Neue Rheinische Zeitung. Nr. 71. Köln, 10. August 1848.Sie Deutschland glauben machen, daß jene 200 Demokraten Ihrem Heere von 900,000den gefährlich sein könnten. Amnestiren Sie, dann wird man glauben, daß Sie Vertrauen zur Ruhe Deutschlands haben. Biedermann (Große Unruhe und Theilnahmslosigkeit, alle Bänke links und des linken Centrums sind fast leer: Es ist schwer, gegen die Amnestie zu sprechen. In Verlauf seiner Rede entwickelt Hr. Biedermann das Gegentheil von dem, was Simon auseinandergesetzt hat. Er meint mit sanfter Stimme, das Loos der Gefangenen wäre sehr traurig, aber man könne jetzt nicht amnestiren. Wiesner: Es freut mich daß endlich der Augenblick gekommen ist, wo ich in dieser Sache sprechen kann, um die Ehre des Hauses zu retten, welches nicht sichten will, was jene Tausende von Petenten da draußen langst gefühlt haben. Wie war es zu den Zeiten der Freiheitskriege wo die hochgestellten Verräther die die Festungen des deutschen Volkes dem Feinde übergeben hatten, pensionirt und mit Aemtern versehen wurden war das nicht mehr als Amnestie für Vaterlandsverräther. In Dahlmann's Geschichte von England können Sie sogar sehen, wie zur Zeit politischer Schwankungen das Ober- und Unterhaus nicht blos für politische Verbrecher der Vergangenheit, sondern auch für zukünftige politische Verbrecher Amnestie dekretirte. Ich statte Hr. Dahlmann meinen Dank für dieses kostbare Datum ab. (Man sieht unter großem Hohngelächter auf Hrn. Dahlmann.) Nach geschichtlichen Beweisen für die Amnestie kommt er auf den Standpunkt der Gerechtigkeit, welche Amnestie erheischt. In der badischen Kammer hat Hr. Andlaw beantragt, gewisse Herren in der Nähe des Großherzogs zu verhaften, weil sie mit Hecker unter einer Decke stächen; dies hat man nicht gethan. Mit dem badischen Volk ist man anders verfahren. Das badische Freiheitsparadies, worein ich geflohen, als ich es in meinem Vaterland nicht mehr aushalten konnte, ist zu einem großen Kerker geworden. Und was den Einwurf der Unzeitigkeit jener Revolution anbelangt, so haben wir in Wien auch nachdem sie bereits tagten, Revolutionen gemacht. Werden Sie deshalb die Wiener verhaften wollen? (Langes Bravo.) Warum wollen Sie die Badener bestrafen, weil dieselben revolutionirt, als sie schon hier tagten. In Berlin hat man dem Prinzen, den man erst steinigen wollte, nach einigen Tagen die Hand geküßt. So vergießt das Volk seine Beleidiger. Und Sie wollen sich auf die alten Hofrathsgesetze berufen? (Langes lautes Bravo). Nächstens kommt auch von uns aus Wien eine Riesenpetition, um Einberufung Heckers und Amnestirung der badischen Republikaner. Versöhnen Sie sich durch diese Amnestie mit der deutschen Nation. Wenn Sie der Untersuchung freien Lauf lassen, werden zum Nachtheil der Regierungen Dinge ans Licht kommen, die besser mit sieben Siegeln bedeckt werden. (Bravo). Edel aus Würzburg bemüht sich vom höhern politischen Gesichtspunkt aus (d. h. vom Edelschen) zu beweisen, daß jetzt noch keine Amnestie möglich. Er schreit: was treiben wir Spiel mit dem Bürgerblut. Baden würde schon amnestiren, wenn es Zeit. Er ist für den Antrag des Ausschusses. Brentano Ich bin stolz darauf hier auszusprechen, daß ich ein Freund Heckers bin. (Hohngelächter und Bravo). In dem Schreiben der badischen Regierung wagt es ein Minister den Hecker, der in dem Herzen des größten Theils des deutschen Volkes lebt, einen Landesverräther zu ernennen! (Da Hr. Brentano im Eifer der Rede die Stimme überschnappt, äfft man ihm rechts den Ton seiner Stimme nach und begleitet diese Kinderstreiche mit höhnischen Bravos, dagegen links und Gallerien ein wahres Beifallsgedonner. Soiron sucht die Bewegung mit seinen Händen niederzuhalten, wobei er sich gebärdet, wie eine Hebamme bei einem schweren Accouchement). Man hat auch Baiern, Hessen, Würtemberger in das Gefängniß zu Bruchsal abgeliefert, also falsch sagt der Berichterstatter, daß nur die badische Regierung Amnestie ertheilen könne. Von Gründen des Rechts könne man bei Amnestie nicht sprechen. Dieselbe bezieht sich ja auf Rechtsverletzungen. Hecker war unter den ersten, die die badensche Regierung auf den Weg der Freiheit führten. (Rechts ruft man unverschämt nach Schluß, Links: Ruhe). Baden hat noch gar keine freien Institutionen; es kommen dort noch schreckliche Dinge vor. So hat erst am 8. April ein Privatmann (Mathy, Minister in spe) gewagt, einen badischen Staatsbürger zu verhaften. (Von vielen Seiten Pfui, Pfui!! von der Gallerie: Pfui Teufel!! Man sieht nach Mathys Platz, der diese Pille hinunterschluckt). Deshalb und wegen vielen andern Dinge hat sich das badensche Volk empört. Man hat die deutschen Republikaner, die aus Frankreich kamen, sogar auch in unserm Ausschuß fremde Zuzügler genannt. (Rechts Hohngelächter, man schaart sich um den Hrn. v. Vincke. Gallerien Bravo). Ich würde den Hecker und den andern Männern meine Verachtung ins Gesicht werfen, wenn sie ihrer Gesinnung untreu, die Zahl der politischen Renegaten vergrößern wollten. Früher amnestirte man das arme Volk bei Accouschements von Prinzessinnen, Sterbefällen von Königen, und andern großen Ereignissen, so amnestiren Sie denn heute meine Herren, wegen des für das deutsche Volk wichtigen Ereignisses einer Centralgewalt und wegen der Ankunft des Reichsverwesers. Im Badenschen Oberland ist kein Haus, wo man nicht jammert, kein Haus, dessen Wohlstand nicht ruinirt ist, durch die Verhaftung der männlichen Stützen desselben. In Galizien und in Posen zum zweiten Male wird man nächstens Amnestie aussprechen, stehen Sie nicht zurück. Hat man den Prinzen von Preußen amnestirt, warum soll man das arme badische Volk nicht amnestiren? Bei diesen Worten erhebt sich rechts leises Getrommel, welches sich, unterstützt durch schnaubendes Wuthgeschrei der preußischen Aristokraten und Militärs, bald zu donnerähnlichem Getöse erhebt. Man stampft und tobt wie in einem Pferdestall. Als Ergänzung erhebt sich links und auf den Gallerien ein erschütterndes Klatschen und Bravogeschrei. Rechts will man Herrn Brentano hinausschmeißen, links schreit man "weiter sprechen," von Soiron sucht vergeblich nach Würde, um den Sturm zu beschwören. Der Gott der Stürme ist nicht anwesend. von Soiron schreit man solle den Redner den Passus noch einmal wiederholen lassen, er hätte ihn nicht genau verstanden und wüßte nicht was er thun solle. Dies erneut den Sturm, der zu einem vollständigen Orkan heranwächst. Alle Patrioten rechts springen von ihren Plätzen und stürzen nach der Tribüne, um den Redner zu prügeln, (?) links stürzt man zu seinem Schutz herbei, unter der Tribüne (auf der Brentano ruhig stehen bleibt) stoßen unter furchtbarem Accompagnement der Gallerien als Orchester die beiden Parteien zusammen, von Vinke mit seinen Patrioten einerseits, Simon aus Trier, Schaffrath, Rösler und die Linke andrerseits demonstriren mit geballten Fäusten einander in's Gesicht. Man glaubt jeden Augenblick die Keilerei der deutschen Volksvertreter beginnt. von Soiron setzt seinen berühmten Strohhut (Winzerhut) auf, und stürzt in völliger Kopflosigkeit unter unverständlichem Gebrüll, woraus ich entnehme, daß er nicht weiß was er thun soll, von dem Präsidentenstuhl herunter, und sammt dem Büreau zum Tempel des deutschen Volks hinaus. Die Rechte und Linke, unter starrem Entsetzen der Centren und fortwährend erneutem Gebrüll der Gallerien, fahren fort sich einander anzubrüllen und um die Tribüne eine köstliche Komödie aufzuführen. - Nach und nach leert sich die Kirche. Die Sitzung ist zwar nicht aufgehoben, aber sie hat ein Ende. Kein Präsident läßt sich sehen. Vor der Kirche erneuern sich einzelne erbauliche Szenen derselben Art. Durch alle Straßen, die ich bis zu meinem Hause passirte große Aufregung. Frankfurt, 8. Aug. In der heutigen 57. Sitzung der verfassunggebenden Reichsversammlung wurden mehrere auf den gestrigen Vorfall bezügliche Anträge verlesen. Einer derselben bezweckte, daß der Abgeordnete Brentano wegen seiner gestrigen Aeußerung zur Ordnung gerufen werde. Vicepräsident v. Soiron als Vorsitzender sprach den Ordnungsruf aus. Die Linke protestirte dagegen, weil die Anträge vorher diskutirt und Brentano's Vertheidigung gehört werden müsse. In Folge des hierüber entstandenen Tumults wurde die Sitzung auf eine Stunde suspendirt. Nach Wiedereröffnung derselben wiederholte v. Soiron den Ordnungsruf unter erneuertem Protest der Linken und gab dann Brentano das Wort zur Fortsetzung seines gestrigen Vortrags. Als Brentano die Rednerbühne betrat, erhob sich stürmischer Beifallsruf. Der Präsident ließ nunmehr die Gallerie und sämmtliche Zuhörerräume leeren. Auch die Journalisten mußten abtreten. Mehrere Mitglieder der Linken protestirten gegen die Fortsetzung der Sitzung in Abwesenheit des Publikums, da eine geheime Sitzung nur auf Antrag von 50 Mitgliedern stattfinden könne. Andererseits wurde behauptet, daß durch die Entfernung des Publikums, die dem Präsidenten nach der Geschäftsordnung zustehe, die Sitzung keineswegs eine geheime sei. Auf Antrag Zimmermann's von Spandau wurden die Journalisten wieder zugelassen, die Zulassung des Publikums aber mit 380 gegen 91 Stimmen verworfen. - Nachschrift. 3. Uhr. Die Nationalversammlung hat über die Petitionen um Amnestie mit 317 gegen 90 Stimmen die motivirte Tagesordnung beschlossen. (Fr. J.) * Mainz, 8. August. In dem Urtheil, welches in Betreff Schöpplers und der andern Angeklagten gefällt worden, befindet sich auch folgende Stelle: "Dem Polizeistrafrichter aber steht es nicht zu, aus seiner blos "richterlichen Sphäre heraus und das Gebiet des Gesetzgebers zu "betreten, und etwa aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und "Ruhe oder, indem er sich auf einen politischen Stand"punkt stellt, willkührlich das Strafgesetz zu er"gänzen, wenn sich eine Lücke darin darbietet." Das könnten sich gar viele Leute, nämlich Beamten, auch außerhalb Mainz zu Herzen nehmen. Uebrigens soll gegen oben erwähntes Urtheil Appell eingelegt worden sein. Es frägt sich also, ob der hier ausgesprochene Grundsatz auch in zweiter Instanz anerkannt werden wird. Augsburg, 6. August. Heute Morgen um 81/2 Uhr etwa stellten sich die Truppen auf dem Frohnhof auf, um dem Reichsverweser ihre Huldigung darzubringen: Chevauxlegers, ein Regiment Infanterie, zwei Kompagnien Artillerie; sie bildeten ein Viereck von dem die eine Seite nicht geschlossen war. Im Viereck standen die Offiziere, die von dem Militär eingeladenen Civilbeamten, Deputationen der Landwehr und des Freikorps. Nachdem zu den Soldaten einige Worte gesprochen waren, wurden drei Hoch ausgebracht: dem König, dem Reichsverweser, dem deutschen Vaterlande, alle drei so schwach, daß etwas entfernter Stehende sie kaum vernommen haben. (A. Z.)Dessau, 4. Aug. Nachdem am 2. August die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. die Abschaffung des Adels abgelehnt hat, welche Nachricht heute hier bekannt wurde und in so manchem bang schlagenden Herzen freudigen Trost hervorgerufen haben mag, kam in der heutigen Sitzung unseres konstituirenden Landtags der Antrag des Abgeordneten v. Prüschenck auf Abschaffung des Adels zur Berathung. Nachdem die Abgeordneten v. Braunbehrens und Imme dagegen, die Abgeordneten v. Behr, Fiedler, Habicht, Hölemann, Janasch, Patzig, Sander, Schilling, dafür gesprochen hatten, wurde der Antrag in drei Theile getheilt und namentlich abgestimmt, nämlich: 1. Der Adel wird hiermit abgeschafft. Einstimmig angenommen. 2. Alle zur Bezeichnung des Adels dienenden Ausdrücke verlieren ihre Bedeutung. Einstimmig angenommen. 