Neue Rheinische Zeitung. Nr. 66. Köln, 5. August 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 66. Köln, Samstag 5. August 1848. Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements HerrG. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H.H. H. H.J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate:die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland. * Köln, 4. August. Nach Beschluß des Demokratischen Congresses zu Frankfurt, welcher Köln zum Vorort für die preußische Rheinprovinz bestimmt, und die dortigen Demokratischen Vereine beauftragt hat, einen Kreiscongreß zur Organisation der demokratischen Partei in der Provinz zusammen zu berufen, ladet der Centralausschuß der hiesigen Vereine alle in der Rheinprovinz bestehenden Vereine mit demokratischer Tendenz ein, Abgeordnete zu diesem Congresse zu ernennen, welcher Sonntag den 13. August hier stattfinden wird. Die Deputirten haben sich zu melden im obern Saale des Stollwerk'schen Lokals. Der Centralausschuß der 3 demokratischen Vereine in Köln.Schneider II. Marx. (Für die demokratische Gesellschaft).Moll. Schapper.(Für den Arbeiterverein). Becker. Schützendorf. (Für den Verein für Arbeiter und Arbeitgeber). In einem Augenblick, wo unter der Firma von wandelnden "konstitutionellen" Congressen die Reaktion ihre Kräfte im ganzen Staate mustert und zusammenzieht, braucht den Demokraten die Nothwendigkeit eines energischen Entgegenwirkens nicht ausführlicher entwickelt zu werden. Sie haben blos von denselben Freiheiten Gebrauch zu machen, deren sich der Verein "Mit Gott für König und Vaterland" und seine Zweigvereine erfreuen. * Köln, 4. August. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 4. Aug. Gestern Abend wurden hier zwei Feste gefeiert, - ein schwarz-roth-goldnes am Rhein und bis hinauf zur Hochstraße, wo der Deputirte Kölns zur Nationalversammlung, Hr. Franz Raveaux, mit Musik, Illumination und deutschen Fahnen empfangen wurde - und ein schwarz-weißes in der Kaserne am Neumarkt, wo unter dem Schall der Pauken und Trompeten wahrscheinlich der Geburtstag Friedrich Wilhelms III. gefeiert wurde. Den ganzen Tag wurde die schwarz-weiße Fahne geschwenkt, vom Morgen bis tief in die Nacht gespielt und gesungen: Heil dir im etc., und Ich bin ein Preuße u. s. w., dazwischen geschrieen, gelärmt zum großen Skandal der Nachbarn. Das Altpreußenthum feierte eine seiner letzten Orgien, deren Lärmen um so schauerlicher war, als ganz im Gegensatz zu den wogenden Menschenmassen am Rhein, hier auf dem Neumarkt die tiefste Einsamkeit herrschte, und die Herren Preußen gänzlich en famille waren. X Köln, 4. Aug. Unsre Verwickelungen mit dem öffentlichen Ministerium gehen ihren Gang. Am vorigen Montag war der Gerant Korff wieder vor den Instruktionsrichter geladen, und gestern waren zwei unsrer Redakteure, Dronke und Engels, als Zeugen citirt. Dronke ist auf einige Zeit abwesend, Engels erschien, wurde jedoch nicht eidlich vernommen, da man vermuthet daß der neulich in unsren Büreaux konfiszirte Zettel von seiner Handschrift ist, und es also möglich ist, daß auch er in die Anklage verwickelt wird. - Man sieht, das öffentliche Ministerium ist nicht damit zufrieden daß der Gerant als verantwortlicher Herausgeber fungirt. Es soll der Redakteur en Chef implicirt, es soll der Verfasser des fraglichen Artikels entdeckt, es sollen die Redakteure, von denen Jeder der Verfasser des fraglichen Artikels sein kann, veranlaßt werden, gegen einander,ja möglicherweise gegen sich selbst Zeugniß ablegen. !!! Frankfurt, 2. August.
53. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. - Beginn der Sitzung 1/4 10 Uhr. - Tagesordnung: Fortsetzung der Diskussion des §. 6. (Art. II. der Grundrechte). Wigard: Man solle von jetzt an, wie dem Berichterstatter des Ausschusses, so auch einem von denen die dem Minoritätsgutachten im Ausschuß schuß beigetreten sind, das Wort geben. Dies wird von der Versammlung genehmigt. Es beginnt die Diskussion über die Fortsetzung des §. 6. Art. II. und zwar über den Satz: "Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten, gleich zugänglich." Es scheint, daß Niemand hierüber diskutiren will, nach einer Pause meldet sich Hr. Linde aus Mainz: (ah! ah!) Er spricht unter großer Unruhe und unverständlich von der wissenschaftlichen und moralischen Qualifikation zu Staatsämtern. - Man müsse den Staatsbeamten größere Sicherheit, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit garantieren. (Schluß!) Dieser Gegenstand sei sehr wichtig. Theilnahmlosigkeit und Geschrei nach Schluß. Beseler: Grundzüge einer Dienstpragmatik zu entwerfen, gehört nicht in die Grundrechte. Hier soll bloß diskutirt werden, daß jeder Deutsche gleich berechtigt zu Aemtern. Wernher (der Gestikulant) wie Befehler. Man kommt zu Punkt 4 des §. 6., lautend: "Die Wehrpflicht ist für alle gleich." Scheller: Für das Minoritätsgutachten, hat den Zusatz beantragt: "Eine Stellvertretung findet nicht statt", und zwar aus drei Gründen: [Nehmlich die Stellvertretung]. 1) Weil sie der Gleichheit vor dem Gesetz widerstreitet. 2) Weil sie einen Unterschied zwischen Arm und Reich macht. 3) Weil sie die vollständige Organisation in der Wehrkraft verhindert. Wiegard. Ueber das Minoritäts-Gutachten. Jeder Deutsche soll Waffen tragen dürfen. Die Verpflichtung zur Bürgerwehr genüge nicht, die sich zur Bürgerwehr nicht qualifiziren, sollen auch Waffen tragen dürfen. Major Teichert. (Preuße). Die Wehrpflicht sei die heiligste Pflicht. Stellvertretung dürfe nicht stattfinden. Die Menoniten die früher nicht zu dienen brauchten, sollen auch dienen. (Alles dienen!) [Preußische Majorität]. Künsberg ganz unverständlich. Man solle nur ein Minimum der Rechte feststellen, um nicht zu lange zu machen und hinter Einzelstaaten zurückzubleiben. Stavenhagen. (Preuß. Stabsoffizier). Schluß! Meint nicht, daß man die Wehrpflicht unter die Grundrechte bringen könne. Das Militär sein ist eine Pflicht. (Ja, Hr. Stavenhagen für den preußischen Gardeoffizier, für den Bürger ein Recht!) Daß Stellvertretung nicht zulässig, ist der Militärausschuß einverstanden. - Doch das Minoritäts-Erachten, daß nämlich jeder Deutsche Waffen tragen darf, möge man zurücknehmen. Mittermeier. Der Satz: Die Wehrpflicht ist allen gleich, würde unvollständig sein, ohne den Zusatz: Die Stellvertretung ist unerlaubt. - Er denkt mit Freuden an die schöne Organisation, die dieser Satz dem preußischen Heere gegeben, dem Siegreichen, er denkt mit Vergnügen der Zeit, wo er im preußischen Heere gedient hat. (Bravo rechts!) Unter denen die beim Militär gedient hätten, kämen die wenigsten Verbrechen vor. - Billigt es daß die preußischen Unteroffiziere, wenn sie ausgedient, Civil-Anstellungen haben. (Großes Bravo). Nach ihm wird der Schluß der Debatte beschlossen. Moritz Mohl verlangt namentliche Abstimmung über sein Amendement. (Siehe unten). Wiegard will, daß immer einer, der dem Minoritätsgutachten beigetreten, auch beim Schluß der Debatte noch reden dürfe, wie der Ausschußberichterstatter. - (Abstimmung hierüber entscheidet mit nein. Nur links ja!) Gagern. Es thut mir leid, daß ich Ihnen das Wort nicht geben kann. Berichterstatter Beseler. Nochmals für die Ausschuß-Anträge. Mit dem allgemeinen an die Spitze gestellten Prinzip: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz, habe der Ausschuß das moderne Staatsbürgerthum bezeichnen wollen. Es sei damit nicht gesagt, daß alle Gesetze für alle gleich seien. Die Belgier, Franzosen und einige deutsche Konstitutionen haben auch diesen Satz an die Spitze gestellt. Betreffend den Punkt II. des §. habe der Ausschuß sich nicht verhehlt, daß er viel (? oh!) thue die Privilegien abzuschneiden, aber (die Kühnheit!) doch habe er es gethan! Nicht ohne Bedauern hat der Ausschuß auch die Hand gelegt an die Familien des hohen Adels, die Standesherrschaften, aber der Ausschuß habe geglaubt unsere große Zeit fordere große Opfer. Aber, (nun steckt Hr. Beseler die wahre Flagge auf) gestern sei ganz wunderlich hier über den Adel gesprochen worden. Die Polemik gegen den Adel war eine ungerechte. (Hohngelächter!) Den Tschopper die gestern hier unpassend (von Rösler) als Beispiel aufgeführt worden, stellt er die v. Stein die Humboldt's entgegen. (Rechts sehr brav, links ergänzt man höhnisch dies Register). Der