Neue Rheinische Zeitung. Nr. 77/78. Köln, 17. August 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 77 & 78. Köln, Donnerstag 17. August 1848. Unsere Setzer haben gestern der deutschen Einheit gehuldigt, und darum erschien die gestrige Zeitung nicht. Deutschland. * Köln, 16. August. Nach Beendigung der zur 6. Säkular-Feier der Grundsteinlegung des Kölner Domes veranstalteten Festlichkeiten werden wir einen genauern Bericht über das Vorgefallene geben. Bei dem gestrigen Festmahl auf dem Gürzenich-Saale brachte der König von Preußen die Gesundheit des Erzherzog Reichsverwesers aus, und der Erzherzog Reichsverweser die des Königs. v. Gagern, Präsident der Nationalversammlung in Frankfurt lud die Anwesenden zu einem Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland ein. Der König brachte dann einen zweiten Toast auf die Werkleute an dem Aufbau eines einigen und starken Deutschlands, auf die anwesenden und abwesenden Mitglieder der Frankfurter Versammlung aus. Der Erzherzog Reichsverweser ließ die Stadt Köln hoch leben. Hieran reihten sich Toaste des Erzbischofs von Köln, des Vicepräsidenten der Frankfurter Nationalversammlung: v. Soiron, des Abg. Raveaux, des Dombaumeisters Zwirner. 28 Düsseldorf, 15. August. Während Sie in Köln Feste feierten, sind hier ganz entgegengesetzte Auftritte vorgekommen. Lassen Sie mich von Anfang an die Sache erzählen. Es handelte sich zuerst darum, ob unsre Bürgerwehr etwas zu Ehren des Königs thun sollte. Vor einigen Tagen noch war die Stimmung hierüber fast allgemein ablehnend, nun war aber der Weißbier-Philister wieder aufgetaucht mit seinen Raisonnements, die Stadt werde in allgemeinen Mißkredit kommen, man werde sich von oben herab durch Entziehung der Garnison etc. an der Undankbaren rächen, die doch von dem Beamtenheer und Militär lebe. Der Chef wurde nun von den Behörden aufgefordert, doch seine Bürgerwehr paradiren zu lassen. Er schrieb daher eine Versammlung der Bürgerwehr auf gestern Morgen 11 Uhr aus und legte ihr zwei Fragen vor: erstens: "Soll der König durch die Offiziere der Bürgerwehr begrüßt werden?" Die Rechte in der Hoffnung eine Parade durchzusetzen, stimmte mit der Linken: "Nein!" Die zweite Frage: "Soll die gesammte Bürgerwehr vor dem Könige in Parade erscheinen?" wurde durch rechts und links Treten entschieden; obwohl der Sieg unzweifelhaft der Linken gehörte, so bestand doch die Rechte auf Zählung der Stimmen, wobei sich denn eine Majorität von fast zwei Dritteln für Nein entschied. Mit Jubel zog die siegreiche demokratische Linke ab, die ohne Zweifel noch weit stärker gewesen wäre, wenn die Zeit der Versammlung nicht gerade in die Arbeitsstunden gefallen wäre. Der Nachmittag kam und siehe, die Kasernen hatten ihren ganzen preußischen Parade-Inhalt auf den Bahnhof gespien; die ganze Aristokratie, das Heer der Beamten, der loyale Stadtrath und eine Deputation von Familienvätern aus dem Wupperthal. Einige führten nur die preußische, Andere eine kleine deutsche Kokarde, halb unter dem Hutband versteckt, daneben die preußische offen, groß und breit. Während der Zeit des Erwartens zog ein Detachement Elberfelder Bürgerwehr die allerhöchste Aufmerksamkeit des Volkes auf sich; die preußische Kokarde und daß die Leute Waffen führten, war Veranlassung, daß dieses Detachement fortwährend dem Volkswitz ausgesetzt war. Da verkündete Pfeifen die Ankunft des k. Zuges. Die Lokomotive gab in der That ein sehr schlechtes Beispiel und nur ihr ist es wohl beizumessen, wenn ein heftiges Pfeifen und Murren die kommandirte Beifallsbezeugung störte. Man bot Alles auf, um die Stimme des Volkes zu erersticken und dem Könige unvernehmlich zu machen. Blaß vor Wuth rannten die hohen Behörden herum, aber umsonst. Am Abend brachte ein Dampfschiff das Nassauer Kontingent für Schleswig-Holstein. Man zog mit Musik auf den Karlsplatz, brachte den Nassauern ein Hurrah, die Quartiere wurden angewiesen, die Menge verlief. Plötzlich um etwa 9 Uhr zieht eine Rotte Militärs aller Gattungen von etwa 100-200 Mann tobend durch die Straßen; die Kavalleriesäbel rasseln über's Pflaster, man singt "Ich bin ein Preuße" und bringt dem König ein übers andere Mal Hurrah; ein Haufen Volks ist gleich in der Nähe, die Jugend pfeift und schreit, die Soldaten schwingen beständig die Säbel, Käsemesser und Hirschfänger in der Luft, man geräth retirirend und avancirend aneinander, die Soldaten hauen auf die wehrlosen Bürger ein, Der bekommt einen Hieb übern Arm, Der übern Kopf. Alles schreit Bürger heraus, endlich läßt die Bürgerwehr Generalmarsch schlagen. Unterdeß bringt man überall Verwundete zu den Wundärzten; vom Markt trägt man einen todten Soldaten auf's Rathhaus; wie er gefallen, wird zu verschiedenartig berichtet, als daß man darüber berichten könnte. Alles drängt sich um die Blutlache, die die Stelle des Todes bezeichnet, man schreit: "Barrikaden, Waffen, Bürger heraus." Auf der Bergerstraße demolirt die rasende Soldateska einen Goldladen ohne alle Veranlassung, überdem rückt eine mühsam zusammengetrommelte Kompagnie Bürgerwehr auf den Karlsplatz, in demselben Augenblick eine Kompagnie Soldaten von der andern Seite; die Soldaten laden, eine dumpfe Ungewißheit brütet über dem Schwarm, plötzlich kommt der Chef von der Kaserne hergeeilt und auf seine Aufforderung zieht das Militär ab. In den Kasernen bläst man Generalmarsch, kein preußischer Soldat ist mehr zu sehen; die Nassauer treten ebenfalls auf dem Karlsplatz zusammen, man begrüßt sie mit Hurrah, denn während die preußische Soldateska ihre mordende Rachelust ausübte, spazierten die Nassauer mit den Bürgern Arm in Arm. Der Chef läuft hier und dort die Gruppen beschwichtigend und fordert zum Nachhausegehen auf, der Himmel erbarmt sich und greift dem populären Einfluß des Chefs unter die Arme, indem er einen starken Regen sendet. Soviel einstweilen. Ueberall hörte man gestern Abend die Fragen: Wofür ist denn nun ein kommandirender General hier? warum ist es dem Militär gestattet, heute gerade über die Frist hinaus die Stadt zu beunruhigen und das Preußenthum mit bloßen Säbeln wehrlosen Bürgern einzupauken? Wo bleibt die gerühmte preußische Disciplin? Die öffentliche Entrüstung fordert die schonungsloseste Bestrafung solcher Frevel! So eben höre ich von mehreren Todten sprechen, die Aufregung ist aber der Art, daß man dem Gerüchte keinen Glauben schenken darf. 15 Neuß, 15. August. Wir haben hier wieder einen Beweis gehabt wie die Reaktion kein Mittel scheut sich geltend zu machen und wie sogenannte Deputationen in der Regel den Willen des Volkes ausdrücken: Gestern gingen nämlich drei hiesige Bürger nach Düsseldorf um den König von Preußen im Namen der Neußer Bürgerwehr willkommen zu heißen. Die hiesige Bürgerwehr hat aber diese drei nicht gewählt, sie wußte nicht einmal, daß eine solche Deputation hingeschickt worden war. Die Herren Offiziere hatten dieses Triumvirat eigenmächtig aus ihrer Mitte erkohren. Wäre die ganze Bürgerwehr deshalb befragt worden, so wäre die Absendung einer solchen Deputation mit bedeutender Stimmenmehrheit verworfen worden. Das wußten die Herren zum Voraus und deshalb zogen sie vor, ganz in der Stille unter sich zu wählen. 109 Dortmund, 12. August. Kaum ist das bedeutungsvolle Ereigniß der bergisch-märkischen Deputation vergessen, kaum das Dortmunder Kriegerfest verrauscht, so wird uns ein neuer Genuß patriotischer Gesinnungstüchtigkeit zu Theil. Gestern Abend erfreute Hr. Dr. Gustav Höfken von Frankfurt seine "lieben Wähler" und den hiesigen konstitutionellen Klub mit einem neuen Seelenschmaus. Es hieße Ihre Leser beleidigen, wollte ich auch nur einen Theil der Sekundanerweisheit wiedergeben, welche Hr. Höfken in seinem breiten Professorendeklamatorium auskramte. Ich beschränke mich auf zwei interessante Mittheilungen des patriotischen Abgeordneten von Dortmund. Die Rechte in Frankfurt, so berichtet uns Hr. Höfken, hat, um dem "frechen aber entschiedenen" Auftreten der "gesinnungslosen" Linken zu begegnen, einen organisirten Verschwörerklub etablirt. Alle Anträge, von der Rechten ausgehend, müssen zuerst diesem Klub vorgelegt werden. Hier wird darüber debattirt und beschlossen, und kein Antrag darf ferner vor die Nationalversammlung gebracht werden, bevor er die Genehmigung des Klubs erhalten hat. Dazu haben sich die Verschworenen verpflichtet. Sie stimmen dann gemäß geheimen Statuten auf Kommando, im Nothfalle bei unerwarteten Fragen nach Anweisung ihrer Führer, der Herren Radowitz, Bürgers, Lichnowsky, Stedtmann aus Koblenz. Sie brauchen weder zu hören noch zu sprechen, sie stimmen und die "gute Sache" siegt. Der Dortmunder konstitutionelle Kaub hatte den Dr. Höfken ersucht, in der Nationalversammlung einen Antrag wegen Beendigung des schmachvollen Unterjochungskrieges in Italien zu stellen: Hr. Höfken versichert seinen lieben Wählern, so sehr er auch seinerseits für den Antrag sein möchte, dieses dennoch nicht zu können, (es ist statutenwidrig); aber -- er wolle den Antrag mit aller Wärme in seinem Klub befürworten. Glückliche Wähler! Zweitens berichtet uns Herr Dr. Gustav Höfken Folgendes: Was könnten sie, die Patrioten, der "gesinnungslosen" äußersten Linken gegenüber thun? Die Redefreiheit sei einmal da, man könne der Linken den Mund nicht zuhalten, auch wisse man noch nicht, wenn einer von diesen Menschen die Tribüne bestiege, (Herr Jordan aus Berlin), was er sagen wolle: also könne man ihn nur heruntertrommeln, was auch regelmäßig (statutengemäß) geschehe. "Sehen Sie, meine Herren," -- und hier entwickelt Herr Höfken die ganze Fülle seiner großartigen Begeisterung -- "es sind schon viele Duelle gegen Männer dieser Partei eingeleitet gewesen, aber immer wieder beigelegt worden; jetzt wird die Sache jedenfalls zum Durchbruche kommen. Meine Herren, es bleibt kein anderes Mittel, man muß diese Menschen todtschlagen." Der cynische Muth, mit welchem der sonst so höfisch kriechende Hr. Höfken diese Worte herausstieß, fußt auf dem Bewußtsein, eine Partei hinter sich zu haben, eine Partei Vinke, Wilhelm Jordan, Mathy und anderer wohlunterstützten Regierungsmänner. * Berlin, 12. August. In Betreff der Richtung der Osteisenbahn hat die von den Vereinbarern deshalb niedergesetzte Kommission in Erwägung, daß die Linie über Conitz nur sehr geringen Nutzen für die dünn bevölkerte Gegend selbst bringen würde, sich für die Linie über Bromberg erklärt, weil der mehrere Kostenbetrag dieser Linie sich durch den stärkern Verkehr gut verzinsen wird, weil diese Linie die Kommunikation zwischen den verkehrreichen Städten Küstrin, Landsberg a. d. W, Driesen, Schneidemühl, Nackel, Bromberg, Thorn, Kulm, Graudenz, Schwetz, Neuenburg, Marienwerder und Meve unter sich und mit Berlin, Stettin, Posen, Danzig und Königsberg erleichtert, weil bei dieser Richtung die Bahn durch sehr produktive, eng bevölkerte Länderstriche geht, deshalb einer vielfach größern Zahl von Staatsangehörigen Rutzen bringt, weil diese Linie nach dem Gutachten der bewährt[e]sten Offiziere, die das Terrain zu diesem Behuf speziell untersucht haben, vorzugsweise den militärischen Interessen entspricht und weil solche die künftige Bahnverbindung mit Thorn, so wie dereinst auch mit Warschu erleichtert. 