Neue Rheinische Zeitung. Nr. 27. Köln, 27. Juni 1848.kennung aller von der deutschen Nationalversammlung ausgehenden Beschlüsse ausgesprochen. Bremen, 20. Juni. Heute wurde in Vegesack das erste an der Weser erbaute Kanonenboot von der Werft des Hrn. H. Ulrichs vom Stapel verlassen. (Pr. Sk. A.)Französische Republik.
Paris, 24. Juni. Sturz des Vollziehungs-Ausschusses. Arago, Lamartine, Marie, Garnier-Pages und Ledrü-Rollin danken ab. Cavaignac zum militairischen Diktator der Republik ernannt; Paris in Belagerungszustand erklärt! (Augenblicklicher Sieg der Partei des National). Welcher Johannistag! Seit gestern Mittag unausgesetztes Kartätschen-, Tirailleurs- oder Pelotonfeuer gegen die Barrikaden, mit denen die sogenannten Hunger- oder Lumpenviertel gleichsam übersäet sind. Nein, das ist keine Emeute, kein bloßer Arbeitskrawall mehr : das ist der blutigste Prinzipienkampf, der seit 1793 in unseren Mauern ausgefochten wurde. Die Cite, das sogenannte lateinische Quartier, das Faubourg St. Marceau und die halbe Nordseite des rechten (gegenüberliegenden) Seineufers schwimmen im Blute : morgen werden sie die Bomben und glühenden Kugeln Cavaignacs wohl in einen Schutthaufen verwandelt haben. Doch greifen wir den Ereignissen nicht vor, tragen wir zunächst die letzten Handlungen der erloschenen Staatsgewalt und ihres Hauptfeindes nach: 1. Proklamation Marrasts an sämmtliche Maires von Paris. Bürger Maire! Sie sind seit diesen Morgen von den Anstrengungen Zeuge, welche eine kleine Zahl Ruhestörer macht um im Schooße der Bewohnerschaft die lebhaftesten Befürchtungen zu erregen. Die Feinde der Republik nehmen sich alle Masken, beuten alles Unglück und alle durch die Ereignisse entstandenen Schwierigkeiten aus. Fremde Agneten gesellen sich zu ihnen, wiegeln sie auf und bezahlen sie. Sie wollen nicht blos den Bürgerkrieg unter uns entzünden : Plünderung, soziale Auflösung, Frankreichs Ruin bereiten sie und man erräth zu welchem Zweck. Paris ist der Hauptsitz jener infamen Intriguen. Paris wird aber nicht zur Hauptstadt der Unordnung werden. Möge die Bürgerwehr, als erste Wächterin des Friedens und des Eigenthums, wohl begreifen, daß es sich vorzüglich um ihre Interessen, ihren Kredit, ihre Ehre handelt. Ließe sie sich im Stich (si elle s'abandonnait) so würde sie das gesammte Vaterland allen Zufällen überliefern. Familie und Eigenthum würden sie den schrecklichsten Drangsalen preisgeben. Die Truppen der Garnison sind unter den Waflen, sie sind zahlreich und vortrefflich disziplinirt. Möge sich die Bürgerwehr in ihren Vierteln an den Straßenecken aufstellen. Die Obrigkeit wird ihre Pflicht erfüllen, erfülle die Bürgerwehr die ihrige. Paris, 23. Juni, 3 Uhr. Der Volksvertreter und Maire von Paris, 2. Proklamation der Vollziehungsgewalt an die Pariser Arbeiter d. h. diejenigen Arbeiter, die aus Paris gebürtig sind. Sie beginnt: "In der Mitte des kriminellen Aufruhrs, durch welchen einige verirrte Arbeiter der Nationalwerkstätten die Hauptstadt in Betrübniß versetzen, fühlt die Regierung das Bedürfniß, in das Herz der Bevölkerung zu reden und sie aufzuklären. Arbeiter aus Paris! Die Parteiführer, welche von Faktionen (Prätendenten?) bestochen sind, haben euch überzeugen wollen, daß ihr mit in jener Maßregel begriffen seid, welche die Nationalwerkstätten auflösen, deren Arbeitermasse und unruhiger Charakter auf Paris und der ganzen Republik lastete. Arbeiter aus Paris! Das sind schändliche Verläumdungen! In Eurem Interesse; im Interesse Euerer Wiederbeschäftigung, im Interesse des Wiederbeginns der freien Privat-Industrie zu Euerem Nutzen, entschied sich die Republik, die regelmäßige Ordnung der Arbeit energisch wieder herzustellen (de retablir energiquement l'ordre regulier du travail) u. s. w." Trotz dieser schmeichelhaften Einladung haben die Pariser Proletarier ihre fremden Kameraden nicht verlassen. 3. Proklamation, die den Kriegsminister, Generallieutenant Cavaignac, zum unumschränkten Gebieter aller Streitkräfte in und um Paris ernannt. Cavaignac hat erklärt, daß er nur unter dieser Bedingung die Generalissimusstelle annehme. 4. Praklamation der Nationalversammlung, welche die Entlassung ihres Vollziehungsausschusses annimmt und den General Cavaignac zum provisorischen Präsidenten der Republik ernennt. 5. Proklamation, welche Paris in Belagerungszustand erklärt. Der Moniteur und viele andern Zeitungen haben nicht erscheinen können. - Sitzung der Nationalversammlung vom 23. Juni. - Um 1 Uhr 10 Minuten wird die Sitzung eröffnet in Gegenwart einer sehr kleinen Zahl von Repräsentanten. Wir zählen ihrer keine 300. Die öffentlichen Tribünen sind völlig von Zuschauern entblößt. Nur die, wozu man durch Billette Zutritt erhält, sind mit ihrem gewöhnlichen Publikum versehen. Hr. Pean verliest das Protokoll. Die lebhafteste Aufregung herrscht auf allen Bänken. Nach beendigter Verlesung verfließt ein ziemlich langer Zwischenraum, ehe Jemand daran denkt, das Wort zu ergreifen. Zahlreiche Repräsentanten unterhalten sich, Einer nach dem Andern, mit dem Präsidenten. Die Herren Bedeau und Lebreton sind leider in ihrer Generalsuniform. Der Präsident schellt und verlangt Stillschweigen. Ruf: Auf den Platz! Auf den Platz! Flocon (Allgemeine Spannung). Er legt einen Gesetzvorschlag nieder, der die Eröffnung eines Kredits von 5 Millionen verlangt, um der Stadt Lyon gewisse Arbeiten zu zahlen, die ihr vor drei Monaten anbefohlen worden sind. (Enttäuschung auf allen Seiten. Der Minister kehrt auf seinen Platz zurück, ohne ein Wort zu sagen.) General Lebreton legt einen Dekretvorschlag über das Gesetz der Cumulation, so weit es die Offiziere und Unteroffiziere der Nationalgarde betrifft vor. Er glaubt einen Wunsch der Versammlung zu erfüllen, in den Umständen, worin sie sich befindet, indem er ihr vorschlägt, eine Kommission von Volksrepräsentanten zu ernennen, die sich in die Mitte der Truppen begebe, um die Versammlung über den Stand der Dinge aufzuklären. (Heftiges Gemurre.) Er glaubt, daß es die Pflicht der Versammlung ist, eine aktive Rolle in den Unruhen, welche die Stadt bewegen, zu spielen. Eine Stimme: Gehen Sie selbst hin. Sie thun hier nicht was einem guten Patrioten zusteht. General Lebreton glaubt, daß man ihn schlecht verstanden hat und entwickelt seine Ansicht näher. Die Kommission, die er gewählt zu sehen wünscht, sei es durch die Versammlung, sei es durch den Präsidenten, solle nicht in einer aktiven Manier in den Ereignissen, die vorgehen, interveniren. Ihre Gegenwart in der Mitte der Truppen soll ihnen Vertrauen einflößen und zu gleicher Zeit im Fall der Dringlichkeit der Versammlung Bericht abstatten von dem, was sich ereignet. General Loidet bekämpft den Vorschlag seines Kollegen und zahlreiche Stimmen verlangen die Tagesordnung. Baune: Unter den Umständen, worin wir uns befinden, haben wir alle Pflichten zu erfüllen, und ich bin erstaunt, die Mitglieder der exekutiven Kommission nicht hier zu sehen; und dennoch war ihre Stelle hier. (Heftiger Tumult. Zahlreiche Stimmen: Zur Ordnung!) In diesem Augenblick ist die Versammlung vollzählig und die heftigsten Interpellationen in dem verschiedensten Sinne durchkreuzen sich. Baune befindet sich fortwährend auf der Tribüne. Der Sturm legt sich und der Präsident bringt die Tagesordnung zur Abstimmung. Sie wird mit ungeheurer Mehrheit angenommen. Portalis ersetzt Senard auf dem Präsidentenstuhl. Langlade, Datirel, Wolowski legen verschiedene Gesetzvorschläge nieder. Pagnerre, Bethmont und Marie treten in den Saal; sie sind in den Couloirs der Gegenstand zahlreicher Interpellationen. Senard: Ich verlange von der Versammlung die Erlaubniß, einen Augenblick ihre Diskussion zu unterbrechen, um ihr zu bringen... (Heftiges Gemurre) sehr tröstliche Nachrichten, die mir von allen Punkten von Paris zugehen. Die republikanische Garde hat so eben am Ende der Straße Blanche-Mibray zwei Barrikaden weggenommen und der Chef der der Versammlung angehörigen Polizei unterrichtet mich, daß sowohl die auf den Quais und den Boulevards als in den anliegenden Straßen aufgeworfenen Barrikaden, ohne vielen Widerstand von der Nationalgarde und den Linientruppen weggenommen worden sind. Der Posten des Boulevard Bonne Nouvelle hat aus eigenem Antrieb auf eine Gruppe von Insurgenten Feuer gegeben. Noch mehr, wie man sagt, sind einige Flintenschüsse in der Straße Hachette aus dem Fenster gefallen. (Tiefes Stillschweigen.) Portalis: An der Tagesordnung ist die Wiederaufnahme der Diskussion über den Ankauf der Eisenbahnen. Bineau verlangt das Wort für eine Ordnungsfrage. Er erinnert, daß am Ende der gestrigen Sitzung der Minister der öffentlichen Arbeiten einen Dekretentwurf vorgelegt hat, wodurch er einen Kredit von 5 Millionen verlangte zur Vollendung der Eisenbahn von Collonges - Straße von Chalons nach Lyon. - Dieß muß ein Irrthum sein. In allen Fällen, da die Zuschlagung dieses Wegs stattgefunden hat, da die Kompagnie, der er angehört, noch in regelmäßigem Besitz desselben ist und nur in Folge eines noch nicht erlassenen Gesetzes expropriirt werden kann, verlange er, daß die Vorlegung dieses Dekretentwurfs als nicht geschehn betrachtet werde und daß die Versammlung ihn weder an eine Spezialkommission noch an ihr Comite verweisen. (Bewegung). Trelat erklärt, daß in diesem Augenblick Besprechungen stattfinden, mit der erwähnten Kompagnie. Er glaubt, daß die stattgehabten Unterhandlungen ihn zur Ansicht berechtigen, daß es nicht unpassend sei den Abschluß dieser Angelegenheit zu beschleunigen. Bineau besteht auf seinem Antrag. Trelat bemerkt, daß er auf das Ersuchen der Deputation von Lyon gehandelt habe. Der Maire von Lyon nimmt das Wort, um Bineau's Vorschlag zu bekämpfen im Namen der Ordnung und der Ruhe, die in diesem Augenblick in Lyon so bedroht seien, wie in Paris. Duclerc: Ich glaube, Niemand wird das Zeitgemäße der Vorlage des Gesetzentwurfs diskutiren. Ich muß Ihnen indeß erklären, daß die Regierung ihre Zustimmung dazu giebt, daß die Diskussion dieses Entwurfs erst nach der des Gesetzentwurfs über die Eisenbahnen statthabe. Flocon auf die Aeußerung eines frühern Redners zurückkommend beruhigt die Versammlung über die scheinbare Abwesenheit der Exekutivkommission. Sie sei vereinigt in dem Palast der Nationalversammlung selbst und vollständig zu ihrer Verfügung. Der Minister fügt hinzu, daß die Unruhen, die Paris in diesem Augenblick bewegen, fast vorhergesehen waren. Welche Fahne auch immer die Insurrektion aufpflanze, alle der Republik feindlichen Faktionen sind vereinigt. Wenn man den Faden dieser Emeute aufsuchen gehe, würde man mehr finden als die Umtriebe eines Prätendenten, als die Umtriebe der Faktionen, man würde hierin noch die des Auslands finden. (Auf dem Berg: Bravo! So ist's!) Es sind die Republikaner, an die ich mich adressire. (Heftiges Gemurre). Zahlreiche Stimmen: Hier giebt es nichts als Republikaner. Flocon: Ich glaube, wie Sie, daß es hier nur Republikaner giebt. Nun wohl! Ich frage die Republikaner ausserhalb dieser Versammlung, ob sie nicht erwarten mußten nach einer Revolution, wie die unsrige, nach der Wegfegung so vieler monarchischer Institutionen, alle Intriguen sich vereinigen zu sehen, um die Republik zu bekämpfen. Nicht allein die Prätendenten, alle Feinde die die Republik im Ausland zählt, sind in diesem Augenblick, verbunden, um die Republik zu bekämpfen und zu stürzen. (Bravos auf