Adel habe auch- eine historisch-soziale Bedeutung. (Verwunderung). Das exclusive Junker thum sei zwar eine Schattenseite, aber der Familiensinn sei eine Lichtseite. (Zischen). Dem Adel den Titel nehmen, heißt ihm ein Stück Namen nehmen. (Wird ausgelacht!) Ihm das Wappen nehmen greift ein in Privatrechte. (Verhöhnende Unterbrechungen). Gagern sehr ergrimmt: man lasse die Unterbrechungen. Redner: man habe gesagt, der Adel sei unpopulär, sei er deshalb unrecht und unnöthig. Wir hier müssen nicht fragen was populär (Volksvertreter!) oder unpopulär, sondern was recht oder unrecht! (Bravo rechts, lautes Zischen Gallerien). Sie werden viele achtbare Familien kränken. (Oho! Laute Verhöhnung!) Der Redner wiederholt mit weinerlicher Stimme: Sie werden viele achtbare Familien kränken. Viele adlige Krieger, zu einer Zeit, wo das Vaterland seine Krieger braucht. (Rechts Bravogebrüll, links Gezisch). Mit der namentlichen Abstimmung über die Aufhebung des Adels werden wir wieder revolutionär. (Nun?) (Große Aufregung). Die Majorität in dieser Versammlung ist nicht revolutionär (bei Gott nicht!) und wird dagegen stimmen. - (Unterbrechungen aller Art). Hr. Beseler weint. So lange ich Berichterstatter bin, will ich meine Gründe entwickeln. Blum (vom Platze): Der Ausschuß hat andere Gründe gehabt, gegen die Aufhebung des Adels zu stimmen. (Bravo links). Kriegserklärung der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen. (Schluß.) Wie gesagt, die Schwarz-Weißen Annoncen stehen in offener Fehde mit den Schwarz-Roth-Goldnen. Die Letzteren halten sich noch etwas zurück. Die Erstern werden aber mit jedem Tage hitziger, und wie muthige Trompeter sprengen sie über die löschpapierne Fläche der Vossischen Zeitung. Da haben wir z. B. unsern Wehrreiter im 20. Landwehr-Kavallerie-Regiment: Schlesinger; das ist so ein Haupt Annoncenhahn. "Kameraden! - ruft er der preußischen Landwehr zu - Werdet Ihr auf Befehl des Reichs-Kriegsministers von Peuker, am 6. Aug. d. J. dem Erzherzog Johann von Oesterreich als Reichsverweser Deutschlands huldigen ??? Ich nicht! Nach Preußens Könige huldige ich nur Einem, und dieser ist, der edle Prinz von Preußen! Ihm bringe ich ein dreimaliges Hurrah und rufe wiederholentlich: Er lebe als General en Chef der Heere Preußens! Ich bin kein Oesterreicher! Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben." Kann man sich einen muthigeren Wehrreiter denken als diesen Schlesinger in Charlottenburg? Man braucht nur die Annonce zu lesen, und der ganze Mann steht vor einem, wie er leibt und lebt. "Kameraden! -" ruft Schlesinger aus. Man sieht, wie er mit dem Fuße auf die Erde stampft, wie er den blonden Schnurrbart streicht, und wie sich sein rothwangiges, von Sommersprossen übersätes Antlitz, in martialische Falten verzieht. "Kameraden! -" die Anrede hat etwas feierlich verwogenes; man meint nicht anders, als daß Schlesinger uns mittheilen würde, wie er kleine Kinder fräße, Thürklinken, Schuhnägel, Branntweingläser, Ratten und Mäuse. "Kameraden!" sagt Schlesinger. "Werdet ihr dem Erzherzog Johann huldigen?" Man sieht, wie Schlesinger seinen Handschuh auszieht, um ihn sofort zur Fehde hinzuwerfen, falls man seine Frage bejahen werde. Aber er wartet die Antwort gar nicht ab. "Ich nicht!" setzt er hinzu, und die Zähne blitzen durch seinen Schnurrbart. Schlesinger's Herz pocht in volleren Schlägen; seine grauen Katzen-Augen flammen vor Entrüstung. Schlesinger ist schön, trotz des blonden Schnurrbarts und trotz der Sommersprossen. "Nach Preußens König huldige ich nur Einem, und dieser ist der edle Prinz von Preußen!" Man meint, der Kulminationspunkt der Schlesinger'schen Beredsamkeit sei gekommen. Der Wehrreiter Schlesinger macht einen Eindruck, den man für's ganze Leben im Gedächtniß behält. Aber da kommt noch das beste. "Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben!" - Da haben wir's! Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, steht der Wehrreiter Schlesinger vor dem Thron. Gut gebrüllt Schlesinger! Du hast einen Doppelkümmel verdient, echten Brandenburger Doppelkümmel - Schlesinger, ich achte Dir! Nach der Annonce des einzelnen Wehrreiters, kommt eine Adresse der westpreußischen Landwehr des Conitzer Kreises. Was wir eben aus einem einzigen Munde vernahmen, es wird uns jetzt massenweis entgegengedonnert. "Die Frankfurter Bundesversammlung hat zum 6. August eine Huldigung für den deutschen Reichsverweser erlassen. Darauf erklären wir: Daß wir demselben nicht huldigen, sondern unserm preußischen Könige allein treu bleiben werden! Ein braver Soldat kann nur einem Herrn dienen, und wir hoffen mit Zuversicht, daß alle unsere Kameraden diesem Beispiel folgen werden. -" Edle westpreußische Landwehr, man sieht, daß du dankbar für deine genossenen Komißbrode bist. So etwas thut wohl. Man merkt doch, daß man in Preußen ist. Diese kühlen blonden Conitzer können nur eine Liebe haben. Saint-Just sagte, die Welt sei leer seit den Römern. Die Conitzer Landwehr ruft aus: Es giebt nichts, außer Preußen! Wie wird sich Schlesinger freuen, wenn er die Adresse dieser Westpreußen lies't! Dem tapfern Wehrreiter und den westpreußischen Landwehrleuten folgt Herr F. v. Bülow. Die Vossischen Erben haben an diesem Manne einen Goldmann. Seine Annoncen sind lang wie die Langeweile; theilweise groß gedruckt. - Die Vossischen Erben werden diesen Mitarbeiter zu schätzen wissen. Der Herr v. Bülow giebt eine geschichtliche Abhandlung, die mit 1810 beginnt und mit 1814 endet. "Wer" - fährt er dann fort, "wer hat der Frankfurter Nationalversammlung die Macht gegeben, den 16 Millionen Einwohnern des preußischen Staates ihre mit Blut erkauften Rechte zu nehmen? Ist denn das ganze preußische Volk befragt worden, ob es den Erzherzog Johann statt seines konstitutionellen Königs, zum Oberfeldherrn haben will?" Der Herr von Bülow hat Recht. Die Frankfurter Versammlung nimmt sich Sachen heraus, die haarsträubend sind. Sie kehrt sich weder an Belzebub noch an Herrn von Bülow - diese Versammlung! Diese zusammengelaufenen Professoren und Advokaten! Ist es nicht eine Schande? Ein Herr Brm. in Potsdam ist derselben Meinung; er weiß, wie es mit der Frankfurter Versammlung aussieht: "die Bestimmungen über die Central-Gewalt in Deutschland sind nur ein bloßer Entwurf Dreier, sonst berühmter, Professoren, die hier aber bloß bekundet haben, daß nicht alle hochglänzenden und überkonsequenten Theorien für die Praxis taugen." Herr Brm. ist ein praktischer Mann; aus ihm kann noch etwas werden - Herr Brm.; wenn er auch gerade kein Abgeordneter zu der Frankfurter Versammlung wird - Herr Brm. Jedenfalls hat er eine Zukunft - Herr Brm. Er wird sich einen Namen machen - Herr Brm. - einen schönen Namen hat er schon. Die Vossische Zeitung ist reich an Annoncen, reich wie das Meer an Fischen, wie der Himmel an Sternen, wie eine Kaserne an Flöhen. Die Annonce des Wehrreiters, der Conitzer Landwehr, des Hrn. von Bülow und des Herrn Brm. - Alles das wird indeß von einer Anzeige des Dr. W. Bötticher übertroffen. Wir schwören hierdurch bei Allem, was uns nicht heilig ist, daß wir diese Anzeige unverstümmelt abschreiben wollen: [Fortsetzung] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 66. Köln, Samstag 5. August 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements HerrG. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H.H. H. H.J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate:die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland. * Köln, 4. August. Nach Beschluß des Demokratischen Congresses zu Frankfurt, welcher Köln zum Vorort für die preußische Rheinprovinz bestimmt, und die dortigen Demokratischen Vereine beauftragt hat, einen Kreiscongreß zur Organisation der demokratischen Partei in der Provinz zusammen zu berufen, ladet der Centralausschuß der hiesigen Vereine alle in der Rheinprovinz bestehenden Vereine mit demokratischer Tendenz ein, Abgeordnete zu diesem Congresse zu ernennen, welcher Sonntag den 13. August hier stattfinden wird. Die Deputirten haben sich zu melden im obern Saale des Stollwerk'schen Lokals. Der Centralausschuß der 3 demokratischen Vereine in Köln.Schneider II. Marx. (Für die demokratische Gesellschaft).Moll. Schapper.