich sie begrüße und ihnen versichere, auf sie nicht zu schießen, „sie seien ja Schwägersleute.“ Heute marschirte die ganze Kompagnie an die polnische Gränze, um dieselbe zu recognosciren. Gestern wurden die deutschen Kokarden dem Militär hier wieder abgenommen, doch wahrscheinlich nur wegen des heutigen Marsches. Die hiesige Kompagnie hat die Ordre, sobald russische Truppen über die Gränze kommen, sich sofort zurückzuziehen und mit den andern in Oberschlesien jetzt stationirten Truppen sich zu vereinigen. Wie mir von einem Augenzeugen erzählt wurde, sind in voriger Woche mit einem Bahnzuge von Warschau 40 Kanonen nach Czenstochau gebracht worden. Ganz Polen, zumal an unserer Gränze, soll sehr kriegerisch aussehen, jedoch auch das russische Militär, selbst die Offiziere, wissen nicht, zu welchem Zwecke die großen Rüstungen?
‒ Die Gazeta Krakowska meldet aus Petersburg, daß die dortigen Garden den Befehl erhalten hätten: am 15. Juni gegen die polnische Gränze aufzubrechen. Am 15. Juni wurde, demselben Blatte zufolge, der Fürst Paskiewitsch und Graf Orlow im Krakauischen erwartet; der Extrazug der dortigen Eisenbahn, auf welchem die Genannten das krakauische Gebiet durchreisen würden, würden, war bereits bestellt. ‒ Ferner schreibt uns ein Correspondent aus Brieg vom 17. Juni: daß dort sowohl als in den meisten Orten längs dem rechten Oderufer Alles in Allarm sei vor Besorgniß, daß die Russen bald erscheinen möchten. Man wollte das wissen, daß sich an der Gränze zwischen Kempen und Myslowitz ein großes Russenheer zusammengezogen habe. Seit 14 Tagen ist bereits der russischen sowie der preußischen Gränzbesatzung untersagt: mit einander zu verkehren, was bis jetzt auf ganz freundschaftliche Weise geschah. (Will man durch dies Verbot verhüten, daß etwa Nachrichten über die jenseitigen Vorgänge die Gränze überschreiten möchten?) ‒ Ferner will einer unserer Correspondenten in Ostrowo die authentische Nachricht brieflich aus Kalisch erhalten haben: daß 60,000 Russen binnen wenigen Tagen die preußische Gränze überschreiten würden, um das Großherzogthum Posen zu besetzen. Ja noch mehr, die russischen Truppen sollen bereits durch ein Manifest hiervon Kenntniß erhalten haben. Endlich meldet uns einer unserer Posener Correspondenten: daß die Preußen unmittelbar bei Thorn eine Schiffbrücke über die Weichsel geschlagen, die Russen aber 5 Meilen weiter hinauf dasselbe gethan haben. Daß aber in Thorn wirklich ernste Befürchtungen vor einer baldigen Belagerung vorhanden sein müssen, beweist der Umstand, daß im Thorner Wochenblatt den Bewohnern jener Stadt der Rath ertheilt wird: sich jetzt, da die Festung armirt und die Besatzung mit Proviant versehen sei, in Zeiten mit Lebensmitteln, wenigstens mit einem angemessenen Vorrath von Roggenmehl zu versorgen.
(A. O. Z.) * Prag. _
Auf die Verhandlungen der National-Versammlung über die Centralgewalt können wir erst näher eingehn, sobald uns die stenographischen Berichte vorliegen. In alter Reichstagssaumseligkeit werden diese Berichte 5-6 Tage zu spät ausgegeben. Anmerkung der Redaktion.
Diese besteht in der genannten Gegend nur aus einem 400 starken Landwehr-Bataillon, welches in 4 Städten vertheilt garnisonirt.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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