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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 32. Köln, 2. Juli 1848.

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- Sonnabend d. 24. Juni. - wo von Gagern das Präsidium dem Vice - Präsidenten von Soiron übertrug, um selbst noch zu sprechen. Schon dies war eine Verletzung des Beschlusses der Versammlung, wonach sie festgesetzt hatte, nur noch achtzehn Redner mit Ausschluß aller andern zu Worte kommen zu lassen. Was gibt nun einem einzelnen Mitgliede, - denn etwas anderes ist von Gagern nicht sobald er den Präsidentensitz verläßt - das Recht als Neunzehnter zu sprechen? Weiter: Fürst Lichnowsky hätte nach der vom Vice-Präsidenten bezeichneten Reihenfolge zuerst sprechen sollen, dann Blum. Aber Se. Durchlaucht mochten fürchten, daß Blums Worte den Eindruck der Seinigen ganz und gar vernichten würden; und so ward willkührlich Blum zuerst auf die Tribüne gerufen. Man erwartete von ihm eine scharfe Zurechtweisung derer, die ihn gestern mit Verdächtigungen und Persönlichkeiten aller Art geschmäht hatten; er erklärte jedoch mit der ihm eignen gewichtigen Ruhe, daß er ewig verschmähen werde, dieses Feld zu betreten. Nun begann das Vorspiel der Intrigue. Ein Redner Stedmann von Coblenz erwähnt, er habe zwei Amendements zu stellen beabsichtigt, sei aber ungewiß ob dies nach den vorgestrigen Beschlüssen noch zulässig sei, und wolle es daher unterlassen.

Obgleich die Versammlung beschlossen hatte, nur noch über 9 Anträge 18 Redner zu hören, will Vicepräsident von Soiron einen dieser Anträge: der Reichsverweser habe die Verkündigung und Ausführung der von der Nationalversammlung beschlossenen Gesetze zu übernehmen, der schriftlich von mehreren Mitgliedern ihm überreicht worden, zur Unterstützung bringen. Darüber etwas tumultuarische Debatte. Die Vertheidiger des Amendements wollen es - wie fein! wie schlau! - nur zur Abstimmung, nicht zur Diskussion bringen. Der Vicepräsident macht einen Vermittelungsvorschlag, zwei Redner sollten dafür, zwei dagegen sprechen, erhält aber ein stürmisches Nein zur Antwort und läßt endlich abstimmen. Vergebens sträubt sich dagegen die Linke, weil es unzulässig sei, darüber abzustimmen, ob man an der erwähnten Uebereinkunft festhalten solle. Die Majorität hat diesmal so viel Gerechtigkeitssinn, sitzen zu bleiben, nichts destoweniger erklärt von Soiron die Frage für bejaht. Der beharrliche Andrang der Linken zwingt ihn, die Gegenprobe zu machen, und er muß zugestehen, daß die Mehrheit sich gegen den Antrag erhoben. Dennoch verlangt eine Stimme von der Rechten her Zählung der Stimmen, der Antrag wird aber mit ungeheurer Majorität verworfen und die Debatte geht weiter. Woher diese Zähigkeit, ein Amendement aufrecht zu erhalten, dessen Einbringung schon unzuläßig war? Man behauptet, die Sache verhalte sich folgendermaßen: Gagern habe den Antrag stellen wollen, das künftige Haupt solle aus den regierenden Fürstenhäusern gewählt werden. Da ein neuer Antrag aber der getroffenen Uebereinkunft nach, unzuläßig gewesen, und Gagern sich einer möglichen Zurückweisung nicht habe aussetzen wollen, so habe man mit dem Stedtmann'schen Antrag eine Bresche in die Uebereinkunft schießen und versuchen wollen, die Stellung von Amendements zur bloßen Abstimmung - wohlgemerkt - ohne Diskussion zu ermöglichen. Den Schluß der Redner machte der bekannte Staatsrath Mathy. Er ward durch lange dauernden Zuruf genöthigt, seinen Namen zweimal zu nennen, was ihm sehr unbequem schien. Man ließ ihn ruhig reden. Nach ihm betrat Gagern wirklich die Rednerbühne. Die Linke machte einen schwachen Versuch, durch Zuruf daran zu erinnern, daß der neunzehnte Redner nicht zum Sprechen berechtigt sei, ließ sich aber durch die Klingel des Vicepräsidenten zum Schweigen bringen. Persönliche captatio benevolentiae, Eingehen auf die verschiedenen Ansichten, mildeste Deutung des Ausschuß-Antrages, Erklärung gegen das Fortbestehen des Bundestages - Alles in Gagern's bis zum kleinsten Worte sorglichst ausgearbeiteter Rede darauf berechnet, einen günstigen Eindruck zu machen. Ueber das Stedmann'sche Amendement erklärte er: man solle sich an Formalitäten nicht stoßen, sondern erlauben, Anträge so zu verbessern, wie sie für die allgemeine Wohlfahrt am schicklichsten dünkten. Die Frage, wer soll die Centralgewalt schaffen? beantwortete er: "Ich thue einen kühnen Griff und ich sage ihnen, wir müssen die provisorische Centralgewalt selbst schaffen," was natürlich einen großen Beifallssturm zur Folge hatte. Dann aber insinuirte der Redner in schlangenglatter Weise der Eine zu wählende Träger der Centralgewalt müsse ein Fürst sein. Um dieser Ansicht Geltung zu verschaffen, verschmähte er nicht, der Linken zuzurufen: sie könne ja einen Fürsten wählen nicht weil er ein Fürst sei, sondern obgleich er ein Fürst sei. Nach Gagern sprach Dahlmann zum Schluß. Es ist unbegreiflich, wie dieser Mann, der sich als Schriftsteller und als Katheder - Docent einen Ruf erworben, aller mangelnden Anlage zum Trotz, sich zum Redner schlägt. Sein Vortrag, fast ganz unverständlich, peinigte die Zuhörer über eine Stunde lang. Kein Zeichen der Ungeduld, kein Zwischenruf ringt ihm auch nur die Weglassung eines Satzes, eines Kolons ab. In der Hauptsache verkündigte er: die Majorität des Ausschusses habe ihre frühern Anträge verändert und stelle jetzt neue. An die Stelle des frühern Bundesdirektoriums von 3 Mitgliedern, schlage sie einen Reichsverweser vor. Der Vicepräsident wollte sogleich über diese neuen Anträge abstimmen lassen; Schaffrath, Jordan (von Berlin) u. Andere erklärten jedoch, daß die Stellung neuer Anträge nach Schluß der Debatte auch dem Ausschuß nicht mehr zustehe, daß wenigstens über diese neuen Anträge eine neue Debatte zu eröffnen sei. Es entstand ein furchtbarer Lärm; die Debatte wurde endlich unter großer Aufregung geschlossen; dee Vicepräsident schlug nun als Mittel zu einer recht ruhigen und gründlichen Abstimmung vor, es sollten sich nach der Sitzung von jeder der 9 Kategorien ein Abgesandter mit ihm vereinigen, und gemeinschaftlich ein Programm über die Abstimmung entwerfen, wobei es jeder Kategorie zu überlassen, erläuternde Amendements einzubringen. Angenommen. Dieses Programm, noch an demselben Abend bekannt, schien im Wesentlichen allen Parteien zu entsprechen, so, daß man sich in mehreren Kreisen schon der Hoffnung hingab, am Montag ohne bedeutende Diskussion über die Fragstellung selbst, die Abstimmung vor sich gehen zu sehen. Allein der dazwischen liegende Sonntag verdarb alles.

