Neue Rheinische Zeitung. Nr. 65. Köln, 4. August 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 65. Köln, Freitag 4. August 1848. Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juni bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Das Ministerium Hansemann und der altpreußische Strafgesetzentwurf - Herr Hecker und die "Neue Rheinische Zeitung." - Die Kölnische Zeitung über die Zwangsanleihe. - Die Montags-Nummer). Frankfurt. (National-Versammlung: Die Gleichheit und der Adel. - Kommission der Segelschiffer. - Antrag eines Abgeordneten aus Oesterreich auf Aufhebung des Cölibats. - Aufhebung des Adels). Oldenburg. (Huldigungsfeier für den Reichsverweser). Wien. (Verhandlungen des Reichstags über die Rückkehr des Kaisers. Italien. Mailand. (Deputation nach Paris). Turin. (Die sizilianischen Deputirten nach Mailand abgereist. - Todtenmesse in Genua zu Ehren der Brüder Bandiera. - Gioberti. - Antrag sardinischer Deputirten auf Unterdrückung der Klöster dreier Orden. Rom. (Keine provisorische Regierung. - Rossi. - Ministerkrisis. - Das Kriegscomite in Bologna.) Neapel. (Die Deputirtenkammer. - Die Englische Note. - Suspendirung eines Journals; schließliches Urtheil; der Richter abgesetzt). Französische Republik. Paris. (Geldverhältnisse der Stadt Paris. - Das Clychische National-Atelier. - Journalschau. - Bericht zweier Mitglieder der provisorischen Regierung der Walachei an Quinet. National-Versammlung. - Vermischtes). Holland. Maestricht. (Conferenz zu Baeshartelt. - Offizielle Plünderung einer Pulverfabrik. - Petition der Handelskammer). Ungarn. Pesth. (Die Deputation an den Kaiser nach Wien abgereist. Nachrichten vom Kriegsschauplatz im Banat). Großbritannien. London. (Parlamentssitzung). Dublin. (Zusammentreffen bei Ballingarry. - O'Brien geflohen. - Regierungsmaßregeln). Türkei. Konstantinopel. (Das Einrücken der Russen in die Donaufürstenthümer. - Die Pforte verlangt von den Großmächten einen Protest. - Ausweichende Antwort. - Titoff's Note. - Ein Korps Albanesen nach Schumla). Deutschland. ** Köln, 3. August. Wir haben es schon oft gesagt: das Ministerium Hansemann macht sich in jeder Weise zum Lobredner des Ministeriums Bodelschwingh; nach der Anerkennung der Revolution die Anerkennung der altpreußischen Wirthschaft, das ist der Welt Lauf! Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 3. August. Wir kommen zurück auf die in unserem gestrigen Blatte abgedruckte Erwiderung des Herrn Staatsprokurators Hecker in Betreff der Verwechselung der beiden Herren Joseph Wolff. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 3. August.
Nr. 215 der "Kölnischen Zeitung" bringt folgenden Aufruf an den rheinischen Patriotismus: Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Kriegserklärung der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen. Wir simpeln anspruchslosen Leute in der Provinz, die wir unsern billigen Pisporter trinken, wir schauen mit einer gewissen Ehrfurcht nach der Residenz hinüber, wo man Weißbier genießt und die Geschicke der Welt entscheidet. Wie mag es doch in der Residenz ausseh'n? fragte ich mich oft. Die Frauen haben gewiß kleinere Füße wie hier. Die Friseure tragen gewiß größere Locken wie die unsrigen. Welch' geistreiche Barbiere wird es nicht in Berlin geben! Aehnliche Betrachtungen überstürzten mich stets in Menge. Eine gewisse Scheu, eine gewisse Aengstlichkeit hat mich bisher abgehalten, Berlin einmal beim Lichte zu besehen, von Angesicht zu Angesicht, so recht in der Nähe, Nase gegen Nase. Ich würde mich gar zu komisch in meinem Provinzialrock ausnehmen, in meiner Sonntagshose, in der grünen Kravatte, mit dem ehrlichen, gutmüthigen Gesichte, das uns Provinzialisten eigenthümlich ist. Berlin