Neue Rheinische Zeitung. Nr. 38. Köln, 8. Juli 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 38. Köln, Samstag 8. Juli 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Gerichtliche Untersuchung gegen die "Neue Rh. Zeitung" - Jansen. - Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens). Koblenz. (Adams und Schlinke.) Berlin. (Die Reichsverwesung. Gründe von Robbertus Austritt. Protest der Linken. Petition der Wahlmänner Berlins für das Einkammersystem. Verhaftungen. Hansemann und das Geschwornengericht. Gesetzentwurf über Geschworne. Der Minister des Auswärtigen). Breslau. (Blutige Schlägerei zwischen Civil und Militär). Hamburg. (Angeblicher Waffenstillstand zwischen Deutschen und Dänen. Weiteres über den Waffenstillstand). Rendsburg. (Dänische Aktenstücke). Dänemark. Kopenhagen. ("Fädrelandet" in Betreff der russischen Hülfe. Polen. Krakau. (Verwundung eines Unteroffiziers. - Graf Schlick). Ungarn. Kansmark. (Die Kriegshaufen der Kroaten und Serbier). Temeswar. (Koalition zwischen Hrabowski und der Insurgentenpartei). Donaufürstenthümer. Bukarest. (Attentat gegen den Hospodar). Belgien. Brüssel. (Die Statue Gottfried's von Bouillon. - Verhaftung Deleau's. Italien. Turin. (Kammerverhandlung. - Die Union von der Kammer ausgesprochen. - Der Antrag der Minister verworfen). Mailand. (Telegraphenlinie). Frankreich. Paris. (Chateaubriand +. - Das Gerücht von vergifteten Liqueuren offiziell widerlegt. - Frau v. Girardin). Großbritannien. London. (Die Times über die Kolonien. - Die edlen Metalle strömen nach England. - Unterhaus). Dublin. (Gerichtliche Verfolgungen.) Westindien. (Dekret gegen die Neger auf Porto Rico). Deutschland.
* Köln, 7. Juli. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 7. Juni. Wir werden gebeten folgenden Bericht des Hrn. J. H. J. Jansen von hier über seine Verhaftung aufzunehmen: "Am 6. Juli Morgens gegen halb 6 Uhr wurde an meiner Wohnung ungewöhnlich stark und wiederholt geklingelt. Meine Schwester, die der Ankunft des Pfarrgeistlichen entgegen sah, der unserer todtkranken Mutter die Sterbesakramente reichen sollte, öffnete die Thüre, und fand sechs Gensdarmen und einen Polizeidiener. Die Herren frugen ob ihre beiden Brüder zu Hause wären und verfügten sich sofort die Treppe hinauf. Sie fanden mich dort und frugen: ob der Sekretär des Arbeitervereins, Jansen, und sein Bruder nicht anwesend seien. Meine beiden Brüder waren abwesend; Jansen der Sekretär war nicht zu Hause, und der andre war schon seit mehreren Wochen nach Amerika ausgewandert. Der eine Gensdarm hatte zwei Vorführungsbefehle in der Hand von denen der Eine auf "Jansen, Bruder des Sekretärs Jansen" lautete. Er erklärte mir: da ich ein Bruder des Sekretärs Jansen sei, so müsse ich folgen. Der Polizeidiener setzte hinzu, er sei überzeugt ich sei nicht der rechte Bruder, aber auf den Wortlaut des Vorführungsbefehls hin müsse ich mitgehen. Ich protestirte, mußte aber folgen. Ich nahm also Abschied von meiner sterbenden Mutter, (die es dulden mußte, daß die Herren Gensdarmen in ihr Krankenzimmer traten und jeden Winkel durchstöberten) und bestieg mit vier Gensdarmen und dem Polizeidiener die unten wartende Droschke. Wir fuhren zuerst zum Appellhof, wo man vergeblich nach dem Instruktionsrichter suchte, und von da nach dem Arresthause. Ich wurde hier, nebst dem Vorführungsbefehl, dem Inspektor übergaben, und zwar mit dem Bemerken: ich sei zwar nicht der Rechte, aber doch ein Bruder des Sekretärs Jansen. Nachdem ich die Frage, ob ich mich selbst verpflegen wolle, verneint, meine Brieftasche, Börse etc. dem Aufseher übergeben hatte, wurde ich in die Inquisitionszelle Nr. 13 eingeschlossen. Gegen 8 Uhr wurde mir braune Suppe und Schwarzbrod angeboten, was ich indeß nicht annahm. Darauf wurde ich vor den Rendanten des Instituts geführt, über die Richtigkeit der ihm vom Aufseher übergebenen Geldsumme, sowie über Namen, Stand etc. befragt und am preußischen Maßbaume gemessen. Ich protestirte gegen meine Verhaftung, jedoch umsonst. Kurz vor zehn Uhr kam der Aufseher, der mich sehr freundlich behandelte, in meine Zelle, brachte ein Bündelchen verkringelte Baumwolle und bemert: Wenn ich etwa Langeweile verspüren sollte, so würde mich das Auseinanderzupfen des Knäuels etwas zerstreuen. Ich erklärte, ich habe dem Hause noch keine Kosten verursacht und fühle mich daher nicht verpflichtet, für seine Rechnung zu arbeiten. "Inzwischen hatten mehrere meiner Freunde bei dem Herrn Staatsprokurator H. gegen meine Verhaftung protestirt. Dieser fertigte, mit der Erklärung, es sei ihm bereits zu Ohren gekommen, daß bei der Arrestation ein Mißgriff geschehen, den Befehl zu meiner Freilassung aus und so wurde ich um zehn Uhr wieder befreit." 19Köln, 7. Juli.
Wir haben die neue Theilung Polens, den fanatischen Vertilgungskrieg einer mit trödelwüthigen Juden verbundenen christlich-germanischen Race gegen die Polen, vom ersten Beginn als den Kampf des Absolutismus und Bureaukratismus gegen die Demokratie bezeichnet. Die Herrschgelüste der in Polen eingewanderten und polypenartig an dem Herzen des Landes festgesessenen deutschen Bevölkerung haben uns eben so wenig wie die Verdächtigungen über den angeblichen Nationalhaß der Polen gegen die Deutschen rühren können; es wird auch den Lesern noch in frischer Erinnerung stehen, wie die nicht minder mit "Vergiftung der Brunnen" und "Ermordung aller Juden und Deutschen" denunzirte Insurrektion von 1846 trotz aller Bemühungen deutscher Patrioten, in dem Berliner Polenprozeß die Sympathien aller Völker erweckte. Einen neuen Beweis für die Richtigkeit unserer ersten Beurtheilung erhalten wir soeben in einer als Manuskript gedruckten, mit authentischen Aktenstücken belegten polnischen Denkschrift der Herren Brodowski, Kraszewski und Potworowski, und es wird unsern Lesern nicht unwillkommen sein, wenn wir ihnen hiernach in kurzen Umrissen eine Schilderung des ganzen preußischen Reorganisations-Liebeswerkes nachtragen. Das Drama der neuen polnischen Theilung hat bisher in drei Akten gespielt. Der erste umfaßte den Zeitraum vom Beginn der nationalen Bewegung bis zu der Konvention des General Willisen bei Jaroslawiec; der zweite ging bis zum Bruch der Konvention durch den Angriff der preußischen Soldateska auf die Stadt Xiax; der dritte enthielt den Durchbruch der wahren preußischen Pacifikationsideen mit Kartätschen, Shrapnells und Höllenstein, die Herrschaft des durch Pfuel proklamirten Martialgesetzes. Die Zukunft wird lehren, ob und unter welcher Beihülfe die Verrathenen in einem vierten und letzten Akt den Knoten der Intrigue zerhauen werden. Die nationale Bewegung war zunächst Ergebniß der französischen Februarrevolution. "Die Polen, sagt die Denkschrift, hatten nie die Hoffnung auf Herstellung ihres Vaterlandes aufgegeben; aber sie glaubten jetzt um so mehr ihre Befreiung hoffen zu dürfen, als alle Völker, die ihre eignen Ketten brachen, die Herstellung Polens als einen Akt der Gerechtigkeit und als Bedingung des europäischen Friedens forderten." Das Signal, für ihre Selbstständigkeit in die Schranken zu treten, gab ihnen das Patent des preußischen Königs vom 17. März, wonach alle Provinzen des preußischen Staates, welche noch nicht zum deutschen Bunde gehörten, unter Einwilligung ihrer "Vertreter" demselben einverleibt werden sollten. Am 20. März versammelte sich unter dem erregenden Eindruck der damaligen Begebenheiten, ohne Aufforderung und ohne Führer, das Volk in zahllosen Schaaren zu Posen. "Wahrung der nationalen Rechte!" war der allgemeine Ruf der Massen. Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn die seit 70 Jahren unterdrückte und stets für ihre Freiheit insurgirte Nation in diesem Moment einer allgemeinen europäischen Revolution, wo das Großherzogthum noch dazu eine sehr geringe Besatzung hatte und den Behörden alle Oberleitung fehlte, mit bewaffneter Hand die Unterdrücker ihrer Selbstständigkeit überfallen hätten. Daß sie es nicht thaten, daß sie sich mit ihren natürlichen Gegnern zu "vereinbaren" suchten, zeugt nicht so sehr für oder gegen jede Absicht der Feindseligkeit wider die Deutschen, es zeugt dafür, daß die Polen von dem deutschen "Vertrauensregime" bereits germanisirt, daß sie deutsch geworden waren. Es bedurfte erst der Liebeswerkzeuge der Generale Colomb und Pfuel (von Höllenstein), um ihr Nationalgefühl wieder zu erwecken. Das Ergebniß der Posener Volksversammlung war ein durch Akklamation gewähltes Volkscomite, welches zunächst mit Vorwissen des Oberpräsidenten eine Deputation an den König sandte, um von ihm eine nationale Reorganisation des "Großherzogthums" zu erwirken, - dann aber auch durch Errichtung von Kreiscomites und einer aus beiden Nationalitäten gebildeten Bürgerwehr Ruhe und Frieden zu erhalten suchte. Die Deputation, den Erzbischof von Gnesen und Posen an der Spitze, begab sich nach Berlin, wo sie die bekannte Kabinetsordre vom 24. März, in welcher der König eine nationale Reorganisation "anzubahnen" verhieß, und ein Ministerial-Rescript v. 26. erlangte, welches die Bildung