Er gab der Rechten Zeit zu einer Besprechung auf der Mainlust, und hier ward ein Plan verabredet, der ihr den Sieg erringen sollte, den sie nach dem Eindruck der Redner der Linken auf die Centren, und namentlich nach dem Gerüchte, alle Fraktionen der Linken und des linken Centrums hätten sich vereinigt, schon verloren gegeben hatte. Die Montagssitzung enthüllte diesen Plan. Vor der Sitzung wurden drei neue gedruckte Amendements vertheilt; von Mathy und v. Auerswald das, die Centralgewalt solle einem nicht regierenden Mitglied eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen werden; das von Heckscher, die provisorische Centralgewalt solle einem Reichsverweser übertragen werden, welchen die Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen wähle; und eins von Heckscher und Rotenhahn, die Centralgewalt solle der National-Versammlung Vorlagen über Auflösung des Bundestags machen. Diese neuen Amendements, deren Unzulässigkeit sich von selbst verstand, riefen einen ungeheuren Sturm in der Versammlung hervor, das Prinzip, der Satz, daß man prinzipienmäßig einen Fürsten wählen solle, war noch gar nicht zur Sprache gekommen und sollte nur zu guter Letzt noch der Versammlung aufgedrungen werden, nachdem die Rechte außerhalb der Versammlung sich einer kompetenten Majorität versichert.

(Schluß morgen.)

Frankfurt, 30. Juni.

In der heutigen Sitzung der National-Versammlung fand die neue Präsidentenwahl Statt. Als Vorschläge waren aufgelegt:

1) Vom Centrum die 3 schon früher Gewählten: Gagern, Soiron, Andrian.

2) Von der Linken zum Präsidenten H. Simon von Breslau, zum ersten Vicepräsidenten Robert Blum.

Kapp's Austritts-Erklärung wird gelesen und der Ausdruck "verdahlmannt" erregt allgemeine Heiterkeit.

Es wird die Frage gestellt, ob die Entlassung angenommen oder an eine Kommission gewiesen werden solle.

Wernher von Nierstein schlägt die Tagesordnung vor. Es wurde die Frage gestellt:

1) Nimmt die Nationalversammlung die Austrittserklärung an?

2) Soll eine Einladung zu neuer Wahl ergehen?

Beide Fragen werden bejaht.

Kolb verlangt das Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags, betreffend das östreichische Geldausfuhrverbot, zu begründen.

Kuranda betheuert Oestreichs Liebe zur Einheit, aber Noth kenne kein Gebot. Das Verbot werde nur noch einige Monate bestehen.

Die darauf hingestellte Frage, ob der Gegenstand an den Volkswirthschafts-Ausschuß zu verweisen sei, wurde bejaht. Darauf wurde zur Wahl geschritten.

Präsident: H. Gagern mit 399 Stimmen von 487.

H. Simon erhielt 68. Robert Blum 12. Dahlmann 1. Radowitz, Vincke, Lychnowski jeder 1.

Erster Vicepräsident: Soiron mit 359 Stimmen. Blum 104.

- Zweiter Vicepräsident: Andrian mit 277. Simon 132. Robert Blum 3.

Auf der morgigen Tagesordnung befindet sich auch die Wahlangelegenheit Heckers.

(M. Z.)
Wien, 26. Juni.

Die größte Besorgniß liegt gegenwärtig in unserer Finanznoth; der abgeflossene Mai ergiebt allein ein Deficit von 8,800,000 Fl. In unserem Italien sind alle Staatseinkünfte natürlich versiegt und Ungarn zahlt nichts zur Aufrechthaltung der Gesammtmonarchie.

Wien, 27. Juni.

Durch telegraphische Depesche von Cilly geht die Meldung des Feldzeugmeisters Grafen Nugent ein, daß die Festung Palma nuova sich am 25. um 9 Uhr früh ergeben hat, wodurch nicht allein ein kostbares Kriegs-Material, nämlich der Belagerungspark der Armee in Italien, wieder in unseren Besitz gelangt, sondern auch die Kommunikationslinie des Heeres völlig frei wird.

(W. Z.)
Prag, 25. Juni.

Nach dem vor mehreren Jahren erschienen Werke Schafarik's über die slavischen Stämme vertheilten sich die Slaven, deren Gesammtmasse in Europa 78,763,000 beträgt, nach den einzelnen Ländern in folgender Weise: Auf Rußland kommen 53,502,000 worunter 4,912,000 Polen; auf Oestreich 16,912,000, darunter 2,774,000 Kleinrussen in Galizien und dem nordöstlichen Theile Ungarns 2,473,000 Polen, 2,594,000 Serben und Illyrier, 4,414,000 Czechen und Mähren, 2,753,000 Slowaken in Ungarn, 1,151,000 Slowenzen (Kärnthner), 800,000 Kroaten, 7000 Bulgaren. In Preußen wohnen 2,180,000 Slaven, 1,982,000 Polen, 82,000 Lausitzer, in Sachsen 60,000 Lausitzer, in der Türkei endlich 6,100,000, davon 3,500,000 Bulgaren, 2,600,000 Serben.