dem Berg.) De Falloux verlangt das Wort im Namen der Arbeiterkommission um einen Bericht dieser Kommission zu verlesen. Dieses Verlangen findet eine lebhafte Opposition auf dem Berg! als die Versammlung be schließt mit großer Mehrheit, daß ihm nachgekommen wird. Falloux: Bürger, durch euch beauftragt, ein definitives Gesetz bezüglich der Nationalwerkstätten vorzubereiten, hat die Kommission die Ehre Ihnen das Resultat ihrer Deliberationen vorzulegen. Die Mißbräuche, die sie in ihrem Schooß bergen, haben alle Augen zu lebhaft geschlagen, als daß es nicht nöthig wäre, ihnen sobald als möglich ein Ende zu machen. Die von Ihnen prinzipiell beschlossen e Auflösung der Nationalwerkstätten muß sobald als möglich stattfinden. Wir sind überzeugt, daß die provisorisch ergriffnen Maßregeln zur Unterstützung der Arbeiter ihrem eignen Zwecke direkt entgegenwirkten. Nach Entwicklung der allgemeinen Ansichten, worauf sein Bericht fußt, schlägt die Kommission vor, dem Minister einen Kredit zu eröffnen, der ihm erlaubt, den Arbeitern die Hülfsleistungen zu reichen, womit sie in ihre respektiven Domicile zurückkehren und Arbeit finden (suchen?) können. Zahlreiche ministerielle Kapitalisten verlangen außerdem Hülfsleistungen und Anleihen, die sie in Stand setzen werden, zahlreiche Hände zu beschäftigen (das englische hand heißt französisch bras) und die Kommission ist auch der Ansicht, daß man Mittel zur Verfügung des Ministers stelle, um durch Vorschüsse diese Wiederaufnahme der Arbeiten der Privatindustrie zu begünstigen, wie um den Geist der Association unter den Arbeitern. Der Dekretentwurf enthält 6 Artikel : Art. 1. Die Nationalwerkstätten sind 3 Tage nach Verkündung des Dekrets aufgelößt. Art. 2. Die Frauenwerkstätten sind von dieser Maßregel ausgenommen. Art. 3. Ein Kredit von 3 Millionen ist dem Minister der öffentlichen Arbeiten eröffnet für zeitweilige Unterstützung der Arbeiter. Art. 4. Die in den Nationalwerkstätten angestellten Brigadiers fahren fort, ihr Salair während 3 Wochen noch zu empfangen. Art. 5. Jeder, der an den öffentlichen Zusammenschaarungen Theil nimmt, geht der auf dies Dekret ihm zufallenden Vortheile verlustig. Art. 6. Ein Kredit von 5 Millionen wird eröffnet, um den Industrieunternehmern Summen zu leihen, die ihnen erlauben ihre Arbeiten auf einer großen Stufenleiter wieder zu beginnen. Corbon verliest, im Namen des Comites der Arbeiter, einen Dekretentwurf, den dies Comite diesen Morgen selbst redigirte, in Folge eines Vorschlags von Herrn Aican, mit dessen Untersuchung es beauftragt worden und der die Entwicklung des Associationsgeistes unter den Arbeitern bezweckte. Man glaubte vor Verlesung desselben vor der Nationalversammlung erst abwarten zu müssen, daß die in der Versammlung herrschende Aufregung sich gelegt, damit man nicht glaube sie berathschlage unter dem Einfluß der Drohungen der Emeute; aber man hat darauf bestanden, und der Redner hielt es für seine Pflicht die schon gefaßten Beschlüsse des Comites der N. V. mitzutheilen. Mehre Mitglieder des Comites der Arbeiter bemerken, daß das Comite nicht regelgemäß über den von Herrn Corbon gestellten Vorschlag berathschlagt hat. Er sei nur das Resume eines Berichts, den eine hierzu ernannte Unterkommission beauftragt war, ihr über den Vorschlag des Herrn Alcan zu machen. Es würde daher angemessen gewesen sein, daß das Comite der Arbeiter vorläufig zur Untersuchung dieses Vorschlags eingegangen worden sei, das seiner Sanktion bedurft hätte, ehe man ihn der N. B. vorgelegt. Die vorläufige Frage wird verlangt und entschieden. (Reklamationen in verschiedenem Sinne.) Corbon setzt die Beweggründe der Dringlichkeit auseinander, welche die Unterkommission bestimmt haben, die konventionellen Rücksichten unberücksichtigt zu lassen. Zahlreiche Stimmen. Die Tagesordnung! Duclerc. (Lärm auf der äußersten Linken.) So lange ich Minister bleibe, glaube ich nicht, daß die Kammer mich tadeln wird, wenn ich alle Pflichten des Ministers erfülle. Ich glaube die beiden Vorschläge, die sie so eben gehört, bekämpfen zu müssen. Im Interesse eurer Finanzen ist es nöthig, daß ihr hier die Ordnung eurer Ausgaben regelt. Ich bestreite nicht, ich bin weit davon entfernt, dies Recht der Initiative; aber es ist klar. Wenn Euch jeder hier neue Ausgaben vorschlagen kann, ist keine fixe Comptabilität mehr möglich und ihr geht direkt auf den Bankerut los. Felloux setzt auseinander, daß es sich hier nur um die Verwendung der Summe handelt, die nothwendig behufs der Nationalwerkstätten zugeschlagen werden müssen, wenn ihre Fortdauer statthaben sollte. Es fände hier keine neue Ausgabe statt. Der Präsident. Eine zweite Mittheilung von Seiten der Executivkommission! Trilat. Ich habe diesen Morgen den Besuch einer großen Zahl von Arbeitern der Nationalwerkstätten erhalten, die nähere Ausweisungen über eure Absichten verlangten. Fordert man also, daß wir uns von allem trennen, was uns am theuersten ist? Ich antwortete, unsern frühern Entscheidungen gemäß, daß die Regierung nur die fremden Arbeiter von der Hauptstadt entfernen wollte. Ich vernehme so eben einen Vorschlag, der die sofortige Auflösung der Nationalwerkstätten bezweckt und ich will nicht für eine Maßregel persönlich verantwortlich sein, die meinen Privatansichten gänzlich widerspricht. Die Tagesordnung wird wieder aufgenommen. Breton unterstützt die Frage der Dringlichkeit für einen vor einigen Tagen gemachten Vorschlag, nach welchem die exekutive Kommission der Nationalversammlung sofort eine exakte detaillirte Rechnungsablage über die Einnahme und Ausgabe der Regierung vom 24. Februar bis zum 1. Juni abstatten solle. In seinem Departement lege man den Steuerpflichtigen täglich neue Opfer auf. Sie verlangten zu wissen, welchen Gebrauch man von ihrem Gelde mache. Lebhafte Reklamationen in verschiedenen Theilen des Saales. Der Präsident befragt die Versammlung, die mit großer Mehrheit die Dringlichkeitsfrage bejahend beantwortet. Man verlangt unmittelbar die Verweisung des Vorschlags, ohne weitere Entwickelung, an das Finanzcomite. Die Verweisung wird beschlossen. Duclerc. So lang ich Finanzminister bin, habe ich mich nie geweigert Nachweisungen zu geben, die verlangt wurden, sei es von den Repräsentanten, sei es vom Finanzkomite. Ich habe es immer im Umfang meiner Kräfte gethan. Ich werde immer bereit sein, den Befehlen der Versammlung zu gehorchen. Indessen wünschte ich zu wissen, was man unter den Worten, in der kürzesten Frist versteht? Ist dieß ein Angriff? aber man weiß wohl, daß die Komptabilität so verwickelt ist, daß der verlangte Bericht nothwendig Zeit erfordert. Breton. Wir haben nur die wohlwollendsten Absichten. Wir wollen wissen, woran wir sind. Oberst Ambert legt einen Bericht nieder über den Dekretentwurf bezüglich der freiwilligen Einrollirungen in der Armee. Die allgemeine Diskussion des Entwurfs bezüglich des Eisenbahnankaufs wird wieder aufgenommen. Guerin verliest eine Rede zu Gunsten des Entwurfs, sucht Montalembert zu antworten, fesselt die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht. Jorez hat das Wort. Entschiedner Parteigänger der Ausführung der großen gemeinnützigen Arbeiten durch den Staat, bekämpft er nichts destoweniger den Vorschlag des Eisenbahnankaufs und verliest eine lange Abhandlung hierüber. Während der Verlesung dieser mit viel Geläufigkeit abgerollten Abhandlung, kehrt ein großer Theil der Repräsentanten, die im Konferenzsaal plaudern gegangen waren zurück, um die Plätze auf den Bänken wieder einzunehmen. Ein Blitz beleuchtet in diesem Augenblick das Halbdunkel, das in dem Saal herrscht und kündet ein heftiges Gewitter an, das sich in diesem Augenblicke auf Paris entladet. Der Präsident zeigt an, daß er durch Vermittlung des Hrn. Antony Thouret einen folgendermaßen abgefaßten Brief erhält: "Die Abgesandten der Julidekorirten, 1500 an der Zahl, bereit für die Vertheidigrng der Republik zu sterben, kommen sich zur Verfügung der Versammlung stellen." Der Präsident fügt hinzu, daß er der Dollmetscher der Gefühle der Versammlung zu sein glaubte, als er den Delegirten für diesen Akt der Hingebung an die Republik dankte, die mit solchen Vertheidigern keine Gefahr laufe. Zahlreiche Stimmen. Ja! Ja! Es lebe die Republik! Laurent spricht zu Gunsten des Gesetzentwurfs. Seine Rede wird nicht gehört, und mehre Repräsentanten beklagen sich wiederholt, nichts davon vernehmen zu können, wegen der bedeckten Stimme des Redners. Der Präsident verliest verschiedene Briefe des Polizeipräfekten. Der erste, von ein Uhr datirt, zeigt an: "daß um 10 Uhr der Rappel im 8. Arrondissement geschlagen wurde und daß die Nationalgarde eine Barrikade nach der andern wegräumte. Das läßt Euch hoffen, daß das Fbg. St. Antoine keine von den Insurgenten gemachten Versuche dulden wird." Eilf ein viertel Uhr. - Einige Offiziere der republikanischen Garde haben den Platz Dauphine von 80 Individuen ungefähr gesäubert, die aus riefen: Es lebe die rothe Republik! Die Barrikade des Porte St. Denis ist durch die Nationalgarde besetzt; in der Straße St. Martin an der Ecke der Straßen St. Mery und St. Jaques la Boucherie sind die Nationalgarden mit Niederreissen der Barrikaden beschäftigt. Zwei Uhr. - Man versucht die Barrikaden in der Cite wegzunehmen. Mehre Gardiens von Paris sind auf die Mairien geschickt worden und marschiren in den Reihen der Nationalgarde; diese letztere wird trefflich unterstützt durch die republikanische Garde zu Pferde. Es ist uns gleichmäßig ein Dokument zugegangen, das folgendermaßen abgefaßt ist: "Die zweite Legion der Nationalgarde ist gegen die Barrikade des Boulevard marschirt. Ein Kind nahm die Fahne weg, die man hier aufgepflanzt hatte. Es befindet sich in diesem Augenblicke in eurem Konferenzsaal." Ich muß ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß eine gewisse Zahl von Volksrepräsentanten von mir die Bewilligung verlangt hat, sich zur Verfügung des Generals Cavaignac zu stellen, um überall unter den Vertheidigern der Republik zu figuriren, wo ihre Gegenwart nützlich wäre. Ich habe ihnen geantwortet, daß ich individuell ihnen keinen Rath zu geben hätte, und ich habe hinzugefügt, daß im Fall der Dringlichkeit die gesammte Nationalversammlung und nicht einzelne isolirte Repräsentanten sich auf den Schauplatz der Gefahr begeben würden. (Lebhafter Beifall) Nationalversammlung. Um 81/4 Uhr wurde die Sitzung wieder aufgenommen. Präsident Senard meldet die Verwundung mehrerer Deputirten, die am Barrikadensturm Theil nahmen (darunter Clemens Thomas, Dornes u. A.). Considerant schlägt eine Proklamation an die Kämpfenden vor, um die unter ihnen verbreiteten Gerüchte zu widerlegen, und dem Blutbade Einhalt zu thun. (Zur Rechten: Ah! Sie wollen mit der Emeute paktisiren!) Baze und mehrere andere Ultrakonservative wollen ihn vom Rede-Stuhle reißen, werden aber noch bei Zeiten daran gehindert. Considerant versichert hoch und theuer, daß er nicht mit der Emeute paktisiren wolle. Half aber Alles nichts, sein Vorschlag fiel durch. Perree erzählt dann, wie Arago und Lamartine zu den Barrikaden geritten seien, und nach vergeblichem Parlamentiren kennung aller von der deutschen Nationalversammlung ausgehenden Beschlüsse ausgesprochen. Bremen, 20. Juni. Heute wurde in Vegesack das erste an der Weser erbaute Kanonenboot von der Werft des Hrn. H. Ulrichs vom Stapel verlassen. (Pr. Sk. A.)Französische Republik.