einer aus Polen bestehenden Reorganisations-Kommission gestattete. Das Volkscomite that bei der Konstituirung dieser Kommission, um jedem Verdacht der Deutschen über Gefährdung ihrer Nationalinteressen zu begegnen, mehr als das Ministerial-Rescript ihnen auferlegte; es zog zu den Berathungen über den Reorganisations-Entwurf, in welchem beiläufig den Deutschen der Gebrauch ihrer Muttersprache bei allen öffentlichen Verhandlungen zugesichert war, zwei deutsche Beamte (Oberbürgermeister Naumann und Landgerichtsrath Bey), und delegirte einen Ausschuß der Kommission, welcher unter dem Vorsitze des Oberpräsidenten die vorläufigen Maßregeln der Reorganisation in Vorschlag bringen sollte. Proklamationen des Comite's sowohl an die Polen wie an die Deutschen und Juden verkündeten die gerechte Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten, und forderten zu einträchtigem Wirken bei dem gemeinsamen Werk auf. Es herrschte bis dahin vollkommene Einigkeit unter allen Theilen der Bevölkerung. Das deutsche Comite in Posen antwortete den Proklamationen des Nationalcomite's öffentlich mit der Versicherung der Sympathie und treuer Mitwirkung der deutschen Einwohner, und nahm die polnischen Farben neben den deutschen an. Die Regierungsbehörden hatten die Wirksamkeit des Nationalcomite's anerkannt, und u. A. der Gensdarmerie-Oberst Natzmer der öffentlichen Gewalt den Befehl ertheilt, stets im Einverständniß mit dem Comite zu handeln. Diese Lage der Dinge änderte sich bald durch die Agitation jener merkwürdigen Race, die sich überall als der Haupthebel der Reaktion bewährt. "Die Bureaukratie, unzufrieden mit den Folgen der am 18. und 19. März zu Berlin stattgefundenen Ereignisse, welche der Beamtenherrschaft ein Ende zu machen drohten, trat gegen die ver- Russisches Militär. Aus einem im Jahre 1844 in London erschienenen Werke: "Enthüllungen über Rußland und den Kaiser Nikolas" theilen wir folgende Stellen in Betreff des russischen Militärs mit: Ein Gouvernement, sagt der Verfasser, das ohne weiteres eine Million bewaffneter Männer ins Feld stellen kann, ist wohl geeignet uns in etwa zu beunruhigen. Glücklicherweise sind indeß die russischen Armeen nicht mehr das, was sie früher waren. Ihr ganzer Erfolg bestand seiner Zeit in dem Heroismus der Infanterie, die jetzt nicht mehr von jenem fanatischen Vertrauen in die Heiligkeit ihrer Sache und von jenem blinden Fatalismus erfüllt ist, der früher eine edlere Begeisterung bei ihr ersetzte. Der Geist Souvarow's ist allmälig aus dem Heere verschwunden. Seine letzten Funken leuchteten in der Schlacht bei Borodino, wo man die noch in ihre grauen Bauernkittel gekleideten Rekruten den Bajonnetten trotzen und ruhig dem Tode ihres ersten und letzten Schlachtfeldes entgegengehen sah. Die russischen Bauern, die, wenn sie einmal disziplinirt sind, eine der besten europäischen Infanterieen bilden, gehören nichtsdestoweniger zu einer der ruhigsten und anscheinend am allerwenigsten zu einer kriegerischen Laufbahn geeigneten Menschenklasse. Furchtsam und schwach wie sie sind, können sie weder lange Märsche noch große Kampagnen aushalten. Das einzige, wodurch sie sich auszeichnen, ist der Gehorsam. Die Knechtschaft lehrte ihnen gehorchen, ohne zu murren. Ein russisches Regiment, das lange Märsche machen soll, legt nicht mehr als täglich 25 Verste, oder 162/3 englische Meilen zuruck, wenn es zwei Tage marschirt und sich den dritten Tag ausruht. Ist die Entfernung größer, so läßt es eine Menge Leute unterwegs. Immer sieht man indeß diese Truppen Hunger, Krankheiten und den Verlust aus ihren Reihen ohne eine Klage erdulden. Gelangt der russische Soldat, nachdem er alle Schwierigkeiten des Marsches überwunden hat, in die Nähe des Feindes, da bleibt er voll Angst und Beben an dem Orte, den ihm die Disziplin anwies; anders wie die Offiziere, die sich nicht selten aus Mangel an allem Ehrgefühl, hinter der Fronte vor dem Feuer verbergen. Man möchte daran zweifeln, daß eine aus so verschiedenen Elementen zusammengesetzte Armee von Wirkung sein könnte. - Eine Infanterie indeß, welche mit ihrer Gelassenheit zugleich auch ihre Ordnung behauptet, welche bei dem Angriff des Feindes ruhig ihr Feuer fortsetzt und zitternd zwar und voller Schrecken, dennoch nicht vom Flecke weicht, ist nichtsdestoweniger bei dem jetzigen Zustand europäischer Armeen von entschiedenem Nutzen. Wenn der gemeine russische Soldat aus irgend einem Motive seine Pflicht thut, so ist es ganz anders mit den Offizieren, namentlich in den untern Graden. Ebenso unempfänglich für die Inspirationen des Patriotismus wie für das Verführerische des militärischen Ruhmes und eben so wenig von Natur tapfer wie der gemeine Soldat lassen sich die Offiziere fast nie durch den Ehrgeiz über jene Furcht hinwegheben, die sie sich durch kein Gefühl der Ehre zu verheimlichen verleiten lassen. Sie wissen, daß bei den eigenthümlichen Zuständen Rußlands, die im militärischen wie im bürgerlichen Leben ganz dieselben bleiben, trotz der persönlichen Anstrengungen des Kaisers die Feigheit eben so gut wie die Bravour eine der militärischen Tapferkeit bestimmte Belohnung erringen kann. Bedenkt man außerdem noch, daß bei ihrer ersten Erziehung und in den Verhältnissen in denen sie früher lebten, Alles darauf gerichtet war, den wenigen Muth, den sie von Haus aus besaßen, zu unterdrücken, so begreift man, daß die Offiziere ihren Soldaten auf dem Schlachtfelde nur zu häufig das Beispiel der vollendetsten Feigheit geben. Diese, namentlich den Offizieren der Linie geltenden Bemerkungen lassen sich indeß auch in gewissem Maße auf die Offiziere der Garde ausdehnen. Obgleich Jeder der nicht zum Adel gehört der Konskription unterworfen ist, so wird der Soldat, für die Infanterie wie für die Kavallerie, für die Garde wie für die Linie, dennoch fast stets aus der Klasse der Leibeignen genommen. Der Freie und der Handelsmann kaufen sich immer los und die dafür einfließenden Gelder bilden einen Theil der Staatsrevenue. Jeder Sklaveneigenthümer muß, je nach den Bedürfnissen des Gouvernements, jährlich gewisse Prozente von der Zahl der Individuen, die er besitzt, ausliefern, und da man jede Person annimmt, wenn sie nur körperlich gesund ist, so erhält man gewöhnlich die faulsten und schlechtesten Subjekte, welche der Besitzer unter seinen Bauern aufzufinden wußte. Der Rekrut nimmt von seiner Familie Abschied, als ob er sie nie wiedersehen würde und entfernt sich unter allgemeinem Lamentiren. Das Gesetz sagt ihm, daß er frei sein wird, sobald er in die Dienste des Kaisers tritt; nichts desto weniger führt man ihn wie einen Verbrecher, mit einem andern Unglücklichen zusammengebunden, zu seinem Regimente. (Forts. f.) Der provisorisch germanische Kaiser und die deutschen Zeitungen. "So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken -" (Kölnische Zeitung 1. Juli.)"Ein dreimaliges Hoch, Glockengeläute und Kanonendonner -" (Trier'sche Zeitung 2. Juli.)"Dem wiederholten Hochrufen antwortete Glockengeläute und Kanonendonner." (Düsseldorfer Zeitung 2. Juli.)"So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken -" (Bremer Zeitung 2. Juli.)"Kanonendonner und Glockenklang ertönt -" (Mainzer Zeitung 1. Juli.)"Bravo, Glockengeläute und Kanonendonner." (Preußischer Staats-Anzeiger 2. Juli.)"Kanonendonner und Glockengeläute." (Augsburger Allgemeine Zeitung 1. Juli.)"Glockengeläute und Kanonendonner." (Deutsche Zeitung 1. Juli.)Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 38. Köln, Samstag 8. Juli 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Gerichtliche Untersuchung gegen die „Neue Rh. Zeitung“ ‒ Jansen. ‒ Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens). Koblenz. (Adams und Schlinke.) Berlin. (Die Reichsverwesung. Gründe von Robbertus Austritt. Protest der Linken. Petition der Wahlmänner Berlins für das Einkammersystem. Verhaftungen. Hansemann und das Geschwornengericht. Gesetzentwurf über Geschworne. Der Minister des Auswärtigen). Breslau. (Blutige Schlägerei zwischen Civil und Militär). Hamburg. (Angeblicher Waffenstillstand zwischen Deutschen und Dänen. Weiteres über den Waffenstillstand). Rendsburg. (Dänische Aktenstücke). Dänemark. Kopenhagen. („Fädrelandet“ in Betreff der russischen Hülfe. Polen. Krakau. (Verwundung eines Unteroffiziers. ‒ Graf Schlick). Ungarn. Kansmark. (Die Kriegshaufen der Kroaten und Serbier). Temeswar. (Koalition zwischen Hrabowski und der Insurgentenpartei). Donaufürstenthümer. Bukarest. (Attentat gegen den Hospodar). Belgien. Brüssel. (Die Statue Gottfried's von Bouillon. ‒ Verhaftung Deleau's. Italien. Turin. (Kammerverhandlung. ‒ Die Union von der Kammer ausgesprochen. ‒ Der Antrag der Minister verworfen). Mailand. (Telegraphenlinie). Frankreich. Paris. (Chateaubriand †. ‒ Das Gerücht von vergifteten Liqueuren offiziell widerlegt. ‒ Frau v. Girardin). Großbritannien. London. (Die Times über die Kolonien. ‒ Die edlen Metalle strömen nach England. ‒ Unterhaus). Dublin. (Gerichtliche Verfolgungen.) Westindien. (Dekret gegen die Neger auf Porto Rico). Deutschland.