Französische Republik.
Die Junirevolution.

(Schluß.)

**

Die erschrockene Nationalversammlung ernannte Cavaignac zum Diktator,

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.

‒ Sonnabend d. 24. Juni. ‒ wo von Gagern das Präsidium dem Vice - Präsidenten von Soiron übertrug, um selbst noch zu sprechen. Schon dies war eine Verletzung des Beschlusses der Versammlung, wonach sie festgesetzt hatte, nur noch achtzehn Redner mit Ausschluß aller andern zu Worte kommen zu lassen. Was gibt nun einem einzelnen Mitgliede, ‒ denn etwas anderes ist von Gagern nicht sobald er den Präsidentensitz verläßt ‒ das Recht als Neunzehnter zu sprechen? Weiter: Fürst Lichnowsky hätte nach der vom Vice-Präsidenten bezeichneten Reihenfolge zuerst sprechen sollen, dann Blum. Aber Se. Durchlaucht mochten fürchten, daß Blums Worte den Eindruck der Seinigen ganz und gar vernichten würden; und so ward willkührlich Blum zuerst auf die Tribüne gerufen. Man erwartete von ihm eine scharfe Zurechtweisung derer, die ihn gestern mit Verdächtigungen und Persönlichkeiten aller Art geschmäht hatten; er erklärte jedoch mit der ihm eignen gewichtigen Ruhe, daß er ewig verschmähen werde, dieses Feld zu betreten. Nun begann das Vorspiel der Intrigue. Ein Redner Stedmann von Coblenz erwähnt, er habe zwei Amendements zu stellen beabsichtigt, sei aber ungewiß ob dies nach den vorgestrigen Beschlüssen noch zulässig sei, und wolle es daher unterlassen.

Obgleich die Versammlung beschlossen hatte, nur noch über 9 Anträge 18 Redner zu hören, will Vicepräsident von Soiron einen dieser Anträge: der Reichsverweser habe die Verkündigung und Ausführung der von der Nationalversammlung beschlossenen Gesetze zu übernehmen, der schriftlich von mehreren Mitgliedern ihm überreicht worden, zur Unterstützung bringen. Darüber etwas tumultuarische Debatte. Die Vertheidiger des Amendements wollen es ‒ wie fein! wie schlau! ‒ nur zur Abstimmung, nicht zur Diskussion bringen. Der Vicepräsident macht einen Vermittelungsvorschlag, zwei Redner sollten dafür, zwei dagegen sprechen, erhält aber ein stürmisches Nein zur Antwort und läßt endlich abstimmen. Vergebens sträubt sich dagegen die Linke, weil es unzulässig sei, darüber abzustimmen, ob man an der erwähnten Uebereinkunft festhalten solle. Die Majorität hat diesmal so viel Gerechtigkeitssinn, sitzen zu bleiben, nichts destoweniger erklärt von Soiron die Frage für bejaht. Der beharrliche Andrang der Linken zwingt ihn, die Gegenprobe zu machen, und er muß zugestehen, daß die Mehrheit sich gegen den Antrag erhoben. Dennoch verlangt eine Stimme von der Rechten her Zählung der Stimmen, der Antrag wird aber mit ungeheurer Majorität verworfen und die Debatte geht weiter. Woher diese Zähigkeit, ein Amendement aufrecht zu erhalten, dessen Einbringung schon unzuläßig war? Man behauptet, die Sache verhalte sich folgendermaßen: Gagern habe den Antrag stellen wollen, das künftige Haupt solle aus den regierenden Fürstenhäusern gewählt werden. Da ein neuer Antrag aber der getroffenen Uebereinkunft nach, unzuläßig gewesen, und Gagern sich einer möglichen Zurückweisung nicht habe aussetzen wollen, so habe man mit dem Stedtmann'schen Antrag eine Bresche in die Uebereinkunft schießen und versuchen wollen, die Stellung von Amendements zur bloßen Abstimmung ‒ wohlgemerkt ‒ ohne Diskussion zu ermöglichen. Den Schluß der Redner machte der bekannte Staatsrath Mathy. Er ward durch lange dauernden Zuruf genöthigt, seinen Namen zweimal zu nennen, was ihm sehr unbequem schien. Man ließ ihn ruhig reden. Nach ihm betrat Gagern wirklich die Rednerbühne. Die Linke machte einen schwachen Versuch, durch Zuruf daran zu erinnern, daß der neunzehnte Redner nicht zum Sprechen berechtigt sei, ließ sich aber durch die Klingel des Vicepräsidenten zum Schweigen bringen. Persönliche captatio benevolentiae, Eingehen auf die verschiedenen Ansichten, mildeste Deutung des Ausschuß-Antrages, Erklärung gegen das Fortbestehen des Bundestages ‒ Alles in Gagern's bis zum kleinsten Worte sorglichst ausgearbeiteter Rede darauf berechnet, einen günstigen Eindruck zu machen. Ueber das Stedmann'sche Amendement erklärte er: man solle sich an Formalitäten nicht stoßen, sondern erlauben, Anträge so zu verbessern, wie sie für die allgemeine Wohlfahrt am schicklichsten dünkten. Die Frage, wer soll die Centralgewalt schaffen? beantwortete er: „Ich thue einen kühnen Griff und ich sage ihnen, wir müssen die provisorische Centralgewalt selbst schaffen,“ was natürlich einen großen Beifallssturm zur Folge hatte. Dann aber insinuirte der Redner in schlangenglatter Weise der Eine zu wählende Träger der Centralgewalt müsse ein Fürst sein. Um dieser Ansicht Geltung zu verschaffen, verschmähte er nicht, der Linken zuzurufen: sie könne ja einen Fürsten wählen nicht weil er ein Fürst sei, sondern obgleich er ein Fürst sei. Nach Gagern sprach Dahlmann zum Schluß. Es ist unbegreiflich, wie dieser Mann, der sich als Schriftsteller und als Katheder - Docent einen Ruf erworben, aller mangelnden Anlage zum Trotz, sich zum Redner schlägt. Sein Vortrag, fast ganz unverständlich, peinigte die Zuhörer über eine Stunde lang. Kein Zeichen der Ungeduld, kein Zwischenruf ringt ihm auch nur die Weglassung eines Satzes, eines Kolons ab. In der Hauptsache verkündigte er: die Majorität des Ausschusses habe ihre frühern Anträge verändert und stelle jetzt neue. An die Stelle des frühern Bundesdirektoriums von 3 Mitgliedern, schlage sie einen Reichsverweser vor. Der Vicepräsident wollte sogleich über diese neuen Anträge abstimmen lassen; Schaffrath, Jordan (von Berlin) u. Andere erklärten jedoch, daß die Stellung neuer Anträge nach Schluß der Debatte auch dem Ausschuß nicht mehr zustehe, daß wenigstens über diese neuen Anträge eine neue Debatte zu eröffnen sei. Es entstand ein furchtbarer Lärm; die Debatte wurde endlich unter großer Aufregung geschlossen; dee Vicepräsident schlug nun als Mittel zu einer recht ruhigen und gründlichen Abstimmung vor, es sollten sich nach der Sitzung von jeder der 9 Kategorien ein Abgesandter mit ihm vereinigen, und gemeinschaftlich ein Programm über die Abstimmung entwerfen, wobei es jeder Kategorie zu überlassen, erläuternde Amendements einzubringen. Angenommen. Dieses Programm, noch an demselben Abend bekannt, schien im Wesentlichen allen Parteien zu entsprechen, so, daß man sich in mehreren Kreisen schon der Hoffnung hingab, am Montag ohne bedeutende Diskussion über die Fragstellung selbst, die Abstimmung vor sich gehen zu sehen. Allein der dazwischen liegende Sonntag verdarb alles.