3. Und dürfen nicht mehr gebraucht werden. Mit 18 gegen 13 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 5 Stimmen angenommen. (D. A. Z.) * Braunschweig, 4. August. Der Herzog ist vom Volke gezwungen worden, den Befehl, dem Reichsverweser nicht, zu duldigen, zurückzunehmen, sich selbst zu widerrufen und zu desavouiren. Hätte er das nicht gethan, so wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Lande gejagt worden und hätte sich ein Quartier in London miethen können. 16 Prag, 4. Aug. So eben wird eine "Kundmachung" des Fürsten Windischgrätz an allen Ecken angeschlagen. Sie enthält die Erklärung, daß laut Ministerialbefehl die Militär-Kommission aufgelöst und Akten und Gefangene dem zuständigen Kriminalgericht übergeben sind. Dann enthält sie einige Notizen über die angebliche große Slavenverschwörung. Zuerst haben Gefangene ausgesagt, daß man Windischgrätz nach dem Leben getrachtet; daß man sich bewaffnet, Pläne der Stadt, des Schlosses etc. entworfen, daß man sogar Kanonen verlangt; daß man die Arbeiter aufgefordert, sich an einem etwaigen Kampf zu betheiligen: daß man am 13 Juni in Krakau (!) Zettel vertheilt mit den Worten: 15. Juni, Achtsamkeit, Vorsicht, zu Hause sitzen! - daß man das Landvolk aufgefordert, die Roboten zu verweigern und sich zu bewaffnen; und andre längst bekannte Geschichten. Dann folgt die Aussage eines "geständigen Verschworenen, die wir vollständig geben, damit unsere Leser zugleich eine Probe von dem Deutsch des tapfern Czechenfressers erhalten. Inquisit sagt aus: "Zu Ostern 1847 wurde er zu Eperies in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen, ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien, Serbien, den Slowacken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien und östereichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn verschwinden zu machen, sich von Oestreich loszureißen, und im ungünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik, war man noch mit einem fremden Staate in Korrespondenz. Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden und die Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Umgebung von Preßburg, bei den Slowacken ausbrechen. Nachdem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proklamirt war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centralisationen errichtet, denen eigne Chef's vorstanden, und die ihre Korrespondenz, theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt. Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Ausführung gebracht worden ist. - Inquisit gibt an, mehrere Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet worden zu sein. In Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Alles vorbereitet, und es bald losgehen werde. In Prag angekommen erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die Regierung und gegen das Militär aufreizende Reden gehalten wurden." Dann heißt es weiter: Außer den Sitzungen im Kongresse waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte Reden, in denen es hieß: Daß die Prager den Wienern nicht nachstehen dürften, daß die Studenten um dem Militär mehr zu imponiren, Waffen, selbst Kanonen bekommen müßten, und daß man zu deren Bedienung schon die erforderliche Anzahl Leute bereit und im Solde habe; daß die Errichtung der Barikaden bereits eingeleitet, daß man mit Munition hinlänglich versehen ist, aber noch nicht losschlagen könne, weil es noch nicht an der Zeit sei, die Swornoster noch auf dem Lande sind, um den Bauer gehörig zu bearbeiten, ihn aufzuwiegeln, und zum Landsturme gegen Prag zu bewegen etc. Was sagen Sie zu diesem Produkte einer zweimonatlichen Untersuchung, was zu der schönen Logik, mit welcher man aus diesen Aussagen eine Verschwörung heraus zu klauben sucht? Wenn die Untersuchungskommission ihre Aufgabe damit gelöst glaubt, daß sie heraus zu bekommen suchte, ob die Sache vorbereitet oder nicht war, so hatte sie wahrlich nicht so viel Zeit dazu gebraucht, beim daß es binnen kurzem zu einem Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht kommen mußte, war leicht voraus zu sehen, indem der Fürst Windischgrätz der Bürgerschaft reine Garantieen für die errungenen Freiheiten durch eine vollständige Bewaffnung geben wollte während seine militärischen Anstalten eben so gut an einen Angriff von seiner Seite als auf Vertheidigungsmaßregeln hätten schließen lassen, und die Hartnäckigkeit, mit welcher dem Kaiser und der Regierung in Wien jede Freiheit abgetrotzt werden mußte, die anerkannte aristokratischen Denkungsakt des Hrn. Windischgrätz, gaben vollends keine Bürgschaft für seine Absichten. Ein jeder sagte es sich, daß über kurz oder lang ein Zusammenstoß statt finden müsse und daß es bei keiner Gelegenheit an Schmeicheleien für Windischgrätz fehlte, ist eben kein Wunder. Ueber die Art und Weise, wie der Kampf entstand, habe ich Ihnen schon früher berichtet und überlasse es den Ansichten der Leser, ob sie aus dieser Kundmachung eine Verschwörung heraus finden können. Graf Buquoi, das Haupt der "Verschwörer und Bartholomäusnächtler" ist vor einigen Tagen als völlig unschuldig in Freiheit gesetzt worden und befindet sich auf seinem Gute Rothenhaus, um seine im Kerker angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, und so eben vernehmen wir, daß ein Ministeralerlaß die Freilassung des Dr. Brauner decretirt. Wien, 2. August. Sie haben gewiß in dem Abendblatt der "Wiener Zeitung" vom 1. August gelesen, daß Se. Majestät dem Grafen Brandis, Exgouverneur von Tyrol, das Großkreuz des Leopoldordens "als Beweis Allerhöchstihrer Gnade" persönlich überreicht hat. Man ist hier über diesen offenbaren Trotz der öffentlichen Meinung gegenüber, welche denselben Grafen Brandis in höchster Ungnade von seinem Posten gestürzt und unschädlich gemacht hat, nicht wenig erstaunt. Man beklagt aufs tiefste den Wahnsinn der Camarilla, welche die Anhänglichkeit an die Person des Monarchen im Volke mit aller Gewalt durch ihre rasenden Rathschläge zu vernichten sich bemüht. Das ist eine offenbare Beleidigung unseres Ministeriums und dieses hat den unklugen Schritt in Innsbruck damit desavouirt, daß es die Nachricht nicht in den amtlichen Theil, sondern hinten als Auszug aus dem "Tyroler Boten" brachte. O beklagenswerthe und unheilvolle Spaltung! (C. B. a. B)Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstags am 4. August. Vorsitz: Vicepräsident Strobach. Violand: Ich erlaube mir, an den Minister des Innern eine Frage zu stellen von höchster Bedeutung. Ich muß zuvor auf einen Vorgang, der viel frühere Zeit stattfand, aufmerksam machen und erinnere an den 26. Mai, nach welchem Montecuccoli sich in Pläne eingelassen, die mit denen der Reaktion in genauer Verbindung zu stehen schienen, und nach der allgemeinen Ansicht des Volkes zum Anlaß haben sollten, die Errungenschaften des 15. Mai aufzuheben. Montecuccoli entfloh von Wien, und würde sich als Bannerträger der Reaktion bei einer Rückkehr der größten Gefahr aussetzen. Zum Erstaunen meiner ganzen Partei erfahren wir in einer Proklamation, daß Montecuccoli Staatsminister, und beauftragt sei, die Administration der Lombardei zu leiten. Ich frage, ist Montecuccoli Minister, und ist er Minister, ist er verantwortlich oder unverantwortlich? Wenn er Minister ist, hat die Ernennung durch Contrasignirung des Ministeriums stattgefunden? Ist er durch dasselbe nicht anerkannt, so ist er absoluter Minister; durch einen absoluten Minister und eine absolute Verfahrungsweise muß nothwendig eine Trennung der Lombardei von uns stattfinden. Wurde er unter dem alten Ministerium ernannt, wie konnte er nach dem 26. Mai belassen werden? Wenn die Trennung bestünde, und nach der Wiedereroberung zum Schein oder gar nicht konstitutionelle Formen eintreten würden, wüßte man, wie es kommt, daß wir Eingriffe in die Freiheit eines Volkes machen wollten! Dobblhof antwortet, daß Montecuccoli im Februar ernannt wurde, und die Mission hatte nach Italien zu reisen, da der Vicekönig in seinem damaligen erweiterten Wirkungskreise Jemanden benöthigte, der mit den Verhältnissen des Landes vertraut sei, um Klagen und Beschwerden beizulegen. Montecuccoli sei in einer Kategorie welche er nicht anerkenne, und sein Titel sei eben nur ein Titel, welchen er aber zu seinem Erstaunen gelesen. Der Erlaß sei ihm auch nur auf dem Privatwege zugekommen und er könne ihn nicht billigen, da es jedenfalls zu unangenehmen Auslegungen Anlaß gebe. Es kann von einer solchen Stellung, wie bemerkt, für sich ein Ministerium in Italien zu gründen, was jedenfalls eine Trennung der Lombardei zufolge hätte, keine Rede sein. Er vermuthe, daß Montecuccoli sich diesen Titel nur beigelegt habe, um sich mehr Gewicht zu verleihen, denn er sei blos als Kommissär nach Italien geschickt worden. Er schließt damit, daß es sich hier jedenfalls um eine provisorische Verfügung handelt für die Zeit des Krieges. Eine weitere Dauer kann dies nicht haben, er erinnert an den Inhalt der Thronrede, in welchem Sinne auch eine Zusicherung an die Höfe gegangen sei, und er sei überzeugt, man werde die Zusicherung gewissenhaft erfüllen. Pillersdorff erhebt sich und meldet, daß die Ernennung auch nicht in die Zeit seines gewesenen Ministeriums falle, sondern ihr vorangegangen sei. Hierauf wiederholt er ganz die Aussagen des Ministers Dobblhof sehr weitschweifig. Der Minister des Innern erklärt ferner, daß er noch Aufklärung über Montecuccoli sich verschaffen werde und nur mit dem Vorbehalte, daß alle Bedenken gegen Montecuccoli in Betreff des 26. Mai vor das Haus kommen, ist er zu dessen vorläufiger Belassung entschlossen. Hierauf Berathung der Geschäftsordnung. * Wien, 4. August. Dr. Adolf Fischhof ist zum Ministerialrath im Ministerium des Innern ernannt worden. Damit ist die Emancipation der Juden in Oestreich, die noch hier und da in Zweifel gestellt ward, faktisch entschieden. An Stadion's Stelle ist Wenzeslaw v. Zaleski zum Gouverneur von Gallizien mit Einschluß des krakauer Kreises und Bder ukowima ernannt. Das Ministerium hat den Grundsatz öffentlich ausgesprochen, daß die Aufhebung der Convikte eine für die Reform des Unterrichts unerläßliche Maßregel ist. Es hat diesen Grundsatz nicht nur bereits anerkannt und ausgesprochen, sondern befolgt und Schritte gethan, ihn ins Leben einzuführen. * Schweidnitz, 6. August. Der Magistrat hat eine amtliche Wiederlegung der von der reaktionären Partei und vom Militär verbreiteten Lügen über den Schweidnitzer Massacre veröffentlicht. Wir entnehmen ihr die hauptsächlichsten Stellen. Als die Katzenmusik in Fenstereinwerfen am Hause des Kommandanten überging, beschloß der auf dem Schauplatz des Excesses anwesende Bürgermeister die Signalisirung des Zusammentritts der Bürgerwehr, "was durch Loslösung des Schlagwerks der Thurm-Uhr am Rathhause verabredet, und wovon die Kommandantur schon unterm 8. Mai c. in Kenntniß gesetzt worden ist. Während dieses Signals zog sich das Volk vom Kommandanturhause zurück, da eine Kompagnie Militär dasselbe besetzte, so Sie Deutschland glauben machen, daß jene 200 Demokraten Ihrem Heere von 900,000den gefährlich sein könnten. Amnestiren Sie, dann wird man glauben, daß Sie Vertrauen zur Ruhe Deutschlands haben. Biedermann (Große Unruhe und Theilnahmslosigkeit, alle Bänke links und des linken Centrums sind fast leer: Es ist schwer, gegen die Amnestie zu sprechen. In Verlauf seiner Rede entwickelt Hr. Biedermann das Gegentheil von dem, was Simon auseinandergesetzt hat. Er meint mit sanfter Stimme, das Loos der Gefangenen wäre sehr traurig, aber man könne jetzt nicht amnestiren. Wiesner: Es freut mich daß endlich der Augenblick gekommen ist, wo ich in dieser Sache sprechen kann, um die