* Köln, 7. Juli. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 7. Juni. Wir werden gebeten folgenden Bericht des Hrn. J. H. J. Jansen von hier über seine Verhaftung aufzunehmen: „Am 6. Juli Morgens gegen halb 6 Uhr wurde an meiner Wohnung ungewöhnlich stark und wiederholt geklingelt. Meine Schwester, die der Ankunft des Pfarrgeistlichen entgegen sah, der unserer todtkranken Mutter die Sterbesakramente reichen sollte, öffnete die Thüre, und fand sechs Gensdarmen und einen Polizeidiener. Die Herren frugen ob ihre beiden Brüder zu Hause wären und verfügten sich sofort die Treppe hinauf. Sie fanden mich dort und frugen: ob der Sekretär des Arbeitervereins, Jansen, und sein Bruder nicht anwesend seien. Meine beiden Brüder waren abwesend; Jansen der Sekretär war nicht zu Hause, und der andre war schon seit mehreren Wochen nach Amerika ausgewandert. Der eine Gensdarm hatte zwei Vorführungsbefehle in der Hand von denen der Eine auf „Jansen, Bruder des Sekretärs Jansen“ lautete. Er erklärte mir: da ich ein Bruder des Sekretärs Jansen sei, so müsse ich folgen. Der Polizeidiener setzte hinzu, er sei überzeugt ich sei nicht der rechte Bruder, aber auf den Wortlaut des Vorführungsbefehls hin müsse ich mitgehen. Ich protestirte, mußte aber folgen. Ich nahm also Abschied von meiner sterbenden Mutter, (die es dulden mußte, daß die Herren Gensdarmen in ihr Krankenzimmer traten und jeden Winkel durchstöberten) und bestieg mit vier Gensdarmen und dem Polizeidiener die unten wartende Droschke. Wir fuhren zuerst zum Appellhof, wo man vergeblich nach dem Instruktionsrichter suchte, und von da nach dem Arresthause. Ich wurde hier, nebst dem Vorführungsbefehl, dem Inspektor übergaben, und zwar mit dem Bemerken: ich sei zwar nicht der Rechte, aber doch ein Bruder des Sekretärs Jansen. Nachdem ich die Frage, ob ich mich selbst verpflegen wolle, verneint, meine Brieftasche, Börse etc. dem Aufseher übergeben hatte, wurde ich in die Inquisitionszelle Nr. 13 eingeschlossen. Gegen 8 Uhr wurde mir braune Suppe und Schwarzbrod angeboten, was ich indeß nicht annahm. Darauf wurde ich vor den Rendanten des Instituts geführt, über die Richtigkeit der ihm vom Aufseher übergebenen Geldsumme, sowie über Namen, Stand etc. befragt und am preußischen Maßbaume gemessen. Ich protestirte gegen meine Verhaftung, jedoch umsonst. Kurz vor zehn Uhr kam der Aufseher, der mich sehr freundlich behandelte, in meine Zelle, brachte ein Bündelchen verkringelte Baumwolle und bemert: Wenn ich etwa Langeweile verspüren sollte, so würde mich das Auseinanderzupfen des Knäuels etwas zerstreuen. Ich erklärte, ich habe dem Hause noch keine Kosten verursacht und fühle mich daher nicht verpflichtet, für seine Rechnung zu arbeiten. „Inzwischen hatten mehrere meiner Freunde bei dem Herrn Staatsprokurator H. gegen meine Verhaftung protestirt. Dieser fertigte, mit der Erklärung, es sei ihm bereits zu Ohren gekommen, daß bei der Arrestation ein Mißgriff geschehen, den Befehl zu meiner Freilassung aus und so wurde ich um zehn Uhr wieder befreit.“ 19Köln, 7. Juli.
Wir haben die neue Theilung Polens, den fanatischen Vertilgungskrieg einer mit trödelwüthigen Juden verbundenen christlich-germanischen Raçe gegen die Polen, vom ersten Beginn als den Kampf des Absolutismus und Bureaukratismus gegen die Demokratie bezeichnet. Die Herrschgelüste der in Polen eingewanderten und polypenartig an dem Herzen des Landes festgesessenen deutschen Bevölkerung haben uns eben so wenig wie die Verdächtigungen über den angeblichen Nationalhaß der Polen gegen die Deutschen rühren können; es wird auch den Lesern noch in frischer Erinnerung stehen, wie die nicht minder mit „Vergiftung der Brunnen“ und „Ermordung aller Juden und Deutschen“ denunzirte Insurrektion von 1846 trotz aller Bemühungen deutscher Patrioten, in dem Berliner Polenprozeß die Sympathien aller Völker erweckte. Einen neuen Beweis für die Richtigkeit unserer ersten Beurtheilung erhalten wir soeben in einer als Manuskript gedruckten, mit authentischen Aktenstücken belegten polnischen Denkschrift der Herren Brodowski, Kraszewski und Potworowski, und es wird unsern Lesern nicht unwillkommen sein, wenn wir ihnen hiernach in kurzen Umrissen eine Schilderung des ganzen preußischen Reorganisations-Liebeswerkes nachtragen. Das Drama der neuen polnischen Theilung hat bisher in drei Akten gespielt. Der erste umfaßte den Zeitraum vom Beginn der nationalen Bewegung bis zu der Konvention des General Willisen bei Jaroslawiec; der zweite ging bis zum Bruch der Konvention durch den Angriff der preußischen Soldateska auf die Stadt Xiax; der dritte enthielt den Durchbruch der wahren preußischen Pacifikationsideen mit Kartätschen, Shrapnells und Höllenstein, die Herrschaft des durch Pfuel proklamirten Martialgesetzes. Die Zukunft wird lehren, ob und unter welcher Beihülfe die Verrathenen in einem vierten und letzten Akt den Knoten der Intrigue zerhauen werden. Die nationale Bewegung war zunächst Ergebniß der französischen Februarrevolution. „Die Polen, sagt die Denkschrift, hatten nie die Hoffnung auf Herstellung ihres Vaterlandes aufgegeben; aber sie glaubten jetzt um so mehr ihre Befreiung hoffen zu dürfen, als alle Völker, die ihre eignen Ketten brachen, die Herstellung Polens als einen Akt der Gerechtigkeit und als Bedingung des europäischen Friedens forderten.“ Das Signal, für ihre Selbstständigkeit in die Schranken zu treten, gab ihnen das Patent des preußischen Königs vom 17. März, wonach alle Provinzen des preußischen Staates, welche noch nicht zum deutschen Bunde gehörten, unter Einwilligung ihrer „Vertreter“ demselben einverleibt werden sollten. Am 20. März versammelte sich unter dem erregenden Eindruck der damaligen Begebenheiten, ohne Aufforderung und ohne Führer, das Volk in zahllosen Schaaren zu Posen. „Wahrung der nationalen Rechte!“ war der allgemeine Ruf der Massen. Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn die seit 70 Jahren unterdrückte und stets für ihre Freiheit insurgirte Nation in diesem Moment einer allgemeinen europäischen Revolution, wo das Großherzogthum noch dazu eine sehr geringe Besatzung hatte und den Behörden alle Oberleitung fehlte, mit bewaffneter Hand die Unterdrücker ihrer Selbstständigkeit überfallen hätten. Daß sie es nicht thaten, daß sie sich mit ihren natürlichen Gegnern zu „vereinbaren“ suchten, zeugt nicht so sehr für oder gegen jede Absicht der Feindseligkeit wider die Deutschen, es zeugt dafür, daß die Polen von dem deutschen „Vertrauensregime“ bereits germanisirt, daß sie deutsch geworden waren. Es bedurfte erst der Liebeswerkzeuge der Generale Colomb und Pfuel (von Höllenstein), um ihr Nationalgefühl wieder zu erwecken. Das Ergebniß der Posener Volksversammlung war ein durch Akklamation gewähltes Volkscomité, welches zunächst mit Vorwissen des Oberpräsidenten eine Deputation an den König sandte, um von ihm eine nationale Reorganisation des „Großherzogthums“ zu erwirken, ‒ dann aber auch durch Errichtung von Kreiscomités und einer aus beiden Nationalitäten gebildeten Bürgerwehr Ruhe und Frieden zu erhalten suchte. Die Deputation, den Erzbischof von Gnesen und Posen an der Spitze, begab sich nach Berlin, wo sie die bekannte Kabinetsordre vom 24. März, in welcher der König eine nationale Reorganisation „anzubahnen“ verhieß, und ein Ministerial-Rescript v. 26. erlangte, welches die Bildung einer aus Polen bestehenden Reorganisations-Kommission gestattete. Das Volkscomité that bei der Konstituirung dieser Kommission, um jedem Verdacht der Deutschen über Gefährdung ihrer Nationalinteressen zu begegnen, mehr als das Ministerial-Rescript ihnen auferlegte; es zog zu den Berathungen über den Reorganisations-Entwurf, in welchem beiläufig den Deutschen der Gebrauch ihrer Muttersprache bei allen öffentlichen Verhandlungen zugesichert war, zwei deutsche Beamte (Oberbürgermeister Naumann und Landgerichtsrath Bey), und delegirte einen Ausschuß der Kommission, welcher unter dem Vorsitze des Oberpräsidenten die vorläufigen Maßregeln der Reorganisation in Vorschlag bringen sollte. Proklamationen des Comité's sowohl an die Polen wie an die Deutschen und Juden verkündeten die gerechte Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten, und forderten zu einträchtigem Wirken bei dem gemeinsamen Werk auf. Es herrschte bis dahin vollkommene Einigkeit unter allen