Er gab der Rechten Zeit zu einer Besprechung auf der Mainlust, und hier ward ein Plan verabredet, der ihr den Sieg erringen sollte, den sie nach dem Eindruck der Redner der Linken auf die Centren, und namentlich nach dem Gerüchte, alle Fraktionen der Linken und des linken Centrums hätten sich vereinigt, schon verloren gegeben hatte. Die Montagssitzung enthüllte diesen Plan. Vor der Sitzung wurden drei neue gedruckte Amendements vertheilt; von Mathy und v. Auerswald das, die Centralgewalt solle einem nicht regierenden Mitglied eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen werden; das von Heckscher, die provisorische Centralgewalt solle einem Reichsverweser übertragen werden, welchen die Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen wähle; und eins von Heckscher und Rotenhahn, die Centralgewalt solle der National-Versammlung Vorlagen über Auflösung des Bundestags machen. Diese neuen Amendements, deren Unzulässigkeit sich von selbst verstand, riefen einen ungeheuren Sturm in der Versammlung hervor, das Prinzip, der Satz, daß man prinzipienmäßig einen Fürsten wählen solle, war noch gar nicht zur Sprache gekommen und sollte nur zu guter Letzt noch der Versammlung aufgedrungen werden, nachdem die Rechte außerhalb der Versammlung sich einer kompetenten Majorität versichert.

(Schluß morgen.)

Frankfurt, 30. Juni.

In der heutigen Sitzung der National-Versammlung fand die neue Präsidentenwahl Statt. Als Vorschläge waren aufgelegt:

1) Vom Centrum die 3 schon früher Gewählten: Gagern, Soiron, Andrian.

2) Von der Linken zum Präsidenten H. Simon von Breslau, zum ersten Vicepräsidenten Robert Blum.

Kapp's Austritts-Erklärung wird gelesen und der Ausdruck „verdahlmannt“ erregt allgemeine Heiterkeit.

Es wird die Frage gestellt, ob die Entlassung angenommen oder an eine Kommission gewiesen werden solle.

Wernher von Nierstein schlägt die Tagesordnung vor. Es wurde die Frage gestellt:

1) Nimmt die Nationalversammlung die Austrittserklärung an?

2) Soll eine Einladung zu neuer Wahl ergehen?

Beide Fragen werden bejaht.

Kolb verlangt das Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags, betreffend das östreichische Geldausfuhrverbot, zu begründen.

Kuranda betheuert Oestreichs Liebe zur Einheit, aber Noth kenne kein Gebot. Das Verbot werde nur noch einige Monate bestehen.

Die darauf hingestellte Frage, ob der Gegenstand an den Volkswirthschafts-Ausschuß zu verweisen sei, wurde bejaht. Darauf wurde zur Wahl geschritten.

Präsident: H. Gagern mit 399 Stimmen von 487.

H. Simon erhielt 68. Robert Blum 12. Dahlmann 1. Radowitz, Vincke, Lychnowski jeder 1.

Erster Vicepräsident: Soiron mit 359 Stimmen. Blum 104.

‒ Zweiter Vicepräsident: Andrian mit 277. Simon 132. Robert Blum 3.

Auf der morgigen Tagesordnung befindet sich auch die Wahlangelegenheit Heckers.

(M. Z.)
Wien, 26. Juni.

Die größte Besorgniß liegt gegenwärtig in unserer Finanznoth; der abgeflossene Mai ergiebt allein ein Deficit von 8,800,000 Fl. In unserem Italien sind alle Staatseinkünfte natürlich versiegt und Ungarn zahlt nichts zur Aufrechthaltung der Gesammtmonarchie.

Wien, 27. Juni.

Durch telegraphische Depesche von Cilly geht die Meldung des Feldzeugmeisters Grafen Nugent ein, daß die Festung Palma nuova sich am 25. um 9 Uhr früh ergeben hat, wodurch nicht allein ein kostbares Kriegs-Material, nämlich der Belagerungspark der Armee in Italien, wieder in unseren Besitz gelangt, sondern auch die Kommunikationslinie des Heeres völlig frei wird.

(W. Z.)
Prag, 25. Juni.

Nach dem vor mehreren Jahren erschienen Werke Schafarik's über die slavischen Stämme vertheilten sich die Slaven, deren Gesammtmasse in Europa 78,763,000 beträgt, nach den einzelnen Ländern in folgender Weise: Auf Rußland kommen 53,502,000 worunter 4,912,000 Polen; auf Oestreich 16,912,000, darunter 2,774,000 Kleinrussen in Galizien und dem nordöstlichen Theile Ungarns 2,473,000 Polen, 2,594,000 Serben und Illyrier, 4,414,000 Czechen und Mähren, 2,753,000 Slowaken in Ungarn, 1,151,000 Slowenzen (Kärnthner), 800,000 Kroaten, 7000 Bulgaren. In Preußen wohnen 2,180,000 Slaven, 1,982,000 Polen, 82,000 Lausitzer, in Sachsen 60,000 Lausitzer, in der Türkei endlich 6,100,000, davon 3,500,000 Bulgaren, 2,600,000 Serben.

