Neue Rheinische Zeitung. Nr. 39. Köln, 9. Juli 1848.Alternative der immer frecher auftretenden Reaktion keinen Anlaß zur Einschreitung gegen den revolutionären Bürger Dörnberg zu geben. Bürger Dörnberg ist ein gewiegter Diplomat; dafür bürgte schon seine stille Verwandtschaft mit dem Fürsten Metternich. - Wir werden daher demnächst über die gesammten früheren Verdienste des Bürgers Dörnberg eine allgemeine Uebersicht geben. Frankfurt, 6. Juli. (32. Sitzung der konstituirenden deutschen Nationalversammlung.) Nach Verlesung des Protokolls wurden zwei Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt, darunter von den Deutschen in Malta 150 fl., von der Garnierischen Erziehungs-Anstalt in Friedrichsdorf 25 fl. Tagesordnung ist die forgesetzte Berathung über Art. 1. des Entwurfs der Grundrechte; Der §. 2 lautet: Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines deutsche Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerrecht gewinnen, - vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht." Der volkswirthschaftliche Ausschuß beantragt folgende Fassung: "Jeder Deutsche hat das Recht an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbsbetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichsgesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen dieses Staates zu." Minoritätsgutachten hierzu wurden von den Abgg. Herrmann und Eisenstuck begründet. Fernere Amendements und Anträge entwickelten die Abgg. Werner, Tellkampf, Eisenmann, Adams, v. Trütschler, Hollandt. Außer ihnen sprachen über den Gegenstand noch Behr, Stahl, Edel, Jaup (welcher die Zurückweisung der §§. 2 und 3 an den Ausschuß zum Zweck veränderter Redaktion beantragt), Degenkolb etc. Schlöffel beantragte, daß bei dieser, besonders für den ärmeren Theil des Volks hochwichtigen Angelegenheit alle Redner gehört werden möchten. Dagegen hatte Venedey zur Abkürzung der Debatte den Antrag gestellt, daß kein Amendement, welches nicht wenigstens von 20 Mitgliedern unterstützt worden, begründet werden dürfe. Dieser Antrag wurde nach einigen Debatten (wobei Giskra berechnete, daß nach dem bisherigen Berathungsmodus die Debatte bis zum April 1850 dauern würde) abgelehnt. Der Präsident äußerte die Zuversicht, daß die Erfahrungen der letzten Tage selbst die Antragsteller veranlassen würden, für die nöthige Unterstützung ihrer Anträge bedacht zu sein. Die Fortsetzung der Debatte über §. 2 wurde auf künftigen Montag festgesetzt. Schluß der Sitzung 2 1/2 Uhr. Tagesordnung für Morgen: Berathung über den Antrag des Abgeordneten Grumbrecht auf Niedersetzung eines Ausschusses für Kirchen- und Schulangelegenheiten - dann über den Bericht Zachariä's in Betreff der diplomatischen Verhältnisse zum Auslande, über den Bericht Wydenbrugk's in gleichem Betreff, und den Antrag des Ausschusses für Wehrverhältnisse, den gegenwärtigen Zustand und Wahrhaftigkeit Deutschlands und die Mittel zu dessen Verbesserung betreffend. (Fr. J.)Posen. So eben vernehmen wir aus ganz sicherer Quelle, daß auch in der Gegend von Grätz und Opalenica und zwar in den Dörfern Urbanowo und Sielinko polnische Landleute vom preußischen Militär unter Kommando der Offiziere mit Stockprügeln gemißhandelt worden sind. Nach vollbrachter Exekution mußten die Gemißhandelten im erstern Orte, so wie die Weiber und Kinder des Dorfes einigemal "Hurrah" rufen. - Kaum ist der wegen seines Liberalismus bei den Polen in sehr hoher Achtung stehende Dr. Mosse von Küstrin, wo er in Haft war, nach Grätz gekommen, als man ihn sogleich wieder arretirt und in das Gerichtsgefängniß des letztern Ortes abgeführt hat. Sein Schicksal verdankt er nur der Sympathie für die gerechte Sache der Polen und seiner geißelnden Kritik der polenfeindlichen Partei. Bei seiner ersten Verhaftung in Grätz in der Nacht vom 28. zum 29. April c. wurde er von den Soldaten fürchterlich gemißhandelt, auch hat er nicht nur von seinen deutschen Freunden, die nun Feinde geworden sind, sondern auch von seinen Glaubensgenossen, den Israeliten, manche Schmach erdulden müssen. So viel wir wissen, sind bei der Stürmung von Grätz am 28. April c. siebenzehn Personen getödtet, darunter sind viele Wehrlose in den Stuben und Stallungen erschossen, auch eine Frau fand ihren Tod. Vom Militär gab es keinen Todesfall. - Man bemerkt, daß jetzt nicht alle Deutsche und Juden über ihre Errungenschaft, durch die Macht der Kanonen und Bajonnette, triumphiren; Viele gehen in sich und denken nach. Die Polen, welche überhaupt keine Freunde der Vielschreiberei sind, halten es oft unter ihrer Würde, entstellte Thatsachen zu berichtigen und sich in einen Federkrieg mit dergleichen Wahrheitsfreunden einzulassen. (B. Z. H.)Hamburg, 5. Juli. Den Berichten eines mit dem "Nordstjernan" aus Kopenhagen und Hamburg zurückgekehrten Reisenden zufolge war dort am 3ten Morgens ganz allgemein das Gerücht verbreitet, daß am 2ten d. ein Waffenstillstand zwischen Deutschland und Dänemark auf drei Monate definitiv abgeschlossen worden. Die Bedingungen desselben, so weit man sie in Kopenhagen kennen wollte, sollten folgende sein: Räumung Fühnens von Seiten der schwedischen, Schleswigs von Seiten der deutschen Truppen; Schleswig bleibt völlig unbesetzt; Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen und Freigebung der in Kopenhagen retinirten deutschen Schiffe, Letzteres, sobald der Geldwerth der von den preußischen Truppen in Jütland gemachten Requisitionen ermittelt und erstattet ist. (B. Z. H.)* Hamburg, 6. Juli. Der Abschluß eines Waffenstillstandes auf 3 Monate zwischen Deutschland und Dänemark steht fest und ist sofort nach Berlin zur Ratifikation übersandt worden. - Dem Vernehmen nach, bemerkt die heutige Nro. der "Börsenhalle", wird, den Bestimmungen des zwischen Deutschland und Dänemark abgeschlossenen Waffenstillstandes gemäß, zehn Tage nach erfolgter Ratifikation desselben die Freigebung der in Kopenhagen zurückgehaltenen deutschen Schiffe und sechs Tage nach erfolgter Ratifikation die Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen stattfinden. Freiburg, 5. Juli. Gestern Vormittag ist auf Befehl des hiesigen Stadtamtes ein Lehrer am Lyceum, Hr. Hannemann, verhaftet und in das Kriegsgefängniß geführt worden. Abends wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Ursache der Verhaftung war, daß er für die republikanischen Flüchtlinge Beiträge sammelte. - So eben (Morgens 6 Uhr) rücken 300 Mann würtembergische Reiterei hier ein. - In Mannheim ist der Faktor der Hoff'schen Druckerei verhaftet worden. Ueberhaupt Verhaftungen durch's ganze Land. So kann und wird es nicht lange mehr fortgehen. Ulm. Ueber die blutigen Excesse im Schiff haben wir noch Folgendes nachzutragen: Die Zahl der Verwundeten beträgt im Ganzen 42; von Reitern wurden bis zum 30. Juni verhaftet 26, darunter 14 Unteroffiziere und ein Trompeter. (U. K.)27 Prag, 3. Juli. Seit gestern ist die Passage über die Karlsbrücke, welche bisher nur bis 10 Uhr Abends gestattet war, gänzlich freigegeben und auch die Kanonen, die am kleinseitner Brückenende aufgeführt waren, entfernt worden. Wir begrüßen diese Thatsachen als die ersten Hoffnungszeichen, daß der drückende Belagerungszustand bald sein Ende finden wird. Uebrigens dauern die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen fort, auch in der Bräuhauslokalität des Kreuzherrnstiftes wurde ein Requisitorium angestellt. - Die Mühlen in der Nähe des Transporthauses, von denen aus die gemeldeten nächtlichen Schüsse gefallen sein sollen, sind gestern militärisch besetzt worden. 126Wien, 2. Juli. In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses gab eine Zuschrift des Innern als Antwort über die Prager Ereignisse zu heftigen Debatten Anlaß. Das Ministerium hatte sich in der Zuschrift die Phrase erlaubt: "Der Ausschuß hatte seinen sich selbst vorgezeichneten Wirkungskreis überschritten". Die Mehrheit des Ausschusses war aber der Ansicht, daß er gegenüber den terroristischen Maaßregeln in Prag eher nicht energisch genug aufgetreten. Dr. Hruby, der zum Ministerium gesendet worden war, um über die immer ausweichend beantwortete Anfrage über die Prager Ereignisse kathegorische Rücksprache zu pflegen, referirt, daß der Belagerungszustand in Prag noch fortdauere, die Waffenablieferungen, Hausuntersuchungen etc., so wie außerordentliche Gerichte im Gange seien. Das Ministerium hätte den Hofrath Weingarten nach Prag beordert, um nach seinem Ermessen die zur Herstellung von Ordnung nothwendigen Maßregeln anzuordnen. Dr. Hruby stellt den Antrag, es mögen dem Ministerialbevollmächtigten 2 bis 3 Deputirte vom Ausschusse mitgegeben werden, welche die Sachlage und die Rusultate des merkwürdigen Prozesses, welcher von Mitschuldigen geleitet wird, studieren und genauen Bericht erstatten sollten. Nachdem man beschlossen, die Vollmacht der 3 Abgeordneten, Dr. Finger, Dr. Heller und Suttner vom Stellvertreter des Kaisers unter Gegenzeichnung des Ministeriums ausstellen zu lassen, kommt man zu dem Beschlusse: Gegen die Aeußerung des Ministeriums Protest einzulegen, und um Aufklärung zu bitten, wenn der Ausschuß seinen Wirkungskreis überschritten hätte. *Aus Tyrol. Brandis ist noch immer Gouverneur von Tyrol. Wenigstens ist an jenem Herrn das zu loben, daß er gegen die neue Ordnung der Dinge nicht heimlich und schleichend, sondern offen mit ungeschlachten Reckenfäusten losschlägt, sich folglich um desto eher das Genick brechen muß. Kaum hat das Publikum erfahren, wie dieser Herr die Preßfreiheit versteht, so liegt schon wieder ein zweites noch viel sauberes Aktenstück gegen ihn vor. Es ist dies sein Gubernial-Erlaß vom 4. Juni in Betreff der Legion Wiener Studenten, die zur Vertheidung der Gränzen Tyrols abging und nach Erreichung ihres Zweckes zurückkehrte, sich auflöste und in ihre verschiedenen Heimathsorte von Tyrol vertheilte. Jener Erlaß fordert sämmtlich Aufsichtsbehörden, alle Dekanate und den ihnen untergeordneten Klerus auf, "das geschärfteste Augenmerk auf jene aufgelöste Kompagnie zu richten, und falls sich Einzelne derselben Agitationen oder propagandistische Umtriebe zu Schulden kommen ließen, nach alier Strenge dagegen vorzugehen." Dieser nämliche Gouverneur Brandis warnte jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Kongreß vor der Aufnahme ähnlicher "wühlerischer Artikel," und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen. Aus Südtyrol, 30. Juni. Venedig wird von der Landseite täglich enger blokirt; so lange es jedoch die Flotte hat, vermag es sich immer noch zu halten. Die Versuche unsererseits sich Rivoli's wieder zu bemächtigen sind bis jetzt an der starkverschanzten Stellung und der Zahl der Piemontesen gescheitert. Die Gefährdung der Kommunikation auf der Etschstraße hatte zur Folge daß alle Lieferungen an Getreide und Ochsen für die Armee in Verona über die Valarsa und Valsugana geleitet und die Contrakte mit den Unternehmern zum großen Schaden des Aerars abgeändert werden mußten. Nicht die Kriegsergebnisse und die im wesentlichen unbeträchtlichen Erfolge Karl Alberts dürften zu einer friedlichen Beilegung der italienischen Frage von östreichischer Seite geneigt machen, sondern hauptsächlich die finanzielle Bedrängniß, welche einen nicht geglaubten Grad in kurzer Zeit erreicht hat. Alle Vorboten einer bedenklichen Aufliegenheit des Schatzes, als: Verbot der Gold- und Silberausfuhr, Emission neuer Banknoten, gesetzliche Nöthigung zur Annahme derselben im Verkehr mit Verletzung wohlerworbener Vertragsrechte, Einforderung der gerichtlichen und administrativen Depositen, endlich Abzüge an Besoldungen und Einkünften der Beamten und Pensionisten im Civil- und Militärstande, sowie der geistlichen Pfründner und Orden haben wir nachgerade über uns hereinkommen lassen müssen. Und dennoch schreitet man nicht zur raschen Einführung einer zweckmäßig angelegten Einkommensteuer, die allein aus der nahen Krisis zu retten vermag. (A. A. Z.)Ungarn.
