Neue Rheinische Zeitung. Nr. 76. Köln, 15. August 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 76. Köln, Dienstag 15. August 1848. Deutschland. !!! Frankfurt, 12. Aug. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: 1. die drei italiänischen Fragen; 2. die Fortsetzung der Grundrechte, zu der man natürlich gar nicht kommt. Berger aus Wien interpellirt den Minister des Innern wegen der noch fehlenden östreichischen Wahlen. Ob die östreichische Regierung hiezu Veranstaltung getroffen? Minister des Innern absens. Schoder aus Stuttgart hat dem Verfassungsausschuß einen Antrag um Verminderung der Civillisten übergeben. Wie es sich damit verhalte? Vom Verfassungsausschuß ist noch Niemand da. Vogt stellt zwei Interpellationen an den Kriegsminister: 1. Ob es wahr, daß derselbe in seinem Briefe die Maßregeln, die deutschen demokratischen Vereine aufzulösen, gebilligt hat, und ob diese Billigung im Sinn des Ministeriums ist? Kriegsminister absens. Die Tagesordnung führt zuerst zu der Diskussion über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, welcher beantragt: "die Bezirke von Trient und Roveredo aus dem deutschen Bundesverband zu entlassen." Berichterstatter Raumer spricht sehr unverständlich für den Ausschuß. Wiesner: Vor Kurzem haben die Tyroler Deutschlands Hülfe angerufen. Seit jener Zeit haben die Tyroler sich selbst geholfen. Wenn nun die Abgeordneten von Südtyrol Trennung für ihre Provinz von Deutschland beantragen, so sieht er darin keine Verletzung Deutschlands. Er erklärt sich jedoch gegen den ersten Antrag des Ausschusses (siehe unten); dagegen für den zweiten aus Gründen der Nationalität. Bürger aus Triest. Seine Landsleute hätten den Willen, Welsch-Tyrol von Deutsch-Tyrol zu trennen, ausgesprochen. In ihren historischen Gründen hierfür irren sie sehr. Die Welsch-Tyroler geben ferner zu erkennen, sie möchten keinen Bund mit uns Ultramontanen (patriotisches Bravo von Adams aus Coblenz, dem kindischen Arndt, Reichensperger Stedtmann und Consorten). Auch aus strategischen Gründen suchen sie die Lostrennung zu beweisen und zwar nach einer Landkarte (Gelächter rechts), worin sie Berge "versetzten". (Lichnowsky, der in spanischen Erinnerungen schwelgt, schreit: Bravo!) Aber (auf die Tribüne paukend) so lange unsere Berge stehen etc. etc. werden wir Deutsche bleiben (furchtbarer Ausbruch der Patrioten; der alte Arndt weint wieder). Die Fülle der Bevölkerung Tyrols ist gegen die Lostrennung. In Welsch-Tyrol sind viele deutsche Elemente, die Bischöfe von Trient sind größtentheils Deutsche! (In Jerusalem auch.) Der Redner beantragt: 1) Die Centralgewalt solle bei der östreichischen Regierung gegen die provinzielle Trenrung Welsch-Tyrols von Deutsch-Tyrol protestiren wegen des für Deutschland daraus entspringenden Schadens. Ferner bei der östreichischen Regierung Schritte thun zur Wahrung der deutschen Elemente in Welsch-Tyrol. Schließlich: Die Welsch-Tyroler haben Großes für Deutschland geleistet, also müsse man sie mit der Einverleibung beglücken. (Langes Bravo rechts.) Nauwerk deklamirt über die Verschiedenheit der Nationalitäten und verlangt Untersuchung, ob Welsch-Tyrol wirklich aus dem Deutschen Bunde entlassen werden will. Schuler aus Innspruck: Man hat gesagt, wir Deutsch-Tyroler hätten die Welsch-Tyroler geknechtet, das ist nicht wahr. Wenn zwei Ochsen unter einem Joche (dem Oestreichs) keuchen, kann einer den andern nicht mehr knechten (großer Jubel). Das Nationalitätsprincip brauchen wir hier nicht zu wahren. Thun wir vielmehr wieder einen kühnen Griff. a Prato aus Roveredo für die Lostrennung Welsch-Tyrols vom deutschen Bund. Wenn Alles zu Deutschland zu bringen, was Anno X dabei gewesen, würde zuletzt eine merkwürdige Komposition zusammenkommen. Roveredo ist durch und durch italienisch nach Sprache, Sitte, Geschichte und, Lage; vom deutschen Element daselbst gar nicht die Rede. (Der Redner, welcher nur gebrochen Deutsch spricht, wird fortwährend von der rechten Seite nament[l]ich von dem Grafen Schwerin, durch Ungezogenheiten unterbrocher.) Geschrei nach Schluß. Unterrichter und Würth verzichten auf's Wort. Eine Abstimmung über den Schluß der Debatte ergiebt ein zweifelhaftes Resultat, weshalb man die Diskussion zum Aerger der Rechten fortsetzt. Kohlparzer aus Neuhaus. Es ist unerhört, daß ein deutscher Volksvertreter (Ruf: sind keine Volksvertreter!) den Vorschlag macht, ein Stück aus dem deutschen Körper herauszuschneiden. (Geschrei: Oho!) Wir haben einen deutschen Reichsverweser und deutschen Präsidenten gewählt, weil sie Deutsche. (Ge[l]ächter.) Wenn ein Franzose den Vorschlag machte, Straßburg an Deutschland auszuliefern, würde man ihn in's Tollhaus sperren. (Verhöhnung. Beati possedentes. Wir besitzen Welsch-Tyrol, also behalten wir es, das ist mein Völkerrecht. (Große Freude der historischen Rechtsfreunde.) Man gebe die Petition um Lostrennung von Welsch-Tyrol der öffentlichen Verachtung Preis! (Lachen, Geschrei und Bravo.) Vogt. Nach einem so logischem Vortrag wird es mir schwer werden, zu antworten. Das Prinzip, was gestern hier anerkannt, führt, wie Sie sehen, zu schönen Konsequenzen. Es scheint mir fast, als befände man sich auf einem russischen Reichstag. Einen Abgeordneten, der einen nicht Allen beliebigen Antrag stellt, will man herausschmeißen, wo möglich knuten. (Bravo.) Ob man etwa Welsch-Tyrol, Welsch Tyrol nenne, weil Deutsche darin wohnen? Ob etwa die paar Kellner, Gastwirthe und österreichische Beamten das deutsche Element sein sollen? Solcher deutsche Elemente giebt's in Rom und Mailand noch mehr (Gelächter). Warum nehmen Sie nicht die beiden auch zum deutschen Bund? (Bravo!) An die Stelle der glücklich beseitigten Franzosenfresserei ist die Länderfresserei getreten. Früher hing der Zopf hinten, jetzt hängt man ihn unter die Nase. (Große Indignation aller Schnurrbärte). Wenn etwa einmal die französische Kammer die Lostrennung des Elsaß diskutiren wolle, würde doch Niemand den brutalen Vorschlag wagen, einen Redner dafür herauszuschmeißen. Stimmt für den Antrag der Welsch-Tyroler Abgeordneten. Nach ihm wird die Diskussion geschlossen und nach Beseitigung des edlen Kohlparzer'schen Antrages: "Die Abgeordneten, welche eine Lostrennung Welsch-Tyrols beantragen, fortzuweisen," geht man zur Abstimmung über. a Prato's Anträge werden verworfen; die Ausschußanträge 1) und 2) folgendermaßen lautend: 1) Eine Trennung oder Lossagung der Kreise Trient und Roveredo vom deutschen Bunde kann nicht stattfinden; Angenommen. Ferner der Antrag des Ausschusses: "Die hohe Nationalversammlung möge beschließen, es sei zweckmäßig, daß die zwei italienischen Kreisbezirke Trient und Roveredo, sowohl rücksichtlich des Provinziallandtages, als der politischen und justitiellen Verwaltung, eine von den deutschen Kreisen der Provinz Tirol unabhängige, ihrer Nationalität entsprechende Organisation erlangen." Angenommen. Folgt Nr. 2) der Tagesordnung: Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, den östreichisch-italienischen Krieg betreffend. Reuter aus Böhmen, der sich gegen Italien erklärt, spricht bei gänzlicher Theilnahmlosigkeit. (Rechts und Links geht man zu Tische.) Nauwerk spricht unter fortwährendem Geschrei der Rechten, den die Rechte nicht aussprechen lassen will, gegen die Oestreicher und beantragt, die Centralgewalt aufzufordern, dem östreichisch-italienischen Krieg Einhalt zu thun. Radowitz (unter andachtsvoller tiefer Stille der Seinen; Herr Bürgers faltet die Hände): Ich bringe dem östreichischen siegreichen Heere, das ja für uns Alle gekämpft und gelitten, meine Huldigung. (Furchtbares Bravo der Patrioten.) Ohne Trient und Triest ist das adriatische Meer die zum Mittelmeer führende bedeutende Pulsader nicht zu halten; dasselbe gilt von der Westgränze. Ein Drittel des deutschen Reichs wäre ohne Schuß verloren, wenn nicht Deutschland festen Fuß in Ober-Italien behielte. Gleichwohl sei der Besitz der Lombardei nicht absolut nothwendig. Dagegen aber müsse man wenigstens das ehemalige venetianische Gebiet behalten. Wenn auch die Oestreicher geschlagen worden wären, wäre Italien doch nicht frei geworden. (Rechts, sehr gut.) Die Lande bis zum Minciv müssen Oestreichisch bleiben. Minister Heckscher hat nach einer so glänzenden Rede uns noch kurz zu sprechen. Das Reichsministerium hat sich entschlossen entschieden dahin zu wirken, daß diese Frage einer Lösun[g] entgegengeführt werde, die der Ehre der Nation (a la Polen) würdig se[i.] Er hofft, man wer[d]e alle Anträge den italienischen Krieg betreffend ohne Weiteres an die Centralgewalt überweisen. Die Versammlung beschließt demnach sofort den Schluß der Debatte. Der Berichterstatter v. Raumer spricht einige Schlußworte. Er war lange in Italien, hat die Geschichte der Hohenstaufen geschrieben und hält die östreichische Regierung daselbst für besser als jede andere italienische. Venedey (sehr wehmüthig) erklärt, daß er vor acht Tagen seinen Antrag schon eingebracht und ihn nur auf Wunsch des Präsidenten und aus Rücksicht für das Ministerium zurückgenommen. Da er aber jetzt nicht darüber sprechen darf, was ihm sehr ungerecht scheine, nehme er ihn nochmals zurück. Bei der Abstimmung werden Dobelhovers und Nauwerk's Anträge verworfen. Dagegen angenommen einer von Stavenhagen, Osterrath u. s w., lautend: "Die Nationalversammlung überweist die auf den italienischen Krieg bezüglichen Anträge an die Centralgewalt, in der Erwartung, daß dieselbe die Interessen Deutschlands wahren wird. Durch Annahme dieses Antrags fällt der Antrag des Ausschusses weg. Venedey bringt den früher erwähnten Antrag nochmals als dringlich vor, fällt abermals durch, beruhigt sich aber nicht, beruft sich auf die Geschäftsordnung, und erklärt, daß er wie immer protestire. Nro. 3 der Tagesordnung: Bericht, die Vereinigung Istriens mit dem deutschen Bunde betreffend: "Der Abgeordnete des Wahlbezirks Botzen, Dr. Unterrichter, hat darauf angetragen: das ehemals venetianische Istrien, die anliegenden Inseln und den Bezirk von Montefalcone mit dem deutschen Bunde zu vereinigen. Eine solche Vereinigung würde die Handelsverbindungen erleichtern, die deutsche Seeküste verbreiten, an Pola einen sehr brauchbaren Hafen gewinnen lassen, und eine ehemalige Verbindung dieser Landstriche mit dem deutschen Reiche wieder herzustellen "So weit die Verhältnisse sich von hier und ohne nähere Rückfragen und Untersuchungen übersehen lassen, ist der Gegenstand von erheblicher Wichtigkeit, kann aber durch die konstituirende National-Versammlung nicht füglich weiter und zum Ziele geführt werden. Der völkerrechtliche Ausschuß trägt deshalb darauf an, die Sache der vollziehenden Gewalt zu überweisen und deren nähere Mittheilungen und Anträge zu erwarten." Jenny aus Triest begründet die Ausschußanträge. Jahn erinnert sich aus seiner Jugend, daß man sich Europa auf der Landkarte als eine Jungfrau vorstellt. Demnach wird er nicht zugeben, daß man vom Schnürstiefel dieser Jungfrau ein Paar Strüppen, Welsch-Tyrol und Istrien, abreißt. (Allgemeine Verspottung auf allen Seiten.) Die Ausschußanträge werden angenommen. Gagern: Bezüglich des Kölner Dombaufestes hat das Bureau der National-Versammlung eine Deputation von 25 Mitgliedern bestimmt, welche daselbst auch außer dem Anschluß an die Dombaufeier sich die Begrüßung des Königs von Preußen (in Köln) zur Pflicht machen wird. Die Deputation reist morgen früh ab. Sie wird außer dem Bureau, gegildet von den Abgeordneten Gfrörer, Löu, Breusig, Kirchgeßner, Wurm, Lichnowsky, Stedmann, Graf Schwerin, Venedey, Cebto, Andrian, Jordan aus Berlin und Beseler. In Folge dieser Feier werden die Sitzungen bis künftigen Donnerstag ausgesetzt. (Großer Jubel). Tagesordnung für Donnerstag: Fortsetzung der Grundrechte. 