Französische Republik.
Die Junirevolution.

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Die erschrockene Nationalversammlung ernannte Cavaignac zum Diktator,

Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
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Vergebens sträubt sich dagegen die                         Linke, weil es unzulässig sei, darüber abzustimmen, ob man an der erwähnten                         Uebereinkunft festhalten solle. Die Majorität hat diesmal so viel                         Gerechtigkeitssinn, sitzen zu bleiben, nichts destoweniger erklärt von                         Soiron die Frage für bejaht. Der beharrliche Andrang der Linken zwingt ihn,                         die Gegenprobe zu machen, und er muß zugestehen, daß die Mehrheit sich gegen                         den Antrag erhoben. Dennoch verlangt eine Stimme von der Rechten her Zählung                         der Stimmen, der Antrag wird aber mit ungeheurer Majorität verworfen und die                         Debatte geht weiter. Woher diese Zähigkeit, ein Amendement aufrecht zu                         erhalten, dessen Einbringung schon unzuläßig war? Man behauptet, die Sache                         verhalte sich folgendermaßen: Gagern habe den Antrag stellen wollen, das                         künftige Haupt solle aus den regierenden Fürstenhäusern gewählt werden. Da                         ein neuer Antrag aber der getroffenen Uebereinkunft nach, unzuläßig gewesen,                         und Gagern sich einer möglichen Zurückweisung nicht habe aussetzen wollen,                         so habe man mit dem Stedtmann'schen Antrag eine Bresche in die Uebereinkunft                         schießen und versuchen wollen, die Stellung von Amendements zur bloßen                         Abstimmung &#x2012; wohlgemerkt &#x2012; <hi rendition="#g">ohne Diskussion</hi> zu                         ermöglichen. Den Schluß der Redner machte der bekannte Staatsrath Mathy. Er                         ward durch lange dauernden Zuruf genöthigt, seinen Namen zweimal zu nennen,                         was ihm sehr unbequem schien. Man ließ ihn ruhig reden. Nach ihm betrat                         Gagern wirklich die Rednerbühne. Die Linke machte einen schwachen Versuch,                         durch Zuruf daran zu erinnern, daß der neunzehnte Redner nicht zum Sprechen                         berechtigt sei, ließ sich aber durch die Klingel des Vicepräsidenten zum                         Schweigen bringen. Persönliche captatio benevolentiae, Eingehen auf die                         verschiedenen Ansichten, mildeste Deutung des Ausschuß-Antrages, Erklärung                         gegen das Fortbestehen des Bundestages &#x2012; Alles in Gagern's bis zum kleinsten                         Worte sorglichst ausgearbeiteter Rede darauf berechnet, einen günstigen                         Eindruck zu machen. Ueber das Stedmann'sche Amendement erklärte er: man                         solle sich an Formalitäten nicht stoßen, sondern erlauben, Anträge so zu                         verbessern, wie sie für die allgemeine Wohlfahrt am schicklichsten dünkten.                         Die Frage, wer soll die Centralgewalt schaffen? beantwortete er: &#x201E;Ich thue                         einen kühnen Griff und ich sage ihnen, wir müssen die provisorische                         Centralgewalt selbst schaffen,&#x201C; was natürlich einen großen Beifallssturm zur                         Folge hatte. Dann aber insinuirte der Redner in schlangenglatter Weise der                         Eine zu wählende Träger der Centralgewalt müsse ein Fürst sein. Um dieser                         Ansicht Geltung zu verschaffen, verschmähte er nicht, der Linken zuzurufen:                         sie könne ja einen Fürsten wählen nicht <hi rendition="#g">weil er ein Fürst                             sei,</hi> sondern <hi rendition="#g">obgleich er ein Fürst sei.</hi> Nach Gagern sprach Dahlmann zum Schluß. Es ist unbegreiflich, wie dieser                         Mann, der sich als Schriftsteller und als Katheder - Docent einen Ruf                         erworben, aller mangelnden Anlage zum Trotz, sich zum Redner schlägt. Sein                         Vortrag, fast ganz unverständlich, peinigte die Zuhörer über eine Stunde                         lang. Kein Zeichen der Ungeduld, kein Zwischenruf ringt ihm auch nur die                         Weglassung eines Satzes, eines Kolons ab. In der Hauptsache verkündigte er:                         die Majorität des Ausschusses habe ihre frühern Anträge verändert und stelle                         jetzt neue. An die Stelle des frühern Bundesdirektoriums von 3 Mitgliedern,                         schlage sie einen Reichsverweser vor. Der Vicepräsident wollte sogleich über                         diese neuen Anträge abstimmen lassen; Schaffrath, Jordan (von Berlin) u.                         Andere erklärten jedoch, daß die Stellung neuer Anträge nach Schluß der                         Debatte auch dem Ausschuß nicht mehr zustehe, daß wenigstens über diese                         neuen Anträge eine neue Debatte zu eröffnen sei. Es entstand ein furchtbarer                         Lärm; die Debatte wurde endlich unter großer Aufregung geschlossen; dee                         Vicepräsident schlug nun als Mittel zu einer recht ruhigen und gründlichen                         Abstimmung vor, es sollten sich nach der Sitzung von jeder der 9 Kategorien                         ein Abgesandter mit ihm vereinigen, und gemeinschaftlich ein Programm über                         die Abstimmung entwerfen, wobei es jeder Kategorie zu überlassen,                         erläuternde Amendements einzubringen. Angenommen. Dieses Programm, noch an                         demselben Abend bekannt, schien im Wesentlichen allen Parteien zu                         entsprechen, so, daß man sich in mehreren Kreisen schon der Hoffnung hingab,                         am Montag ohne bedeutende Diskussion über die Fragstellung selbst, die                         Abstimmung vor sich gehen zu sehen. Allein der dazwischen liegende Sonntag                         verdarb alles.</p>