Ehre des Hauses zu retten, welches nicht sichten will, was jene Tausende von Petenten da draußen langst gefühlt haben. Wie war es zu den Zeiten der Freiheitskriege wo die hochgestellten Verräther die die Festungen des deutschen Volkes dem Feinde übergeben hatten, pensionirt und mit Aemtern versehen wurden war das nicht mehr als Amnestie für Vaterlandsverräther. In Dahlmann's Geschichte von England können Sie sogar sehen, wie zur Zeit politischer Schwankungen das Ober- und Unterhaus nicht blos für politische Verbrecher der Vergangenheit, sondern auch für zukünftige politische Verbrecher Amnestie dekretirte. Ich statte Hr. Dahlmann meinen Dank für dieses kostbare Datum ab. (Man sieht unter großem Hohngelächter auf Hrn. Dahlmann.) Nach geschichtlichen Beweisen für die Amnestie kommt er auf den Standpunkt der Gerechtigkeit, welche Amnestie erheischt. In der badischen Kammer hat Hr. Andlaw beantragt, gewisse Herren in der Nähe des Großherzogs zu verhaften, weil sie mit Hecker unter einer Decke stächen; dies hat man nicht gethan. Mit dem badischen Volk ist man anders verfahren. Das badische Freiheitsparadies, worein ich geflohen, als ich es in meinem Vaterland nicht mehr aushalten konnte, ist zu einem großen Kerker geworden. Und was den Einwurf der Unzeitigkeit jener Revolution anbelangt, so haben wir in Wien auch nachdem sie bereits tagten, Revolutionen gemacht. Werden Sie deshalb die Wiener verhaften wollen? (Langes Bravo.) Warum wollen Sie die Badener bestrafen, weil dieselben revolutionirt, als sie schon hier tagten. In Berlin hat man dem Prinzen, den man erst steinigen wollte, nach einigen Tagen die Hand geküßt. So vergießt das Volk seine Beleidiger. Und Sie wollen sich auf die alten Hofrathsgesetze berufen? (Langes lautes Bravo). Nächstens kommt auch von uns aus Wien eine Riesenpetition, um Einberufung Heckers und Amnestirung der badischen Republikaner. Versöhnen Sie sich durch diese Amnestie mit der deutschen Nation. Wenn Sie der Untersuchung freien Lauf lassen, werden zum Nachtheil der Regierungen Dinge ans Licht kommen, die besser mit sieben Siegeln bedeckt werden. (Bravo). Edel aus Würzburg bemüht sich vom höhern politischen Gesichtspunkt aus (d. h. vom Edelschen) zu beweisen, daß jetzt noch keine Amnestie möglich. Er schreit: was treiben wir Spiel mit dem Bürgerblut. Baden würde schon amnestiren, wenn es Zeit. Er ist für den Antrag des Ausschusses. Brentano Ich bin stolz darauf hier auszusprechen, daß ich ein Freund Heckers bin. (Hohngelächter und Bravo). In dem Schreiben der badischen Regierung wagt es ein Minister den Hecker, der in dem Herzen des größten Theils des deutschen Volkes lebt, einen Landesverräther zu ernennen! (Da Hr. Brentano im Eifer der Rede die Stimme überschnappt, äfft man ihm rechts den Ton seiner Stimme nach und begleitet diese Kinderstreiche mit höhnischen Bravos, dagegen links und Gallerien ein wahres Beifallsgedonner. Soiron sucht die Bewegung mit seinen Händen niederzuhalten, wobei er sich gebärdet, wie eine Hebamme bei einem schweren Accouchement). Man hat auch Baiern, Hessen, Würtemberger in das Gefängniß zu Bruchsal abgeliefert, also falsch sagt der Berichterstatter, daß nur die badische Regierung Amnestie ertheilen könne. Von Gründen des Rechts könne man bei Amnestie nicht sprechen. Dieselbe bezieht sich ja auf Rechtsverletzungen. Hecker war unter den ersten, die die badensche Regierung auf den Weg der Freiheit führten. (Rechts ruft man unverschämt nach Schluß, Links: Ruhe). Baden hat noch gar keine freien Institutionen; es kommen dort noch schreckliche Dinge vor. So hat erst am 8. April ein Privatmann (Mathy, Minister in spe) gewagt, einen badischen Staatsbürger zu verhaften. (Von vielen Seiten Pfui, Pfui!! von der Gallerie: Pfui Teufel!! Man sieht nach Mathys Platz, der diese Pille hinunterschluckt). Deshalb und wegen vielen andern Dinge hat sich das badensche Volk empört. Man hat die deutschen Republikaner, die aus Frankreich kamen, sogar auch in unserm Ausschuß fremde Zuzügler genannt. (Rechts Hohngelächter, man schaart sich um den Hrn. v. Vincke. Gallerien Bravo). Ich würde den Hecker und den andern Männern meine Verachtung ins Gesicht werfen, wenn sie ihrer Gesinnung untreu, die Zahl der politischen Renegaten vergrößern wollten. Früher amnestirte man das arme Volk bei Accouschements von Prinzessinnen, Sterbefällen von Königen, und andern großen Ereignissen, so amnestiren Sie denn heute meine Herren, wegen des für das deutsche Volk wichtigen Ereignisses einer Centralgewalt und wegen der Ankunft des Reichsverwesers. Im Badenschen Oberland ist kein Haus, wo man nicht jammert, kein Haus, dessen Wohlstand nicht ruinirt ist, durch die Verhaftung der männlichen Stützen desselben. In Galizien und in Posen zum zweiten Male wird man nächstens Amnestie aussprechen, stehen Sie nicht zurück. Hat man den Prinzen von Preußen amnestirt, warum soll man das arme badische Volk nicht amnestiren? Bei diesen Worten erhebt sich rechts leises Getrommel, welches sich, unterstützt durch schnaubendes Wuthgeschrei der preußischen Aristokraten und Militärs, bald zu donnerähnlichem Getöse erhebt. Man stampft und tobt wie in einem Pferdestall. Als Ergänzung erhebt sich links und auf den Gallerien ein erschütterndes Klatschen und Bravogeschrei. Rechts will man Herrn Brentano hinausschmeißen, links schreit man „weiter sprechen,“ von Soiron sucht vergeblich nach Würde, um den Sturm zu beschwören. Der Gott der Stürme ist nicht anwesend. von Soiron schreit man solle den Redner den Passus noch einmal wiederholen lassen, er hätte ihn nicht genau verstanden und wüßte nicht was er thun solle. Dies erneut den Sturm, der zu einem vollständigen Orkan heranwächst. Alle Patrioten rechts springen von ihren Plätzen und stürzen nach der Tribüne, um den Redner zu prügeln, (?) links stürzt man zu seinem Schutz herbei, unter der Tribüne (auf der Brentano ruhig stehen bleibt) stoßen unter furchtbarem Accompagnement der Gallerien als Orchester die beiden Parteien zusammen, von Vinke mit seinen Patrioten einerseits, Simon aus Trier, Schaffrath, Rösler und die Linke andrerseits demonstriren mit geballten Fäusten einander in's Gesicht. Man glaubt jeden Augenblick die Keilerei der deutschen Volksvertreter beginnt. von Soiron setzt seinen berühmten Strohhut (Winzerhut) auf, und stürzt in völliger Kopflosigkeit unter unverständlichem Gebrüll, woraus ich entnehme, daß er nicht weiß was er thun soll, von dem Präsidentenstuhl herunter, und sammt dem Büreau zum Tempel des deutschen Volks hinaus. Die Rechte und Linke, unter starrem Entsetzen der Centren und fortwährend erneutem Gebrüll der Gallerien, fahren fort sich einander anzubrüllen und um die Tribüne eine köstliche Komödie aufzuführen. ‒ Nach und nach leert sich die Kirche. Die Sitzung ist zwar nicht aufgehoben, aber sie hat ein Ende. Kein Präsident läßt sich sehen. Vor der Kirche erneuern sich einzelne erbauliche Szenen derselben Art. Durch alle Straßen, die ich bis zu meinem Hause passirte große Aufregung. Frankfurt, 8. Aug. In der heutigen 57. Sitzung der verfassunggebenden Reichsversammlung wurden mehrere auf den gestrigen Vorfall bezügliche Anträge verlesen. Einer derselben bezweckte, daß der Abgeordnete Brentano wegen seiner gestrigen Aeußerung zur Ordnung gerufen werde. Vicepräsident v. Soiron als Vorsitzender sprach den Ordnungsruf aus. Die Linke protestirte dagegen, weil die Anträge vorher diskutirt und Brentano's Vertheidigung gehört werden müsse. In Folge des hierüber entstandenen Tumults wurde die Sitzung auf eine Stunde suspendirt. Nach Wiedereröffnung derselben wiederholte v. Soiron den Ordnungsruf unter erneuertem Protest der Linken und gab dann Brentano das Wort zur Fortsetzung seines gestrigen Vortrags. Als Brentano die Rednerbühne betrat, erhob sich stürmischer Beifallsruf. Der Präsident ließ nunmehr die Gallerie und sämmtliche Zuhörerräume leeren. Auch die Journalisten mußten abtreten. Mehrere Mitglieder der Linken protestirten gegen die Fortsetzung der Sitzung in Abwesenheit des Publikums, da eine geheime Sitzung nur auf Antrag von 50 Mitgliedern stattfinden könne. Andererseits wurde behauptet, daß durch die Entfernung des Publikums, die dem Präsidenten nach der Geschäftsordnung zustehe, die Sitzung keineswegs eine geheime sei. Auf Antrag Zimmermann's von Spandau wurden die Journalisten wieder zugelassen, die Zulassung des Publikums aber mit 380 gegen 91 Stimmen verworfen. ‒ Nachschrift. 3. Uhr. Die Nationalversammlung hat über die Petitionen um Amnestie mit 317 gegen 90 Stimmen die motivirte Tagesordnung beschlossen. (Fr. J.) * Mainz, 8. August. In dem Urtheil, welches in Betreff Schöpplers und der andern Angeklagten gefällt worden, befindet sich auch folgende Stelle: „Dem Polizeistrafrichter aber steht es nicht zu, aus seiner blos „richterlichen Sphäre heraus und das Gebiet des Gesetzgebers zu „betreten, und etwa aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und „Ruhe oder, indem er sich auf einen politischen Stand„punkt stellt, willkührlich das Strafgesetz zu er„gänzen, wenn sich eine Lücke darin darbietet.“ Das könnten sich gar viele Leute, nämlich Beamten, auch außerhalb Mainz zu Herzen nehmen. Uebrigens soll gegen oben erwähntes Urtheil Appell eingelegt worden sein. Es frägt sich also, ob der hier ausgesprochene Grundsatz auch in zweiter Instanz anerkannt werden wird. Augsburg, 6. August. Heute Morgen um 81/2 Uhr etwa stellten sich die Truppen auf dem Frohnhof auf, um dem Reichsverweser ihre Huldigung darzubringen: Chevauxlegers, ein Regiment Infanterie, zwei Kompagnien Artillerie; sie bildeten ein Viereck von dem die eine Seite nicht geschlossen war. Im Viereck standen die Offiziere, die von dem Militär eingeladenen Civilbeamten, Deputationen der Landwehr und des Freikorps. Nachdem zu den Soldaten einige Worte gesprochen waren, wurden drei Hoch ausgebracht: dem König, dem Reichsverweser, dem deutschen Vaterlande, alle drei so schwach, daß etwas entfernter Stehende sie kaum vernommen haben. (A. Z.)Dessau, 4. Aug. Nachdem am 2. August die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. die Abschaffung des Adels abgelehnt hat, welche Nachricht heute hier bekannt wurde und in so manchem bang schlagenden Herzen freudigen Trost hervorgerufen haben mag, kam in der heutigen Sitzung unseres konstituirenden Landtags der Antrag des Abgeordneten v. Prüschenck auf Abschaffung des Adels zur Berathung. Nachdem die Abgeordneten v. Braunbehrens und Imme dagegen, die Abgeordneten v. Behr, Fiedler, Habicht, Hölemann, Janasch, Patzig, Sander, Schilling, dafür gesprochen hatten, wurde der Antrag in drei Theile getheilt und namentlich abgestimmt, nämlich: 1. Der Adel wird hiermit abgeschafft. Einstimmig angenommen. 2. Alle zur Bezeichnung des Adels dienenden Ausdrücke verlieren ihre Bedeutung. Einstimmig angenommen. 3. Und dürfen nicht mehr gebraucht werden. Mit 18 gegen 13 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 5 Stimmen angenommen. (D. A. Z.) * Braunschweig, 4. August. Der Herzog ist vom Volke gezwungen worden, den Befehl, dem Reichsverweser nicht, zu duldigen, zurückzunehmen, sich selbst zu widerrufen und zu desavouiren. Hätte er das nicht gethan, so wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Lande gejagt worden und hätte sich ein Quartier in London miethen können. 