103 Berlin, 12. August. Die Berathung des Verfassungs-Entwurfs wird jetzt in allen Abtheilungen eifrig betrieben und ist schon bis zum Paragraphen 15 vorgerückt. Es sind sehr wenig Veränderungen bisher angenommen worden. Außer den gestern schon mitgetheilten, betreffend das künftige Wegfallen der Worte "von Gottes Gnaden" und König der Preußen statt: von Preußen, haben die §§ 10, 12, 13, in verschiedenen Abtheilungen mehrfache Aenderungen erlitten. Statt des Satzes im § 10, welcher ursprünglich lautet: "Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden", ist in einigen Abtheilungen folgende allgemeinere Fassung angenommen worden: "Die Freiheit der Gedankenäußerung durch Presse, Rede, Schrift und Bildwerk darf durch kein Gesetz beschränkt werden". -- Auch der § 12 hat in der 8. Abtheilung eine Aenderung erfahren, indem er jetzt lautet: "Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Deutschland wohnhaft, (dafür hat der ursprüngliche Entwurf: in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend) so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, nicht verfolgt werden". Der ursprüngliche Entwurf hatte noch den Zusatz: "Wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird", welcher in dieser Abtheilung nicht angenommen wurde. -- Der § 13 hat in einigen Abtheilungen eine wesentliche Aenderung erfahren. Er betrifft das freie Versammlungsrecht und ist der letzte Theil dieses §. Er ist dahin abgeändert worden: "Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, welche gegen dieselbe jedoch kein Verbot ergehen lassen darf", statt des ursprünglichen Satzes: "Welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann". -- Diese Aenderungen, welche von einigen Mitgliedern der äußersten Linken in einigen Abtheilungen durchgesetzt wurden, werden voraussichtlich bei der Berathung in der Plenarversammlung zu harten Kämpfen Veranlassung geben. Unsere Borgeoisie ist sehr erbittert gegen die Herren Vereinbarer, weil sie die Berathung der Verfassungsurkunde so lange verzögern. Man berechnet die großen Summen, die die Vereinbarer-Versammlung schon gekostet und das Wenige was sie bisher geleistet. Von Seiten der Reaktion wird den Spießbürgern vorgeredet, daß Handel und Gewerbe nicht früher wieder blühen und das Vertrauen hergestellt werden könne, bis die Verfassung vereinbart und im ganzen Lande anerkannt sei. Alle diejenigen, deren Geschäft nun augenblicklich nicht so gut geht als früher, schreien nun tagtäglich: "berathet die Verfassung!" Man bestreitet den Vereinbarern jede Befugniß irgend ein Gesetz aus eigener Machtvollkommenheit zu berathen und nennt ihre Beschlüsse unzeitig und voreilig. Im Volke ist der Glaube allgemein verbreitet, daß es den Vereinbarern nur um die drei Thaler täglicher Diäten zu thun sei, und daß sie deshalb die Berathung der Verfassung so lang wie möglich hinaus verzögern. Diese Ansicht hat besonders dadurch Verbreitung gefunden, weil es faktisch bewiesen ist, daß einige der Herren Vereinbarer aus dem vierten Stande täglich über zwei Thaler von ihren Diäten ersparen, indem sie hier für ihre Wohnung, Essen und Trinken nur fünfzehn Silbergroschen täglich bezahlen. Gestern waren die Redner, welche in einer Volksversammlung sprachen, die vom demokratischen Klub ohne vorherige polizeiliche Anfrage angesetzt war, vor den Polizeirichter geladen. Die Präsidenten des demokratischen Klubs waren im Termine nicht erschienen, und da der Hauptbelastungszeuge ebenfalls nicht anwesend war, so wurde der Termin auf den 15. d. M. verschoben. Gestern, Morgens 8 Uhr, begann vor dem Criminal-Senat des Kammergerichts, Abtheilung für besonders schwere Verbrechen, aus 8 Richtern bestehend, die öffentlichen Verhandlungen gegen den Studenten und Lieutenant des Schleswig-Holstein'schen Freikorps Feenburg. Auch der Schauspieler Trzeciak, Maler Glade, Zimmermann Stolzmann und Bedienter Sieg befinden sich auf der Anklagebank. -- Feenburg ist ein geborner Russe und hatte von seiner Regierung die Erlaubniß bekommen, bis zum Jahre 1845 im Auslande zu verweilen, um zu studiren. Er hatte diese Zeit jedoch überschritten und sich von seinem frühern philosophischen Studium der Heilkunde gewidmet. Als Offizier des Schleswig-Holstein'schen Freikorps, hat er das dortige Bürgerrecht gewonnen. -- Die Angeklagten sind beschuldigt, am 14. Juni am Zeughause das Volk zu Gewaltschritten aufgereizt, resp. an dessen aufrührerischen Handlungen Theil genommen zu haben. Es waren 28 Belastungs- und 43 Entlastungszeugen vorgeladen. Unter den Ersteren befand sich auch ein Konstabler, welcher zu jener Zeit unter der dienstthuenden Bürgerwehr am Zeughause war, und ein Mitglied der Vereinbarungsversammlung. Beide sagten übrigens, wie noch viele Andere, sehr günstig für die betreffenden Angeklagten aus. Die Angeklagten läugneten die ihnen zu Last gelegten Momente zum größten Theil, nur Feenburg giebt zu "zu den Waffen!" gerufen zu haben, wenngleich auch er hartnäckig bestreitet, eine andere, als beruhigende Absicht gehabt zu haben. Sogar der Major Blesson, an jenem Tage noch interimistischer Kommandant der Bürgerwehr, als Zeuge vorgeladen, giebt zu, daß Feenburg vom Balkon seines Hauses nur beruhigend zum versammelten Volke gesprochen. -- Der Zimmermann Stolzmann, der durch die Anklageakte nur in Folge seiner aufrührerischen Reden und Theilnahme am Tumult beschuldigt war, welches durch die sich widersprechenden Zeugen kaum bewiesen werden konnte, begeht die Unvorsichtigkeit zu erzählen, daß er am Abend des 14. Juni mit Steinen auf die Bürgerwehr geworfen, was bisher noch Niemand gewußt hatte. Heute Vormittags begannen die Plaidoyers des Staatsanwalts, Kammergerichts-Assessor Brohm, und die Vertheidigungsreden der Vertheidiger Stieber, Meyen und Engelken dauerten bis nach 3 Uhr. -- Der Staatsanwalt hatte auf sieben Jahre Festungsarrest für Feenburg und Stolzmann und 12-4 Monate für die Uebrigen wegen bloßer Theilnahme am Tumulte angetragen. -- Der Gerichtshof entschied: Zimmermann Stolzmann 3 Jahr; Student Feenburg ein Jahr; Maler Glade sechs Monat; Schauspieler Trzeciak und Bedienter Sieg jeder zu drei Monat Festungsstrafe, der Student Feenburg außerdem noch auf Landesverweisung nach abgebüßter Strafe. -- Dieses milde Urtheil im Gegensatz zu den frühern unter dem Präsidium des Vice-Präsidenten des Kammergerichts Nicolovius und Kriminal-Gerichtsdirektor Harrossowitz gesprochenen, erregte eine äußerst günstige Stimmung unter den Zuhörern und vermehrte die Popularität des humanen Präsidenten Koch. Die Angeklagten werden mit Ausnahme des Salzmann, der noch unentschieden ist, keinesfalls Appellation einlegen. Der von den 74. und 75. Bezirksvereinen eingelegte Protest gegen die Wahl des Hrn. Bornemann zum Abgeordneten, wird Gegenstand einer desfallsigen Verhandlung in der Vereinbarerversammlung werden. Es handelt sich hier zugleich um das Prinzip, ob bei einer solchen Nachwahl die Urwähler zusammenzuberufen seien, um neue Wahlmänner zu wählen, besonders in dem Falle wie hier, wenn nicht mehr alle Wählmänner anwesend sind, indem einige theils verreist, andere ganz und gar in andere Provinzen und Städte verzogen sind. Das Wahlgesetz hat diesen Fall unerwähnt gelassen und es liegt jedenfalls in den Händen der Vereinbarerversammlung eine neue Bestimmung für solche Fälle zu erlassen Nachschrift. Gestern hat Se. Maj. der König folgende Kabinetsordre an den Kriegsminister v. Schreckenstein erlassen: "Um Ihnen bei den Berathungen der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung eine Unterstützung zu gewähren, habe ich den Generalmajor v. Brandt, (bisherigen Kommandeur der 10. Infanteriebrigade) zum Unterstaatssekretär im Kriegsministerium ernannt, der Sie in der Versammlung vertreten wird." Hr. Hansemann scheint demnach das wankende Ministerium der That wieder einmal zusammengeleimt zu haben. Auf das Erscheinen des Kriegsministers in der Vereinbarerversammlung müssen wir nun gänzlich verzichten. Auch ersieht man aus dieser Kabinets-Ordre die Gewißheit, daß der bisherige Kommissarius des Kriegsministers, Hr. v. Griesheim, als solcher außer Thätigkeit gesetzt ist. Man spricht in diesem Augenblick allgemein davon, daß das Kriegsministerium dem Beschluß der Vereinbarerversammlung hinsichtlich des geforderten bekannten Erlasses an alle Offiziere der preußischen Armee nicht nachkommen wird. Der Kriegsminister soll dies als Bedingung seines Bleibens im Ministerium gestellt haben. Das Ministerium hofft die Majorität zu erlangen, wenn die Linke in Folge dessen darüber einen Antrag stellen sollte. Die Abstimmung bei dieser Angelegenheit wird ein neuer Prüfstein für unsere Opposition werden. In Folge des bekannten motivirten Votums der Rechten ist es eine Ehrensache für die Linke geworden, ihren Beschluß durchzusetzen. 8 Berlin, 12. Aug. Die berühmte Erklärung der Rechten in Betreff des Schulze'schen Amendements für den Erlaß des Kriegsminister lautet: Hohe Nationalversammlung! Die unterzeichneten Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung fühlen sich gedrungen, gegen das heute in Folge der Schweidnitzer Angelegenheit mit 180 gegen 179 beschlossene Amendement, welches die Offiziere, die ihre politische Ueberzeugung mit der eingetretenen neuen Ordnung der Dinge nicht in Uebereinstimmung bringen können, durch das Kriegsministerium zur Ehrenpflicht gemacht werden soll, sich vom Dienste zurückzuziehen, folgende Erklärung als Separatvotum niederzulegen, weil eine namentliche Abstimmung nicht stattgefunden hat und ihre abweichende Meinung deshalb dem Lande nicht bekannt geworden ist: wir halten jenen Beschluß für unzulässig, wir erblicken darin den beleidigenden Versuch zu einem Zwange der Gewissen durch die Organe der Regierung den Anfang einer politischen Inquisition, wogegen wir im Namen der Freiheit selbst Verwahrung einlegen müssen. Berlin, den 9. August 1848. Unter die 136 Unterschriften befindet sich der Abg. Stachelscheidt aus Olpe in Westphalen, eines übergroßen Patrioten nur zweimal. Von den Abgeordneten der Rheinprovinz befinden sich darunter: Hesse (Solingen), Lensing (Roes), Feldhaus (Gummersbach), v. Daniels (Erkelenz), Müller (Solingen), Reichensperger II. (Kempen), Walter (Rheinbach), James (Simmern), Stupp (Düren), Bauerband (Bonn), Simons (Elberfeld), Kehl (Duisburg, Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 76. Köln, Dienstag 15. August 1848. Deutschland. !!! Frankfurt, 12. Aug. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: 1. die drei italiänischen Fragen; 2. die Fortsetzung der Grundrechte, zu der man natürlich gar nicht kommt. Berger aus Wien interpellirt den Minister des Innern wegen der noch fehlenden östreichischen Wahlen. Ob die östreichische Regierung hiezu Veranstaltung getroffen? Minister des Innern absens. Schoder aus Stuttgart hat dem Verfassungsausschuß einen Antrag um Verminderung der Civillisten übergeben. Wie es sich damit verhalte? Vom Verfassungsausschuß ist noch Niemand da. Vogt stellt zwei Interpellationen an den Kriegsminister: 1. Ob es wahr, daß derselbe in seinem Briefe die Maßregeln, die deutschen demokratischen Vereine aufzulösen, gebilligt hat, und ob diese Billigung im Sinn des Ministeriums ist? Kriegsminister absens. Die Tagesordnung führt zuerst zu der Diskussion über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, welcher beantragt: „die Bezirke von Trient und Roveredo aus dem deutschen Bundesverband zu entlassen.