(Für den Arbeiterverein). Becker. Schützendorf. (Für den Verein für Arbeiter und Arbeitgeber). In einem Augenblick, wo unter der Firma von wandelnden „konstitutionellen“ Congressen die Reaktion ihre Kräfte im ganzen Staate mustert und zusammenzieht, braucht den Demokraten die Nothwendigkeit eines energischen Entgegenwirkens nicht ausführlicher entwickelt zu werden. Sie haben blos von denselben Freiheiten Gebrauch zu machen, deren sich der Verein „Mit Gott für König und Vaterland“ und seine Zweigvereine erfreuen. * Köln, 4. August. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 4. Aug. Gestern Abend wurden hier zwei Feste gefeiert, ‒ ein schwarz-roth-goldnes am Rhein und bis hinauf zur Hochstraße, wo der Deputirte Kölns zur Nationalversammlung, Hr. Franz Raveaux, mit Musik, Illumination und deutschen Fahnen empfangen wurde ‒ und ein schwarz-weißes in der Kaserne am Neumarkt, wo unter dem Schall der Pauken und Trompeten wahrscheinlich der Geburtstag Friedrich Wilhelms III. gefeiert wurde. Den ganzen Tag wurde die schwarz-weiße Fahne geschwenkt, vom Morgen bis tief in die Nacht gespielt und gesungen: Heil dir im etc., und Ich bin ein Preuße u. s. w., dazwischen geschrieen, gelärmt zum großen Skandal der Nachbarn. Das Altpreußenthum feierte eine seiner letzten Orgien, deren Lärmen um so schauerlicher war, als ganz im Gegensatz zu den wogenden Menschenmassen am Rhein, hier auf dem Neumarkt die tiefste Einsamkeit herrschte, und die Herren Preußen gänzlich en famille waren. X Köln, 4. Aug. Unsre Verwickelungen mit dem öffentlichen Ministerium gehen ihren Gang. Am vorigen Montag war der Gerant Korff wieder vor den Instruktionsrichter geladen, und gestern waren zwei unsrer Redakteure, Dronke und Engels, als Zeugen citirt. Dronke ist auf einige Zeit abwesend, Engels erschien, wurde jedoch nicht eidlich vernommen, da man vermuthet daß der neulich in unsren Büreaux konfiszirte Zettel von seiner Handschrift ist, und es also möglich ist, daß auch er in die Anklage verwickelt wird. ‒ Man sieht, das öffentliche Ministerium ist nicht damit zufrieden daß der Gerant als verantwortlicher Herausgeber fungirt. Es soll der Redakteur en Chef implicirt, es soll der Verfasser des fraglichen Artikels entdeckt, es sollen die Redakteure, von denen Jeder der Verfasser des fraglichen Artikels sein kann, veranlaßt werden, gegen einander,ja möglicherweise gegen sich selbst Zeugniß ablegen. !!! Frankfurt, 2. August.
53. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. ‒ Beginn der Sitzung 1/4 10 Uhr. ‒ Tagesordnung: Fortsetzung der Diskussion des §. 6. (Art. II. der Grundrechte). Wigard: Man solle von jetzt an, wie dem Berichterstatter des Ausschusses, so auch einem von denen die dem Minoritätsgutachten im Ausschuß schuß beigetreten sind, das Wort geben. Dies wird von der Versammlung genehmigt. Es beginnt die Diskussion über die Fortsetzung des §. 6. Art. II. und zwar über den Satz: „Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten, gleich zugänglich.“ Es scheint, daß Niemand hierüber diskutiren will, nach einer Pause meldet sich Hr. Linde aus Mainz: (ah! ah!) Er spricht unter großer Unruhe und unverständlich von der wissenschaftlichen und moralischen Qualifikation zu Staatsämtern. ‒ Man müsse den Staatsbeamten größere Sicherheit, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit garantieren. (Schluß!) Dieser Gegenstand sei sehr wichtig. Theilnahmlosigkeit und Geschrei nach Schluß. Beseler: Grundzüge einer Dienstpragmatik zu entwerfen, gehört nicht in die Grundrechte. Hier soll bloß diskutirt werden, daß jeder Deutsche gleich berechtigt zu Aemtern. Wernher (der Gestikulant) wie Befehler. Man kommt zu Punkt 4 des §. 6., lautend: „Die Wehrpflicht ist für alle gleich.“ Scheller: Für das Minoritätsgutachten, hat den Zusatz beantragt: „Eine Stellvertretung findet nicht statt“, und zwar aus drei Gründen: [Nehmlich die Stellvertretung]. 1) Weil sie der Gleichheit vor dem Gesetz widerstreitet. 2) Weil sie einen Unterschied zwischen Arm und Reich macht. 3) Weil sie die vollständige Organisation in der Wehrkraft verhindert. Wiegard. Ueber das Minoritäts-Gutachten. Jeder Deutsche soll Waffen tragen dürfen. Die Verpflichtung zur Bürgerwehr genüge nicht, die sich zur Bürgerwehr nicht qualifiziren, sollen auch Waffen tragen dürfen. Major Teichert. (Preuße). Die Wehrpflicht sei die heiligste Pflicht. Stellvertretung dürfe nicht stattfinden. Die Menoniten die früher nicht zu dienen brauchten, sollen auch dienen. (Alles dienen!) [Preußische Majorität]. Künsberg ganz unverständlich. Man solle nur ein Minimum der Rechte feststellen, um nicht zu lange zu machen und hinter Einzelstaaten zurückzubleiben. Stavenhagen. (Preuß. Stabsoffizier). Schluß! Meint nicht, daß man die Wehrpflicht unter die Grundrechte bringen könne. Das Militär sein ist eine Pflicht. (Ja, Hr. Stavenhagen für den preußischen Gardeoffizier, für den Bürger ein Recht!) Daß Stellvertretung nicht zulässig, ist der Militärausschuß einverstanden. ‒ Doch das Minoritäts-Erachten, daß nämlich jeder Deutsche Waffen tragen darf, möge man zurücknehmen. Mittermeier. Der Satz: Die Wehrpflicht ist allen gleich, würde unvollständig sein, ohne den Zusatz: Die Stellvertretung ist unerlaubt. ‒ Er denkt mit Freuden an die schöne Organisation, die dieser Satz dem preußischen Heere gegeben, dem Siegreichen, er denkt mit Vergnügen der Zeit, wo er im preußischen Heere gedient hat. (Bravo rechts!) Unter denen die beim Militär gedient hätten, kämen die wenigsten Verbrechen vor. ‒ Billigt es daß die preußischen Unteroffiziere, wenn sie ausgedient, Civil-Anstellungen haben. (Großes Bravo). Nach ihm wird der Schluß der Debatte beschlossen. Moritz Mohl verlangt namentliche Abstimmung über sein Amendement. (Siehe unten). Wiegard will, daß immer einer, der dem Minoritätsgutachten beigetreten, auch beim Schluß der Debatte noch reden dürfe, wie der Ausschußberichterstatter. ‒ (Abstimmung hierüber entscheidet mit nein. Nur links ja!) Gagern. Es thut mir leid, daß ich Ihnen das Wort nicht geben kann. Berichterstatter Beseler. Nochmals für die Ausschuß-Anträge. Mit dem allgemeinen an die Spitze gestellten Prinzip: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz, habe der Ausschuß das moderne Staatsbürgerthum bezeichnen wollen. Es sei damit nicht gesagt, daß alle Gesetze für alle gleich seien. Die Belgier, Franzosen und einige deutsche Konstitutionen haben auch diesen Satz an die Spitze gestellt. Betreffend den Punkt II. des §. habe der Ausschuß sich nicht verhehlt, daß er viel (? oh!) thue die Privilegien abzuschneiden, aber (die Kühnheit!) doch habe er es gethan! Nicht ohne Bedauern hat der Ausschuß auch die Hand gelegt an die Familien des hohen Adels, die Standesherrschaften, aber der Ausschuß habe geglaubt unsere große Zeit fordere große Opfer. Aber, (nun steckt Hr. Beseler die wahre Flagge auf) gestern sei ganz wunderlich hier über den Adel gesprochen worden. Die Polemik gegen den Adel war eine ungerechte. (Hohngelächter!) Den Tschopper die gestern hier unpassend (von Rösler) als Beispiel aufgeführt worden, stellt er die v. Stein die Humboldt's entgegen. (Rechts sehr brav, links ergänzt man höhnisch dies Register). Der Adel habe auch- eine historisch-soziale Bedeutung. (Verwunderung). Das exclusive Junker thum sei zwar eine Schattenseite, aber der Familiensinn sei eine Lichtseite. (Zischen). Dem Adel den Titel nehmen, heißt ihm ein Stück Namen nehmen. (Wird ausgelacht!) Ihm das Wappen nehmen greift ein in Privatrechte. (Verhöhnende Unterbrechungen). Gagern sehr ergrimmt: man lasse die Unterbrechungen. Redner: man habe gesagt, der Adel sei unpopulär, sei er deshalb unrecht und unnöthig. Wir hier müssen nicht fragen was populär (Volksvertreter!) oder unpopulär, sondern was recht oder unrecht! (Bravo rechts, lautes Zischen Gallerien). Sie werden viele achtbare Familien kränken. (Oho! Laute Verhöhnung!) Der Redner wiederholt mit weinerlicher Stimme: Sie werden viele achtbare Familien kränken. Viele adlige Krieger, zu einer Zeit, wo das Vaterland seine Krieger braucht. (Rechts Bravogebrüll, links Gezisch). Mit der namentlichen Abstimmung über die Aufhebung des Adels werden wir wieder revolutionär. (Nun?) (Große Aufregung). Die Majorität in dieser Versammlung ist nicht revolutionär (bei Gott nicht!) und wird dagegen stimmen. ‒ (Unterbrechungen aller Art). Hr. Beseler weint. So lange ich Berichterstatter bin, will ich meine Gründe entwickeln. Blum (vom Platze): Der Ausschuß hat andere Gründe gehabt, gegen die Aufhebung des Adels zu stimmen. (Bravo links). Kriegserklärung der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen. (Schluß.) Wie gesagt, die Schwarz-Weißen Annoncen stehen in offener Fehde mit den Schwarz-Roth-Goldnen. Die Letzteren halten sich noch etwas zurück. Die Erstern werden aber mit jedem Tage hitziger, und wie muthige Trompeter sprengen sie über die löschpapierne Fläche der Vossischen Zeitung. Da haben wir z. B. unsern Wehrreiter im 20. Landwehr-Kavallerie-Regiment: Schlesinger; das ist so ein Haupt Annoncenhahn. „Kameraden! ‒ ruft er der preußischen Landwehr zu ‒ Werdet Ihr auf Befehl des Reichs-Kriegsministers von Peuker, am 6. Aug. d. J. dem Erzherzog Johann von Oesterreich als Reichsverweser Deutschlands huldigen ??? Ich nicht! Nach Preußens Könige huldige ich nur Einem, und dieser ist, der edle Prinz von Preußen! Ihm bringe ich ein dreimaliges Hurrah und rufe wiederholentlich: Er lebe als General en Chef der Heere Preußens! Ich bin kein Oesterreicher! Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben.“ Kann man sich einen muthigeren Wehrreiter denken als diesen Schlesinger in Charlottenburg? Man braucht nur die Annonce zu lesen, und der ganze Mann steht vor einem, wie er leibt und lebt. „Kameraden! ‒“ ruft Schlesinger aus. Man sieht, wie er mit dem Fuße auf die Erde stampft, wie er den blonden Schnurrbart streicht, und wie sich sein rothwangiges, von Sommersprossen übersätes Antlitz, in martialische Falten verzieht. „Kameraden! ‒“ die Anrede hat etwas feierlich verwogenes; man meint nicht anders, als daß Schlesinger uns mittheilen würde, wie er kleine Kinder fräße, Thürklinken, Schuhnägel, Branntweingläser, Ratten und Mäuse. „Kameraden!“ sagt Schlesinger. „Werdet ihr dem Erzherzog Johann huldigen?“ Man sieht, wie Schlesinger seinen Handschuh auszieht, um ihn sofort zur Fehde hinzuwerfen, falls man seine Frage bejahen werde. Aber er wartet die Antwort gar nicht ab. „Ich nicht!“ setzt er hinzu, und die Zähne blitzen durch seinen Schnurrbart. Schlesinger's Herz pocht in volleren Schlägen; seine grauen Katzen-Augen flammen vor Entrüstung. Schlesinger ist schön, trotz des blonden Schnurrbarts und trotz der Sommersprossen. „Nach Preußens König huldige ich nur Einem, und dieser ist der edle Prinz von Preußen!“ Man meint, der Kulminationspunkt der Schlesinger'schen Beredsamkeit sei gekommen. Der Wehrreiter Schlesinger macht einen Eindruck, den man für's ganze Leben im Gedächtniß behält. Aber da kommt noch das beste. „Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben!“ ‒ Da haben wir's! Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, steht der Wehrreiter Schlesinger vor dem Thron. Gut gebrüllt Schlesinger! Du hast einen Doppelkümmel verdient, echten Brandenburger Doppelkümmel ‒ Schlesinger, ich achte Dir! Nach der Annonce des einzelnen Wehrreiters, kommt eine Adresse der westpreußischen Landwehr des Conitzer Kreises. Was wir eben aus einem einzigen Munde vernahmen, es wird uns jetzt massenweis entgegengedonnert. „Die Frankfurter Bundesversammlung hat zum 6. August eine Huldigung für den deutschen Reichsverweser erlassen. Darauf erklären wir: Daß wir demselben nicht huldigen, sondern unserm preußischen Könige allein treu bleiben werden! Ein braver Soldat kann nur einem Herrn dienen, und wir hoffen mit Zuversicht, daß alle unsere Kameraden diesem Beispiel folgen werden. ‒“ Edle westpreußische Landwehr, man sieht, daß du dankbar für deine genossenen Komißbrode bist. So etwas thut wohl. Man merkt doch, daß man in Preußen ist. Diese kühlen blonden Conitzer können nur eine Liebe haben. Saint-Just sagte, die Welt sei leer seit den Römern. Die Conitzer Landwehr ruft aus: Es giebt nichts, außer Preußen! Wie wird sich Schlesinger freuen, wenn er die Adresse dieser Westpreußen lies't! Dem tapfern Wehrreiter und den westpreußischen Landwehrleuten folgt Herr F. v. Bülow. Die Vossischen Erben haben an diesem Manne einen Goldmann. Seine Annoncen sind lang wie die Langeweile; theilweise groß gedruckt. ‒ Die Vossischen Erben werden diesen Mitarbeiter zu schätzen wissen. Der Herr v. Bülow giebt eine geschichtliche Abhandlung, die mit 1810 beginnt und mit 1814 endet. „Wer“ ‒ fährt er dann fort, „wer hat der Frankfurter Nationalversammlung die Macht gegeben, den 16 Millionen Einwohnern des preußischen Staates ihre mit Blut erkauften Rechte zu nehmen? Ist denn das ganze preußische Volk befragt worden, ob es den Erzherzog Johann statt seines konstitutionellen Königs, zum Oberfeldherrn haben will?“ Der Herr von Bülow hat Recht. Die Frankfurter Versammlung nimmt sich Sachen heraus, die haarsträubend sind. Sie kehrt sich weder an Belzebub noch an Herrn von Bülow ‒ diese Versammlung! Diese zusammengelaufenen Professoren und Advokaten! Ist es nicht eine Schande? Ein Herr Brm. in Potsdam ist derselben Meinung; er weiß, wie es mit der Frankfurter Versammlung aussieht: „die Bestimmungen über die Central-Gewalt in Deutschland sind nur ein bloßer Entwurf Dreier, sonst berühmter, Professoren, die hier aber bloß bekundet haben, daß nicht alle hochglänzenden und überkonsequenten Theorien für die Praxis taugen.“ Herr Brm. ist ein praktischer Mann; aus ihm kann noch etwas werden ‒ Herr Brm.; wenn er auch gerade kein Abgeordneter zu der Frankfurter Versammlung wird ‒ Herr Brm. Jedenfalls hat er eine Zukunft ‒ Herr Brm. Er wird sich einen Namen machen ‒ Herr Brm. ‒ einen schönen Namen hat er schon. Die Vossische Zeitung ist reich an Annoncen, reich wie das Meer an Fischen, wie der Himmel an Sternen, wie eine Kaserne an Flöhen. Die Annonce des Wehrreiters, der Conitzer Landwehr, des Hrn. von Bülow und des Herrn Brm. ‒ Alles das wird indeß von einer Anzeige des Dr. W. Bötticher übertroffen. Wir schwören hierdurch bei Allem, was uns nicht heilig ist, daß wir diese Anzeige unverstümmelt abschreiben wollen: [Fortsetzung] <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0327"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 66. Köln, Samstag 5. August 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr<hi rendition="#g">G. A. Alexander,</hi> Nr. 28, Brandgasse in <hi rendition="#g">Straßburg,</hi> und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H.H. <hi rendition="#g">H. H.J. J. Ewer</hi> & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.</p> <p>Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. <hi rendition="#g">Inserate:</hi>die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar066_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 4. August.</head> <p>Nach Beschluß des Demokratischen Congresses zu Frankfurt, welcher Köln zum Vorort für die preußische Rheinprovinz bestimmt, und die dortigen Demokratischen Vereine beauftragt hat, einen Kreiscongreß zur Organisation der demokratischen Partei in der Provinz zusammen zu berufen, ladet der Centralausschuß der hiesigen Vereine alle in der Rheinprovinz bestehenden Vereine mit demokratischer Tendenz ein, Abgeordnete zu diesem Congresse zu ernennen, welcher Sonntag den 13. August hier stattfinden wird. Die Deputirten haben sich zu melden im obern Saale des Stollwerk'schen Lokals.</p> <p>Der Centralausschuß der 3 demokratischen Vereine in Köln.<hi rendition="#g">Schneider II. Marx.</hi> (Für die demokratische Gesellschaft).<hi rendition="#g">Moll. Schapper.</hi>(Für den Arbeiterverein). <hi rendition="#g">Becker. Schützendorf.</hi> (Für den Verein für Arbeiter und Arbeitgeber).</p> <p>In einem Augenblick, wo unter der Firma von wandelnden „konstitutionellen“ Congressen die Reaktion ihre Kräfte im ganzen Staate mustert und zusammenzieht, braucht den Demokraten die Nothwendigkeit eines energischen Entgegenwirkens nicht ausführlicher entwickelt zu werden. Sie haben blos von denselben Freiheiten Gebrauch zu machen, deren sich der Verein „Mit Gott für König und Vaterland“ und seine Zweigvereine erfreuen.</p> </div> <div xml:id="ar066_002_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx/Friedrich Engels: Dr. Gottschalk. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 489.</bibl> </note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 4. August.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar066_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 4. Aug.