Pesth, 29. Juni. Unsere Doppelstadt befindet sich gegenwärtig in einer unbeschreiblich aufgeregten Stimmung. Der Finanzminister Kossuth, der Schöpfer und Träger der ungarischen Freiheitscharte, will aus dem Ministerium treten, und dies zwei Tage vor der Eröffnung des Landtags! Der radikale "Marzius 15-dike" zeigt bereits den Rücktritt Kossuth's an und stößt in seiner Weise in die Kriegsposaune. Die ministeriellen Blätter erwähnen noch nichts davon. Wir erfahren aber aus zuverlässiger Quelle, daß in dem gestrigen mehrstündigen Ministerrath Kossuth allerdings seine Dimission für den Fall gegeben, wenn seine energische und kriegerische Politik gegenüber der Reaktion nicht angenommen wird. Der Minister des Innern, B. v. Szemere, ist entschieden auf Seiten Kossuth's, die andern Minister aber schwanken noch. Der Minister Graf Stephan Szechenyi war gestern nicht hier. Ein ungarisches Ministerium ohne Kossuth ist jetzt nicht denkbar, und sein Austritt wäre jedenfalls der Beginn eines furchtbaren Kriegs oder der Sieg der Reaktion. Wir haben schon früher den Zwiespalt des Ministeriums über die Kriegs- oder Friedenspolitik erwähnt. Die neuesten Vorgänge an der untern Donau erheischen aber eine schnelle Entscheidung. In Neusatz nämlich haben die Illyrier am 26. Juni. gegen die dortigen Magyaren und Deutschen gräßlich gewüthet. Die vielen Privatbriefe, welche hier eingetroffen, sprechen bereits von 12 Todten, worunter zwei schwangere Frauen und ein Greis, und vielen Verwundeten. Dieses Gemetzel, welches am Tage einige Stunden unter Sturmgeläute dauerte, geschah unter den Augen der Dragoner in Neusatz und der Festungsgarnison von Peterwardein, welches von diesem nur durch die Donau geschieden ist. (D. A. Z.)Temesvar, 27. Juni. Weder das Blutbad von Karlowitz, noch der väterliche Aufruf des Kaisers an "seine Gränzer" hat auf die insurgirten Massen einen Eindruck gemacht; denn in Pancsowa wenigstens erklärte das Volks-Comie, welches bis jetzt noch immer die tiefste Treue für den Kaiser affektirt hatte, "daß, nachdem dieser schwäbische Kaiser die serbische Nation an die Ungarn verrathen habe, man ihm keinen Gehorsam mehr leisten, sondern ihn, wie es ihm als Landesverräther gebühre, an dem ersten besten Baume aufhängen werde, wenn er dem Volke wo immer in die Hände fiele." Die Aufrührer sind in drei Massen abgetheilt. Eine derselben dominirt das rechte Donauufer von Karlowitz angefangen; die zweite besetzt die sogenannten römischen Schanzen zwischen Donau und Theiß; und die dritte entwickelt sich auf der Ebene am Begaflusse von seiner Einmündung in die Theiß bei Perlaß gegen Groß-Becskerek hin. Da die Festung Peterwardein die Donaubrücke dominirt, und weder über die Donau noch über die Theiß eine andere stabile oder Pontonbrücke existirt, so sehen Sie daraus, daß die genannten drei Heersäulen der Anführer ganz isolirt stehen, von einander abgeschnitten und einzeln angegriffen werden können. Bis jetzt befinden sich in Peterwardein und Neusatz etwa 5000 Mann Truppen, welche je nach Bedürfniß gegen die Karlowitzer Insurgenten oder gegen die Römerschanzen operiren können. Fast drei Kompagnien Infanterie dominiren die Ebene zwischen Kikinda und Groß-Belskerek, und halten somit eben so den Perlasser Insurgentenhaufen wie den rechten Flügel der Römerschanzenkorps bei Csurug in Schach. Eine dritte aber schwächere Truppenmasse hält die Festungen Arad und Temesvar besetzt, und dehnt sich über Weeschetz und Weißkirchen bis zur Donau aus. An diese drei Heersäulen werden sich theils die noch zuströmenden Truppen, theils die Aufgebote des Landsturms anschließen; während sich bei Szegedin, einer durchaus magyarischen Stadt, eine Heersäule bildet, welche theils aus der mobilen Nationalgarde, aus regulirten Truppen, aus den kumanischen Sensenmännern und den pazygischen Reitern, theils aus den im Anmarsch begriffenen Szeklern bestehen soll. In kurzer Zeit werden also bei 60,000 Menschen einander gegenüberstehen, welche mit gröster Wuth und ingrimmigstem Hasse die Zeit kaum erwarten können, wo sie einander vernichten werden. Die Walachen indeß schließen sich dem serbischen Aufstande nicht an, und ihre Geistlichen vereinigen sich Morgen in Lugos zu einem großen allgemeinen Kirchenkongresse, in welchem die vollständige Trennung von Karlowitzer Metrapoliten ausgesprochen werden soll. (A. Oestr. Z.)Donaufürstenthümer.
Berichte aus Bukarest vom 13. Juni melden: Alles Politische ist durch die seit fünf Tagen mit Heftigkeit sich in der Hauptstadt verbreitende Cholera in den Hintergrund getreten. Seit dem 7. d. M. sind die Erkrankungen von 5 des Tages auf 186 (die gestrige Anzahl) gestiegen und davon beiläufig der fünfte Theil, nämlich 35, gestorben. Der Anfall ist sehr plötzlich und der Verlauf sehr schnell. Ein allgemeiner Schrecken hat sich der Bewohner bemächtigt und alle jene, welche fortreisen können, fliehen in die Gebirge und in's Ausland. Nachdem am fürstlichen Hofe unter der Dienerschaft acht Cholerafälle vorgekommen und gestern auch eine Kindswärterin befallen worden ist, so floh auch die Fürstin heute in die Gebirge, begleitet von ihrem Gemahl. Diese Entfernung des Hospodars von der Hauptstadt in einem solchen, in jeder Beziehung kritischen Momente, wenn auch nur auf einige Tage, wird mit Recht allgemein getadelt. Eine außerordentliche Hitze, mit täglichen Gewittern, scheint zur Ausbreitung der Seuche beizutragen. Französische Republik.
Paris, 5. Juli.
La Font de Villiers, interimistischer Befehlshaber der Mobilgarde, hat eine Proklamation an die Straßen-Ecken schlagen lassen, worin er die militärische Tapferkeit der Mobilgarde zwar bis in die Wolken hebt, sie aber doch auffordert, endlich in die Kompagnien zurückzukehren, "da ohne Disziplin weder Soldat noch Armee möglich." Seit den glorreichen Junitagen treiben sich diese Februarhelden unausgesetzt in Straßen, Privathäusern und Kneipen herum. - Gestern Abend belief sich die Zahl der in den Spitälern und Ambulancen noch liegenden Verwundeten der Bürgerwehr auf 1542. - Louis Napoleon Bonaparte hat von London aus die auf ihn in Korsika gefallene Wahl verweigert. - In Rouen, Toulon, Toulouse, Marseille etc. gährt es bedrohlich unter den Arbeitern. Die schmerzlichen Ereignisse in Paris haben das gesammte französische Proletariat wie ein elektrischer Schlag getroffen. In Rouen wurden gestern an alle Straßenecken Proklamationen geheftet, welche die dort herrschende Gährung beschwichtigen sollen. Unsere heutigen Blätter theilen den Text derselben mit. - Um sich eine Idee zu verschaffen, mit welcher Wahrheitsliebe Lacordaire sein Blatt, Ere nouvelle, redigirt, möge folgende Thatsache dienen: "Am 23. Juni war es den Insurgenten gelungen, die Mobilgarde vom Place du Pantheon und der Umgegend zu vertreiben. In diesem Augenblick strömte ein unermeßlicher Haufe von Weibern, Kindern u. s. w. aus den Straßen Mouffetard, Montagne St. Genevieve, Copeau u. s. w. dem Ecole de droit zu, um hier unter dem Geschrei : Sieg und Plünderung! zu plündern. Alles hatte sich mit leeren Säcken, Taschen, Körben u. s. w. zu diesem Behufe versehen. Kassen, Schränke und sonstige Behälter wurden erbrochen, die Kleider der Professoren-Familien gestohlen und überhaupt Alles Tragbare fortgeschleppt. Während die Horde im besten Plündern war, erschallte plötzlich Gewehrfeuer und Kanonendonner, Alles stäubte auseinander. Es war die Linie, die von der Rue Saint Jacques, Rue de Gres und [#] her ihren Angriff gegen die Barrikaden fortsetzte etc. Diese ganze Erzählung ist eine Erfindung. Die Bewohner der Ecole de droit haben dies schriftlich erklärt. Einer der Insurgentenchefs hat ferner bescheinigt, daß im Augenblick der Erstürmung der Ecole de droit ein einziger Mensch ein Kleid aus einem Schrank stehlen wollte. Demselben wurde aber sofort Kleid und Gewehr entrissen und er von seinen Kameraden selbst in den Pompiers- (Löschanstalt) Wachtposten in der Rue Clovis, bei der Rue Mouffetard, gesperrt. Am vollendetsten lügen nächst der Ere nouvelle, der Constitutionnel und Siecle. - Nationalversammlung Sitzung vom 5. Juli. Die Nationalversammlung ernennt durchs Loos einen Deputation für das Leichenbegängniß des Erzbischofs von Paris. Marie präsidirt. Pascal Duprat legt im Namen des Comites der Arbeiter einen Dekretentwurf nieder, der zum Zweck hat, ein früheres Dekret vom 9. März abzuschaffen, wodurch die provisorische Regierung die Arbeitsstunden zu Paris und in den Departementen festgesetzt hatte. Die provisorische Regierung, sagt Hr. Duprat, hat es sehr brav gemeint, aber die großmüthigen Empfindungen, die sie aus der täglichen Berührung mit dem Volk schöpfte, haben sie oft zu weit getrieben. In ihrem Eifer nach Reformen, die unser gesellschaftlicher Zustand erheischte, hat sie die Lebensbedingungen der bürgerlichen Oekonomie oft außer Augen verloren. So in dem Dekret, das die Dauer der Arbeitszeit beschränkt. Sicher, nichts ist wünschenswerther als eine solche Reform, sie ist nothwendig, man muß es gestehen, für die intellektuelle und moralische Entwickelung der arbeitenden Klasse, denn die extreme Ermüdung erniedrigt den Menschen, wie das extreme Elend und verthiert ihn. Die Regierung hat also das Recht gesetzlich in die Bedingungen der Arbeit einzugreifen. Sie hat dieß Recht mehr als einmal in England und in einigen andern Ländern ausgeübt. Wir finden Spuren davon auch in unserer Gesetzgebung. Aber das Gesetz der provisorischen Regierung hat die französische Industrie in der Wurzel angegriffen. Es machte ihr die Konkurrenz mit dem Ausland unmöglich. Die Quelle des Nationalreichthums vertrocknete. Mit den Interessen ging auch die Freiheit unter. Der Arbeiter hatte nicht mehr die Freiheit, mit seiner Arbeit seine eigene und die Subsistenz seiner Familie zu erkaufen. Diese Reform kann nur ganz allmählig eingeführt werden. Wir schlagen daher ein Dekret in Einem Artikel vor: "Das Dekret vom 2. März ist annullirt." Der Bericht wird gedruckt und vertheilt werden. Auf der Tagesordnung befindet sich die Diskussion des Dekretvorschlags betreffend eine Anleihe von 150 Millionen Fr., die mit der Bank von Frankreich abgeschlossen ist. (Siehe den Verfolg in der Beilage.) Alternative der immer frecher auftretenden Reaktion keinen Anlaß zur Einschreitung gegen den revolutionären Bürger Dörnberg zu geben. Bürger Dörnberg ist ein gewiegter Diplomat; dafür bürgte schon seine stille Verwandtschaft mit dem Fürsten Metternich. ‒ Wir werden daher demnächst über die gesammten früheren Verdienste des Bürgers Dörnberg eine allgemeine Uebersicht geben. Frankfurt, 6. Juli. (32. Sitzung der konstituirenden deutschen Nationalversammlung.) Nach Verlesung des Protokolls wurden zwei Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt, darunter von den Deutschen in Malta 150 fl., von der Garnierischen Erziehungs-Anstalt in Friedrichsdorf 25 fl. Tagesordnung ist die forgesetzte Berathung über Art. 1. des Entwurfs der Grundrechte; Der §. 