“ Berichterstatter Raumer spricht sehr unverständlich für den Ausschuß. Wiesner: Vor Kurzem haben die Tyroler Deutschlands Hülfe angerufen. Seit jener Zeit haben die Tyroler sich selbst geholfen. Wenn nun die Abgeordneten von Südtyrol Trennung für ihre Provinz von Deutschland beantragen, so sieht er darin keine Verletzung Deutschlands. Er erklärt sich jedoch gegen den ersten Antrag des Ausschusses (siehe unten); dagegen für den zweiten aus Gründen der Nationalität. Bürger aus Triest. Seine Landsleute hätten den Willen, Welsch-Tyrol von Deutsch-Tyrol zu trennen, ausgesprochen. In ihren historischen Gründen hierfür irren sie sehr. Die Welsch-Tyroler geben ferner zu erkennen, sie möchten keinen Bund mit uns Ultramontanen (patriotisches Bravo von Adams aus Coblenz, dem kindischen Arndt, Reichensperger Stedtmann und Consorten). Auch aus strategischen Gründen suchen sie die Lostrennung zu beweisen und zwar nach einer Landkarte (Gelächter rechts), worin sie Berge „versetzten“. (Lichnowsky, der in spanischen Erinnerungen schwelgt, schreit: Bravo!) Aber (auf die Tribüne paukend) so lange unsere Berge stehen etc. etc. werden wir Deutsche bleiben (furchtbarer Ausbruch der Patrioten; der alte Arndt weint wieder). Die Fülle der Bevölkerung Tyrols ist gegen die Lostrennung. In Welsch-Tyrol sind viele deutsche Elemente, die Bischöfe von Trient sind größtentheils Deutsche! (In Jerusalem auch.) Der Redner beantragt: 1) Die Centralgewalt solle bei der östreichischen Regierung gegen die provinzielle Trenrung Welsch-Tyrols von Deutsch-Tyrol protestiren wegen des für Deutschland daraus entspringenden Schadens. Ferner bei der östreichischen Regierung Schritte thun zur Wahrung der deutschen Elemente in Welsch-Tyrol. Schließlich: Die Welsch-Tyroler haben Großes für Deutschland geleistet, also müsse man sie mit der Einverleibung beglücken. (Langes Bravo rechts.) Nauwerk deklamirt über die Verschiedenheit der Nationalitäten und verlangt Untersuchung, ob Welsch-Tyrol wirklich aus dem Deutschen Bunde entlassen werden will. Schuler aus Innspruck: Man hat gesagt, wir Deutsch-Tyroler hätten die Welsch-Tyroler geknechtet, das ist nicht wahr. Wenn zwei Ochsen unter einem Joche (dem Oestreichs) keuchen, kann einer den andern nicht mehr knechten (großer Jubel). Das Nationalitätsprincip brauchen wir hier nicht zu wahren. Thun wir vielmehr wieder einen kühnen Griff. a Prato aus Roveredo für die Lostrennung Welsch-Tyrols vom deutschen Bund. Wenn Alles zu Deutschland zu bringen, was Anno X dabei gewesen, würde zuletzt eine merkwürdige Komposition zusammenkommen. Roveredo ist durch und durch italienisch nach Sprache, Sitte, Geschichte und, Lage; vom deutschen Element daselbst gar nicht die Rede. (Der Redner, welcher nur gebrochen Deutsch spricht, wird fortwährend von der rechten Seite nament[l]ich von dem Grafen Schwerin, durch Ungezogenheiten unterbrocher.) Geschrei nach Schluß. Unterrichter und Würth verzichten auf's Wort. Eine Abstimmung über den Schluß der Debatte ergiebt ein zweifelhaftes Resultat, weshalb man die Diskussion zum Aerger der Rechten fortsetzt. Kohlparzer aus Neuhaus. Es ist unerhört, daß ein deutscher Volksvertreter (Ruf: sind keine Volksvertreter!) den Vorschlag macht, ein Stück aus dem deutschen Körper herauszuschneiden. (Geschrei: Oho!) Wir haben einen deutschen Reichsverweser und deutschen Präsidenten gewählt, weil sie Deutsche. (Ge[l]ächter.) Wenn ein Franzose den Vorschlag machte, Straßburg an Deutschland auszuliefern, würde man ihn in's Tollhaus sperren. (Verhöhnung. Beati possedentes. Wir besitzen Welsch-Tyrol, also behalten wir es, das ist mein Völkerrecht. (Große Freude der historischen Rechtsfreunde.) Man gebe die Petition um Lostrennung von Welsch-Tyrol der öffentlichen Verachtung Preis! (Lachen, Geschrei und Bravo.) Vogt. Nach einem so logischem Vortrag wird es mir schwer werden, zu antworten. Das Prinzip, was gestern hier anerkannt, führt, wie Sie sehen, zu schönen Konsequenzen. Es scheint mir fast, als befände man sich auf einem russischen Reichstag. Einen Abgeordneten, der einen nicht Allen beliebigen Antrag stellt, will man herausschmeißen, wo möglich knuten. (Bravo.) Ob man etwa Welsch-Tyrol, Welsch Tyrol nenne, weil Deutsche darin wohnen? Ob etwa die paar Kellner, Gastwirthe und österreichische Beamten das deutsche Element sein sollen? Solcher deutsche Elemente giebt's in Rom und Mailand noch mehr (Gelächter). Warum nehmen Sie nicht die beiden auch zum deutschen Bund? (Bravo!) An die Stelle der glücklich beseitigten Franzosenfresserei ist die Länderfresserei getreten. Früher hing der Zopf hinten, jetzt hängt man ihn unter die Nase. (Große Indignation aller Schnurrbärte). Wenn etwa einmal die französische Kammer die Lostrennung des Elsaß diskutiren wolle, würde doch Niemand den brutalen Vorschlag wagen, einen Redner dafür herauszuschmeißen. Stimmt für den Antrag der Welsch-Tyroler Abgeordneten. Nach ihm wird die Diskussion geschlossen und nach Beseitigung des edlen Kohlparzer'schen Antrages: „Die Abgeordneten, welche eine Lostrennung Welsch-Tyrols beantragen, fortzuweisen,“ geht man zur Abstimmung über. a Prato's Anträge werden verworfen; die Ausschußanträge 1) und 2) folgendermaßen lautend: 1) Eine Trennung oder Lossagung der Kreise Trient und Roveredo vom deutschen Bunde kann nicht stattfinden; Angenommen. Ferner der Antrag des Ausschusses: „Die hohe Nationalversammlung möge beschließen, es sei zweckmäßig, daß die zwei italienischen Kreisbezirke Trient und Roveredo, sowohl rücksichtlich des Provinziallandtages, als der politischen und justitiellen Verwaltung, eine von den deutschen Kreisen der Provinz Tirol unabhängige, ihrer Nationalität entsprechende Organisation erlangen.“ Angenommen. Folgt Nr. 2) der Tagesordnung: Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, den östreichisch-italienischen Krieg betreffend. Reuter aus Böhmen, der sich gegen Italien erklärt, spricht bei gänzlicher Theilnahmlosigkeit. (Rechts und Links geht man zu Tische.) Nauwerk spricht unter fortwährendem Geschrei der Rechten, den die Rechte nicht aussprechen lassen will, gegen die Oestreicher und beantragt, die Centralgewalt aufzufordern, dem östreichisch-italienischen Krieg Einhalt zu thun. Radowitz (unter andachtsvoller tiefer Stille der Seinen; Herr Bürgers faltet die Hände): Ich bringe dem östreichischen siegreichen Heere, das ja für uns Alle gekämpft und gelitten, meine Huldigung. (Furchtbares Bravo der Patrioten.) Ohne Trient und Triest ist das adriatische Meer die zum Mittelmeer führende bedeutende Pulsader nicht zu halten; dasselbe gilt von der Westgränze. Ein Drittel des deutschen Reichs wäre ohne Schuß verloren, wenn nicht Deutschland festen Fuß in Ober-Italien behielte. Gleichwohl sei der Besitz der Lombardei nicht absolut nothwendig. Dagegen aber müsse man wenigstens das ehemalige venetianische Gebiet behalten. Wenn auch die Oestreicher geschlagen worden wären, wäre Italien doch nicht frei geworden. (Rechts, sehr gut.) Die Lande bis zum Minciv müssen Oestreichisch bleiben. Minister Heckscher hat nach einer so glänzenden Rede uns noch kurz zu sprechen. Das Reichsministerium hat sich entschlossen entschieden dahin zu wirken, daß diese Frage einer Lösun[g] entgegengeführt werde, die der Ehre der Nation (à là Polen) würdig se[i.] Er hofft, man wer[d]e alle Anträge den italienischen Krieg betreffend ohne Weiteres an die Centralgewalt überweisen. Die Versammlung beschließt demnach sofort den Schluß der Debatte. Der Berichterstatter v. Raumer spricht einige Schlußworte. Er war lange in Italien, hat die Geschichte der Hohenstaufen geschrieben und hält die östreichische Regierung daselbst für besser als jede andere italienische. Venedey (sehr wehmüthig) erklärt, daß er vor acht Tagen seinen Antrag schon eingebracht und ihn nur auf Wunsch des Präsidenten und aus Rücksicht für das Ministerium zurückgenommen. Da er aber jetzt nicht darüber sprechen darf, was ihm sehr ungerecht scheine, nehme er ihn nochmals zurück. Bei der Abstimmung werden Dobelhovers und Nauwerk's Anträge verworfen. Dagegen angenommen einer von Stavenhagen, Osterrath u. s w., lautend: „Die Nationalversammlung überweist die auf den italienischen Krieg bezüglichen Anträge an die Centralgewalt, in der Erwartung, daß dieselbe die Interessen Deutschlands wahren wird. Durch Annahme dieses Antrags fällt der Antrag des Ausschusses weg. Venedey bringt den früher erwähnten Antrag nochmals als dringlich vor, fällt abermals durch, beruhigt sich aber nicht, beruft sich auf die Geschäftsordnung, und erklärt, daß er wie immer protestire. Nro. 3 der Tagesordnung: Bericht, die Vereinigung Istriens mit dem deutschen Bunde betreffend: „Der Abgeordnete des Wahlbezirks Botzen, Dr. Unterrichter, hat darauf angetragen: das ehemals venetianische Istrien, die anliegenden Inseln und den Bezirk von Montefalcone mit dem deutschen Bunde zu vereinigen. Eine solche Vereinigung würde die Handelsverbindungen erleichtern, die deutsche Seeküste verbreiten, an Pola einen sehr brauchbaren Hafen gewinnen lassen, und eine ehemalige Verbindung dieser Landstriche mit dem deutschen Reiche wieder herzustellen „So weit die Verhältnisse sich von hier und ohne nähere Rückfragen und Untersuchungen übersehen lassen, ist der Gegenstand von erheblicher Wichtigkeit, kann aber durch die konstituirende National-Versammlung nicht füglich weiter und zum Ziele geführt werden. Der völkerrechtliche Ausschuß trägt deshalb darauf an, die Sache der vollziehenden Gewalt zu überweisen und deren nähere Mittheilungen und Anträge zu erwarten.“ Jenny aus Triest begründet die Ausschußanträge. Jahn erinnert sich aus seiner Jugend, daß man sich Europa auf der Landkarte als eine Jungfrau vorstellt. Demnach wird er nicht zugeben, daß man vom Schnürstiefel dieser Jungfrau ein Paar Strüppen, Welsch-Tyrol und Istrien, abreißt. (Allgemeine Verspottung auf allen Seiten.) Die Ausschußanträge werden angenommen. Gagern: Bezüglich des Kölner Dombaufestes hat das Bureau der National-Versammlung eine Deputation von 25 Mitgliedern bestimmt, welche daselbst auch außer dem Anschluß an die Dombaufeier sich die Begrüßung des Königs von Preußen (in Köln) zur Pflicht machen wird. Die Deputation reist morgen früh ab. Sie wird außer dem Bureau, gegildet von den Abgeordneten Gfrörer, Löu, Breusig, Kirchgeßner, Wurm, Lichnowsky, Stedmann, Graf Schwerin, Venedey, Cebto, Andrian, Jordan aus Berlin und Beseler. In Folge dieser Feier werden die Sitzungen bis künftigen Donnerstag ausgesetzt. (Großer Jubel). Tagesordnung für Donnerstag: Fortsetzung der Grundrechte. 