</head> <p>Gestern Abend wurden hier zwei Feste gefeiert, ‒ ein schwarz-roth-goldnes am Rhein und bis hinauf zur Hochstraße, wo der Deputirte Kölns zur Nationalversammlung, Hr. Franz Raveaux, mit Musik, Illumination und deutschen Fahnen empfangen wurde ‒ und ein schwarz-weißes in der Kaserne am Neumarkt, wo unter dem Schall der Pauken und Trompeten wahrscheinlich der Geburtstag Friedrich Wilhelms III. gefeiert wurde. Den ganzen Tag wurde die schwarz-weiße Fahne geschwenkt, vom Morgen bis tief in die Nacht gespielt und gesungen: Heil dir im etc., und Ich bin ein Preuße u. s. w., dazwischen geschrieen, gelärmt zum großen Skandal der Nachbarn. Das Altpreußenthum feierte eine seiner letzten Orgien, deren Lärmen um so schauerlicher war, als ganz im Gegensatz zu den wogenden Menschenmassen am Rhein, hier auf dem Neumarkt die tiefste Einsamkeit herrschte, und die Herren Preußen gänzlich en famille waren.</p> </div> <div xml:id="ar066_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl>Köln, 4. Aug.</head> <p>Unsre Verwickelungen mit dem öffentlichen Ministerium gehen ihren Gang. Am vorigen Montag war der Gerant <hi rendition="#g">Korff</hi> wieder vor den Instruktionsrichter geladen, und gestern waren zwei unsrer Redakteure, Dronke und Engels, als <hi rendition="#g">Zeugen</hi> citirt. Dronke ist auf einige Zeit abwesend, Engels erschien, wurde jedoch nicht eidlich vernommen, da man vermuthet daß der neulich in unsren Büreaux konfiszirte Zettel von seiner Handschrift ist, und es also möglich ist, daß auch er in die Anklage verwickelt wird. ‒ Man sieht, das öffentliche Ministerium ist nicht damit zufrieden daß der Gerant als verantwortlicher Herausgeber fungirt. Es soll der Redakteur en Chef implicirt, es soll der Verfasser des fraglichen Artikels entdeckt, es sollen die Redakteure, von denen <hi rendition="#g">Jeder</hi> der Verfasser des fraglichen Artikels sein kann, veranlaßt werden, <hi rendition="#g">gegen einander,</hi>ja möglicherweise <hi rendition="#g">gegen sich selbst</hi> Zeugniß ablegen.</p> </div> <div xml:id="ar066_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 2. August.</head> <p>53. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. ‒ Beginn der Sitzung 1/4 10 Uhr. ‒ Tagesordnung: Fortsetzung der Diskussion des §. 6. (Art. II. der Grundrechte).</p> <p><hi rendition="#g">Wigard:</hi> Man solle von jetzt an, wie dem Berichterstatter des Ausschusses, so auch einem von denen die dem Minoritätsgutachten im Ausschuß schuß beigetreten sind, das Wort geben.</p> <p>Dies wird von der Versammlung genehmigt.</p> <p>Es beginnt die Diskussion über die Fortsetzung des §. 6. Art. II. und zwar über den Satz:</p> <p>„Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten, gleich zugänglich.“</p> <p>Es scheint, daß Niemand hierüber diskutiren will, nach einer Pause meldet sich Hr. <hi rendition="#g">Linde</hi> aus Mainz: (ah! ah!) Er spricht unter großer Unruhe und unverständlich von der wissenschaftlichen und moralischen Qualifikation zu Staatsämtern. ‒ Man müsse den Staatsbeamten größere Sicherheit, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit garantieren. (Schluß!) Dieser Gegenstand sei sehr wichtig. Theilnahmlosigkeit und Geschrei nach <hi rendition="#g">Schluß.</hi> </p> <p><hi rendition="#g">Beseler:</hi> Grundzüge einer Dienstpragmatik zu entwerfen, gehört nicht in die Grundrechte. Hier soll bloß diskutirt werden, daß jeder Deutsche gleich berechtigt zu Aemtern.</p> <p><hi rendition="#g">Wernher</hi> (der Gestikulant) wie Befehler.</p> <p>Man kommt zu Punkt 4 des §. 6., lautend:</p> <p>„Die Wehrpflicht ist für alle gleich.“</p> <p><hi rendition="#g">Scheller:</hi> Für das Minoritätsgutachten, hat den Zusatz beantragt: „<hi rendition="#g">Eine Stellvertretung findet nicht statt</hi>“, und zwar aus drei Gründen: [Nehmlich die Stellvertretung].</p> <p>1) Weil sie der Gleichheit vor dem Gesetz widerstreitet.</p> <p>2) Weil sie einen Unterschied zwischen Arm und Reich macht.</p> <p>3) Weil sie die vollständige Organisation in der Wehrkraft verhindert.</p> <p><hi rendition="#g">Wiegard.</hi> Ueber das Minoritäts-Gutachten. Jeder Deutsche soll Waffen tragen dürfen. Die Verpflichtung zur Bürgerwehr genüge nicht, die sich zur Bürgerwehr nicht qualifiziren, sollen auch Waffen tragen dürfen.</p> <p>Major <hi rendition="#g">Teichert.</hi> (Preuße). Die Wehrpflicht sei die heiligste Pflicht. Stellvertretung dürfe nicht stattfinden.</p> <p>Die Menoniten die früher nicht zu dienen brauchten, sollen auch dienen. (Alles dienen!) [Preußische Majorität].</p> <p><hi rendition="#g">Künsberg</hi> ganz unverständlich. Man solle nur ein Minimum der Rechte feststellen, um nicht zu lange zu machen und hinter Einzelstaaten zurückzubleiben.</p> <p><hi rendition="#g">Stavenhagen.</hi> (Preuß. Stabsoffizier). <hi rendition="#g">Schluß!</hi> Meint nicht, daß man die <hi rendition="#g">Wehrpflicht</hi> unter die Grundrechte bringen könne. Das Militär sein ist eine <hi rendition="#g">Pflicht.</hi> (Ja, Hr. Stavenhagen für den preußischen Gardeoffizier, für den <hi rendition="#g">Bürger</hi> ein <hi rendition="#g">Recht!)</hi> </p> <p>Daß Stellvertretung nicht zulässig, ist der Militärausschuß einverstanden. ‒ Doch das Minoritäts-Erachten, <hi rendition="#g">daß nämlich jeder Deutsche Waffen tragen darf,</hi> möge man zurücknehmen.</p> <p><hi rendition="#g">Mittermeier.</hi> Der Satz: Die Wehrpflicht ist allen gleich, würde unvollständig sein, ohne den Zusatz: Die Stellvertretung ist unerlaubt. ‒ Er denkt mit Freuden an die schöne Organisation, die dieser Satz dem preußischen Heere gegeben, dem <hi rendition="#g">Siegreichen,</hi> er denkt mit Vergnügen der Zeit, wo er im preußischen Heere gedient hat. (<hi rendition="#g">Bravo</hi> rechts!) Unter denen die beim Militär gedient hätten, kämen die wenigsten Verbrechen vor. ‒ Billigt es daß die preußischen Unteroffiziere, wenn sie ausgedient, Civil-Anstellungen haben. (Großes Bravo).</p> <p>Nach <hi rendition="#g">ihm</hi> wird der Schluß der Debatte beschlossen.</p> <p><hi rendition="#g">Moritz Mohl</hi> verlangt namentliche Abstimmung über sein Amendement. (Siehe unten).</p> <p><hi rendition="#g">Wiegard</hi> will, daß immer einer, der dem Minoritätsgutachten beigetreten, auch beim Schluß der Debatte noch reden dürfe, wie der Ausschußberichterstatter. ‒ (Abstimmung hierüber entscheidet mit nein. Nur links ja!)</p> <p><hi rendition="#g">Gagern.</hi> Es thut mir leid, daß ich Ihnen das Wort nicht geben kann.</p> <p>Berichterstatter <hi rendition="#g">Beseler.</hi> Nochmals für die Ausschuß-Anträge. Mit dem allgemeinen an die Spitze gestellten Prinzip: <hi rendition="#g">Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz,</hi> habe der Ausschuß das moderne <hi rendition="#g">Staatsbürgerthum</hi> bezeichnen wollen. Es sei damit nicht gesagt, daß <hi rendition="#g">alle</hi> Gesetze <hi rendition="#g">für alle</hi> gleich seien. Die Belgier, Franzosen und einige deutsche Konstitutionen haben auch diesen Satz an die Spitze gestellt. Betreffend den Punkt II. des §. habe der Ausschuß sich nicht verhehlt, daß er viel (? oh!) thue die Privilegien abzuschneiden, aber (die Kühnheit!) doch habe er es gethan!</p> <p>Nicht ohne Bedauern hat der Ausschuß auch die Hand gelegt an die Familien des hohen Adels, die Standesherrschaften, aber der Ausschuß habe geglaubt unsere große Zeit fordere große Opfer. Aber, (nun steckt Hr. Beseler die wahre Flagge auf) gestern sei ganz <hi rendition="#g">wunderlich</hi> hier über den Adel gesprochen worden. <hi rendition="#g">Die Polemik gegen den Adel war eine ungerechte.</hi> (Hohngelächter!)</p> <p>Den <hi rendition="#g">Tschopper</hi> die gestern hier unpassend (von Rösler) als Beispiel aufgeführt worden, stellt er die v. Stein die Humboldt's entgegen. (Rechts sehr brav, links ergänzt man höhnisch dies Register). Der Adel habe auch- eine historisch-soziale Bedeutung. (Verwunderung). Das exclusive Junker thum sei zwar eine Schattenseite, aber der <hi rendition="#g">Familiensinn</hi> sei eine Lichtseite. (Zischen). Dem Adel den Titel nehmen, heißt ihm ein Stück Namen nehmen. (Wird ausgelacht!) Ihm das Wappen nehmen greift ein in Privatrechte. (Verhöhnende Unterbrechungen).