          <p>Er gab der Rechten Zeit zu einer Besprechung auf der Mainlust, und hier ward                         ein Plan verabredet, der ihr den Sieg erringen sollte, den sie nach dem                         Eindruck der Redner der Linken auf die Centren, und namentlich nach dem                         Gerüchte, alle Fraktionen der Linken und des linken Centrums hätten sich                         vereinigt, schon verloren gegeben hatte. Die Montagssitzung enthüllte diesen                         Plan. Vor der Sitzung wurden drei neue gedruckte Amendements vertheilt; von                         Mathy und v. Auerswald das, die Centralgewalt solle einem nicht regierenden                         Mitglied eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen                         werden; das von Heckscher, die provisorische Centralgewalt solle einem                         Reichsverweser übertragen werden, welchen die Nationalversammlung im                         Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen wähle; und eins von                         Heckscher und Rotenhahn, die Centralgewalt solle der National-Versammlung                         Vorlagen über Auflösung des Bundestags machen. Diese neuen Amendements,                         deren Unzulässigkeit sich von selbst verstand, riefen einen ungeheuren Sturm                         in der Versammlung hervor, das Prinzip, der Satz, daß man <hi rendition="#g">prinzipienmäßig</hi> einen Fürsten wählen solle, war noch gar nicht zur                         Sprache gekommen und sollte nur zu guter Letzt noch der Versammlung                         aufgedrungen werden, nachdem die Rechte außerhalb der Versammlung sich einer                         kompetenten Majorität versichert.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Schluß morgen.)</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_012" type="jArticle">
          <head>Frankfurt, 30. Juni.</head>
          <p>In der heutigen Sitzung der National-Versammlung fand die neue                         Präsidentenwahl Statt. Als Vorschläge waren aufgelegt:</p>
          <p>1) Vom Centrum die 3 schon früher Gewählten: Gagern, Soiron, Andrian.</p>
          <p>2) Von der Linken zum Präsidenten H. Simon von Breslau, zum ersten                         Vicepräsidenten Robert Blum.</p>
          <p>Kapp's Austritts-Erklärung wird gelesen und der Ausdruck &#x201E;verdahlmannt&#x201C;                         erregt allgemeine Heiterkeit.</p>
          <p>Es wird die Frage gestellt, ob die Entlassung angenommen oder an eine                         Kommission gewiesen werden solle.</p>
          <p>Wernher von Nierstein schlägt die Tagesordnung vor. Es wurde die Frage                         gestellt:</p>
          <p>1) Nimmt die Nationalversammlung die Austrittserklärung an?</p>
          <p>2) Soll eine Einladung zu neuer Wahl ergehen?</p>
          <p>Beide Fragen werden bejaht.</p>
          <p>Kolb verlangt das Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags, betreffend das                         östreichische Geldausfuhrverbot, zu begründen.</p>
          <p>Kuranda betheuert Oestreichs Liebe zur Einheit, aber Noth kenne kein Gebot.                         Das Verbot werde nur noch einige Monate bestehen.</p>
          <p>Die darauf hingestellte Frage, ob der Gegenstand an den                         Volkswirthschafts-Ausschuß zu verweisen sei, wurde bejaht. Darauf wurde zur                         Wahl geschritten.</p>
          <p>Präsident: H. Gagern mit 399 Stimmen von 487.</p>
          <p rendition="#et">H. Simon erhielt 68. Robert Blum 12. Dahlmann 1. Radowitz,                         Vincke, Lychnowski jeder 1.</p>
          <p>Erster Vicepräsident: Soiron mit 359 Stimmen. Blum 104.</p>
          <p>&#x2012; Zweiter Vicepräsident: Andrian mit 277. Simon 132. Robert Blum 3.</p>
          <p>Auf der morgigen Tagesordnung befindet sich auch die Wahlangelegenheit                         Heckers.</p>
          <bibl>(M. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar032_013" type="jArticle">
          <head>Wien, 26. Juni.</head>
          <p>Die größte Besorgniß liegt gegenwärtig in unserer Finanznoth; der                         abgeflossene Mai ergiebt allein ein Deficit von 8,800,000 Fl. In unserem                         Italien sind alle Staatseinkünfte natürlich versiegt und <hi rendition="#g">Ungarn</hi> zahlt nichts zur Aufrechthaltung der Gesammtmonarchie.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar032_014" type="jArticle">
          <head>Wien, 27. Juni.</head>
          <p>Durch telegraphische Depesche von Cilly geht die Meldung des Feldzeugmeisters                         Grafen Nugent ein, daß die Festung Palma nuova sich am 25. um 9 Uhr früh                         ergeben hat, wodurch nicht allein ein kostbares Kriegs-Material, nämlich der                         Belagerungspark der Armee in Italien, wieder in unseren Besitz gelangt,                         sondern auch die Kommunikationslinie des Heeres völlig frei wird.</p>
          <bibl>(W. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar032_015" type="jArticle">
          <head>Prag, 25. Juni.</head>