2 lautet: Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines deutsche Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerrecht gewinnen, ‒ vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht.“ Der volkswirthschaftliche Ausschuß beantragt folgende Fassung: „Jeder Deutsche hat das Recht an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbsbetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichsgesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen dieses Staates zu.“ Minoritätsgutachten hierzu wurden von den Abgg. Herrmann und Eisenstuck begründet. Fernere Amendements und Anträge entwickelten die Abgg. Werner, Tellkampf, Eisenmann, Adams, v. Trütschler, Hollandt. Außer ihnen sprachen über den Gegenstand noch Behr, Stahl, Edel, Jaup (welcher die Zurückweisung der §§. 2 und 3 an den Ausschuß zum Zweck veränderter Redaktion beantragt), Degenkolb etc. Schlöffel beantragte, daß bei dieser, besonders für den ärmeren Theil des Volks hochwichtigen Angelegenheit alle Redner gehört werden möchten. Dagegen hatte Venedey zur Abkürzung der Debatte den Antrag gestellt, daß kein Amendement, welches nicht wenigstens von 20 Mitgliedern unterstützt worden, begründet werden dürfe. Dieser Antrag wurde nach einigen Debatten (wobei Giskra berechnete, daß nach dem bisherigen Berathungsmodus die Debatte bis zum April 1850 dauern würde) abgelehnt. Der Präsident äußerte die Zuversicht, daß die Erfahrungen der letzten Tage selbst die Antragsteller veranlassen würden, für die nöthige Unterstützung ihrer Anträge bedacht zu sein. Die Fortsetzung der Debatte über §. 2 wurde auf künftigen Montag festgesetzt. Schluß der Sitzung 2 1/2 Uhr. Tagesordnung für Morgen: Berathung über den Antrag des Abgeordneten Grumbrecht auf Niedersetzung eines Ausschusses für Kirchen- und Schulangelegenheiten ‒ dann über den Bericht Zachariä's in Betreff der diplomatischen Verhältnisse zum Auslande, über den Bericht Wydenbrugk's in gleichem Betreff, und den Antrag des Ausschusses für Wehrverhältnisse, den gegenwärtigen Zustand und Wahrhaftigkeit Deutschlands und die Mittel zu dessen Verbesserung betreffend. (Fr. J.)Posen. So eben vernehmen wir aus ganz sicherer Quelle, daß auch in der Gegend von Grätz und Opalenica und zwar in den Dörfern Urbanowo und Sielinko polnische Landleute vom preußischen Militär unter Kommando der Offiziere mit Stockprügeln gemißhandelt worden sind. Nach vollbrachter Exekution mußten die Gemißhandelten im erstern Orte, so wie die Weiber und Kinder des Dorfes einigemal „Hurrah“ rufen. ‒ Kaum ist der wegen seines Liberalismus bei den Polen in sehr hoher Achtung stehende Dr. Mosse von Küstrin, wo er in Haft war, nach Grätz gekommen, als man ihn sogleich wieder arretirt und in das Gerichtsgefängniß des letztern Ortes abgeführt hat. Sein Schicksal verdankt er nur der Sympathie für die gerechte Sache der Polen und seiner geißelnden Kritik der polenfeindlichen Partei. Bei seiner ersten Verhaftung in Grätz in der Nacht vom 28. zum 29. April c. wurde er von den Soldaten fürchterlich gemißhandelt, auch hat er nicht nur von seinen deutschen Freunden, die nun Feinde geworden sind, sondern auch von seinen Glaubensgenossen, den Israeliten, manche Schmach erdulden müssen. So viel wir wissen, sind bei der Stürmung von Grätz am 28. April c. siebenzehn Personen getödtet, darunter sind viele Wehrlose in den Stuben und Stallungen erschossen, auch eine Frau fand ihren Tod. Vom Militär gab es keinen Todesfall. ‒ Man bemerkt, daß jetzt nicht alle Deutsche und Juden über ihre Errungenschaft, durch die Macht der Kanonen und Bajonnette, triumphiren; Viele gehen in sich und denken nach. Die Polen, welche überhaupt keine Freunde der Vielschreiberei sind, halten es oft unter ihrer Würde, entstellte Thatsachen zu berichtigen und sich in einen Federkrieg mit dergleichen Wahrheitsfreunden einzulassen. (B. Z. H.)Hamburg, 5. Juli. Den Berichten eines mit dem „Nordstjernan“ aus Kopenhagen und Hamburg zurückgekehrten Reisenden zufolge war dort am 3ten Morgens ganz allgemein das Gerücht verbreitet, daß am 2ten d. ein Waffenstillstand zwischen Deutschland und Dänemark auf drei Monate definitiv abgeschlossen worden. Die Bedingungen desselben, so weit man sie in Kopenhagen kennen wollte, sollten folgende sein: Räumung Fühnens von Seiten der schwedischen, Schleswigs von Seiten der deutschen Truppen; Schleswig bleibt völlig unbesetzt; Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen und Freigebung der in Kopenhagen retinirten deutschen Schiffe, Letzteres, sobald der Geldwerth der von den preußischen Truppen in Jütland gemachten Requisitionen ermittelt und erstattet ist. (B. Z. H.)* Hamburg, 6. Juli. Der Abschluß eines Waffenstillstandes auf 3 Monate zwischen Deutschland und Dänemark steht fest und ist sofort nach Berlin zur Ratifikation übersandt worden. ‒ Dem Vernehmen nach, bemerkt die heutige Nro. der „Börsenhalle“, wird, den Bestimmungen des zwischen Deutschland und Dänemark abgeschlossenen Waffenstillstandes gemäß, zehn Tage nach erfolgter Ratifikation desselben die Freigebung der in Kopenhagen zurückgehaltenen deutschen Schiffe und sechs Tage nach erfolgter Ratifikation die Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen stattfinden. Freiburg, 5. Juli. Gestern Vormittag ist auf Befehl des hiesigen Stadtamtes ein Lehrer am Lyceum, Hr. Hannemann, verhaftet und in das Kriegsgefängniß geführt worden. Abends wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Ursache der Verhaftung war, daß er für die republikanischen Flüchtlinge Beiträge sammelte. ‒ So eben (Morgens 6 Uhr) rücken 300 Mann würtembergische Reiterei hier ein. ‒ In Mannheim ist der Faktor der Hoff'schen Druckerei verhaftet worden. Ueberhaupt Verhaftungen durch's ganze Land. So kann und wird es nicht lange mehr fortgehen. Ulm. Ueber die blutigen Excesse im Schiff haben wir noch Folgendes nachzutragen: Die Zahl der Verwundeten beträgt im Ganzen 42; von Reitern wurden bis zum 30. Juni verhaftet 26, darunter 14 Unteroffiziere und ein Trompeter. (U. K.)27 Prag, 3. Juli. Seit gestern ist die Passage über die Karlsbrücke, welche bisher nur bis 10 Uhr Abends gestattet war, gänzlich freigegeben und auch die Kanonen, die am kleinseitner Brückenende aufgeführt waren, entfernt worden. Wir begrüßen diese Thatsachen als die ersten Hoffnungszeichen, daß der drückende Belagerungszustand bald sein Ende finden wird. Uebrigens dauern die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen fort, auch in der Bräuhauslokalität des Kreuzherrnstiftes wurde ein Requisitorium angestellt. ‒ Die Mühlen in der Nähe des Transporthauses, von denen aus die gemeldeten nächtlichen Schüsse gefallen sein sollen, sind gestern militärisch besetzt worden. 126Wien, 2. Juli. In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses gab eine Zuschrift des Innern als Antwort über die Prager Ereignisse zu heftigen Debatten Anlaß. Das Ministerium hatte sich in der Zuschrift die Phrase erlaubt: „Der Ausschuß hatte seinen sich selbst vorgezeichneten Wirkungskreis überschritten“. Die Mehrheit des Ausschusses war aber der Ansicht, daß er gegenüber den terroristischen Maaßregeln in Prag eher nicht energisch genug aufgetreten. Dr. Hruby, der zum Ministerium gesendet worden war, um über die immer ausweichend beantwortete Anfrage über die Prager Ereignisse kathegorische Rücksprache zu pflegen, referirt, daß der Belagerungszustand in Prag noch fortdauere, die Waffenablieferungen, Hausuntersuchungen etc., so wie außerordentliche Gerichte im Gange seien. Das Ministerium hätte den Hofrath Weingarten nach Prag beordert, um nach seinem Ermessen die zur Herstellung von Ordnung nothwendigen Maßregeln anzuordnen. Dr. Hruby stellt den Antrag, es mögen dem Ministerialbevollmächtigten 2 bis 3 Deputirte vom Ausschusse mitgegeben werden, welche die Sachlage und die Rusultate des merkwürdigen Prozesses, welcher von Mitschuldigen geleitet wird, studieren und genauen Bericht erstatten sollten. Nachdem man beschlossen, die Vollmacht der 3 Abgeordneten, Dr. Finger, Dr. Heller und Suttner vom Stellvertreter des Kaisers unter Gegenzeichnung des Ministeriums ausstellen zu lassen, kommt man zu dem Beschlusse: Gegen die Aeußerung des Ministeriums Protest einzulegen, und um Aufklärung zu bitten, wenn der Ausschuß seinen Wirkungskreis überschritten hätte. *Aus Tyrol. Brandis ist noch immer Gouverneur von Tyrol. Wenigstens ist an jenem Herrn das zu loben, daß er gegen die neue Ordnung der Dinge nicht heimlich und schleichend, sondern offen mit ungeschlachten Reckenfäusten losschlägt, sich folglich um desto eher das Genick brechen muß. Kaum hat das Publikum erfahren, wie dieser Herr die Preßfreiheit versteht, so liegt schon wieder ein zweites noch viel sauberes Aktenstück gegen ihn vor. Es ist dies sein Gubernial-Erlaß vom 4. Juni in Betreff der Legion Wiener Studenten, die zur Vertheidung der Gränzen Tyrols abging und nach Erreichung ihres Zweckes zurückkehrte, sich auflöste und in ihre verschiedenen Heimathsorte von Tyrol vertheilte. Jener Erlaß fordert sämmtlich Aufsichtsbehörden, alle Dekanate und den ihnen untergeordneten Klerus auf, „das geschärfteste Augenmerk auf jene aufgelöste Kompagnie zu richten, und falls sich Einzelne derselben Agitationen oder propagandistische Umtriebe zu Schulden kommen ließen, nach alier Strenge dagegen vorzugehen.“ Dieser nämliche Gouverneur Brandis warnte jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Kongreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen. Aus Südtyrol, 30. Juni. Venedig wird von der Landseite täglich enger blokirt; so lange es jedoch die Flotte hat, vermag es sich immer noch zu halten. Die Versuche unsererseits sich Rivoli's wieder zu bemächtigen sind bis jetzt an der starkverschanzten Stellung und der Zahl der Piemontesen gescheitert. Die Gefährdung der Kommunikation auf der Etschstraße hatte zur Folge daß alle Lieferungen an Getreide und Ochsen für die Armee in Verona über die Valarsa und Valsugana geleitet und die Contrakte mit den Unternehmern zum großen Schaden des Aerars abgeändert werden mußten. Nicht die Kriegsergebnisse und die im wesentlichen unbeträchtlichen Erfolge Karl Alberts dürften zu einer friedlichen Beilegung der italienischen Frage von östreichischer Seite geneigt machen, sondern hauptsächlich die finanzielle Bedrängniß, welche einen nicht geglaubten Grad in kurzer Zeit erreicht hat. Alle Vorboten einer bedenklichen Aufliegenheit des Schatzes, als: Verbot der Gold- und Silberausfuhr, Emission neuer Banknoten, gesetzliche Nöthigung zur Annahme derselben im Verkehr mit Verletzung wohlerworbener Vertragsrechte, Einforderung der gerichtlichen und administrativen Depositen, endlich Abzüge an Besoldungen und Einkünften der Beamten und Pensionisten im Civil- und Militärstande, sowie der geistlichen Pfründner und Orden haben wir nachgerade über uns hereinkommen lassen müssen. Und dennoch schreitet man nicht zur raschen Einführung einer zweckmäßig angelegten Einkommensteuer, die allein aus der nahen Krisis zu retten vermag. (A. A. Z.)Ungarn.