16 Prag, 4. Aug. So eben wird eine „Kundmachung“ des Fürsten Windischgrätz an allen Ecken angeschlagen. Sie enthält die Erklärung, daß laut Ministerialbefehl die Militär-Kommission aufgelöst und Akten und Gefangene dem zuständigen Kriminalgericht übergeben sind. Dann enthält sie einige Notizen über die angebliche große Slavenverschwörung. Zuerst haben Gefangene ausgesagt, daß man Windischgrätz nach dem Leben getrachtet; daß man sich bewaffnet, Pläne der Stadt, des Schlosses etc. entworfen, daß man sogar Kanonen verlangt; daß man die Arbeiter aufgefordert, sich an einem etwaigen Kampf zu betheiligen: daß man am 13 Juni in Krakau (!) Zettel vertheilt mit den Worten: 15. Juni, Achtsamkeit, Vorsicht, zu Hause sitzen! ‒ daß man das Landvolk aufgefordert, die Roboten zu verweigern und sich zu bewaffnen; und andre längst bekannte Geschichten. Dann folgt die Aussage eines „geständigen Verschworenen, die wir vollständig geben, damit unsere Leser zugleich eine Probe von dem Deutsch des tapfern Czechenfressers erhalten. Inquisit sagt aus: „Zu Ostern 1847 wurde er zu Eperies in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen, ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien, Serbien, den Slowacken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien und östereichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn verschwinden zu machen, sich von Oestreich loszureißen, und im ungünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik, war man noch mit einem fremden Staate in Korrespondenz. Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden und die Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Umgebung von Preßburg, bei den Slowacken ausbrechen. Nachdem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proklamirt war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centralisationen errichtet, denen eigne Chef's vorstanden, und die ihre Korrespondenz, theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt. Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Ausführung gebracht worden ist. ‒ Inquisit gibt an, mehrere Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet worden zu sein. In Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Alles vorbereitet, und es bald losgehen werde. In Prag angekommen erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die Regierung und gegen das Militär aufreizende Reden gehalten wurden.“ Dann heißt es weiter: Außer den Sitzungen im Kongresse waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte Reden, in denen es hieß: Daß die Prager den Wienern nicht nachstehen dürften, daß die Studenten um dem Militär mehr zu imponiren, Waffen, selbst Kanonen bekommen müßten, und daß man zu deren Bedienung schon die erforderliche Anzahl Leute bereit und im Solde habe; daß die Errichtung der Barikaden bereits eingeleitet, daß man mit Munition hinlänglich versehen ist, aber noch nicht losschlagen könne, weil es noch nicht an der Zeit sei, die Swornoster noch auf dem Lande sind, um den Bauer gehörig zu bearbeiten, ihn aufzuwiegeln, und zum Landsturme gegen Prag zu bewegen etc. Was sagen Sie zu diesem Produkte einer zweimonatlichen Untersuchung, was zu der schönen Logik, mit welcher man aus diesen Aussagen eine Verschwörung heraus zu klauben sucht? Wenn die Untersuchungskommission ihre Aufgabe damit gelöst glaubt, daß sie heraus zu bekommen suchte, ob die Sache vorbereitet oder nicht war, so hatte sie wahrlich nicht so viel Zeit dazu gebraucht, beim daß es binnen kurzem zu einem Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht kommen mußte, war leicht voraus zu sehen, indem der Fürst Windischgrätz der Bürgerschaft reine Garantieen für die errungenen Freiheiten durch eine vollständige Bewaffnung geben wollte während seine militärischen Anstalten eben so gut an einen Angriff von seiner Seite als auf Vertheidigungsmaßregeln hätten schließen lassen, und die Hartnäckigkeit, mit welcher dem Kaiser und der Regierung in Wien jede Freiheit abgetrotzt werden mußte, die anerkannte aristokratischen Denkungsakt des Hrn. Windischgrätz, gaben vollends keine Bürgschaft für seine Absichten. Ein jeder sagte es sich, daß über kurz oder lang ein Zusammenstoß statt finden müsse und daß es bei keiner Gelegenheit an Schmeicheleien für Windischgrätz fehlte, ist eben kein Wunder. Ueber die Art und Weise, wie der Kampf entstand, habe ich Ihnen schon früher berichtet und überlasse es den Ansichten der Leser, ob sie aus dieser Kundmachung eine Verschwörung heraus finden können. Graf Buquoi, das Haupt der „Verschwörer und Bartholomäusnächtler“ ist vor einigen Tagen als völlig unschuldig in Freiheit gesetzt worden und befindet sich auf seinem Gute Rothenhaus, um seine im Kerker angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, und so eben vernehmen wir, daß ein Ministeralerlaß die Freilassung des Dr. Brauner decretirt. Wien, 2. August. Sie haben gewiß in dem Abendblatt der „Wiener Zeitung“ vom 1. August gelesen, daß Se. Majestät dem Grafen Brandis, Exgouverneur von Tyrol, das Großkreuz des Leopoldordens „als Beweis Allerhöchstihrer Gnade“ persönlich überreicht hat. Man ist hier über diesen offenbaren Trotz der öffentlichen Meinung gegenüber, welche denselben Grafen Brandis in höchster Ungnade von seinem Posten gestürzt und unschädlich gemacht hat, nicht wenig erstaunt. Man beklagt aufs tiefste den Wahnsinn der Camarilla, welche die Anhänglichkeit an die Person des Monarchen im Volke mit aller Gewalt durch ihre rasenden Rathschläge zu vernichten sich bemüht. Das ist eine offenbare Beleidigung unseres Ministeriums und dieses hat den unklugen Schritt in Innsbruck damit desavouirt, daß es die Nachricht nicht in den amtlichen Theil, sondern hinten als Auszug aus dem „Tyroler Boten“ brachte. O beklagenswerthe und unheilvolle Spaltung! (C. B. a. B)Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstags am 4. August. Vorsitz: Vicepräsident Strobach. Violand: Ich erlaube mir, an den Minister des Innern eine Frage zu stellen von höchster Bedeutung. Ich muß zuvor auf einen Vorgang, der viel frühere Zeit stattfand, aufmerksam machen und erinnere an den 26. Mai, nach welchem Montecuccoli sich in Pläne eingelassen, die mit denen der Reaktion in genauer Verbindung zu stehen schienen, und nach der allgemeinen Ansicht des Volkes zum Anlaß haben sollten, die Errungenschaften des 15. Mai aufzuheben. Montecuccoli entfloh von Wien, und würde sich als Bannerträger der Reaktion bei einer Rückkehr der größten Gefahr aussetzen. Zum Erstaunen meiner ganzen Partei erfahren wir in einer Proklamation, daß Montecuccoli Staatsminister, und beauftragt sei, die Administration der Lombardei zu leiten. Ich frage, ist Montecuccoli Minister, und ist er Minister, ist er verantwortlich oder unverantwortlich? Wenn er Minister ist, hat die Ernennung durch Contrasignirung des Ministeriums stattgefunden? Ist er durch dasselbe nicht anerkannt, so ist er absoluter Minister; durch einen absoluten Minister und eine absolute Verfahrungsweise muß nothwendig eine Trennung der Lombardei von uns stattfinden. Wurde er unter dem alten Ministerium ernannt, wie konnte er nach dem 26. Mai belassen werden? Wenn die Trennung bestünde, und nach der Wiedereroberung zum Schein oder gar nicht konstitutionelle Formen eintreten würden, wüßte man, wie es kommt, daß wir Eingriffe in die Freiheit eines Volkes machen wollten! Dobblhof antwortet, daß Montecuccoli im Februar ernannt wurde, und die Mission hatte nach Italien zu reisen, da der Vicekönig in seinem damaligen erweiterten Wirkungskreise Jemanden benöthigte, der mit den Verhältnissen des Landes vertraut sei, um Klagen und Beschwerden beizulegen. Montecuccoli sei in einer Kategorie welche er nicht anerkenne, und sein Titel sei eben nur ein Titel, welchen er aber zu seinem Erstaunen gelesen. Der Erlaß sei ihm auch nur auf dem Privatwege zugekommen und er könne ihn nicht billigen, da es jedenfalls zu unangenehmen Auslegungen Anlaß gebe. Es kann von einer solchen Stellung, wie bemerkt, für sich ein Ministerium in Italien zu gründen, was jedenfalls eine Trennung der Lombardei zufolge hätte, keine Rede sein. Er vermuthe, daß Montecuccoli sich diesen Titel nur beigelegt habe, um sich mehr Gewicht zu verleihen, denn er sei blos als Kommissär nach Italien geschickt worden. Er schließt damit, daß es sich hier jedenfalls um eine provisorische Verfügung handelt für die Zeit des Krieges. Eine weitere Dauer kann dies nicht haben, er erinnert an den Inhalt der Thronrede, in welchem Sinne auch eine Zusicherung an die Höfe gegangen sei, und er sei überzeugt, man werde die Zusicherung gewissenhaft erfüllen. Pillersdorff erhebt sich und meldet, daß die Ernennung auch nicht in die Zeit seines gewesenen Ministeriums falle, sondern ihr vorangegangen sei. Hierauf wiederholt er ganz die Aussagen des Ministers Dobblhof sehr weitschweifig. Der Minister des Innern erklärt ferner, daß er noch Aufklärung über Montecuccoli sich verschaffen werde und nur mit dem Vorbehalte, daß alle Bedenken gegen Montecuccoli in Betreff des 26. Mai vor das Haus kommen, ist er zu dessen vorläufiger Belassung entschlossen. Hierauf Berathung der Geschäftsordnung. * Wien, 4. August. Dr. Adolf Fischhof ist zum Ministerialrath im Ministerium des Innern ernannt worden. Damit ist die Emancipation der Juden in Oestreich, die noch hier und da in Zweifel gestellt ward, faktisch entschieden. An Stadiòn's Stelle ist Wenzeslaw v. Zaleski zum Gouverneur von Gallizien mit Einschluß des krakauer Kreises und Bder ukowima ernannt. Das Ministerium hat den Grundsatz öffentlich ausgesprochen, daß die Aufhebung der Convikte eine für die Reform des Unterrichts unerläßliche Maßregel ist. Es hat diesen Grundsatz nicht nur bereits anerkannt und ausgesprochen, sondern befolgt und Schritte gethan, ihn ins Leben einzuführen. * Schweidnitz, 6. August. Der Magistrat hat eine amtliche Wiederlegung der von der reaktionären Partei und vom Militär verbreiteten Lügen über den Schweidnitzer Massacre veröffentlicht. Wir entnehmen ihr die hauptsächlichsten Stellen. Als die Katzenmusik in Fenstereinwerfen am Hause des Kommandanten überging, beschloß der auf dem Schauplatz des Excesses anwesende Bürgermeister die Signalisirung des Zusammentritts der Bürgerwehr, „was durch Loslösung des Schlagwerks der Thurm-Uhr am Rathhause verabredet, und wovon die Kommandantur schon unterm 8. Mai c. in Kenntniß gesetzt worden ist. Während dieses Signals zog sich das Volk vom Kommandanturhause zurück, da eine Kompagnie Militär dasselbe besetzte, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar071_006" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0359"/> Sie Deutschland glauben machen, daß jene 200 Demokraten Ihrem Heere von 900,000den gefährlich sein könnten. Amnestiren Sie, dann wird man glauben, daß Sie Vertrauen zur Ruhe Deutschlands haben.</p> <p><hi rendition="#g">Biedermann</hi> (Große Unruhe und Theilnahmslosigkeit, alle Bänke links und des linken Centrums sind fast leer: Es ist schwer, gegen die Amnestie zu sprechen. In Verlauf seiner Rede entwickelt Hr. Biedermann das Gegentheil von dem, was Simon auseinandergesetzt hat. Er meint mit sanfter Stimme, das Loos der Gefangenen wäre sehr traurig, aber man könne jetzt nicht amnestiren.</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner:</hi> Es freut mich daß endlich der Augenblick gekommen ist, wo ich in dieser Sache sprechen kann, um die Ehre des Hauses zu retten, welches nicht sichten will, was jene Tausende von Petenten da draußen langst gefühlt haben. Wie war es zu den Zeiten der Freiheitskriege wo die hochgestellten Verräther die die Festungen des deutschen Volkes dem Feinde übergeben hatten, pensionirt und mit Aemtern versehen wurden war das nicht mehr als Amnestie für Vaterlandsverräther. In Dahlmann's Geschichte von England können Sie sogar sehen, wie zur Zeit politischer Schwankungen das Ober- und Unterhaus nicht blos für politische Verbrecher der Vergangenheit, sondern auch für zukünftige politische Verbrecher Amnestie dekretirte. Ich statte Hr. Dahlmann meinen Dank für dieses kostbare Datum ab. (Man sieht unter großem Hohngelächter auf Hrn. Dahlmann.) Nach geschichtlichen Beweisen für die Amnestie kommt er auf den Standpunkt der Gerechtigkeit, welche Amnestie erheischt.