103 Berlin, 12. August. Die Berathung des Verfassungs-Entwurfs wird jetzt in allen Abtheilungen eifrig betrieben und ist schon bis zum Paragraphen 15 vorgerückt. Es sind sehr wenig Veränderungen bisher angenommen worden. Außer den gestern schon mitgetheilten, betreffend das künftige Wegfallen der Worte „von Gottes Gnaden“ und König der Preußen statt: von Preußen, haben die §§ 10, 12, 13, in verschiedenen Abtheilungen mehrfache Aenderungen erlitten. Statt des Satzes im § 10, welcher ursprünglich lautet: „Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden“, ist in einigen Abtheilungen folgende allgemeinere Fassung angenommen worden: „Die Freiheit der Gedankenäußerung durch Presse, Rede, Schrift und Bildwerk darf durch kein Gesetz beschränkt werden“. — Auch der § 12 hat in der 8. Abtheilung eine Aenderung erfahren, indem er jetzt lautet: „Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Deutschland wohnhaft, (dafür hat der ursprüngliche Entwurf: in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend) so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, nicht verfolgt werden“. Der ursprüngliche Entwurf hatte noch den Zusatz: „Wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird“, welcher in dieser Abtheilung nicht angenommen wurde. — Der § 13 hat in einigen Abtheilungen eine wesentliche Aenderung erfahren. Er betrifft das freie Versammlungsrecht und ist der letzte Theil dieses §. Er ist dahin abgeändert worden: „Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, welche gegen dieselbe jedoch kein Verbot ergehen lassen darf“, statt des ursprünglichen Satzes: „Welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann“. — Diese Aenderungen, welche von einigen Mitgliedern der äußersten Linken in einigen Abtheilungen durchgesetzt wurden, werden voraussichtlich bei der Berathung in der Plenarversammlung zu harten Kämpfen Veranlassung geben. Unsere Borgeoisie ist sehr erbittert gegen die Herren Vereinbarer, weil sie die Berathung der Verfassungsurkunde so lange verzögern. Man berechnet die großen Summen, die die Vereinbarer-Versammlung schon gekostet und das Wenige was sie bisher geleistet. Von Seiten der Reaktion wird den Spießbürgern vorgeredet, daß Handel und Gewerbe nicht früher wieder blühen und das Vertrauen hergestellt werden könne, bis die Verfassung vereinbart und im ganzen Lande anerkannt sei. Alle diejenigen, deren Geschäft nun augenblicklich nicht so gut geht als früher, schreien nun tagtäglich: „berathet die Verfassung!“ Man bestreitet den Vereinbarern jede Befugniß irgend ein Gesetz aus eigener Machtvollkommenheit zu berathen und nennt ihre Beschlüsse unzeitig und voreilig. Im Volke ist der Glaube allgemein verbreitet, daß es den Vereinbarern nur um die drei Thaler täglicher Diäten zu thun sei, und daß sie deshalb die Berathung der Verfassung so lang wie möglich hinaus verzögern. Diese Ansicht hat besonders dadurch Verbreitung gefunden, weil es faktisch bewiesen ist, daß einige der Herren Vereinbarer aus dem vierten Stande täglich über zwei Thaler von ihren Diäten ersparen, indem sie hier für ihre Wohnung, Essen und Trinken nur fünfzehn Silbergroschen täglich bezahlen. Gestern waren die Redner, welche in einer Volksversammlung sprachen, die vom demokratischen Klub ohne vorherige polizeiliche Anfrage angesetzt war, vor den Polizeirichter geladen. Die Präsidenten des demokratischen Klubs waren im Termine nicht erschienen, und da der Hauptbelastungszeuge ebenfalls nicht anwesend war, so wurde der Termin auf den 15. d. M. verschoben. Gestern, Morgens 8 Uhr, begann vor dem Criminal-Senat des Kammergerichts, Abtheilung für besonders schwere Verbrechen, aus 8 Richtern bestehend, die öffentlichen Verhandlungen gegen den Studenten und Lieutenant des Schleswig-Holstein'schen Freikorps Feenburg. Auch der Schauspieler Trzeciak, Maler Glade, Zimmermann Stolzmann und Bedienter Sieg befinden sich auf der Anklagebank. — Feenburg ist ein geborner Russe und hatte von seiner Regierung die Erlaubniß bekommen, bis zum Jahre 1845 im Auslande zu verweilen, um zu studiren. Er hatte diese Zeit jedoch überschritten und sich von seinem frühern philosophischen Studium der Heilkunde gewidmet. Als Offizier des Schleswig-Holstein'schen Freikorps, hat er das dortige Bürgerrecht gewonnen. — Die Angeklagten sind beschuldigt, am 14. Juni am Zeughause das Volk zu Gewaltschritten aufgereizt, resp. an dessen aufrührerischen Handlungen Theil genommen zu haben. Es waren 28 Belastungs- und 43 Entlastungszeugen vorgeladen. Unter den Ersteren befand sich auch ein Konstabler, welcher zu jener Zeit unter der dienstthuenden Bürgerwehr am Zeughause war, und ein Mitglied der Vereinbarungsversammlung. Beide sagten übrigens, wie noch viele Andere, sehr günstig für die betreffenden Angeklagten aus. Die Angeklagten läugneten die ihnen zu Last gelegten Momente zum größten Theil, nur Feenburg giebt zu „zu den Waffen!“ gerufen zu haben, wenngleich auch er hartnäckig bestreitet, eine andere, als beruhigende Absicht gehabt zu haben. Sogar der Major Blesson, an jenem Tage noch interimistischer Kommandant der Bürgerwehr, als Zeuge vorgeladen, giebt zu, daß Feenburg vom Balkon seines Hauses nur beruhigend zum versammelten Volke gesprochen. — Der Zimmermann Stolzmann, der durch die Anklageakte nur in Folge seiner aufrührerischen Reden und Theilnahme am Tumult beschuldigt war, welches durch die sich widersprechenden Zeugen kaum bewiesen werden konnte, begeht die Unvorsichtigkeit zu erzählen, daß er am Abend des 14. Juni mit Steinen auf die Bürgerwehr geworfen, was bisher noch Niemand gewußt hatte. Heute Vormittags begannen die Plaidoyers des Staatsanwalts, Kammergerichts-Assessor Brohm, und die Vertheidigungsreden der Vertheidiger Stieber, Meyen und Engelken dauerten bis nach 3 Uhr. — Der Staatsanwalt hatte auf sieben Jahre Festungsarrest für Feenburg und Stolzmann und 12-4 Monate für die Uebrigen wegen bloßer Theilnahme am Tumulte angetragen. — Der Gerichtshof entschied: Zimmermann Stolzmann 3 Jahr; Student Feenburg ein Jahr; Maler Glade sechs Monat; Schauspieler Trzeciak und Bedienter Sieg jeder zu drei Monat Festungsstrafe, der Student Feenburg außerdem noch auf Landesverweisung nach abgebüßter Strafe. — Dieses milde Urtheil im Gegensatz zu den frühern unter dem Präsidium des Vice-Präsidenten des Kammergerichts Nicolovius und Kriminal-Gerichtsdirektor Harrossowitz gesprochenen, erregte eine äußerst günstige Stimmung unter den Zuhörern und vermehrte die Popularität des humanen Präsidenten Koch. Die Angeklagten werden mit Ausnahme des Salzmann, der noch unentschieden ist, keinesfalls Appellation einlegen. Der von den 74. und 75. Bezirksvereinen eingelegte Protest gegen die Wahl des Hrn. Bornemann zum Abgeordneten, wird Gegenstand einer desfallsigen Verhandlung in der Vereinbarerversammlung werden. Es handelt sich hier zugleich um das Prinzip, ob bei einer solchen Nachwahl die Urwähler zusammenzuberufen seien, um neue Wahlmänner zu wählen, besonders in dem Falle wie hier, wenn nicht mehr alle Wählmänner anwesend sind, indem einige theils verreist, andere ganz und gar in andere Provinzen und Städte verzogen sind. Das Wahlgesetz hat diesen Fall unerwähnt gelassen und es liegt jedenfalls in den Händen der Vereinbarerversammlung eine neue Bestimmung für solche Fälle zu erlassen Nachschrift. Gestern hat Se. Maj. der König folgende Kabinetsordre an den Kriegsminister v. Schreckenstein erlassen: „Um Ihnen bei den Berathungen der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung eine Unterstützung zu gewähren, habe ich den Generalmajor v. Brandt, (bisherigen Kommandeur der 10. Infanteriebrigade) zum Unterstaatssekretär im Kriegsministerium ernannt, der Sie in der Versammlung vertreten wird.“ Hr. Hansemann scheint demnach das wankende Ministerium der That wieder einmal zusammengeleimt zu haben. Auf das Erscheinen des Kriegsministers in der Vereinbarerversammlung müssen wir nun gänzlich verzichten. Auch ersieht man aus dieser Kabinets-Ordre die Gewißheit, daß der bisherige Kommissarius des Kriegsministers, Hr. v. Griesheim, als solcher außer Thätigkeit gesetzt ist. Man spricht in diesem Augenblick allgemein davon, daß das Kriegsministerium dem Beschluß der Vereinbarerversammlung hinsichtlich des geforderten bekannten Erlasses an alle Offiziere der preußischen Armee nicht nachkommen wird. Der Kriegsminister soll dies als Bedingung seines Bleibens im Ministerium gestellt haben. Das Ministerium hofft die Majorität zu erlangen, wenn die Linke in Folge dessen darüber einen Antrag stellen sollte. Die Abstimmung bei dieser Angelegenheit wird ein neuer Prüfstein für unsere Opposition werden. In Folge des bekannten motivirten Votums der Rechten ist es eine Ehrensache für die Linke geworden, ihren Beschluß durchzusetzen. 8 Berlin, 12. Aug. Die berühmte Erklärung der Rechten in Betreff des Schulze'schen Amendements für den Erlaß des Kriegsminister lautet: Hohe Nationalversammlung! Die unterzeichneten Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung fühlen sich gedrungen, gegen das heute in Folge der Schweidnitzer Angelegenheit mit 180 gegen 179 beschlossene Amendement, welches die Offiziere, die ihre politische Ueberzeugung mit der eingetretenen neuen Ordnung der Dinge nicht in Uebereinstimmung bringen können, durch das Kriegsministerium zur Ehrenpflicht gemacht werden soll, sich vom Dienste zurückzuziehen, folgende Erklärung als Separatvotum niederzulegen, weil eine namentliche Abstimmung nicht stattgefunden hat und ihre abweichende Meinung deshalb dem Lande nicht bekannt geworden ist: wir halten jenen Beschluß für unzulässig, wir erblicken darin den beleidigenden Versuch zu einem Zwange der Gewissen durch die Organe der Regierung den Anfang einer politischen Inquisition, wogegen wir im Namen der Freiheit selbst Verwahrung einlegen müssen. Berlin, den 9. August 1848. Unter die 136 Unterschriften befindet sich der Abg. Stachelscheidt aus Olpe in Westphalen, eines übergroßen Patrioten nur zweimal. Von den Abgeordneten der Rheinprovinz befinden sich darunter: Hesse (Solingen), Lensing (Roes), Feldhaus (Gummersbach), v. Daniels (Erkelenz), Müller (Solingen), Reichensperger II. (Kempen), Walter (Rheinbach), James (Simmern), Stupp (Düren), Bauerband (Bonn), Simons (Elberfeld), Kehl (Duisburg, <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0387"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 76. Köln, Dienstag 15. August 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar076_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 12. Aug.</head> <p>Sitzung der Nationalversammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: 1. die drei italiänischen Fragen; 2. die Fortsetzung der Grundrechte, zu der man natürlich gar nicht kommt.</p> <p><hi rendition="#g">Berger</hi> aus Wien interpellirt den Minister des Innern wegen der noch fehlenden östreichischen Wahlen. Ob die östreichische Regierung hiezu Veranstaltung getroffen?</p> <p><hi rendition="#g">Minister des Innern</hi> absens.</p> <p><hi rendition="#g">Schoder</hi> aus Stuttgart hat dem Verfassungsausschuß einen Antrag um Verminderung der Civillisten übergeben. Wie es sich damit verhalte?</p> <p>Vom Verfassungsausschuß ist noch Niemand da.</p> <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> stellt zwei Interpellationen an den Kriegsminister:</p> <p rendition="#et">1. Ob es wahr, daß derselbe in seinem Briefe die Maßregeln, die deutschen demokratischen Vereine aufzulösen, gebilligt hat, und ob diese Billigung im Sinn des Ministeriums ist?<lb/> 2. Will er authentische Auskunft, ob dem Befehl, dem Reichsverweser zu huldigen, überall nachgekommen ist?</p> <p><hi rendition="#g">Kriegsminister</hi> absens.</p> <p>Die Tagesordnung führt zuerst zu der Diskussion über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, welcher beantragt: „die Bezirke von Trient und Roveredo aus dem deutschen Bundesverband zu entlassen.“ Berichterstatter Raumer spricht sehr unverständlich für den Ausschuß.</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi>: Vor Kurzem haben die Tyroler Deutschlands Hülfe angerufen. Seit jener Zeit haben die Tyroler sich selbst geholfen. Wenn nun die Abgeordneten von Südtyrol Trennung für ihre Provinz von Deutschland beantragen, so sieht er darin keine Verletzung Deutschlands. Er erklärt sich jedoch gegen den ersten Antrag des Ausschusses (siehe unten); dagegen für den zweiten aus Gründen der Nationalität.