Pesth, 29. Juni. Unsere Doppelstadt befindet sich gegenwärtig in einer unbeschreiblich aufgeregten Stimmung. Der Finanzminister Kossuth, der Schöpfer und Träger der ungarischen Freiheitscharte, will aus dem Ministerium treten, und dies zwei Tage vor der Eröffnung des Landtags! Der radikale „Marzius 15-dike“ zeigt bereits den Rücktritt Kossuth's an und stößt in seiner Weise in die Kriegsposaune. Die ministeriellen Blätter erwähnen noch nichts davon. Wir erfahren aber aus zuverlässiger Quelle, daß in dem gestrigen mehrstündigen Ministerrath Kossuth allerdings seine Dimission für den Fall gegeben, wenn seine energische und kriegerische Politik gegenüber der Reaktion nicht angenommen wird. Der Minister des Innern, B. v. Szemere, ist entschieden auf Seiten Kossuth's, die andern Minister aber schwanken noch. Der Minister Graf Stephan Szechenyi war gestern nicht hier. Ein ungarisches Ministerium ohne Kossuth ist jetzt nicht denkbar, und sein Austritt wäre jedenfalls der Beginn eines furchtbaren Kriegs oder der Sieg der Reaktion. Wir haben schon früher den Zwiespalt des Ministeriums über die Kriegs- oder Friedenspolitik erwähnt. Die neuesten Vorgänge an der untern Donau erheischen aber eine schnelle Entscheidung. In Neusatz nämlich haben die Illyrier am 26. Juni. gegen die dortigen Magyaren und Deutschen gräßlich gewüthet. Die vielen Privatbriefe, welche hier eingetroffen, sprechen bereits von 12 Todten, worunter zwei schwangere Frauen und ein Greis, und vielen Verwundeten. Dieses Gemetzel, welches am Tage einige Stunden unter Sturmgeläute dauerte, geschah unter den Augen der Dragoner in Neusatz und der Festungsgarnison von Peterwardein, welches von diesem nur durch die Donau geschieden ist. (D. A. Z.)Temesvar, 27. Juni. Weder das Blutbad von Karlowitz, noch der väterliche Aufruf des Kaisers an „seine Gränzer“ hat auf die insurgirten Massen einen Eindruck gemacht; denn in Pancsowa wenigstens erklärte das Volks-Comié, welches bis jetzt noch immer die tiefste Treue für den Kaiser affektirt hatte, „daß, nachdem dieser schwäbische Kaiser die serbische Nation an die Ungarn verrathen habe, man ihm keinen Gehorsam mehr leisten, sondern ihn, wie es ihm als Landesverräther gebühre, an dem ersten besten Baume aufhängen werde, wenn er dem Volke wo immer in die Hände fiele.“ Die Aufrührer sind in drei Massen abgetheilt. Eine derselben dominirt das rechte Donauufer von Karlowitz angefangen; die zweite besetzt die sogenannten römischen Schanzen zwischen Donau und Theiß; und die dritte entwickelt sich auf der Ebene am Begaflusse von seiner Einmündung in die Theiß bei Perlaß gegen Groß-Becskerek hin. Da die Festung Peterwardein die Donaubrücke dominirt, und weder über die Donau noch über die Theiß eine andere stabile oder Pontonbrücke existirt, so sehen Sie daraus, daß die genannten drei Heersäulen der Anführer ganz isolirt stehen, von einander abgeschnitten und einzeln angegriffen werden können. Bis jetzt befinden sich in Peterwardein und Neusatz etwa 5000 Mann Truppen, welche je nach Bedürfniß gegen die Karlowitzer Insurgenten oder gegen die Römerschanzen operiren können. Fast drei Kompagnien Infanterie dominiren die Ebene zwischen Kikinda und Groß-Belskerek, und halten somit eben so den Perlasser Insurgentenhaufen wie den rechten Flügel der Römerschanzenkorps bei Csurug in Schach. Eine dritte aber schwächere Truppenmasse hält die Festungen Arad und Temesvar besetzt, und dehnt sich über Weeschetz und Weißkirchen bis zur Donau aus. An diese drei Heersäulen werden sich theils die noch zuströmenden Truppen, theils die Aufgebote des Landsturms anschließen; während sich bei Szegedin, einer durchaus magyarischen Stadt, eine Heersäule bildet, welche theils aus der mobilen Nationalgarde, aus regulirten Truppen, aus den kumanischen Sensenmännern und den pazygischen Reitern, theils aus den im Anmarsch begriffenen Szeklern bestehen soll. In kurzer Zeit werden also bei 60,000 Menschen einander gegenüberstehen, welche mit gröster Wuth und ingrimmigstem Hasse die Zeit kaum erwarten können, wo sie einander vernichten werden. Die Walachen indeß schließen sich dem serbischen Aufstande nicht an, und ihre Geistlichen vereinigen sich Morgen in Lugos zu einem großen allgemeinen Kirchenkongresse, in welchem die vollständige Trennung von Karlowitzer Metrapoliten ausgesprochen werden soll. (A. Oestr. Z.)Donaufürstenthümer.
Berichte aus Bukarest vom 13. Juni melden: Alles Politische ist durch die seit fünf Tagen mit Heftigkeit sich in der Hauptstadt verbreitende Cholera in den Hintergrund getreten. Seit dem 7. d. M. sind die Erkrankungen von 5 des Tages auf 186 (die gestrige Anzahl) gestiegen und davon beiläufig der fünfte Theil, nämlich 35, gestorben. Der Anfall ist sehr plötzlich und der Verlauf sehr schnell. Ein allgemeiner Schrecken hat sich der Bewohner bemächtigt und alle jene, welche fortreisen können, fliehen in die Gebirge und in's Ausland. Nachdem am fürstlichen Hofe unter der Dienerschaft acht Cholerafälle vorgekommen und gestern auch eine Kindswärterin befallen worden ist, so floh auch die Fürstin heute in die Gebirge, begleitet von ihrem Gemahl. Diese Entfernung des Hospodars von der Hauptstadt in einem solchen, in jeder Beziehung kritischen Momente, wenn auch nur auf einige Tage, wird mit Recht allgemein getadelt. Eine außerordentliche Hitze, mit täglichen Gewittern, scheint zur Ausbreitung der Seuche beizutragen. Französische Republik.
Paris, 5. Juli.
La Font de Villiers, interimistischer Befehlshaber der Mobilgarde, hat eine Proklamation an die Straßen-Ecken schlagen lassen, worin er die militärische Tapferkeit der Mobilgarde zwar bis in die Wolken hebt, sie aber doch auffordert, endlich in die Kompagnien zurückzukehren, „da ohne Disziplin weder Soldat noch Armee möglich.“ Seit den glorreichen Junitagen treiben sich diese Februarhelden unausgesetzt in Straßen, Privathäusern und Kneipen herum. ‒ Gestern Abend belief sich die Zahl der in den Spitälern und Ambulancen noch liegenden Verwundeten der Bürgerwehr auf 1542. ‒ Louis Napoleon Bonaparte hat von London aus die auf ihn in Korsika gefallene Wahl verweigert. ‒ In Rouen, Toulon, Toulouse, Marseille etc. gährt es bedrohlich unter den Arbeitern. Die schmerzlichen Ereignisse in Paris haben das gesammte französische Proletariat wie ein elektrischer Schlag getroffen. In Rouen wurden gestern an alle Straßenecken Proklamationen geheftet, welche die dort herrschende Gährung beschwichtigen sollen. Unsere heutigen Blätter theilen den Text derselben mit. ‒ Um sich eine Idee zu verschaffen, mit welcher Wahrheitsliebe Lacordaire sein Blatt, Ere nouvelle, redigirt, möge folgende Thatsache dienen: „Am 23. Juni war es den Insurgenten gelungen, die Mobilgarde vom Place du Panthéon und der Umgegend zu vertreiben. In diesem Augenblick strömte ein unermeßlicher Haufe von Weibern, Kindern u. s. w. aus den Straßen Mouffetard, Montagne St. Genevieve, Copeau u. s. w. dem Ecole de droit zu, um hier unter dem Geschrei : Sieg und Plünderung! zu plündern. Alles hatte sich mit leeren Säcken, Taschen, Körben u. s. w. zu diesem Behufe versehen. Kassen, Schränke und sonstige Behälter wurden erbrochen, die Kleider der Professoren-Familien gestohlen und überhaupt Alles Tragbare fortgeschleppt. Während die Horde im besten Plündern war, erschallte plötzlich Gewehrfeuer und Kanonendonner, Alles stäubte auseinander. Es war die Linie, die von der Rue Saint Jacques, Rue de Grès und [#] her ihren Angriff gegen die Barrikaden fortsetzte etc. Diese ganze Erzählung ist eine Erfindung. Die Bewohner der Ecole de droit haben dies schriftlich erklärt. Einer der Insurgentenchefs hat ferner bescheinigt, daß im Augenblick der Erstürmung der Ecole de droit ein einziger Mensch ein Kleid aus einem Schrank stehlen wollte. Demselben wurde aber sofort Kleid und Gewehr entrissen und er von seinen Kameraden selbst in den Pompiers- (Löschanstalt) Wachtposten in der Rue Clovis, bei der Rue Mouffetard, gesperrt. Am vollendetsten lügen nächst der Ere nouvelle, der Constitutionnel und Siècle. ‒ Nationalversammlung Sitzung vom 5. Juli. Die Nationalversammlung ernennt durchs Loos einen Deputation für das Leichenbegängniß des Erzbischofs von Paris. Marie präsidirt. Pascal Duprat legt im Namen des Comités der Arbeiter einen Dekretentwurf nieder, der zum Zweck hat, ein früheres Dekret vom 9. März abzuschaffen, wodurch die provisorische Regierung die Arbeitsstunden zu Paris und in den Departementen festgesetzt hatte. Die provisorische Regierung, sagt Hr. Duprat, hat es sehr brav gemeint, aber die großmüthigen Empfindungen, die sie aus der täglichen Berührung mit dem Volk schöpfte, haben sie oft zu weit getrieben. In ihrem Eifer nach Reformen, die unser gesellschaftlicher Zustand erheischte, hat sie die Lebensbedingungen der bürgerlichen Oekonomie oft außer Augen verloren. So in dem Dekret, das die Dauer der Arbeitszeit beschränkt. Sicher, nichts ist wünschenswerther als eine solche Reform, sie ist nothwendig, man muß es gestehen, für die intellektuelle und moralische Entwickelung der arbeitenden Klasse, denn die extreme Ermüdung erniedrigt den Menschen, wie das extreme Elend und verthiert ihn. Die Regierung hat also das Recht gesetzlich in die Bedingungen der Arbeit einzugreifen. Sie hat dieß Recht mehr als einmal in England und in einigen andern Ländern ausgeübt. Wir finden Spuren davon auch in unserer Gesetzgebung. Aber das Gesetz der provisorischen Regierung hat die französische Industrie in der Wurzel angegriffen. Es machte ihr die Konkurrenz mit dem Ausland unmöglich. Die Quelle des Nationalreichthums vertrocknete. Mit den Interessen ging auch die Freiheit unter. Der Arbeiter hatte nicht mehr die Freiheit, mit seiner Arbeit seine eigene und die Subsistenz seiner Familie zu erkaufen. Diese Reform kann nur ganz allmählig eingeführt werden. Wir schlagen daher ein Dekret in Einem Artikel vor: „Das Dekret vom 2. März ist annullirt.“ Der Bericht wird gedruckt und vertheilt werden. Auf der Tagesordnung befindet sich die Diskussion des Dekretvorschlags betreffend eine Anleihe von 150 Millionen Fr., die mit der Bank von Frankreich abgeschlossen ist. (Siehe den Verfolg in der Beilage.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar039_009" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0193"/> Alternative der immer frecher auftretenden Reaktion keinen Anlaß zur Einschreitung gegen den revolutionären Bürger Dörnberg zu geben. Bürger Dörnberg ist ein gewiegter Diplomat; dafür bürgte schon seine stille Verwandtschaft mit dem Fürsten Metternich. ‒ Wir werden daher demnächst über die gesammten früheren Verdienste des Bürgers Dörnberg eine allgemeine Uebersicht geben.</p> </div> <div xml:id="ar039_010" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 6. Juli.</head> <p><hi rendition="#g">(32. Sitzung der konstituirenden deutschen Nationalversammlung.)</hi> Nach Verlesung des Protokolls wurden zwei Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt, darunter von den Deutschen in Malta 150 fl., von der Garnierischen Erziehungs-Anstalt in Friedrichsdorf 25 fl. Tagesordnung ist die forgesetzte Berathung über Art. 1. des Entwurfs der Grundrechte; Der §. 2 lautet: Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines deutsche Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerrecht gewinnen, ‒ vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht.“ Der volkswirthschaftliche Ausschuß beantragt folgende Fassung: „Jeder Deutsche hat das Recht an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbsbetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichsgesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen dieses Staates zu.“ Minoritätsgutachten hierzu wurden von den Abgg. Herrmann und Eisenstuck begründet. Fernere Amendements und Anträge entwickelten die Abgg. Werner, Tellkampf, Eisenmann, Adams, v. Trütschler, Hollandt. Außer ihnen sprachen über den Gegenstand noch Behr, Stahl, Edel, Jaup (welcher die Zurückweisung der §§. 2 und 3 an den Ausschuß zum Zweck veränderter Redaktion beantragt), Degenkolb etc. Schlöffel beantragte, daß bei dieser, besonders für den ärmeren Theil des Volks hochwichtigen Angelegenheit alle Redner gehört werden möchten. Dagegen hatte Venedey zur Abkürzung der Debatte den Antrag gestellt, daß kein Amendement, welches nicht wenigstens von 20 Mitgliedern unterstützt worden, begründet werden dürfe. Dieser Antrag wurde nach einigen Debatten (wobei Giskra berechnete, daß nach dem bisherigen Berathungsmodus die Debatte bis zum April 1850 dauern würde) abgelehnt. Der Präsident äußerte die Zuversicht, daß die Erfahrungen der letzten Tage selbst die Antragsteller veranlassen würden, für die nöthige Unterstützung ihrer Anträge bedacht zu sein. Die Fortsetzung der Debatte über §. 2 wurde auf künftigen Montag festgesetzt. Schluß der Sitzung 2 1/2 Uhr. Tagesordnung für Morgen: Berathung über den Antrag des Abgeordneten Grumbrecht auf Niedersetzung eines Ausschusses für Kirchen- und Schulangelegenheiten ‒ dann über den Bericht Zachariä's in Betreff der diplomatischen Verhältnisse zum Auslande, über den Bericht Wydenbrugk's in gleichem Betreff, und den Antrag des Ausschusses für Wehrverhältnisse, den gegenwärtigen Zustand und Wahrhaftigkeit Deutschlands und die Mittel zu dessen Verbesserung betreffend.</p> <bibl>(Fr. J.)</bibl> </div> <div xml:id="ar039_011" type="jArticle"> <head>Posen.</head> <p>So eben vernehmen wir aus ganz sicherer Quelle, daß auch in der Gegend von Grätz und Opalenica und zwar in den Dörfern Urbanowo und Sielinko polnische Landleute vom preußischen Militär unter Kommando der Offiziere mit Stockprügeln gemißhandelt worden sind. Nach vollbrachter Exekution mußten die Gemißhandelten im erstern Orte, so wie die Weiber und Kinder des Dorfes einigemal „Hurrah“ rufen. ‒ Kaum ist der wegen seines Liberalismus bei den Polen in sehr hoher Achtung stehende Dr. Mosse von Küstrin, wo er in Haft war, nach Grätz gekommen, als man ihn sogleich wieder arretirt und in das Gerichtsgefängniß des letztern Ortes abgeführt hat. Sein Schicksal verdankt er nur der Sympathie für die gerechte Sache der Polen und seiner geißelnden Kritik der polenfeindlichen Partei. Bei seiner ersten Verhaftung in Grätz in der Nacht vom 28. zum 29. April c. wurde er von den Soldaten fürchterlich gemißhandelt, auch hat er nicht nur von seinen deutschen Freunden, die nun Feinde geworden sind, sondern auch von seinen Glaubensgenossen, den Israeliten, manche Schmach erdulden müssen. So viel wir wissen, sind bei der Stürmung von Grätz am 28. April c. siebenzehn Personen getödtet, darunter sind viele Wehrlose in den Stuben und Stallungen erschossen, auch eine Frau fand ihren Tod. Vom Militär gab es keinen Todesfall. ‒ Man bemerkt, daß jetzt nicht alle Deutsche und Juden über ihre Errungenschaft, durch die Macht der Kanonen und Bajonnette, triumphiren; Viele gehen in sich und denken nach. Die Polen, welche überhaupt keine Freunde der Vielschreiberei sind, halten es oft unter ihrer Würde, entstellte Thatsachen zu berichtigen und sich in einen Federkrieg mit dergleichen Wahrheitsfreunden einzulassen.</p> <bibl>(B. Z. H.)</bibl> </div> <div xml:id="ar039_012" type="jArticle"> <head>Hamburg, 5. Juli.</head> <p>Den Berichten eines mit dem „Nordstjernan“ aus Kopenhagen und Hamburg zurückgekehrten Reisenden zufolge war dort am 3ten Morgens ganz allgemein das Gerücht verbreitet, daß am 2ten d. ein Waffenstillstand zwischen Deutschland und Dänemark auf drei Monate definitiv abgeschlossen worden. Die Bedingungen desselben, so weit man sie in Kopenhagen kennen wollte, sollten folgende sein: Räumung Fühnens von Seiten der schwedischen, Schleswigs von Seiten der deutschen Truppen; Schleswig bleibt völlig unbesetzt; Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen und Freigebung der in Kopenhagen retinirten deutschen Schiffe, Letzteres, sobald der Geldwerth der von den preußischen Truppen in Jütland gemachten Requisitionen ermittelt und erstattet ist.</p> <bibl>(B. Z. H.)</bibl> </div> <div xml:id="ar039_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Hamburg, 6. Juli.</head> <p>Der Abschluß eines Waffenstillstandes auf 3 Monate zwischen Deutschland und Dänemark steht fest und ist sofort nach Berlin zur Ratifikation übersandt worden.</p> <p>‒ Dem Vernehmen nach, bemerkt die heutige Nro. der „Börsenhalle“, wird, den Bestimmungen des zwischen Deutschland und Dänemark abgeschlossenen Waffenstillstandes gemäß, zehn Tage nach erfolgter Ratifikation desselben die Freigebung der in Kopenhagen zurückgehaltenen deutschen Schiffe und sechs Tage nach erfolgter Ratifikation die Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen stattfinden.</p> </div> <div xml:id="ar039_014" type="jArticle"> <head>Freiburg, 5. Juli.</head> <p>Gestern Vormittag ist auf Befehl des hiesigen Stadtamtes ein Lehrer am Lyceum, Hr. Hannemann, verhaftet und in das Kriegsgefängniß geführt worden. Abends wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Ursache der Verhaftung war, daß er für die republikanischen Flüchtlinge Beiträge sammelte. ‒ So eben (Morgens 6 Uhr) rücken 300 Mann würtembergische Reiterei hier ein. ‒ In Mannheim ist der Faktor der Hoff'schen Druckerei verhaftet worden. Ueberhaupt Verhaftungen durch's ganze Land. So kann und wird es nicht lange mehr fortgehen.</p> </div> <div xml:id="ar039_015" type="jArticle"> <head>Ulm.</head> <p>Ueber die blutigen Excesse im Schiff haben wir noch Folgendes nachzutragen: Die Zahl der Verwundeten beträgt im Ganzen 42; von Reitern wurden bis zum 30. Juni verhaftet 26, darunter 14 Unteroffiziere und ein Trompeter.</p> <bibl>(U. K.)</bibl> </div> <div xml:id="ar039_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>27</author></bibl> Prag, 3. Juli.</head> <p>Seit gestern ist die Passage über die Karlsbrücke, welche bisher nur bis 10 Uhr Abends gestattet war, gänzlich freigegeben und auch die Kanonen, die am kleinseitner Brückenende aufgeführt waren, entfernt worden. Wir begrüßen diese Thatsachen als die ersten Hoffnungszeichen, daß der drückende Belagerungszustand bald sein Ende finden wird. Uebrigens dauern die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen fort, auch in der Bräuhauslokalität des Kreuzherrnstiftes wurde ein Requisitorium angestellt. ‒ Die Mühlen in der Nähe des Transporthauses, von denen aus die gemeldeten nächtlichen Schüsse gefallen sein sollen, sind gestern militärisch besetzt worden.</p> </div> <div xml:id="ar039_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>126</author></bibl>Wien, 2. Juli.</head> <p>In der gestrigen Sitzung des <hi rendition="#g">vereinigten Ausschusses</hi> gab eine Zuschrift des Innern als Antwort über die Prager Ereignisse zu heftigen Debatten Anlaß. Das Ministerium hatte sich in der Zuschrift die Phrase erlaubt: „Der Ausschuß hatte seinen sich selbst vorgezeichneten Wirkungskreis überschritten“. Die Mehrheit des Ausschusses war aber der Ansicht, daß er gegenüber den terroristischen Maaßregeln in Prag eher nicht energisch genug aufgetreten.</p> <p>Dr. Hruby, der zum Ministerium gesendet worden war, um über die immer ausweichend beantwortete Anfrage über die Prager Ereignisse kathegorische Rücksprache zu pflegen, referirt, daß der Belagerungszustand in Prag noch fortdauere, die Waffenablieferungen, Hausuntersuchungen etc., so wie außerordentliche Gerichte im Gange seien. Das Ministerium hätte den Hofrath Weingarten nach Prag beordert, um nach seinem Ermessen die zur Herstellung von Ordnung nothwendigen Maßregeln anzuordnen. Dr. Hruby stellt den Antrag, es mögen dem Ministerialbevollmächtigten 2 bis 3 Deputirte vom Ausschusse mitgegeben werden, welche die Sachlage und die Rusultate des merkwürdigen Prozesses, welcher von Mitschuldigen geleitet wird, studieren und genauen Bericht erstatten sollten. Nachdem man beschlossen, die Vollmacht der 3 Abgeordneten, Dr. Finger, Dr. Heller und Suttner vom Stellvertreter des Kaisers unter Gegenzeichnung des Ministeriums ausstellen zu lassen, kommt man zu dem Beschlusse: Gegen die Aeußerung des Ministeriums Protest einzulegen, und um Aufklärung zu bitten, wenn der Ausschuß seinen Wirkungskreis überschritten hätte.</p> </div> <div xml:id="ar039_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Aus Tyrol.</head> <p>Brandis ist noch immer Gouverneur von Tyrol. Wenigstens ist an jenem Herrn das zu loben, daß er gegen die neue Ordnung der Dinge nicht heimlich und schleichend, sondern offen mit ungeschlachten Reckenfäusten losschlägt, sich folglich um desto eher das Genick brechen muß. Kaum hat das Publikum erfahren, wie dieser Herr die Preßfreiheit versteht, so liegt schon wieder ein zweites noch viel sauberes Aktenstück gegen ihn vor. Es ist dies sein Gubernial-Erlaß vom 4. Juni in Betreff der Legion Wiener Studenten, die zur Vertheidung der Gränzen Tyrols abging und nach Erreichung ihres Zweckes zurückkehrte, sich auflöste und in ihre verschiedenen Heimathsorte von Tyrol vertheilte. Jener Erlaß fordert sämmtlich Aufsichtsbehörden, alle Dekanate und den ihnen untergeordneten Klerus auf, „das geschärfteste Augenmerk auf jene aufgelöste Kompagnie zu richten, und falls sich Einzelne derselben Agitationen oder propagandistische Umtriebe zu Schulden kommen ließen, nach alier Strenge dagegen vorzugehen.“ Dieser nämliche Gouverneur Brandis warnte jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Kongreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen.</p> </div> <div xml:id="ar039_019" type="jArticle"> <head>Aus Südtyrol, 30. Juni.</head> <p>Venedig wird von der Landseite täglich enger blokirt; so lange es jedoch die Flotte hat, vermag es sich immer noch zu halten. Die Versuche unsererseits sich Rivoli's wieder zu bemächtigen sind bis jetzt an der starkverschanzten Stellung und der Zahl der Piemontesen gescheitert. Die Gefährdung der Kommunikation auf der Etschstraße hatte zur Folge daß alle Lieferungen an Getreide und Ochsen für die Armee in Verona über die Valarsa und Valsugana geleitet und die Contrakte mit den Unternehmern zum großen Schaden des Aerars abgeändert werden mußten. Nicht die Kriegsergebnisse und die im wesentlichen unbeträchtlichen Erfolge Karl Alberts dürften zu einer friedlichen Beilegung der italienischen Frage von östreichischer Seite geneigt machen, sondern hauptsächlich die finanzielle Bedrängniß, welche einen nicht geglaubten Grad in kurzer Zeit erreicht hat. Alle Vorboten einer bedenklichen Aufliegenheit des Schatzes, als: Verbot der Gold- und Silberausfuhr, Emission neuer Banknoten, gesetzliche Nöthigung zur Annahme derselben im Verkehr mit Verletzung wohlerworbener Vertragsrechte, Einforderung der gerichtlichen und administrativen Depositen, endlich Abzüge an Besoldungen und Einkünften der Beamten und Pensionisten im Civil- und Militärstande, sowie der geistlichen Pfründner und Orden haben wir nachgerade über uns hereinkommen lassen müssen. Und dennoch schreitet man nicht zur raschen Einführung einer zweckmäßig angelegten Einkommensteuer, die allein aus der nahen Krisis zu retten vermag.