muß eine wunderschöne Stadt sein! Und nun vollends erst nach der Revolution, nach der Umwälzung des Straßenpflasters, wo Jeder rauchen darf! Große Errungenschaft! Ach Gott! bis auf den heutigen Tag blieb ich in Köln. Ich habe Berlin noch immer nicht geseh'n. Das Bild muß mich daher für die Wirklichkeit entschädigen - um doch wenigstens zu erfahren, wie es in Berlin hergeht, lese ich die Vossische Zeitung, d. h. die Annoncen. Die Annoncen waren bisher immer das einzige, was ich von einer Zeitung verdauen konnte. Die Politik verachte ich; nichts ist langweiliger als so ein leitender Artikel über irgend ein konstitutionelles Kameel, über einen republikanischen Elephanten, oder über anderweitige Tiger, Esel und Maulwürfe. Die Politik ist herzlos; die Annoncen voller Gemüth. Lauter Bekenntnisse schöner Seelen. Hier ein Glückwunsch, dort ein Steckbrief, dann eine Fallite, ferner ein Stellgesuch u. s. w. Man thut da tiefe Blicke in das menschliche Leben, und man begreift, wie Gott Alles weise geordnet hat, und wie die Welt voll ist seiner Güte. Annoncen sind poetisch! Wenn ich lese, daß frische Häringe angekommen sind, denke ich da nicht auch an den Häringsfang, an die Gefahren der See, an den Donner der Brandung, an den Flug der Möwe, an den fliegenden Holländer - den einzigen interessanten Holländer, den es je gegeben hat? Sehe ich, daß man eine neue Sendung Citronen ankündigt, fallen mir da nicht sofort die Orangenwälder Italiens ein, der tiefblaue Himmel jenes seligen Landes, Venedig und Neapel, Raphael und Tasso, der heilige Vater und mein verstorbener Onkel Jakob, dem man einst in der Romagna vierzehn preußische Friedrichsd'or straßenräuberte? Annoncen sind meine Leidenschaft. Ich schwärme für Annoncen. Die Annoncenliteratur ist die einzige, welche der Nachwelt aufbewahrt zu werden verdient. Die Annoncen der Vossischen Zeitung liebe ich aber über Alles. Ganze Mitternächte, wenn andere Leute sich längst in den Wein, in die Liebe, oder in die Betten versenkt haben, da brüte ich noch über den Annoncen der Vossischen Zeitung, wie ein Türke über dem Koran, wie ein verständiger Ochs über einer leeren Krippe, wie ein Kuckuck über fremden Eiern. Haben Sie je schon einmal die Vossische Zeitung gesehen? Sie ist auf dem elegantesten Löschpapier gedruckt, welches die ältere und die neuere Zeit aufzuweisen hat. So lange die Welt stand, und so lange der Hamburger unparteiische Korrespondent auf Tabackstutenpapier erschien, so lange erscheint auch die Berlinische oder die Vossische Zeitung gerade so, wie sie augenblicklich vor mir liegt. "Königlich privilegirte Berlinische Zeitung, von Staats- und gelehrten Sachen. Im Verlage Vossischer Erben -" so heißt es am Kopfe des Blattes. Gleich darunter folgt dann unser preußisches Wappen; der Adler mit der Krone, gehalten von zwei wilden Männern, ähnlich denen, die man auch auf Wirthshausschildern sieht, namentlich in Krefeld bei Hornemann, dem ewigen Jüngling, der das bekannte, außerordentlich gute Diner gibt, zu zwanzig Silbergroschen preußisch, ohne Wein, um halb zwei Uhr Mittags. Die Vossische Zeitung, dieser klare Born der Intelligenz in der ukkermärkischen Sahara: er war mein Trost in der Dürre des Lebens. Ich liebe ihn wie einen alten Schlafrock, wie einen warmen Pantoffel, wie einen treuen Hosenknopf. Die Vossische Zeitung fand ich probat zu allen Zeiten; wenn ich lachen wollte, weinen, schlafen, mich ärgern, mich zerstreuen, mich schämen für das Vaterland, oder mich nicht schämen an dem Orte, wo keine Schaam ist. Durch die Vossische Zeitung lernte ich auch Berlin kennen. Ich kenne Berlin, trotzdem daß ich nie da war. Ich kenne es wie ein Polizeidiener wenn er nüchtern, wie ein Eckensteher wenn er betrunken ist. Sollte