Paris, 24. Juni. Sturz des Vollziehungs-Ausschusses. Arago, Lamartine, Marie, Garnier-Pages und Ledrü-Rollin danken ab. Cavaignac zum militairischen Diktator der Republik ernannt; Paris in Belagerungszustand erklärt! (Augenblicklicher Sieg der Partei des National). Welcher Johannistag! Seit gestern Mittag unausgesetztes Kartätschen-, Tirailleurs- oder Pelotonfeuer gegen die Barrikaden, mit denen die sogenannten Hunger- oder Lumpenviertel gleichsam übersäet sind. Nein, das ist keine Emeute, kein bloßer Arbeitskrawall mehr : das ist der blutigste Prinzipienkampf, der seit 1793 in unseren Mauern ausgefochten wurde. Die Cité, das sogenannte lateinische Quartier, das Faubourg St. Marceau und die halbe Nordseite des rechten (gegenüberliegenden) Seineufers schwimmen im Blute : morgen werden sie die Bomben und glühenden Kugeln Cavaignacs wohl in einen Schutthaufen verwandelt haben. Doch greifen wir den Ereignissen nicht vor, tragen wir zunächst die letzten Handlungen der erloschenen Staatsgewalt und ihres Hauptfeindes nach: 1. Proklamation Marrasts an sämmtliche Maires von Paris. Bürger Maire! Sie sind seit diesen Morgen von den Anstrengungen Zeuge, welche eine kleine Zahl Ruhestörer macht um im Schooße der Bewohnerschaft die lebhaftesten Befürchtungen zu erregen. Die Feinde der Republik nehmen sich alle Masken, beuten alles Unglück und alle durch die Ereignisse entstandenen Schwierigkeiten aus. Fremde Agneten gesellen sich zu ihnen, wiegeln sie auf und bezahlen sie. Sie wollen nicht blos den Bürgerkrieg unter uns entzünden : Plünderung, soziale Auflösung, Frankreichs Ruin bereiten sie und man erräth zu welchem Zweck. Paris ist der Hauptsitz jener infamen Intriguen. Paris wird aber nicht zur Hauptstadt der Unordnung werden. Möge die Bürgerwehr, als erste Wächterin des Friedens und des Eigenthums, wohl begreifen, daß es sich vorzüglich um ihre Interessen, ihren Kredit, ihre Ehre handelt. Ließe sie sich im Stich (si elle s'abandonnait) so würde sie das gesammte Vaterland allen Zufällen überliefern. Familie und Eigenthum würden sie den schrecklichsten Drangsalen preisgeben. Die Truppen der Garnison sind unter den Waflen, sie sind zahlreich und vortrefflich disziplinirt. Möge sich die Bürgerwehr in ihren Vierteln an den Straßenecken aufstellen. Die Obrigkeit wird ihre Pflicht erfüllen, erfülle die Bürgerwehr die ihrige. Paris, 23. Juni, 3 Uhr. Der Volksvertreter und Maire von Paris, 2. Proklamation der Vollziehungsgewalt an die Pariser Arbeiter d. h. diejenigen Arbeiter, die aus Paris gebürtig sind. Sie beginnt: „In der Mitte des kriminellen Aufruhrs, durch welchen einige verirrte Arbeiter der Nationalwerkstätten die Hauptstadt in Betrübniß versetzen, fühlt die Regierung das Bedürfniß, in das Herz der Bevölkerung zu reden und sie aufzuklären. Arbeiter aus Paris! Die Parteiführer, welche von Faktionen (Prätendenten?) bestochen sind, haben euch überzeugen wollen, daß ihr mit in jener Maßregel begriffen seid, welche die Nationalwerkstätten auflösen, deren Arbeitermasse und unruhiger Charakter auf Paris und der ganzen Republik lastete. Arbeiter aus Paris! Das sind schändliche Verläumdungen! In Eurem Interesse; im Interesse Euerer Wiederbeschäftigung, im Interesse des Wiederbeginns der freien Privat-Industrie zu Euerem Nutzen, entschied sich die Republik, die regelmäßige Ordnung der Arbeit energisch wieder herzustellen (de rétablir énergiquement l'ordre régulier du travail) u. s. w.“ Trotz dieser schmeichelhaften Einladung haben die Pariser Proletarier ihre fremden Kameraden nicht verlassen. 3. Proklamation, die den Kriegsminister, Generallieutenant Cavaignac, zum unumschränkten Gebieter aller Streitkräfte in und um Paris ernannt. Cavaignac hat erklärt, daß er nur unter dieser Bedingung die Generalissimusstelle annehme. 4. Praklamation der Nationalversammlung, welche die Entlassung ihres Vollziehungsausschusses annimmt und den General Cavaignac zum provisorischen Präsidenten der Republik ernennt. 5. Proklamation, welche Paris in Belagerungszustand erklärt. Der Moniteur und viele andern Zeitungen haben nicht erscheinen können. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 23. Juni. ‒ Um 1 Uhr 10 Minuten wird die Sitzung eröffnet in Gegenwart einer sehr kleinen Zahl von Repräsentanten. Wir zählen ihrer keine 300. Die öffentlichen Tribünen sind völlig von Zuschauern entblößt. Nur die, wozu man durch Billette Zutritt erhält, sind mit ihrem gewöhnlichen Publikum versehen. Hr. Pèan verliest das Protokoll. Die lebhafteste Aufregung herrscht auf allen Bänken. Nach beendigter Verlesung verfließt ein ziemlich langer Zwischenraum, ehe Jemand daran denkt, das Wort zu ergreifen. Zahlreiche Repräsentanten unterhalten sich, Einer nach dem Andern, mit dem Präsidenten. Die Herren Bedeau und Lebreton sind leider in ihrer Generalsuniform. Der Präsident schellt und verlangt Stillschweigen. Ruf: Auf den Platz! Auf den Platz! Flocon (Allgemeine Spannung). Er legt einen Gesetzvorschlag nieder, der die Eröffnung eines Kredits von 5 Millionen verlangt, um der Stadt Lyon gewisse Arbeiten zu zahlen, die ihr vor drei Monaten anbefohlen worden sind. (Enttäuschung auf allen Seiten. Der Minister kehrt auf seinen Platz zurück, ohne ein Wort zu sagen.) General Lebreton legt einen Dekretvorschlag über das Gesetz der Cumulation, so weit es die Offiziere und Unteroffiziere der Nationalgarde betrifft vor. Er glaubt einen Wunsch der Versammlung zu erfüllen, in den Umständen, worin sie sich befindet, indem er ihr vorschlägt, eine Kommission von Volksrepräsentanten zu ernennen, die sich in die Mitte der Truppen begebe, um die Versammlung über den Stand der Dinge aufzuklären. (Heftiges Gemurre.) Er glaubt, daß es die Pflicht der Versammlung ist, eine aktive Rolle in den Unruhen, welche die Stadt bewegen, zu spielen. Eine Stimme: Gehen Sie selbst hin. Sie thun hier nicht was einem guten Patrioten zusteht. General Lebreton glaubt, daß man ihn schlecht verstanden hat und entwickelt seine Ansicht näher. Die Kommission, die er gewählt zu sehen wünscht, sei es durch die Versammlung, sei es durch den Präsidenten, solle nicht in einer aktiven Manier in den Ereignissen, die vorgehen, interveniren. Ihre Gegenwart in der Mitte der Truppen soll ihnen Vertrauen einflößen und zu gleicher Zeit im Fall der Dringlichkeit der Versammlung Bericht abstatten von dem, was sich ereignet. General Loidet bekämpft den Vorschlag seines Kollegen und zahlreiche Stimmen verlangen die Tagesordnung. Baune: Unter den Umständen, worin wir uns befinden, haben wir alle Pflichten zu erfüllen, und ich bin erstaunt, die Mitglieder der exekutiven Kommission nicht hier zu sehen; und dennoch war ihre Stelle hier. (Heftiger Tumult. Zahlreiche Stimmen: Zur Ordnung!) In diesem Augenblick ist die Versammlung vollzählig und die heftigsten Interpellationen in dem verschiedensten Sinne durchkreuzen sich. Baune befindet sich fortwährend auf der Tribüne. Der Sturm legt sich und der Präsident bringt die Tagesordnung zur Abstimmung. Sie wird mit ungeheurer Mehrheit angenommen. Portalis ersetzt Senard auf dem Präsidentenstuhl. Langlade, Datirel, Wolowski legen verschiedene Gesetzvorschläge nieder. Pagnerre, Bethmont und Marie treten in den Saal; sie sind in den Couloirs der Gegenstand zahlreicher Interpellationen. Senard: Ich verlange von der Versammlung die Erlaubniß, einen Augenblick ihre Diskussion zu unterbrechen, um ihr zu bringen… (Heftiges Gemurre) sehr tröstliche Nachrichten, die mir von allen Punkten von Paris zugehen. Die republikanische Garde hat so eben am Ende der Straße Blanche-Mibray zwei Barrikaden weggenommen und der Chef der der Versammlung angehörigen Polizei unterrichtet mich, daß sowohl die auf den Quais und den Boulevards als in den anliegenden Straßen aufgeworfenen Barrikaden, ohne vielen Widerstand von der Nationalgarde und den Linientruppen weggenommen worden sind. Der Posten des Boulevard Bonne Nouvelle hat aus eigenem Antrieb auf eine Gruppe von Insurgenten Feuer gegeben. Noch mehr, wie man sagt, sind einige Flintenschüsse in der Straße Hachette aus dem Fenster gefallen. (Tiefes Stillschweigen.) Portalis: An der Tagesordnung ist die Wiederaufnahme der Diskussion über den Ankauf der Eisenbahnen. Bineau verlangt das Wort für eine Ordnungsfrage. Er erinnert, daß am Ende der gestrigen Sitzung der Minister der öffentlichen Arbeiten einen Dekretentwurf vorgelegt hat, wodurch er einen Kredit von 5 Millionen verlangte zur Vollendung der Eisenbahn von Collonges ‒ Straße von Chalons nach Lyon. ‒ Dieß muß ein Irrthum sein. In allen Fällen, da die Zuschlagung dieses Wegs stattgefunden hat, da die Kompagnie, der er angehört, noch in regelmäßigem Besitz desselben ist und nur in Folge eines noch nicht erlassenen Gesetzes expropriirt werden kann, verlange er, daß die Vorlegung dieses Dekretentwurfs als nicht geschehn betrachtet werde und daß die Versammlung ihn weder an eine Spezialkommission noch an ihr Comité verweisen. (Bewegung). Trèlat erklärt, daß in diesem Augenblick Besprechungen stattfinden, mit der erwähnten Kompagnie. Er glaubt, daß die stattgehabten Unterhandlungen ihn zur Ansicht berechtigen, daß es nicht unpassend sei den Abschluß dieser Angelegenheit zu beschleunigen. Bineau besteht auf seinem Antrag. Trèlat bemerkt, daß er auf das Ersuchen der Deputation von Lyon gehandelt habe. Der Maire von Lyon nimmt das Wort, um Bineau's Vorschlag zu bekämpfen im Namen der Ordnung und der Ruhe, die in diesem Augenblick in Lyon so bedroht seien, wie in Paris. Duclerc: Ich glaube, Niemand wird das Zeitgemäße der Vorlage des Gesetzentwurfs diskutiren. Ich muß Ihnen indeß erklären, daß die Regierung ihre Zustimmung dazu giebt, daß die Diskussion dieses Entwurfs erst nach der des Gesetzentwurfs über die Eisenbahnen statthabe. Flocon auf die Aeußerung eines frühern Redners zurückkommend beruhigt die Versammlung über die scheinbare Abwesenheit der Exekutivkommission. Sie sei vereinigt in dem Palast der Nationalversammlung selbst und vollständig zu ihrer Verfügung. Der Minister fügt hinzu, daß die Unruhen, die Paris in diesem Augenblick bewegen, fast vorhergesehen waren. Welche Fahne auch immer die Insurrektion aufpflanze, alle der Republik feindlichen Faktionen sind vereinigt. Wenn man den Faden dieser Emeute aufsuchen gehe, würde man mehr finden als die Umtriebe eines Prätendenten, als die Umtriebe der Faktionen, man würde hierin noch die des Auslands finden. (Auf dem Berg: Bravo! So ist's!) Es sind die Republikaner, an die ich mich adressire. (Heftiges Gemurre). Zahlreiche Stimmen: Hier giebt es nichts als Republikaner. Flocon: Ich glaube, wie Sie, daß es hier nur Republikaner giebt. Nun wohl! Ich frage die Republikaner ausserhalb dieser Versammlung, ob sie nicht erwarten mußten nach einer Revolution, wie die unsrige, nach der Wegfegung so vieler monarchischer Institutionen, alle Intriguen sich vereinigen zu sehen, um die Republik zu bekämpfen. Nicht allein die Prätendenten, alle Feinde die die Republik im Ausland zählt, sind in diesem Augenblick, verbunden, um die Republik zu bekämpfen und zu stürzen. (Bravos auf dem Berg.) De Falloux verlangt das Wort im Namen der Arbeiterkommission um einen Bericht dieser Kommission zu verlesen. Dieses Verlangen findet eine lebhafte Opposition auf dem Berg! als die Versammlung be schließt mit großer Mehrheit, daß ihm nachgekommen wird. Falloux: Bürger, durch euch beauftragt, ein definitives Gesetz bezüglich der Nationalwerkstätten vorzubereiten, hat die Kommission die Ehre Ihnen das Resultat ihrer Deliberationen vorzulegen. Die Mißbräuche, die sie in ihrem Schooß bergen, haben alle Augen zu lebhaft geschlagen, als daß es nicht nöthig wäre, ihnen sobald als möglich ein Ende zu machen. Die von Ihnen prinzipiell beschlossen e Auflösung der Nationalwerkstätten muß sobald als möglich stattfinden. Wir sind überzeugt, daß die provisorisch