</p> <p><hi rendition="#g">Gagern sehr ergrimmt:</hi> man lasse die Unterbrechungen.</p> <p><hi rendition="#g">Redner:</hi> man habe gesagt, der Adel sei unpopulär, sei er deshalb <hi rendition="#g">unrecht</hi> und <hi rendition="#g">unnöthig</hi>. Wir hier müssen nicht fragen was <hi rendition="#g">populär (Volks</hi>vertreter!) oder unpopulär, sondern was recht oder unrecht! (Bravo rechts, lautes Zischen Gallerien).</p> <p><hi rendition="#g">Sie werden viele achtbare Familien kränken.</hi> (Oho! Laute Verhöhnung!) Der Redner wiederholt mit weinerlicher Stimme: Sie werden viele achtbare Familien kränken. Viele adlige Krieger, zu einer Zeit, wo das Vaterland seine Krieger braucht. (Rechts Bravogebrüll, links Gezisch). Mit der namentlichen Abstimmung über die Aufhebung des Adels werden wir wieder <hi rendition="#g">revolutionär</hi>. (Nun?) (Große Aufregung).</p> <p>Die Majorität in dieser Versammlung ist nicht revolutionär (bei Gott nicht!) und wird dagegen stimmen. ‒ (Unterbrechungen aller Art). Hr. <hi rendition="#g">Beseler</hi> weint. So lange ich Berichterstatter bin, will ich meine Gründe entwickeln. <hi rendition="#g">Blum</hi> (vom Platze): Der Ausschuß hat <hi rendition="#g">andere</hi> Gründe gehabt, gegen die Aufhebung des Adels zu stimmen. (Bravo links).</p><lb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar066_006" type="jArticle"> <head>Kriegserklärung<lb/> der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen.</head> <p> <ref type="link">(Schluß.)</ref> </p> <p>Wie gesagt, die Schwarz-Weißen Annoncen stehen in offener Fehde mit den Schwarz-Roth-Goldnen. Die Letzteren halten sich noch etwas zurück. Die Erstern werden aber mit jedem Tage hitziger, und wie muthige Trompeter sprengen sie über die löschpapierne Fläche der Vossischen Zeitung. Da haben wir z. B. unsern Wehrreiter im 20. Landwehr-Kavallerie-Regiment: Schlesinger; das ist so ein Haupt Annoncenhahn.</p> <p>„Kameraden! ‒ ruft er der preußischen Landwehr zu ‒ Werdet Ihr auf Befehl des Reichs-Kriegsministers von Peuker, am 6. Aug. d. J. dem Erzherzog Johann von Oesterreich als Reichsverweser Deutschlands huldigen ??? Ich nicht! Nach Preußens Könige huldige ich nur Einem, und dieser ist, der edle Prinz von Preußen! Ihm bringe ich ein dreimaliges Hurrah und rufe wiederholentlich: Er lebe als General en Chef der Heere Preußens! Ich bin kein Oesterreicher! Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben.“ Kann man sich einen muthigeren Wehrreiter denken als diesen Schlesinger in Charlottenburg?</p> <p>Man braucht nur die Annonce zu lesen, und der ganze Mann steht vor einem, wie er leibt und lebt. „Kameraden! ‒“ ruft Schlesinger aus. Man sieht, wie er mit dem Fuße auf die Erde stampft, wie er den blonden Schnurrbart streicht, und wie sich sein rothwangiges, von Sommersprossen übersätes Antlitz, in martialische Falten verzieht. „Kameraden! ‒“ die Anrede hat etwas feierlich verwogenes; man meint nicht anders, als daß Schlesinger uns mittheilen würde, wie er kleine Kinder fräße, Thürklinken, Schuhnägel, Branntweingläser, Ratten und Mäuse. „Kameraden!“ sagt Schlesinger. „Werdet ihr dem Erzherzog Johann huldigen?“ Man sieht, wie Schlesinger seinen Handschuh auszieht, um ihn sofort zur Fehde hinzuwerfen, falls man seine Frage bejahen werde. Aber er wartet die Antwort gar nicht ab. „Ich nicht!“ setzt er hinzu, und die Zähne blitzen durch seinen Schnurrbart. Schlesinger's Herz pocht in volleren Schlägen; seine grauen Katzen-Augen flammen vor Entrüstung. Schlesinger ist schön, trotz des blonden Schnurrbarts und trotz der Sommersprossen.</p> <p>„Nach Preußens König huldige ich nur Einem, und dieser ist der edle Prinz von Preußen!“ Man meint, der Kulminationspunkt der Schlesinger'schen Beredsamkeit sei gekommen. Der Wehrreiter Schlesinger macht einen Eindruck, den man für's ganze Leben im Gedächtniß behält. Aber da kommt noch das beste. „Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben!“ ‒ Da haben wir's! Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, steht der Wehrreiter Schlesinger vor dem Thron. Gut gebrüllt Schlesinger! Du hast einen Doppelkümmel verdient, echten Brandenburger Doppelkümmel ‒ Schlesinger, ich achte Dir!</p> <p>Nach der Annonce des einzelnen Wehrreiters, kommt eine Adresse der westpreußischen Landwehr des Conitzer Kreises. Was wir eben aus einem einzigen Munde vernahmen, es wird uns jetzt massenweis entgegengedonnert.</p> <p>„Die Frankfurter Bundesversammlung hat zum 6. August eine Huldigung für den deutschen Reichsverweser erlassen. Darauf erklären wir: Daß wir demselben nicht huldigen, sondern unserm preußischen Könige allein treu bleiben werden! Ein braver Soldat kann nur einem Herrn dienen, und wir hoffen mit Zuversicht, daß alle unsere Kameraden diesem Beispiel folgen werden. ‒“</p> <p>Edle westpreußische Landwehr, man sieht, daß du dankbar für deine genossenen Komißbrode bist. So etwas thut wohl. Man merkt doch, daß man in Preußen ist. Diese kühlen blonden Conitzer können nur <hi rendition="#g">eine</hi> Liebe haben. Saint-Just sagte, die Welt sei leer seit den Römern. Die Conitzer Landwehr ruft aus: Es giebt nichts, außer Preußen! Wie wird sich Schlesinger freuen, wenn er die Adresse dieser Westpreußen lies't!</p> <p>Dem tapfern Wehrreiter und den westpreußischen Landwehrleuten folgt Herr F. v. Bülow. Die Vossischen Erben haben an diesem Manne einen Goldmann. Seine Annoncen sind lang wie die Langeweile; theilweise groß gedruckt. ‒ Die Vossischen Erben werden diesen Mitarbeiter zu schätzen wissen. Der Herr v. Bülow giebt eine geschichtliche Abhandlung, die mit 1810 beginnt und mit 1814 endet. „Wer“ ‒ fährt er dann fort, „wer hat der Frankfurter Nationalversammlung die Macht gegeben, den 16 Millionen Einwohnern des preußischen Staates ihre mit Blut erkauften Rechte zu nehmen? Ist denn das ganze preußische Volk befragt worden, ob es den Erzherzog Johann statt seines konstitutionellen Königs, zum Oberfeldherrn haben will?“</p> <p>Der Herr von Bülow hat Recht. Die Frankfurter Versammlung nimmt sich Sachen heraus, die haarsträubend sind. Sie kehrt sich weder an Belzebub noch an Herrn von Bülow ‒ diese Versammlung! Diese zusammengelaufenen Professoren und Advokaten! Ist es nicht eine Schande?</p> <p>Ein Herr Brm. in Potsdam ist derselben Meinung; er weiß, wie es mit der Frankfurter Versammlung aussieht: „die Bestimmungen über die Central-Gewalt in Deutschland sind nur ein bloßer Entwurf Dreier, sonst berühmter, Professoren, die hier aber bloß bekundet haben, daß nicht alle hochglänzenden und überkonsequenten Theorien für die Praxis taugen.“ Herr Brm. ist ein praktischer Mann; aus ihm kann noch etwas werden ‒ Herr Brm.; wenn er auch gerade kein Abgeordneter zu der Frankfurter Versammlung wird ‒ Herr Brm. Jedenfalls hat er eine Zukunft ‒ Herr Brm. Er wird sich einen Namen machen ‒ Herr Brm. ‒ einen <hi rendition="#g">schönen</hi> Namen hat er schon.</p> <p>Die Vossische Zeitung ist reich an Annoncen, reich wie das Meer an Fischen, wie der Himmel an Sternen, wie eine Kaserne an Flöhen.</p> <p>Die Annonce des Wehrreiters, der Conitzer Landwehr, des Hrn. von Bülow und des Herrn Brm. ‒ Alles das wird indeß von einer Anzeige des Dr. W. Bötticher übertroffen. Wir schwören hierdurch bei Allem, was uns nicht heilig ist, daß wir diese Anzeige unverstümmelt abschreiben wollen: <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327/0001]
Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 66. Köln, Samstag 5. August 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements HerrG. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H.H. H. H.J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate:die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
Deutschland. * Köln, 4. August. Nach Beschluß des Demokratischen Congresses zu Frankfurt, welcher Köln zum Vorort für die preußische Rheinprovinz bestimmt, und die dortigen Demokratischen Vereine beauftragt hat, einen Kreiscongreß zur Organisation der demokratischen Partei in der Provinz zusammen zu berufen, ladet der Centralausschuß der hiesigen Vereine alle in der Rheinprovinz bestehenden Vereine mit demokratischer Tendenz ein, Abgeordnete zu diesem Congresse zu ernennen, welcher Sonntag den 13. August hier stattfinden wird. Die Deputirten haben sich zu melden im obern Saale des Stollwerk'schen Lokals.