je einmal Berlin durch Feuer, Wasser, Schwefel, Sand, Bier untergehen, oder als deutsches Andenken von unserm Freunde Nikolaus wie ein Zahnstocher in die Westentasche gesteckt werden, so mögen nur die wohllöblichen Versicherungsanstalten zu mir kommen, und ich will ihnen aufgeben, wie das Verlorene zu ersetzen ist an Menschen, Häusern, Lieutenants, Wagen, Pferden, Pudeln u. s. w. Aus der Vossischen Zeitung lernte ich auch das einzige, was ich von Politik und von dergleichen unwichtigem Zeuge weiß. Mit Schrecken sehe ich nämlich, daß seit der Revolution, von der ich zufällig etwas erzählen hörte, zwei sehr bestimmte Parteien in Deutschland entstanden sind, die sich, wie Anhänger der weißen und der rothen englischen Theerose, dereinst gewaltig in die Haare zu fallen drohen. Die eine dieser Parteien soll sich, nach der Vossischen, namentlich in Süddeutschland aus Schwarz-Roth-Goldnen Kappen, Pfeifenköpfen und Uhrbändern entwickelt haben, die einige alte Burschen- Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 65. Köln, Freitag 4. August 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juni bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Das Ministerium Hansemann und der altpreußische Strafgesetzentwurf ‒ Herr Hecker und die „Neue Rheinische Zeitung.“ ‒ Die Kölnische Zeitung über die Zwangsanleihe. ‒ Die Montags-Nummer). Frankfurt. (National-Versammlung: Die Gleichheit und der Adel. ‒ Kommission der Segelschiffer. ‒ Antrag eines Abgeordneten aus Oesterreich auf Aufhebung des Cölibats. ‒ Aufhebung des Adels). Oldenburg. (Huldigungsfeier für den Reichsverweser). Wien. (Verhandlungen des Reichstags über die Rückkehr des Kaisers. Italien. Mailand. (Deputation nach Paris). Turin. (Die sizilianischen Deputirten nach Mailand abgereist. ‒ Todtenmesse in Genua zu Ehren der Brüder Bandiera. ‒ Gioberti. ‒ Antrag sardinischer Deputirten auf Unterdrückung der Klöster dreier Orden. Rom. (Keine provisorische Regierung. ‒ Rossi. ‒ Ministerkrisis. ‒ Das Kriegscomite in Bologna.) Neapel. 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Wir haben es schon oft gesagt: das Ministerium Hansemann macht sich in jeder Weise zum Lobredner des Ministeriums Bodelschwingh; nach der Anerkennung der Revolution die Anerkennung der altpreußischen Wirthschaft, das ist der Welt Lauf! Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 3. August. Wir kommen zurück auf die in unserem gestrigen Blatte abgedruckte Erwiderung des Herrn Staatsprokurators Hecker in Betreff der Verwechselung der beiden Herren Joseph Wolff. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 3. August.
Nr. 215 der „Kölnischen Zeitung“ bringt folgenden Aufruf an den rheinischen Patriotismus: Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Kriegserklärung der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen. Wir simpeln anspruchslosen Leute in der Provinz, die wir unsern billigen Pisporter trinken, wir schauen mit einer gewissen Ehrfurcht nach der Residenz hinüber, wo man Weißbier genießt und die Geschicke der Welt entscheidet. Wie mag es doch in der Residenz ausseh'n? fragte ich mich oft. Die Frauen haben gewiß kleinere Füße wie hier. Die Friseure tragen gewiß größere Locken wie die unsrigen. Welch' geistreiche Barbiere wird es nicht in Berlin geben! Aehnliche Betrachtungen überstürzten mich stets in Menge. Eine gewisse Scheu, eine gewisse Aengstlichkeit hat mich bisher abgehalten, Berlin einmal beim Lichte zu besehen, von Angesicht zu Angesicht, so recht in der Nähe, Nase gegen Nase. Ich würde mich gar zu komisch in meinem Provinzialrock ausnehmen, in meiner Sonntagshose, in der grünen Kravatte, mit dem ehrlichen, gutmüthigen Gesichte, das uns Provinzialisten eigenthümlich