</p> <p><hi rendition="#g">Bürger</hi> aus Triest. Seine Landsleute hätten den Willen, Welsch-Tyrol von Deutsch-Tyrol zu trennen, ausgesprochen. In ihren historischen Gründen hierfür irren sie sehr. Die Welsch-Tyroler geben ferner zu erkennen, sie möchten keinen Bund mit uns Ultramontanen (patriotisches Bravo von Adams aus Coblenz, dem kindischen Arndt, Reichensperger Stedtmann und Consorten). Auch aus strategischen Gründen suchen sie die Lostrennung zu beweisen und zwar nach einer Landkarte (Gelächter rechts), worin sie Berge „<hi rendition="#g">versetzten</hi>“. (Lichnowsky, der in spanischen Erinnerungen schwelgt, schreit: Bravo!) Aber (auf die Tribüne paukend) so lange unsere Berge stehen etc. etc. werden wir Deutsche bleiben (furchtbarer Ausbruch der Patrioten; der alte Arndt weint wieder). Die Fülle der Bevölkerung Tyrols ist gegen die Lostrennung. In Welsch-Tyrol sind viele deutsche Elemente, die Bischöfe von Trient sind größtentheils Deutsche! (In Jerusalem auch.) Der Redner beantragt: 1) Die Centralgewalt solle bei der östreichischen Regierung gegen die provinzielle Trenrung Welsch-Tyrols von Deutsch-Tyrol protestiren wegen des für Deutschland daraus entspringenden Schadens. Ferner bei der östreichischen Regierung Schritte thun zur Wahrung der deutschen Elemente in Welsch-Tyrol. Schließlich: Die Welsch-Tyroler haben Großes für Deutschland geleistet, also müsse man sie mit der Einverleibung <hi rendition="#g">beglücken</hi>. (Langes Bravo rechts.)</p> <p><hi rendition="#g">Nauwerk</hi> deklamirt über die Verschiedenheit der Nationalitäten und verlangt Untersuchung, ob Welsch-Tyrol wirklich aus dem Deutschen Bunde entlassen werden will.</p> <p><hi rendition="#g">Schuler</hi> aus Innspruck: Man hat gesagt, wir Deutsch-Tyroler hätten die Welsch-Tyroler geknechtet, das ist nicht wahr. Wenn zwei Ochsen unter einem Joche (dem Oestreichs) keuchen, kann einer den andern nicht mehr knechten (großer Jubel). Das Nationalitätsprincip brauchen wir hier nicht zu wahren. Thun wir vielmehr wieder einen kühnen Griff.</p> <p><hi rendition="#g">a Prato</hi> aus Roveredo für die Lostrennung Welsch-Tyrols vom deutschen Bund. Wenn Alles zu Deutschland zu bringen, was Anno X dabei gewesen, würde zuletzt eine merkwürdige Komposition zusammenkommen. Roveredo ist durch und durch italienisch nach Sprache, Sitte, Geschichte und, Lage; vom deutschen Element daselbst gar nicht die Rede. (Der Redner, welcher nur gebrochen Deutsch spricht, wird fortwährend von der rechten Seite nament[l]ich von dem Grafen Schwerin, durch Ungezogenheiten unterbrocher.)</p> <p>Geschrei nach Schluß. <hi rendition="#g">Unterrichter</hi> und <hi rendition="#g">Würth</hi> verzichten auf's Wort.</p> <p>Eine Abstimmung über den Schluß der Debatte ergiebt ein zweifelhaftes Resultat, weshalb man die Diskussion zum Aerger der Rechten fortsetzt.</p> <p><hi rendition="#g">Kohlparzer</hi> aus Neuhaus. Es ist unerhört, daß ein deutscher Volksvertreter (Ruf: sind keine Volksvertreter!) den Vorschlag macht, ein Stück aus dem deutschen Körper herauszuschneiden. (Geschrei: Oho!) Wir haben einen deutschen Reichsverweser und deutschen Präsidenten gewählt, weil sie Deutsche. (Ge[l]ächter.) Wenn ein Franzose den Vorschlag machte, Straßburg an Deutschland auszuliefern, würde man ihn in's Tollhaus sperren. (Verhöhnung. Beati possedentes. Wir besitzen Welsch-Tyrol, also behalten wir es, das ist mein Völkerrecht. (Große Freude der historischen Rechtsfreunde.) Man gebe die Petition um Lostrennung von Welsch-Tyrol der öffentlichen Verachtung Preis! (Lachen, Geschrei und Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Vogt</hi>. Nach einem so logischem Vortrag wird es mir schwer werden, zu antworten. Das Prinzip, was gestern hier anerkannt, führt, wie Sie sehen, zu schönen Konsequenzen. Es scheint mir fast, als befände man sich auf einem russischen Reichstag. Einen Abgeordneten, der einen nicht Allen beliebigen Antrag stellt, will man herausschmeißen, wo möglich knuten. (Bravo.) Ob man etwa Welsch-Tyrol, Welsch Tyrol nenne, weil Deutsche darin wohnen? Ob etwa die paar Kellner, Gastwirthe und österreichische Beamten das deutsche Element sein sollen? Solcher deutsche Elemente giebt's in Rom und Mailand noch mehr (Gelächter). Warum nehmen Sie nicht die beiden auch zum deutschen Bund? (Bravo!) An die Stelle der glücklich beseitigten Franzosenfresserei ist die Länderfresserei getreten. Früher hing der Zopf hinten, jetzt hängt man ihn unter die Nase. (Große Indignation aller Schnurrbärte). Wenn etwa einmal die französische Kammer die Lostrennung des Elsaß diskutiren wolle, würde doch Niemand den brutalen Vorschlag wagen, einen Redner dafür herauszuschmeißen. Stimmt für den Antrag der Welsch-Tyroler Abgeordneten.</p> <p>Nach ihm wird die Diskussion geschlossen und nach Beseitigung des edlen Kohlparzer'schen Antrages: „Die Abgeordneten, welche eine Lostrennung Welsch-Tyrols beantragen, fortzuweisen,“ geht man zur Abstimmung über.</p> <p>a Prato's Anträge werden verworfen; die Ausschußanträge 1) und 2) folgendermaßen lautend:</p> <p>1) Eine Trennung oder Lossagung der Kreise Trient und Roveredo vom deutschen Bunde kann nicht stattfinden;<lb/> 2) Daß die Antragsteller, behufs der bei ihrer Landesregierung einzubringenden Gesuche sich zunächst auf den allgemeinen Beschluß der Nationalversammlung beziehen mögen, welcher lautet: den nicht deutschredenden Volksstämmen Deutschlands ist ihre volksthümliche Entwickelung gewährleistet. namentlich die Gleichberechtigung ihrer Sprachen, soweit deren Gebiete reichen, in dem Kirchenwesen, dem Unterrichte, der Literatur, der innern Verwaltung und Rechtspflege.</p> <p>Angenommen.</p> <p>Ferner der Antrag des Ausschusses:</p> <p>„Die hohe Nationalversammlung möge beschließen, es sei zweckmäßig, daß die zwei italienischen Kreisbezirke Trient und Roveredo, sowohl rücksichtlich des Provinziallandtages, als der politischen und justitiellen Verwaltung, eine von den deutschen Kreisen der Provinz Tirol unabhängige, ihrer Nationalität entsprechende Organisation erlangen.“</p> <p>Angenommen.</p> <p>Folgt Nr. 2) der Tagesordnung: Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, den östreichisch-italienischen Krieg betreffend.</p> <p><hi rendition="#g">Reuter</hi> aus Böhmen, der sich gegen Italien erklärt, spricht bei gänzlicher Theilnahmlosigkeit. (Rechts und Links geht man zu Tische.)</p> <p><hi rendition="#g">Nauwerk</hi> spricht unter fortwährendem Geschrei der Rechten, den die Rechte nicht aussprechen lassen will, gegen die Oestreicher und beantragt, die Centralgewalt aufzufordern, dem östreichisch-italienischen Krieg Einhalt zu thun.</p> <p><hi rendition="#g">Radowitz</hi> (unter andachtsvoller tiefer Stille der Seinen; Herr Bürgers faltet die Hände): Ich bringe dem östreichischen siegreichen Heere, das ja für uns Alle gekämpft und gelitten, meine Huldigung. (Furchtbares Bravo der Patrioten.) Ohne Trient und Triest ist das adriatische Meer die zum Mittelmeer führende bedeutende Pulsader nicht zu halten; dasselbe gilt von der Westgränze. Ein Drittel des deutschen Reichs wäre ohne Schuß verloren, wenn nicht Deutschland festen Fuß in Ober-Italien behielte. Gleichwohl sei der Besitz der Lombardei nicht absolut nothwendig. Dagegen aber müsse man wenigstens das ehemalige venetianische Gebiet behalten. Wenn auch die Oestreicher geschlagen worden wären, wäre Italien doch nicht frei geworden. (Rechts, sehr gut.) Die Lande bis zum Minciv müssen Oestreichisch bleiben.</p> <p>Minister <hi rendition="#g">Heckscher</hi> hat nach einer so glänzenden Rede uns noch kurz zu sprechen. Das Reichsministerium hat sich entschlossen entschieden dahin zu wirken, daß diese Frage einer Lösun[g] entgegengeführt werde, die der Ehre der Nation (à là Polen) würdig se[i.] Er hofft, man wer[d]e alle Anträge den italienischen Krieg betreffend ohne Weiteres an die Centralgewalt überweisen. Die Versammlung beschließt demnach sofort den Schluß der Debatte.</p> <p>Der Berichterstatter v. <hi rendition="#g">Raumer</hi> spricht einige Schlußworte. Er war lange in Italien, hat die Geschichte der Hohenstaufen geschrieben und hält die östreichische Regierung daselbst für besser als jede andere italienische.</p> <p><hi rendition="#g">Venedey</hi> (sehr wehmüthig) erklärt, daß er vor acht Tagen seinen Antrag schon eingebracht und ihn nur auf Wunsch des Präsidenten und aus Rücksicht für das Ministerium zurückgenommen. Da er aber jetzt nicht darüber sprechen darf, was ihm sehr ungerecht scheine, nehme er ihn nochmals zurück.</p> <p>Bei der Abstimmung werden Dobelhovers und Nauwerk's Anträge verworfen.</p> <p>Dagegen angenommen einer von Stavenhagen, Osterrath u. s w., lautend: „Die Nationalversammlung überweist die auf den italienischen Krieg bezüglichen Anträge an die Centralgewalt, in der Erwartung, daß dieselbe die Interessen Deutschlands wahren wird. Durch Annahme dieses Antrags fällt der Antrag des Ausschusses weg.</p> <p><hi rendition="#g">Venedey</hi> bringt den früher erwähnten Antrag nochmals als dringlich vor, fällt abermals durch, beruhigt sich aber nicht, beruft sich auf die Geschäftsordnung, und erklärt, daß er wie immer protestire.</p> <p>Nro. 3 der Tagesordnung: Bericht, die Vereinigung Istriens mit dem deutschen Bunde betreffend:</p> <p>„Der Abgeordnete des Wahlbezirks Botzen, Dr. Unterrichter, hat darauf angetragen: das ehemals venetianische Istrien, die anliegenden Inseln und den Bezirk von Montefalcone mit dem deutschen Bunde zu vereinigen. Eine solche Vereinigung würde die Handelsverbindungen erleichtern, die deutsche Seeküste verbreiten, an Pola einen sehr brauchbaren Hafen gewinnen lassen, und eine ehemalige Verbindung dieser Landstriche mit dem deutschen Reiche wieder herzustellen</p> <p>„So weit die Verhältnisse sich von hier und ohne nähere Rückfragen und Untersuchungen übersehen lassen, ist der Gegenstand von erheblicher Wichtigkeit, kann aber durch die konstituirende National-Versammlung nicht füglich weiter und zum Ziele geführt werden. Der völkerrechtliche Ausschuß trägt deshalb darauf an, die Sache der vollziehenden Gewalt zu überweisen und deren nähere Mittheilungen und Anträge zu erwarten.“</p> <p><hi rendition="#g">Jenny</hi> aus Triest begründet die Ausschußanträge.</p> <p><hi rendition="#g">Jahn</hi> erinnert sich aus seiner Jugend, daß man sich Europa auf der Landkarte als eine Jungfrau vorstellt. Demnach wird er nicht zugeben, daß man vom Schnürstiefel dieser Jungfrau ein Paar Strüppen, Welsch-Tyrol und Istrien, abreißt. (Allgemeine Verspottung auf allen Seiten.)</p> <p>Die Ausschußanträge werden angenommen.</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi>: Bezüglich des Kölner Dombaufestes hat das Bureau der National-Versammlung eine Deputation von 25 Mitgliedern bestimmt, welche daselbst auch außer dem Anschluß an die Dombaufeier sich die Begrüßung des Königs von Preußen (in Köln) zur Pflicht machen wird. Die Deputation reist morgen früh ab. Sie wird außer dem Bureau, gegildet von den Abgeordneten Gfrörer, Löu, Breusig, Kirchgeßner, Wurm, Lichnowsky, Stedmann, Graf Schwerin, Venedey, Cebto, Andrian, Jordan aus Berlin und Beseler. In Folge dieser Feier werden die Sitzungen bis künftigen Donnerstag ausgesetzt. (Großer Jubel).</p> <p>Tagesordnung für Donnerstag: Fortsetzung der Grundrechte.