Theilen der Bevölkerung. Das deutsche Comité in Posen antwortete den Proklamationen des Nationalcomité's öffentlich mit der Versicherung der Sympathie und treuer Mitwirkung der deutschen Einwohner, und nahm die polnischen Farben neben den deutschen an. Die Regierungsbehörden hatten die Wirksamkeit des Nationalcomité's anerkannt, und u. A. der Gensdarmerie-Oberst Natzmer der öffentlichen Gewalt den Befehl ertheilt, stets im Einverständniß mit dem Comité zu handeln. Diese Lage der Dinge änderte sich bald durch die Agitation jener merkwürdigen Raçe, die sich überall als der Haupthebel der Reaktion bewährt. „Die Bureaukratie, unzufrieden mit den Folgen der am 18. und 19. März zu Berlin stattgefundenen Ereignisse, welche der Beamtenherrschaft ein Ende zu machen drohten, trat gegen die ver- Russisches Militär. Aus einem im Jahre 1844 in London erschienenen Werke: „Enthüllungen über Rußland und den Kaiser Nikolas“ theilen wir folgende Stellen in Betreff des russischen Militärs mit: Ein Gouvernement, sagt der Verfasser, das ohne weiteres eine Million bewaffneter Männer ins Feld stellen kann, ist wohl geeignet uns in etwa zu beunruhigen. Glücklicherweise sind indeß die russischen Armeen nicht mehr das, was sie früher waren. Ihr ganzer Erfolg bestand seiner Zeit in dem Heroismus der Infanterie, die jetzt nicht mehr von jenem fanatischen Vertrauen in die Heiligkeit ihrer Sache und von jenem blinden Fatalismus erfüllt ist, der früher eine edlere Begeisterung bei ihr ersetzte. Der Geist Souvarow's ist allmälig aus dem Heere verschwunden. Seine letzten Funken leuchteten in der Schlacht bei Borodino, wo man die noch in ihre grauen Bauernkittel gekleideten Rekruten den Bajonnetten trotzen und ruhig dem Tode ihres ersten und letzten Schlachtfeldes entgegengehen sah. Die russischen Bauern, die, wenn sie einmal disziplinirt sind, eine der besten europäischen Infanterieen bilden, gehören nichtsdestoweniger zu einer der ruhigsten und anscheinend am allerwenigsten zu einer kriegerischen Laufbahn geeigneten Menschenklasse. Furchtsam und schwach wie sie sind, können sie weder lange Märsche noch große Kampagnen aushalten. Das einzige, wodurch sie sich auszeichnen, ist der Gehorsam. Die Knechtschaft lehrte ihnen gehorchen, ohne zu murren. Ein russisches Regiment, das lange Märsche machen soll, legt nicht mehr als täglich 25 Verste, oder 162/3 englische Meilen zuruck, wenn es zwei Tage marschirt und sich den dritten Tag ausruht. Ist die Entfernung größer, so läßt es eine Menge Leute unterwegs. Immer sieht man indeß diese Truppen Hunger, Krankheiten und den Verlust aus ihren Reihen ohne eine Klage erdulden. Gelangt der russische Soldat, nachdem er alle Schwierigkeiten des Marsches überwunden hat, in die Nähe des Feindes, da bleibt er voll Angst und Beben an dem Orte, den ihm die Disziplin anwies; anders wie die Offiziere, die sich nicht selten aus Mangel an allem Ehrgefühl, hinter der Fronte vor dem Feuer verbergen. Man möchte daran zweifeln, daß eine aus so verschiedenen Elementen zusammengesetzte Armee von Wirkung sein könnte. ‒ Eine Infanterie indeß, welche mit ihrer Gelassenheit zugleich auch ihre Ordnung behauptet, welche bei dem Angriff des Feindes ruhig ihr Feuer fortsetzt und zitternd zwar und voller Schrecken, dennoch nicht vom Flecke weicht, ist nichtsdestoweniger bei dem jetzigen Zustand europäischer Armeen von entschiedenem Nutzen. Wenn der gemeine russische Soldat aus irgend einem Motive seine Pflicht thut, so ist es ganz anders mit den Offizieren, namentlich in den untern Graden. Ebenso unempfänglich für die Inspirationen des Patriotismus wie für das Verführerische des militärischen Ruhmes und eben so wenig von Natur tapfer wie der gemeine Soldat lassen sich die Offiziere fast nie durch den Ehrgeiz über jene Furcht hinwegheben, die sie sich durch kein Gefühl der Ehre zu verheimlichen verleiten lassen. Sie wissen, daß bei den eigenthümlichen Zuständen Rußlands, die im militärischen wie im bürgerlichen Leben ganz dieselben bleiben, trotz der persönlichen Anstrengungen des Kaisers die Feigheit eben so gut wie die Bravour eine der militärischen Tapferkeit bestimmte Belohnung erringen kann. Bedenkt man außerdem noch, daß bei ihrer ersten Erziehung und in den Verhältnissen in denen sie früher lebten, Alles darauf gerichtet war, den wenigen Muth, den sie von Haus aus besaßen, zu unterdrücken, so begreift man, daß die Offiziere ihren Soldaten auf dem Schlachtfelde nur zu häufig das Beispiel der vollendetsten Feigheit geben. Diese, namentlich den Offizieren der Linie geltenden Bemerkungen lassen sich indeß auch in gewissem Maße auf die Offiziere der Garde ausdehnen. Obgleich Jeder der nicht zum Adel gehört der Konskription unterworfen ist, so wird der Soldat, für die Infanterie wie für die Kavallerie, für die Garde wie für die Linie, dennoch fast stets aus der Klasse der Leibeignen genommen. Der Freie und der Handelsmann kaufen sich immer los und die dafür einfließenden Gelder bilden einen Theil der Staatsrevenue. Jeder Sklaveneigenthümer muß, je nach den Bedürfnissen des Gouvernements, jährlich gewisse Prozente von der Zahl der Individuen, die er besitzt, ausliefern, und da man jede Person annimmt, wenn sie nur körperlich gesund ist, so erhält man gewöhnlich die faulsten und schlechtesten Subjekte, welche der Besitzer unter seinen Bauern aufzufinden wußte. Der Rekrut nimmt von seiner Familie Abschied, als ob er sie nie wiedersehen würde und entfernt sich unter allgemeinem Lamentiren. Das Gesetz sagt ihm, daß er frei sein wird, sobald er in die Dienste des Kaisers tritt; nichts desto weniger führt man ihn wie einen Verbrecher, mit einem andern Unglücklichen zusammengebunden, zu seinem Regimente. (Forts. f.) Der provisorisch germanische Kaiser und die deutschen Zeitungen. „So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“ (Kölnische Zeitung 1. Juli.)„Ein dreimaliges Hoch, Glockengeläute und Kanonendonner ‒“ (Trier'sche Zeitung 2. Juli.)„Dem wiederholten Hochrufen antwortete Glockengeläute und Kanonendonner.“ (Düsseldorfer Zeitung 2. Juli.)„So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“ (Bremer Zeitung 2. Juli.)„Kanonendonner und Glockenklang ertönt ‒“ (Mainzer Zeitung 1. Juli.)„Bravo, Glockengeläute und Kanonendonner.“ (Preußischer Staats-Anzeiger 2. Juli.)„Kanonendonner und Glockengeläute.“ (Augsburger Allgemeine Zeitung 1. Juli.)„Glockengeläute und Kanonendonner.“ (Deutsche Zeitung 1. Juli.)<TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0187"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No. 38. Köln, Samstag 8. Juli 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.</p> <p>Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. <hi rendition="#g">Alexander,</hi> Nr. 28, Brandgasse in <hi rendition="#g">Straßburg,</hi> und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. <hi rendition="#g">Ewer</hi> & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.</p> <p>Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. <hi rendition="#g">Inserate:</hi> die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p> <p>Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Gerichtliche Untersuchung gegen die „Neue Rh. Zeitung“ ‒ Jansen. ‒ Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens). Koblenz. (Adams und Schlinke.) Berlin. (Die Reichsverwesung. Gründe von Robbertus Austritt. Protest der Linken. Petition der Wahlmänner Berlins für das Einkammersystem. Verhaftungen. Hansemann und das Geschwornengericht. Gesetzentwurf über Geschworne. Der Minister des Auswärtigen). Breslau. (Blutige Schlägerei zwischen Civil und Militär). Hamburg. (Angeblicher Waffenstillstand zwischen Deutschen und Dänen. Weiteres über den Waffenstillstand). Rendsburg. (Dänische Aktenstücke).</p> <p><hi rendition="#g">Dänemark.</hi> Kopenhagen. („Fädrelandet“ in Betreff der russischen Hülfe.</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Krakau. (Verwundung eines Unteroffiziers. ‒ Graf Schlick).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Kansmark. (Die Kriegshaufen der Kroaten und Serbier). Temeswar. (Koalition zwischen Hrabowski und der Insurgentenpartei).</p> <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Bukarest. (Attentat gegen den Hospodar).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel. (Die Statue Gottfried's von Bouillon. ‒ Verhaftung Deleau's.