ist. Berlin muß eine wunderschöne Stadt sein! Und nun vollends erst nach der Revolution, nach der Umwälzung des Straßenpflasters, wo Jeder rauchen darf! Große Errungenschaft! Ach Gott! bis auf den heutigen Tag blieb ich in Köln. Ich habe Berlin noch immer nicht geseh'n. Das Bild muß mich daher für die Wirklichkeit entschädigen ‒ um doch wenigstens zu erfahren, wie es in Berlin hergeht, lese ich die Vossische Zeitung, d. h. die Annoncen. Die Annoncen waren bisher immer das einzige, was ich von einer Zeitung verdauen konnte. Die Politik verachte ich; nichts ist langweiliger als so ein leitender Artikel über irgend ein konstitutionelles Kameel, über einen republikanischen Elephanten, oder über anderweitige Tiger, Esel und Maulwürfe. Die Politik ist herzlos; die Annoncen voller Gemüth. Lauter Bekenntnisse schöner Seelen. Hier ein Glückwunsch, dort ein Steckbrief, dann eine Fallite, ferner ein Stellgesuch u. s. w. Man thut da tiefe Blicke in das menschliche Leben, und man begreift, wie Gott Alles weise geordnet hat, und wie die Welt voll ist seiner Güte. Annoncen sind poetisch! Wenn ich lese, daß frische Häringe angekommen sind, denke ich da nicht auch an den Häringsfang, an die Gefahren der See, an den Donner der Brandung, an den Flug der Möwe, an den fliegenden Holländer ‒ den einzigen interessanten Holländer, den es je gegeben hat? Sehe ich, daß man eine neue Sendung Citronen ankündigt, fallen mir da nicht sofort die Orangenwälder Italiens ein, der tiefblaue Himmel jenes seligen Landes, Venedig und Neapel, Raphael und Tasso, der heilige Vater und mein verstorbener Onkel Jakob, dem man einst in der Romagna vierzehn preußische Friedrichsd'or straßenräuberte? Annoncen sind meine Leidenschaft. Ich schwärme für Annoncen. Die Annoncenliteratur ist die einzige, welche der Nachwelt aufbewahrt zu werden verdient. Die Annoncen der Vossischen Zeitung liebe ich aber über Alles. Ganze Mitternächte, wenn andere Leute sich längst in den Wein, in die Liebe, oder in die Betten versenkt haben, da brüte ich noch über den Annoncen der Vossischen Zeitung, wie ein Türke über dem Koran, wie ein verständiger Ochs über einer leeren Krippe, wie ein Kuckuck über fremden Eiern. Haben Sie je schon einmal die Vossische Zeitung gesehen? Sie ist auf dem elegantesten Löschpapier gedruckt, welches die ältere und die neuere Zeit aufzuweisen hat. So lange die Welt stand, und so lange der Hamburger unparteiische Korrespondent auf Tabackstutenpapier erschien, so lange erscheint auch die Berlinische oder die Vossische Zeitung gerade so, wie sie augenblicklich vor mir liegt. „Königlich privilegirte Berlinische Zeitung, von Staats- und gelehrten Sachen. Im Verlage Vossischer Erben ‒“ so heißt es am Kopfe des Blattes. Gleich darunter folgt dann unser preußisches Wappen; der Adler mit der Krone, gehalten von zwei wilden Männern, ähnlich denen, die man auch auf Wirthshausschildern sieht, namentlich in Krefeld bei Hornemann, dem ewigen Jüngling, der das bekannte, außerordentlich gute Diner gibt, zu zwanzig Silbergroschen preußisch, ohne Wein, um halb zwei Uhr Mittags. Die Vossische Zeitung, dieser klare Born der Intelligenz in der ukkermärkischen Sahara: er war mein Trost in der Dürre des Lebens. Ich liebe ihn wie einen alten Schlafrock, wie einen warmen Pantoffel, wie einen treuen Hosenknopf. Die Vossische Zeitung fand ich probat zu allen Zeiten; wenn ich lachen wollte, weinen, schlafen, mich ärgern, mich zerstreuen, mich schämen für das Vaterland, oder mich nicht schämen an dem Orte, wo keine Schaam ist. Durch die Vossische Zeitung lernte ich auch Berlin kennen. Ich kenne Berlin, trotzdem daß ich nie da war. Ich kenne es wie ein Polizeidiener wenn er nüchtern, wie ein Eckensteher wenn er betrunken