</p> </div> <div xml:id="ar076_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 12. August.</head> <p>Die Berathung des <hi rendition="#g">Verfassungs-Entwurfs</hi> wird jetzt in allen Abtheilungen eifrig betrieben und ist schon bis zum Paragraphen 15 vorgerückt. Es sind sehr wenig Veränderungen bisher angenommen worden. Außer den gestern schon mitgetheilten, betreffend das künftige Wegfallen der Worte „von Gottes Gnaden“ und König <hi rendition="#g">der</hi> Preußen statt: <hi rendition="#g">von</hi> Preußen, haben die §§ 10, 12, 13, in verschiedenen Abtheilungen mehrfache Aenderungen erlitten. Statt des Satzes im § 10, welcher ursprünglich lautet: „Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden“, ist in einigen Abtheilungen folgende allgemeinere Fassung angenommen worden: „Die Freiheit der Gedankenäußerung durch Presse, Rede, Schrift und Bildwerk darf durch kein Gesetz beschränkt werden“. — Auch der § 12 hat in der 8. Abtheilung eine Aenderung erfahren, indem er jetzt lautet: „Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und <hi rendition="#g">in Deutschland wohnhaft,</hi> (dafür hat der ursprüngliche Entwurf: in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend) so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, nicht verfolgt werden“. Der ursprüngliche Entwurf hatte noch den Zusatz: „Wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird“, welcher in dieser Abtheilung nicht angenommen wurde. — Der § 13 hat in einigen Abtheilungen eine wesentliche Aenderung erfahren. Er betrifft das freie Versammlungsrecht und ist der letzte Theil dieses §. Er ist dahin abgeändert worden: „Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, <hi rendition="#g">welche gegen dieselbe jedoch kein Verbot ergehen lassen darf</hi>“, statt des ursprünglichen Satzes: „Welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann“. — Diese Aenderungen, welche von einigen Mitgliedern der äußersten Linken in einigen Abtheilungen durchgesetzt wurden, werden voraussichtlich bei der Berathung in der Plenarversammlung zu harten Kämpfen Veranlassung geben.</p> <p>Unsere Borgeoisie ist sehr erbittert gegen die Herren Vereinbarer, weil sie die Berathung der Verfassungsurkunde so lange verzögern. Man berechnet die großen Summen, die die Vereinbarer-Versammlung schon gekostet und das Wenige was sie bisher geleistet. Von Seiten der Reaktion wird den Spießbürgern vorgeredet, daß Handel und Gewerbe nicht früher wieder blühen und das Vertrauen hergestellt werden könne, bis die Verfassung vereinbart und im ganzen Lande anerkannt sei. Alle diejenigen, deren Geschäft nun augenblicklich nicht so gut geht als früher, schreien nun tagtäglich: „berathet die Verfassung!“ Man bestreitet den Vereinbarern jede Befugniß irgend ein Gesetz aus eigener Machtvollkommenheit zu berathen und nennt ihre Beschlüsse unzeitig und voreilig. Im Volke ist der Glaube allgemein verbreitet, daß es den Vereinbarern nur um die drei Thaler täglicher Diäten zu thun sei, und daß sie deshalb die Berathung der Verfassung so lang wie möglich hinaus verzögern. Diese Ansicht hat besonders dadurch Verbreitung gefunden, weil es faktisch bewiesen ist, daß einige der Herren Vereinbarer aus dem vierten Stande täglich über zwei Thaler von ihren Diäten ersparen, indem sie hier für ihre Wohnung, Essen und Trinken nur fünfzehn Silbergroschen täglich bezahlen.</p> <p>Gestern waren die Redner, welche in einer Volksversammlung sprachen, die vom demokratischen Klub ohne vorherige polizeiliche Anfrage angesetzt war, vor den Polizeirichter geladen. Die Präsidenten des demokratischen Klubs waren im Termine nicht erschienen, und da der Hauptbelastungszeuge ebenfalls nicht anwesend war, so wurde der Termin auf den 15. d. M. verschoben.</p> <p>Gestern, Morgens 8 Uhr, begann vor dem Criminal-Senat des Kammergerichts, Abtheilung für <hi rendition="#g">besonders schwere</hi> Verbrechen, aus 8 Richtern bestehend, die öffentlichen Verhandlungen gegen den Studenten und Lieutenant des Schleswig-Holstein'schen Freikorps <hi rendition="#g">Feenburg</hi>. Auch der Schauspieler <hi rendition="#g">Trzeciak,</hi> Maler <hi rendition="#g">Glade</hi>, Zimmermann <hi rendition="#g">Stolzmann</hi> und Bedienter <hi rendition="#g">Sieg</hi> befinden sich auf der Anklagebank. — Feenburg ist ein geborner Russe und hatte von seiner Regierung die Erlaubniß bekommen, bis zum Jahre 1845 im Auslande zu verweilen, um zu studiren. Er hatte diese Zeit jedoch überschritten und sich von seinem frühern philosophischen Studium der Heilkunde gewidmet. Als Offizier des Schleswig-Holstein'schen Freikorps, hat er das dortige Bürgerrecht gewonnen. — Die Angeklagten sind beschuldigt, am 14. Juni am Zeughause das Volk zu Gewaltschritten aufgereizt, resp. an dessen aufrührerischen Handlungen Theil genommen zu haben. Es waren 28 Belastungs- und 43 Entlastungszeugen vorgeladen. Unter den Ersteren befand sich auch ein Konstabler, welcher zu jener Zeit unter der dienstthuenden Bürgerwehr am Zeughause war, und ein Mitglied der Vereinbarungsversammlung. Beide sagten übrigens, wie noch viele Andere, sehr günstig für die betreffenden Angeklagten aus.</p> <p>Die Angeklagten läugneten die ihnen zu Last gelegten Momente zum größten Theil, nur Feenburg giebt zu „zu den Waffen!“ gerufen zu haben, wenngleich auch er hartnäckig bestreitet, eine andere, als <hi rendition="#g">beruhigende</hi> Absicht gehabt zu haben. Sogar der Major Blesson, an jenem Tage noch interimistischer Kommandant der Bürgerwehr, als Zeuge vorgeladen, giebt zu, daß Feenburg vom Balkon seines Hauses nur beruhigend zum versammelten Volke gesprochen. — Der Zimmermann <hi rendition="#g">Stolzmann,</hi> der durch die Anklageakte nur in Folge seiner aufrührerischen Reden und Theilnahme am Tumult beschuldigt war, welches durch die sich widersprechenden Zeugen kaum bewiesen werden konnte, begeht die Unvorsichtigkeit zu erzählen, daß er am Abend des 14. Juni mit Steinen auf die Bürgerwehr geworfen, was bisher noch Niemand gewußt hatte.</p> <p>Heute Vormittags begannen die Plaidoyers des Staatsanwalts, Kammergerichts-Assessor <hi rendition="#g">Brohm,</hi> und die Vertheidigungsreden der Vertheidiger <hi rendition="#g">Stieber, Meyen</hi> und <hi rendition="#g">Engelken</hi> dauerten bis nach 3 Uhr. — Der Staatsanwalt hatte auf sieben Jahre Festungsarrest für Feenburg und Stolzmann und 12-4 Monate für die Uebrigen wegen bloßer Theilnahme am Tumulte angetragen. — Der Gerichtshof entschied: Zimmermann Stolzmann 3 Jahr; Student Feenburg ein Jahr; Maler Glade sechs Monat; Schauspieler Trzeciak und Bedienter Sieg jeder zu drei Monat Festungsstrafe, der Student Feenburg außerdem noch auf Landesverweisung nach abgebüßter Strafe. — Dieses milde Urtheil im Gegensatz zu den frühern unter dem Präsidium des Vice-Präsidenten des Kammergerichts Nicolovius und Kriminal-Gerichtsdirektor Harrossowitz gesprochenen, erregte eine äußerst günstige Stimmung unter den Zuhörern und vermehrte die Popularität des humanen Präsidenten <hi rendition="#g">Koch</hi>. Die Angeklagten werden mit Ausnahme des Salzmann, der noch unentschieden ist, keinesfalls Appellation einlegen.</p> <p>Der von den 74. und 75. Bezirksvereinen eingelegte Protest gegen die Wahl des Hrn. <hi rendition="#g">Bornemann</hi> zum Abgeordneten, wird Gegenstand einer desfallsigen Verhandlung in der Vereinbarerversammlung werden. Es handelt sich hier zugleich um das Prinzip, ob bei einer solchen Nachwahl die Urwähler zusammenzuberufen seien, um neue Wahlmänner zu wählen, besonders in dem Falle wie hier, wenn nicht mehr alle Wählmänner anwesend sind, indem einige theils verreist, andere ganz und gar in andere Provinzen und Städte verzogen sind. Das Wahlgesetz hat diesen Fall unerwähnt gelassen und es liegt jedenfalls in den Händen der Vereinbarerversammlung eine neue Bestimmung für solche Fälle zu erlassen</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. Gestern hat Se. Maj. der König folgende Kabinetsordre an den Kriegsminister v. Schreckenstein erlassen:</p> <p>„Um Ihnen bei den Berathungen der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung eine Unterstützung zu gewähren, habe ich den Generalmajor v. Brandt, (bisherigen Kommandeur der 10. Infanteriebrigade) zum Unterstaatssekretär im Kriegsministerium ernannt, der Sie in der Versammlung vertreten wird.“</p> <p>Hr. <hi rendition="#g">Hansemann</hi> scheint demnach das wankende Ministerium der That wieder einmal zusammengeleimt zu haben. Auf das Erscheinen des Kriegsministers in der Vereinbarerversammlung müssen wir nun gänzlich verzichten. Auch ersieht man aus dieser Kabinets-Ordre die Gewißheit, daß der bisherige Kommissarius des Kriegsministers, Hr. v. Griesheim, als solcher außer Thätigkeit gesetzt ist.</p> <p>Man spricht in diesem Augenblick allgemein davon, daß das Kriegsministerium dem Beschluß der Vereinbarerversammlung hinsichtlich des geforderten bekannten Erlasses an alle Offiziere der preußischen Armee nicht nachkommen wird. Der Kriegsminister soll dies als Bedingung seines Bleibens im Ministerium gestellt haben. Das Ministerium hofft die Majorität zu erlangen, wenn die Linke in Folge dessen darüber einen Antrag stellen sollte. Die Abstimmung bei dieser Angelegenheit wird ein neuer Prüfstein für unsere Opposition werden. In Folge des bekannten motivirten Votums der Rechten ist es eine Ehrensache für die Linke geworden, ihren Beschluß durchzusetzen.</p> </div> <div xml:id="ar076_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>8</author></bibl> Berlin, 12. Aug.</head> <p>Die berühmte Erklärung der Rechten in Betreff des Schulze'schen Amendements für den Erlaß des Kriegsminister lautet:</p> <p>Hohe Nationalversammlung!</p> <p>Die unterzeichneten Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung fühlen sich gedrungen, gegen das heute in Folge der Schweidnitzer Angelegenheit mit 180 gegen 179 beschlossene Amendement, welches die Offiziere, die ihre politische Ueberzeugung mit der eingetretenen neuen Ordnung der Dinge nicht in Uebereinstimmung bringen können, durch das Kriegsministerium zur Ehrenpflicht gemacht werden soll, sich vom Dienste zurückzuziehen, folgende Erklärung als Separatvotum niederzulegen, weil eine namentliche Abstimmung nicht stattgefunden hat und ihre abweichende Meinung deshalb dem Lande nicht bekannt geworden ist:</p> <p rendition="#et">wir halten jenen Beschluß für unzulässig, wir erblicken darin den beleidigenden Versuch zu einem Zwange der Gewissen durch die Organe der Regierung den Anfang einer politischen Inquisition, wogegen wir im Namen der Freiheit selbst Verwahrung einlegen müssen.</p> <p>Berlin, den 9. August 1848.</p> <p>Unter die 136 Unterschriften befindet sich der Abg. Stachelscheidt aus Olpe in Westphalen, eines übergroßen Patrioten nur zweimal.</p> <p>Von den Abgeordneten der Rheinprovinz befinden sich darunter: Hesse (Solingen), Lensing (Roes), Feldhaus (Gummersbach), v. Daniels (Erkelenz), Müller (Solingen), Reichensperger II. (Kempen), Walter (Rheinbach), James (Simmern), Stupp (Düren), Bauerband (Bonn), Simons (Elberfeld), Kehl (Duisburg, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0387/0001]
Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 76. Köln, Dienstag 15. August 1848. Deutschland. !!! Frankfurt, 12. Aug. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident v. Gagern. Tagesordnung: 1. die drei italiänischen Fragen; 2. die Fortsetzung der Grundrechte, zu der man natürlich gar nicht kommt.