          <p>Nach dem vor mehreren Jahren erschienen Werke Schafarik's über die slavischen                         Stämme vertheilten sich die Slaven, deren Gesammtmasse in Europa 78,763,000                         beträgt, nach den einzelnen Ländern in folgender Weise: Auf Rußland kommen                         53,502,000 worunter 4,912,000 Polen; auf Oestreich 16,912,000, darunter                         2,774,000 Kleinrussen in Galizien und dem nordöstlichen Theile Ungarns                         2,473,000 Polen, 2,594,000 Serben und Illyrier, 4,414,000 Czechen und                         Mähren, 2,753,000 Slowaken in Ungarn, 1,151,000 Slowenzen (Kärnthner),                         800,000 Kroaten, 7000 Bulgaren. In Preußen wohnen 2,180,000 Slaven,                         1,982,000 Polen, 82,000 Lausitzer, in Sachsen 60,000 Lausitzer, in der                         Türkei endlich 6,100,000, davon 3,500,000 Bulgaren, 2,600,000 Serben.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar032_016_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Junirevolution. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 222.</bibl></note>
          <head> <hi rendition="#g">Die Junirevolution.</hi> </head>
          <p>
            <ref type="link">(Schluß.)</ref>
          </p>
          <bibl>
            <author>**</author>
          </bibl>
          <p>Die erschrockene Nationalversammlung ernannte Cavaignac zum Diktator,</p>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158/0002] ‒ Sonnabend d. 24. Juni. ‒ wo von Gagern das Präsidium dem Vice - Präsidenten von Soiron übertrug, um selbst noch zu sprechen. Schon dies war eine Verletzung des Beschlusses der Versammlung, wonach sie festgesetzt hatte, nur noch achtzehn Redner mit Ausschluß aller andern zu Worte kommen zu lassen. Was gibt nun einem einzelnen Mitgliede, ‒ denn etwas anderes ist von Gagern nicht sobald er den Präsidentensitz verläßt ‒ das Recht als Neunzehnter zu sprechen? Weiter: Fürst Lichnowsky hätte nach der vom Vice-Präsidenten bezeichneten Reihenfolge zuerst sprechen sollen, dann Blum. Aber Se. Durchlaucht mochten fürchten, daß Blums Worte den Eindruck der Seinigen ganz und gar vernichten würden; und so ward willkührlich Blum zuerst auf die Tribüne gerufen. Man erwartete von ihm eine scharfe Zurechtweisung derer, die ihn gestern mit Verdächtigungen und Persönlichkeiten aller Art geschmäht hatten; er erklärte jedoch mit der ihm eignen gewichtigen Ruhe, daß er ewig verschmähen werde, dieses Feld zu betreten. Nun begann das Vorspiel der Intrigue. Ein Redner Stedmann von Coblenz erwähnt, er habe zwei Amendements zu stellen beabsichtigt, sei aber ungewiß ob dies nach den vorgestrigen Beschlüssen noch zulässig sei, und wolle es daher unterlassen. Obgleich die Versammlung beschlossen hatte, nur noch über 9 Anträge 18 Redner zu hören, will Vicepräsident von Soiron einen dieser Anträge: der Reichsverweser habe die Verkündigung und Ausführung der von der Nationalversammlung beschlossenen Gesetze zu übernehmen, der schriftlich von mehreren Mitgliedern ihm überreicht worden, zur Unterstützung bringen. Darüber etwas tumultuarische Debatte. Die Vertheidiger des Amendements wollen es ‒ wie fein! wie schlau! ‒ nur zur Abstimmung, nicht zur Diskussion bringen. Der Vicepräsident macht einen Vermittelungsvorschlag, zwei Redner sollten dafür, zwei dagegen sprechen, erhält aber ein stürmisches Nein zur Antwort und läßt endlich abstimmen. Vergebens sträubt sich dagegen die Linke, weil es unzulässig sei, darüber abzustimmen, ob man an der erwähnten Uebereinkunft festhalten solle. Die Majorität hat diesmal so viel Gerechtigkeitssinn, sitzen zu bleiben, nichts destoweniger erklärt von Soiron die Frage für bejaht. Der beharrliche Andrang der Linken zwingt ihn, die Gegenprobe zu machen, und er muß zugestehen, daß die Mehrheit sich gegen den Antrag erhoben. Dennoch verlangt eine Stimme von der Rechten her Zählung der Stimmen, der Antrag wird aber mit ungeheurer Majorität verworfen und die Debatte geht weiter. Woher diese Zähigkeit, ein Amendement aufrecht zu erhalten, dessen Einbringung schon unzuläßig war? Man behauptet, die Sache verhalte sich folgendermaßen: Gagern habe den Antrag stellen wollen, das künftige Haupt solle aus den regierenden Fürstenhäusern gewählt werden. Da ein neuer Antrag aber der getroffenen Uebereinkunft nach, unzuläßig gewesen, und Gagern sich einer möglichen Zurückweisung nicht habe aussetzen wollen, so habe man mit dem Stedtmann'schen Antrag eine Bresche in die Uebereinkunft schießen und versuchen wollen, die Stellung von Amendements zur bloßen Abstimmung ‒ wohlgemerkt ‒ ohne Diskussion zu ermöglichen. Den Schluß der Redner machte der bekannte Staatsrath Mathy. Er ward durch lange dauernden Zuruf genöthigt, seinen Namen zweimal zu nennen, was ihm sehr unbequem schien. Man ließ ihn ruhig reden. Nach ihm betrat Gagern wirklich die Rednerbühne. Die Linke machte einen schwachen Versuch, durch Zuruf daran zu erinnern, daß der neunzehnte Redner nicht zum Sprechen berechtigt sei, ließ sich aber durch die Klingel des Vicepräsidenten zum Schweigen bringen. Persönliche captatio benevolentiae, Eingehen auf die verschiedenen Ansichten, mildeste Deutung des Ausschuß-Antrages, Erklärung gegen das Fortbestehen des Bundestages ‒ Alles in Gagern's bis zum kleinsten Worte sorglichst ausgearbeiteter Rede darauf berechnet, einen günstigen Eindruck zu machen. Ueber das Stedmann'sche Amendement erklärte er: man solle sich an Formalitäten nicht stoßen, sondern erlauben, Anträge so zu verbessern, wie sie für die allgemeine Wohlfahrt am schicklichsten dünkten. Die Frage, wer soll die Centralgewalt schaffen? beantwortete er: „Ich thue einen kühnen Griff und ich sage ihnen, wir müssen die provisorische Centralgewalt selbst schaffen,“ was natürlich einen großen Beifallssturm zur Folge hatte. Dann aber insinuirte der Redner in schlangenglatter Weise der Eine zu wählende Träger der Centralgewalt müsse ein Fürst sein. Um dieser Ansicht Geltung zu verschaffen, verschmähte er nicht, der Linken zuzurufen: sie könne ja einen Fürsten wählen nicht weil er ein Fürst sei, sondern obgleich er ein Fürst sei. Nach Gagern sprach Dahlmann zum Schluß. Es ist unbegreiflich, wie dieser Mann, der sich als Schriftsteller und als Katheder - Docent einen Ruf erworben, aller mangelnden Anlage zum Trotz, sich zum Redner schlägt. Sein Vortrag, fast ganz unverständlich, peinigte die Zuhörer über eine Stunde lang. Kein Zeichen der Ungeduld, kein Zwischenruf ringt