ist. Sollte je einmal Berlin durch Feuer, Wasser, Schwefel, Sand, Bier untergehen, oder als deutsches Andenken von unserm Freunde Nikolaus wie ein Zahnstocher in die Westentasche gesteckt werden, so mögen nur die wohllöblichen Versicherungsanstalten zu mir kommen, und ich will ihnen aufgeben, wie das Verlorene zu ersetzen ist an Menschen, Häusern, Lieutenants, Wagen, Pferden, Pudeln u. s. w. Aus der Vossischen Zeitung lernte ich auch das einzige, was ich von Politik und von dergleichen unwichtigem Zeuge weiß. Mit Schrecken sehe ich nämlich, daß seit der Revolution, von der ich zufällig etwas erzählen hörte, zwei sehr bestimmte Parteien in Deutschland entstanden sind, die sich, wie Anhänger der weißen und der rothen englischen Theerose, dereinst gewaltig in die Haare zu fallen drohen. 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Aehnliche Betrachtungen überstürzten mich stets in Menge.</p> <p>Eine gewisse Scheu, eine gewisse Aengstlichkeit hat mich bisher abgehalten, Berlin einmal beim Lichte zu besehen, von Angesicht zu Angesicht, so recht in der Nähe, Nase gegen Nase. Ich würde mich gar zu komisch in meinem Provinzialrock ausnehmen, in meiner Sonntagshose, in der grünen Kravatte, mit dem ehrlichen, gutmüthigen Gesichte, das uns Provinzialisten eigenthümlich ist.</p> <p>Berlin muß eine wunderschöne Stadt sein! Und nun vollends erst nach der Revolution, nach der Umwälzung des Straßenpflasters, wo Jeder rauchen darf! Große Errungenschaft!</p> <p>Ach Gott! bis auf den heutigen Tag blieb ich in Köln. Ich habe Berlin noch immer nicht geseh'n. Das Bild muß mich daher für die Wirklichkeit entschädigen ‒ um doch wenigstens zu erfahren, wie es in Berlin hergeht, lese ich die Vossische Zeitung, d. h. die Annoncen.</p> <p>Die Annoncen waren bisher immer das einzige, was ich von einer Zeitung verdauen konnte. Die Politik verachte ich; nichts ist langweiliger als so ein leitender Artikel über irgend ein konstitutionelles Kameel, über einen republikanischen Elephanten, oder über anderweitige Tiger, Esel und Maulwürfe.</p> <p>Die Politik ist herzlos; die Annoncen voller Gemüth. Lauter Bekenntnisse schöner Seelen. Hier ein Glückwunsch, dort ein Steckbrief, dann eine Fallite, ferner ein Stellgesuch u. s. w. Man thut da tiefe Blicke in das menschliche Leben, und man begreift, wie Gott Alles weise geordnet hat, und wie die Welt voll ist seiner Güte.</p> <p>Annoncen sind poetisch!</p> <p>Wenn ich lese, daß frische Häringe angekommen sind, denke ich da nicht auch an den Häringsfang, an die Gefahren der See, an den Donner der Brandung, an den Flug der Möwe, an den fliegenden Holländer ‒ den einzigen interessanten Holländer, den es je gegeben hat?</p> <p>Sehe ich, daß man eine neue Sendung Citronen ankündigt, fallen mir da nicht sofort die Orangenwälder Italiens ein, der tiefblaue Himmel jenes seligen Landes, Venedig und Neapel, Raphael und Tasso, der heilige Vater und mein verstorbener Onkel Jakob, dem man einst in der Romagna vierzehn preußische Friedrichsd'or straßenräuberte?</p> <p>Annoncen sind meine Leidenschaft. Ich schwärme für Annoncen. Die Annoncenliteratur ist die einzige, welche der Nachwelt aufbewahrt zu werden verdient.</p> <p>Die Annoncen der Vossischen Zeitung liebe ich aber über Alles. Ganze Mitternächte, wenn andere Leute sich längst in den Wein, in die Liebe, oder in die Betten versenkt haben, da brüte ich noch über den Annoncen der Vossischen Zeitung, wie ein Türke über dem Koran, wie ein verständiger Ochs über einer leeren Krippe, wie ein Kuckuck über fremden Eiern.</p> <p>Haben Sie je schon einmal die Vossische Zeitung gesehen?