15 Berlin, 12. August. Prachtvolles Vorspiel zu unserer künftigen Habeas-Corpus-Akte! In der Hausvogtei, wo die Opfer der unseligen Juni-Emeute aufgestapelt sind, sitzt ein junger Buchdruckergehülfe seit 9 Wochen gefangen, ohne bis jetzt mehr als das Aufnahmeverhör best[a]nden zu haben! Das Verbrechen, welches der junge Mann begangen haben soll, besteht darin, daß er nach der Erstürmung des Zeughauses, an welcher er nicht betheiligt war, in dasselbe hineintrat, und ein Pistol nebst Seitengewehr mit nach Haus nahm. Ein Kollege lud ihm das Gewehr. Als jener es wieder entladen wollte, und unvorsichtigerweise ein Streichhölzchen mit dem Pulver in Berührung brachte, flog die Spitzkugel in die Wand. Zufällig befanden sich mehrere Landwehrmänner in der Nähe, sie hörten den Knall, kamen hinzu und verhafteten den Aufwiegler und Republikaner. Seit jener Zeit, also 9 Wochen, ist nun der Arme in der Hausvogtei eingesperrt, und wartet, nachdem er bei der Aufnahme einmal verhört worden, vergebens auf das weitere Verfahren. Mit Sehnsucht sieht er einen Tag um den andern dem ferneren Verhöre entgegen. Auch Fernbach, jetzt schon über 6 Wochen verhaftet, sieht dem öffentlichen Verhöre noch immer vergeblich entgegen. Die Anklage lautet: unmittelbare Theilnahme an versuchtem Hochverrath (!!), das corpus delicti ist das ihm zugeschriebene "Extrablatt der Vossischen Zeitung -- gewidmet." Wenn früh, so wird er in 14 Tagen bis 3 Wochen zum öffentlichen Termin, und ohne Zweifel dennoch nach Magdeburg, vielleicht auch nach Stettin kommen. An der Ecke zwischen der Dorolseen- u. Friedrichsstraße stand ein Hause junger Leute. Sofort kam ein Piket Bürgerwehr angezozogen und zersprengte den Trupp. Nur ein gewisser Müller (nicht etwa Johannes) als Volksredner hier sehr bekannt, blieb ruhig stehen. Da kam der Hauptmann der Bürgerwehr hinzu und schrie ihn an: "Wollen Sie wohl auseinandergeh'n?" -- "Aber meine Herrn, wie kann ich denn auseinandergeh'n -- ich steh ja ganz allein!" -- Natürlich brachen die Umstehenden in Gelächter aus; die Bürgerwehr wußte ihre Rachelust nicht anders zu kühlen, als daß sie den ihr übrigens schon längst verhaßten Müller gefangen fortschleppte. Einen komischen Anblick gewährt es, am schwarzen Brett der Universität eine große Anzahl von Studirenden sämmtlicher Fakultäten wegen Unfleißes aus dem Album gelöscht zu sehen. Unter andern bemerke ich auch die Namen Boerner und Monecke!! Armer Monecke!! 15 Berlin, 13. August. In Petersburg ist am 1. August der Stabs-Kapitän Baron Nikolai mit einem Rapport vom Fürsten Woronzoff aus dem Kaukasus angekommen. Er brachte die Nachricht von der Einnahme des befestigten Weilers Gherghebyl in Dagestan durch den Generallieutenant Fürsten Argutynski-Dolgornkow. Die Verluste der Tscherkessen im Laufe des Bombardements und während der Flucht sollen (wie gewöhnlich nach den Berichten, nach welchen der ganze Kaukasus längst entvölkert sein müßte) sehr groß sein. Die Russen wollen am letzten Tage des Treffens auch nicht einen Mann verloren haben. Fürst Argutynski ist in Folge dieses Berichtes sofort zum Generaladjutanten, und Baron Nikolai zum Flügeladjutanten des Kaisers ernannt worden. In Ostrowo in der Provinz Posen ist vor einiger Zeit eine aus einem preußischen Offizier, dem Assessor Küntzel aus Wreschen und einem Sekretär bestehende Kommission zur Untersuchung der von den preußischen Soldaten, von den Juden und den Deutschen gegen die Polen ausgeübten Mißhandlungen angelangt. Die ausgezeichnete Unparteilichkeit dieser Herren ergibt sich schon daraus, daß sie bei der Untersuchung der Vorfälle sich lediglich auf die Berichte des Abgeordneten von Adelnau stützen, und von etwas Anderem nichts wissen wollen. Der Kommission, welche nur aus preußischen Beamten besteht, einen unabhängigen polnischen Bürger als Mitglied beizuordnen, hat die "deutsche Ehre" für überflüssig befunden. 103 Berlin, 14. August. Die, laut Beschluß der Vereinbarer-Versammlung vom 7. d. Mts. niedergesetzte Kommission zur Untersuchung der Schweidnitzer Ereignisse hat es für nothwendig gefunden, drei ihrer Mitglieder, die Hrn. Peters, Ober-Lands-Gerichtsrath aus Schwarza, Schornbaum, Staats-Prokurator aus Koblenz und Schulze, Ober-Lands-Gerichtsassessor aus Delitzsch, unverzüglich dahin abzusenden und wird diese Kommission morgen abreisen. Die äußerste Linke hat in ihren Abendversammlungen den Entwurf einer Gemeinde-Ordnung ausgearbeitet, welcher dem Entwurf des Ministeriums gegenüber gestellt werden soll. Der Abgeordnete D'Ester hat die schließliche Redaktion übernommen. Der Druck des Entwurfs wird morgen beendet und in den Abtheilungen vertheilt werden. Die Kommission zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheit hatte sich von allen Behörden und Ministerien die betreffenden Aktenstücke etc. erbeten um dieselben für ihre Untersuchung zu benutzen. Man beeilte sich auch in allen Departements der Kommission die verlangten Mittheilungen zu machen, nur aus dem Kriegs-Ministerium hat dieselbe bisher noch nicht das Geringste erhalten können. Der Kriegs-Minister behauptet aus seinem Departement nur über die betreffenden Truppenzusammenziehungen und Dis[t]okationen Mittheilungen machen zu können und obgleich die Kommission die Zusendung derselben verlangte, sind sie ihr dennoch bis jetzt noch nicht zugegangen. Die zu gestern ausgeschriebene große Militärberathung in Charlottenburg, betreffend die Absendung einer Riesen-Petition an den König wegen Ernennung des Prinzen von Preußen zum Oberbefehlshaber der Armee, hat nicht stattgefunden, weil der Kriegs-Minister dieselbe verboten hatte. Er gab den Grund an, daß das Militär keine Versammlungen halten dürfe um einen Einfluß auf die Wahl der Befehlshaber auszuüben. Morgen wird der neue Unterstaatssekretär im Kriegs-Ministerium zum ersten Mal in der Vereinbarer-Versammlung erscheinen. Er wird den Vereinbarern eine Mittheilung machen, welche den bekannten Schulzeschen Antrag umgeht, da der Kriegs-Minister, Herr von Schreckenstein, das Rundschreiben an alle Offiziere der Armee, wie es die Vereinbarer-Versammlung beschlossen hat, keinesfalls erlassen will, indem er ein solches Rundschreiben, einverstanden mit unserer liebenswürdigen Rechten, für eine Gewissens-Inquisition hält. -- Es wird jedoch allgemein vermuthet, daß die Majorität der Vereinbarer-Versammlung fest auf die unveränderte Ausführung des gefaßten Beschlusses beharren wird, indem die Herren Rodbertus und von Berg, die nicht zu den 180 gehörten, für sich und ihre Anhänger erklärt haben: für die strikte Vollziehung dieses Beschlusses stimmen zu wollen. Herr Griesheim, der bisherige Stellvertreter des Kriegs-Ministers in der Vereinbarer-Versammlung, der aber in Folge seiner berüchtigten Brochüre durch ein consilium abeundi des Staats-Ministeriums aus jener Versammlung verbannt ist, benutzt seine Mußestunden dazu leitende Artikel für die Neue Preußische Zeitung, das Organ der Reaktion, eiserne Kreuz-Zeitung genannt, zu schreiben. Man muß aber seinen Talenten alle Achtung widerfahren lassen, indem er konsequent durchführt, daß nur in der absoluten Monarchie das Heil der Welt, und besonders Preußens, sich entwickeln könne. Die hiesige Vereinbarer-Versammlung stellt er noch viel tiefer unter die Frankfurter National-Versammlung und nur in der linken Seite findet er Männer, welche wissen wo sie hinaus wollen. Die Männer der Rechten hingegen läßt er das Gewicht seiner ganzen Verachtung fühlen, indem sie keinen Begriff von dem hätten, was sie eigentlich thun müßten. In einigen Abtheilungen ist bei Gelegenheit der Berathung über die vorgelegten Finanzgesetze, worunter auch bekanntlich ein Gesetz wegen Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchs-Stempels, der von Mitgliedern der Linken gestellte Antrag auf gänzliche Abschaffung des Zeitungsstempels angenommen worden. Der Finanz-Minister hatte sich diesem Beschluß mit aller möglichen Kraft widersetzt und machte zuletzt den Vorschlag den bisherigen Satz Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 77 & 78. Köln, Donnerstag 17. August 1848. Unsere Setzer haben gestern der deutschen Einheit gehuldigt, und darum erschien die gestrige Zeitung nicht. Deutschland. * Köln, 16. August. Nach Beendigung der zur 6. Säkular-Feier der Grundsteinlegung des Kölner Domes veranstalteten Festlichkeiten werden wir einen genauern Bericht über das Vorgefallene geben. Bei dem gestrigen Festmahl auf dem Gürzenich-Saale brachte der König von Preußen die Gesundheit des Erzherzog Reichsverwesers aus, und der Erzherzog Reichsverweser die des Königs. v. Gagern, Präsident der Nationalversammlung in Frankfurt lud die Anwesenden zu einem Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland ein. Der König brachte dann einen zweiten Toast auf die Werkleute an dem Aufbau eines einigen und starken Deutschlands, auf die anwesenden und abwesenden Mitglieder der Frankfurter Versammlung aus. Der Erzherzog Reichsverweser ließ die Stadt Köln hoch leben. Hieran reihten sich Toaste des Erzbischofs von Köln, des Vicepräsidenten der Frankfurter Nationalversammlung: v. Soiron, des Abg. Raveaux, des Dombaumeisters Zwirner. 