</p> <bibl>(A. A. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar039_020" type="jArticle"> <head>Pesth, 29. Juni.</head> <p>Unsere Doppelstadt befindet sich gegenwärtig in einer unbeschreiblich aufgeregten Stimmung. Der Finanzminister Kossuth, der Schöpfer und Träger der ungarischen Freiheitscharte, will aus dem Ministerium treten, und dies zwei Tage vor der Eröffnung des Landtags! Der radikale „Marzius 15-dike“ zeigt bereits den Rücktritt Kossuth's an und stößt in seiner Weise in die Kriegsposaune. Die ministeriellen Blätter erwähnen noch nichts davon. Wir erfahren aber aus zuverlässiger Quelle, daß in dem gestrigen mehrstündigen Ministerrath Kossuth allerdings seine Dimission für den Fall gegeben, wenn seine energische und kriegerische Politik gegenüber der Reaktion nicht angenommen wird. Der Minister des Innern, B. v. Szemere, ist entschieden auf Seiten Kossuth's, die andern Minister aber schwanken noch. Der Minister Graf Stephan Szechenyi war gestern nicht hier. Ein ungarisches Ministerium ohne Kossuth ist jetzt nicht denkbar, und sein Austritt wäre jedenfalls der Beginn eines furchtbaren Kriegs oder der Sieg der Reaktion. Wir haben schon früher den Zwiespalt des Ministeriums über die Kriegs- oder Friedenspolitik erwähnt. Die neuesten Vorgänge an der untern Donau erheischen aber eine schnelle Entscheidung. In Neusatz nämlich haben die Illyrier am 26. Juni. gegen die dortigen Magyaren und Deutschen gräßlich gewüthet. Die vielen Privatbriefe, welche hier eingetroffen, sprechen bereits von 12 Todten, worunter zwei schwangere Frauen und ein Greis, und vielen Verwundeten. Dieses Gemetzel, welches am Tage einige Stunden unter Sturmgeläute dauerte, geschah unter den Augen der Dragoner in Neusatz und der Festungsgarnison von Peterwardein, welches von diesem nur durch die Donau geschieden ist.</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar039_021" type="jArticle"> <head>Temesvar, 27. Juni.</head> <p>Weder das Blutbad von Karlowitz, noch der väterliche Aufruf des Kaisers an „seine Gränzer“ hat auf die insurgirten Massen einen Eindruck gemacht; denn in Pancsowa wenigstens erklärte das Volks-Comié, welches bis jetzt noch immer die tiefste Treue für den Kaiser affektirt hatte, „daß, nachdem dieser schwäbische Kaiser die serbische Nation an die Ungarn verrathen habe, man ihm keinen Gehorsam mehr leisten, sondern ihn, wie es ihm als Landesverräther gebühre, an dem ersten besten Baume aufhängen werde, wenn er dem Volke wo immer in die Hände fiele.“</p> <p>Die Aufrührer sind in drei Massen abgetheilt. Eine derselben dominirt das rechte Donauufer von Karlowitz angefangen; die zweite besetzt die sogenannten römischen Schanzen zwischen Donau und Theiß; und die dritte entwickelt sich auf der Ebene am Begaflusse von seiner Einmündung in die Theiß bei Perlaß gegen Groß-Becskerek hin. Da die Festung Peterwardein die Donaubrücke dominirt, und weder über die Donau noch über die Theiß eine andere stabile oder Pontonbrücke existirt, so sehen Sie daraus, daß die genannten drei Heersäulen der Anführer ganz isolirt stehen, von einander abgeschnitten und einzeln angegriffen werden können. Bis jetzt befinden sich in Peterwardein und Neusatz etwa 5000 Mann Truppen, welche je nach Bedürfniß gegen die Karlowitzer Insurgenten oder gegen die Römerschanzen operiren können. Fast drei Kompagnien Infanterie dominiren die Ebene zwischen Kikinda und Groß-Belskerek, und halten somit eben so den Perlasser Insurgentenhaufen wie den rechten Flügel der Römerschanzenkorps bei Csurug in Schach. Eine dritte aber schwächere Truppenmasse hält die Festungen Arad und Temesvar besetzt, und dehnt sich über Weeschetz und Weißkirchen bis zur Donau aus. An diese drei Heersäulen werden sich theils die noch zuströmenden Truppen, theils die Aufgebote des Landsturms anschließen; während sich bei Szegedin, einer durchaus magyarischen Stadt, eine Heersäule bildet, welche theils aus der mobilen Nationalgarde, aus regulirten Truppen, aus den kumanischen Sensenmännern und den pazygischen Reitern, theils aus den im Anmarsch begriffenen Szeklern bestehen soll.</p> <p>In kurzer Zeit werden also bei 60,000 Menschen einander gegenüberstehen, welche mit gröster Wuth und ingrimmigstem Hasse die Zeit kaum erwarten können, wo sie einander vernichten werden.</p> <p>Die Walachen indeß schließen sich dem serbischen Aufstande nicht an, und ihre Geistlichen vereinigen sich Morgen in Lugos zu einem großen allgemeinen Kirchenkongresse, in welchem die vollständige Trennung von Karlowitzer Metrapoliten ausgesprochen werden soll.</p> <bibl>(A. Oestr. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Donaufürstenthümer.</head> <div xml:id="ar039_022" type="jArticle"> <p>Berichte aus Bukarest vom 13. Juni melden: Alles Politische ist durch die seit fünf Tagen mit Heftigkeit sich in der Hauptstadt verbreitende Cholera in den Hintergrund getreten. Seit dem 7. d. M. sind die Erkrankungen von 5 des Tages auf 186 (die gestrige Anzahl) gestiegen und davon beiläufig der fünfte Theil, nämlich 35, gestorben. Der Anfall ist sehr plötzlich und der Verlauf sehr schnell. Ein allgemeiner Schrecken hat sich der Bewohner bemächtigt und alle jene, welche fortreisen können, fliehen in die Gebirge und in's Ausland. Nachdem am fürstlichen Hofe unter der Dienerschaft acht Cholerafälle vorgekommen und gestern auch eine Kindswärterin befallen worden ist, so floh auch die Fürstin heute in die Gebirge, begleitet von ihrem Gemahl. Diese Entfernung des Hospodars von der Hauptstadt in einem solchen, in jeder Beziehung kritischen Momente, wenn auch nur auf einige Tage, wird mit Recht allgemein getadelt. Eine außerordentliche Hitze, mit täglichen Gewittern, scheint zur Ausbreitung der Seuche beizutragen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar039_023" type="jArticle"> <head>Paris, 5. Juli.</head> <p>La Font de Villiers, interimistischer Befehlshaber der Mobilgarde, hat eine Proklamation an die Straßen-Ecken schlagen lassen, worin er die militärische Tapferkeit der Mobilgarde zwar bis in die Wolken hebt, sie aber doch auffordert, endlich in die Kompagnien zurückzukehren, „da ohne Disziplin weder Soldat noch Armee möglich.“ Seit den glorreichen Junitagen treiben sich diese Februarhelden unausgesetzt in Straßen, Privathäusern und Kneipen herum.</p> <p>‒ Gestern Abend belief sich die Zahl der in den Spitälern und Ambulancen noch liegenden Verwundeten der Bürgerwehr auf 1542.</p> <p>‒ Louis Napoleon Bonaparte hat von London aus die auf ihn in Korsika gefallene Wahl verweigert.</p> <p>‒ In Rouen, Toulon, Toulouse, Marseille etc. gährt es bedrohlich unter den Arbeitern. Die schmerzlichen Ereignisse in Paris haben das gesammte französische Proletariat wie ein elektrischer Schlag getroffen. In Rouen wurden gestern an alle Straßenecken Proklamationen geheftet, welche die dort herrschende Gährung beschwichtigen sollen. Unsere heutigen Blätter theilen den Text derselben mit.</p> <p>‒ Um sich eine Idee zu verschaffen, mit welcher Wahrheitsliebe Lacordaire sein Blatt, Ere nouvelle, redigirt, möge folgende Thatsache dienen: „Am 23. Juni war es den Insurgenten gelungen, die Mobilgarde vom Place du Panthéon und der Umgegend zu vertreiben. In diesem Augenblick strömte ein unermeßlicher Haufe von Weibern, Kindern u. s. w. aus den Straßen Mouffetard, Montagne St. Genevieve, Copeau u. s. w. dem Ecole de droit zu, um hier unter dem Geschrei : Sieg und Plünderung! zu plündern. Alles hatte sich mit leeren Säcken, Taschen, Körben u. s. w. zu diesem Behufe versehen.</p> <p>Kassen, Schränke und sonstige Behälter wurden erbrochen, die Kleider der Professoren-Familien gestohlen und überhaupt Alles Tragbare fortgeschleppt. Während die Horde im besten Plündern war, erschallte plötzlich Gewehrfeuer und Kanonendonner, Alles stäubte auseinander. Es war die Linie, die von der Rue Saint Jacques, Rue de Grès und [#] her ihren Angriff gegen die Barrikaden fortsetzte etc.</p> <p>Diese ganze Erzählung ist eine Erfindung. Die Bewohner der Ecole de droit haben dies schriftlich erklärt. Einer der Insurgentenchefs hat ferner bescheinigt, daß im Augenblick der Erstürmung der Ecole de droit ein einziger Mensch ein Kleid aus einem Schrank stehlen wollte. Demselben wurde aber sofort Kleid und Gewehr entrissen und er von seinen Kameraden selbst in den Pompiers- (Löschanstalt) Wachtposten in der Rue Clovis, bei der Rue Mouffetard, gesperrt. Am vollendetsten lügen nächst der Ere nouvelle, der Constitutionnel und Siècle.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi> Sitzung vom 5. Juli. Die Nationalversammlung ernennt durchs Loos einen Deputation für das Leichenbegängniß des Erzbischofs von Paris.</p> <p><hi rendition="#g">Marie</hi> präsidirt.</p> <p><hi rendition="#g">Pascal Duprat</hi> legt im Namen des Comités der Arbeiter einen Dekretentwurf nieder, der zum Zweck hat, ein früheres Dekret vom 9. März abzuschaffen, wodurch die provisorische Regierung die <hi rendition="#g">Arbeitsstunden</hi> zu Paris und in den Departementen festgesetzt hatte.</p> <p>Die provisorische Regierung, sagt Hr. Duprat, hat es sehr brav gemeint, aber die großmüthigen Empfindungen, die sie aus der täglichen Berührung mit dem Volk schöpfte, haben sie oft zu weit getrieben. In ihrem Eifer nach Reformen, die unser gesellschaftlicher Zustand erheischte, hat sie die Lebensbedingungen der bürgerlichen Oekonomie oft außer Augen verloren. So in dem Dekret, das die Dauer der Arbeitszeit beschränkt. Sicher, nichts ist wünschenswerther als eine solche Reform, sie ist nothwendig, man muß es gestehen, für die intellektuelle und moralische Entwickelung der arbeitenden Klasse, denn die extreme Ermüdung erniedrigt den Menschen, wie das extreme Elend und verthiert ihn. Die Regierung hat also das Recht gesetzlich in die Bedingungen der Arbeit einzugreifen. Sie hat dieß Recht mehr als einmal in England und in einigen andern Ländern ausgeübt. Wir finden Spuren davon auch in unserer Gesetzgebung. Aber das Gesetz der provisorischen Regierung hat die französische Industrie in der Wurzel angegriffen. Es machte ihr die Konkurrenz mit dem Ausland unmöglich. Die Quelle des Nationalreichthums vertrocknete. Mit den Interessen ging auch die Freiheit unter. Der Arbeiter hatte nicht mehr die Freiheit, mit seiner Arbeit seine eigene und die Subsistenz seiner Familie zu erkaufen. Diese Reform kann nur ganz allmählig eingeführt werden. Wir schlagen daher ein Dekret in Einem Artikel vor: „Das Dekret vom 2. März ist annullirt.“ Der Bericht wird gedruckt und vertheilt werden.</p> <p>Auf der Tagesordnung befindet sich die Diskussion des Dekretvorschlags betreffend eine Anleihe von 150 Millionen Fr., die mit der Bank von Frankreich abgeschlossen ist.</p> <p> <ref type="link">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0193/0003]
Alternative der immer frecher auftretenden Reaktion keinen Anlaß zur Einschreitung gegen den revolutionären Bürger Dörnberg zu geben. Bürger Dörnberg ist ein gewiegter Diplomat; dafür bürgte schon seine stille Verwandtschaft mit dem Fürsten Metternich. ‒ Wir werden daher demnächst über die gesammten früheren Verdienste des Bürgers Dörnberg eine allgemeine Uebersicht geben.