ergriffnen Maßregeln zur Unterstützung der Arbeiter ihrem eignen Zwecke direkt entgegenwirkten. Nach Entwicklung der allgemeinen Ansichten, worauf sein Bericht fußt, schlägt die Kommission vor, dem Minister einen Kredit zu eröffnen, der ihm erlaubt, den Arbeitern die Hülfsleistungen zu reichen, womit sie in ihre respektiven Domicile zurückkehren und Arbeit finden (suchen?) können. Zahlreiche ministerielle Kapitalisten verlangen außerdem Hülfsleistungen und Anleihen, die sie in Stand setzen werden, zahlreiche Hände zu beschäftigen (das englische hand heißt französisch bras) und die Kommission ist auch der Ansicht, daß man Mittel zur Verfügung des Ministers stelle, um durch Vorschüsse diese Wiederaufnahme der Arbeiten der Privatindustrie zu begünstigen, wie um den Geist der Association unter den Arbeitern. Der Dekretentwurf enthält 6 Artikel : Art. 1. Die Nationalwerkstätten sind 3 Tage nach Verkündung des Dekrets aufgelößt. Art. 2. Die Frauenwerkstätten sind von dieser Maßregel ausgenommen. Art. 3. Ein Kredit von 3 Millionen ist dem Minister der öffentlichen Arbeiten eröffnet für zeitweilige Unterstützung der Arbeiter. Art. 4. Die in den Nationalwerkstätten angestellten Brigadiers fahren fort, ihr Salair während 3 Wochen noch zu empfangen. Art. 5. Jeder, der an den öffentlichen Zusammenschaarungen Theil nimmt, geht der auf dies Dekret ihm zufallenden Vortheile verlustig. Art. 6. Ein Kredit von 5 Millionen wird eröffnet, um den Industrieunternehmern Summen zu leihen, die ihnen erlauben ihre Arbeiten auf einer großen Stufenleiter wieder zu beginnen. Corbon verliest, im Namen des Comités der Arbeiter, einen Dekretentwurf, den dies Comité diesen Morgen selbst redigirte, in Folge eines Vorschlags von Herrn Aican, mit dessen Untersuchung es beauftragt worden und der die Entwicklung des Associationsgeistes unter den Arbeitern bezweckte. Man glaubte vor Verlesung desselben vor der Nationalversammlung erst abwarten zu müssen, daß die in der Versammlung herrschende Aufregung sich gelegt, damit man nicht glaube sie berathschlage unter dem Einfluß der Drohungen der Emeute; aber man hat darauf bestanden, und der Redner hielt es für seine Pflicht die schon gefaßten Beschlüsse des Comités der N. V. mitzutheilen. Mehre Mitglieder des Comités der Arbeiter bemerken, daß das Comité nicht regelgemäß über den von Herrn Corbon gestellten Vorschlag berathschlagt hat. Er sei nur das Resume eines Berichts, den eine hierzu ernannte Unterkommission beauftragt war, ihr über den Vorschlag des Herrn Alcan zu machen. Es würde daher angemessen gewesen sein, daß das Comité der Arbeiter vorläufig zur Untersuchung dieses Vorschlags eingegangen worden sei, das seiner Sanktion bedurft hätte, ehe man ihn der N. B. vorgelegt. Die vorläufige Frage wird verlangt und entschieden. (Reklamationen in verschiedenem Sinne.) Corbon setzt die Beweggründe der Dringlichkeit auseinander, welche die Unterkommission bestimmt haben, die konventionellen Rücksichten unberücksichtigt zu lassen. Zahlreiche Stimmen. Die Tagesordnung! Duclerc. (Lärm auf der äußersten Linken.) So lange ich Minister bleibe, glaube ich nicht, daß die Kammer mich tadeln wird, wenn ich alle Pflichten des Ministers erfülle. Ich glaube die beiden Vorschläge, die sie so eben gehört, bekämpfen zu müssen. Im Interesse eurer Finanzen ist es nöthig, daß ihr hier die Ordnung eurer Ausgaben regelt. Ich bestreite nicht, ich bin weit davon entfernt, dies Recht der Initiative; aber es ist klar. Wenn Euch jeder hier neue Ausgaben vorschlagen kann, ist keine fixe Comptabilität mehr möglich und ihr geht direkt auf den Bankerut los. Felloux setzt auseinander, daß es sich hier nur um die Verwendung der Summe handelt, die nothwendig behufs der Nationalwerkstätten zugeschlagen werden müssen, wenn ihre Fortdauer statthaben sollte. Es fände hier keine neue Ausgabe statt. Der Präsident. Eine zweite Mittheilung von Seiten der Executivkommission! Trilat. Ich habe diesen Morgen den Besuch einer großen Zahl von Arbeitern der Nationalwerkstätten erhalten, die nähere Ausweisungen über eure Absichten verlangten. Fordert man also, daß wir uns von allem trennen, was uns am theuersten ist? Ich antwortete, unsern frühern Entscheidungen gemäß, daß die Regierung nur die fremden Arbeiter von der Hauptstadt entfernen wollte. Ich vernehme so eben einen Vorschlag, der die sofortige Auflösung der Nationalwerkstätten bezweckt und ich will nicht für eine Maßregel persönlich verantwortlich sein, die meinen Privatansichten gänzlich widerspricht. Die Tagesordnung wird wieder aufgenommen. Breton unterstützt die Frage der Dringlichkeit für einen vor einigen Tagen gemachten Vorschlag, nach welchem die exekutive Kommission der Nationalversammlung sofort eine exakte detaillirte Rechnungsablage über die Einnahme und Ausgabe der Regierung vom 24. Februar bis zum 1. Juni abstatten solle. In seinem Departement lege man den Steuerpflichtigen täglich neue Opfer auf. Sie verlangten zu wissen, welchen Gebrauch man von ihrem Gelde mache. Lebhafte Reklamationen in verschiedenen Theilen des Saales. Der Präsident befragt die Versammlung, die mit großer Mehrheit die Dringlichkeitsfrage bejahend beantwortet. Man verlangt unmittelbar die Verweisung des Vorschlags, ohne weitere Entwickelung, an das Finanzcomité. Die Verweisung wird beschlossen. Duclerc. So lang ich Finanzminister bin, habe ich mich nie geweigert Nachweisungen zu geben, die verlangt wurden, sei es von den Repräsentanten, sei es vom Finanzkomité. Ich habe es immer im Umfang meiner Kräfte gethan. Ich werde immer bereit sein, den Befehlen der Versammlung zu gehorchen. Indessen wünschte ich zu wissen, was man unter den Worten, in der kürzesten Frist versteht? Ist dieß ein Angriff? aber man weiß wohl, daß die Komptabilität so verwickelt ist, daß der verlangte Bericht nothwendig Zeit erfordert. Breton. Wir haben nur die wohlwollendsten Absichten. Wir wollen wissen, woran wir sind. Oberst Ambert legt einen Bericht nieder über den Dekretentwurf bezüglich der freiwilligen Einrollirungen in der Armee. Die allgemeine Diskussion des Entwurfs bezüglich des Eisenbahnankaufs wird wieder aufgenommen. Guerin verliest eine Rede zu Gunsten des Entwurfs, sucht Montalembert zu antworten, fesselt die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht. Jorez hat das Wort. Entschiedner Parteigänger der Ausführung der großen gemeinnützigen Arbeiten durch den Staat, bekämpft er nichts destoweniger den Vorschlag des Eisenbahnankaufs und verliest eine lange Abhandlung hierüber. Während der Verlesung dieser mit viel Geläufigkeit abgerollten Abhandlung, kehrt ein großer Theil der Repräsentanten, die im Konferenzsaal plaudern gegangen waren zurück, um die Plätze auf den Bänken wieder einzunehmen. Ein Blitz beleuchtet in diesem Augenblick das Halbdunkel, das in dem Saal herrscht und kündet ein heftiges Gewitter an, das sich in diesem Augenblicke auf Paris entladet. Der Präsident zeigt an, daß er durch Vermittlung des Hrn. Antony Thouret einen folgendermaßen abgefaßten Brief erhält: „Die Abgesandten der Julidekorirten, 1500 an der Zahl, bereit für die Vertheidigrng der Republik zu sterben, kommen sich zur Verfügung der Versammlung stellen.“ Der Präsident fügt hinzu, daß er der Dollmetscher der Gefühle der Versammlung zu sein glaubte, als er den Delegirten für diesen Akt der Hingebung an die Republik dankte, die mit solchen Vertheidigern keine Gefahr laufe. Zahlreiche Stimmen. Ja! Ja! Es lebe die Republik! Laurent spricht zu Gunsten des Gesetzentwurfs. Seine Rede wird nicht gehört, und mehre Repräsentanten beklagen sich wiederholt, nichts davon vernehmen zu können, wegen der bedeckten Stimme des Redners. Der Präsident verliest verschiedene Briefe des Polizeipräfekten. Der erste, von ein Uhr datirt, zeigt an: „daß um 10 Uhr der Rappel im 8. Arrondissement geschlagen wurde und daß die Nationalgarde eine Barrikade nach der andern wegräumte. Das läßt Euch hoffen, daß das Fbg. St. Antoine keine von den Insurgenten gemachten Versuche dulden wird.“ Eilf ein viertel Uhr. ‒ Einige Offiziere der republikanischen Garde haben den Platz Dauphine von 80 Individuen ungefähr gesäubert, die aus riefen: Es lebe die rothe Republik! Die Barrikade des Porte St. Denis ist durch die Nationalgarde besetzt; in der Straße St. Martin an der Ecke der Straßen St. Mèry und St. Jaques la Boucherie sind die Nationalgarden mit Niederreissen der Barrikaden beschäftigt. Zwei Uhr. ‒ Man versucht die Barrikaden in der Cite wegzunehmen. Mehre Gardiens von Paris sind auf die Mairien geschickt worden und marschiren in den Reihen der Nationalgarde; diese letztere wird trefflich unterstützt durch die republikanische Garde zu Pferde. Es ist uns gleichmäßig ein Dokument zugegangen, das folgendermaßen abgefaßt ist: „Die zweite Legion der Nationalgarde ist gegen die Barrikade des Boulevard marschirt. Ein Kind nahm die Fahne weg, die man hier aufgepflanzt hatte. Es befindet sich in diesem Augenblicke in eurem Konferenzsaal.“ Ich muß ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß eine gewisse Zahl von Volksrepräsentanten von mir die Bewilligung verlangt hat, sich zur Verfügung des Generals Cavaignac zu stellen, um überall unter den Vertheidigern der Republik zu figuriren, wo ihre Gegenwart nützlich wäre. Ich habe ihnen geantwortet, daß ich individuell ihnen keinen Rath zu geben hätte, und ich habe hinzugefügt, daß im Fall der Dringlichkeit die gesammte Nationalversammlung und nicht einzelne isolirte Repräsentanten sich auf den Schauplatz der Gefahr begeben würden. (Lebhafter Beifall) Nationalversammlung. Um 81/4 Uhr wurde die Sitzung wieder aufgenommen. Präsident Senard meldet die Verwundung mehrerer Deputirten, die am Barrikadensturm Theil nahmen (darunter Clemens Thomas, Dornes u. A.). Considerant schlägt eine Proklamation an die Kämpfenden vor, um die unter ihnen verbreiteten Gerüchte zu widerlegen, und dem Blutbade Einhalt zu thun. (Zur Rechten: Ah! Sie wollen mit der Emeute paktisiren!) Baze und mehrere andere Ultrakonservative wollen ihn vom Rede-Stuhle reißen, werden aber noch bei Zeiten daran gehindert. Considerant versichert hoch und theuer, daß er nicht mit der Emeute paktisiren wolle. Half aber Alles nichts, sein Vorschlag fiel durch. Perrée erzählt dann, wie Arago und Lamartine zu den Barrikaden geritten seien, und nach vergeblichem Parlamentiren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar027_011" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0126"/> kennung aller von der deutschen Nationalversammlung ausgehenden Beschlüsse ausgesprochen.</p> </div> <div xml:id="ar027_012" type="jArticle"> <head>Bremen, 20. Juni.</head> <p>Heute wurde in Vegesack das erste an der Weser erbaute Kanonenboot von der Werft des Hrn. H. Ulrichs vom Stapel verlassen.</p> <bibl>(Pr. Sk. A.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar027_013" type="jArticle"> <head>Paris, 24. Juni.</head> <p><hi rendition="#b">Sturz des Vollziehungs-Ausschusses.</hi> Arago, Lamartine, Marie, Garnier-Pages und Ledrü-Rollin danken ab. Cavaignac zum militairischen Diktator der Republik ernannt; <hi rendition="#b">Paris in Belagerungszustand erklärt!</hi> (Augenblicklicher Sieg der Partei des National).</p> <p>Welcher Johannistag! Seit gestern Mittag unausgesetztes Kartätschen-, Tirailleurs- oder Pelotonfeuer gegen die Barrikaden, mit denen die sogenannten Hunger- oder Lumpenviertel gleichsam übersäet sind. Nein, das ist keine Emeute, kein bloßer Arbeitskrawall mehr : das ist der blutigste Prinzipienkampf, der seit 1793 in unseren Mauern ausgefochten wurde. Die Cité, das sogenannte lateinische Quartier, das Faubourg St. Marceau und die halbe Nordseite des rechten (gegenüberliegenden) Seineufers schwimmen im Blute : morgen werden sie die Bomben und glühenden Kugeln Cavaignacs wohl in einen Schutthaufen verwandelt haben. Doch greifen wir den Ereignissen nicht vor, tragen wir zunächst die letzten Handlungen der erloschenen Staatsgewalt und ihres Hauptfeindes nach:</p> <p><hi rendition="#g">1. Proklamation Marrasts an sämmtliche Maires von Paris.