28 Düsseldorf, 15. August. Während Sie in Köln Feste feierten, sind hier ganz entgegengesetzte Auftritte vorgekommen. Lassen Sie mich von Anfang an die Sache erzählen. Es handelte sich zuerst darum, ob unsre Bürgerwehr etwas zu Ehren des Königs thun sollte. Vor einigen Tagen noch war die Stimmung hierüber fast allgemein ablehnend, nun war aber der Weißbier-Philister wieder aufgetaucht mit seinen Raisonnements, die Stadt werde in allgemeinen Mißkredit kommen, man werde sich von oben herab durch Entziehung der Garnison etc. an der Undankbaren rächen, die doch von dem Beamtenheer und Militär lebe. Der Chef wurde nun von den Behörden aufgefordert, doch seine Bürgerwehr paradiren zu lassen. Er schrieb daher eine Versammlung der Bürgerwehr auf gestern Morgen 11 Uhr aus und legte ihr zwei Fragen vor: erstens: „Soll der König durch die Offiziere der Bürgerwehr begrüßt werden?“ Die Rechte in der Hoffnung eine Parade durchzusetzen, stimmte mit der Linken: „Nein!“ Die zweite Frage: „Soll die gesammte Bürgerwehr vor dem Könige in Parade erscheinen?“ wurde durch rechts und links Treten entschieden; obwohl der Sieg unzweifelhaft der Linken gehörte, so bestand doch die Rechte auf Zählung der Stimmen, wobei sich denn eine Majorität von fast zwei Dritteln für Nein entschied. Mit Jubel zog die siegreiche demokratische Linke ab, die ohne Zweifel noch weit stärker gewesen wäre, wenn die Zeit der Versammlung nicht gerade in die Arbeitsstunden gefallen wäre. Der Nachmittag kam und siehe, die Kasernen hatten ihren ganzen preußischen Parade-Inhalt auf den Bahnhof gespien; die ganze Aristokratie, das Heer der Beamten, der loyale Stadtrath und eine Deputation von Familienvätern aus dem Wupperthal. Einige führten nur die preußische, Andere eine kleine deutsche Kokarde, halb unter dem Hutband versteckt, daneben die preußische offen, groß und breit. Während der Zeit des Erwartens zog ein Detachement Elberfelder Bürgerwehr die allerhöchste Aufmerksamkeit des Volkes auf sich; die preußische Kokarde und daß die Leute Waffen führten, war Veranlassung, daß dieses Detachement fortwährend dem Volkswitz ausgesetzt war. Da verkündete Pfeifen die Ankunft des k. Zuges. Die Lokomotive gab in der That ein sehr schlechtes Beispiel und nur ihr ist es wohl beizumessen, wenn ein heftiges Pfeifen und Murren die kommandirte Beifallsbezeugung störte. Man bot Alles auf, um die Stimme des Volkes zu erersticken und dem Könige unvernehmlich zu machen. Blaß vor Wuth rannten die hohen Behörden herum, aber umsonst. Am Abend brachte ein Dampfschiff das Nassauer Kontingent für Schleswig-Holstein. Man zog mit Musik auf den Karlsplatz, brachte den Nassauern ein Hurrah, die Quartiere wurden angewiesen, die Menge verlief. Plötzlich um etwa 9 Uhr zieht eine Rotte Militärs aller Gattungen von etwa 100-200 Mann tobend durch die Straßen; die Kavalleriesäbel rasseln über's Pflaster, man singt „Ich bin ein Preuße“ und bringt dem König ein übers andere Mal Hurrah; ein Haufen Volks ist gleich in der Nähe, die Jugend pfeift und schreit, die Soldaten schwingen beständig die Säbel, Käsemesser und Hirschfänger in der Luft, man geräth retirirend und avancirend aneinander, die Soldaten hauen auf die wehrlosen Bürger ein, Der bekommt einen Hieb übern Arm, Der übern Kopf. Alles schreit Bürger heraus, endlich läßt die Bürgerwehr Generalmarsch schlagen. Unterdeß bringt man überall Verwundete zu den Wundärzten; vom Markt trägt man einen todten Soldaten auf's Rathhaus; wie er gefallen, wird zu verschiedenartig berichtet, als daß man darüber berichten könnte. Alles drängt sich um die Blutlache, die die Stelle des Todes bezeichnet, man schreit: „Barrikaden, Waffen, Bürger heraus.“ Auf der Bergerstraße demolirt die rasende Soldateska einen Goldladen ohne alle Veranlassung, überdem rückt eine mühsam zusammengetrommelte Kompagnie Bürgerwehr auf den Karlsplatz, in demselben Augenblick eine Kompagnie Soldaten von der andern Seite; die Soldaten laden, eine dumpfe Ungewißheit brütet über dem Schwarm, plötzlich kommt der Chef von der Kaserne hergeeilt und auf seine Aufforderung zieht das Militär ab. In den Kasernen bläst man Generalmarsch, kein preußischer Soldat ist mehr zu sehen; die Nassauer treten ebenfalls auf dem Karlsplatz zusammen, man begrüßt sie mit Hurrah, denn während die preußische Soldateska ihre mordende Rachelust ausübte, spazierten die Nassauer mit den Bürgern Arm in Arm. Der Chef läuft hier und dort die Gruppen beschwichtigend und fordert zum Nachhausegehen auf, der Himmel erbarmt sich und greift dem populären Einfluß des Chefs unter die Arme, indem er einen starken Regen sendet. Soviel einstweilen. Ueberall hörte man gestern Abend die Fragen: Wofür ist denn nun ein kommandirender General hier? warum ist es dem Militär gestattet, heute gerade über die Frist hinaus die Stadt zu beunruhigen und das Preußenthum mit bloßen Säbeln wehrlosen Bürgern einzupauken? Wo bleibt die gerühmte preußische Disciplin? Die öffentliche Entrüstung fordert die schonungsloseste Bestrafung solcher Frevel! So eben höre ich von mehreren Todten sprechen, die Aufregung ist aber der Art, daß man dem Gerüchte keinen Glauben schenken darf. 15 Neuß, 15. August. Wir haben hier wieder einen Beweis gehabt wie die Reaktion kein Mittel scheut sich geltend zu machen und wie sogenannte Deputationen in der Regel den Willen des Volkes ausdrücken: Gestern gingen nämlich drei hiesige Bürger nach Düsseldorf um den König von Preußen im Namen der Neußer Bürgerwehr willkommen zu heißen. Die hiesige Bürgerwehr hat aber diese drei nicht gewählt, sie wußte nicht einmal, daß eine solche Deputation hingeschickt worden war. Die Herren Offiziere hatten dieses Triumvirat eigenmächtig aus ihrer Mitte erkohren. Wäre die ganze Bürgerwehr deshalb befragt worden, so wäre die Absendung einer solchen Deputation mit bedeutender Stimmenmehrheit verworfen worden. Das wußten die Herren zum Voraus und deshalb zogen sie vor, ganz in der Stille unter sich zu wählen. 109 Dortmund, 12. August. Kaum ist das bedeutungsvolle Ereigniß der bergisch-märkischen Deputation vergessen, kaum das Dortmunder Kriegerfest verrauscht, so wird uns ein neuer Genuß patriotischer Gesinnungstüchtigkeit zu Theil. Gestern Abend erfreute Hr. Dr. Gustav Höfken von Frankfurt seine „lieben Wähler“ und den hiesigen konstitutionellen Klub mit einem neuen Seelenschmaus. Es hieße Ihre Leser beleidigen, wollte ich auch nur einen Theil der Sekundanerweisheit wiedergeben, welche Hr. Höfken in seinem breiten Professorendeklamatorium auskramte. Ich beschränke mich auf zwei interessante Mittheilungen des patriotischen Abgeordneten von Dortmund. Die Rechte in Frankfurt, so berichtet uns Hr. Höfken, hat, um dem „frechen aber entschiedenen“ Auftreten der „gesinnungslosen“ Linken zu begegnen, einen organisirten Verschwörerklub etablirt. Alle Anträge, von der Rechten ausgehend, müssen zuerst diesem Klub vorgelegt werden. Hier wird darüber debattirt und beschlossen, und kein Antrag darf ferner vor die Nationalversammlung gebracht werden, bevor er die Genehmigung des Klubs erhalten hat. Dazu haben sich die Verschworenen verpflichtet. Sie stimmen dann gemäß geheimen Statuten auf Kommando, im Nothfalle bei unerwarteten Fragen nach Anweisung ihrer Führer, der Herren Radowitz, Bürgers, Lichnowsky, Stedtmann aus Koblenz. Sie brauchen weder zu hören noch zu sprechen, sie stimmen und die „gute Sache“ siegt. Der Dortmunder konstitutionelle Kaub hatte den Dr. Höfken ersucht, in der Nationalversammlung einen Antrag wegen Beendigung des schmachvollen Unterjochungskrieges in Italien zu stellen: Hr. Höfken versichert seinen lieben Wählern, so sehr er auch seinerseits für den Antrag sein möchte, dieses dennoch nicht zu können, (es ist statutenwidrig); aber — er wolle den Antrag mit aller Wärme in seinem Klub befürworten. Glückliche Wähler! Zweitens berichtet uns Herr Dr. Gustav Höfken Folgendes: Was könnten sie, die Patrioten, der „gesinnungslosen“ äußersten Linken gegenüber thun? Die Redefreiheit sei einmal da, man könne der Linken den Mund nicht zuhalten, auch wisse man noch nicht, wenn einer von diesen Menschen die Tribüne bestiege, (Herr Jordan aus Berlin), was er sagen wolle: also könne man ihn nur heruntertrommeln, was auch regelmäßig (statutengemäß) geschehe. „Sehen Sie, meine Herren,“ — und hier entwickelt Herr Höfken die ganze Fülle seiner großartigen Begeisterung — „es sind schon viele Duelle gegen Männer dieser Partei eingeleitet gewesen, aber immer wieder beigelegt worden; jetzt wird die Sache jedenfalls zum Durchbruche kommen. Meine Herren, es bleibt kein anderes Mittel, man muß diese Menschen todtschlagen.“ Der cynische Muth, mit welchem der sonst so höfisch kriechende Hr. Höfken diese Worte herausstieß, fußt auf dem Bewußtsein, eine Partei hinter sich zu haben, eine Partei Vinke, Wilhelm Jordan, Mathy und anderer wohlunterstützten Regierungsmänner. * Berlin, 12. August. In Betreff der Richtung der Osteisenbahn hat die von den Vereinbarern deshalb niedergesetzte Kommission in Erwägung, daß die Linie über Conitz nur sehr geringen Nutzen für die dünn bevölkerte Gegend selbst bringen würde, sich für die Linie über Bromberg erklärt, weil der mehrere Kostenbetrag dieser Linie sich durch den stärkern Verkehr gut verzinsen wird, weil diese Linie die Kommunikation zwischen den verkehrreichen Städten Küstrin, Landsberg a. d. W, Driesen, Schneidemühl, Nackel, Bromberg, Thorn, Kulm, Graudenz, Schwetz, Neuenburg, Marienwerder und Meve unter sich und mit Berlin, Stettin, Posen, Danzig und Königsberg erleichtert, weil bei dieser Richtung die Bahn durch sehr produktive, eng bevölkerte Länderstriche geht, deshalb einer vielfach größern Zahl von Staatsangehörigen Rutzen bringt, weil diese Linie nach dem Gutachten der bewährt[e]sten Offiziere, die das Terrain zu diesem Behuf speziell untersucht haben, vorzugsweise den militärischen Interessen entspricht und weil solche die künftige Bahnverbindung mit Thorn, so wie dereinst auch mit Warschu erleichtert. 