Frankfurt, 6. Juli. (32. Sitzung der konstituirenden deutschen Nationalversammlung.) Nach Verlesung des Protokolls wurden zwei Beiträge zur deutschen Flotte angezeigt, darunter von den Deutschen in Malta 150 fl., von der Garnierischen Erziehungs-Anstalt in Friedrichsdorf 25 fl. Tagesordnung ist die forgesetzte Berathung über Art. 1. des Entwurfs der Grundrechte; Der §. 2 lautet: Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines deutsche Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerrecht gewinnen, ‒ vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht.“ Der volkswirthschaftliche Ausschuß beantragt folgende Fassung: „Jeder Deutsche hat das Recht an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbsbetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichsgewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichsgesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedingungen wie den Angehörigen dieses Staates zu.“ Minoritätsgutachten hierzu wurden von den Abgg. Herrmann und Eisenstuck begründet. Fernere Amendements und Anträge entwickelten die Abgg. Werner, Tellkampf, Eisenmann, Adams, v. Trütschler, Hollandt. Außer ihnen sprachen über den Gegenstand noch Behr, Stahl, Edel, Jaup (welcher die Zurückweisung der §§. 2 und 3 an den Ausschuß zum Zweck veränderter Redaktion beantragt), Degenkolb etc. Schlöffel beantragte, daß bei dieser, besonders für den ärmeren Theil des Volks hochwichtigen Angelegenheit alle Redner gehört werden möchten. Dagegen hatte Venedey zur Abkürzung der Debatte den Antrag gestellt, daß kein Amendement, welches nicht wenigstens von 20 Mitgliedern unterstützt worden, begründet werden dürfe. Dieser Antrag wurde nach einigen Debatten (wobei Giskra berechnete, daß nach dem bisherigen Berathungsmodus die Debatte bis zum April 1850 dauern würde) abgelehnt. Der Präsident äußerte die Zuversicht, daß die Erfahrungen der letzten Tage selbst die Antragsteller veranlassen würden, für die nöthige Unterstützung ihrer Anträge bedacht zu sein. Die Fortsetzung der Debatte über §. 2 wurde auf künftigen Montag festgesetzt. Schluß der Sitzung 2 1/2 Uhr. Tagesordnung für Morgen: Berathung über den Antrag des Abgeordneten Grumbrecht auf Niedersetzung eines Ausschusses für Kirchen- und Schulangelegenheiten ‒ dann über den Bericht Zachariä's in Betreff der diplomatischen Verhältnisse zum Auslande, über den Bericht Wydenbrugk's in gleichem Betreff, und den Antrag des Ausschusses für Wehrverhältnisse, den gegenwärtigen Zustand und Wahrhaftigkeit Deutschlands und die Mittel zu dessen Verbesserung betreffend.
(Fr. J.) Posen. So eben vernehmen wir aus ganz sicherer Quelle, daß auch in der Gegend von Grätz und Opalenica und zwar in den Dörfern Urbanowo und Sielinko polnische Landleute vom preußischen Militär unter Kommando der Offiziere mit Stockprügeln gemißhandelt worden sind. Nach vollbrachter Exekution mußten die Gemißhandelten im erstern Orte, so wie die Weiber und Kinder des Dorfes einigemal „Hurrah“ rufen. ‒ Kaum ist der wegen seines Liberalismus bei den Polen in sehr hoher Achtung stehende Dr. Mosse von Küstrin, wo er in Haft war, nach Grätz gekommen, als man ihn sogleich wieder arretirt und in das Gerichtsgefängniß des letztern Ortes abgeführt hat. Sein Schicksal verdankt er nur der Sympathie für die gerechte Sache der Polen und seiner geißelnden Kritik der polenfeindlichen Partei. Bei seiner ersten Verhaftung in Grätz in der Nacht vom 28. zum 29. April c. wurde er von den Soldaten fürchterlich gemißhandelt, auch hat er nicht nur von seinen deutschen Freunden, die nun Feinde geworden sind, sondern auch von seinen Glaubensgenossen, den Israeliten, manche Schmach erdulden müssen. So viel wir wissen, sind bei der Stürmung von Grätz am 28. April c. siebenzehn Personen getödtet, darunter sind viele Wehrlose in den Stuben und Stallungen erschossen, auch eine Frau fand ihren Tod. Vom Militär gab es keinen Todesfall. ‒ Man bemerkt, daß jetzt nicht alle Deutsche und Juden über ihre Errungenschaft, durch die Macht der Kanonen und Bajonnette, triumphiren; Viele gehen in sich und denken nach. Die Polen, welche überhaupt keine Freunde der Vielschreiberei sind, halten es oft unter ihrer Würde, entstellte Thatsachen zu berichtigen und sich in einen Federkrieg mit dergleichen Wahrheitsfreunden einzulassen.
(B. Z. H.) Hamburg, 5. Juli. Den Berichten eines mit dem „Nordstjernan“ aus Kopenhagen und Hamburg zurückgekehrten Reisenden zufolge war dort am 3ten Morgens ganz allgemein das Gerücht verbreitet, daß am 2ten d. ein Waffenstillstand zwischen Deutschland und Dänemark auf drei Monate definitiv abgeschlossen worden. Die Bedingungen desselben, so weit man sie in Kopenhagen kennen wollte, sollten folgende sein: Räumung Fühnens von Seiten der schwedischen, Schleswigs von Seiten der deutschen Truppen; Schleswig bleibt völlig unbesetzt; Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen und Freigebung der in Kopenhagen retinirten deutschen Schiffe, Letzteres, sobald der Geldwerth der von den preußischen Truppen in Jütland gemachten Requisitionen ermittelt und erstattet ist.
(B. Z. H.) * Hamburg, 6. Juli. Der Abschluß eines Waffenstillstandes auf 3 Monate zwischen Deutschland und Dänemark steht fest und ist sofort nach Berlin zur Ratifikation übersandt worden.
‒ Dem Vernehmen nach, bemerkt die heutige Nro. der „Börsenhalle“, wird, den Bestimmungen des zwischen Deutschland und Dänemark abgeschlossenen Waffenstillstandes gemäß, zehn Tage nach erfolgter Ratifikation desselben die Freigebung der in Kopenhagen zurückgehaltenen deutschen Schiffe und sechs Tage nach erfolgter Ratifikation die Aufhebung der Blokade der deutschen Häfen stattfinden.
Freiburg, 5. Juli. Gestern Vormittag ist auf Befehl des hiesigen Stadtamtes ein Lehrer am Lyceum, Hr. Hannemann, verhaftet und in das Kriegsgefängniß geführt worden. Abends wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Ursache der Verhaftung war, daß er für die republikanischen Flüchtlinge Beiträge sammelte. ‒ So eben (Morgens 6 Uhr) rücken 300 Mann würtembergische Reiterei hier ein. ‒ In Mannheim ist der Faktor der Hoff'schen Druckerei verhaftet worden. Ueberhaupt Verhaftungen durch's ganze Land. So kann und wird es nicht lange mehr fortgehen.
Ulm. Ueber die blutigen Excesse im Schiff haben wir noch Folgendes nachzutragen: Die Zahl der Verwundeten beträgt im Ganzen 42; von Reitern wurden bis zum 30. Juni verhaftet 26, darunter 14 Unteroffiziere und ein Trompeter.
(U. K.) 27 Prag, 3. Juli. Seit gestern ist die Passage über die Karlsbrücke, welche bisher nur bis 10 Uhr Abends gestattet war, gänzlich freigegeben und auch die Kanonen, die am kleinseitner Brückenende aufgeführt waren, entfernt worden. Wir begrüßen diese Thatsachen als die ersten Hoffnungszeichen, daß der drückende Belagerungszustand bald sein Ende finden wird. Uebrigens dauern die Verhaftungen und Hausdurchsuchungen fort, auch in der Bräuhauslokalität des Kreuzherrnstiftes wurde ein Requisitorium angestellt. ‒ Die Mühlen in der Nähe des Transporthauses, von denen aus die gemeldeten nächtlichen Schüsse gefallen sein sollen, sind gestern militärisch besetzt worden.
126Wien, 2. Juli. In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses gab eine Zuschrift des Innern als Antwort über die Prager Ereignisse zu heftigen Debatten Anlaß. Das Ministerium hatte sich in der Zuschrift die Phrase erlaubt: „Der Ausschuß hatte seinen sich selbst vorgezeichneten Wirkungskreis überschritten“. Die Mehrheit des Ausschusses war aber der Ansicht, daß er gegenüber den terroristischen Maaßregeln in Prag eher nicht energisch genug aufgetreten.
Dr. Hruby, der zum Ministerium gesendet worden war, um über die immer ausweichend beantwortete Anfrage über die Prager Ereignisse kathegorische Rücksprache zu pflegen, referirt, daß der Belagerungszustand in Prag noch fortdauere, die Waffenablieferungen, Hausuntersuchungen etc., so wie außerordentliche Gerichte im Gange seien. Das Ministerium hätte den Hofrath Weingarten nach Prag beordert, um nach seinem Ermessen die zur Herstellung von Ordnung nothwendigen Maßregeln anzuordnen. Dr. Hruby stellt den Antrag, es mögen dem Ministerialbevollmächtigten 2 bis 3 Deputirte vom Ausschusse mitgegeben werden, welche die Sachlage und die Rusultate des merkwürdigen Prozesses, welcher von Mitschuldigen geleitet wird, studieren und genauen Bericht erstatten sollten. Nachdem man beschlossen, die Vollmacht der 3 Abgeordneten, Dr. Finger, Dr. Heller und Suttner vom Stellvertreter des Kaisers unter Gegenzeichnung des Ministeriums ausstellen zu lassen, kommt man zu dem Beschlusse: Gegen die Aeußerung des Ministeriums Protest einzulegen, und um Aufklärung zu bitten, wenn der Ausschuß seinen Wirkungskreis überschritten hätte.
*Aus Tyrol. Brandis ist noch immer Gouverneur von Tyrol. Wenigstens ist an jenem Herrn das zu loben, daß er gegen die neue Ordnung der Dinge nicht heimlich und schleichend, sondern offen mit ungeschlachten Reckenfäusten losschlägt, sich folglich um desto eher das Genick brechen muß. Kaum hat das Publikum erfahren, wie dieser Herr die Preßfreiheit versteht, so liegt schon wieder ein zweites noch viel sauberes Aktenstück gegen ihn vor. Es ist dies sein Gubernial-Erlaß vom 4. Juni in Betreff der Legion Wiener Studenten, die zur Vertheidung der Gränzen Tyrols abging und nach Erreichung ihres Zweckes zurückkehrte, sich auflöste und in ihre verschiedenen Heimathsorte von Tyrol vertheilte. Jener Erlaß fordert sämmtlich Aufsichtsbehörden, alle Dekanate und den ihnen untergeordneten Klerus auf, „das geschärfteste Augenmerk auf jene aufgelöste Kompagnie zu richten, und falls sich Einzelne derselben Agitationen oder propagandistische Umtriebe zu Schulden kommen ließen, nach alier Strenge dagegen vorzugehen.“ Dieser nämliche Gouverneur Brandis warnte jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Kongreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen.