ihm auch nur die Weglassung eines Satzes, eines Kolons ab. In der Hauptsache verkündigte er: die Majorität des Ausschusses habe ihre frühern Anträge verändert und stelle jetzt neue. An die Stelle des frühern Bundesdirektoriums von 3 Mitgliedern, schlage sie einen Reichsverweser vor. Der Vicepräsident wollte sogleich über diese neuen Anträge abstimmen lassen; Schaffrath, Jordan (von Berlin) u. Andere erklärten jedoch, daß die Stellung neuer Anträge nach Schluß der Debatte auch dem Ausschuß nicht mehr zustehe, daß wenigstens über diese neuen Anträge eine neue Debatte zu eröffnen sei. Es entstand ein furchtbarer Lärm; die Debatte wurde endlich unter großer Aufregung geschlossen; dee Vicepräsident schlug nun als Mittel zu einer recht ruhigen und gründlichen Abstimmung vor, es sollten sich nach der Sitzung von jeder der 9 Kategorien ein Abgesandter mit ihm vereinigen, und gemeinschaftlich ein Programm über die Abstimmung entwerfen, wobei es jeder Kategorie zu überlassen, erläuternde Amendements einzubringen. Angenommen. Dieses Programm, noch an demselben Abend bekannt, schien im Wesentlichen allen Parteien zu entsprechen, so, daß man sich in mehreren Kreisen schon der Hoffnung hingab, am Montag ohne bedeutende Diskussion über die Fragstellung selbst, die Abstimmung vor sich gehen zu sehen. Allein der dazwischen liegende Sonntag verdarb alles. Er gab der Rechten Zeit zu einer Besprechung auf der Mainlust, und hier ward ein Plan verabredet, der ihr den Sieg erringen sollte, den sie nach dem Eindruck der Redner der Linken auf die Centren, und namentlich nach dem Gerüchte, alle Fraktionen der Linken und des linken Centrums hätten sich vereinigt, schon verloren gegeben hatte. Die Montagssitzung enthüllte diesen Plan. Vor der Sitzung wurden drei neue gedruckte Amendements vertheilt; von Mathy und v. Auerswald das, die Centralgewalt solle einem nicht regierenden Mitglied eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen werden; das von Heckscher, die provisorische Centralgewalt solle einem Reichsverweser übertragen werden, welchen die Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen wähle; und eins von Heckscher und Rotenhahn, die Centralgewalt solle der National-Versammlung Vorlagen über Auflösung des Bundestags machen. Diese neuen Amendements, deren Unzulässigkeit sich von selbst verstand, riefen einen ungeheuren Sturm in der Versammlung hervor, das Prinzip, der Satz, daß man prinzipienmäßig einen Fürsten wählen solle, war noch gar nicht zur Sprache gekommen und sollte nur zu guter Letzt noch der Versammlung aufgedrungen werden, nachdem die Rechte außerhalb der Versammlung sich einer kompetenten Majorität versichert. (Schluß morgen.) Frankfurt, 30. Juni. In der heutigen Sitzung der National-Versammlung fand die neue Präsidentenwahl Statt. Als Vorschläge waren aufgelegt: 1) Vom Centrum die 3 schon früher Gewählten: Gagern, Soiron, Andrian. 2) Von der Linken zum Präsidenten H. Simon von Breslau, zum ersten Vicepräsidenten Robert Blum. Kapp's Austritts-Erklärung wird gelesen und der Ausdruck „verdahlmannt“ erregt allgemeine Heiterkeit. Es wird die Frage gestellt, ob die Entlassung angenommen oder an eine Kommission gewiesen werden solle. Wernher von Nierstein schlägt die Tagesordnung vor. Es wurde die Frage gestellt: 1) Nimmt die Nationalversammlung die Austrittserklärung an? 2) Soll eine Einladung zu neuer Wahl ergehen? Beide Fragen werden bejaht. Kolb verlangt das Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags, betreffend das östreichische Geldausfuhrverbot, zu begründen. Kuranda betheuert Oestreichs Liebe zur Einheit, aber Noth kenne kein Gebot. Das Verbot werde nur noch einige Monate bestehen. Die darauf hingestellte Frage, ob der Gegenstand an den Volkswirthschafts-Ausschuß zu verweisen sei, wurde bejaht. Darauf wurde zur Wahl geschritten. Präsident: H. Gagern mit 399 Stimmen von 487. H. Simon erhielt 68. Robert Blum 12. Dahlmann 1. Radowitz, Vincke, Lychnowski jeder 1. Erster Vicepräsident: Soiron mit 359 Stimmen. Blum 104. ‒ Zweiter Vicepräsident: Andrian mit 277. Simon 132. Robert Blum 3. Auf der morgigen Tagesordnung befindet sich auch die Wahlangelegenheit Heckers. (M. Z.) Wien, 26. Juni. Die größte Besorgniß liegt gegenwärtig in unserer Finanznoth; der abgeflossene Mai ergiebt allein ein Deficit von 8,800,000 Fl. In unserem Italien sind alle Staatseinkünfte natürlich versiegt und Ungarn zahlt nichts zur Aufrechthaltung der Gesammtmonarchie. Wien, 27. Juni. Durch telegraphische Depesche von Cilly geht die Meldung des Feldzeugmeisters Grafen Nugent ein, daß die Festung Palma nuova sich am 25. um 9 Uhr früh ergeben hat, wodurch nicht allein ein kostbares Kriegs-Material, nämlich der Belagerungspark der Armee in Italien, wieder in unseren Besitz gelangt, sondern auch die Kommunikationslinie des Heeres völlig frei wird. (W. Z.) Prag, 25. Juni. Nach dem vor mehreren Jahren erschienen Werke Schafarik's über die slavischen Stämme vertheilten sich die Slaven, deren Gesammtmasse in Europa 78,763,000 beträgt, nach den einzelnen Ländern in folgender Weise: Auf Rußland kommen 53,502,000 worunter 4,912,000 Polen; auf Oestreich 16,912,000, darunter 2,774,000 Kleinrussen in Galizien und dem nordöstlichen Theile Ungarns 2,473,000 Polen, 2,594,000 Serben und Illyrier, 4,414,000 Czechen und Mähren, 2,753,000 Slowaken in Ungarn, 1,151,000 Slowenzen (Kärnthner), 800,000 Kroaten, 7000 Bulgaren. In Preußen wohnen 2,180,000 Slaven, 1,982,000 Polen, 82,000 Lausitzer, in Sachsen 60,000 Lausitzer, in der Türkei endlich 6,100,000, davon 3,500,000 Bulgaren, 2,600,000 Serben. Französische Republik. Die Junirevolution. (Schluß.) ** Die erschrockene Nationalversammlung ernannte Cavaignac zum Diktator, _

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz032_1848
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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 32. Köln, 2. Juli 1848, S. 0158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz032_1848/2>, abgerufen am 29.04.2024.