</p> <p>In der badischen Kammer hat Hr. Andlaw beantragt, gewisse Herren in der Nähe des Großherzogs zu verhaften, weil sie mit Hecker unter einer Decke stächen; dies hat man nicht gethan. Mit dem badischen Volk ist man anders verfahren. Das badische Freiheitsparadies, worein ich geflohen, als ich es in meinem Vaterland nicht mehr aushalten konnte, ist zu einem großen Kerker geworden. Und was den Einwurf der Unzeitigkeit jener Revolution anbelangt, so haben wir in Wien auch nachdem sie bereits tagten, Revolutionen gemacht. Werden Sie deshalb die Wiener verhaften wollen? (Langes Bravo.)</p> <p>Warum wollen Sie die Badener bestrafen, weil dieselben revolutionirt, als sie schon hier tagten. In Berlin hat man dem Prinzen, den man erst steinigen wollte, nach einigen Tagen die Hand geküßt. So vergießt das Volk seine Beleidiger. Und Sie wollen sich auf die alten Hofrathsgesetze berufen? (Langes lautes Bravo). Nächstens kommt auch von uns aus Wien eine Riesenpetition, um Einberufung Heckers und Amnestirung der badischen Republikaner. Versöhnen Sie sich durch diese Amnestie mit der deutschen Nation. Wenn Sie der Untersuchung freien Lauf lassen, werden zum Nachtheil der Regierungen Dinge ans Licht kommen, die besser mit sieben Siegeln bedeckt werden. (Bravo).</p> <p><hi rendition="#g">Edel</hi> aus Würzburg bemüht sich vom höhern politischen Gesichtspunkt aus (d. h. vom Edelschen) zu beweisen, daß jetzt noch keine Amnestie möglich. Er schreit: was treiben wir Spiel mit dem Bürgerblut.</p> <p>Baden würde schon amnestiren, wenn es Zeit. Er ist für den Antrag des Ausschusses.</p> <p><hi rendition="#g">Brentano</hi> Ich bin stolz darauf hier auszusprechen, daß ich ein Freund Heckers bin. (Hohngelächter und Bravo).</p> <p>In dem Schreiben der badischen Regierung wagt es ein Minister den Hecker, der in dem Herzen des größten Theils des deutschen Volkes lebt, einen Landesverräther zu ernennen! (Da Hr. Brentano im Eifer der Rede die Stimme überschnappt, äfft man ihm rechts den Ton seiner Stimme nach und begleitet diese Kinderstreiche mit höhnischen Bravos, dagegen links und Gallerien ein wahres Beifallsgedonner. Soiron sucht die Bewegung mit seinen Händen niederzuhalten, wobei er sich gebärdet, wie eine Hebamme bei einem schweren Accouchement). Man hat auch Baiern, Hessen, Würtemberger in das Gefängniß zu Bruchsal abgeliefert, also falsch sagt der Berichterstatter, daß nur die badische Regierung Amnestie ertheilen könne. Von Gründen des Rechts könne man bei Amnestie nicht sprechen. Dieselbe bezieht sich ja auf Rechtsverletzungen. Hecker war unter den ersten, die die badensche Regierung auf den Weg der Freiheit führten. (Rechts ruft man unverschämt nach Schluß, Links: Ruhe). Baden hat noch gar keine freien Institutionen; es kommen dort noch schreckliche Dinge vor. So hat erst am 8. April ein Privatmann (Mathy, Minister in spe) gewagt, einen badischen Staatsbürger zu verhaften. (Von vielen Seiten Pfui, Pfui!! von der Gallerie: Pfui Teufel!! Man sieht nach Mathys Platz, der diese Pille hinunterschluckt). Deshalb und wegen vielen andern Dinge hat sich das badensche Volk empört. Man hat die deutschen Republikaner, die aus Frankreich kamen, sogar auch in unserm Ausschuß fremde Zuzügler genannt. (Rechts Hohngelächter, man schaart sich um den Hrn. v. Vincke. Gallerien Bravo). Ich würde den Hecker und den andern Männern meine Verachtung ins Gesicht werfen, wenn sie ihrer Gesinnung untreu, die Zahl der politischen Renegaten vergrößern wollten.</p> <p>Früher amnestirte man das arme Volk bei Accouschements von Prinzessinnen, Sterbefällen von Königen, und andern großen Ereignissen, so amnestiren Sie denn heute meine Herren, wegen des für das deutsche Volk wichtigen Ereignisses einer Centralgewalt und wegen der Ankunft des Reichsverwesers. Im Badenschen Oberland ist kein Haus, wo man nicht jammert, kein Haus, dessen Wohlstand nicht ruinirt ist, durch die Verhaftung der männlichen Stützen desselben. In Galizien und in Posen zum zweiten Male wird man nächstens Amnestie aussprechen, stehen Sie nicht zurück. Hat man den Prinzen von Preußen amnestirt, warum soll man das arme badische Volk nicht amnestiren?</p> <p>Bei diesen Worten erhebt sich rechts leises Getrommel, welches sich, unterstützt durch schnaubendes Wuthgeschrei der preußischen Aristokraten und Militärs, bald zu donnerähnlichem Getöse erhebt. Man stampft und tobt wie in einem Pferdestall. Als Ergänzung erhebt sich links und auf den Gallerien ein erschütterndes Klatschen und Bravogeschrei. Rechts will man Herrn Brentano hinausschmeißen, links schreit man „weiter sprechen,“ von Soiron sucht vergeblich nach Würde, um den Sturm zu beschwören. Der Gott der Stürme ist nicht anwesend. von Soiron schreit man solle den Redner den Passus noch einmal wiederholen lassen, er hätte ihn nicht genau verstanden und wüßte nicht was er thun solle. Dies erneut den Sturm, der zu einem vollständigen Orkan heranwächst. Alle Patrioten rechts springen von ihren Plätzen und stürzen nach der Tribüne, um den Redner zu prügeln, (?) links stürzt man zu seinem Schutz herbei, unter der Tribüne (auf der Brentano ruhig stehen bleibt) stoßen unter furchtbarem Accompagnement der Gallerien als Orchester die beiden Parteien zusammen, von Vinke mit seinen Patrioten einerseits, Simon aus Trier, Schaffrath, Rösler und die Linke andrerseits demonstriren mit geballten Fäusten einander in's Gesicht. Man glaubt jeden Augenblick die Keilerei der deutschen Volksvertreter beginnt. von Soiron setzt seinen berühmten Strohhut (Winzerhut) auf, und stürzt in völliger Kopflosigkeit unter unverständlichem Gebrüll, woraus ich entnehme, daß er nicht weiß was er thun soll, von dem Präsidentenstuhl herunter, und sammt dem Büreau zum Tempel des deutschen Volks hinaus. Die Rechte und Linke, unter starrem Entsetzen der Centren und fortwährend erneutem Gebrüll der Gallerien, fahren fort sich einander anzubrüllen und um die Tribüne eine köstliche Komödie aufzuführen. ‒ Nach und nach leert sich die Kirche. Die Sitzung ist zwar nicht aufgehoben, aber sie hat ein Ende. Kein Präsident läßt sich sehen. Vor der Kirche erneuern sich einzelne erbauliche Szenen derselben Art. Durch alle Straßen, die ich bis zu meinem Hause passirte große Aufregung.</p> </div> <div xml:id="ar071_007" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 8. Aug.</head> <p>In der heutigen 57. Sitzung der verfassunggebenden Reichsversammlung wurden mehrere auf den gestrigen Vorfall bezügliche Anträge verlesen. Einer derselben bezweckte, daß der Abgeordnete Brentano wegen seiner gestrigen Aeußerung zur Ordnung gerufen werde. Vicepräsident v. Soiron als Vorsitzender sprach den Ordnungsruf aus. Die Linke protestirte dagegen, weil die Anträge vorher diskutirt und Brentano's Vertheidigung gehört werden müsse. In Folge des hierüber entstandenen Tumults wurde die Sitzung auf eine Stunde suspendirt. Nach Wiedereröffnung derselben wiederholte v. Soiron den Ordnungsruf unter erneuertem Protest der Linken und gab dann Brentano das Wort zur Fortsetzung seines gestrigen Vortrags. Als Brentano die Rednerbühne betrat, erhob sich stürmischer Beifallsruf. Der Präsident ließ nunmehr die Gallerie und sämmtliche Zuhörerräume leeren. Auch die Journalisten mußten abtreten. Mehrere Mitglieder der Linken protestirten gegen die Fortsetzung der Sitzung in Abwesenheit des Publikums, da eine geheime Sitzung nur auf Antrag von 50 Mitgliedern stattfinden könne. Andererseits wurde behauptet, daß durch die Entfernung des Publikums, die dem Präsidenten nach der Geschäftsordnung zustehe, die Sitzung keineswegs eine geheime sei. Auf Antrag Zimmermann's von Spandau wurden die Journalisten wieder zugelassen, die Zulassung des Publikums aber mit 380 gegen 91 Stimmen verworfen. ‒ <hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> 3. Uhr. Die Nationalversammlung hat über die Petitionen um Amnestie mit 317 gegen 90 Stimmen die motivirte Tagesordnung beschlossen.</p> <bibl>(Fr. J.)</bibl> </div> <div xml:id="ar071_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Mainz, 8. August.</head> <p>In dem Urtheil, welches in Betreff Schöpplers und der andern Angeklagten gefällt worden, befindet sich auch folgende Stelle:</p> <p>„Dem Polizeistrafrichter aber steht es nicht zu, aus seiner blos „richterlichen Sphäre heraus und das Gebiet des Gesetzgebers zu „betreten, und etwa aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und „Ruhe oder, <hi rendition="#g">indem er sich auf einen politischen Stand„punkt stellt, willkührlich das Strafgesetz zu er„gänzen, wenn sich eine Lücke darin darbietet.“</hi> </p> <p>Das könnten sich gar viele Leute, nämlich Beamten, auch außerhalb Mainz zu Herzen nehmen.</p> <p>Uebrigens soll gegen oben erwähntes Urtheil Appell eingelegt worden sein. Es frägt sich also, ob der hier ausgesprochene Grundsatz auch in zweiter Instanz anerkannt werden wird.</p> </div> <div xml:id="ar071_009" type="jArticle"> <head>Augsburg, 6. August.</head> <p>Heute Morgen um 81/2 Uhr etwa stellten sich die Truppen auf dem Frohnhof auf, um dem Reichsverweser ihre Huldigung darzubringen: Chevauxlegers, ein Regiment Infanterie, zwei Kompagnien Artillerie; sie bildeten ein Viereck von dem die eine Seite nicht geschlossen war. Im Viereck standen die Offiziere, die von dem Militär eingeladenen Civilbeamten, Deputationen der Landwehr und des Freikorps. Nachdem zu den Soldaten einige Worte gesprochen waren, wurden drei Hoch ausgebracht: dem König, dem Reichsverweser, dem deutschen Vaterlande, alle drei so schwach, daß etwas entfernter Stehende sie kaum vernommen haben.</p> <bibl>(A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar071_010" type="jArticle"> <head>Dessau, 4. Aug.</head> <p>Nachdem am 2. August die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. <hi rendition="#g">die Abschaffung des Adels</hi> abgelehnt hat, welche Nachricht heute hier bekannt wurde und in so manchem bang schlagenden Herzen freudigen Trost hervorgerufen haben mag, kam in der heutigen Sitzung unseres konstituirenden Landtags der Antrag des Abgeordneten v. Prüschenck auf Abschaffung des Adels zur Berathung. Nachdem die Abgeordneten v. Braunbehrens und Imme dagegen, die Abgeordneten v. Behr, Fiedler, Habicht, Hölemann, Janasch, Patzig, Sander, Schilling, dafür gesprochen hatten, wurde der Antrag in drei Theile getheilt und namentlich abgestimmt, nämlich: 1. Der Adel wird hiermit abgeschafft. Einstimmig angenommen. 2. Alle zur Bezeichnung des Adels dienenden Ausdrücke verlieren ihre Bedeutung. Einstimmig angenommen. 3. Und dürfen nicht mehr gebraucht werden. Mit 18 gegen 13 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 5 Stimmen angenommen.</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar071_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Braunschweig, 4. August.</head> <p>Der Herzog ist vom Volke gezwungen worden, den Befehl, dem Reichsverweser nicht, zu duldigen, zurückzunehmen, sich selbst zu widerrufen und zu desavouiren. Hätte er das nicht gethan, so wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Lande gejagt worden und hätte sich ein Quartier in London miethen können.</p> </div> <div xml:id="ar071_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Prag, 4. Aug.