</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Turin. (Kammerverhandlung. ‒ Die Union von der Kammer ausgesprochen. ‒ Der Antrag der Minister verworfen). Mailand. (Telegraphenlinie).</p> <p><hi rendition="#g">Frankreich.</hi> Paris. (Chateaubriand †. ‒ Das Gerücht von vergifteten Liqueuren offiziell widerlegt. ‒ Frau v. Girardin).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Die Times über die Kolonien. ‒ Die edlen Metalle strömen nach England. ‒ Unterhaus). Dublin. (Gerichtliche Verfolgungen.)</p> <p><hi rendition="#g">Westindien.</hi> (Dekret gegen die Neger auf Porto Rico).</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar038_001_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Gerichtliche Untersuchung gegen die Neue Rheinische Zeitung. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 280.</bibl></note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 7. Juli.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar038_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 7. Juni.</head> <p>Wir werden gebeten folgenden Bericht des Hrn. J. H. J. <hi rendition="#g">Jansen</hi> von hier über seine Verhaftung aufzunehmen:</p> <p>„Am 6. Juli Morgens gegen halb 6 Uhr wurde an meiner Wohnung ungewöhnlich stark und wiederholt geklingelt. Meine Schwester, die der Ankunft des Pfarrgeistlichen entgegen sah, der unserer todtkranken Mutter die Sterbesakramente reichen sollte, öffnete die Thüre, und fand sechs Gensdarmen und einen Polizeidiener. Die Herren frugen ob ihre beiden Brüder zu Hause wären und verfügten sich sofort die Treppe hinauf. Sie fanden mich dort und frugen: ob der Sekretär des Arbeitervereins, Jansen, und sein Bruder nicht anwesend seien. Meine beiden Brüder waren abwesend; Jansen der Sekretär war nicht zu Hause, und der andre war schon seit mehreren Wochen nach Amerika ausgewandert. Der eine Gensdarm hatte zwei Vorführungsbefehle in der Hand von denen der Eine auf „Jansen, Bruder des Sekretärs Jansen“ lautete. Er erklärte mir: da ich ein Bruder des Sekretärs Jansen sei, so müsse ich folgen. Der Polizeidiener setzte hinzu, er sei überzeugt ich sei nicht der rechte Bruder, aber auf den Wortlaut des Vorführungsbefehls hin müsse ich mitgehen. Ich protestirte, mußte aber folgen. Ich nahm also Abschied von meiner sterbenden Mutter, (die es dulden mußte, daß die Herren Gensdarmen in ihr Krankenzimmer traten und jeden Winkel durchstöberten) und bestieg mit vier Gensdarmen und dem Polizeidiener die unten wartende Droschke. Wir fuhren zuerst zum Appellhof, wo man vergeblich nach dem Instruktionsrichter suchte, und von da nach dem Arresthause. Ich wurde hier, nebst dem Vorführungsbefehl, dem Inspektor übergaben, und zwar mit dem Bemerken: ich sei zwar nicht der Rechte, aber doch ein Bruder des Sekretärs Jansen. Nachdem ich die Frage, ob ich mich selbst verpflegen wolle, verneint, meine Brieftasche, Börse etc. dem Aufseher übergeben hatte, wurde ich in die Inquisitionszelle Nr. 13 eingeschlossen. Gegen 8 Uhr wurde mir braune Suppe und Schwarzbrod angeboten, was ich indeß nicht annahm. Darauf wurde ich vor den Rendanten des Instituts geführt, über die Richtigkeit der ihm vom Aufseher übergebenen Geldsumme, sowie über Namen, Stand etc. befragt und am preußischen Maßbaume gemessen. Ich protestirte gegen meine Verhaftung, jedoch umsonst. Kurz vor zehn Uhr kam der Aufseher, der mich sehr freundlich behandelte, in meine Zelle, brachte ein Bündelchen verkringelte Baumwolle und bemert: Wenn ich etwa Langeweile verspüren sollte, so würde mich das Auseinanderzupfen des Knäuels etwas zerstreuen. Ich erklärte, ich habe dem Hause noch keine Kosten verursacht und fühle mich daher nicht verpflichtet, für seine Rechnung zu arbeiten.</p> <p>„Inzwischen hatten mehrere meiner Freunde bei dem Herrn Staatsprokurator H. gegen meine Verhaftung protestirt. Dieser fertigte, mit der Erklärung, es sei ihm bereits zu Ohren gekommen, daß bei der Arrestation ein Mißgriff geschehen, den Befehl zu meiner Freilassung aus und so wurde ich um zehn Uhr wieder befreit.“</p> </div> <div xml:id="ar038_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl>Köln, 7. Juli.</head> <p>Wir haben die neue Theilung Polens, den fanatischen Vertilgungskrieg einer mit trödelwüthigen Juden verbundenen christlich-germanischen Raçe gegen die Polen, vom ersten Beginn als den Kampf des Absolutismus und Bureaukratismus gegen die Demokratie bezeichnet. Die Herrschgelüste der in Polen eingewanderten und polypenartig an dem Herzen des Landes festgesessenen deutschen Bevölkerung haben uns eben so wenig wie die Verdächtigungen über den angeblichen Nationalhaß der Polen gegen die Deutschen rühren können; es wird auch den Lesern noch in frischer Erinnerung stehen, wie die nicht minder mit „Vergiftung der Brunnen“ und „Ermordung aller Juden und Deutschen“ denunzirte Insurrektion von 1846 trotz aller Bemühungen deutscher Patrioten, in dem Berliner Polenprozeß die Sympathien aller Völker erweckte. Einen neuen Beweis für die Richtigkeit unserer ersten Beurtheilung erhalten wir soeben in einer als Manuskript gedruckten, mit authentischen Aktenstücken belegten polnischen Denkschrift der Herren Brodowski, Kraszewski und Potworowski, und es wird unsern Lesern nicht unwillkommen sein, wenn wir ihnen hiernach in kurzen Umrissen eine Schilderung des ganzen preußischen Reorganisations-Liebeswerkes nachtragen.</p> <p>Das Drama der neuen polnischen Theilung hat bisher in drei Akten gespielt. Der erste umfaßte den Zeitraum vom Beginn der nationalen Bewegung bis zu der Konvention des General Willisen bei Jaroslawiec; der zweite ging bis zum Bruch der Konvention durch den Angriff der preußischen Soldateska auf die Stadt Xiax; der dritte enthielt den Durchbruch der wahren preußischen Pacifikationsideen mit Kartätschen, Shrapnells und Höllenstein, die Herrschaft des durch Pfuel proklamirten Martialgesetzes. Die Zukunft wird lehren, ob und unter welcher Beihülfe die Verrathenen in einem vierten und letzten Akt den Knoten der Intrigue zerhauen werden.</p> <p>Die nationale Bewegung war zunächst Ergebniß der französischen Februarrevolution. „Die Polen, sagt die Denkschrift, hatten nie die Hoffnung auf Herstellung ihres Vaterlandes aufgegeben; aber sie glaubten jetzt um so mehr ihre Befreiung hoffen zu dürfen, als alle Völker, die ihre eignen Ketten brachen, die Herstellung Polens als einen <hi rendition="#g">Akt der Gerechtigkeit</hi> und als <hi rendition="#g">Bedingung des europäischen Friedens</hi> forderten.“ Das Signal, für ihre Selbstständigkeit in die Schranken zu treten, gab ihnen das Patent des preußischen Königs vom 17. März, wonach alle Provinzen des preußischen Staates, welche noch nicht zum deutschen Bunde gehörten, unter Einwilligung ihrer „Vertreter“ demselben einverleibt werden sollten.</p> <p>Am 20. März versammelte sich unter dem erregenden Eindruck der damaligen Begebenheiten, ohne Aufforderung und ohne Führer, das Volk in zahllosen Schaaren zu Posen. „Wahrung der nationalen Rechte!“ war der allgemeine Ruf der Massen.</p> <p>Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn die seit 70 Jahren unterdrückte und stets für ihre Freiheit insurgirte Nation in diesem Moment einer allgemeinen europäischen Revolution, wo das Großherzogthum noch dazu eine sehr geringe Besatzung hatte und den Behörden alle Oberleitung fehlte, mit bewaffneter Hand die Unterdrücker ihrer Selbstständigkeit überfallen hätten. Daß sie es nicht thaten, daß sie sich mit ihren natürlichen Gegnern zu „vereinbaren“ suchten, zeugt nicht so sehr für oder gegen jede Absicht der Feindseligkeit wider die Deutschen, es zeugt dafür, daß die Polen von dem deutschen „Vertrauensregime“ bereits germanisirt, daß sie deutsch geworden waren. Es bedurfte erst der Liebeswerkzeuge der Generale Colomb und Pfuel (von Höllenstein), um ihr Nationalgefühl wieder zu erwecken.</p> <p>Das Ergebniß der Posener Volksversammlung war ein durch Akklamation gewähltes Volkscomité, welches zunächst mit Vorwissen des Oberpräsidenten eine Deputation an den König sandte, um von ihm eine nationale Reorganisation des „Großherzogthums“ zu erwirken, ‒ dann aber auch durch Errichtung von Kreiscomités und einer aus beiden Nationalitäten gebildeten Bürgerwehr Ruhe und Frieden zu erhalten suchte.