Berger aus Wien interpellirt den Minister des Innern wegen der noch fehlenden östreichischen Wahlen. Ob die östreichische Regierung hiezu Veranstaltung getroffen?
Minister des Innern absens.
Schoder aus Stuttgart hat dem Verfassungsausschuß einen Antrag um Verminderung der Civillisten übergeben. Wie es sich damit verhalte?
Vom Verfassungsausschuß ist noch Niemand da.
Vogt stellt zwei Interpellationen an den Kriegsminister:
1. Ob es wahr, daß derselbe in seinem Briefe die Maßregeln, die deutschen demokratischen Vereine aufzulösen, gebilligt hat, und ob diese Billigung im Sinn des Ministeriums ist?
2. Will er authentische Auskunft, ob dem Befehl, dem Reichsverweser zu huldigen, überall nachgekommen ist?
Kriegsminister absens.
Die Tagesordnung führt zuerst zu der Diskussion über den Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, welcher beantragt: „die Bezirke von Trient und Roveredo aus dem deutschen Bundesverband zu entlassen.“ Berichterstatter Raumer spricht sehr unverständlich für den Ausschuß.
Wiesner: Vor Kurzem haben die Tyroler Deutschlands Hülfe angerufen. Seit jener Zeit haben die Tyroler sich selbst geholfen. Wenn nun die Abgeordneten von Südtyrol Trennung für ihre Provinz von Deutschland beantragen, so sieht er darin keine Verletzung Deutschlands. Er erklärt sich jedoch gegen den ersten Antrag des Ausschusses (siehe unten); dagegen für den zweiten aus Gründen der Nationalität.
Bürger aus Triest. Seine Landsleute hätten den Willen, Welsch-Tyrol von Deutsch-Tyrol zu trennen, ausgesprochen. In ihren historischen Gründen hierfür irren sie sehr. Die Welsch-Tyroler geben ferner zu erkennen, sie möchten keinen Bund mit uns Ultramontanen (patriotisches Bravo von Adams aus Coblenz, dem kindischen Arndt, Reichensperger Stedtmann und Consorten). Auch aus strategischen Gründen suchen sie die Lostrennung zu beweisen und zwar nach einer Landkarte (Gelächter rechts), worin sie Berge „versetzten“. (Lichnowsky, der in spanischen Erinnerungen schwelgt, schreit: Bravo!) Aber (auf die Tribüne paukend) so lange unsere Berge stehen etc. etc. werden wir Deutsche bleiben (furchtbarer Ausbruch der Patrioten; der alte Arndt weint wieder). Die Fülle der Bevölkerung Tyrols ist gegen die Lostrennung. In Welsch-Tyrol sind viele deutsche Elemente, die Bischöfe von Trient sind größtentheils Deutsche! (In Jerusalem auch.) Der Redner beantragt: 1) Die Centralgewalt solle bei der östreichischen Regierung gegen die provinzielle Trenrung Welsch-Tyrols von Deutsch-Tyrol protestiren wegen des für Deutschland daraus entspringenden Schadens. Ferner bei der östreichischen Regierung Schritte thun zur Wahrung der deutschen Elemente in Welsch-Tyrol. Schließlich: Die Welsch-Tyroler haben Großes für Deutschland geleistet, also müsse man sie mit der Einverleibung beglücken. (Langes Bravo rechts.)
Nauwerk deklamirt über die Verschiedenheit der Nationalitäten und verlangt Untersuchung, ob Welsch-Tyrol wirklich aus dem Deutschen Bunde entlassen werden will.
Schuler aus Innspruck: Man hat gesagt, wir Deutsch-Tyroler hätten die Welsch-Tyroler geknechtet, das ist nicht wahr. Wenn zwei Ochsen unter einem Joche (dem Oestreichs) keuchen, kann einer den andern nicht mehr knechten (großer Jubel). Das Nationalitätsprincip brauchen wir hier nicht zu wahren. Thun wir vielmehr wieder einen kühnen Griff.
a Prato aus Roveredo für die Lostrennung Welsch-Tyrols vom deutschen Bund. Wenn Alles zu Deutschland zu bringen, was Anno X dabei gewesen, würde zuletzt eine merkwürdige Komposition zusammenkommen. Roveredo ist durch und durch italienisch nach Sprache, Sitte, Geschichte und, Lage; vom deutschen Element daselbst gar nicht die Rede. (Der Redner, welcher nur gebrochen Deutsch spricht, wird fortwährend von der rechten Seite nament[l]ich von dem Grafen Schwerin, durch Ungezogenheiten unterbrocher.)
Geschrei nach Schluß. Unterrichter und Würth verzichten auf's Wort.
Eine Abstimmung über den Schluß der Debatte ergiebt ein zweifelhaftes Resultat, weshalb man die Diskussion zum Aerger der Rechten fortsetzt.
Kohlparzer aus Neuhaus. Es ist unerhört, daß ein deutscher Volksvertreter (Ruf: sind keine Volksvertreter!) den Vorschlag macht, ein Stück aus dem deutschen Körper herauszuschneiden. (Geschrei: Oho!) Wir haben einen deutschen Reichsverweser und deutschen Präsidenten gewählt, weil sie Deutsche. (Ge[l]ächter.) Wenn ein Franzose den Vorschlag machte, Straßburg an Deutschland auszuliefern, würde man ihn in's Tollhaus sperren. (Verhöhnung. Beati possedentes. Wir besitzen Welsch-Tyrol, also behalten wir es, das ist mein Völkerrecht. (Große Freude der historischen Rechtsfreunde.) Man gebe die Petition um Lostrennung von Welsch-Tyrol der öffentlichen Verachtung Preis! (Lachen, Geschrei und Bravo.)
Vogt. Nach einem so logischem Vortrag wird es mir schwer werden, zu antworten. Das Prinzip, was gestern hier anerkannt, führt, wie Sie sehen, zu schönen Konsequenzen. Es scheint mir fast, als befände man sich auf einem russischen Reichstag. Einen Abgeordneten, der einen nicht Allen beliebigen Antrag stellt, will man herausschmeißen, wo möglich knuten. (Bravo.) Ob man etwa Welsch-Tyrol, Welsch Tyrol nenne, weil Deutsche darin wohnen? Ob etwa die paar Kellner, Gastwirthe und österreichische Beamten das deutsche Element sein sollen? Solcher deutsche Elemente giebt's in Rom und Mailand noch mehr (Gelächter). Warum nehmen Sie nicht die beiden auch zum deutschen Bund? (Bravo!) An die Stelle der glücklich beseitigten Franzosenfresserei ist die Länderfresserei getreten. Früher hing der Zopf hinten, jetzt hängt man ihn unter die Nase. (Große Indignation aller Schnurrbärte). Wenn etwa einmal die französische Kammer die Lostrennung des Elsaß diskutiren wolle, würde doch Niemand den brutalen Vorschlag wagen, einen Redner dafür herauszuschmeißen. Stimmt für den Antrag der Welsch-Tyroler Abgeordneten.
Nach ihm wird die Diskussion geschlossen und nach Beseitigung des edlen Kohlparzer'schen Antrages: „Die Abgeordneten, welche eine Lostrennung Welsch-Tyrols beantragen, fortzuweisen,“ geht man zur Abstimmung über.
a Prato's Anträge werden verworfen; die Ausschußanträge 1) und 2) folgendermaßen lautend:
1) Eine Trennung oder Lossagung der Kreise Trient und Roveredo vom deutschen Bunde kann nicht stattfinden;
2) Daß die Antragsteller, behufs der bei ihrer Landesregierung einzubringenden Gesuche sich zunächst auf den allgemeinen Beschluß der Nationalversammlung beziehen mögen, welcher lautet: den nicht deutschredenden Volksstämmen Deutschlands ist ihre volksthümliche Entwickelung gewährleistet. namentlich die Gleichberechtigung ihrer Sprachen, soweit deren Gebiete reichen, in dem Kirchenwesen, dem Unterrichte, der Literatur, der innern Verwaltung und Rechtspflege.
Angenommen.
Ferner der Antrag des Ausschusses:
„Die hohe Nationalversammlung möge beschließen, es sei zweckmäßig, daß die zwei italienischen Kreisbezirke Trient und Roveredo, sowohl rücksichtlich des Provinziallandtages, als der politischen und justitiellen Verwaltung, eine von den deutschen Kreisen der Provinz Tirol unabhängige, ihrer Nationalität entsprechende Organisation erlangen.“
Angenommen.
Folgt Nr. 2) der Tagesordnung: Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses, den östreichisch-italienischen Krieg betreffend.
Reuter aus Böhmen, der sich gegen Italien erklärt, spricht bei gänzlicher Theilnahmlosigkeit. (Rechts und Links geht man zu Tische.)
Nauwerk spricht unter fortwährendem Geschrei der Rechten, den die Rechte nicht aussprechen lassen will, gegen die Oestreicher und beantragt, die Centralgewalt aufzufordern, dem östreichisch-italienischen Krieg Einhalt zu thun.
Radowitz (unter andachtsvoller tiefer Stille der Seinen; Herr Bürgers faltet die Hände): Ich bringe dem östreichischen siegreichen Heere, das ja für uns Alle gekämpft und gelitten, meine Huldigung. (Furchtbares Bravo der Patrioten.) Ohne Trient und Triest ist das adriatische Meer die zum Mittelmeer führende bedeutende Pulsader nicht zu halten; dasselbe gilt von der Westgränze. Ein Drittel des deutschen Reichs wäre ohne Schuß verloren, wenn nicht Deutschland festen Fuß in Ober-Italien behielte. Gleichwohl sei der Besitz der Lombardei nicht absolut nothwendig. Dagegen aber müsse man wenigstens das ehemalige venetianische Gebiet behalten. Wenn auch die Oestreicher geschlagen worden wären, wäre Italien doch nicht frei geworden. (Rechts, sehr gut.) Die Lande bis zum Minciv müssen Oestreichisch bleiben.
Minister Heckscher hat nach einer so glänzenden Rede uns noch kurz zu sprechen. Das Reichsministerium hat sich entschlossen entschieden dahin zu wirken, daß diese Frage einer Lösun[g] entgegengeführt werde, die der Ehre der Nation (à là Polen) würdig se[i.] Er hofft, man wer[d]e alle Anträge den italienischen Krieg betreffend ohne Weiteres an die Centralgewalt überweisen. Die Versammlung beschließt demnach sofort den Schluß der Debatte.
Der Berichterstatter v. Raumer spricht einige Schlußworte. Er war lange in Italien, hat die Geschichte der Hohenstaufen geschrieben und hält die östreichische Regierung daselbst für besser als jede andere italienische.
Venedey (sehr wehmüthig) erklärt, daß er vor acht Tagen seinen Antrag schon eingebracht und ihn nur auf Wunsch des Präsidenten und aus Rücksicht für das Ministerium zurückgenommen. Da er aber jetzt nicht darüber sprechen darf, was ihm sehr ungerecht scheine, nehme er ihn nochmals zurück.
Bei der Abstimmung werden Dobelhovers und Nauwerk's Anträge verworfen.
Dagegen angenommen einer von Stavenhagen, Osterrath u. s w., lautend: „Die Nationalversammlung überweist die auf den italienischen Krieg bezüglichen Anträge an die Centralgewalt, in der Erwartung, daß dieselbe die Interessen Deutschlands wahren wird. Durch Annahme dieses Antrags fällt der Antrag des Ausschusses weg.
Venedey bringt den früher erwähnten Antrag nochmals als dringlich vor, fällt abermals durch, beruhigt sich aber nicht, beruft sich auf die Geschäftsordnung, und erklärt, daß er wie immer protestire.
Nro. 3 der Tagesordnung: Bericht, die Vereinigung Istriens mit dem deutschen Bunde betreffend:
„Der Abgeordnete des Wahlbezirks Botzen, Dr. Unterrichter, hat darauf angetragen: das ehemals venetianische Istrien, die anliegenden Inseln und den Bezirk von Montefalcone mit dem deutschen Bunde zu vereinigen. Eine solche Vereinigung würde die Handelsverbindungen erleichtern, die deutsche Seeküste verbreiten, an Pola einen sehr brauchbaren Hafen gewinnen lassen, und eine ehemalige Verbindung dieser Landstriche mit dem deutschen Reiche wieder herzustellen
„So weit die Verhältnisse sich von hier und ohne nähere Rückfragen und Untersuchungen übersehen lassen, ist der Gegenstand von erheblicher Wichtigkeit, kann aber durch die konstituirende National-Versammlung nicht füglich weiter und zum Ziele geführt werden. Der völkerrechtliche Ausschuß trägt deshalb darauf an, die Sache der vollziehenden Gewalt zu überweisen und deren nähere Mittheilungen und Anträge zu erwarten.“
Jenny aus Triest begründet die Ausschußanträge.