</head> <p>So eben wird eine „Kundmachung“ des Fürsten Windischgrätz an allen Ecken angeschlagen. Sie enthält die Erklärung, daß laut Ministerialbefehl die Militär-Kommission aufgelöst und Akten und Gefangene dem zuständigen Kriminalgericht übergeben sind. Dann enthält sie einige Notizen über die angebliche große Slavenverschwörung. Zuerst haben Gefangene ausgesagt, daß man Windischgrätz nach dem Leben getrachtet; daß man sich bewaffnet, Pläne der Stadt, des Schlosses etc. entworfen, daß man sogar Kanonen verlangt; daß man die Arbeiter aufgefordert, sich an einem etwaigen Kampf zu betheiligen: daß man am 13 Juni in <hi rendition="#g">Krakau</hi> (!) Zettel vertheilt mit den Worten: 15. Juni, Achtsamkeit, Vorsicht, zu Hause sitzen! ‒ daß man das Landvolk aufgefordert, die Roboten zu verweigern und sich zu bewaffnen; und andre längst bekannte Geschichten.</p> <p>Dann folgt die Aussage eines „geständigen Verschworenen, die wir vollständig geben, damit unsere Leser zugleich eine Probe von dem Deutsch des tapfern Czechenfressers erhalten.</p> <p>Inquisit sagt aus: „Zu Ostern 1847 wurde er zu Eperies in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen, ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien, Serbien, den Slowacken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien und östereichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn verschwinden zu machen, sich von Oestreich loszureißen, und im ungünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik, war man noch mit einem fremden Staate in Korrespondenz. Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden und die Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Umgebung von Preßburg, bei den Slowacken ausbrechen.</p> <p>Nachdem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proklamirt war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centralisationen errichtet, denen eigne Chef's vorstanden, und die ihre Korrespondenz, theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt. Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Ausführung gebracht worden ist. ‒ Inquisit gibt an, mehrere Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet worden zu sein. In Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Alles vorbereitet, und es bald losgehen werde.</p> <p>In Prag angekommen erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die Regierung und gegen das Militär aufreizende Reden gehalten wurden.“</p> <p>Dann heißt es weiter:</p> <p>Außer den Sitzungen im Kongresse waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte Reden, in denen es hieß: Daß die Prager den Wienern nicht nachstehen dürften, daß die Studenten um dem Militär mehr zu imponiren, Waffen, selbst Kanonen bekommen müßten, und daß man zu deren Bedienung schon die erforderliche Anzahl Leute bereit und im Solde habe; daß die Errichtung der Barikaden bereits eingeleitet, daß man mit Munition hinlänglich versehen ist, aber noch nicht losschlagen könne, weil es noch nicht an der Zeit sei, die Swornoster noch auf dem Lande sind, um den Bauer gehörig zu bearbeiten, ihn aufzuwiegeln, und zum Landsturme gegen Prag zu bewegen etc.</p> <p>Was sagen Sie zu diesem Produkte einer zweimonatlichen Untersuchung, was zu der schönen Logik, mit welcher man aus diesen Aussagen eine Verschwörung heraus zu klauben sucht? Wenn die Untersuchungskommission ihre Aufgabe damit gelöst glaubt, daß sie heraus zu bekommen suchte, ob die Sache vorbereitet oder nicht war, so hatte sie wahrlich nicht so viel Zeit dazu gebraucht, beim daß es binnen kurzem zu einem Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht kommen mußte, war leicht voraus zu sehen, indem der Fürst Windischgrätz der Bürgerschaft reine Garantieen für die errungenen Freiheiten durch eine vollständige Bewaffnung geben wollte während seine militärischen Anstalten eben so gut an einen Angriff von seiner Seite als auf Vertheidigungsmaßregeln hätten schließen lassen, und die Hartnäckigkeit, mit welcher dem Kaiser und der Regierung in Wien jede Freiheit abgetrotzt werden mußte, die anerkannte aristokratischen Denkungsakt des Hrn. Windischgrätz, gaben vollends keine Bürgschaft für seine Absichten. Ein jeder sagte es sich, daß über kurz oder lang ein Zusammenstoß statt finden müsse und daß es bei keiner Gelegenheit an Schmeicheleien für Windischgrätz fehlte, ist eben kein Wunder. Ueber die Art und Weise, wie der Kampf entstand, habe ich Ihnen schon früher berichtet und überlasse es den Ansichten der Leser, ob sie aus dieser Kundmachung eine Verschwörung heraus finden können.</p> <p>Graf Buquoi, das Haupt der „Verschwörer und Bartholomäusnächtler“ ist vor einigen Tagen als völlig unschuldig in Freiheit gesetzt worden und befindet sich auf seinem Gute Rothenhaus, um seine im Kerker angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, und so eben vernehmen wir, daß ein Ministeralerlaß die Freilassung des Dr. Brauner decretirt.</p> </div> <div xml:id="ar071_013" type="jArticle"> <head>Wien, 2. August.</head> <p>Sie haben gewiß in dem Abendblatt der „Wiener Zeitung“ vom 1. August gelesen, daß Se. Majestät dem Grafen <hi rendition="#g">Brandis,</hi> Exgouverneur von Tyrol, das Großkreuz des Leopoldordens „als Beweis Allerhöchstihrer Gnade“ persönlich überreicht hat. Man ist hier über diesen offenbaren Trotz der öffentlichen Meinung gegenüber, welche denselben Grafen Brandis in höchster Ungnade von seinem Posten gestürzt und unschädlich gemacht hat, nicht wenig erstaunt. Man beklagt aufs tiefste den Wahnsinn der Camarilla, welche die Anhänglichkeit an die Person des Monarchen im Volke mit aller Gewalt durch ihre rasenden Rathschläge zu vernichten sich bemüht. Das ist eine offenbare Beleidigung unseres Ministeriums und dieses hat den unklugen Schritt in Innsbruck damit desavouirt, daß es die Nachricht nicht in den amtlichen Theil, sondern hinten als Auszug aus dem „Tyroler Boten“ brachte. O beklagenswerthe und unheilvolle Spaltung!</p> <bibl>(C. B. a. B)</bibl> </div> <div xml:id="ar071_014" type="jArticle"> <head>Wien.</head> <p>Sitzung des konstituirenden Reichstags am 4. August.</p> <p>Vorsitz: Vicepräsident Strobach.</p> <p>Violand: Ich erlaube mir, an den Minister des Innern eine Frage zu stellen von höchster Bedeutung. Ich muß zuvor auf einen Vorgang, der viel frühere Zeit stattfand, aufmerksam machen und erinnere an den 26. Mai, nach welchem Montecuccoli sich in Pläne eingelassen, die mit denen der Reaktion in genauer Verbindung zu stehen schienen, und nach der allgemeinen Ansicht des Volkes zum Anlaß haben sollten, die Errungenschaften des 15. Mai aufzuheben. Montecuccoli entfloh von Wien, und würde sich als Bannerträger der Reaktion bei einer Rückkehr der größten Gefahr aussetzen. Zum Erstaunen meiner ganzen Partei erfahren wir in einer Proklamation, daß Montecuccoli Staatsminister, und beauftragt sei, die Administration der Lombardei zu leiten. Ich frage, ist Montecuccoli Minister, und ist er Minister, ist er verantwortlich oder unverantwortlich? Wenn er Minister ist, hat die Ernennung durch Contrasignirung des Ministeriums stattgefunden? Ist er durch dasselbe nicht anerkannt, so ist er absoluter Minister; durch einen absoluten Minister und eine absolute Verfahrungsweise muß nothwendig eine Trennung der Lombardei von uns stattfinden. Wurde er unter dem alten Ministerium ernannt, wie konnte er nach dem 26. Mai belassen werden? Wenn die Trennung bestünde, und nach der Wiedereroberung zum Schein oder gar nicht konstitutionelle Formen eintreten würden, wüßte man, wie es kommt, daß wir Eingriffe in die Freiheit eines Volkes machen wollten!</p> <p>Dobblhof antwortet, daß Montecuccoli im Februar ernannt wurde, und die Mission hatte nach Italien zu reisen, da der Vicekönig in seinem damaligen erweiterten Wirkungskreise Jemanden benöthigte, der mit den Verhältnissen des Landes vertraut sei, um Klagen und Beschwerden beizulegen. Montecuccoli sei in einer Kategorie welche er nicht anerkenne, und sein Titel sei eben nur ein Titel, welchen er aber zu seinem Erstaunen gelesen. Der Erlaß sei ihm auch nur auf dem Privatwege zugekommen und er könne ihn nicht billigen, da es jedenfalls zu unangenehmen Auslegungen Anlaß gebe. Es kann von einer solchen Stellung, wie bemerkt, für sich ein Ministerium in Italien zu gründen, was jedenfalls eine Trennung der Lombardei zufolge hätte, keine Rede sein. Er vermuthe, daß Montecuccoli sich diesen Titel nur beigelegt habe, um sich mehr Gewicht zu verleihen, denn er sei blos als Kommissär nach Italien geschickt worden. Er schließt damit, daß es sich hier jedenfalls um eine provisorische Verfügung handelt für die Zeit des Krieges. Eine weitere Dauer kann dies nicht haben, er erinnert an den Inhalt der Thronrede, in welchem Sinne auch eine Zusicherung an die Höfe gegangen sei, und er sei überzeugt, man werde die Zusicherung gewissenhaft erfüllen.</p> <p>Pillersdorff erhebt sich und meldet, daß die Ernennung auch nicht in die Zeit seines gewesenen Ministeriums falle, sondern ihr vorangegangen sei. Hierauf wiederholt er ganz die Aussagen des Ministers Dobblhof sehr weitschweifig.</p> <p>Der Minister des Innern erklärt ferner, daß er noch Aufklärung über Montecuccoli sich verschaffen werde und nur mit dem Vorbehalte, daß alle Bedenken gegen Montecuccoli in Betreff des 26. Mai vor das Haus kommen, ist er zu dessen vorläufiger Belassung entschlossen.</p> <p>Hierauf Berathung der Geschäftsordnung.</p> </div> <div xml:id="ar071_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 4. August.</head> <p>Dr. Adolf Fischhof ist zum Ministerialrath im Ministerium des Innern ernannt worden. Damit ist die Emancipation der Juden in Oestreich, die noch hier und da in Zweifel gestellt ward, faktisch entschieden. An Stadiòn's Stelle ist Wenzeslaw v. Zaleski zum Gouverneur von Gallizien mit Einschluß des krakauer Kreises und Bder ukowima ernannt. Das Ministerium hat den Grundsatz öffentlich ausgesprochen, daß die Aufhebung der Convikte eine für die Reform des Unterrichts unerläßliche Maßregel ist. Es hat diesen Grundsatz nicht nur bereits anerkannt und ausgesprochen, sondern befolgt und Schritte gethan, ihn ins Leben einzuführen.</p> </div> <div xml:id="ar071_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Schweidnitz, 6. August.</head> <p>Der Magistrat hat eine <hi rendition="#g">amtliche</hi> Wiederlegung der von der reaktionären Partei und vom Militär verbreiteten Lügen über den Schweidnitzer Massacre veröffentlicht. Wir entnehmen ihr die hauptsächlichsten Stellen. Als die Katzenmusik in Fenstereinwerfen am Hause des Kommandanten überging, beschloß der auf dem Schauplatz des Excesses anwesende Bürgermeister die Signalisirung des Zusammentritts der Bürgerwehr, „was durch Loslösung des Schlagwerks der Thurm-Uhr am Rathhause verabredet, und wovon die Kommandantur <hi rendition="#g">schon unterm 8. Mai c.</hi> in Kenntniß gesetzt worden ist.</p> <p>Während dieses Signals zog sich das Volk vom Kommandanturhause zurück, da eine Kompagnie Militär dasselbe besetzte, so </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359/0003]
Sie Deutschland glauben machen, daß jene 200 Demokraten Ihrem Heere von 900,000den gefährlich sein könnten. Amnestiren Sie, dann wird man glauben, daß Sie Vertrauen zur Ruhe Deutschlands haben.
Biedermann (Große Unruhe und Theilnahmslosigkeit, alle Bänke links und des linken Centrums sind fast leer: Es ist schwer, gegen die Amnestie zu sprechen. In Verlauf seiner Rede entwickelt Hr. Biedermann das Gegentheil von dem, was Simon auseinandergesetzt hat. Er meint mit sanfter Stimme, das Loos der Gefangenen wäre sehr traurig, aber man könne jetzt nicht amnestiren.