</p> <p>Sie ist auf dem elegantesten Löschpapier gedruckt, welches die ältere und die neuere Zeit aufzuweisen hat. So lange die Welt stand, und so lange der Hamburger unparteiische Korrespondent auf Tabackstutenpapier erschien, so lange erscheint auch die Berlinische oder die Vossische Zeitung gerade so, wie sie augenblicklich vor mir liegt.</p> <p>„Königlich privilegirte Berlinische Zeitung, von Staats- und gelehrten Sachen. Im Verlage Vossischer Erben ‒“ so heißt es am Kopfe des Blattes. Gleich darunter folgt dann unser preußisches Wappen; der Adler mit der Krone, gehalten von zwei wilden Männern, ähnlich denen, die man auch auf Wirthshausschildern sieht, namentlich in Krefeld bei Hornemann, dem ewigen Jüngling, der das bekannte, außerordentlich gute Diner gibt, zu zwanzig Silbergroschen preußisch, ohne Wein, um halb zwei Uhr Mittags.</p> <p>Die Vossische Zeitung, dieser klare Born der Intelligenz in der ukkermärkischen Sahara: er war mein Trost in der Dürre des Lebens. Ich liebe ihn wie einen alten Schlafrock, wie einen warmen Pantoffel, wie einen treuen Hosenknopf.</p> <p>Die Vossische Zeitung fand ich probat zu allen Zeiten; wenn ich lachen wollte, weinen, schlafen, mich ärgern, mich zerstreuen, mich schämen für das Vaterland, oder mich nicht schämen an dem Orte, wo keine Schaam ist.</p> <p>Durch die Vossische Zeitung lernte ich auch Berlin kennen. Ich kenne Berlin, trotzdem daß ich nie da war. Ich kenne es wie ein Polizeidiener wenn er nüchtern, wie ein Eckensteher wenn er betrunken ist. Sollte je einmal Berlin durch Feuer, Wasser, Schwefel, Sand, Bier untergehen, oder als deutsches Andenken von unserm Freunde Nikolaus wie ein Zahnstocher in die Westentasche gesteckt werden, so mögen nur die wohllöblichen Versicherungsanstalten zu mir kommen, und ich will ihnen aufgeben, wie das Verlorene zu ersetzen ist an Menschen, Häusern, Lieutenants, Wagen, Pferden, Pudeln u. s. w.</p> <p>Aus der Vossischen Zeitung lernte ich auch das einzige, was ich von Politik und von dergleichen unwichtigem Zeuge weiß. Mit Schrecken sehe ich nämlich, daß seit der Revolution, von der ich zufällig etwas erzählen hörte, zwei sehr bestimmte Parteien in Deutschland entstanden sind, die sich, wie Anhänger der weißen und der rothen englischen Theerose, dereinst gewaltig in die Haare zu fallen drohen.</p> <p>Die eine dieser Parteien soll sich, nach der Vossischen, namentlich in Süddeutschland aus Schwarz-Roth-Goldnen Kappen, Pfeifenköpfen und Uhrbändern entwickelt haben, die einige alte Burschen- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0323/0001]
Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 65. Köln, Freitag 4. August 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juni bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.
Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
Uebersicht. Deutschland. Köln. (Das Ministerium Hansemann und der altpreußische Strafgesetzentwurf ‒ Herr Hecker und die „Neue Rheinische Zeitung.“ ‒ Die Kölnische Zeitung über die Zwangsanleihe. ‒ Die Montags-Nummer). Frankfurt. (National-Versammlung: Die Gleichheit und der Adel. ‒ Kommission der Segelschiffer. ‒ Antrag eines Abgeordneten aus Oesterreich auf Aufhebung des Cölibats. ‒ Aufhebung des Adels). Oldenburg. (Huldigungsfeier für den Reichsverweser). Wien. (Verhandlungen des Reichstags über die Rückkehr des Kaisers.
Italien. Mailand. (Deputation nach Paris). Turin. (Die sizilianischen Deputirten nach Mailand abgereist. ‒ Todtenmesse in Genua zu Ehren der Brüder Bandiera. ‒ Gioberti. ‒ Antrag sardinischer Deputirten auf Unterdrückung der Klöster dreier Orden. Rom. (Keine provisorische Regierung. ‒ Rossi. ‒ Ministerkrisis. ‒ Das Kriegscomite in Bologna.) Neapel. (Die Deputirtenkammer. ‒ Die Englische Note. ‒ Suspendirung eines Journals; schließliches Urtheil; der Richter abgesetzt).