15 Berlin, 12. August. Prachtvolles Vorspiel zu unserer künftigen Habeas-Corpus-Akte! In der Hausvogtei, wo die Opfer der unseligen Juni-Emeute aufgestapelt sind, sitzt ein junger Buchdruckergehülfe seit 9 Wochen gefangen, ohne bis jetzt mehr als das Aufnahmeverhör best[a]nden zu haben! Das Verbrechen, welches der junge Mann begangen haben soll, besteht darin, daß er nach der Erstürmung des Zeughauses, an welcher er nicht betheiligt war, in dasselbe hineintrat, und ein Pistol nebst Seitengewehr mit nach Haus nahm. Ein Kollege lud ihm das Gewehr. Als jener es wieder entladen wollte, und unvorsichtigerweise ein Streichhölzchen mit dem Pulver in Berührung brachte, flog die Spitzkugel in die Wand. Zufällig befanden sich mehrere Landwehrmänner in der Nähe, sie hörten den Knall, kamen hinzu und verhafteten den Aufwiegler und Republikaner. Seit jener Zeit, also 9 Wochen, ist nun der Arme in der Hausvogtei eingesperrt, und wartet, nachdem er bei der Aufnahme einmal verhört worden, vergebens auf das weitere Verfahren. Mit Sehnsucht sieht er einen Tag um den andern dem ferneren Verhöre entgegen. Auch Fernbach, jetzt schon über 6 Wochen verhaftet, sieht dem öffentlichen Verhöre noch immer vergeblich entgegen. Die Anklage lautet: unmittelbare Theilnahme an versuchtem Hochverrath (!!), das corpus delicti ist das ihm zugeschriebene „Extrablatt der Vossischen Zeitung — gewidmet.“ Wenn früh, so wird er in 14 Tagen bis 3 Wochen zum öffentlichen Termin, und ohne Zweifel dennoch nach Magdeburg, vielleicht auch nach Stettin kommen. An der Ecke zwischen der Dorolseen- u. Friedrichsstraße stand ein Hause junger Leute. Sofort kam ein Piket Bürgerwehr angezozogen und zersprengte den Trupp. Nur ein gewisser Müller (nicht etwa Johannes) als Volksredner hier sehr bekannt, blieb ruhig stehen. Da kam der Hauptmann der Bürgerwehr hinzu und schrie ihn an: „Wollen Sie wohl auseinandergeh'n?“ — „Aber meine Herrn, wie kann ich denn auseinandergeh'n — ich steh ja ganz allein!“ — Natürlich brachen die Umstehenden in Gelächter aus; die Bürgerwehr wußte ihre Rachelust nicht anders zu kühlen, als daß sie den ihr übrigens schon längst verhaßten Müller gefangen fortschleppte. Einen komischen Anblick gewährt es, am schwarzen Brett der Universität eine große Anzahl von Studirenden sämmtlicher Fakultäten wegen Unfleißes aus dem Album gelöscht zu sehen. Unter andern bemerke ich auch die Namen Boerner und Monecke!! Armer Monecke!! 15 Berlin, 13. August. In Petersburg ist am 1. August der Stabs-Kapitän Baron Nikolai mit einem Rapport vom Fürsten Woronzoff aus dem Kaukasus angekommen. Er brachte die Nachricht von der Einnahme des befestigten Weilers Gherghebyl in Dagestan durch den Generallieutenant Fürsten Argutynski-Dolgornkow. Die Verluste der Tscherkessen im Laufe des Bombardements und während der Flucht sollen (wie gewöhnlich nach den Berichten, nach welchen der ganze Kaukasus längst entvölkert sein müßte) sehr groß sein. Die Russen wollen am letzten Tage des Treffens auch nicht einen Mann verloren haben. Fürst Argutynski ist in Folge dieses Berichtes sofort zum Generaladjutanten, und Baron Nikolai zum Flügeladjutanten des Kaisers ernannt worden. In Ostrowo in der Provinz Posen ist vor einiger Zeit eine aus einem preußischen Offizier, dem Assessor Küntzel aus Wreschen und einem Sekretär bestehende Kommission zur Untersuchung der von den preußischen Soldaten, von den Juden und den Deutschen gegen die Polen ausgeübten Mißhandlungen angelangt. Die ausgezeichnete Unparteilichkeit dieser Herren ergibt sich schon daraus, daß sie bei der Untersuchung der Vorfälle sich lediglich auf die Berichte des Abgeordneten von Adelnau stützen, und von etwas Anderem nichts wissen wollen. Der Kommission, welche nur aus preußischen Beamten besteht, einen unabhängigen polnischen Bürger als Mitglied beizuordnen, hat die „deutsche Ehre“ für überflüssig befunden. 103 Berlin, 14. August. Die, laut Beschluß der Vereinbarer-Versammlung vom 7. d. Mts. niedergesetzte Kommission zur Untersuchung der Schweidnitzer Ereignisse hat es für nothwendig gefunden, drei ihrer Mitglieder, die Hrn. Peters, Ober-Lands-Gerichtsrath aus Schwarza, Schornbaum, Staats-Prokurator aus Koblenz und Schulze, Ober-Lands-Gerichtsassessor aus Delitzsch, unverzüglich dahin abzusenden und wird diese Kommission morgen abreisen. Die äußerste Linke hat in ihren Abendversammlungen den Entwurf einer Gemeinde-Ordnung ausgearbeitet, welcher dem Entwurf des Ministeriums gegenüber gestellt werden soll. Der Abgeordnete D'Ester hat die schließliche Redaktion übernommen. Der Druck des Entwurfs wird morgen beendet und in den Abtheilungen vertheilt werden. Die Kommission zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheit hatte sich von allen Behörden und Ministerien die betreffenden Aktenstücke etc. erbeten um dieselben für ihre Untersuchung zu benutzen. Man beeilte sich auch in allen Departements der Kommission die verlangten Mittheilungen zu machen, nur aus dem Kriegs-Ministerium hat dieselbe bisher noch nicht das Geringste erhalten können. Der Kriegs-Minister behauptet aus seinem Departement nur über die betreffenden Truppenzusammenziehungen und Dis[t]okationen Mittheilungen machen zu können und obgleich die Kommission die Zusendung derselben verlangte, sind sie ihr dennoch bis jetzt noch nicht zugegangen. Die zu gestern ausgeschriebene große Militärberathung in Charlottenburg, betreffend die Absendung einer Riesen-Petition an den König wegen Ernennung des Prinzen von Preußen zum Oberbefehlshaber der Armee, hat nicht stattgefunden, weil der Kriegs-Minister dieselbe verboten hatte. Er gab den Grund an, daß das Militär keine Versammlungen halten dürfe um einen Einfluß auf die Wahl der Befehlshaber auszuüben. Morgen wird der neue Unterstaatssekretär im Kriegs-Ministerium zum ersten Mal in der Vereinbarer-Versammlung erscheinen. Er wird den Vereinbarern eine Mittheilung machen, welche den bekannten Schulzeschen Antrag umgeht, da der Kriegs-Minister, Herr von Schreckenstein, das Rundschreiben an alle Offiziere der Armee, wie es die Vereinbarer-Versammlung beschlossen hat, keinesfalls erlassen will, indem er ein solches Rundschreiben, einverstanden mit unserer liebenswürdigen Rechten, für eine Gewissens-Inquisition hält. — Es wird jedoch allgemein vermuthet, daß die Majorität der Vereinbarer-Versammlung fest auf die unveränderte Ausführung des gefaßten Beschlusses beharren wird, indem die Herren Rodbertus und von Berg, die nicht zu den 180 gehörten, für sich und ihre Anhänger erklärt haben: für die strikte Vollziehung dieses Beschlusses stimmen zu wollen. Herr Griesheim, der bisherige Stellvertreter des Kriegs-Ministers in der Vereinbarer-Versammlung, der aber in Folge seiner berüchtigten Brochüre durch ein consilium abeundi des Staats-Ministeriums aus jener Versammlung verbannt ist, benutzt seine Mußestunden dazu leitende Artikel für die Neue Preußische Zeitung, das Organ der Reaktion, eiserne Kreuz-Zeitung genannt, zu schreiben. Man muß aber seinen Talenten alle Achtung widerfahren lassen, indem er konsequent durchführt, daß nur in der absoluten Monarchie das Heil der Welt, und besonders Preußens, sich entwickeln könne. Die hiesige Vereinbarer-Versammlung stellt er noch viel tiefer unter die Frankfurter National-Versammlung und nur in der linken Seite findet er Männer, welche wissen wo sie hinaus wollen. Die Männer der Rechten hingegen läßt er das Gewicht seiner ganzen Verachtung fühlen, indem sie keinen Begriff von dem hätten, was sie eigentlich thun müßten. In einigen Abtheilungen ist bei Gelegenheit der Berathung über die vorgelegten Finanzgesetze, worunter auch bekanntlich ein Gesetz wegen Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchs-Stempels, der von Mitgliedern der Linken gestellte Antrag auf gänzliche Abschaffung des Zeitungsstempels angenommen worden. Der Finanz-Minister hatte sich diesem Beschluß mit aller möglichen Kraft widersetzt und machte zuletzt den Vorschlag den bisherigen Satz <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0391"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 77 & 78. Köln, Donnerstag 17. August 1848. Unsere Setzer haben gestern der deutschen Einheit gehuldigt, und darum erschien die gestrige Zeitung nicht.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar077-078_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 16. August.</head> <p>Nach Beendigung der zur 6. Säkular-Feier der Grundsteinlegung des Kölner Domes veranstalteten Festlichkeiten werden wir einen genauern Bericht über das Vorgefallene geben.</p> <p>Bei dem gestrigen Festmahl auf dem Gürzenich-Saale brachte der König von Preußen die Gesundheit des Erzherzog Reichsverwesers aus, und der Erzherzog Reichsverweser die des Königs. v. Gagern, Präsident der Nationalversammlung in Frankfurt lud die Anwesenden zu einem Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland ein. Der König brachte dann einen zweiten Toast auf die Werkleute an dem Aufbau eines einigen und starken Deutschlands, auf die anwesenden und abwesenden Mitglieder der Frankfurter Versammlung aus. Der Erzherzog Reichsverweser ließ die Stadt Köln hoch leben. Hieran reihten sich Toaste des Erzbischofs von Köln, des Vicepräsidenten der Frankfurter Nationalversammlung: v. Soiron, des Abg. Raveaux, des Dombaumeisters Zwirner.