</p> <p>Die Deputation, den Erzbischof von Gnesen und Posen an der Spitze, begab sich nach Berlin, wo sie die bekannte Kabinetsordre vom 24. März, in welcher der König eine nationale Reorganisation <hi rendition="#g">„anzubahnen“</hi> verhieß, und ein Ministerial-Rescript v. 26. erlangte, welches die Bildung einer aus Polen bestehenden Reorganisations-Kommission gestattete. Das Volkscomité that bei der Konstituirung dieser Kommission, um jedem Verdacht der Deutschen über Gefährdung ihrer Nationalinteressen zu begegnen, mehr als das Ministerial-Rescript ihnen auferlegte; es zog zu den Berathungen über den Reorganisations-Entwurf, in welchem beiläufig den Deutschen der Gebrauch ihrer Muttersprache bei allen öffentlichen Verhandlungen zugesichert war, zwei deutsche Beamte (Oberbürgermeister Naumann und Landgerichtsrath Bey), und delegirte einen Ausschuß der Kommission, welcher unter dem Vorsitze des Oberpräsidenten die vorläufigen Maßregeln der Reorganisation in Vorschlag bringen sollte. Proklamationen des Comité's sowohl an die Polen wie an die Deutschen und Juden verkündeten die gerechte Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten, und forderten zu einträchtigem Wirken bei dem gemeinsamen Werk auf.</p> <p>Es herrschte bis dahin vollkommene Einigkeit unter allen Theilen der Bevölkerung. Das <hi rendition="#g">deutsche</hi> Comité in Posen antwortete den Proklamationen des Nationalcomité's öffentlich mit der Versicherung der Sympathie und treuer Mitwirkung der deutschen Einwohner, und nahm die polnischen Farben neben den deutschen an. Die Regierungsbehörden hatten die Wirksamkeit des Nationalcomité's anerkannt, und u. A. der Gensdarmerie-Oberst Natzmer der öffentlichen Gewalt den Befehl ertheilt, stets im Einverständniß mit dem Comité zu handeln.</p> <p>Diese Lage der Dinge änderte sich bald durch die Agitation jener merkwürdigen Raçe, die sich überall als der Haupthebel der Reaktion bewährt.</p> <p>„Die <hi rendition="#g">Bureaukratie,</hi> unzufrieden mit den Folgen der am 18. und 19. März zu Berlin stattgefundenen Ereignisse, welche der Beamtenherrschaft ein Ende zu machen drohten, trat gegen die ver-</p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar038_004" type="jArticle"> <head>Russisches Militär.</head> <p>Aus einem im Jahre 1844 in London erschienenen Werke: „Enthüllungen über Rußland und den Kaiser Nikolas“ theilen wir folgende Stellen in Betreff des russischen Militärs mit:</p> <p>Ein Gouvernement, sagt der Verfasser, das ohne weiteres eine Million bewaffneter Männer ins Feld stellen kann, ist wohl geeignet uns in etwa zu beunruhigen. Glücklicherweise sind indeß die russischen Armeen nicht mehr das, was sie früher waren. Ihr ganzer Erfolg bestand seiner Zeit in dem Heroismus der Infanterie, die jetzt nicht mehr von jenem fanatischen Vertrauen in die Heiligkeit ihrer Sache und von jenem blinden Fatalismus erfüllt ist, der früher eine edlere Begeisterung bei ihr ersetzte. Der Geist Souvarow's ist allmälig aus dem Heere verschwunden. Seine letzten Funken leuchteten in der Schlacht bei Borodino, wo man die noch in ihre grauen Bauernkittel gekleideten Rekruten den Bajonnetten trotzen und ruhig dem Tode ihres ersten und letzten Schlachtfeldes entgegengehen sah.</p> <p>Die russischen Bauern, die, wenn sie einmal disziplinirt sind, eine der besten europäischen Infanterieen bilden, gehören nichtsdestoweniger zu einer der ruhigsten und anscheinend am allerwenigsten zu einer kriegerischen Laufbahn geeigneten Menschenklasse. Furchtsam und schwach wie sie sind, können sie weder lange Märsche noch große Kampagnen aushalten. Das einzige, wodurch sie sich auszeichnen, ist der Gehorsam. Die Knechtschaft lehrte ihnen gehorchen, ohne zu murren.</p> <p>Ein russisches Regiment, das lange Märsche machen soll, legt nicht mehr als täglich 25 Verste, oder 162/3 englische Meilen zuruck, wenn es zwei Tage marschirt und sich den dritten Tag ausruht. Ist die Entfernung größer, so läßt es eine Menge Leute unterwegs. Immer sieht man indeß diese Truppen Hunger, Krankheiten und den Verlust aus ihren Reihen ohne eine Klage erdulden.</p> <p>Gelangt der russische Soldat, nachdem er alle Schwierigkeiten des Marsches überwunden hat, in die Nähe des Feindes, da bleibt er voll Angst und Beben an dem Orte, den ihm die Disziplin anwies; anders wie die Offiziere, die sich nicht selten aus Mangel an allem Ehrgefühl, hinter der Fronte vor dem Feuer verbergen.</p> <p>Man möchte daran zweifeln, daß eine aus so verschiedenen Elementen zusammengesetzte Armee von Wirkung sein könnte. ‒ Eine Infanterie indeß, welche mit ihrer Gelassenheit zugleich auch ihre Ordnung behauptet, welche bei dem Angriff des Feindes ruhig ihr Feuer fortsetzt und zitternd zwar und voller Schrecken, dennoch nicht vom Flecke weicht, ist nichtsdestoweniger bei dem jetzigen Zustand europäischer Armeen von entschiedenem Nutzen.</p> <p>Wenn der gemeine russische Soldat aus irgend einem Motive seine Pflicht thut, so ist es ganz anders mit den Offizieren, namentlich in den untern Graden.</p> <p>Ebenso unempfänglich für die Inspirationen des Patriotismus wie für das Verführerische des militärischen Ruhmes und eben so wenig von Natur tapfer wie der gemeine Soldat lassen sich die Offiziere fast nie durch den Ehrgeiz über jene Furcht hinwegheben, die sie sich durch kein Gefühl der Ehre zu verheimlichen verleiten lassen. Sie wissen, daß bei den eigenthümlichen Zuständen Rußlands, die im militärischen wie im bürgerlichen Leben ganz dieselben bleiben, trotz der persönlichen Anstrengungen des Kaisers die Feigheit eben so gut wie die Bravour eine der militärischen Tapferkeit bestimmte Belohnung erringen kann. Bedenkt man außerdem noch, daß bei ihrer ersten Erziehung und in den Verhältnissen in denen sie früher lebten, Alles darauf gerichtet war, den wenigen Muth, den sie von Haus aus besaßen, zu unterdrücken, so begreift man, daß die Offiziere ihren Soldaten auf dem Schlachtfelde nur zu häufig das Beispiel der vollendetsten Feigheit geben. Diese, namentlich den Offizieren der Linie geltenden Bemerkungen lassen sich indeß auch in gewissem Maße auf die Offiziere der Garde ausdehnen.</p> <p>Obgleich Jeder der nicht zum Adel gehört der Konskription unterworfen ist, so wird der Soldat, für die Infanterie wie für die Kavallerie, für die Garde wie für die Linie, dennoch fast stets aus der Klasse der Leibeignen genommen. Der Freie und der Handelsmann kaufen sich immer los und die dafür einfließenden Gelder bilden einen Theil der Staatsrevenue. Jeder Sklaveneigenthümer muß, je nach den Bedürfnissen des Gouvernements, jährlich gewisse Prozente von der Zahl der Individuen, die er besitzt, ausliefern, und da man jede Person annimmt, wenn sie nur körperlich gesund ist, so erhält man gewöhnlich die faulsten und schlechtesten Subjekte, welche der Besitzer unter seinen Bauern aufzufinden wußte.</p> <p>Der Rekrut nimmt von seiner Familie Abschied, als ob er sie nie wiedersehen würde und entfernt sich unter allgemeinem Lamentiren.</p> <p>Das Gesetz sagt ihm, daß er frei sein wird, sobald er in die Dienste des Kaisers tritt; nichts desto weniger führt man ihn wie einen Verbrecher, mit einem andern Unglücklichen zusammengebunden, zu seinem Regimente.</p> <p> <ref type="link">(Forts. f.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar038_005" type="jArticle"> <head>Der provisorisch germanische Kaiser und die deutschen Zeitungen.</head> <p>„So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“</p> <bibl>(Kölnische Zeitung 1. Juli.)</bibl> <p>„Ein dreimaliges Hoch, Glockengeläute und Kanonendonner ‒“</p> <bibl>(Trier'sche Zeitung 2. Juli.)</bibl> <p>„Dem wiederholten Hochrufen antwortete Glockengeläute und Kanonendonner.“</p> <bibl>(Düsseldorfer Zeitung 2. Juli.)</bibl> <p>„So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“</p> <bibl>(Bremer Zeitung 2. Juli.)</bibl> <p>„Kanonendonner und Glockenklang ertönt ‒“</p> <bibl>(Mainzer Zeitung 1. Juli.)</bibl> <p>„Bravo, Glockengeläute und Kanonendonner.“</p> <bibl>(Preußischer Staats-Anzeiger 2. Juli.)</bibl> <p>„Kanonendonner und Glockengeläute.“</p> <bibl>(Augsburger Allgemeine Zeitung 1. Juli.)</bibl> <p>„Glockengeläute und Kanonendonner.“</p> <bibl>(Deutsche Zeitung 1. Juli.)</bibl> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0187/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 38. Köln, Samstag 8. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.
Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Gerichtliche Untersuchung gegen die „Neue Rh. Zeitung“ ‒ Jansen. ‒ Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens). Koblenz. (Adams und Schlinke.) Berlin. (Die Reichsverwesung. Gründe von Robbertus Austritt. Protest der Linken. Petition der Wahlmänner Berlins für das Einkammersystem. Verhaftungen. Hansemann und das Geschwornengericht. Gesetzentwurf über Geschworne. Der Minister des Auswärtigen). Breslau. (Blutige Schlägerei zwischen Civil und Militär). Hamburg. (Angeblicher Waffenstillstand zwischen Deutschen und Dänen. Weiteres über den Waffenstillstand). Rendsburg. (Dänische Aktenstücke).
Dänemark. Kopenhagen. („Fädrelandet“ in Betreff der russischen Hülfe.
Polen. Krakau. (Verwundung eines Unteroffiziers. ‒ Graf Schlick).
Ungarn. Kansmark. (Die Kriegshaufen der Kroaten und Serbier). Temeswar. (Koalition zwischen Hrabowski und der Insurgentenpartei).
Donaufürstenthümer. Bukarest. (Attentat gegen den Hospodar).
Belgien. Brüssel. (Die Statue Gottfried's von Bouillon. ‒ Verhaftung Deleau's.
Italien. Turin. (Kammerverhandlung. ‒ Die Union von der Kammer ausgesprochen. ‒ Der Antrag der Minister verworfen). Mailand. (Telegraphenlinie).
Frankreich. Paris. (Chateaubriand †. ‒ Das Gerücht von vergifteten Liqueuren offiziell widerlegt. ‒ Frau v. Girardin).
Großbritannien. London. (Die Times über die Kolonien. ‒ Die edlen Metalle strömen nach England. ‒ Unterhaus). Dublin. (Gerichtliche Verfolgungen.)
Westindien. (Dekret gegen die Neger auf Porto Rico).
Deutschland. * Köln, 7. Juli. _ * Köln, 7. Juni. Wir werden gebeten folgenden Bericht des Hrn. J. H. J. Jansen von hier über seine Verhaftung aufzunehmen:
„Am 6. Juli Morgens gegen halb 6 Uhr wurde an meiner Wohnung ungewöhnlich stark und wiederholt geklingelt. Meine Schwester, die der Ankunft des Pfarrgeistlichen entgegen sah, der unserer todtkranken Mutter die Sterbesakramente reichen sollte, öffnete die Thüre, und fand sechs Gensdarmen und einen Polizeidiener. Die Herren frugen ob ihre beiden Brüder zu Hause wären und verfügten sich sofort die Treppe hinauf. Sie fanden mich dort und frugen: ob der Sekretär des Arbeitervereins, Jansen, und sein Bruder nicht anwesend seien. Meine beiden Brüder waren abwesend; Jansen der Sekretär war nicht zu Hause, und der andre war schon seit mehreren Wochen nach Amerika ausgewandert. Der eine Gensdarm hatte zwei Vorführungsbefehle in der Hand von denen der Eine auf „Jansen, Bruder des Sekretärs Jansen“ lautete. Er erklärte mir: da ich ein Bruder des Sekretärs Jansen sei, so müsse ich folgen. Der Polizeidiener setzte hinzu, er sei überzeugt ich sei nicht der rechte Bruder, aber auf den Wortlaut des Vorführungsbefehls hin müsse ich mitgehen. Ich protestirte, mußte aber folgen. Ich nahm also Abschied von meiner sterbenden Mutter, (die es dulden mußte, daß die Herren Gensdarmen in ihr Krankenzimmer traten und jeden Winkel durchstöberten) und bestieg mit vier Gensdarmen und dem Polizeidiener die unten wartende Droschke. Wir fuhren zuerst zum Appellhof, wo man vergeblich nach dem Instruktionsrichter suchte, und von da nach dem Arresthause. Ich wurde hier, nebst dem Vorführungsbefehl, dem Inspektor übergaben, und zwar mit dem Bemerken: ich sei zwar nicht der Rechte, aber doch ein Bruder des Sekretärs Jansen. Nachdem ich die Frage, ob ich mich selbst verpflegen wolle, verneint, meine Brieftasche, Börse etc. dem Aufseher übergeben hatte, wurde ich in die Inquisitionszelle Nr. 13 eingeschlossen. Gegen 8 Uhr wurde mir braune Suppe und Schwarzbrod angeboten, was ich indeß nicht annahm. Darauf wurde ich vor den Rendanten des Instituts geführt, über die Richtigkeit der ihm vom Aufseher übergebenen Geldsumme, sowie über Namen, Stand etc. befragt und am preußischen Maßbaume gemessen. Ich protestirte gegen meine Verhaftung, jedoch umsonst. Kurz vor zehn Uhr kam der Aufseher, der mich sehr freundlich behandelte, in meine Zelle, brachte ein Bündelchen verkringelte Baumwolle und bemert: Wenn ich etwa Langeweile verspüren sollte, so würde mich das Auseinanderzupfen des Knäuels etwas zerstreuen. Ich erklärte, ich habe dem Hause noch keine Kosten verursacht und fühle mich daher nicht verpflichtet, für seine Rechnung zu arbeiten.
„Inzwischen hatten mehrere meiner Freunde bei dem Herrn Staatsprokurator H. gegen meine Verhaftung protestirt. Dieser fertigte, mit der Erklärung, es sei ihm bereits zu Ohren gekommen, daß bei der Arrestation ein Mißgriff geschehen, den Befehl zu meiner Freilassung aus und so wurde ich um zehn Uhr wieder befreit.“
19Köln, 7. Juli. Wir haben die neue Theilung Polens, den fanatischen Vertilgungskrieg einer mit trödelwüthigen Juden verbundenen christlich-germanischen Raçe gegen die Polen, vom ersten Beginn als den Kampf des Absolutismus und Bureaukratismus gegen die Demokratie bezeichnet. Die Herrschgelüste der in Polen eingewanderten und polypenartig an dem Herzen des Landes festgesessenen deutschen Bevölkerung haben uns eben so wenig wie die Verdächtigungen über den angeblichen Nationalhaß der Polen gegen die Deutschen rühren können; es wird auch den Lesern noch in frischer Erinnerung stehen, wie die nicht minder mit „Vergiftung der Brunnen“ und „Ermordung aller Juden und Deutschen“ denunzirte Insurrektion von 1846 trotz aller Bemühungen deutscher Patrioten, in dem Berliner Polenprozeß die Sympathien aller Völker erweckte. Einen neuen Beweis für die Richtigkeit unserer ersten Beurtheilung erhalten wir soeben in einer als Manuskript gedruckten, mit authentischen Aktenstücken belegten polnischen Denkschrift der Herren Brodowski, Kraszewski und Potworowski, und es wird unsern Lesern nicht unwillkommen sein, wenn wir ihnen hiernach in kurzen Umrissen eine Schilderung des ganzen preußischen Reorganisations-Liebeswerkes nachtragen.
Das Drama der neuen polnischen Theilung hat bisher in drei Akten gespielt. Der erste umfaßte den Zeitraum vom Beginn der nationalen Bewegung bis zu der Konvention des General Willisen bei Jaroslawiec; der zweite ging bis zum Bruch der Konvention durch den Angriff der preußischen Soldateska auf die Stadt Xiax; der dritte enthielt den Durchbruch der wahren preußischen Pacifikationsideen mit Kartätschen, Shrapnells und Höllenstein, die Herrschaft des durch Pfuel proklamirten Martialgesetzes. Die Zukunft wird lehren, ob und unter welcher Beihülfe die Verrathenen in einem vierten und letzten Akt den Knoten der Intrigue zerhauen werden.
Die nationale Bewegung war zunächst Ergebniß der französischen Februarrevolution. „Die Polen, sagt die Denkschrift, hatten nie die Hoffnung auf Herstellung ihres Vaterlandes aufgegeben; aber sie glaubten jetzt um so mehr ihre Befreiung hoffen zu dürfen, als alle Völker, die ihre eignen Ketten brachen, die Herstellung Polens als einen Akt der Gerechtigkeit und als Bedingung des europäischen Friedens forderten.“ Das Signal, für ihre Selbstständigkeit in die Schranken zu treten, gab ihnen das Patent des preußischen Königs vom 17. März, wonach alle Provinzen des preußischen Staates, welche noch nicht zum deutschen Bunde gehörten, unter Einwilligung ihrer „Vertreter“ demselben einverleibt werden sollten.
Am 20. März versammelte sich unter dem erregenden Eindruck der damaligen Begebenheiten, ohne Aufforderung und ohne Führer, das Volk in zahllosen Schaaren zu Posen. „Wahrung der nationalen Rechte!“ war der allgemeine Ruf der Massen.
Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn die seit 70 Jahren unterdrückte und stets für ihre Freiheit insurgirte Nation in diesem Moment einer allgemeinen europäischen Revolution, wo das Großherzogthum noch dazu eine sehr geringe Besatzung hatte und den Behörden alle Oberleitung fehlte, mit bewaffneter Hand die Unterdrücker ihrer Selbstständigkeit überfallen hätten. Daß sie es nicht thaten, daß sie sich mit ihren natürlichen Gegnern zu „vereinbaren“ suchten, zeugt nicht so sehr für oder gegen jede Absicht der Feindseligkeit wider die Deutschen, es zeugt dafür, daß die Polen von dem deutschen „Vertrauensregime“ bereits germanisirt, daß sie deutsch geworden waren. Es bedurfte erst der Liebeswerkzeuge der Generale Colomb und Pfuel (von Höllenstein), um ihr Nationalgefühl wieder zu erwecken.