Französische Republik. Paris. (Geldverhältnisse der Stadt Paris. ‒ Das Clychische National-Atelier. ‒ Journalschau. ‒ Bericht zweier Mitglieder der provisorischen Regierung der Walachei an Quinet. National-Versammlung. ‒ Vermischtes).
Holland. Maestricht. (Conferenz zu Baeshartelt. ‒ Offizielle Plünderung einer Pulverfabrik. ‒ Petition der Handelskammer).
Ungarn. Pesth. (Die Deputation an den Kaiser nach Wien abgereist. Nachrichten vom Kriegsschauplatz im Banat).
Großbritannien. London. (Parlamentssitzung). Dublin. (Zusammentreffen bei Ballingarry. ‒ O'Brien geflohen. ‒ Regierungsmaßregeln).
Türkei. Konstantinopel. (Das Einrücken der Russen in die Donaufürstenthümer. ‒ Die Pforte verlangt von den Großmächten einen Protest. ‒ Ausweichende Antwort. ‒ Titoff's Note. ‒ Ein Korps Albanesen nach Schumla).
Deutschland. ** Köln, 3. August. Wir haben es schon oft gesagt: das Ministerium Hansemann macht sich in jeder Weise zum Lobredner des Ministeriums Bodelschwingh; nach der Anerkennung der Revolution die Anerkennung der altpreußischen Wirthschaft, das ist der Welt Lauf!
_ * Köln, 3. August. Wir kommen zurück auf die in unserem gestrigen Blatte abgedruckte Erwiderung des Herrn Staatsprokurators Hecker in Betreff der Verwechselung der beiden Herren Joseph Wolff.
_ * Köln, 3. Aug.. Nr. 215 der „Kölnischen Zeitung“ bringt folgenden Aufruf an den rheinischen Patriotismus:
_ Kriegserklärung der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen. Wir simpeln anspruchslosen Leute in der Provinz, die wir unsern billigen Pisporter trinken, wir schauen mit einer gewissen Ehrfurcht nach der Residenz hinüber, wo man Weißbier genießt und die Geschicke der Welt entscheidet.
Wie mag es doch in der Residenz ausseh'n? fragte ich mich oft. Die Frauen haben gewiß kleinere Füße wie hier. Die Friseure tragen gewiß größere Locken wie die unsrigen. Welch' geistreiche Barbiere wird es nicht in Berlin geben! Aehnliche Betrachtungen überstürzten mich stets in Menge.
Eine gewisse Scheu, eine gewisse Aengstlichkeit hat mich bisher abgehalten, Berlin einmal beim Lichte zu besehen, von Angesicht zu Angesicht, so recht in der Nähe, Nase gegen Nase. Ich würde mich gar zu komisch in meinem Provinzialrock ausnehmen, in meiner Sonntagshose, in der grünen Kravatte, mit dem ehrlichen, gutmüthigen Gesichte, das uns Provinzialisten eigenthümlich ist.
Berlin muß eine wunderschöne Stadt sein! Und nun vollends erst nach der Revolution, nach der Umwälzung des Straßenpflasters, wo Jeder rauchen darf! Große Errungenschaft!
Ach Gott! bis auf den heutigen Tag blieb ich in Köln. Ich habe Berlin noch immer nicht geseh'n. Das Bild muß mich daher für die Wirklichkeit entschädigen ‒ um doch wenigstens zu erfahren, wie es in Berlin hergeht, lese ich die Vossische Zeitung, d. h. die Annoncen.
Die Annoncen waren bisher immer das einzige, was ich von einer Zeitung verdauen konnte. Die Politik verachte ich; nichts ist langweiliger als so ein leitender Artikel über irgend ein konstitutionelles Kameel, über einen republikanischen Elephanten, oder über anderweitige Tiger, Esel und Maulwürfe.
Die Politik ist herzlos; die Annoncen voller Gemüth. Lauter Bekenntnisse schöner Seelen. Hier ein Glückwunsch, dort ein Steckbrief, dann eine Fallite, ferner ein Stellgesuch u. s. w. Man thut da tiefe Blicke in das menschliche Leben, und man begreift, wie Gott Alles weise geordnet hat, und wie die Welt voll ist seiner Güte.
Annoncen sind poetisch!