</hi> Bürger Maire! Sie sind seit diesen Morgen von den Anstrengungen Zeuge, welche eine kleine Zahl Ruhestörer macht um im Schooße der Bewohnerschaft die lebhaftesten Befürchtungen zu erregen. Die Feinde der Republik nehmen sich alle Masken, beuten alles Unglück und alle durch die Ereignisse entstandenen Schwierigkeiten aus. Fremde Agneten gesellen sich zu ihnen, wiegeln sie auf und bezahlen sie. Sie wollen nicht blos den Bürgerkrieg unter uns entzünden : Plünderung, soziale Auflösung, Frankreichs Ruin bereiten sie und man erräth zu welchem Zweck. Paris ist der Hauptsitz jener infamen Intriguen. Paris wird aber nicht zur Hauptstadt der Unordnung werden. Möge die Bürgerwehr, als erste Wächterin des Friedens und des Eigenthums, wohl begreifen, daß es sich vorzüglich um ihre Interessen, ihren Kredit, ihre Ehre handelt. Ließe sie sich im Stich (si elle s'abandonnait) so würde sie das gesammte Vaterland allen Zufällen überliefern. Familie und Eigenthum würden sie den schrecklichsten Drangsalen preisgeben. Die Truppen der Garnison sind unter den Waflen, sie sind zahlreich und vortrefflich disziplinirt. Möge sich die Bürgerwehr in ihren Vierteln an den Straßenecken aufstellen. Die Obrigkeit wird ihre Pflicht erfüllen, erfülle die Bürgerwehr die ihrige. Paris, 23. Juni, 3 Uhr.</p> <p rendition="#et">Der Volksvertreter und Maire von Paris,<lb/> gez. <hi rendition="#g">Marrast.<lb/> Flottard,</hi> Sekretair.</p> <p>2. Proklamation der Vollziehungsgewalt an die Pariser Arbeiter d. h. diejenigen Arbeiter, die aus Paris gebürtig sind. Sie beginnt: „In der Mitte des kriminellen Aufruhrs, durch welchen einige verirrte Arbeiter der Nationalwerkstätten die Hauptstadt in Betrübniß versetzen, fühlt die Regierung das Bedürfniß, in das Herz der Bevölkerung zu reden und sie aufzuklären. Arbeiter aus Paris! Die Parteiführer, welche von Faktionen (Prätendenten?) bestochen sind, haben euch überzeugen wollen, daß ihr mit in jener Maßregel begriffen seid, welche die Nationalwerkstätten auflösen, deren Arbeitermasse und unruhiger Charakter auf Paris und der ganzen Republik lastete. Arbeiter aus Paris! Das sind schändliche Verläumdungen! In <hi rendition="#g">Eurem</hi> Interesse; im Interesse <hi rendition="#g">Euerer</hi> Wiederbeschäftigung, im Interesse des Wiederbeginns der freien Privat-Industrie zu <hi rendition="#g">Euerem</hi> Nutzen, entschied sich die Republik, die regelmäßige Ordnung der Arbeit energisch wieder herzustellen (de rétablir énergiquement l'ordre régulier du travail) u. s. w.“ Trotz dieser schmeichelhaften Einladung haben die Pariser Proletarier ihre fremden Kameraden nicht verlassen.</p> <p>3. Proklamation, die den Kriegsminister, Generallieutenant Cavaignac, zum <hi rendition="#g">unumschränkten</hi> Gebieter aller Streitkräfte in und um Paris ernannt. Cavaignac hat erklärt, daß er nur unter dieser Bedingung die Generalissimusstelle annehme.</p> <p>4. Praklamation der Nationalversammlung, welche die Entlassung ihres Vollziehungsausschusses annimmt und den General Cavaignac zum provisorischen Präsidenten der Republik ernennt.</p> <p>5. Proklamation, welche Paris in Belagerungszustand erklärt.</p> <p>Der Moniteur und viele andern Zeitungen haben nicht erscheinen können.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Sitzung der Nationalversammlung vom 23. Juni.</hi> ‒ Um 1 Uhr 10 Minuten wird die Sitzung eröffnet in Gegenwart einer sehr kleinen Zahl von Repräsentanten. Wir zählen ihrer keine 300. Die öffentlichen Tribünen sind völlig von Zuschauern entblößt. Nur die, wozu man durch Billette Zutritt erhält, sind mit ihrem gewöhnlichen Publikum versehen.</p> <p>Hr. <hi rendition="#g">Pèan</hi> verliest das Protokoll. Die lebhafteste Aufregung herrscht auf allen Bänken. Nach beendigter Verlesung verfließt ein ziemlich langer Zwischenraum, ehe Jemand daran denkt, das Wort zu ergreifen. Zahlreiche Repräsentanten unterhalten sich, Einer nach dem Andern, mit dem Präsidenten.</p> <p>Die Herren Bedeau und Lebreton sind leider in ihrer Generalsuniform.</p> <p>Der Präsident schellt und verlangt Stillschweigen. Ruf: Auf den Platz! Auf den Platz!</p> <p><hi rendition="#g">Flocon</hi> (Allgemeine Spannung). Er legt einen Gesetzvorschlag nieder, der die Eröffnung eines Kredits von 5 Millionen verlangt, um der Stadt Lyon gewisse Arbeiten zu zahlen, die ihr vor drei Monaten anbefohlen worden sind. (Enttäuschung auf allen Seiten. Der Minister kehrt auf seinen Platz zurück, ohne ein Wort zu sagen.)</p> <p>General <hi rendition="#g">Lebreton</hi> legt einen Dekretvorschlag über das Gesetz der Cumulation, so weit es die Offiziere und Unteroffiziere der Nationalgarde betrifft vor. Er glaubt einen Wunsch der Versammlung zu erfüllen, in den Umständen, worin sie sich befindet, indem er ihr vorschlägt, eine Kommission von Volksrepräsentanten zu ernennen, die sich in die Mitte der Truppen begebe, um die Versammlung über den Stand der Dinge aufzuklären. (Heftiges Gemurre.) Er glaubt, daß es die Pflicht der Versammlung ist, eine aktive Rolle in den Unruhen, welche die Stadt bewegen, zu spielen.</p> <p><hi rendition="#g">Eine Stimme:</hi> Gehen Sie selbst hin. Sie thun hier nicht was einem guten Patrioten zusteht.</p> <p>General <hi rendition="#g">Lebreton</hi> glaubt, daß man ihn schlecht verstanden hat und entwickelt seine Ansicht näher. Die Kommission, die er gewählt zu sehen wünscht, sei es durch die Versammlung, sei es durch den Präsidenten, solle nicht in einer aktiven Manier in den Ereignissen, die vorgehen, interveniren. Ihre Gegenwart in der Mitte der Truppen soll ihnen Vertrauen einflößen und zu gleicher Zeit im Fall der Dringlichkeit der Versammlung Bericht abstatten von dem, was sich ereignet.</p> <p>General <hi rendition="#g">Loidet</hi> bekämpft den Vorschlag seines Kollegen und zahlreiche Stimmen verlangen die Tagesordnung.</p> <p><hi rendition="#g">Baune:</hi> Unter den Umständen, worin wir uns befinden, haben wir alle Pflichten zu erfüllen, und ich bin erstaunt, die Mitglieder der exekutiven Kommission nicht hier zu sehen; und dennoch war ihre Stelle hier. (Heftiger Tumult. Zahlreiche Stimmen: Zur Ordnung!)</p> <p>In diesem Augenblick ist die Versammlung vollzählig und die heftigsten Interpellationen in dem verschiedensten Sinne durchkreuzen sich. Baune befindet sich fortwährend auf der Tribüne. Der Sturm legt sich und der Präsident bringt die Tagesordnung zur Abstimmung. Sie wird mit ungeheurer Mehrheit angenommen. <hi rendition="#g">Portalis</hi> ersetzt <hi rendition="#g">Senard</hi> auf dem Präsidentenstuhl. <hi rendition="#g">Langlade, Datirel, Wolowski</hi> legen verschiedene Gesetzvorschläge nieder.</p> <p><hi rendition="#g">Pagnerre, Bethmont</hi> und <hi rendition="#g">Marie</hi> treten in den Saal; sie sind in den Couloirs der Gegenstand zahlreicher Interpellationen.</p> <p><hi rendition="#g">Senard:</hi> Ich verlange von der Versammlung die Erlaubniß, einen Augenblick ihre Diskussion zu unterbrechen, um ihr zu bringen… (Heftiges Gemurre) sehr tröstliche Nachrichten, die mir von allen Punkten von Paris zugehen. Die republikanische Garde hat so eben am Ende der Straße Blanche-Mibray zwei Barrikaden weggenommen und der Chef der der Versammlung angehörigen Polizei unterrichtet mich, daß sowohl die auf den Quais und den Boulevards als in den anliegenden Straßen aufgeworfenen Barrikaden, ohne vielen Widerstand von der Nationalgarde und den Linientruppen weggenommen worden sind. Der Posten des Boulevard Bonne Nouvelle hat aus eigenem Antrieb auf eine Gruppe von Insurgenten Feuer gegeben. Noch mehr, wie man sagt, sind einige Flintenschüsse in der Straße Hachette aus dem Fenster gefallen. (Tiefes Stillschweigen.)</p> <p><hi rendition="#g">Portalis:</hi> An der Tagesordnung ist die Wiederaufnahme der Diskussion über den Ankauf der Eisenbahnen.</p> <p><hi rendition="#g">Bineau</hi> verlangt das Wort für eine Ordnungsfrage. Er erinnert, daß am Ende der gestrigen Sitzung der Minister der öffentlichen Arbeiten einen Dekretentwurf vorgelegt hat, wodurch er einen Kredit von 5 Millionen verlangte zur Vollendung der Eisenbahn von Collonges ‒ Straße von Chalons nach Lyon. ‒ Dieß muß ein Irrthum sein. In allen Fällen, da die Zuschlagung dieses Wegs stattgefunden hat, da die Kompagnie, der er angehört, noch in regelmäßigem Besitz desselben ist und nur in Folge eines noch nicht erlassenen Gesetzes expropriirt werden kann, verlange er, daß die Vorlegung dieses Dekretentwurfs als nicht geschehn betrachtet werde und daß die Versammlung ihn weder an eine Spezialkommission noch an ihr Comité verweisen. (Bewegung).</p> <p><hi rendition="#g">Trèlat</hi> erklärt, daß in diesem Augenblick Besprechungen stattfinden, mit der erwähnten Kompagnie. Er glaubt, daß die stattgehabten Unterhandlungen ihn zur Ansicht berechtigen, daß es nicht unpassend sei den Abschluß dieser Angelegenheit zu beschleunigen.</p> <p><hi rendition="#g">Bineau</hi> besteht auf seinem Antrag. <hi rendition="#g">Trèlat</hi> bemerkt, daß er auf das Ersuchen der Deputation von Lyon gehandelt habe. Der Maire von Lyon nimmt das Wort, um Bineau's Vorschlag zu bekämpfen im Namen der Ordnung und der Ruhe, <hi rendition="#g">die in diesem Augenblick in Lyon so bedroht seien, wie in Paris.</hi></p> <p><hi rendition="#g">Duclerc:</hi> Ich glaube, Niemand wird das Zeitgemäße der Vorlage des Gesetzentwurfs diskutiren. Ich muß Ihnen indeß erklären, daß die Regierung ihre Zustimmung dazu giebt, daß die Diskussion dieses Entwurfs erst nach der des Gesetzentwurfs über die Eisenbahnen statthabe.</p> <p><hi rendition="#g">Flocon</hi> auf die Aeußerung eines frühern Redners zurückkommend beruhigt die Versammlung über die scheinbare Abwesenheit der Exekutivkommission. Sie sei vereinigt in dem Palast der Nationalversammlung selbst und vollständig zu ihrer Verfügung.</p> <p>Der Minister fügt hinzu, daß die Unruhen, die Paris in diesem Augenblick bewegen, fast <hi rendition="#g">vorhergesehen</hi> waren. Welche Fahne auch immer die Insurrektion aufpflanze, alle der Republik feindlichen Faktionen sind vereinigt. Wenn man den Faden dieser Emeute aufsuchen gehe, würde man mehr finden als die Umtriebe eines Prätendenten, als die Umtriebe der Faktionen, man würde hierin noch die des <hi rendition="#g">Auslands</hi> finden. (Auf dem Berg: Bravo! So ist's!) Es sind die Republikaner, an die ich mich adressire. (Heftiges Gemurre).</p> <p><hi rendition="#g">Zahlreiche Stimmen:</hi> Hier giebt es nichts als Republikaner.</p> <p><hi rendition="#g">Flocon:</hi> Ich glaube, wie Sie, daß es <hi rendition="#g">hier</hi> nur Republikaner giebt. Nun wohl! Ich frage die Republikaner ausserhalb dieser Versammlung, ob sie nicht erwarten mußten nach einer Revolution, wie die unsrige, nach der Wegfegung so vieler monarchischer Institutionen, alle Intriguen sich vereinigen zu sehen, um die Republik zu bekämpfen. Nicht allein die Prätendenten, alle Feinde die die Republik im Ausland zählt, sind in diesem Augenblick, verbunden, um die Republik zu bekämpfen und zu stürzen. (Bravos auf dem Berg.)</p> <p><hi rendition="#g">De Falloux</hi> verlangt das Wort im Namen der Arbeiterkommission um einen Bericht dieser Kommission zu verlesen. Dieses Verlangen findet eine lebhafte Opposition auf dem Berg! als die Versammlung be schließt mit großer Mehrheit, daß ihm nachgekommen wird.