Das Ergebniß der Posener Volksversammlung war ein durch Akklamation gewähltes Volkscomité, welches zunächst mit Vorwissen des Oberpräsidenten eine Deputation an den König sandte, um von ihm eine nationale Reorganisation des „Großherzogthums“ zu erwirken, ‒ dann aber auch durch Errichtung von Kreiscomités und einer aus beiden Nationalitäten gebildeten Bürgerwehr Ruhe und Frieden zu erhalten suchte.
Die Deputation, den Erzbischof von Gnesen und Posen an der Spitze, begab sich nach Berlin, wo sie die bekannte Kabinetsordre vom 24. März, in welcher der König eine nationale Reorganisation „anzubahnen“ verhieß, und ein Ministerial-Rescript v. 26. erlangte, welches die Bildung einer aus Polen bestehenden Reorganisations-Kommission gestattete. Das Volkscomité that bei der Konstituirung dieser Kommission, um jedem Verdacht der Deutschen über Gefährdung ihrer Nationalinteressen zu begegnen, mehr als das Ministerial-Rescript ihnen auferlegte; es zog zu den Berathungen über den Reorganisations-Entwurf, in welchem beiläufig den Deutschen der Gebrauch ihrer Muttersprache bei allen öffentlichen Verhandlungen zugesichert war, zwei deutsche Beamte (Oberbürgermeister Naumann und Landgerichtsrath Bey), und delegirte einen Ausschuß der Kommission, welcher unter dem Vorsitze des Oberpräsidenten die vorläufigen Maßregeln der Reorganisation in Vorschlag bringen sollte. Proklamationen des Comité's sowohl an die Polen wie an die Deutschen und Juden verkündeten die gerechte Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten, und forderten zu einträchtigem Wirken bei dem gemeinsamen Werk auf.
Es herrschte bis dahin vollkommene Einigkeit unter allen Theilen der Bevölkerung. Das deutsche Comité in Posen antwortete den Proklamationen des Nationalcomité's öffentlich mit der Versicherung der Sympathie und treuer Mitwirkung der deutschen Einwohner, und nahm die polnischen Farben neben den deutschen an. Die Regierungsbehörden hatten die Wirksamkeit des Nationalcomité's anerkannt, und u. A. der Gensdarmerie-Oberst Natzmer der öffentlichen Gewalt den Befehl ertheilt, stets im Einverständniß mit dem Comité zu handeln.
Diese Lage der Dinge änderte sich bald durch die Agitation jener merkwürdigen Raçe, die sich überall als der Haupthebel der Reaktion bewährt.
„Die Bureaukratie, unzufrieden mit den Folgen der am 18. und 19. März zu Berlin stattgefundenen Ereignisse, welche der Beamtenherrschaft ein Ende zu machen drohten, trat gegen die ver-
Russisches Militär. Aus einem im Jahre 1844 in London erschienenen Werke: „Enthüllungen über Rußland und den Kaiser Nikolas“ theilen wir folgende Stellen in Betreff des russischen Militärs mit:
Ein Gouvernement, sagt der Verfasser, das ohne weiteres eine Million bewaffneter Männer ins Feld stellen kann, ist wohl geeignet uns in etwa zu beunruhigen. Glücklicherweise sind indeß die russischen Armeen nicht mehr das, was sie früher waren. Ihr ganzer Erfolg bestand seiner Zeit in dem Heroismus der Infanterie, die jetzt nicht mehr von jenem fanatischen Vertrauen in die Heiligkeit ihrer Sache und von jenem blinden Fatalismus erfüllt ist, der früher eine edlere Begeisterung bei ihr ersetzte. Der Geist Souvarow's ist allmälig aus dem Heere verschwunden. Seine letzten Funken leuchteten in der Schlacht bei Borodino, wo man die noch in ihre grauen Bauernkittel gekleideten Rekruten den Bajonnetten trotzen und ruhig dem Tode ihres ersten und letzten Schlachtfeldes entgegengehen sah.
Die russischen Bauern, die, wenn sie einmal disziplinirt sind, eine der besten europäischen Infanterieen bilden, gehören nichtsdestoweniger zu einer der ruhigsten und anscheinend am allerwenigsten zu einer kriegerischen Laufbahn geeigneten Menschenklasse. Furchtsam und schwach wie sie sind, können sie weder lange Märsche noch große Kampagnen aushalten. Das einzige, wodurch sie sich auszeichnen, ist der Gehorsam. Die Knechtschaft lehrte ihnen gehorchen, ohne zu murren.
Ein russisches Regiment, das lange Märsche machen soll, legt nicht mehr als täglich 25 Verste, oder 162/3 englische Meilen zuruck, wenn es zwei Tage marschirt und sich den dritten Tag ausruht. Ist die Entfernung größer, so läßt es eine Menge Leute unterwegs. Immer sieht man indeß diese Truppen Hunger, Krankheiten und den Verlust aus ihren Reihen ohne eine Klage erdulden.
Gelangt der russische Soldat, nachdem er alle Schwierigkeiten des Marsches überwunden hat, in die Nähe des Feindes, da bleibt er voll Angst und Beben an dem Orte, den ihm die Disziplin anwies; anders wie die Offiziere, die sich nicht selten aus Mangel an allem Ehrgefühl, hinter der Fronte vor dem Feuer verbergen.
Man möchte daran zweifeln, daß eine aus so verschiedenen Elementen zusammengesetzte Armee von Wirkung sein könnte. ‒ Eine Infanterie indeß, welche mit ihrer Gelassenheit zugleich auch ihre Ordnung behauptet, welche bei dem Angriff des Feindes ruhig ihr Feuer fortsetzt und zitternd zwar und voller Schrecken, dennoch nicht vom Flecke weicht, ist nichtsdestoweniger bei dem jetzigen Zustand europäischer Armeen von entschiedenem Nutzen.
Wenn der gemeine russische Soldat aus irgend einem Motive seine Pflicht thut, so ist es ganz anders mit den Offizieren, namentlich in den untern Graden.
Ebenso unempfänglich für die Inspirationen des Patriotismus wie für das Verführerische des militärischen Ruhmes und eben so wenig von Natur tapfer wie der gemeine Soldat lassen sich die Offiziere fast nie durch den Ehrgeiz über jene Furcht hinwegheben, die sie sich durch kein Gefühl der Ehre zu verheimlichen verleiten lassen. Sie wissen, daß bei den eigenthümlichen Zuständen Rußlands, die im militärischen wie im bürgerlichen Leben ganz dieselben bleiben, trotz der persönlichen Anstrengungen des Kaisers die Feigheit eben so gut wie die Bravour eine der militärischen Tapferkeit bestimmte Belohnung erringen kann. Bedenkt man außerdem noch, daß bei ihrer ersten Erziehung und in den Verhältnissen in denen sie früher lebten, Alles darauf gerichtet war, den wenigen Muth, den sie von Haus aus besaßen, zu unterdrücken, so begreift man, daß die Offiziere ihren Soldaten auf dem Schlachtfelde nur zu häufig das Beispiel der vollendetsten Feigheit geben. Diese, namentlich den Offizieren der Linie geltenden Bemerkungen lassen sich indeß auch in gewissem Maße auf die Offiziere der Garde ausdehnen.
Obgleich Jeder der nicht zum Adel gehört der Konskription unterworfen ist, so wird der Soldat, für die Infanterie wie für die Kavallerie, für die Garde wie für die Linie, dennoch fast stets aus der Klasse der Leibeignen genommen. Der Freie und der Handelsmann kaufen sich immer los und die dafür einfließenden Gelder bilden einen Theil der Staatsrevenue. Jeder Sklaveneigenthümer muß, je nach den Bedürfnissen des Gouvernements, jährlich gewisse Prozente von der Zahl der Individuen, die er besitzt, ausliefern, und da man jede Person annimmt, wenn sie nur körperlich gesund ist, so erhält man gewöhnlich die faulsten und schlechtesten Subjekte, welche der Besitzer unter seinen Bauern aufzufinden wußte.
Der Rekrut nimmt von seiner Familie Abschied, als ob er sie nie wiedersehen würde und entfernt sich unter allgemeinem Lamentiren.
Das Gesetz sagt ihm, daß er frei sein wird, sobald er in die Dienste des Kaisers tritt; nichts desto weniger führt man ihn wie einen Verbrecher, mit einem andern Unglücklichen zusammengebunden, zu seinem Regimente.
(Forts. f.)
Der provisorisch germanische Kaiser und die deutschen Zeitungen. „So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“
(Kölnische Zeitung 1. Juli.) „Ein dreimaliges Hoch, Glockengeläute und Kanonendonner ‒“
(Trier'sche Zeitung 2. Juli.) „Dem wiederholten Hochrufen antwortete Glockengeläute und Kanonendonner.“
(Düsseldorfer Zeitung 2. Juli.) „So eben verkündet der Donner der Kanonen, das Geläute aller Glocken ‒“
(Bremer Zeitung 2. Juli.) „Kanonendonner und Glockenklang ertönt ‒“
(Mainzer Zeitung 1. Juli.) „Bravo, Glockengeläute und Kanonendonner.“
(Preußischer Staats-Anzeiger 2. Juli.) „Kanonendonner und Glockengeläute.“
(Augsburger Allgemeine Zeitung 1. Juli.) „Glockengeläute und Kanonendonner.“
(Deutsche Zeitung 1. Juli.)
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