Wiesner: Es freut mich daß endlich der Augenblick gekommen ist, wo ich in dieser Sache sprechen kann, um die Ehre des Hauses zu retten, welches nicht sichten will, was jene Tausende von Petenten da draußen langst gefühlt haben. Wie war es zu den Zeiten der Freiheitskriege wo die hochgestellten Verräther die die Festungen des deutschen Volkes dem Feinde übergeben hatten, pensionirt und mit Aemtern versehen wurden war das nicht mehr als Amnestie für Vaterlandsverräther. In Dahlmann's Geschichte von England können Sie sogar sehen, wie zur Zeit politischer Schwankungen das Ober- und Unterhaus nicht blos für politische Verbrecher der Vergangenheit, sondern auch für zukünftige politische Verbrecher Amnestie dekretirte. Ich statte Hr. Dahlmann meinen Dank für dieses kostbare Datum ab. (Man sieht unter großem Hohngelächter auf Hrn. Dahlmann.) Nach geschichtlichen Beweisen für die Amnestie kommt er auf den Standpunkt der Gerechtigkeit, welche Amnestie erheischt.
In der badischen Kammer hat Hr. Andlaw beantragt, gewisse Herren in der Nähe des Großherzogs zu verhaften, weil sie mit Hecker unter einer Decke stächen; dies hat man nicht gethan. Mit dem badischen Volk ist man anders verfahren. Das badische Freiheitsparadies, worein ich geflohen, als ich es in meinem Vaterland nicht mehr aushalten konnte, ist zu einem großen Kerker geworden. Und was den Einwurf der Unzeitigkeit jener Revolution anbelangt, so haben wir in Wien auch nachdem sie bereits tagten, Revolutionen gemacht. Werden Sie deshalb die Wiener verhaften wollen? (Langes Bravo.)
Warum wollen Sie die Badener bestrafen, weil dieselben revolutionirt, als sie schon hier tagten. In Berlin hat man dem Prinzen, den man erst steinigen wollte, nach einigen Tagen die Hand geküßt. So vergießt das Volk seine Beleidiger. Und Sie wollen sich auf die alten Hofrathsgesetze berufen? (Langes lautes Bravo). Nächstens kommt auch von uns aus Wien eine Riesenpetition, um Einberufung Heckers und Amnestirung der badischen Republikaner. Versöhnen Sie sich durch diese Amnestie mit der deutschen Nation. Wenn Sie der Untersuchung freien Lauf lassen, werden zum Nachtheil der Regierungen Dinge ans Licht kommen, die besser mit sieben Siegeln bedeckt werden. (Bravo).
Edel aus Würzburg bemüht sich vom höhern politischen Gesichtspunkt aus (d. h. vom Edelschen) zu beweisen, daß jetzt noch keine Amnestie möglich. Er schreit: was treiben wir Spiel mit dem Bürgerblut.
Baden würde schon amnestiren, wenn es Zeit. Er ist für den Antrag des Ausschusses.
Brentano Ich bin stolz darauf hier auszusprechen, daß ich ein Freund Heckers bin. (Hohngelächter und Bravo).
In dem Schreiben der badischen Regierung wagt es ein Minister den Hecker, der in dem Herzen des größten Theils des deutschen Volkes lebt, einen Landesverräther zu ernennen! (Da Hr. Brentano im Eifer der Rede die Stimme überschnappt, äfft man ihm rechts den Ton seiner Stimme nach und begleitet diese Kinderstreiche mit höhnischen Bravos, dagegen links und Gallerien ein wahres Beifallsgedonner. Soiron sucht die Bewegung mit seinen Händen niederzuhalten, wobei er sich gebärdet, wie eine Hebamme bei einem schweren Accouchement). Man hat auch Baiern, Hessen, Würtemberger in das Gefängniß zu Bruchsal abgeliefert, also falsch sagt der Berichterstatter, daß nur die badische Regierung Amnestie ertheilen könne. Von Gründen des Rechts könne man bei Amnestie nicht sprechen. Dieselbe bezieht sich ja auf Rechtsverletzungen. Hecker war unter den ersten, die die badensche Regierung auf den Weg der Freiheit führten. (Rechts ruft man unverschämt nach Schluß, Links: Ruhe). Baden hat noch gar keine freien Institutionen; es kommen dort noch schreckliche Dinge vor. So hat erst am 8. April ein Privatmann (Mathy, Minister in spe) gewagt, einen badischen Staatsbürger zu verhaften. (Von vielen Seiten Pfui, Pfui!! von der Gallerie: Pfui Teufel!! Man sieht nach Mathys Platz, der diese Pille hinunterschluckt). Deshalb und wegen vielen andern Dinge hat sich das badensche Volk empört. Man hat die deutschen Republikaner, die aus Frankreich kamen, sogar auch in unserm Ausschuß fremde Zuzügler genannt. (Rechts Hohngelächter, man schaart sich um den Hrn. v. Vincke. Gallerien Bravo). Ich würde den Hecker und den andern Männern meine Verachtung ins Gesicht werfen, wenn sie ihrer Gesinnung untreu, die Zahl der politischen Renegaten vergrößern wollten.
Früher amnestirte man das arme Volk bei Accouschements von Prinzessinnen, Sterbefällen von Königen, und andern großen Ereignissen, so amnestiren Sie denn heute meine Herren, wegen des für das deutsche Volk wichtigen Ereignisses einer Centralgewalt und wegen der Ankunft des Reichsverwesers. Im Badenschen Oberland ist kein Haus, wo man nicht jammert, kein Haus, dessen Wohlstand nicht ruinirt ist, durch die Verhaftung der männlichen Stützen desselben. In Galizien und in Posen zum zweiten Male wird man nächstens Amnestie aussprechen, stehen Sie nicht zurück. Hat man den Prinzen von Preußen amnestirt, warum soll man das arme badische Volk nicht amnestiren?
Bei diesen Worten erhebt sich rechts leises Getrommel, welches sich, unterstützt durch schnaubendes Wuthgeschrei der preußischen Aristokraten und Militärs, bald zu donnerähnlichem Getöse erhebt. Man stampft und tobt wie in einem Pferdestall. Als Ergänzung erhebt sich links und auf den Gallerien ein erschütterndes Klatschen und Bravogeschrei. Rechts will man Herrn Brentano hinausschmeißen, links schreit man „weiter sprechen,“ von Soiron sucht vergeblich nach Würde, um den Sturm zu beschwören. Der Gott der Stürme ist nicht anwesend. von Soiron schreit man solle den Redner den Passus noch einmal wiederholen lassen, er hätte ihn nicht genau verstanden und wüßte nicht was er thun solle. Dies erneut den Sturm, der zu einem vollständigen Orkan heranwächst. Alle Patrioten rechts springen von ihren Plätzen und stürzen nach der Tribüne, um den Redner zu prügeln, (?) links stürzt man zu seinem Schutz herbei, unter der Tribüne (auf der Brentano ruhig stehen bleibt) stoßen unter furchtbarem Accompagnement der Gallerien als Orchester die beiden Parteien zusammen, von Vinke mit seinen Patrioten einerseits, Simon aus Trier, Schaffrath, Rösler und die Linke andrerseits demonstriren mit geballten Fäusten einander in's Gesicht. Man glaubt jeden Augenblick die Keilerei der deutschen Volksvertreter beginnt. von Soiron setzt seinen berühmten Strohhut (Winzerhut) auf, und stürzt in völliger Kopflosigkeit unter unverständlichem Gebrüll, woraus ich entnehme, daß er nicht weiß was er thun soll, von dem Präsidentenstuhl herunter, und sammt dem Büreau zum Tempel des deutschen Volks hinaus. Die Rechte und Linke, unter starrem Entsetzen der Centren und fortwährend erneutem Gebrüll der Gallerien, fahren fort sich einander anzubrüllen und um die Tribüne eine köstliche Komödie aufzuführen. ‒ Nach und nach leert sich die Kirche. Die Sitzung ist zwar nicht aufgehoben, aber sie hat ein Ende. Kein Präsident läßt sich sehen. Vor der Kirche erneuern sich einzelne erbauliche Szenen derselben Art. Durch alle Straßen, die ich bis zu meinem Hause passirte große Aufregung.
Frankfurt, 8. Aug. In der heutigen 57. Sitzung der verfassunggebenden Reichsversammlung wurden mehrere auf den gestrigen Vorfall bezügliche Anträge verlesen. Einer derselben bezweckte, daß der Abgeordnete Brentano wegen seiner gestrigen Aeußerung zur Ordnung gerufen werde. Vicepräsident v. Soiron als Vorsitzender sprach den Ordnungsruf aus. Die Linke protestirte dagegen, weil die Anträge vorher diskutirt und Brentano's Vertheidigung gehört werden müsse. In Folge des hierüber entstandenen Tumults wurde die Sitzung auf eine Stunde suspendirt. Nach Wiedereröffnung derselben wiederholte v. Soiron den Ordnungsruf unter erneuertem Protest der Linken und gab dann Brentano das Wort zur Fortsetzung seines gestrigen Vortrags. Als Brentano die Rednerbühne betrat, erhob sich stürmischer Beifallsruf. Der Präsident ließ nunmehr die Gallerie und sämmtliche Zuhörerräume leeren. Auch die Journalisten mußten abtreten. Mehrere Mitglieder der Linken protestirten gegen die Fortsetzung der Sitzung in Abwesenheit des Publikums, da eine geheime Sitzung nur auf Antrag von 50 Mitgliedern stattfinden könne. Andererseits wurde behauptet, daß durch die Entfernung des Publikums, die dem Präsidenten nach der Geschäftsordnung zustehe, die Sitzung keineswegs eine geheime sei. Auf Antrag Zimmermann's von Spandau wurden die Journalisten wieder zugelassen, die Zulassung des Publikums aber mit 380 gegen 91 Stimmen verworfen. ‒ Nachschrift. 3. Uhr. Die Nationalversammlung hat über die Petitionen um Amnestie mit 317 gegen 90 Stimmen die motivirte Tagesordnung beschlossen.
(Fr. J.) * Mainz, 8. August. In dem Urtheil, welches in Betreff Schöpplers und der andern Angeklagten gefällt worden, befindet sich auch folgende Stelle:
„Dem Polizeistrafrichter aber steht es nicht zu, aus seiner blos „richterlichen Sphäre heraus und das Gebiet des Gesetzgebers zu „betreten, und etwa aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und „Ruhe oder, indem er sich auf einen politischen Stand„punkt stellt, willkührlich das Strafgesetz zu er„gänzen, wenn sich eine Lücke darin darbietet.“
Das könnten sich gar viele Leute, nämlich Beamten, auch außerhalb Mainz zu Herzen nehmen.
Uebrigens soll gegen oben erwähntes Urtheil Appell eingelegt worden sein. Es frägt sich also, ob der hier ausgesprochene Grundsatz auch in zweiter Instanz anerkannt werden wird.
Augsburg, 6. August. Heute Morgen um 81/2 Uhr etwa stellten sich die Truppen auf dem Frohnhof auf, um dem Reichsverweser ihre Huldigung darzubringen: Chevauxlegers, ein Regiment Infanterie, zwei Kompagnien Artillerie; sie bildeten ein Viereck von dem die eine Seite nicht geschlossen war. Im Viereck standen die Offiziere, die von dem Militär eingeladenen Civilbeamten, Deputationen der Landwehr und des Freikorps. Nachdem zu den Soldaten einige Worte gesprochen waren, wurden drei Hoch ausgebracht: dem König, dem Reichsverweser, dem deutschen Vaterlande, alle drei so schwach, daß etwas entfernter Stehende sie kaum vernommen haben.
(A. Z.) Dessau, 4. Aug. Nachdem am 2. August die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. die Abschaffung des Adels abgelehnt hat, welche Nachricht heute hier bekannt wurde und in so manchem bang schlagenden Herzen freudigen Trost hervorgerufen haben mag, kam in der heutigen Sitzung unseres konstituirenden Landtags der Antrag des Abgeordneten v. Prüschenck auf Abschaffung des Adels zur Berathung. Nachdem die Abgeordneten v. Braunbehrens und Imme dagegen, die Abgeordneten v. Behr, Fiedler, Habicht, Hölemann, Janasch, Patzig, Sander, Schilling, dafür gesprochen hatten, wurde der Antrag in drei Theile getheilt und namentlich abgestimmt, nämlich: 1. Der Adel wird hiermit abgeschafft. Einstimmig angenommen. 2. Alle zur Bezeichnung des Adels dienenden Ausdrücke verlieren ihre Bedeutung. Einstimmig angenommen. 3. Und dürfen nicht mehr gebraucht werden. Mit 18 gegen 13 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 5 Stimmen angenommen.