</p> <p><hi rendition="#g">Falloux:</hi> Bürger, durch euch beauftragt, ein definitives Gesetz bezüglich der Nationalwerkstätten vorzubereiten, hat die Kommission die Ehre Ihnen das Resultat ihrer Deliberationen vorzulegen. Die Mißbräuche, die sie in ihrem Schooß bergen, haben alle Augen zu lebhaft geschlagen, als daß es nicht nöthig wäre, ihnen sobald als möglich ein Ende zu machen. Die von Ihnen prinzipiell beschlossen e Auflösung der Nationalwerkstätten muß sobald als möglich stattfinden. Wir sind überzeugt, daß die provisorisch ergriffnen Maßregeln zur Unterstützung der Arbeiter ihrem eignen Zwecke direkt entgegenwirkten.</p> <p>Nach Entwicklung der allgemeinen Ansichten, worauf sein Bericht fußt, schlägt die Kommission vor, dem Minister einen Kredit zu eröffnen, der ihm erlaubt, den Arbeitern die Hülfsleistungen zu reichen, womit sie in ihre respektiven Domicile zurückkehren und Arbeit <hi rendition="#g">finden (suchen?)</hi> können. Zahlreiche ministerielle Kapitalisten verlangen außerdem Hülfsleistungen und Anleihen, die sie in Stand setzen werden, zahlreiche <hi rendition="#g">Hände</hi> zu beschäftigen (das englische hand heißt französisch bras) und die Kommission ist auch der Ansicht, daß man Mittel zur Verfügung des Ministers stelle, um durch Vorschüsse diese Wiederaufnahme der Arbeiten der Privatindustrie zu begünstigen, wie um den Geist der Association unter den Arbeitern.</p> <p>Der Dekretentwurf enthält 6 Artikel :</p> <p><hi rendition="#g">Art. 1.</hi> Die Nationalwerkstätten sind 3 Tage nach Verkündung des Dekrets aufgelößt.</p> <p><hi rendition="#g">Art. 2.</hi> Die Frauenwerkstätten sind von dieser Maßregel ausgenommen.</p> <p><hi rendition="#g">Art. 3.</hi> Ein Kredit von 3 Millionen ist dem Minister der öffentlichen Arbeiten eröffnet für zeitweilige Unterstützung der Arbeiter.</p> <p><hi rendition="#g">Art. 4.</hi> Die in den Nationalwerkstätten angestellten Brigadiers fahren fort, ihr Salair während 3 Wochen noch zu empfangen.</p> <p> <hi rendition="#g">Art. 5. Jeder, der an den öffentlichen Zusammenschaarungen Theil nimmt, geht der auf dies Dekret ihm zufallenden Vortheile verlustig.</hi> </p> <p><hi rendition="#g">Art. 6.</hi> Ein Kredit von 5 Millionen wird eröffnet, um den Industrieunternehmern Summen zu leihen, die ihnen erlauben ihre Arbeiten auf einer <hi rendition="#g">großen Stufenleiter wieder zu beginnen.</hi></p> <p><hi rendition="#g">Corbon</hi> verliest, im Namen des Comités der Arbeiter, einen Dekretentwurf, den dies Comité diesen Morgen selbst redigirte, in Folge eines Vorschlags von Herrn Aican, mit dessen Untersuchung es beauftragt worden und der die Entwicklung des Associationsgeistes unter den Arbeitern bezweckte. Man glaubte vor Verlesung desselben vor der Nationalversammlung erst abwarten zu müssen, daß die in der Versammlung herrschende Aufregung sich gelegt, damit man nicht glaube sie berathschlage unter dem Einfluß der Drohungen der Emeute; aber man hat darauf bestanden, und der Redner hielt es für seine Pflicht die schon gefaßten Beschlüsse des Comités der N. V. mitzutheilen.</p> <p>Mehre Mitglieder des Comités der Arbeiter bemerken, daß das Comité nicht regelgemäß über den von Herrn Corbon gestellten Vorschlag berathschlagt hat. Er sei nur das Resume eines Berichts, den eine hierzu ernannte Unterkommission beauftragt war, ihr über den Vorschlag des Herrn Alcan zu machen. Es würde daher angemessen gewesen sein, daß das Comité der Arbeiter vorläufig zur Untersuchung dieses Vorschlags eingegangen worden sei, das seiner Sanktion bedurft hätte, ehe man ihn der N. B. vorgelegt.</p> <p>Die vorläufige Frage wird verlangt und entschieden. (Reklamationen in verschiedenem Sinne.) Corbon setzt die Beweggründe der Dringlichkeit auseinander, welche die Unterkommission bestimmt haben, die konventionellen Rücksichten unberücksichtigt zu lassen.</p> <p><hi rendition="#g">Zahlreiche Stimmen.</hi> Die Tagesordnung!</p> <p><hi rendition="#g">Duclerc.</hi> (Lärm auf der äußersten Linken.) So lange ich Minister bleibe, glaube ich nicht, daß die Kammer mich tadeln wird, wenn ich alle Pflichten des Ministers erfülle. Ich glaube die beiden Vorschläge, die sie so eben gehört, bekämpfen zu müssen. Im Interesse eurer Finanzen ist es nöthig, daß ihr hier die Ordnung eurer Ausgaben regelt. Ich bestreite nicht, ich bin weit davon entfernt, dies Recht der Initiative; aber es ist klar. Wenn Euch jeder hier neue Ausgaben vorschlagen kann, ist keine <hi rendition="#g">fixe Comptabilität</hi> mehr möglich und ihr geht direkt auf den Bankerut los.</p> <p><hi rendition="#g">Felloux</hi> setzt auseinander, daß es sich hier nur um die Verwendung der Summe handelt, die nothwendig behufs der Nationalwerkstätten zugeschlagen werden müssen, wenn ihre Fortdauer statthaben sollte. Es fände hier keine neue Ausgabe statt.</p> <p><hi rendition="#g">Der Präsident.</hi> Eine zweite Mittheilung von Seiten der Executivkommission!</p> <p><hi rendition="#g">Trilat.</hi> Ich habe diesen Morgen den Besuch einer großen Zahl von Arbeitern der Nationalwerkstätten erhalten, die nähere Ausweisungen über eure Absichten verlangten. Fordert man also, daß wir uns von allem trennen, was uns am theuersten ist? Ich antwortete, unsern frühern Entscheidungen gemäß, daß die Regierung nur die <hi rendition="#g">fremden</hi> Arbeiter von der Hauptstadt entfernen wollte. Ich vernehme so eben einen Vorschlag, der die sofortige Auflösung der Nationalwerkstätten bezweckt und ich will nicht für eine Maßregel persönlich verantwortlich sein, die meinen Privatansichten gänzlich widerspricht.</p> <p>Die Tagesordnung wird wieder aufgenommen.</p> <p><hi rendition="#g">Breton</hi> unterstützt die Frage der Dringlichkeit für einen vor einigen Tagen gemachten Vorschlag, nach welchem die exekutive Kommission der Nationalversammlung sofort eine exakte detaillirte Rechnungsablage über die Einnahme und Ausgabe der Regierung vom 24. Februar bis zum 1. Juni abstatten solle. In seinem Departement lege man den Steuerpflichtigen täglich neue Opfer auf. Sie verlangten zu wissen, welchen Gebrauch man von ihrem Gelde mache.</p> <p>Lebhafte Reklamationen in verschiedenen Theilen des Saales.</p> <p>Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> befragt die Versammlung, die mit großer Mehrheit die Dringlichkeitsfrage bejahend beantwortet. Man verlangt unmittelbar die Verweisung des Vorschlags, ohne weitere Entwickelung, an das Finanzcomité. Die Verweisung wird beschlossen.</p> <p><hi rendition="#g">Duclerc.</hi> So lang ich Finanzminister bin, habe ich mich nie geweigert Nachweisungen zu geben, die verlangt wurden, sei es von den Repräsentanten, sei es vom Finanzkomité. Ich habe es immer im Umfang meiner Kräfte gethan. Ich werde immer bereit sein, den Befehlen der Versammlung zu gehorchen. Indessen wünschte ich zu wissen, was man unter den Worten, <hi rendition="#g">in der kürzesten Frist</hi> versteht? <hi rendition="#g">Ist dieß ein Angriff?</hi> aber man weiß wohl, daß die Komptabilität so verwickelt ist, daß der verlangte Bericht nothwendig Zeit erfordert.</p> <p><hi rendition="#g">Breton.</hi> Wir haben nur die wohlwollendsten Absichten. Wir wollen wissen, woran wir sind.</p> <p>Oberst <hi rendition="#g">Ambert</hi> legt einen Bericht nieder über den Dekretentwurf bezüglich der freiwilligen Einrollirungen in der Armee.</p> <p>Die allgemeine Diskussion des Entwurfs bezüglich des Eisenbahnankaufs wird wieder aufgenommen.</p> <p><hi rendition="#g">Guerin</hi> verliest eine Rede zu Gunsten des Entwurfs, sucht Montalembert zu antworten, fesselt die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht.</p> <p><hi rendition="#g">Jorez</hi> hat das Wort. Entschiedner Parteigänger der Ausführung der großen gemeinnützigen Arbeiten durch den Staat, bekämpft er nichts destoweniger den Vorschlag des Eisenbahnankaufs und verliest eine lange Abhandlung hierüber. Während der Verlesung dieser mit viel Geläufigkeit abgerollten Abhandlung, kehrt ein großer Theil der Repräsentanten, die im Konferenzsaal plaudern gegangen waren zurück, um die Plätze auf den Bänken wieder einzunehmen.</p> <p>Ein Blitz beleuchtet in diesem Augenblick das Halbdunkel, das in dem Saal herrscht und kündet ein heftiges Gewitter an, das sich in diesem Augenblicke auf Paris entladet.</p> <p>Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> zeigt an, daß er durch Vermittlung des Hrn. Antony Thouret einen folgendermaßen abgefaßten Brief erhält: „Die Abgesandten der Julidekorirten, 1500 an der Zahl, bereit für die Vertheidigrng der Republik zu sterben, kommen sich zur Verfügung der Versammlung stellen.“ Der Präsident fügt hinzu, daß er der Dollmetscher der Gefühle der Versammlung zu sein glaubte, als er den Delegirten für diesen Akt der Hingebung an die Republik dankte, die mit solchen Vertheidigern keine Gefahr laufe.</p> <p><hi rendition="#g">Zahlreiche Stimmen.</hi> Ja! Ja! Es lebe die Republik!</p> <p><hi rendition="#g">Laurent</hi> spricht zu Gunsten des Gesetzentwurfs. Seine Rede wird nicht gehört, und mehre Repräsentanten beklagen sich wiederholt, nichts davon vernehmen zu können, wegen der bedeckten Stimme des Redners.</p> <p><hi rendition="#g">Der Präsident</hi> verliest verschiedene Briefe des Polizeipräfekten. Der erste, von ein Uhr datirt, zeigt an: „daß <hi rendition="#g">um 10 Uhr</hi> der Rappel im 8. Arrondissement geschlagen wurde und daß die Nationalgarde eine Barrikade nach der andern wegräumte. Das läßt Euch hoffen, daß das Fbg. St. Antoine keine von den Insurgenten gemachten Versuche dulden wird.“</p> <p><hi rendition="#g">Eilf ein viertel Uhr.</hi> ‒ Einige Offiziere der republikanischen Garde haben den Platz Dauphine von 80 Individuen ungefähr gesäubert, die aus riefen: Es lebe die rothe Republik! Die Barrikade des Porte St. Denis ist durch die Nationalgarde besetzt; in der Straße St. Martin an der Ecke der Straßen St. Mèry und St. Jaques la Boucherie sind die Nationalgarden mit Niederreissen der Barrikaden beschäftigt.</p> <p><hi rendition="#g">Zwei Uhr.</hi> ‒ Man versucht die Barrikaden in der Cite wegzunehmen. Mehre Gardiens von Paris sind auf die Mairien geschickt worden und marschiren in den Reihen der Nationalgarde; diese letztere wird trefflich unterstützt durch die republikanische Garde zu Pferde. Es ist uns gleichmäßig ein Dokument zugegangen, das folgendermaßen abgefaßt ist: „Die zweite Legion der Nationalgarde ist gegen die Barrikade des Boulevard marschirt. Ein Kind nahm die Fahne weg, die man hier aufgepflanzt hatte. Es befindet sich in diesem Augenblicke in eurem Konferenzsaal.“ Ich muß ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß eine gewisse Zahl von Volksrepräsentanten von mir die Bewilligung verlangt hat, sich zur Verfügung des Generals Cavaignac zu stellen, um überall unter den Vertheidigern der Republik zu figuriren, wo ihre Gegenwart nützlich wäre. Ich habe ihnen geantwortet, daß ich individuell ihnen keinen Rath zu geben hätte, und ich habe hinzugefügt, daß im Fall der Dringlichkeit die gesammte Nationalversammlung und nicht einzelne isolirte Repräsentanten sich auf den Schauplatz der Gefahr begeben würden. (Lebhafter Beifall)</p> <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Um 81/4 Uhr wurde die Sitzung wieder aufgenommen. Präsident Senard meldet die Verwundung mehrerer Deputirten, die am Barrikadensturm Theil nahmen (darunter Clemens Thomas, Dornes u. A.). Considerant schlägt eine Proklamation an die Kämpfenden vor, um die unter ihnen verbreiteten Gerüchte zu widerlegen, und dem Blutbade Einhalt zu thun. (Zur Rechten: Ah! Sie wollen mit der Emeute paktisiren!) Baze und mehrere andere Ultrakonservative wollen ihn vom Rede-Stuhle reißen, werden aber noch bei Zeiten daran gehindert. Considerant versichert hoch und theuer, daß er nicht mit der Emeute paktisiren wolle. Half aber Alles nichts, sein Vorschlag fiel durch. Perrée erzählt dann, wie Arago und Lamartine zu den Barrikaden geritten seien, und nach vergeblichem Parlamentiren </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126/0002]
kennung aller von der deutschen Nationalversammlung ausgehenden Beschlüsse ausgesprochen.