Der Centralausschuß der 3 demokratischen Vereine in Köln.Schneider II. Marx. (Für die demokratische Gesellschaft).Moll. Schapper.(Für den Arbeiterverein). Becker. Schützendorf. (Für den Verein für Arbeiter und Arbeitgeber).
In einem Augenblick, wo unter der Firma von wandelnden „konstitutionellen“ Congressen die Reaktion ihre Kräfte im ganzen Staate mustert und zusammenzieht, braucht den Demokraten die Nothwendigkeit eines energischen Entgegenwirkens nicht ausführlicher entwickelt zu werden. Sie haben blos von denselben Freiheiten Gebrauch zu machen, deren sich der Verein „Mit Gott für König und Vaterland“ und seine Zweigvereine erfreuen.
* Köln, 4. August. _ * Köln, 4. Aug. Gestern Abend wurden hier zwei Feste gefeiert, ‒ ein schwarz-roth-goldnes am Rhein und bis hinauf zur Hochstraße, wo der Deputirte Kölns zur Nationalversammlung, Hr. Franz Raveaux, mit Musik, Illumination und deutschen Fahnen empfangen wurde ‒ und ein schwarz-weißes in der Kaserne am Neumarkt, wo unter dem Schall der Pauken und Trompeten wahrscheinlich der Geburtstag Friedrich Wilhelms III. gefeiert wurde. Den ganzen Tag wurde die schwarz-weiße Fahne geschwenkt, vom Morgen bis tief in die Nacht gespielt und gesungen: Heil dir im etc., und Ich bin ein Preuße u. s. w., dazwischen geschrieen, gelärmt zum großen Skandal der Nachbarn. Das Altpreußenthum feierte eine seiner letzten Orgien, deren Lärmen um so schauerlicher war, als ganz im Gegensatz zu den wogenden Menschenmassen am Rhein, hier auf dem Neumarkt die tiefste Einsamkeit herrschte, und die Herren Preußen gänzlich en famille waren.
X Köln, 4. Aug. Unsre Verwickelungen mit dem öffentlichen Ministerium gehen ihren Gang. Am vorigen Montag war der Gerant Korff wieder vor den Instruktionsrichter geladen, und gestern waren zwei unsrer Redakteure, Dronke und Engels, als Zeugen citirt. Dronke ist auf einige Zeit abwesend, Engels erschien, wurde jedoch nicht eidlich vernommen, da man vermuthet daß der neulich in unsren Büreaux konfiszirte Zettel von seiner Handschrift ist, und es also möglich ist, daß auch er in die Anklage verwickelt wird. ‒ Man sieht, das öffentliche Ministerium ist nicht damit zufrieden daß der Gerant als verantwortlicher Herausgeber fungirt. Es soll der Redakteur en Chef implicirt, es soll der Verfasser des fraglichen Artikels entdeckt, es sollen die Redakteure, von denen Jeder der Verfasser des fraglichen Artikels sein kann, veranlaßt werden, gegen einander,ja möglicherweise gegen sich selbst Zeugniß ablegen.
!!! Frankfurt, 2. August. 53. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern. ‒ Beginn der Sitzung 1/4 10 Uhr. ‒ Tagesordnung: Fortsetzung der Diskussion des §. 6. (Art. II. der Grundrechte).
Wigard: Man solle von jetzt an, wie dem Berichterstatter des Ausschusses, so auch einem von denen die dem Minoritätsgutachten im Ausschuß schuß beigetreten sind, das Wort geben.
Dies wird von der Versammlung genehmigt.
Es beginnt die Diskussion über die Fortsetzung des §. 6. Art. II. und zwar über den Satz:
„Die öffentlichen Aemter sind für alle dazu Befähigten, gleich zugänglich.“
Es scheint, daß Niemand hierüber diskutiren will, nach einer Pause meldet sich Hr. Linde aus Mainz: (ah! ah!) Er spricht unter großer Unruhe und unverständlich von der wissenschaftlichen und moralischen Qualifikation zu Staatsämtern. ‒ Man müsse den Staatsbeamten größere Sicherheit, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit garantieren. (Schluß!) Dieser Gegenstand sei sehr wichtig. Theilnahmlosigkeit und Geschrei nach Schluß.
Beseler: Grundzüge einer Dienstpragmatik zu entwerfen, gehört nicht in die Grundrechte. Hier soll bloß diskutirt werden, daß jeder Deutsche gleich berechtigt zu Aemtern.
Wernher (der Gestikulant) wie Befehler.
Man kommt zu Punkt 4 des §. 6., lautend:
„Die Wehrpflicht ist für alle gleich.“
Scheller: Für das Minoritätsgutachten, hat den Zusatz beantragt: „Eine Stellvertretung findet nicht statt“, und zwar aus drei Gründen: [Nehmlich die Stellvertretung].
1) Weil sie der Gleichheit vor dem Gesetz widerstreitet.
2) Weil sie einen Unterschied zwischen Arm und Reich macht.
3) Weil sie die vollständige Organisation in der Wehrkraft verhindert.
Wiegard. Ueber das Minoritäts-Gutachten. Jeder Deutsche soll Waffen tragen dürfen. Die Verpflichtung zur Bürgerwehr genüge nicht, die sich zur Bürgerwehr nicht qualifiziren, sollen auch Waffen tragen dürfen.
Major Teichert. (Preuße). Die Wehrpflicht sei die heiligste Pflicht. Stellvertretung dürfe nicht stattfinden.
Die Menoniten die früher nicht zu dienen brauchten, sollen auch dienen. (Alles dienen!) [Preußische Majorität].
Künsberg ganz unverständlich. Man solle nur ein Minimum der Rechte feststellen, um nicht zu lange zu machen und hinter Einzelstaaten zurückzubleiben.
Stavenhagen. (Preuß. Stabsoffizier). Schluß! Meint nicht, daß man die Wehrpflicht unter die Grundrechte bringen könne. Das Militär sein ist eine Pflicht. (Ja, Hr. Stavenhagen für den preußischen Gardeoffizier, für den Bürger ein Recht!)
Daß Stellvertretung nicht zulässig, ist der Militärausschuß einverstanden. ‒ Doch das Minoritäts-Erachten, daß nämlich jeder Deutsche Waffen tragen darf, möge man zurücknehmen.
Mittermeier. Der Satz: Die Wehrpflicht ist allen gleich, würde unvollständig sein, ohne den Zusatz: Die Stellvertretung ist unerlaubt. ‒ Er denkt mit Freuden an die schöne Organisation, die dieser Satz dem preußischen Heere gegeben, dem Siegreichen, er denkt mit Vergnügen der Zeit, wo er im preußischen Heere gedient hat. (Bravo rechts!) Unter denen die beim Militär gedient hätten, kämen die wenigsten Verbrechen vor. ‒ Billigt es daß die preußischen Unteroffiziere, wenn sie ausgedient, Civil-Anstellungen haben. (Großes Bravo).
Nach ihm wird der Schluß der Debatte beschlossen.
Moritz Mohl verlangt namentliche Abstimmung über sein Amendement. (Siehe unten).
Wiegard will, daß immer einer, der dem Minoritätsgutachten beigetreten, auch beim Schluß der Debatte noch reden dürfe, wie der Ausschußberichterstatter. ‒ (Abstimmung hierüber entscheidet mit nein. Nur links ja!)
Gagern. Es thut mir leid, daß ich Ihnen das Wort nicht geben kann.
Berichterstatter Beseler. Nochmals für die Ausschuß-Anträge. Mit dem allgemeinen an die Spitze gestellten Prinzip: Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz, habe der Ausschuß das moderne Staatsbürgerthum bezeichnen wollen. Es sei damit nicht gesagt, daß alle Gesetze für alle gleich seien. Die Belgier, Franzosen und einige deutsche Konstitutionen haben auch diesen Satz an die Spitze gestellt. Betreffend den Punkt II. des §. habe der Ausschuß sich nicht verhehlt, daß er viel (? oh!) thue die Privilegien abzuschneiden, aber (die Kühnheit!) doch habe er es gethan!