Wenn ich lese, daß frische Häringe angekommen sind, denke ich da nicht auch an den Häringsfang, an die Gefahren der See, an den Donner der Brandung, an den Flug der Möwe, an den fliegenden Holländer ‒ den einzigen interessanten Holländer, den es je gegeben hat?
Sehe ich, daß man eine neue Sendung Citronen ankündigt, fallen mir da nicht sofort die Orangenwälder Italiens ein, der tiefblaue Himmel jenes seligen Landes, Venedig und Neapel, Raphael und Tasso, der heilige Vater und mein verstorbener Onkel Jakob, dem man einst in der Romagna vierzehn preußische Friedrichsd'or straßenräuberte?
Annoncen sind meine Leidenschaft. Ich schwärme für Annoncen. Die Annoncenliteratur ist die einzige, welche der Nachwelt aufbewahrt zu werden verdient.
Die Annoncen der Vossischen Zeitung liebe ich aber über Alles. Ganze Mitternächte, wenn andere Leute sich längst in den Wein, in die Liebe, oder in die Betten versenkt haben, da brüte ich noch über den Annoncen der Vossischen Zeitung, wie ein Türke über dem Koran, wie ein verständiger Ochs über einer leeren Krippe, wie ein Kuckuck über fremden Eiern.
Haben Sie je schon einmal die Vossische Zeitung gesehen?
Sie ist auf dem elegantesten Löschpapier gedruckt, welches die ältere und die neuere Zeit aufzuweisen hat. So lange die Welt stand, und so lange der Hamburger unparteiische Korrespondent auf Tabackstutenpapier erschien, so lange erscheint auch die Berlinische oder die Vossische Zeitung gerade so, wie sie augenblicklich vor mir liegt.
„Königlich privilegirte Berlinische Zeitung, von Staats- und gelehrten Sachen. Im Verlage Vossischer Erben ‒“ so heißt es am Kopfe des Blattes. Gleich darunter folgt dann unser preußisches Wappen; der Adler mit der Krone, gehalten von zwei wilden Männern, ähnlich denen, die man auch auf Wirthshausschildern sieht, namentlich in Krefeld bei Hornemann, dem ewigen Jüngling, der das bekannte, außerordentlich gute Diner gibt, zu zwanzig Silbergroschen preußisch, ohne Wein, um halb zwei Uhr Mittags.
Die Vossische Zeitung, dieser klare Born der Intelligenz in der ukkermärkischen Sahara: er war mein Trost in der Dürre des Lebens. Ich liebe ihn wie einen alten Schlafrock, wie einen warmen Pantoffel, wie einen treuen Hosenknopf.
Die Vossische Zeitung fand ich probat zu allen Zeiten; wenn ich lachen wollte, weinen, schlafen, mich ärgern, mich zerstreuen, mich schämen für das Vaterland, oder mich nicht schämen an dem Orte, wo keine Schaam ist.
Durch die Vossische Zeitung lernte ich auch Berlin kennen. Ich kenne Berlin, trotzdem daß ich nie da war. Ich kenne es wie ein Polizeidiener wenn er nüchtern, wie ein Eckensteher wenn er betrunken ist. Sollte je einmal Berlin durch Feuer, Wasser, Schwefel, Sand, Bier untergehen, oder als deutsches Andenken von unserm Freunde Nikolaus wie ein Zahnstocher in die Westentasche gesteckt werden, so mögen nur die wohllöblichen Versicherungsanstalten zu mir kommen, und ich will ihnen aufgeben, wie das Verlorene zu ersetzen ist an Menschen, Häusern, Lieutenants, Wagen, Pferden, Pudeln u. s. w.
Aus der Vossischen Zeitung lernte ich auch das einzige, was ich von Politik und von dergleichen unwichtigem Zeuge weiß. Mit Schrecken sehe ich nämlich, daß seit der Revolution, von der ich zufällig etwas erzählen hörte, zwei sehr bestimmte Parteien in Deutschland entstanden sind, die sich, wie Anhänger der weißen und der rothen englischen Theerose, dereinst gewaltig in die Haare zu fallen drohen.
Die eine dieser Parteien soll sich, nach der Vossischen, namentlich in Süddeutschland aus Schwarz-Roth-Goldnen Kappen, Pfeifenköpfen und Uhrbändern entwickelt haben, die einige alte Burschen-
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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