Jahn erinnert sich aus seiner Jugend, daß man sich Europa auf der Landkarte als eine Jungfrau vorstellt. Demnach wird er nicht zugeben, daß man vom Schnürstiefel dieser Jungfrau ein Paar Strüppen, Welsch-Tyrol und Istrien, abreißt. (Allgemeine Verspottung auf allen Seiten.)
Die Ausschußanträge werden angenommen.
Gagern: Bezüglich des Kölner Dombaufestes hat das Bureau der National-Versammlung eine Deputation von 25 Mitgliedern bestimmt, welche daselbst auch außer dem Anschluß an die Dombaufeier sich die Begrüßung des Königs von Preußen (in Köln) zur Pflicht machen wird. Die Deputation reist morgen früh ab. Sie wird außer dem Bureau, gegildet von den Abgeordneten Gfrörer, Löu, Breusig, Kirchgeßner, Wurm, Lichnowsky, Stedmann, Graf Schwerin, Venedey, Cebto, Andrian, Jordan aus Berlin und Beseler. In Folge dieser Feier werden die Sitzungen bis künftigen Donnerstag ausgesetzt. (Großer Jubel).
Tagesordnung für Donnerstag: Fortsetzung der Grundrechte.
103 Berlin, 12. August. Die Berathung des Verfassungs-Entwurfs wird jetzt in allen Abtheilungen eifrig betrieben und ist schon bis zum Paragraphen 15 vorgerückt. Es sind sehr wenig Veränderungen bisher angenommen worden. Außer den gestern schon mitgetheilten, betreffend das künftige Wegfallen der Worte „von Gottes Gnaden“ und König der Preußen statt: von Preußen, haben die §§ 10, 12, 13, in verschiedenen Abtheilungen mehrfache Aenderungen erlitten. Statt des Satzes im § 10, welcher ursprünglich lautet: „Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden“, ist in einigen Abtheilungen folgende allgemeinere Fassung angenommen worden: „Die Freiheit der Gedankenäußerung durch Presse, Rede, Schrift und Bildwerk darf durch kein Gesetz beschränkt werden“. — Auch der § 12 hat in der 8. Abtheilung eine Aenderung erfahren, indem er jetzt lautet: „Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Deutschland wohnhaft, (dafür hat der ursprüngliche Entwurf: in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend) so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, nicht verfolgt werden“. Der ursprüngliche Entwurf hatte noch den Zusatz: „Wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird“, welcher in dieser Abtheilung nicht angenommen wurde. — Der § 13 hat in einigen Abtheilungen eine wesentliche Aenderung erfahren. Er betrifft das freie Versammlungsrecht und ist der letzte Theil dieses §. Er ist dahin abgeändert worden: „Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, welche gegen dieselbe jedoch kein Verbot ergehen lassen darf“, statt des ursprünglichen Satzes: „Welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann“. — Diese Aenderungen, welche von einigen Mitgliedern der äußersten Linken in einigen Abtheilungen durchgesetzt wurden, werden voraussichtlich bei der Berathung in der Plenarversammlung zu harten Kämpfen Veranlassung geben.
Unsere Borgeoisie ist sehr erbittert gegen die Herren Vereinbarer, weil sie die Berathung der Verfassungsurkunde so lange verzögern. Man berechnet die großen Summen, die die Vereinbarer-Versammlung schon gekostet und das Wenige was sie bisher geleistet. Von Seiten der Reaktion wird den Spießbürgern vorgeredet, daß Handel und Gewerbe nicht früher wieder blühen und das Vertrauen hergestellt werden könne, bis die Verfassung vereinbart und im ganzen Lande anerkannt sei. Alle diejenigen, deren Geschäft nun augenblicklich nicht so gut geht als früher, schreien nun tagtäglich: „berathet die Verfassung!“ Man bestreitet den Vereinbarern jede Befugniß irgend ein Gesetz aus eigener Machtvollkommenheit zu berathen und nennt ihre Beschlüsse unzeitig und voreilig. Im Volke ist der Glaube allgemein verbreitet, daß es den Vereinbarern nur um die drei Thaler täglicher Diäten zu thun sei, und daß sie deshalb die Berathung der Verfassung so lang wie möglich hinaus verzögern. Diese Ansicht hat besonders dadurch Verbreitung gefunden, weil es faktisch bewiesen ist, daß einige der Herren Vereinbarer aus dem vierten Stande täglich über zwei Thaler von ihren Diäten ersparen, indem sie hier für ihre Wohnung, Essen und Trinken nur fünfzehn Silbergroschen täglich bezahlen.
Gestern waren die Redner, welche in einer Volksversammlung sprachen, die vom demokratischen Klub ohne vorherige polizeiliche Anfrage angesetzt war, vor den Polizeirichter geladen. Die Präsidenten des demokratischen Klubs waren im Termine nicht erschienen, und da der Hauptbelastungszeuge ebenfalls nicht anwesend war, so wurde der Termin auf den 15. d. M. verschoben.
Gestern, Morgens 8 Uhr, begann vor dem Criminal-Senat des Kammergerichts, Abtheilung für besonders schwere Verbrechen, aus 8 Richtern bestehend, die öffentlichen Verhandlungen gegen den Studenten und Lieutenant des Schleswig-Holstein'schen Freikorps Feenburg. Auch der Schauspieler Trzeciak, Maler Glade, Zimmermann Stolzmann und Bedienter Sieg befinden sich auf der Anklagebank. — Feenburg ist ein geborner Russe und hatte von seiner Regierung die Erlaubniß bekommen, bis zum Jahre 1845 im Auslande zu verweilen, um zu studiren. Er hatte diese Zeit jedoch überschritten und sich von seinem frühern philosophischen Studium der Heilkunde gewidmet. Als Offizier des Schleswig-Holstein'schen Freikorps, hat er das dortige Bürgerrecht gewonnen. — Die Angeklagten sind beschuldigt, am 14. Juni am Zeughause das Volk zu Gewaltschritten aufgereizt, resp. an dessen aufrührerischen Handlungen Theil genommen zu haben. Es waren 28 Belastungs- und 43 Entlastungszeugen vorgeladen. Unter den Ersteren befand sich auch ein Konstabler, welcher zu jener Zeit unter der dienstthuenden Bürgerwehr am Zeughause war, und ein Mitglied der Vereinbarungsversammlung. Beide sagten übrigens, wie noch viele Andere, sehr günstig für die betreffenden Angeklagten aus.
Die Angeklagten läugneten die ihnen zu Last gelegten Momente zum größten Theil, nur Feenburg giebt zu „zu den Waffen!“ gerufen zu haben, wenngleich auch er hartnäckig bestreitet, eine andere, als beruhigende Absicht gehabt zu haben. Sogar der Major Blesson, an jenem Tage noch interimistischer Kommandant der Bürgerwehr, als Zeuge vorgeladen, giebt zu, daß Feenburg vom Balkon seines Hauses nur beruhigend zum versammelten Volke gesprochen. — Der Zimmermann Stolzmann, der durch die Anklageakte nur in Folge seiner aufrührerischen Reden und Theilnahme am Tumult beschuldigt war, welches durch die sich widersprechenden Zeugen kaum bewiesen werden konnte, begeht die Unvorsichtigkeit zu erzählen, daß er am Abend des 14. Juni mit Steinen auf die Bürgerwehr geworfen, was bisher noch Niemand gewußt hatte.
Heute Vormittags begannen die Plaidoyers des Staatsanwalts, Kammergerichts-Assessor Brohm, und die Vertheidigungsreden der Vertheidiger Stieber, Meyen und Engelken dauerten bis nach 3 Uhr. — Der Staatsanwalt hatte auf sieben Jahre Festungsarrest für Feenburg und Stolzmann und 12-4 Monate für die Uebrigen wegen bloßer Theilnahme am Tumulte angetragen. — Der Gerichtshof entschied: Zimmermann Stolzmann 3 Jahr; Student Feenburg ein Jahr; Maler Glade sechs Monat; Schauspieler Trzeciak und Bedienter Sieg jeder zu drei Monat Festungsstrafe, der Student Feenburg außerdem noch auf Landesverweisung nach abgebüßter Strafe. — Dieses milde Urtheil im Gegensatz zu den frühern unter dem Präsidium des Vice-Präsidenten des Kammergerichts Nicolovius und Kriminal-Gerichtsdirektor Harrossowitz gesprochenen, erregte eine äußerst günstige Stimmung unter den Zuhörern und vermehrte die Popularität des humanen Präsidenten Koch. Die Angeklagten werden mit Ausnahme des Salzmann, der noch unentschieden ist, keinesfalls Appellation einlegen.
Der von den 74. und 75. Bezirksvereinen eingelegte Protest gegen die Wahl des Hrn. Bornemann zum Abgeordneten, wird Gegenstand einer desfallsigen Verhandlung in der Vereinbarerversammlung werden. Es handelt sich hier zugleich um das Prinzip, ob bei einer solchen Nachwahl die Urwähler zusammenzuberufen seien, um neue Wahlmänner zu wählen, besonders in dem Falle wie hier, wenn nicht mehr alle Wählmänner anwesend sind, indem einige theils verreist, andere ganz und gar in andere Provinzen und Städte verzogen sind. Das Wahlgesetz hat diesen Fall unerwähnt gelassen und es liegt jedenfalls in den Händen der Vereinbarerversammlung eine neue Bestimmung für solche Fälle zu erlassen
Nachschrift. Gestern hat Se. Maj. der König folgende Kabinetsordre an den Kriegsminister v. Schreckenstein erlassen:
„Um Ihnen bei den Berathungen der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Versammlung eine Unterstützung zu gewähren, habe ich den Generalmajor v. Brandt, (bisherigen Kommandeur der 10. Infanteriebrigade) zum Unterstaatssekretär im Kriegsministerium ernannt, der Sie in der Versammlung vertreten wird.“
Hr. Hansemann scheint demnach das wankende Ministerium der That wieder einmal zusammengeleimt zu haben. Auf das Erscheinen des Kriegsministers in der Vereinbarerversammlung müssen wir nun gänzlich verzichten. Auch ersieht man aus dieser Kabinets-Ordre die Gewißheit, daß der bisherige Kommissarius des Kriegsministers, Hr. v. Griesheim, als solcher außer Thätigkeit gesetzt ist.
Man spricht in diesem Augenblick allgemein davon, daß das Kriegsministerium dem Beschluß der Vereinbarerversammlung hinsichtlich des geforderten bekannten Erlasses an alle Offiziere der preußischen Armee nicht nachkommen wird. Der Kriegsminister soll dies als Bedingung seines Bleibens im Ministerium gestellt haben. Das Ministerium hofft die Majorität zu erlangen, wenn die Linke in Folge dessen darüber einen Antrag stellen sollte. Die Abstimmung bei dieser Angelegenheit wird ein neuer Prüfstein für unsere Opposition werden. In Folge des bekannten motivirten Votums der Rechten ist es eine Ehrensache für die Linke geworden, ihren Beschluß durchzusetzen.
8 Berlin, 12. Aug. Die berühmte Erklärung der Rechten in Betreff des Schulze'schen Amendements für den Erlaß des Kriegsminister lautet:
Hohe Nationalversammlung!
Die unterzeichneten Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung fühlen sich gedrungen, gegen das heute in Folge der Schweidnitzer Angelegenheit mit 180 gegen 179 beschlossene Amendement, welches die Offiziere, die ihre politische Ueberzeugung mit der eingetretenen neuen Ordnung der Dinge nicht in Uebereinstimmung bringen können, durch das Kriegsministerium zur Ehrenpflicht gemacht werden soll, sich vom Dienste zurückzuziehen, folgende Erklärung als Separatvotum niederzulegen, weil eine namentliche Abstimmung nicht stattgefunden hat und ihre abweichende Meinung deshalb dem Lande nicht bekannt geworden ist:
wir halten jenen Beschluß für unzulässig, wir erblicken darin den beleidigenden Versuch zu einem Zwange der Gewissen durch die Organe der Regierung den Anfang einer politischen Inquisition, wogegen wir im Namen der Freiheit selbst Verwahrung einlegen müssen.
Berlin, den 9. August 1848.
Unter die 136 Unterschriften befindet sich der Abg. Stachelscheidt aus Olpe in Westphalen, eines übergroßen Patrioten nur zweimal.
Von den Abgeordneten der Rheinprovinz befinden sich darunter: Hesse (Solingen), Lensing (Roes), Feldhaus (Gummersbach), v. Daniels (Erkelenz), Müller (Solingen), Reichensperger II. (Kempen), Walter (Rheinbach), James (Simmern), Stupp (Düren), Bauerband (Bonn), Simons (Elberfeld), Kehl (Duisburg,
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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