</p> </div> <div xml:id="ar077-078_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>28</author></bibl> Düsseldorf, 15. August.</head> <p>Während Sie in Köln Feste feierten, sind hier ganz entgegengesetzte Auftritte vorgekommen. Lassen Sie mich von Anfang an die Sache erzählen. Es handelte sich zuerst darum, ob unsre Bürgerwehr etwas zu Ehren des Königs thun sollte. Vor einigen Tagen noch war die Stimmung hierüber fast allgemein ablehnend, nun war aber der Weißbier-Philister wieder aufgetaucht mit seinen Raisonnements, die Stadt werde in allgemeinen Mißkredit kommen, man werde sich von oben herab durch Entziehung der Garnison etc. an der Undankbaren rächen, die doch von dem Beamtenheer und Militär lebe. Der Chef wurde nun von den Behörden aufgefordert, doch seine Bürgerwehr paradiren zu lassen. Er schrieb daher eine Versammlung der Bürgerwehr auf gestern Morgen 11 Uhr aus und legte ihr zwei Fragen vor: erstens: „Soll der König durch die Offiziere der Bürgerwehr begrüßt werden?“ Die Rechte in der Hoffnung eine Parade durchzusetzen, stimmte mit der Linken: „Nein!“ Die zweite Frage: „Soll die gesammte Bürgerwehr vor dem Könige in Parade erscheinen?“ wurde durch rechts und links Treten entschieden; obwohl der Sieg unzweifelhaft der Linken gehörte, so bestand doch die Rechte auf Zählung der Stimmen, wobei sich denn eine Majorität von fast zwei Dritteln für Nein entschied. Mit Jubel zog die siegreiche demokratische Linke ab, die ohne Zweifel noch weit stärker gewesen wäre, wenn die Zeit der Versammlung nicht gerade in die Arbeitsstunden gefallen wäre. Der Nachmittag kam und siehe, die Kasernen hatten ihren ganzen preußischen Parade-Inhalt auf den Bahnhof gespien; die ganze Aristokratie, das Heer der Beamten, der loyale Stadtrath und eine Deputation von Familienvätern aus dem Wupperthal. Einige führten nur die preußische, Andere eine kleine deutsche Kokarde, halb unter dem Hutband versteckt, daneben die preußische offen, groß und breit. Während der Zeit des Erwartens zog ein Detachement Elberfelder Bürgerwehr die allerhöchste Aufmerksamkeit des Volkes auf sich; die preußische Kokarde und daß die Leute Waffen führten, war Veranlassung, daß dieses Detachement fortwährend dem Volkswitz ausgesetzt war. Da verkündete Pfeifen die Ankunft des k. Zuges. Die Lokomotive gab in der That ein sehr schlechtes Beispiel und nur ihr ist es wohl beizumessen, wenn ein heftiges Pfeifen und Murren die kommandirte Beifallsbezeugung störte. Man bot Alles auf, um die Stimme des Volkes zu erersticken und dem Könige unvernehmlich zu machen. Blaß vor Wuth rannten die hohen Behörden herum, aber umsonst.</p> <p>Am Abend brachte ein Dampfschiff das Nassauer Kontingent für Schleswig-Holstein. Man zog mit Musik auf den Karlsplatz, brachte den Nassauern ein Hurrah, die Quartiere wurden angewiesen, die Menge verlief. Plötzlich um etwa 9 Uhr zieht eine Rotte Militärs aller Gattungen von etwa 100-200 Mann tobend durch die Straßen; die Kavalleriesäbel rasseln über's Pflaster, man singt „Ich bin ein Preuße“ und bringt dem König ein übers andere Mal Hurrah; ein Haufen Volks ist gleich in der Nähe, die Jugend pfeift und schreit, die Soldaten schwingen beständig die Säbel, Käsemesser und Hirschfänger in der Luft, man geräth retirirend und avancirend aneinander, die Soldaten hauen auf die wehrlosen Bürger ein, Der bekommt einen Hieb übern Arm, Der übern Kopf. Alles schreit <hi rendition="#g">Bürger heraus,</hi> endlich läßt die Bürgerwehr Generalmarsch schlagen.</p> <p>Unterdeß bringt man überall Verwundete zu den Wundärzten; vom Markt trägt man einen todten Soldaten auf's Rathhaus; wie er gefallen, wird zu verschiedenartig berichtet, als daß man darüber berichten könnte. Alles drängt sich um die Blutlache, die die Stelle des Todes bezeichnet, man schreit: „Barrikaden, Waffen, Bürger heraus.“ Auf der Bergerstraße demolirt die rasende Soldateska einen Goldladen ohne alle Veranlassung, überdem rückt eine mühsam zusammengetrommelte Kompagnie Bürgerwehr auf den Karlsplatz, in demselben Augenblick eine Kompagnie Soldaten von der andern Seite; die Soldaten laden, eine dumpfe Ungewißheit brütet über dem Schwarm, plötzlich kommt der Chef von der Kaserne hergeeilt und auf seine Aufforderung zieht das Militär ab. In den Kasernen bläst man Generalmarsch, kein preußischer Soldat ist mehr zu sehen; die Nassauer treten ebenfalls auf dem Karlsplatz zusammen, man begrüßt sie mit Hurrah, denn während die preußische Soldateska ihre mordende Rachelust ausübte, spazierten die Nassauer mit den Bürgern Arm in Arm. Der Chef läuft hier und dort die Gruppen beschwichtigend und fordert zum Nachhausegehen auf, der Himmel erbarmt sich und greift dem populären Einfluß des Chefs unter die Arme, indem er einen starken Regen sendet. Soviel einstweilen.</p> <p>Ueberall hörte man gestern Abend die Fragen: Wofür ist denn nun ein kommandirender General hier? warum ist es dem Militär gestattet, heute gerade über die Frist hinaus die Stadt zu beunruhigen und das Preußenthum mit bloßen Säbeln wehrlosen Bürgern einzupauken? Wo bleibt die gerühmte preußische Disciplin?</p> <p>Die öffentliche Entrüstung fordert die schonungsloseste Bestrafung solcher Frevel!</p> <p>So eben höre ich von <hi rendition="#g">mehreren</hi> Todten sprechen, die Aufregung ist aber der Art, daß man dem Gerüchte keinen Glauben schenken darf.</p> </div> <div xml:id="ar077-078_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Neuß, 15. August.</head> <p>Wir haben hier wieder einen Beweis gehabt wie die Reaktion kein Mittel scheut sich geltend zu machen und wie sogenannte Deputationen in der Regel den Willen des Volkes ausdrücken: Gestern gingen nämlich drei hiesige Bürger nach Düsseldorf um den König von Preußen im Namen der Neußer Bürgerwehr willkommen zu heißen. Die hiesige Bürgerwehr hat aber diese drei nicht gewählt, sie wußte nicht einmal, daß eine solche Deputation hingeschickt worden war. Die Herren Offiziere hatten dieses Triumvirat eigenmächtig aus ihrer Mitte erkohren. Wäre die ganze Bürgerwehr deshalb befragt worden, so wäre die Absendung einer solchen Deputation mit bedeutender Stimmenmehrheit verworfen worden. Das wußten die Herren zum Voraus und deshalb zogen sie vor, ganz in der Stille unter sich zu wählen.</p> </div> <div xml:id="ar077-078_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>109</author></bibl> Dortmund, 12. August.</head> <p>Kaum ist das bedeutungsvolle Ereigniß der bergisch-märkischen Deputation vergessen, kaum das Dortmunder Kriegerfest verrauscht, so wird uns ein neuer Genuß patriotischer Gesinnungstüchtigkeit zu Theil. Gestern Abend erfreute Hr. Dr. Gustav Höfken von Frankfurt seine „lieben Wähler“ und den hiesigen konstitutionellen Klub mit einem neuen Seelenschmaus. Es hieße Ihre Leser beleidigen, wollte ich auch nur einen Theil der Sekundanerweisheit wiedergeben, welche Hr. Höfken in seinem breiten Professorendeklamatorium auskramte. Ich beschränke mich auf zwei interessante Mittheilungen des patriotischen Abgeordneten von Dortmund.</p> <p>Die Rechte in Frankfurt, so berichtet uns Hr. Höfken, hat, um dem „frechen aber entschiedenen“ Auftreten der „gesinnungslosen“ Linken zu begegnen, einen organisirten Verschwörerklub etablirt. Alle Anträge, von der Rechten ausgehend, <hi rendition="#g">müssen</hi> zuerst diesem Klub vorgelegt werden. Hier wird darüber debattirt und beschlossen, und <hi rendition="#g">kein Antrag darf ferner vor die Nationalversammlung gebracht werden, bevor er die Genehmigung des Klubs erhalten hat</hi>. Dazu haben sich die Verschworenen <hi rendition="#g">verpflichtet</hi>. Sie stimmen dann gemäß geheimen Statuten auf Kommando, im Nothfalle bei unerwarteten Fragen nach Anweisung ihrer Führer, der Herren Radowitz, Bürgers, Lichnowsky, Stedtmann aus Koblenz. Sie brauchen weder zu hören noch zu sprechen, sie stimmen und die „gute Sache“ siegt.</p> <p>Der Dortmunder konstitutionelle Kaub hatte den Dr. Höfken ersucht, in der Nationalversammlung einen Antrag wegen Beendigung des schmachvollen Unterjochungskrieges in Italien zu stellen: Hr. Höfken versichert seinen lieben Wählern, so sehr er auch seinerseits für den Antrag sein möchte, dieses dennoch nicht zu können, (es ist statutenwidrig); aber — er wolle den Antrag mit aller Wärme in seinem Klub befürworten. Glückliche Wähler!</p> <p>Zweitens berichtet uns Herr Dr. Gustav Höfken Folgendes: Was könnten sie, die Patrioten, der „gesinnungslosen“ äußersten Linken gegenüber thun? Die Redefreiheit sei einmal da, man könne der Linken den Mund nicht zuhalten, auch wisse man noch nicht, wenn einer von diesen Menschen die Tribüne bestiege, (Herr Jordan aus Berlin), was er sagen wolle: also könne man ihn nur heruntertrommeln, was auch regelmäßig (statutengemäß) geschehe. „Sehen Sie, meine Herren,“ — und hier entwickelt Herr Höfken die ganze Fülle seiner großartigen Begeisterung — „es sind schon viele Duelle gegen Männer dieser Partei eingeleitet gewesen, aber immer wieder beigelegt worden; jetzt wird die Sache jedenfalls zum Durchbruche kommen. <hi rendition="#g">Meine Herren, es bleibt kein anderes Mittel, man muß diese Menschen todtschlagen</hi>.“</p> <p>Der cynische Muth, mit welchem der sonst so höfisch kriechende Hr. Höfken diese Worte herausstieß, fußt auf dem Bewußtsein, eine Partei hinter sich zu haben, eine Partei Vinke, Wilhelm Jordan, Mathy und anderer wohlunterstützten Regierungsmänner.</p> </div> <div xml:id="ar077-078_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 12. August.