Aus Südtyrol, 30. Juni. Venedig wird von der Landseite täglich enger blokirt; so lange es jedoch die Flotte hat, vermag es sich immer noch zu halten. Die Versuche unsererseits sich Rivoli's wieder zu bemächtigen sind bis jetzt an der starkverschanzten Stellung und der Zahl der Piemontesen gescheitert. Die Gefährdung der Kommunikation auf der Etschstraße hatte zur Folge daß alle Lieferungen an Getreide und Ochsen für die Armee in Verona über die Valarsa und Valsugana geleitet und die Contrakte mit den Unternehmern zum großen Schaden des Aerars abgeändert werden mußten. Nicht die Kriegsergebnisse und die im wesentlichen unbeträchtlichen Erfolge Karl Alberts dürften zu einer friedlichen Beilegung der italienischen Frage von östreichischer Seite geneigt machen, sondern hauptsächlich die finanzielle Bedrängniß, welche einen nicht geglaubten Grad in kurzer Zeit erreicht hat. Alle Vorboten einer bedenklichen Aufliegenheit des Schatzes, als: Verbot der Gold- und Silberausfuhr, Emission neuer Banknoten, gesetzliche Nöthigung zur Annahme derselben im Verkehr mit Verletzung wohlerworbener Vertragsrechte, Einforderung der gerichtlichen und administrativen Depositen, endlich Abzüge an Besoldungen und Einkünften der Beamten und Pensionisten im Civil- und Militärstande, sowie der geistlichen Pfründner und Orden haben wir nachgerade über uns hereinkommen lassen müssen. Und dennoch schreitet man nicht zur raschen Einführung einer zweckmäßig angelegten Einkommensteuer, die allein aus der nahen Krisis zu retten vermag.
(A. A. Z.) Ungarn. Pesth, 29. Juni. Unsere Doppelstadt befindet sich gegenwärtig in einer unbeschreiblich aufgeregten Stimmung. Der Finanzminister Kossuth, der Schöpfer und Träger der ungarischen Freiheitscharte, will aus dem Ministerium treten, und dies zwei Tage vor der Eröffnung des Landtags! Der radikale „Marzius 15-dike“ zeigt bereits den Rücktritt Kossuth's an und stößt in seiner Weise in die Kriegsposaune. Die ministeriellen Blätter erwähnen noch nichts davon. Wir erfahren aber aus zuverlässiger Quelle, daß in dem gestrigen mehrstündigen Ministerrath Kossuth allerdings seine Dimission für den Fall gegeben, wenn seine energische und kriegerische Politik gegenüber der Reaktion nicht angenommen wird. Der Minister des Innern, B. v. Szemere, ist entschieden auf Seiten Kossuth's, die andern Minister aber schwanken noch. Der Minister Graf Stephan Szechenyi war gestern nicht hier. Ein ungarisches Ministerium ohne Kossuth ist jetzt nicht denkbar, und sein Austritt wäre jedenfalls der Beginn eines furchtbaren Kriegs oder der Sieg der Reaktion. Wir haben schon früher den Zwiespalt des Ministeriums über die Kriegs- oder Friedenspolitik erwähnt. Die neuesten Vorgänge an der untern Donau erheischen aber eine schnelle Entscheidung. In Neusatz nämlich haben die Illyrier am 26. Juni. gegen die dortigen Magyaren und Deutschen gräßlich gewüthet. Die vielen Privatbriefe, welche hier eingetroffen, sprechen bereits von 12 Todten, worunter zwei schwangere Frauen und ein Greis, und vielen Verwundeten. Dieses Gemetzel, welches am Tage einige Stunden unter Sturmgeläute dauerte, geschah unter den Augen der Dragoner in Neusatz und der Festungsgarnison von Peterwardein, welches von diesem nur durch die Donau geschieden ist.
(D. A. Z.) Temesvar, 27. Juni. Weder das Blutbad von Karlowitz, noch der väterliche Aufruf des Kaisers an „seine Gränzer“ hat auf die insurgirten Massen einen Eindruck gemacht; denn in Pancsowa wenigstens erklärte das Volks-Comié, welches bis jetzt noch immer die tiefste Treue für den Kaiser affektirt hatte, „daß, nachdem dieser schwäbische Kaiser die serbische Nation an die Ungarn verrathen habe, man ihm keinen Gehorsam mehr leisten, sondern ihn, wie es ihm als Landesverräther gebühre, an dem ersten besten Baume aufhängen werde, wenn er dem Volke wo immer in die Hände fiele.“
Die Aufrührer sind in drei Massen abgetheilt. Eine derselben dominirt das rechte Donauufer von Karlowitz angefangen; die zweite besetzt die sogenannten römischen Schanzen zwischen Donau und Theiß; und die dritte entwickelt sich auf der Ebene am Begaflusse von seiner Einmündung in die Theiß bei Perlaß gegen Groß-Becskerek hin. Da die Festung Peterwardein die Donaubrücke dominirt, und weder über die Donau noch über die Theiß eine andere stabile oder Pontonbrücke existirt, so sehen Sie daraus, daß die genannten drei Heersäulen der Anführer ganz isolirt stehen, von einander abgeschnitten und einzeln angegriffen werden können. Bis jetzt befinden sich in Peterwardein und Neusatz etwa 5000 Mann Truppen, welche je nach Bedürfniß gegen die Karlowitzer Insurgenten oder gegen die Römerschanzen operiren können. Fast drei Kompagnien Infanterie dominiren die Ebene zwischen Kikinda und Groß-Belskerek, und halten somit eben so den Perlasser Insurgentenhaufen wie den rechten Flügel der Römerschanzenkorps bei Csurug in Schach. Eine dritte aber schwächere Truppenmasse hält die Festungen Arad und Temesvar besetzt, und dehnt sich über Weeschetz und Weißkirchen bis zur Donau aus. An diese drei Heersäulen werden sich theils die noch zuströmenden Truppen, theils die Aufgebote des Landsturms anschließen; während sich bei Szegedin, einer durchaus magyarischen Stadt, eine Heersäule bildet, welche theils aus der mobilen Nationalgarde, aus regulirten Truppen, aus den kumanischen Sensenmännern und den pazygischen Reitern, theils aus den im Anmarsch begriffenen Szeklern bestehen soll.
In kurzer Zeit werden also bei 60,000 Menschen einander gegenüberstehen, welche mit gröster Wuth und ingrimmigstem Hasse die Zeit kaum erwarten können, wo sie einander vernichten werden.
Die Walachen indeß schließen sich dem serbischen Aufstande nicht an, und ihre Geistlichen vereinigen sich Morgen in Lugos zu einem großen allgemeinen Kirchenkongresse, in welchem die vollständige Trennung von Karlowitzer Metrapoliten ausgesprochen werden soll.
(A. Oestr. Z.) Donaufürstenthümer. Berichte aus Bukarest vom 13. Juni melden: Alles Politische ist durch die seit fünf Tagen mit Heftigkeit sich in der Hauptstadt verbreitende Cholera in den Hintergrund getreten. Seit dem 7. d. M. sind die Erkrankungen von 5 des Tages auf 186 (die gestrige Anzahl) gestiegen und davon beiläufig der fünfte Theil, nämlich 35, gestorben. Der Anfall ist sehr plötzlich und der Verlauf sehr schnell. Ein allgemeiner Schrecken hat sich der Bewohner bemächtigt und alle jene, welche fortreisen können, fliehen in die Gebirge und in's Ausland. Nachdem am fürstlichen Hofe unter der Dienerschaft acht Cholerafälle vorgekommen und gestern auch eine Kindswärterin befallen worden ist, so floh auch die Fürstin heute in die Gebirge, begleitet von ihrem Gemahl. Diese Entfernung des Hospodars von der Hauptstadt in einem solchen, in jeder Beziehung kritischen Momente, wenn auch nur auf einige Tage, wird mit Recht allgemein getadelt. Eine außerordentliche Hitze, mit täglichen Gewittern, scheint zur Ausbreitung der Seuche beizutragen.
Französische Republik. Paris, 5. Juli. La Font de Villiers, interimistischer Befehlshaber der Mobilgarde, hat eine Proklamation an die Straßen-Ecken schlagen lassen, worin er die militärische Tapferkeit der Mobilgarde zwar bis in die Wolken hebt, sie aber doch auffordert, endlich in die Kompagnien zurückzukehren, „da ohne Disziplin weder Soldat noch Armee möglich.“ Seit den glorreichen Junitagen treiben sich diese Februarhelden unausgesetzt in Straßen, Privathäusern und Kneipen herum.
‒ Gestern Abend belief sich die Zahl der in den Spitälern und Ambulancen noch liegenden Verwundeten der Bürgerwehr auf 1542.
‒ Louis Napoleon Bonaparte hat von London aus die auf ihn in Korsika gefallene Wahl verweigert.
‒ In Rouen, Toulon, Toulouse, Marseille etc. gährt es bedrohlich unter den Arbeitern. Die schmerzlichen Ereignisse in Paris haben das gesammte französische Proletariat wie ein elektrischer Schlag getroffen. In Rouen wurden gestern an alle Straßenecken Proklamationen geheftet, welche die dort herrschende Gährung beschwichtigen sollen. Unsere heutigen Blätter theilen den Text derselben mit.
‒ Um sich eine Idee zu verschaffen, mit welcher Wahrheitsliebe Lacordaire sein Blatt, Ere nouvelle, redigirt, möge folgende Thatsache dienen: „Am 23. Juni war es den Insurgenten gelungen, die Mobilgarde vom Place du Panthéon und der Umgegend zu vertreiben. In diesem Augenblick strömte ein unermeßlicher Haufe von Weibern, Kindern u. s. w. aus den Straßen Mouffetard, Montagne St. Genevieve, Copeau u. s. w. dem Ecole de droit zu, um hier unter dem Geschrei : Sieg und Plünderung! zu plündern. Alles hatte sich mit leeren Säcken, Taschen, Körben u. s. w. zu diesem Behufe versehen.
Kassen, Schränke und sonstige Behälter wurden erbrochen, die Kleider der Professoren-Familien gestohlen und überhaupt Alles Tragbare fortgeschleppt. Während die Horde im besten Plündern war, erschallte plötzlich Gewehrfeuer und Kanonendonner, Alles stäubte auseinander. Es war die Linie, die von der Rue Saint Jacques, Rue de Grès und [#] her ihren Angriff gegen die Barrikaden fortsetzte etc.
Diese ganze Erzählung ist eine Erfindung. Die Bewohner der Ecole de droit haben dies schriftlich erklärt. Einer der Insurgentenchefs hat ferner bescheinigt, daß im Augenblick der Erstürmung der Ecole de droit ein einziger Mensch ein Kleid aus einem Schrank stehlen wollte. Demselben wurde aber sofort Kleid und Gewehr entrissen und er von seinen Kameraden selbst in den Pompiers- (Löschanstalt) Wachtposten in der Rue Clovis, bei der Rue Mouffetard, gesperrt. Am vollendetsten lügen nächst der Ere nouvelle, der Constitutionnel und Siècle.
‒ Nationalversammlung Sitzung vom 5. Juli. Die Nationalversammlung ernennt durchs Loos einen Deputation für das Leichenbegängniß des Erzbischofs von Paris.
Marie präsidirt.
Pascal Duprat legt im Namen des Comités der Arbeiter einen Dekretentwurf nieder, der zum Zweck hat, ein früheres Dekret vom 9. März abzuschaffen, wodurch die provisorische Regierung die Arbeitsstunden zu Paris und in den Departementen festgesetzt hatte.
Die provisorische Regierung, sagt Hr. Duprat, hat es sehr brav gemeint, aber die großmüthigen Empfindungen, die sie aus der täglichen Berührung mit dem Volk schöpfte, haben sie oft zu weit getrieben. In ihrem Eifer nach Reformen, die unser gesellschaftlicher Zustand erheischte, hat sie die Lebensbedingungen der bürgerlichen Oekonomie oft außer Augen verloren. So in dem Dekret, das die Dauer der Arbeitszeit beschränkt. Sicher, nichts ist wünschenswerther als eine solche Reform, sie ist nothwendig, man muß es gestehen, für die intellektuelle und moralische Entwickelung der arbeitenden Klasse, denn die extreme Ermüdung erniedrigt den Menschen, wie das extreme Elend und verthiert ihn. Die Regierung hat also das Recht gesetzlich in die Bedingungen der Arbeit einzugreifen. Sie hat dieß Recht mehr als einmal in England und in einigen andern Ländern ausgeübt. Wir finden Spuren davon auch in unserer Gesetzgebung. Aber das Gesetz der provisorischen Regierung hat die französische Industrie in der Wurzel angegriffen. Es machte ihr die Konkurrenz mit dem Ausland unmöglich. Die Quelle des Nationalreichthums vertrocknete. Mit den Interessen ging auch die Freiheit unter. Der Arbeiter hatte nicht mehr die Freiheit, mit seiner Arbeit seine eigene und die Subsistenz seiner Familie zu erkaufen. Diese Reform kann nur ganz allmählig eingeführt werden. Wir schlagen daher ein Dekret in Einem Artikel vor: „Das Dekret vom 2. März ist annullirt.“ Der Bericht wird gedruckt und vertheilt werden.
Auf der Tagesordnung befindet sich die Diskussion des Dekretvorschlags betreffend eine Anleihe von 150 Millionen Fr., die mit der Bank von Frankreich abgeschlossen ist.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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