Nicht ohne Bedauern hat der Ausschuß auch die Hand gelegt an die Familien des hohen Adels, die Standesherrschaften, aber der Ausschuß habe geglaubt unsere große Zeit fordere große Opfer. Aber, (nun steckt Hr. Beseler die wahre Flagge auf) gestern sei ganz wunderlich hier über den Adel gesprochen worden. Die Polemik gegen den Adel war eine ungerechte. (Hohngelächter!)
Den Tschopper die gestern hier unpassend (von Rösler) als Beispiel aufgeführt worden, stellt er die v. Stein die Humboldt's entgegen. (Rechts sehr brav, links ergänzt man höhnisch dies Register). Der Adel habe auch- eine historisch-soziale Bedeutung. (Verwunderung). Das exclusive Junker thum sei zwar eine Schattenseite, aber der Familiensinn sei eine Lichtseite. (Zischen). Dem Adel den Titel nehmen, heißt ihm ein Stück Namen nehmen. (Wird ausgelacht!) Ihm das Wappen nehmen greift ein in Privatrechte. (Verhöhnende Unterbrechungen).
Gagern sehr ergrimmt: man lasse die Unterbrechungen.
Redner: man habe gesagt, der Adel sei unpopulär, sei er deshalb unrecht und unnöthig. Wir hier müssen nicht fragen was populär (Volksvertreter!) oder unpopulär, sondern was recht oder unrecht! (Bravo rechts, lautes Zischen Gallerien).
Sie werden viele achtbare Familien kränken. (Oho! Laute Verhöhnung!) Der Redner wiederholt mit weinerlicher Stimme: Sie werden viele achtbare Familien kränken. Viele adlige Krieger, zu einer Zeit, wo das Vaterland seine Krieger braucht. (Rechts Bravogebrüll, links Gezisch). Mit der namentlichen Abstimmung über die Aufhebung des Adels werden wir wieder revolutionär. (Nun?) (Große Aufregung).
Die Majorität in dieser Versammlung ist nicht revolutionär (bei Gott nicht!) und wird dagegen stimmen. ‒ (Unterbrechungen aller Art). Hr. Beseler weint. So lange ich Berichterstatter bin, will ich meine Gründe entwickeln. Blum (vom Platze): Der Ausschuß hat andere Gründe gehabt, gegen die Aufhebung des Adels zu stimmen. (Bravo links).
Kriegserklärung
der Schwarz-Weißen, gegen die Schwarz-Roth-Goldnen Annoncen. (Schluß.)
Wie gesagt, die Schwarz-Weißen Annoncen stehen in offener Fehde mit den Schwarz-Roth-Goldnen. Die Letzteren halten sich noch etwas zurück. Die Erstern werden aber mit jedem Tage hitziger, und wie muthige Trompeter sprengen sie über die löschpapierne Fläche der Vossischen Zeitung. Da haben wir z. B. unsern Wehrreiter im 20. Landwehr-Kavallerie-Regiment: Schlesinger; das ist so ein Haupt Annoncenhahn.
„Kameraden! ‒ ruft er der preußischen Landwehr zu ‒ Werdet Ihr auf Befehl des Reichs-Kriegsministers von Peuker, am 6. Aug. d. J. dem Erzherzog Johann von Oesterreich als Reichsverweser Deutschlands huldigen ??? Ich nicht! Nach Preußens Könige huldige ich nur Einem, und dieser ist, der edle Prinz von Preußen! Ihm bringe ich ein dreimaliges Hurrah und rufe wiederholentlich: Er lebe als General en Chef der Heere Preußens! Ich bin kein Oesterreicher! Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben.“ Kann man sich einen muthigeren Wehrreiter denken als diesen Schlesinger in Charlottenburg?
Man braucht nur die Annonce zu lesen, und der ganze Mann steht vor einem, wie er leibt und lebt. „Kameraden! ‒“ ruft Schlesinger aus. Man sieht, wie er mit dem Fuße auf die Erde stampft, wie er den blonden Schnurrbart streicht, und wie sich sein rothwangiges, von Sommersprossen übersätes Antlitz, in martialische Falten verzieht. „Kameraden! ‒“ die Anrede hat etwas feierlich verwogenes; man meint nicht anders, als daß Schlesinger uns mittheilen würde, wie er kleine Kinder fräße, Thürklinken, Schuhnägel, Branntweingläser, Ratten und Mäuse. „Kameraden!“ sagt Schlesinger. „Werdet ihr dem Erzherzog Johann huldigen?“ Man sieht, wie Schlesinger seinen Handschuh auszieht, um ihn sofort zur Fehde hinzuwerfen, falls man seine Frage bejahen werde. Aber er wartet die Antwort gar nicht ab. „Ich nicht!“ setzt er hinzu, und die Zähne blitzen durch seinen Schnurrbart. Schlesinger's Herz pocht in volleren Schlägen; seine grauen Katzen-Augen flammen vor Entrüstung. Schlesinger ist schön, trotz des blonden Schnurrbarts und trotz der Sommersprossen.
„Nach Preußens König huldige ich nur Einem, und dieser ist der edle Prinz von Preußen!“ Man meint, der Kulminationspunkt der Schlesinger'schen Beredsamkeit sei gekommen. Der Wehrreiter Schlesinger macht einen Eindruck, den man für's ganze Leben im Gedächtniß behält. Aber da kommt noch das beste. „Ich bin ein Preuße, Schwarz und Weiß sind meine Farben!“ ‒ Da haben wir's! Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, steht der Wehrreiter Schlesinger vor dem Thron. Gut gebrüllt Schlesinger! Du hast einen Doppelkümmel verdient, echten Brandenburger Doppelkümmel ‒ Schlesinger, ich achte Dir!
Nach der Annonce des einzelnen Wehrreiters, kommt eine Adresse der westpreußischen Landwehr des Conitzer Kreises. Was wir eben aus einem einzigen Munde vernahmen, es wird uns jetzt massenweis entgegengedonnert.
„Die Frankfurter Bundesversammlung hat zum 6. August eine Huldigung für den deutschen Reichsverweser erlassen. Darauf erklären wir: Daß wir demselben nicht huldigen, sondern unserm preußischen Könige allein treu bleiben werden! Ein braver Soldat kann nur einem Herrn dienen, und wir hoffen mit Zuversicht, daß alle unsere Kameraden diesem Beispiel folgen werden. ‒“
Edle westpreußische Landwehr, man sieht, daß du dankbar für deine genossenen Komißbrode bist. So etwas thut wohl. Man merkt doch, daß man in Preußen ist. Diese kühlen blonden Conitzer können nur eine Liebe haben. Saint-Just sagte, die Welt sei leer seit den Römern. Die Conitzer Landwehr ruft aus: Es giebt nichts, außer Preußen! Wie wird sich Schlesinger freuen, wenn er die Adresse dieser Westpreußen lies't!
Dem tapfern Wehrreiter und den westpreußischen Landwehrleuten folgt Herr F. v. Bülow. Die Vossischen Erben haben an diesem Manne einen Goldmann. Seine Annoncen sind lang wie die Langeweile; theilweise groß gedruckt. ‒ Die Vossischen Erben werden diesen Mitarbeiter zu schätzen wissen. Der Herr v. Bülow giebt eine geschichtliche Abhandlung, die mit 1810 beginnt und mit 1814 endet. „Wer“ ‒ fährt er dann fort, „wer hat der Frankfurter Nationalversammlung die Macht gegeben, den 16 Millionen Einwohnern des preußischen Staates ihre mit Blut erkauften Rechte zu nehmen? Ist denn das ganze preußische Volk befragt worden, ob es den Erzherzog Johann statt seines konstitutionellen Königs, zum Oberfeldherrn haben will?“
Der Herr von Bülow hat Recht. Die Frankfurter Versammlung nimmt sich Sachen heraus, die haarsträubend sind. Sie kehrt sich weder an Belzebub noch an Herrn von Bülow ‒ diese Versammlung! Diese zusammengelaufenen Professoren und Advokaten! Ist es nicht eine Schande?
Ein Herr Brm. in Potsdam ist derselben Meinung; er weiß, wie es mit der Frankfurter Versammlung aussieht: „die Bestimmungen über die Central-Gewalt in Deutschland sind nur ein bloßer Entwurf Dreier, sonst berühmter, Professoren, die hier aber bloß bekundet haben, daß nicht alle hochglänzenden und überkonsequenten Theorien für die Praxis taugen.“ Herr Brm. ist ein praktischer Mann; aus ihm kann noch etwas werden ‒ Herr Brm.; wenn er auch gerade kein Abgeordneter zu der Frankfurter Versammlung wird ‒ Herr Brm. Jedenfalls hat er eine Zukunft ‒ Herr Brm. Er wird sich einen Namen machen ‒ Herr Brm. ‒ einen schönen Namen hat er schon.
Die Vossische Zeitung ist reich an Annoncen, reich wie das Meer an Fischen, wie der Himmel an Sternen, wie eine Kaserne an Flöhen.
Die Annonce des Wehrreiters, der Conitzer Landwehr, des Hrn. von Bülow und des Herrn Brm. ‒ Alles das wird indeß von einer Anzeige des Dr. W. Bötticher übertroffen. Wir schwören hierdurch bei Allem, was uns nicht heilig ist, daß wir diese Anzeige unverstümmelt abschreiben wollen: [Fortsetzung]
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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