Bremen, 20. Juni. Heute wurde in Vegesack das erste an der Weser erbaute Kanonenboot von der Werft des Hrn. H. Ulrichs vom Stapel verlassen.
(Pr. Sk. A.) Französische Republik. Paris, 24. Juni. Sturz des Vollziehungs-Ausschusses. Arago, Lamartine, Marie, Garnier-Pages und Ledrü-Rollin danken ab. Cavaignac zum militairischen Diktator der Republik ernannt; Paris in Belagerungszustand erklärt! (Augenblicklicher Sieg der Partei des National).
Welcher Johannistag! Seit gestern Mittag unausgesetztes Kartätschen-, Tirailleurs- oder Pelotonfeuer gegen die Barrikaden, mit denen die sogenannten Hunger- oder Lumpenviertel gleichsam übersäet sind. Nein, das ist keine Emeute, kein bloßer Arbeitskrawall mehr : das ist der blutigste Prinzipienkampf, der seit 1793 in unseren Mauern ausgefochten wurde. Die Cité, das sogenannte lateinische Quartier, das Faubourg St. Marceau und die halbe Nordseite des rechten (gegenüberliegenden) Seineufers schwimmen im Blute : morgen werden sie die Bomben und glühenden Kugeln Cavaignacs wohl in einen Schutthaufen verwandelt haben. Doch greifen wir den Ereignissen nicht vor, tragen wir zunächst die letzten Handlungen der erloschenen Staatsgewalt und ihres Hauptfeindes nach:
1. Proklamation Marrasts an sämmtliche Maires von Paris. Bürger Maire! Sie sind seit diesen Morgen von den Anstrengungen Zeuge, welche eine kleine Zahl Ruhestörer macht um im Schooße der Bewohnerschaft die lebhaftesten Befürchtungen zu erregen. Die Feinde der Republik nehmen sich alle Masken, beuten alles Unglück und alle durch die Ereignisse entstandenen Schwierigkeiten aus. Fremde Agneten gesellen sich zu ihnen, wiegeln sie auf und bezahlen sie. Sie wollen nicht blos den Bürgerkrieg unter uns entzünden : Plünderung, soziale Auflösung, Frankreichs Ruin bereiten sie und man erräth zu welchem Zweck. Paris ist der Hauptsitz jener infamen Intriguen. Paris wird aber nicht zur Hauptstadt der Unordnung werden. Möge die Bürgerwehr, als erste Wächterin des Friedens und des Eigenthums, wohl begreifen, daß es sich vorzüglich um ihre Interessen, ihren Kredit, ihre Ehre handelt. Ließe sie sich im Stich (si elle s'abandonnait) so würde sie das gesammte Vaterland allen Zufällen überliefern. Familie und Eigenthum würden sie den schrecklichsten Drangsalen preisgeben. Die Truppen der Garnison sind unter den Waflen, sie sind zahlreich und vortrefflich disziplinirt. Möge sich die Bürgerwehr in ihren Vierteln an den Straßenecken aufstellen. Die Obrigkeit wird ihre Pflicht erfüllen, erfülle die Bürgerwehr die ihrige. Paris, 23. Juni, 3 Uhr.
Der Volksvertreter und Maire von Paris,
gez. Marrast.
Flottard, Sekretair.
2. Proklamation der Vollziehungsgewalt an die Pariser Arbeiter d. h. diejenigen Arbeiter, die aus Paris gebürtig sind. Sie beginnt: „In der Mitte des kriminellen Aufruhrs, durch welchen einige verirrte Arbeiter der Nationalwerkstätten die Hauptstadt in Betrübniß versetzen, fühlt die Regierung das Bedürfniß, in das Herz der Bevölkerung zu reden und sie aufzuklären. Arbeiter aus Paris! Die Parteiführer, welche von Faktionen (Prätendenten?) bestochen sind, haben euch überzeugen wollen, daß ihr mit in jener Maßregel begriffen seid, welche die Nationalwerkstätten auflösen, deren Arbeitermasse und unruhiger Charakter auf Paris und der ganzen Republik lastete. Arbeiter aus Paris! Das sind schändliche Verläumdungen! In Eurem Interesse; im Interesse Euerer Wiederbeschäftigung, im Interesse des Wiederbeginns der freien Privat-Industrie zu Euerem Nutzen, entschied sich die Republik, die regelmäßige Ordnung der Arbeit energisch wieder herzustellen (de rétablir énergiquement l'ordre régulier du travail) u. s. w.“ Trotz dieser schmeichelhaften Einladung haben die Pariser Proletarier ihre fremden Kameraden nicht verlassen.
3. Proklamation, die den Kriegsminister, Generallieutenant Cavaignac, zum unumschränkten Gebieter aller Streitkräfte in und um Paris ernannt. Cavaignac hat erklärt, daß er nur unter dieser Bedingung die Generalissimusstelle annehme.
4. Praklamation der Nationalversammlung, welche die Entlassung ihres Vollziehungsausschusses annimmt und den General Cavaignac zum provisorischen Präsidenten der Republik ernennt.
5. Proklamation, welche Paris in Belagerungszustand erklärt.
Der Moniteur und viele andern Zeitungen haben nicht erscheinen können.
‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 23. Juni. ‒ Um 1 Uhr 10 Minuten wird die Sitzung eröffnet in Gegenwart einer sehr kleinen Zahl von Repräsentanten. Wir zählen ihrer keine 300. Die öffentlichen Tribünen sind völlig von Zuschauern entblößt. Nur die, wozu man durch Billette Zutritt erhält, sind mit ihrem gewöhnlichen Publikum versehen.
Hr. Pèan verliest das Protokoll. Die lebhafteste Aufregung herrscht auf allen Bänken. Nach beendigter Verlesung verfließt ein ziemlich langer Zwischenraum, ehe Jemand daran denkt, das Wort zu ergreifen. Zahlreiche Repräsentanten unterhalten sich, Einer nach dem Andern, mit dem Präsidenten.
Die Herren Bedeau und Lebreton sind leider in ihrer Generalsuniform.
Der Präsident schellt und verlangt Stillschweigen. Ruf: Auf den Platz! Auf den Platz!
Flocon (Allgemeine Spannung). Er legt einen Gesetzvorschlag nieder, der die Eröffnung eines Kredits von 5 Millionen verlangt, um der Stadt Lyon gewisse Arbeiten zu zahlen, die ihr vor drei Monaten anbefohlen worden sind. (Enttäuschung auf allen Seiten. Der Minister kehrt auf seinen Platz zurück, ohne ein Wort zu sagen.)
General Lebreton legt einen Dekretvorschlag über das Gesetz der Cumulation, so weit es die Offiziere und Unteroffiziere der Nationalgarde betrifft vor. Er glaubt einen Wunsch der Versammlung zu erfüllen, in den Umständen, worin sie sich befindet, indem er ihr vorschlägt, eine Kommission von Volksrepräsentanten zu ernennen, die sich in die Mitte der Truppen begebe, um die Versammlung über den Stand der Dinge aufzuklären. (Heftiges Gemurre.) Er glaubt, daß es die Pflicht der Versammlung ist, eine aktive Rolle in den Unruhen, welche die Stadt bewegen, zu spielen.
Eine Stimme: Gehen Sie selbst hin. Sie thun hier nicht was einem guten Patrioten zusteht.
General Lebreton glaubt, daß man ihn schlecht verstanden hat und entwickelt seine Ansicht näher. Die Kommission, die er gewählt zu sehen wünscht, sei es durch die Versammlung, sei es durch den Präsidenten, solle nicht in einer aktiven Manier in den Ereignissen, die vorgehen, interveniren. Ihre Gegenwart in der Mitte der Truppen soll ihnen Vertrauen einflößen und zu gleicher Zeit im Fall der Dringlichkeit der Versammlung Bericht abstatten von dem, was sich ereignet.
General Loidet bekämpft den Vorschlag seines Kollegen und zahlreiche Stimmen verlangen die Tagesordnung.
Baune: Unter den Umständen, worin wir uns befinden, haben wir alle Pflichten zu erfüllen, und ich bin erstaunt, die Mitglieder der exekutiven Kommission nicht hier zu sehen; und dennoch war ihre Stelle hier. (Heftiger Tumult. Zahlreiche Stimmen: Zur Ordnung!)
In diesem Augenblick ist die Versammlung vollzählig und die heftigsten Interpellationen in dem verschiedensten Sinne durchkreuzen sich. Baune befindet sich fortwährend auf der Tribüne. Der Sturm legt sich und der Präsident bringt die Tagesordnung zur Abstimmung. Sie wird mit ungeheurer Mehrheit angenommen. Portalis ersetzt Senard auf dem Präsidentenstuhl. Langlade, Datirel, Wolowski legen verschiedene Gesetzvorschläge nieder.
Pagnerre, Bethmont und Marie treten in den Saal; sie sind in den Couloirs der Gegenstand zahlreicher Interpellationen.
Senard: Ich verlange von der Versammlung die Erlaubniß, einen Augenblick ihre Diskussion zu unterbrechen, um ihr zu bringen… (Heftiges Gemurre) sehr tröstliche Nachrichten, die mir von allen Punkten von Paris zugehen. Die republikanische Garde hat so eben am Ende der Straße Blanche-Mibray zwei Barrikaden weggenommen und der Chef der der Versammlung angehörigen Polizei unterrichtet mich, daß sowohl die auf den Quais und den Boulevards als in den anliegenden Straßen aufgeworfenen Barrikaden, ohne vielen Widerstand von der Nationalgarde und den Linientruppen weggenommen worden sind. Der Posten des Boulevard Bonne Nouvelle hat aus eigenem Antrieb auf eine Gruppe von Insurgenten Feuer gegeben. Noch mehr, wie man sagt, sind einige Flintenschüsse in der Straße Hachette aus dem Fenster gefallen. (Tiefes Stillschweigen.)
Portalis: An der Tagesordnung ist die Wiederaufnahme der Diskussion über den Ankauf der Eisenbahnen.
Bineau verlangt das Wort für eine Ordnungsfrage. Er erinnert, daß am Ende der gestrigen Sitzung der Minister der öffentlichen Arbeiten einen Dekretentwurf vorgelegt hat, wodurch er einen Kredit von 5 Millionen verlangte zur Vollendung der Eisenbahn von Collonges ‒ Straße von Chalons nach Lyon. ‒ Dieß muß ein Irrthum sein. In allen Fällen, da die Zuschlagung dieses Wegs stattgefunden hat, da die Kompagnie, der er angehört, noch in regelmäßigem Besitz desselben ist und nur in Folge eines noch nicht erlassenen Gesetzes expropriirt werden kann, verlange er, daß die Vorlegung dieses Dekretentwurfs als nicht geschehn betrachtet werde und daß die Versammlung ihn weder an eine Spezialkommission noch an ihr Comité verweisen. (Bewegung).
Trèlat erklärt, daß in diesem Augenblick Besprechungen stattfinden, mit der erwähnten Kompagnie. Er glaubt, daß die stattgehabten Unterhandlungen ihn zur Ansicht berechtigen, daß es nicht unpassend sei den Abschluß dieser Angelegenheit zu beschleunigen.
Bineau besteht auf seinem Antrag. Trèlat bemerkt, daß er auf das Ersuchen der Deputation von Lyon gehandelt habe. Der Maire von Lyon nimmt das Wort, um Bineau's Vorschlag zu bekämpfen im Namen der Ordnung und der Ruhe, die in diesem Augenblick in Lyon so bedroht seien, wie in Paris.
Duclerc: Ich glaube, Niemand wird das Zeitgemäße der Vorlage des Gesetzentwurfs diskutiren. Ich muß Ihnen indeß erklären, daß die Regierung ihre Zustimmung dazu giebt, daß die Diskussion dieses Entwurfs erst nach der des Gesetzentwurfs über die Eisenbahnen statthabe.
Flocon auf die Aeußerung eines frühern Redners zurückkommend beruhigt die Versammlung über die scheinbare Abwesenheit der Exekutivkommission. Sie sei vereinigt in dem Palast der Nationalversammlung selbst und vollständig zu ihrer Verfügung.
Der Minister fügt hinzu, daß die Unruhen, die Paris in diesem Augenblick bewegen, fast vorhergesehen waren. Welche Fahne auch immer die Insurrektion aufpflanze, alle der Republik feindlichen Faktionen sind vereinigt. Wenn man den Faden dieser Emeute aufsuchen gehe, würde man mehr finden als die Umtriebe eines Prätendenten, als die Umtriebe der Faktionen, man würde hierin noch die des Auslands finden. (Auf dem Berg: Bravo! So ist's!) Es sind die Republikaner, an die ich mich adressire. (Heftiges Gemurre).