</head> <p>In Betreff der Richtung der Osteisenbahn hat die von den Vereinbarern deshalb niedergesetzte Kommission in Erwägung, daß die Linie über <hi rendition="#g">Conitz</hi> nur sehr geringen Nutzen für die dünn bevölkerte Gegend selbst bringen würde, sich für die Linie über Bromberg erklärt, weil der mehrere Kostenbetrag dieser Linie sich durch den stärkern Verkehr gut verzinsen wird, weil diese Linie die Kommunikation zwischen den verkehrreichen Städten Küstrin, Landsberg a. d. W, Driesen, Schneidemühl, Nackel, Bromberg, Thorn, Kulm, Graudenz, Schwetz, Neuenburg, Marienwerder und Meve unter sich und mit Berlin, Stettin, Posen, Danzig und Königsberg erleichtert, weil bei dieser Richtung die Bahn durch sehr produktive, eng bevölkerte Länderstriche geht, deshalb einer vielfach größern Zahl von Staatsangehörigen Rutzen bringt, weil diese Linie nach dem Gutachten der bewährt[e]sten Offiziere, die das Terrain zu diesem Behuf speziell untersucht haben, vorzugsweise den militärischen Interessen entspricht und weil solche die künftige Bahnverbindung mit Thorn, so wie dereinst auch mit Warschu erleichtert.</p> </div> <div xml:id="ar077-078_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 12. August.</head> <p>Prachtvolles Vorspiel zu unserer künftigen Habeas-Corpus-Akte! In der Hausvogtei, wo die Opfer der unseligen Juni-Emeute aufgestapelt sind, sitzt ein junger Buchdruckergehülfe seit 9 Wochen gefangen, ohne bis jetzt mehr als das Aufnahmeverhör best[a]nden zu haben! Das Verbrechen, welches der junge Mann begangen haben soll, besteht darin, daß er nach der Erstürmung des Zeughauses, an welcher er nicht betheiligt war, in dasselbe hineintrat, und ein Pistol nebst Seitengewehr mit nach Haus nahm. Ein Kollege lud ihm das Gewehr. Als jener es wieder entladen wollte, und unvorsichtigerweise ein Streichhölzchen mit dem Pulver in Berührung brachte, flog die Spitzkugel in die Wand. Zufällig befanden sich mehrere Landwehrmänner in der Nähe, sie hörten den Knall, kamen hinzu und verhafteten den Aufwiegler und Republikaner. Seit jener Zeit, also 9 Wochen, ist nun der Arme in der Hausvogtei eingesperrt, und wartet, nachdem er bei der Aufnahme einmal verhört worden, vergebens auf das weitere Verfahren. Mit Sehnsucht sieht er einen Tag um den andern dem ferneren Verhöre entgegen.</p> <p>Auch Fernbach, jetzt schon über 6 Wochen verhaftet, sieht dem öffentlichen Verhöre noch immer vergeblich entgegen. Die Anklage lautet: unmittelbare Theilnahme an versuchtem Hochverrath (!!), das corpus delicti ist das ihm zugeschriebene „Extrablatt der Vossischen Zeitung — gewidmet.“ Wenn früh, so wird er in 14 Tagen bis 3 Wochen zum öffentlichen Termin, und ohne Zweifel dennoch nach Magdeburg, vielleicht auch nach Stettin kommen.</p> <p>An der Ecke zwischen der Dorolseen- u. Friedrichsstraße stand ein Hause junger Leute. Sofort kam ein Piket Bürgerwehr angezozogen und zersprengte den Trupp. Nur ein gewisser Müller (nicht etwa Johannes) als Volksredner hier sehr bekannt, blieb ruhig stehen. Da kam der Hauptmann der Bürgerwehr hinzu und schrie ihn an: „Wollen Sie wohl auseinandergeh'n?“ — „Aber meine Herrn, wie kann ich denn auseinandergeh'n — ich steh ja ganz allein!“ — Natürlich brachen die Umstehenden in Gelächter aus; die Bürgerwehr wußte ihre Rachelust nicht anders zu kühlen, als daß sie den ihr übrigens schon längst verhaßten Müller gefangen fortschleppte.</p> <p>Einen komischen Anblick gewährt es, am schwarzen Brett der Universität eine große Anzahl von Studirenden sämmtlicher Fakultäten wegen <hi rendition="#g">Unfleißes</hi> aus dem Album gelöscht zu sehen. Unter andern bemerke ich auch die Namen Boerner und Monecke!! Armer Monecke!!</p> </div> <div xml:id="ar077-078_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 13. August.</head> <p>In Petersburg ist am 1. August der Stabs-Kapitän Baron <hi rendition="#g">Nikolai</hi> mit einem Rapport vom Fürsten Woronzoff aus dem Kaukasus angekommen. Er brachte die Nachricht von der Einnahme des befestigten Weilers Gherghebyl in Dagestan durch den Generallieutenant Fürsten Argutynski-Dolgornkow. Die Verluste der Tscherkessen im Laufe des Bombardements und während der Flucht sollen (wie gewöhnlich nach den Berichten, nach welchen der ganze Kaukasus längst entvölkert sein müßte) sehr groß sein. Die Russen wollen am letzten Tage des Treffens auch nicht einen Mann verloren haben. Fürst Argutynski ist in Folge dieses Berichtes sofort zum Generaladjutanten, und Baron Nikolai zum Flügeladjutanten des Kaisers ernannt worden.</p> <p>In Ostrowo in der Provinz Posen ist vor einiger Zeit eine aus einem preußischen Offizier, dem Assessor Küntzel aus Wreschen und einem Sekretär bestehende Kommission zur Untersuchung der von den preußischen Soldaten, von den Juden und den Deutschen gegen die Polen ausgeübten Mißhandlungen angelangt. Die ausgezeichnete Unparteilichkeit dieser Herren ergibt sich schon daraus, daß sie bei der Untersuchung der Vorfälle sich lediglich auf die Berichte des Abgeordneten von Adelnau stützen, und von etwas Anderem nichts wissen wollen. Der Kommission, welche nur aus preußischen Beamten besteht, einen unabhängigen polnischen Bürger als Mitglied beizuordnen, hat die „deutsche Ehre“ für überflüssig befunden.</p> </div> <div xml:id="ar077-078_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 14. August.</head> <p>Die, laut Beschluß der Vereinbarer-Versammlung vom 7. d. Mts. niedergesetzte Kommission zur Untersuchung der Schweidnitzer Ereignisse hat es für nothwendig gefunden, drei ihrer Mitglieder, die Hrn. <hi rendition="#g">Peters,</hi> Ober-Lands-Gerichtsrath aus Schwarza, <hi rendition="#g">Schornbaum</hi>, Staats-Prokurator aus Koblenz und <hi rendition="#g">Schulze</hi>, Ober-Lands-Gerichtsassessor aus Delitzsch, unverzüglich dahin abzusenden und wird diese Kommission morgen abreisen.</p> <p>Die äußerste Linke hat in ihren Abendversammlungen den Entwurf einer <hi rendition="#g">Gemeinde-Ordnung</hi> ausgearbeitet, welcher dem Entwurf des Ministeriums gegenüber gestellt werden soll. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">D'Ester</hi> hat die schließliche Redaktion übernommen. Der Druck des Entwurfs wird morgen beendet und in den Abtheilungen vertheilt werden.</p> <p>Die Kommission zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheit hatte sich von allen Behörden und Ministerien die betreffenden Aktenstücke etc. erbeten um dieselben für ihre Untersuchung zu benutzen. Man beeilte sich auch in allen Departements der Kommission die verlangten Mittheilungen zu machen, nur aus dem <hi rendition="#g">Kriegs-</hi>Ministerium hat dieselbe bisher noch <hi rendition="#g">nicht das Geringste</hi> erhalten können. Der Kriegs-Minister behauptet aus seinem Departement nur über die betreffenden Truppenzusammenziehungen und Dis[t]okationen Mittheilungen machen zu können und obgleich die Kommission die Zusendung derselben verlangte, sind sie ihr dennoch bis jetzt noch nicht zugegangen.</p> <p>Die zu gestern ausgeschriebene große Militärberathung in Charlottenburg, betreffend die Absendung einer Riesen-Petition an den König wegen Ernennung des Prinzen von Preußen zum Oberbefehlshaber der Armee, hat nicht stattgefunden, weil der Kriegs-Minister dieselbe verboten hatte. Er gab den Grund an, daß das Militär keine Versammlungen halten dürfe um einen Einfluß auf die Wahl der Befehlshaber auszuüben.</p> <p>Morgen wird der neue Unterstaatssekretär im Kriegs-Ministerium zum ersten Mal in der Vereinbarer-Versammlung erscheinen. Er wird den Vereinbarern eine Mittheilung machen, welche den bekannten Schulzeschen Antrag umgeht, da der Kriegs-Minister, Herr von Schreckenstein, das Rundschreiben an alle Offiziere der Armee, wie es die Vereinbarer-Versammlung beschlossen hat, keinesfalls erlassen will, indem er ein solches Rundschreiben, einverstanden mit unserer liebenswürdigen Rechten, für eine Gewissens-Inquisition hält. — Es wird jedoch allgemein vermuthet, daß die Majorität der Vereinbarer-Versammlung fest auf die unveränderte Ausführung des gefaßten Beschlusses beharren wird, indem die Herren <hi rendition="#g">Rodbertus</hi> und <hi rendition="#g">von Berg,</hi> die nicht zu den 180 gehörten, für sich und ihre Anhänger erklärt haben: für die strikte Vollziehung dieses Beschlusses stimmen zu wollen.</p> <p>Herr <hi rendition="#g">Griesheim</hi>, der bisherige Stellvertreter des Kriegs-Ministers in der Vereinbarer-Versammlung, der aber in Folge seiner berüchtigten Brochüre durch ein consilium abeundi des Staats-Ministeriums aus jener Versammlung verbannt ist, benutzt seine Mußestunden dazu leitende Artikel für die Neue Preußische Zeitung, das Organ der Reaktion, eiserne Kreuz-Zeitung genannt, zu schreiben. Man muß aber seinen Talenten alle Achtung widerfahren lassen, indem er konsequent durchführt, daß nur in der absoluten Monarchie das Heil der Welt, und besonders Preußens, sich entwickeln könne. Die hiesige Vereinbarer-Versammlung stellt er noch viel tiefer unter die Frankfurter National-Versammlung und nur in der linken Seite findet er Männer, welche wissen wo sie hinaus wollen. Die Männer der Rechten hingegen läßt er das Gewicht seiner ganzen Verachtung fühlen, indem sie keinen Begriff von dem hätten, was sie eigentlich thun müßten.</p> <p>In einigen Abtheilungen ist bei Gelegenheit der Berathung über die vorgelegten Finanzgesetze, worunter auch bekanntlich ein Gesetz wegen Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchs-Stempels, der von Mitgliedern der Linken gestellte Antrag auf gänzliche Abschaffung des Zeitungsstempels angenommen worden. Der Finanz-Minister hatte sich diesem Beschluß mit aller möglichen Kraft widersetzt und machte zuletzt den Vorschlag den bisherigen Satz </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0391/0001]
Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 77 & 78. Köln, Donnerstag 17. August 1848. Unsere Setzer haben gestern der deutschen Einheit gehuldigt, und darum erschien die gestrige Zeitung nicht. Deutschland. * Köln, 16. August. Nach Beendigung der zur 6. Säkular-Feier der Grundsteinlegung des Kölner Domes veranstalteten Festlichkeiten werden wir einen genauern Bericht über das Vorgefallene geben.
Bei dem gestrigen Festmahl auf dem Gürzenich-Saale brachte der König von Preußen die Gesundheit des Erzherzog Reichsverwesers aus, und der Erzherzog Reichsverweser die des Königs. v. Gagern, Präsident der Nationalversammlung in Frankfurt lud die Anwesenden zu einem Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland ein. Der König brachte dann einen zweiten Toast auf die Werkleute an dem Aufbau eines einigen und starken Deutschlands, auf die anwesenden und abwesenden Mitglieder der Frankfurter Versammlung aus. Der Erzherzog Reichsverweser ließ die Stadt Köln hoch leben. Hieran reihten sich Toaste des Erzbischofs von Köln, des Vicepräsidenten der Frankfurter Nationalversammlung: v. Soiron, des Abg. Raveaux, des Dombaumeisters Zwirner.
28 Düsseldorf, 15. August. Während Sie in Köln Feste feierten, sind hier ganz entgegengesetzte Auftritte vorgekommen. Lassen Sie mich von Anfang an die Sache erzählen. Es handelte sich zuerst darum, ob unsre Bürgerwehr etwas zu Ehren des Königs thun sollte. Vor einigen Tagen noch war die Stimmung hierüber fast allgemein ablehnend, nun war aber der Weißbier-Philister wieder aufgetaucht mit seinen Raisonnements, die Stadt werde in allgemeinen Mißkredit kommen, man werde sich von oben herab durch Entziehung der Garnison etc. an der Undankbaren rächen, die doch von dem Beamtenheer und Militär lebe. Der Chef wurde nun von den Behörden aufgefordert, doch seine Bürgerwehr paradiren zu lassen. Er schrieb daher eine Versammlung der Bürgerwehr auf gestern Morgen 11 Uhr aus und legte ihr zwei Fragen vor: erstens: „Soll der König durch die Offiziere der Bürgerwehr begrüßt werden?“ Die Rechte in der Hoffnung eine Parade durchzusetzen, stimmte mit der Linken: „Nein!“ Die zweite Frage: „Soll die gesammte Bürgerwehr vor dem Könige in Parade erscheinen?“ wurde durch rechts und links Treten entschieden; obwohl der Sieg unzweifelhaft der Linken gehörte, so bestand doch die Rechte auf Zählung der Stimmen, wobei sich denn eine Majorität von fast zwei Dritteln für Nein entschied. Mit Jubel zog die siegreiche demokratische Linke ab, die ohne Zweifel noch weit stärker gewesen wäre, wenn die Zeit der Versammlung nicht gerade in die Arbeitsstunden gefallen wäre. Der Nachmittag kam und siehe, die Kasernen hatten ihren ganzen preußischen Parade-Inhalt auf den Bahnhof gespien; die ganze Aristokratie, das Heer der Beamten, der loyale Stadtrath und eine Deputation von Familienvätern aus dem Wupperthal. Einige führten nur die preußische, Andere eine kleine deutsche Kokarde, halb unter dem Hutband versteckt, daneben die preußische offen, groß und breit. Während der Zeit des Erwartens zog ein Detachement Elberfelder Bürgerwehr die allerhöchste Aufmerksamkeit des Volkes auf sich; die preußische Kokarde und daß die Leute Waffen führten, war Veranlassung, daß dieses Detachement fortwährend dem Volkswitz ausgesetzt war. Da verkündete Pfeifen die Ankunft des k. Zuges. Die Lokomotive gab in der That ein sehr schlechtes Beispiel und nur ihr ist es wohl beizumessen, wenn ein heftiges Pfeifen und Murren die kommandirte Beifallsbezeugung störte. Man bot Alles auf, um die Stimme des Volkes zu erersticken und dem Könige unvernehmlich zu machen. Blaß vor Wuth rannten die hohen Behörden herum, aber umsonst.
Am Abend brachte ein Dampfschiff das Nassauer Kontingent für Schleswig-Holstein. Man zog mit Musik auf den Karlsplatz, brachte den Nassauern ein Hurrah, die Quartiere wurden angewiesen, die Menge verlief. Plötzlich um etwa 9 Uhr zieht eine Rotte Militärs aller Gattungen von etwa 100-200 Mann tobend durch die Straßen; die Kavalleriesäbel rasseln über's Pflaster, man singt „Ich bin ein Preuße“ und bringt dem König ein übers andere Mal Hurrah; ein Haufen Volks ist gleich in der Nähe, die Jugend pfeift und schreit, die Soldaten schwingen beständig die Säbel, Käsemesser und Hirschfänger in der Luft, man geräth retirirend und avancirend aneinander, die Soldaten hauen auf die wehrlosen Bürger ein, Der bekommt einen Hieb übern Arm, Der übern Kopf. Alles schreit Bürger heraus, endlich läßt die Bürgerwehr Generalmarsch schlagen.
Unterdeß bringt man überall Verwundete zu den Wundärzten; vom Markt trägt man einen todten Soldaten auf's Rathhaus; wie er gefallen, wird zu verschiedenartig berichtet, als daß man darüber berichten könnte. Alles drängt sich um die Blutlache, die die Stelle des Todes bezeichnet, man schreit: „Barrikaden, Waffen, Bürger heraus.“ Auf der Bergerstraße demolirt die rasende Soldateska einen Goldladen ohne alle Veranlassung, überdem rückt eine mühsam zusammengetrommelte Kompagnie Bürgerwehr auf den Karlsplatz, in demselben Augenblick eine Kompagnie Soldaten von der andern Seite; die Soldaten laden, eine dumpfe Ungewißheit brütet über dem Schwarm, plötzlich kommt der Chef von der Kaserne hergeeilt und auf seine Aufforderung zieht das Militär ab. In den Kasernen bläst man Generalmarsch, kein preußischer Soldat ist mehr zu sehen; die Nassauer treten ebenfalls auf dem Karlsplatz zusammen, man begrüßt sie mit Hurrah, denn während die preußische Soldateska ihre mordende Rachelust ausübte, spazierten die Nassauer mit den Bürgern Arm in Arm. Der Chef läuft hier und dort die Gruppen beschwichtigend und fordert zum Nachhausegehen auf, der Himmel erbarmt sich und greift dem populären Einfluß des Chefs unter die Arme, indem er einen starken Regen sendet. Soviel einstweilen.
Ueberall hörte man gestern Abend die Fragen: Wofür ist denn nun ein kommandirender General hier? warum ist es dem Militär gestattet, heute gerade über die Frist hinaus die Stadt zu beunruhigen und das Preußenthum mit bloßen Säbeln wehrlosen Bürgern einzupauken? Wo bleibt die gerühmte preußische Disciplin?
Die öffentliche Entrüstung fordert die schonungsloseste Bestrafung solcher Frevel!
So eben höre ich von mehreren Todten sprechen, die Aufregung ist aber der Art, daß man dem Gerüchte keinen Glauben schenken darf.
15 Neuß, 15. August. Wir haben hier wieder einen Beweis gehabt wie die Reaktion kein Mittel scheut sich geltend zu machen und wie sogenannte Deputationen in der Regel den Willen des Volkes ausdrücken: Gestern gingen nämlich drei hiesige Bürger nach Düsseldorf um den König von Preußen im Namen der Neußer Bürgerwehr willkommen zu heißen. Die hiesige Bürgerwehr hat aber diese drei nicht gewählt, sie wußte nicht einmal, daß eine solche Deputation hingeschickt worden war. Die Herren Offiziere hatten dieses Triumvirat eigenmächtig aus ihrer Mitte erkohren. Wäre die ganze Bürgerwehr deshalb befragt worden, so wäre die Absendung einer solchen Deputation mit bedeutender Stimmenmehrheit verworfen worden. Das wußten die Herren zum Voraus und deshalb zogen sie vor, ganz in der Stille unter sich zu wählen.
109 Dortmund, 12. August. Kaum ist das bedeutungsvolle Ereigniß der bergisch-märkischen Deputation vergessen, kaum das Dortmunder Kriegerfest verrauscht, so wird uns ein neuer Genuß patriotischer Gesinnungstüchtigkeit zu Theil. Gestern Abend erfreute Hr. Dr. Gustav Höfken von Frankfurt seine „lieben Wähler“ und den hiesigen konstitutionellen Klub mit einem neuen Seelenschmaus. Es hieße Ihre Leser beleidigen, wollte ich auch nur einen Theil der Sekundanerweisheit wiedergeben, welche Hr. Höfken in seinem breiten Professorendeklamatorium auskramte. Ich beschränke mich auf zwei interessante Mittheilungen des patriotischen Abgeordneten von Dortmund.
Die Rechte in Frankfurt, so berichtet uns Hr. Höfken, hat, um dem „frechen aber entschiedenen“ Auftreten der „gesinnungslosen“ Linken zu begegnen, einen organisirten Verschwörerklub etablirt. Alle Anträge, von der Rechten ausgehend, müssen zuerst diesem Klub vorgelegt werden. Hier wird darüber debattirt und beschlossen, und kein Antrag darf ferner vor die Nationalversammlung gebracht werden, bevor er die Genehmigung des Klubs erhalten hat. Dazu haben sich die Verschworenen verpflichtet. Sie stimmen dann gemäß geheimen Statuten auf Kommando, im Nothfalle bei unerwarteten Fragen nach Anweisung ihrer Führer, der Herren Radowitz, Bürgers, Lichnowsky, Stedtmann aus Koblenz. Sie brauchen weder zu hören noch zu sprechen, sie stimmen und die „gute Sache“ siegt.
Der Dortmunder konstitutionelle Kaub hatte den Dr. Höfken ersucht, in der Nationalversammlung einen Antrag wegen Beendigung des schmachvollen Unterjochungskrieges in Italien zu stellen: Hr. Höfken versichert seinen lieben Wählern, so sehr er auch seinerseits für den Antrag sein möchte, dieses dennoch nicht zu können, (es ist statutenwidrig); aber — er wolle den Antrag mit aller Wärme in seinem Klub befürworten. Glückliche Wähler!
Zweitens berichtet uns Herr Dr. Gustav Höfken Folgendes: Was könnten sie, die Patrioten, der „gesinnungslosen“ äußersten Linken gegenüber thun? Die Redefreiheit sei einmal da, man könne der Linken den Mund nicht zuhalten, auch wisse man noch nicht, wenn einer von diesen Menschen die Tribüne bestiege, (Herr Jordan aus Berlin), was er sagen wolle: also könne man ihn nur heruntertrommeln, was auch regelmäßig (statutengemäß) geschehe. „Sehen Sie, meine Herren,“ — und hier entwickelt Herr Höfken die ganze Fülle seiner großartigen Begeisterung — „es sind schon viele Duelle gegen Männer dieser Partei eingeleitet gewesen, aber immer wieder beigelegt worden; jetzt wird die Sache jedenfalls zum Durchbruche kommen. Meine Herren, es bleibt kein anderes Mittel, man muß diese Menschen todtschlagen.“
Der cynische Muth, mit welchem der sonst so höfisch kriechende Hr. Höfken diese Worte herausstieß, fußt auf dem Bewußtsein, eine Partei hinter sich zu haben, eine Partei Vinke, Wilhelm Jordan, Mathy und anderer wohlunterstützten Regierungsmänner.
* Berlin, 12. August. In Betreff der Richtung der Osteisenbahn hat die von den Vereinbarern deshalb niedergesetzte Kommission in Erwägung, daß die Linie über Conitz nur sehr geringen Nutzen für die dünn bevölkerte Gegend selbst bringen würde, sich für die Linie über Bromberg erklärt, weil der mehrere Kostenbetrag dieser Linie sich durch den stärkern Verkehr gut verzinsen wird, weil diese Linie die Kommunikation zwischen den verkehrreichen Städten Küstrin, Landsberg a. d. W, Driesen, Schneidemühl, Nackel, Bromberg, Thorn, Kulm, Graudenz, Schwetz, Neuenburg, Marienwerder und Meve unter sich und mit Berlin, Stettin, Posen, Danzig und Königsberg erleichtert, weil bei dieser Richtung die Bahn durch sehr produktive, eng bevölkerte Länderstriche geht, deshalb einer vielfach größern Zahl von Staatsangehörigen Rutzen bringt, weil diese Linie nach dem Gutachten der bewährt[e]sten Offiziere, die das Terrain zu diesem Behuf speziell untersucht haben, vorzugsweise den militärischen Interessen entspricht und weil solche die künftige Bahnverbindung mit Thorn, so wie dereinst auch mit Warschu erleichtert.
15 Berlin, 12. August. Prachtvolles Vorspiel zu unserer künftigen Habeas-Corpus-Akte! In der Hausvogtei, wo die Opfer der unseligen Juni-Emeute aufgestapelt sind, sitzt ein junger Buchdruckergehülfe seit 9 Wochen gefangen, ohne bis jetzt mehr als das Aufnahmeverhör best[a]nden zu haben! Das Verbrechen, welches der junge Mann begangen haben soll, besteht darin, daß er nach der Erstürmung des Zeughauses, an welcher er nicht betheiligt war, in dasselbe hineintrat, und ein Pistol nebst Seitengewehr mit nach Haus nahm. Ein Kollege lud ihm das Gewehr. Als jener es wieder entladen wollte, und unvorsichtigerweise ein Streichhölzchen mit dem Pulver in Berührung brachte, flog die Spitzkugel in die Wand. Zufällig befanden sich mehrere Landwehrmänner in der Nähe, sie hörten den Knall, kamen hinzu und verhafteten den Aufwiegler und Republikaner. Seit jener Zeit, also 9 Wochen, ist nun der Arme in der Hausvogtei eingesperrt, und wartet, nachdem er bei der Aufnahme einmal verhört worden, vergebens auf das weitere Verfahren. Mit Sehnsucht sieht er einen Tag um den andern dem ferneren Verhöre entgegen.
Auch Fernbach, jetzt schon über 6 Wochen verhaftet, sieht dem öffentlichen Verhöre noch immer vergeblich entgegen. Die Anklage lautet: unmittelbare Theilnahme an versuchtem Hochverrath (!!), das corpus delicti ist das ihm zugeschriebene „Extrablatt der Vossischen Zeitung — gewidmet.“ Wenn früh, so wird er in 14 Tagen bis 3 Wochen zum öffentlichen Termin, und ohne Zweifel dennoch nach Magdeburg, vielleicht auch nach Stettin kommen.
An der Ecke zwischen der Dorolseen- u. Friedrichsstraße stand ein Hause junger Leute. Sofort kam ein Piket Bürgerwehr angezozogen und zersprengte den Trupp. Nur ein gewisser Müller (nicht etwa Johannes) als Volksredner hier sehr bekannt, blieb ruhig stehen. Da kam der Hauptmann der Bürgerwehr hinzu und schrie ihn an: „Wollen Sie wohl auseinandergeh'n?“ — „Aber meine Herrn, wie kann ich denn auseinandergeh'n — ich steh ja ganz allein!“ — Natürlich brachen die Umstehenden in Gelächter aus; die Bürgerwehr wußte ihre Rachelust nicht anders zu kühlen, als daß sie den ihr übrigens schon längst verhaßten Müller gefangen fortschleppte.
Einen komischen Anblick gewährt es, am schwarzen Brett der Universität eine große Anzahl von Studirenden sämmtlicher Fakultäten wegen Unfleißes aus dem Album gelöscht zu sehen. Unter andern bemerke ich auch die Namen Boerner und Monecke!! Armer Monecke!!
15 Berlin, 13. August. In Petersburg ist am 1. August der Stabs-Kapitän Baron Nikolai mit einem Rapport vom Fürsten Woronzoff aus dem Kaukasus angekommen. Er brachte die Nachricht von der Einnahme des befestigten Weilers Gherghebyl in Dagestan durch den Generallieutenant Fürsten Argutynski-Dolgornkow. Die Verluste der Tscherkessen im Laufe des Bombardements und während der Flucht sollen (wie gewöhnlich nach den Berichten, nach welchen der ganze Kaukasus längst entvölkert sein müßte) sehr groß sein. Die Russen wollen am letzten Tage des Treffens auch nicht einen Mann verloren haben. Fürst Argutynski ist in Folge dieses Berichtes sofort zum Generaladjutanten, und Baron Nikolai zum Flügeladjutanten des Kaisers ernannt worden.
In Ostrowo in der Provinz Posen ist vor einiger Zeit eine aus einem preußischen Offizier, dem Assessor Küntzel aus Wreschen und einem Sekretär bestehende Kommission zur Untersuchung der von den preußischen Soldaten, von den Juden und den Deutschen gegen die Polen ausgeübten Mißhandlungen angelangt. Die ausgezeichnete Unparteilichkeit dieser Herren ergibt sich schon daraus, daß sie bei der Untersuchung der Vorfälle sich lediglich auf die Berichte des Abgeordneten von Adelnau stützen, und von etwas Anderem nichts wissen wollen. Der Kommission, welche nur aus preußischen Beamten besteht, einen unabhängigen polnischen Bürger als Mitglied beizuordnen, hat die „deutsche Ehre“ für überflüssig befunden.
103 Berlin, 14. August. Die, laut Beschluß der Vereinbarer-Versammlung vom 7. d. Mts. niedergesetzte Kommission zur Untersuchung der Schweidnitzer Ereignisse hat es für nothwendig gefunden, drei ihrer Mitglieder, die Hrn. Peters, Ober-Lands-Gerichtsrath aus Schwarza, Schornbaum, Staats-Prokurator aus Koblenz und Schulze, Ober-Lands-Gerichtsassessor aus Delitzsch, unverzüglich dahin abzusenden und wird diese Kommission morgen abreisen.
Die äußerste Linke hat in ihren Abendversammlungen den Entwurf einer Gemeinde-Ordnung ausgearbeitet, welcher dem Entwurf des Ministeriums gegenüber gestellt werden soll. Der Abgeordnete D'Ester hat die schließliche Redaktion übernommen. Der Druck des Entwurfs wird morgen beendet und in den Abtheilungen vertheilt werden.
Die Kommission zur Untersuchung der Posenschen Angelegenheit hatte sich von allen Behörden und Ministerien die betreffenden Aktenstücke etc. erbeten um dieselben für ihre Untersuchung zu benutzen. Man beeilte sich auch in allen Departements der Kommission die verlangten Mittheilungen zu machen, nur aus dem Kriegs-Ministerium hat dieselbe bisher noch nicht das Geringste erhalten können. Der Kriegs-Minister behauptet aus seinem Departement nur über die betreffenden Truppenzusammenziehungen und Dis[t]okationen Mittheilungen machen zu können und obgleich die Kommission die Zusendung derselben verlangte, sind sie ihr dennoch bis jetzt noch nicht zugegangen.
Die zu gestern ausgeschriebene große Militärberathung in Charlottenburg, betreffend die Absendung einer Riesen-Petition an den König wegen Ernennung des Prinzen von Preußen zum Oberbefehlshaber der Armee, hat nicht stattgefunden, weil der Kriegs-Minister dieselbe verboten hatte. Er gab den Grund an, daß das Militär keine Versammlungen halten dürfe um einen Einfluß auf die Wahl der Befehlshaber auszuüben.
Morgen wird der neue Unterstaatssekretär im Kriegs-Ministerium zum ersten Mal in der Vereinbarer-Versammlung erscheinen. Er wird den Vereinbarern eine Mittheilung machen, welche den bekannten Schulzeschen Antrag umgeht, da der Kriegs-Minister, Herr von Schreckenstein, das Rundschreiben an alle Offiziere der Armee, wie es die Vereinbarer-Versammlung beschlossen hat, keinesfalls erlassen will, indem er ein solches Rundschreiben, einverstanden mit unserer liebenswürdigen Rechten, für eine Gewissens-Inquisition hält. — Es wird jedoch allgemein vermuthet, daß die Majorität der Vereinbarer-Versammlung fest auf die unveränderte Ausführung des gefaßten Beschlusses beharren wird, indem die Herren Rodbertus und von Berg, die nicht zu den 180 gehörten, für sich und ihre Anhänger erklärt haben: für die strikte Vollziehung dieses Beschlusses stimmen zu wollen.
Herr Griesheim, der bisherige Stellvertreter des Kriegs-Ministers in der Vereinbarer-Versammlung, der aber in Folge seiner berüchtigten Brochüre durch ein consilium abeundi des Staats-Ministeriums aus jener Versammlung verbannt ist, benutzt seine Mußestunden dazu leitende Artikel für die Neue Preußische Zeitung, das Organ der Reaktion, eiserne Kreuz-Zeitung genannt, zu schreiben. Man muß aber seinen Talenten alle Achtung widerfahren lassen, indem er konsequent durchführt, daß nur in der absoluten Monarchie das Heil der Welt, und besonders Preußens, sich entwickeln könne. Die hiesige Vereinbarer-Versammlung stellt er noch viel tiefer unter die Frankfurter National-Versammlung und nur in der linken Seite findet er Männer, welche wissen wo sie hinaus wollen. Die Männer der Rechten hingegen läßt er das Gewicht seiner ganzen Verachtung fühlen, indem sie keinen Begriff von dem hätten, was sie eigentlich thun müßten.
In einigen Abtheilungen ist bei Gelegenheit der Berathung über die vorgelegten Finanzgesetze, worunter auch bekanntlich ein Gesetz wegen Ermäßigung des Zeitungs- und Gesuchs-Stempels, der von Mitgliedern der Linken gestellte Antrag auf gänzliche Abschaffung des Zeitungsstempels angenommen worden. Der Finanz-Minister hatte sich diesem Beschluß mit aller möglichen Kraft widersetzt und machte zuletzt den Vorschlag den bisherigen Satz
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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