(D. A. Z.) * Braunschweig, 4. August. Der Herzog ist vom Volke gezwungen worden, den Befehl, dem Reichsverweser nicht, zu duldigen, zurückzunehmen, sich selbst zu widerrufen und zu desavouiren. Hätte er das nicht gethan, so wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Lande gejagt worden und hätte sich ein Quartier in London miethen können.
16 Prag, 4. Aug. So eben wird eine „Kundmachung“ des Fürsten Windischgrätz an allen Ecken angeschlagen. Sie enthält die Erklärung, daß laut Ministerialbefehl die Militär-Kommission aufgelöst und Akten und Gefangene dem zuständigen Kriminalgericht übergeben sind. Dann enthält sie einige Notizen über die angebliche große Slavenverschwörung. Zuerst haben Gefangene ausgesagt, daß man Windischgrätz nach dem Leben getrachtet; daß man sich bewaffnet, Pläne der Stadt, des Schlosses etc. entworfen, daß man sogar Kanonen verlangt; daß man die Arbeiter aufgefordert, sich an einem etwaigen Kampf zu betheiligen: daß man am 13 Juni in Krakau (!) Zettel vertheilt mit den Worten: 15. Juni, Achtsamkeit, Vorsicht, zu Hause sitzen! ‒ daß man das Landvolk aufgefordert, die Roboten zu verweigern und sich zu bewaffnen; und andre längst bekannte Geschichten.
Dann folgt die Aussage eines „geständigen Verschworenen, die wir vollständig geben, damit unsere Leser zugleich eine Probe von dem Deutsch des tapfern Czechenfressers erhalten.
Inquisit sagt aus: „Zu Ostern 1847 wurde er zu Eperies in Ungarn mit mehreren polnischen Emigranten bekannt, welche ihn in ihre Gesellschaft aufnahmen, deren Hauptplan gewesen, ein großes slavisches Reich, aus Kroatien, Slavonien, Serbien, den Slowacken in Ungarn, Böhmen, Mähren, Schlesien und östereichisch Polen zu bilden, das eigentliche Ungarn verschwinden zu machen, sich von Oestreich loszureißen, und im ungünstigsten Falle aber den Russen zu unterwerfen. Ueber die Form des neuen Reiches, ob nämlich Königreich oder Republik, war man noch mit einem fremden Staate in Korrespondenz. Der Plan sollte im Jahre 1850 verwirklicht werden und die Revolution zugleich in Agram, Prag, Krakau und der Umgebung von Preßburg, bei den Slowacken ausbrechen.
Nachdem jedoch im Februar l. J. in Paris die Republik proklamirt war, wurde beschlossen, die Revolution an den genannten vier Orten noch im Jahre 1848 ausbrechen zu machen. Zu diesem Behufe wurden in den verschiedenen Ländern Centralisationen errichtet, denen eigne Chef's vorstanden, und die ihre Korrespondenz, theils mit Chiffern, theils mit chemischer Tinte führten. Die Namen der meisten dieser Chefs sind bekannt. Flugschriften sollten das Landvolk aufreizen, was auch in Ausführung gebracht worden ist. ‒ Inquisit gibt an, mehrere Male als Emissär an verschiedenen Orten Galiziens verwendet worden zu sein. In Lemberg beauftragte man ihn, im Frühjahr nach Prag zu gehen und Waffen mitzunehmen, nachdem bereits Alles vorbereitet, und es bald losgehen werde.
In Prag angekommen erhielt er eine Eintrittskarte in die slavische Beseda, wo gegen die Regierung und gegen das Militär aufreizende Reden gehalten wurden.“
Dann heißt es weiter:
Außer den Sitzungen im Kongresse waren noch an verschiedenen anderen Orten geheime Sitzungen gehalten. Alle Verhandlungen deuteten jedoch dahin, daß der Ausbruch gleich nach Pfingsten erfolgen werde, und man hörte Reden, in denen es hieß: Daß die Prager den Wienern nicht nachstehen dürften, daß die Studenten um dem Militär mehr zu imponiren, Waffen, selbst Kanonen bekommen müßten, und daß man zu deren Bedienung schon die erforderliche Anzahl Leute bereit und im Solde habe; daß die Errichtung der Barikaden bereits eingeleitet, daß man mit Munition hinlänglich versehen ist, aber noch nicht losschlagen könne, weil es noch nicht an der Zeit sei, die Swornoster noch auf dem Lande sind, um den Bauer gehörig zu bearbeiten, ihn aufzuwiegeln, und zum Landsturme gegen Prag zu bewegen etc.
Was sagen Sie zu diesem Produkte einer zweimonatlichen Untersuchung, was zu der schönen Logik, mit welcher man aus diesen Aussagen eine Verschwörung heraus zu klauben sucht? Wenn die Untersuchungskommission ihre Aufgabe damit gelöst glaubt, daß sie heraus zu bekommen suchte, ob die Sache vorbereitet oder nicht war, so hatte sie wahrlich nicht so viel Zeit dazu gebraucht, beim daß es binnen kurzem zu einem Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht kommen mußte, war leicht voraus zu sehen, indem der Fürst Windischgrätz der Bürgerschaft reine Garantieen für die errungenen Freiheiten durch eine vollständige Bewaffnung geben wollte während seine militärischen Anstalten eben so gut an einen Angriff von seiner Seite als auf Vertheidigungsmaßregeln hätten schließen lassen, und die Hartnäckigkeit, mit welcher dem Kaiser und der Regierung in Wien jede Freiheit abgetrotzt werden mußte, die anerkannte aristokratischen Denkungsakt des Hrn. Windischgrätz, gaben vollends keine Bürgschaft für seine Absichten. Ein jeder sagte es sich, daß über kurz oder lang ein Zusammenstoß statt finden müsse und daß es bei keiner Gelegenheit an Schmeicheleien für Windischgrätz fehlte, ist eben kein Wunder. Ueber die Art und Weise, wie der Kampf entstand, habe ich Ihnen schon früher berichtet und überlasse es den Ansichten der Leser, ob sie aus dieser Kundmachung eine Verschwörung heraus finden können.
Graf Buquoi, das Haupt der „Verschwörer und Bartholomäusnächtler“ ist vor einigen Tagen als völlig unschuldig in Freiheit gesetzt worden und befindet sich auf seinem Gute Rothenhaus, um seine im Kerker angegriffene Gesundheit wieder herzustellen, und so eben vernehmen wir, daß ein Ministeralerlaß die Freilassung des Dr. Brauner decretirt.
Wien, 2. August. Sie haben gewiß in dem Abendblatt der „Wiener Zeitung“ vom 1. August gelesen, daß Se. Majestät dem Grafen Brandis, Exgouverneur von Tyrol, das Großkreuz des Leopoldordens „als Beweis Allerhöchstihrer Gnade“ persönlich überreicht hat. Man ist hier über diesen offenbaren Trotz der öffentlichen Meinung gegenüber, welche denselben Grafen Brandis in höchster Ungnade von seinem Posten gestürzt und unschädlich gemacht hat, nicht wenig erstaunt. Man beklagt aufs tiefste den Wahnsinn der Camarilla, welche die Anhänglichkeit an die Person des Monarchen im Volke mit aller Gewalt durch ihre rasenden Rathschläge zu vernichten sich bemüht. Das ist eine offenbare Beleidigung unseres Ministeriums und dieses hat den unklugen Schritt in Innsbruck damit desavouirt, daß es die Nachricht nicht in den amtlichen Theil, sondern hinten als Auszug aus dem „Tyroler Boten“ brachte. O beklagenswerthe und unheilvolle Spaltung!
(C. B. a. B) Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstags am 4. August.
Vorsitz: Vicepräsident Strobach.
Violand: Ich erlaube mir, an den Minister des Innern eine Frage zu stellen von höchster Bedeutung. Ich muß zuvor auf einen Vorgang, der viel frühere Zeit stattfand, aufmerksam machen und erinnere an den 26. Mai, nach welchem Montecuccoli sich in Pläne eingelassen, die mit denen der Reaktion in genauer Verbindung zu stehen schienen, und nach der allgemeinen Ansicht des Volkes zum Anlaß haben sollten, die Errungenschaften des 15. Mai aufzuheben. Montecuccoli entfloh von Wien, und würde sich als Bannerträger der Reaktion bei einer Rückkehr der größten Gefahr aussetzen. Zum Erstaunen meiner ganzen Partei erfahren wir in einer Proklamation, daß Montecuccoli Staatsminister, und beauftragt sei, die Administration der Lombardei zu leiten. Ich frage, ist Montecuccoli Minister, und ist er Minister, ist er verantwortlich oder unverantwortlich? Wenn er Minister ist, hat die Ernennung durch Contrasignirung des Ministeriums stattgefunden? Ist er durch dasselbe nicht anerkannt, so ist er absoluter Minister; durch einen absoluten Minister und eine absolute Verfahrungsweise muß nothwendig eine Trennung der Lombardei von uns stattfinden. Wurde er unter dem alten Ministerium ernannt, wie konnte er nach dem 26. Mai belassen werden? Wenn die Trennung bestünde, und nach der Wiedereroberung zum Schein oder gar nicht konstitutionelle Formen eintreten würden, wüßte man, wie es kommt, daß wir Eingriffe in die Freiheit eines Volkes machen wollten!
Dobblhof antwortet, daß Montecuccoli im Februar ernannt wurde, und die Mission hatte nach Italien zu reisen, da der Vicekönig in seinem damaligen erweiterten Wirkungskreise Jemanden benöthigte, der mit den Verhältnissen des Landes vertraut sei, um Klagen und Beschwerden beizulegen. Montecuccoli sei in einer Kategorie welche er nicht anerkenne, und sein Titel sei eben nur ein Titel, welchen er aber zu seinem Erstaunen gelesen. Der Erlaß sei ihm auch nur auf dem Privatwege zugekommen und er könne ihn nicht billigen, da es jedenfalls zu unangenehmen Auslegungen Anlaß gebe. Es kann von einer solchen Stellung, wie bemerkt, für sich ein Ministerium in Italien zu gründen, was jedenfalls eine Trennung der Lombardei zufolge hätte, keine Rede sein. Er vermuthe, daß Montecuccoli sich diesen Titel nur beigelegt habe, um sich mehr Gewicht zu verleihen, denn er sei blos als Kommissär nach Italien geschickt worden. Er schließt damit, daß es sich hier jedenfalls um eine provisorische Verfügung handelt für die Zeit des Krieges. Eine weitere Dauer kann dies nicht haben, er erinnert an den Inhalt der Thronrede, in welchem Sinne auch eine Zusicherung an die Höfe gegangen sei, und er sei überzeugt, man werde die Zusicherung gewissenhaft erfüllen.
Pillersdorff erhebt sich und meldet, daß die Ernennung auch nicht in die Zeit seines gewesenen Ministeriums falle, sondern ihr vorangegangen sei. Hierauf wiederholt er ganz die Aussagen des Ministers Dobblhof sehr weitschweifig.
Der Minister des Innern erklärt ferner, daß er noch Aufklärung über Montecuccoli sich verschaffen werde und nur mit dem Vorbehalte, daß alle Bedenken gegen Montecuccoli in Betreff des 26. Mai vor das Haus kommen, ist er zu dessen vorläufiger Belassung entschlossen.
Hierauf Berathung der Geschäftsordnung.
* Wien, 4. August. Dr. Adolf Fischhof ist zum Ministerialrath im Ministerium des Innern ernannt worden. Damit ist die Emancipation der Juden in Oestreich, die noch hier und da in Zweifel gestellt ward, faktisch entschieden. An Stadiòn's Stelle ist Wenzeslaw v. Zaleski zum Gouverneur von Gallizien mit Einschluß des krakauer Kreises und Bder ukowima ernannt. Das Ministerium hat den Grundsatz öffentlich ausgesprochen, daß die Aufhebung der Convikte eine für die Reform des Unterrichts unerläßliche Maßregel ist. Es hat diesen Grundsatz nicht nur bereits anerkannt und ausgesprochen, sondern befolgt und Schritte gethan, ihn ins Leben einzuführen.
* Schweidnitz, 6. August. Der Magistrat hat eine amtliche Wiederlegung der von der reaktionären Partei und vom Militär verbreiteten Lügen über den Schweidnitzer Massacre veröffentlicht. Wir entnehmen ihr die hauptsächlichsten Stellen. Als die Katzenmusik in Fenstereinwerfen am Hause des Kommandanten überging, beschloß der auf dem Schauplatz des Excesses anwesende Bürgermeister die Signalisirung des Zusammentritts der Bürgerwehr, „was durch Loslösung des Schlagwerks der Thurm-Uhr am Rathhause verabredet, und wovon die Kommandantur schon unterm 8. Mai c. in Kenntniß gesetzt worden ist.
Während dieses Signals zog sich das Volk vom Kommandanturhause zurück, da eine Kompagnie Militär dasselbe besetzte, so
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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