Zahlreiche Stimmen: Hier giebt es nichts als Republikaner.
Flocon: Ich glaube, wie Sie, daß es hier nur Republikaner giebt. Nun wohl! Ich frage die Republikaner ausserhalb dieser Versammlung, ob sie nicht erwarten mußten nach einer Revolution, wie die unsrige, nach der Wegfegung so vieler monarchischer Institutionen, alle Intriguen sich vereinigen zu sehen, um die Republik zu bekämpfen. Nicht allein die Prätendenten, alle Feinde die die Republik im Ausland zählt, sind in diesem Augenblick, verbunden, um die Republik zu bekämpfen und zu stürzen. (Bravos auf dem Berg.)
De Falloux verlangt das Wort im Namen der Arbeiterkommission um einen Bericht dieser Kommission zu verlesen. Dieses Verlangen findet eine lebhafte Opposition auf dem Berg! als die Versammlung be schließt mit großer Mehrheit, daß ihm nachgekommen wird.
Falloux: Bürger, durch euch beauftragt, ein definitives Gesetz bezüglich der Nationalwerkstätten vorzubereiten, hat die Kommission die Ehre Ihnen das Resultat ihrer Deliberationen vorzulegen. Die Mißbräuche, die sie in ihrem Schooß bergen, haben alle Augen zu lebhaft geschlagen, als daß es nicht nöthig wäre, ihnen sobald als möglich ein Ende zu machen. Die von Ihnen prinzipiell beschlossen e Auflösung der Nationalwerkstätten muß sobald als möglich stattfinden. Wir sind überzeugt, daß die provisorisch ergriffnen Maßregeln zur Unterstützung der Arbeiter ihrem eignen Zwecke direkt entgegenwirkten.
Nach Entwicklung der allgemeinen Ansichten, worauf sein Bericht fußt, schlägt die Kommission vor, dem Minister einen Kredit zu eröffnen, der ihm erlaubt, den Arbeitern die Hülfsleistungen zu reichen, womit sie in ihre respektiven Domicile zurückkehren und Arbeit finden (suchen?) können. Zahlreiche ministerielle Kapitalisten verlangen außerdem Hülfsleistungen und Anleihen, die sie in Stand setzen werden, zahlreiche Hände zu beschäftigen (das englische hand heißt französisch bras) und die Kommission ist auch der Ansicht, daß man Mittel zur Verfügung des Ministers stelle, um durch Vorschüsse diese Wiederaufnahme der Arbeiten der Privatindustrie zu begünstigen, wie um den Geist der Association unter den Arbeitern.
Der Dekretentwurf enthält 6 Artikel :
Art. 1. Die Nationalwerkstätten sind 3 Tage nach Verkündung des Dekrets aufgelößt.
Art. 2. Die Frauenwerkstätten sind von dieser Maßregel ausgenommen.
Art. 3. Ein Kredit von 3 Millionen ist dem Minister der öffentlichen Arbeiten eröffnet für zeitweilige Unterstützung der Arbeiter.
Art. 4. Die in den Nationalwerkstätten angestellten Brigadiers fahren fort, ihr Salair während 3 Wochen noch zu empfangen.
Art. 5. Jeder, der an den öffentlichen Zusammenschaarungen Theil nimmt, geht der auf dies Dekret ihm zufallenden Vortheile verlustig.
Art. 6. Ein Kredit von 5 Millionen wird eröffnet, um den Industrieunternehmern Summen zu leihen, die ihnen erlauben ihre Arbeiten auf einer großen Stufenleiter wieder zu beginnen.
Corbon verliest, im Namen des Comités der Arbeiter, einen Dekretentwurf, den dies Comité diesen Morgen selbst redigirte, in Folge eines Vorschlags von Herrn Aican, mit dessen Untersuchung es beauftragt worden und der die Entwicklung des Associationsgeistes unter den Arbeitern bezweckte. Man glaubte vor Verlesung desselben vor der Nationalversammlung erst abwarten zu müssen, daß die in der Versammlung herrschende Aufregung sich gelegt, damit man nicht glaube sie berathschlage unter dem Einfluß der Drohungen der Emeute; aber man hat darauf bestanden, und der Redner hielt es für seine Pflicht die schon gefaßten Beschlüsse des Comités der N. V. mitzutheilen.
Mehre Mitglieder des Comités der Arbeiter bemerken, daß das Comité nicht regelgemäß über den von Herrn Corbon gestellten Vorschlag berathschlagt hat. Er sei nur das Resume eines Berichts, den eine hierzu ernannte Unterkommission beauftragt war, ihr über den Vorschlag des Herrn Alcan zu machen. Es würde daher angemessen gewesen sein, daß das Comité der Arbeiter vorläufig zur Untersuchung dieses Vorschlags eingegangen worden sei, das seiner Sanktion bedurft hätte, ehe man ihn der N. B. vorgelegt.
Die vorläufige Frage wird verlangt und entschieden. (Reklamationen in verschiedenem Sinne.) Corbon setzt die Beweggründe der Dringlichkeit auseinander, welche die Unterkommission bestimmt haben, die konventionellen Rücksichten unberücksichtigt zu lassen.
Zahlreiche Stimmen. Die Tagesordnung!
Duclerc. (Lärm auf der äußersten Linken.) So lange ich Minister bleibe, glaube ich nicht, daß die Kammer mich tadeln wird, wenn ich alle Pflichten des Ministers erfülle. Ich glaube die beiden Vorschläge, die sie so eben gehört, bekämpfen zu müssen. Im Interesse eurer Finanzen ist es nöthig, daß ihr hier die Ordnung eurer Ausgaben regelt. Ich bestreite nicht, ich bin weit davon entfernt, dies Recht der Initiative; aber es ist klar. Wenn Euch jeder hier neue Ausgaben vorschlagen kann, ist keine fixe Comptabilität mehr möglich und ihr geht direkt auf den Bankerut los.
Felloux setzt auseinander, daß es sich hier nur um die Verwendung der Summe handelt, die nothwendig behufs der Nationalwerkstätten zugeschlagen werden müssen, wenn ihre Fortdauer statthaben sollte. Es fände hier keine neue Ausgabe statt.
Der Präsident. Eine zweite Mittheilung von Seiten der Executivkommission!
Trilat. Ich habe diesen Morgen den Besuch einer großen Zahl von Arbeitern der Nationalwerkstätten erhalten, die nähere Ausweisungen über eure Absichten verlangten. Fordert man also, daß wir uns von allem trennen, was uns am theuersten ist? Ich antwortete, unsern frühern Entscheidungen gemäß, daß die Regierung nur die fremden Arbeiter von der Hauptstadt entfernen wollte. Ich vernehme so eben einen Vorschlag, der die sofortige Auflösung der Nationalwerkstätten bezweckt und ich will nicht für eine Maßregel persönlich verantwortlich sein, die meinen Privatansichten gänzlich widerspricht.
Die Tagesordnung wird wieder aufgenommen.
Breton unterstützt die Frage der Dringlichkeit für einen vor einigen Tagen gemachten Vorschlag, nach welchem die exekutive Kommission der Nationalversammlung sofort eine exakte detaillirte Rechnungsablage über die Einnahme und Ausgabe der Regierung vom 24. Februar bis zum 1. Juni abstatten solle. In seinem Departement lege man den Steuerpflichtigen täglich neue Opfer auf. Sie verlangten zu wissen, welchen Gebrauch man von ihrem Gelde mache.
Lebhafte Reklamationen in verschiedenen Theilen des Saales.
Der Präsident befragt die Versammlung, die mit großer Mehrheit die Dringlichkeitsfrage bejahend beantwortet. Man verlangt unmittelbar die Verweisung des Vorschlags, ohne weitere Entwickelung, an das Finanzcomité. Die Verweisung wird beschlossen.
Duclerc. So lang ich Finanzminister bin, habe ich mich nie geweigert Nachweisungen zu geben, die verlangt wurden, sei es von den Repräsentanten, sei es vom Finanzkomité. Ich habe es immer im Umfang meiner Kräfte gethan. Ich werde immer bereit sein, den Befehlen der Versammlung zu gehorchen. Indessen wünschte ich zu wissen, was man unter den Worten, in der kürzesten Frist versteht? Ist dieß ein Angriff? aber man weiß wohl, daß die Komptabilität so verwickelt ist, daß der verlangte Bericht nothwendig Zeit erfordert.
Breton. Wir haben nur die wohlwollendsten Absichten. Wir wollen wissen, woran wir sind.
Oberst Ambert legt einen Bericht nieder über den Dekretentwurf bezüglich der freiwilligen Einrollirungen in der Armee.
Die allgemeine Diskussion des Entwurfs bezüglich des Eisenbahnankaufs wird wieder aufgenommen.
Guerin verliest eine Rede zu Gunsten des Entwurfs, sucht Montalembert zu antworten, fesselt die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht.
Jorez hat das Wort. Entschiedner Parteigänger der Ausführung der großen gemeinnützigen Arbeiten durch den Staat, bekämpft er nichts destoweniger den Vorschlag des Eisenbahnankaufs und verliest eine lange Abhandlung hierüber. Während der Verlesung dieser mit viel Geläufigkeit abgerollten Abhandlung, kehrt ein großer Theil der Repräsentanten, die im Konferenzsaal plaudern gegangen waren zurück, um die Plätze auf den Bänken wieder einzunehmen.
Ein Blitz beleuchtet in diesem Augenblick das Halbdunkel, das in dem Saal herrscht und kündet ein heftiges Gewitter an, das sich in diesem Augenblicke auf Paris entladet.
Der Präsident zeigt an, daß er durch Vermittlung des Hrn. Antony Thouret einen folgendermaßen abgefaßten Brief erhält: „Die Abgesandten der Julidekorirten, 1500 an der Zahl, bereit für die Vertheidigrng der Republik zu sterben, kommen sich zur Verfügung der Versammlung stellen.“ Der Präsident fügt hinzu, daß er der Dollmetscher der Gefühle der Versammlung zu sein glaubte, als er den Delegirten für diesen Akt der Hingebung an die Republik dankte, die mit solchen Vertheidigern keine Gefahr laufe.
Zahlreiche Stimmen. Ja! Ja! Es lebe die Republik!
Laurent spricht zu Gunsten des Gesetzentwurfs. Seine Rede wird nicht gehört, und mehre Repräsentanten beklagen sich wiederholt, nichts davon vernehmen zu können, wegen der bedeckten Stimme des Redners.
Der Präsident verliest verschiedene Briefe des Polizeipräfekten. Der erste, von ein Uhr datirt, zeigt an: „daß um 10 Uhr der Rappel im 8. Arrondissement geschlagen wurde und daß die Nationalgarde eine Barrikade nach der andern wegräumte. Das läßt Euch hoffen, daß das Fbg. St. Antoine keine von den Insurgenten gemachten Versuche dulden wird.“
Eilf ein viertel Uhr. ‒ Einige Offiziere der republikanischen Garde haben den Platz Dauphine von 80 Individuen ungefähr gesäubert, die aus riefen: Es lebe die rothe Republik! Die Barrikade des Porte St. Denis ist durch die Nationalgarde besetzt; in der Straße St. Martin an der Ecke der Straßen St. Mèry und St. Jaques la Boucherie sind die Nationalgarden mit Niederreissen der Barrikaden beschäftigt.
Zwei Uhr. ‒ Man versucht die Barrikaden in der Cite wegzunehmen. Mehre Gardiens von Paris sind auf die Mairien geschickt worden und marschiren in den Reihen der Nationalgarde; diese letztere wird trefflich unterstützt durch die republikanische Garde zu Pferde. Es ist uns gleichmäßig ein Dokument zugegangen, das folgendermaßen abgefaßt ist: „Die zweite Legion der Nationalgarde ist gegen die Barrikade des Boulevard marschirt. Ein Kind nahm die Fahne weg, die man hier aufgepflanzt hatte. Es befindet sich in diesem Augenblicke in eurem Konferenzsaal.“ Ich muß ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß eine gewisse Zahl von Volksrepräsentanten von mir die Bewilligung verlangt hat, sich zur Verfügung des Generals Cavaignac zu stellen, um überall unter den Vertheidigern der Republik zu figuriren, wo ihre Gegenwart nützlich wäre. Ich habe ihnen geantwortet, daß ich individuell ihnen keinen Rath zu geben hätte, und ich habe hinzugefügt, daß im Fall der Dringlichkeit die gesammte Nationalversammlung und nicht einzelne isolirte Repräsentanten sich auf den Schauplatz der Gefahr begeben würden. (Lebhafter Beifall)
Nationalversammlung. Um 81/4 Uhr wurde die Sitzung wieder aufgenommen. Präsident Senard meldet die Verwundung mehrerer Deputirten, die am Barrikadensturm Theil nahmen (darunter Clemens Thomas, Dornes u. A.). Considerant schlägt eine Proklamation an die Kämpfenden vor, um die unter ihnen verbreiteten Gerüchte zu widerlegen, und dem Blutbade Einhalt zu thun. (Zur Rechten: Ah! Sie wollen mit der Emeute paktisiren!) Baze und mehrere andere Ultrakonservative wollen ihn vom Rede-Stuhle reißen, werden aber noch bei Zeiten daran gehindert. Considerant versichert hoch und theuer, daß er nicht mit der Emeute paktisiren wolle. Half aber Alles nichts, sein Vorschlag fiel durch. Perrée erzählt dann, wie Arago und Lamartine zu den Barrikaden geritten seien, und nach vergeblichem Parlamentiren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |