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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 79. Köln, 18. August 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 79. Köln, Freitag 18. August 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Düsseldorf. (Der Conflikt mit den Preußen. - Bekanntmachung des Oberbürgermeisters. - Neueste Lorbeeren des Oberprokurators Schnaase.) Trier. (Conflikt mit den Preußen.) Wiesbaden. (Vermehrung des Heers.) Berlin. (Russische Truppen auf Laland und Falster gelandet. - Die Partei des Prinzen von Preußen. - Demonstrationen.) Aus dem Großherzogthum Posen. (Die jetzigen Zustände. - Reaktion in Oberschlesien.) Hamburg. (Das provisorische Comite entlassen.) Apenrade. (Die dänische Armee.) Flensburg. (Deutsche Kriegsführung.) Rendsburg. (Die Unterhandlung.) Stralsund. (Below nach Malmö. - Die Unterhandlung.) Wien. (Empfang des Kaisers - Proklamation Jellachich's. - Fortsetzung der Eisenbahn über den Sömmering.)

Italien. Mailand. (Como von den Oestreichern besetzt. - Die Oestreicher im Piemontesischen. - Ihre Erklärung. - Dienst und Gegendienst. - Waffenablieferungen. - Die Zeitungen abgesperrt.) Verona. (Peschiera geräumt.) Genua. (Karl Alberts Depesche an die Venetianer. Romarino. Der Großherzog von Toskana. - Englischer Protest.)

Donaufürstenthümer. Buckarest. (Adresse der provisorischen Regierung an den russischen Kaiser. - Rang-Titularwürden, Prügelstrafe abgeschafft. - Forderungen an den östreichischen Agenten.)

Ungarn. Groß-Becskerek. (Neuzina von den Ungarn wiedergewonnen.) Pesth. (Die ungarischen Zustände.)

Schweiz. Zürich. (Die Abstimmung über die Bundesverfassung. - Die italienischen Flüchtlinge in Tessin.)

Portugal. Lissabon. (Die Finanzpläne der Regierung vor den Cortes. - Costa und Silva Cabral in Opposition.)

Rußland. Petersburg. (Cholera.)

Französische Republik. (Journalschau v 14. Aug. [Schluß]. - Geld! - Die "Republique" über die Finanzen. - Die Lyoner Klubs und Proudhon. - Vermischtes. - Senard. - Polen und Deutsche bei dem ersten Insurgententransport.)

Belgien. Brüssel. (Arabien und die belgische Polizei.) Antwerpen. (Affaire Risquons-Tout.)

Großbritannien. London. (Parlamentsdebatten. - Die "Times" über die Jury in Irland wie über die französische Politik in Italien und Schleswig-Holstein. - Unruhen in Ashton. - Ankunft des Dämpfers Hibernia.) Dublin. (Begnadigungsgesuch der katholischen Geistlichen für S. O'Brien. - Die Einwohner von Abbeyfeale.)

Amerika. Die Hängebrücke über die Niagarafälle.

Handels-Nachrichten.

Deutschland.
28 Düsseldorf, 16. Aug.

Die Untersuchung über die Vorfälle des 14. ist im Gange, und es soll sich herausstellen, daß die gereizten Elberfelder einer Rotte bergischer Jungens ihren Haß gegen unsere Bürger vermacht haben. Von mehreren Augenzeugen wurde mir versichert, daß die Elberfelder am Bahnhof unter die Schaar der Soldaten sich gemischt, dieselben mit in ein nahgelegenes Wirthshaus genommen, ihnen tüchtig zugetrunken, ja sogar Geld gegeben haben sollen. Später wurden von diesen preußischen Jungens die Elberfelder unter beständigem Hurrahrufen zum Bahnhof begleitet, hier wurde ein Hoch nach dem andern dem König gebracht, letzteres faßte aber den Elberfelder Patriotismus noch nicht zusammen, man brachte ein Hoch dem Kommandanten von Schweidnitz!! Schöner konnten sich doch die Wupperthaler nicht charakterisiren!!

Nach Abfahrt der Elberfelder zog denn die trunkene Rotte in die Stadt und bewies ihre Liebe zum König durch Einhauen auf ruhige Bürger, wie mein gestriger Bericht es besagt.

Es sollen militärischerseits zwei Todte und mehrere Schwerverwundete sein, auf der Seite der Bürger sollen nur einige schwere Verwundungen zu beklagen sein.

Gestern morgen nun sah man aus beiden Kasernen schwarze große Fahnen hängen neben den preußischen; das war eine Demonstration die Angst und Wuth zugleich unter die Bevölkerung verbreitete. Eine ermahnende und beruhigende Proklamation des Oberbürgermeisterei-Amts, die Nachmittags in alle Häuser gebracht wurde, verfehlte nicht ganz ihren Zweck, war aber dennoch nicht im Stande die Zusammenrottungen gegen Abend zu verhindern. Das Militär sollte in die Kasernen konsignirt werden und starke Bürgerwehrpatrouillen sollten die Haufen zerstreuen. Was geschah? Um 6 Uhr war die Allee gedrängt voll von Soldaten, die alle mit Seitengewehren bewaffnet waren. Man schrie wieder Hurrah, das Proletariat pfiff und brummte, es gab wieder Reibungen, die indeß nicht in Thätlichkeiten übergingen; drohend war die Stellung im höchsten Grade, überall flogen die Schaufenster zu, die Thüren wurden verriegelt. - Die Soldateska, brennend nach einer Kampf-Gelegenheit, machte nun Miene, sich an der Statue der Germania, die noch vom 6. August her steht, zu vergreifen; während sich hier die Parteien drängten, und man jeden Augenblick eine Explosion befürchtete, langten der Chef der Bürgerwehr und der kommandirende General glücklicherweise von Köln wieder an; der Chef, wie immer, trat trotz der drohenden Gebärden von beiden Seiten vermittelnd zwischen die Gegner und hielt die Spannung hin, bis von der Kaserne der Generalmarsch ertönte. Alles stürmte nun fort der Kaserne zu und hinter den Soldaten her das Volk, zwischen beiden remonstrirend und agirend der Chef. Eingangs der Kasernenstraße stemmte er und der Vicechef sich mit bloßem Degen dem Andrang entgegen und hielt die Massen auf. Die Soldaten, in der Meinung vielleicht man wolle dort die Volksmasse ordnen und dann gegen sie führen, machten noch einmal "kehrt" wurden aber sofort beschwichtigt, mußten indeß mit Gewalt von ihren Vorgesetzten zur Subordination gezwungen werden, ich selber sah zwei Offiziere mit dem Degen auf die Säumenden einhauen. Nun wurde die Kasernenstraße an allen Punkten mit Bürgerwehr gesperrt. Ein Piquet Jäger trat vor die Hauptwache, die Kavallerie aus der Neustädter-Kaserne stellte sich vor dem Thor der Kasernenstraße auf, die Artillerie ritt an die Geschütze, und dem Allem sah hinter den Spalieren der Bürgerwehr hervor die dumpfe, wogende Volksmasse zu. Dabei blieb's; das Volk verlief gegen 10 Uhr, die aufgestellten Militärs zogen sich zurück, die Passage wurde wieder freigegeben, und die weiteren Vorsichtsmaßregeln bestanden in dem Zirkuliren starker Bürgerwehr-Patrouillen.

Düsseldorf, 15. Aug.

Mitbürger! In der gestrigen Nacht haben höchst bedauerliche Vorfälle stattgefunden, worüber die im Gange befindliche Untersuchung die nöthige Aufklärung geben wird. Wir fordern unsere Mitbürger auf, dem Resultat dieser Untersuchung mit Vertrauen entgegenzusehen, und durch ihr ruhiges Verhalten, von ihrer Seite, jeder möglichen Veranlassung zu ähnlichen Auftritten aus dem Wege zu gehen.

Von Seiten der Militär-Behörden sind die erforderlichen Anordnungen getroffen, um jedweden Konflikt zu vermeiden.

Die Bürgerwehr wird in genügender Zahl in ihren Wachtlokalen versammelt sein, und vertrauen wir, daß ihr in allen Vorkommnissen willig Folge geleistet wird.

Das Oberbürgermeisteramt.

31 Düsseldorf.

Die Untersuchung wider den Bürger Julius Wulff hat, Dank dem Forschergeiste und Patriotismus des Herrn Oberprokurators Dr. Schnaase, neue Nahrung bekommen. Was ich in Nr. 58 d. Z. nur als eine kühne Vision hingestellt, nämlich daß die kön. preuß. Staatsbehörde dem etc. Wulff am Ende gar aus der Vorlesung und Verbreitung des republikanischen Katechismus ein Verbrechen (Art. 102 der Strafgesetzbuches) machen könnte, ist in die nackte Wirklichkeit getreten. Dieses Verbrechen ist sogar das einzige, welches unter den vielen Verbrechen, deren man ihn beschuldigt, mit einigem Scheine juristisch begründet werden kann.

In meiner letzten Mittheilung habe ich gesagt: "Wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102." Jetzt heißt es aber: Wenn es mit dem Art. 102 nicht geht, so geht es jedenfalls mit den Art. 222 und ff. in Verbindung mit der preußischen Kabinetsordre vom 5. Juli 1819. Das ist die neue Nahrung, von der ich oben gesprochen. Eine Kabinetsordre aus dem Jahre der Karlsbader Beschlüsse! Sage, was willst Du mehr? Der Art. 222 Code penal bedroht die Verruchten, welche es wagen, die Ehre und Delikatesse der Beamten a l'occasion der Ausübung ihrer Amtsverrichtungen (ein weiter Begriff) par parole zu verletzen, mit Gefängnißstrafe von einem Monate bis zu zwei Jahren. Aber par parole! Welch ungenügender Schutz für die Ehre und Delikatesse der Beamten! Die genannte preuß. Kabinetsordre hat den Fehler der ruchlosen Franzosen gut gemacht, hat die Bestimmungen der Art. 222 und ff. auch auf Beleidigungen par ecrit ausgedehnt. Und wer hat diese wichtige Kabinetsordre aus Staub und Schutt hervorgeholt? Ich habe es bereits gesagt, der Hr. Ober-Prokurator Dr. Schnaase zu Düsseldorf. Ein schallendes unendliches Hoch dem Oberprokurator Schnaase!

Hr. Wulff ist Mitverfasser einer vom Volksklub unterm 17. Mai an die Berliner Vereinbarerversammlung beschlossenen Adresse, worin die Maßregeln des selig entschlafenen Ministeriums Camphausen schamlos reaktionär genannt worden sind. Es ist klar, Wulff hat die Ehre und Delikatesse des Ministeriums Camphausen angegriffen!!

(Wir gestehen, es war ein "kühner Griff" des Hrn. Schnaase, diese bestaubte Kabinetsordre aus dem Labyrinth der Gesetzsammlung ans Tageslicht hervorzuziehen. Was gilt der Code neben einer k. Kabinetsordre vom Jahre 1819! Leider aber dürfte Hr. Schnaase sich in seinen Hoffnungen täuschen. Die Jurisprudenz des Kassationshofes in Berlin hat die Kabinetsordre vom 5. Juli 1819 keineswegs in der Ausdehnung anerkannt, die Hr. Schnaase ihr gibt. Mehrere seiner Urtheile liegen vor, nach denen Beleidigungen par ecrit keineswegs unter die Bestimmungen des Art. 222 "in Verbindung" mit besagter Kabinetsordre fallen.

Trier, 14. Aug.

Seit dem 6. August, an welchem Tage ein großer Theil unserer Bürgerschaft ein Volksfest zu Ehren des Reichsverwesers feierte, scheint unser Militär in einer gereizten Stimmung sich zu befinden. Während drei Abenden bereits finden jedesmal gegen 7 Uhr Zusammenrottungen von Soldaten des 26. Regiments und von Ulanen statt. In dem Gartenlokale der Götschel'schen Bierbrauerei sollen am Freitag Abende von beiden Parteien Lieder gesungen worden sein, welche die Erbitterung zum Ausbruch kommen ließen. Samstag Abends schloß Hr. Götschel seine Wirthschaft, nichtsdestoweniger erschienen eine Menge Gäste, welchen indessen von der Polizei der Eintritt verwehrt wurde. Am selben Abende wurde im demokratischen Verein der Beschluß gefaßt, den Stadtrath durch eine Deputation zu bitten, es veranlassen zu wollen, daß das Kommando des 26. Regiments den Soldaten den Besuch von Wirthshäusern untersage, in welchen es bisher zu Reibereien gekommen, und vor Allem denselben das Tragen der Seitengewehre verbiete. Gestern wurde durch eine Deputation des demokratischen Vereins dieser Wunsch einem Mitgliede des Magistrats vorgebracht, und gestern bewiesen sowohl Infanteristen des 26. Regiments als auch Ulanen, wie gerecht derselbe ist. In der Vorstadt Matheis wurde Nachmittags von dem Militär ein Gartenlokal verwüstet, in der Götschel'schen Wirthschaft entwickelte sich gegen Abend ein bedeutender Krawall. Zwar zum Theil veranlaßt durch den Muthwillen eines jungen Menschen, welcher einem der in Masse vor dem Hause stehenden Soldaten die Mütze vom Kopfe riß und damit in den Götschel'schen Garten lief, stürmten die Soldaten mit gezogenem Säbel demselben nach in den Garten und mißhandelten und verwundeten, wer ihnen in den Weg kam und nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnte. Mittlerweile erschienen mehrere Personen von Rang, um mittelst Patrouillen die Ruhe herzustellen, aber heute lieferten die Soldaten den Beweis, daß es gefährlich ist, bei ihnen als Vereinbarer aufzutreten. Eine Patrouille des 30. Regiments machte endlich von ihren Waffen Gebrauch und da dieselbe mit vieler Energie auf die uniformirten Wütheriche einstürmte, so ergriffen dieselben die Flucht, jedoch nicht ohne mehrere Verhaftete zurückzulassen. Etwas später begann auf dem Marktplatze das Schauspiel von Neuem. Mit blankem Säbel stürzte eine zahlreiche Rotte von Soldaten des 26. und des Ulanen-Regiments auf Jeden, der ihnen in den Wurf kam, verwundete mehrere Personen, zertrümmerte Angesichts der Hauptwache, nur etwa 50 Schritte davon entfernt, die Läden von zwei Verkaufslokalen, und warf bei dem einen die Fenster des ersten Stocks ein, wohin ein Bürger sich geflüchtet haben sollte, den sie heraushaben wollte. Der Posten der Hauptwache machte zuletzt eine Attaque mit gefälltem Bajonette auf die brutale Schaar, worauf diese durch die Simeonsstraße ihren Rückzug nahm.

(Tr. Z.)
* Wiesbaden, 16. Aug.

Auf den bekannten Beschluß der Frankfurter National-Versammlung über Vermehrung der stehenden Heere, hat der Reichskriegsminister unser Ministerium zuerst mit einer Verfügung beglückt, wonach binnen 4 Wochen der nassauische Militärstand bis auf 2 pCt. der Bevölkerung vermehrt werden soll. Man weiß nicht, welche Zwecke dieser plötzlichen und dringlich gemachten Maßregel zu Grunde liegen, eben so wenig, wie dieselbe bei den erschöpften Staatskassen ins Werk zu setzen sei.

X Berlin, 15. August.

Von einer Urlaubsreise nach dem Norden zurückgekehrte Abgeordnete bringen die Nachricht mit, daß auf den dänischen Inseln Laland, Femern (?) und Falster 10,000 Mann russischer Truppen gelandet. Eine halbe Meile nördlich von Arcona sind neue russische Schiffe zu sehen, von denen sechs Linienschiffe. Sie werden durch englische Transportschiffe vom Greifswalder Boden aus mit Lebensmitteln versorgt.

* Berlin, 14. August.

Gestern hat in Charlottenburg im cafe hypodrome eine Versammlung der Berliner und Charlottenburger Landwehr stattgefunden, wo man eine Petition an den König berieth, dem Prinzen von Preußen den Oberbefehl über das ganze Heer zu geben. Im Heer sollen bereits viele tausend Unterschriften gesammelt sein, womit man den König bei seiner Rückkehr zu überraschen gedenkt. - Unter den Linden machte das Volk einige Demonstrationen gegen preußische Fahnen, und auf dem Kreuzberg sollen, wie [Forsetzung?]

Das Domfest von 1848.

Große Tage liegen hinter uns. Tage, groß wie die Welt, groß wie der Dom. Erhabne Erinnerungen lassen sie zurück und manchen unangenehmen Schnupfen. In der That, die Kölner können sagen, daß sie für ihren König zwar nicht in's Feuer gegangen sind, wohl aber in's Wasser.

Gab es je ein herrlicheres Regenschauer als das vom Dienstag Morgen, zwischen eilf und zwölf? In die konstitutionellen Könige der Erde vertieft, hatte das Volk die absoluten Monarchen des Himmels vergessen, den Wolkenversammler Zeus, der ärgerlich darüber, plötzlich seine Schleusen öffnete und die gottvergessene Menge in so nachdrücklicher Weise von aller Unsauberkeit reinigte, daß wirklich an den meisten Menschen kein einziger sündhafter Zoll mehr zu waschen übrig blieb.

Man muß gestehen, das Schicksal hat den Göttern nicht nur den Nektar gegeben, sondern auch das Regenwasser und das letztere in so großer Menge, daß es ihnen eben nicht darauf ankommt, sich gerade dann ihres Ueberflusses zu entledigen, wenn die armen trocknen Menschenkinder des Befeuchtens am allerwenigsten bedürfen.

Nichts ist übrigens heiterer als so ein urkräftiger Guß über eine ehrfurchtsvoll harrende Menge. Es ist damit gerade so wie mit einem Pastor, der mitten im besten Redezuge auf offener Kanzel niesen muß. Alle Illusion ist verloren. Die frommen Pfarrkinder des Pastors werden daran erinnert, daß Alles irdisch ist und die armen Begossenen des Regengusses gehen mit dem kühlen Bewußtsein ihrer nassen Füße nach Hause und denken mehr an ein Paar warme Pantoffeln als an Ibrahim Pascha oder an die Königin Pomare.

Für mein Leben gern sehe ich aus einem trocknen Hinterhalte dem erfrischenden Schauspiele einer allgemeinen Taufe zu. Zuerst ein leiser Wind, der den Staub mit lustigen Kräuseln vom Boden erhebt - die Locken einer schönen Dame gaukeln anmuthig an den blühenden Wangen vorüber. Dann ein fühlbarerer Stoß, der die Fensterläden und die Dachpfannen klappern läßt - das Gewand unserer Dame schmiegt sich inniger um die harmonischen Formen des schlanken Wuchses. Hierauf die ersten schweren Tropfen, flüssige Perlen niederrollend auf die lechzende Erde - unsre Dame schaut ängstlich empor und das hübsche Profil des schneeweißen Antlitzes sticht entzückend gegen den schwarzblauen Himmel ab. Jetzt Sturm und Regen zu gleicher Zeit, wirbelnder Staub und klappende Fenster - unsere Dame zieht den Shawl über die seligen Schultern und sieht sich so ängstlich nach einem Regenschirm um, wie ein Gänschen nach dem Fittich der Mutter Gans. Immer heftiger stürmt es und tropft es, und immer unruhiger wird unsere jugendliche Schöne; kein Schirm, kein Mantel, kein Dach und kein Fach: losplatzt da die ungalanteste der Wolken und Himmel und Erde schwelgen im Kuß der nassen Umarmung - unsere Dame reißt aus wie besessen. Aber ach, mit ihr flüchten auch alte Matronen und weinende Kinder, lange Gymnasiasten und duftende Hofräthe, Flegel vom Lande und gebildete Städter, Soldaten und Handwerker und Gemüsefrauen und Taschendiebe, bis unsere Dame zuletzt im Gedränge verschwindet und sich der ganze Haufen unter jauchzendem Verwünschen dem nächsten Zufluchtsort entgegendrängt, Hüte und Schuhe und Stöcke und erlöschende Cigarren im Strudel zurücklassend, immer vorwärtsdringend und immer toller verfolgt von dem heillosen Wetter und o, es giebt nichts köstlicheres als so eine allgemeine Retirade!

Leider sollte ich dem berühmten Festregen der Dombautage nicht so heiter zusehen. Tollkühn genug hatte ich mich gerade vor das Portal des Domes gepflanzt, fest entschlossen meinen Posten zu behaupten, denn ich sollte ja auf drei Schritt unsern Reichsverweser sehen und unsern König - ich muß gestehen, ich befand mich in einer eigenthümlich schwarz-weiß und schwarz-roth-golden gemischten Stimmung. Der Regen floß hinab: ich stand wie eine Mauer. Ich habe da zum ersten Mal für einen König gelitten; ich bin stolz darauf. Ich wartete eine halbe Stunde, im Regen nämlich. Ein Verliebter kann nur so thöricht sein, oder Jemand der einen König sehen will. Weder der König noch der Reichsverweser wollte indeß aus dem Dom hinaus in's Freie treten.

So gequält von banger Erwartung und gepeitscht vom Regen legte ich mich auf den süßen Zeitvertreib des Gedankenspiels. Ist unser König nicht wirklich ein guter König - sagte ich zu mir selbst. Ja wahrhaftig, er ist es! Wenn je ein Fürst rücksichtsvoll und artig mit einer Stadt verfuhr, so war es Friedrich Wilhelm. War ich nicht selbst dabei, als ihm die guten Kölner in ihrer Naivetät einst zur Karnevalszeit eine bunte Schellenkappe überreichten? Wir standen in der Komödienstraße, vor dem Eiserschen Saale, dem Lokale der jüngern Faschings-Gesellschaft. Da kam der königliche Wagen und eine Deputation, wenn ich mich nicht sehr irre mit dem Dr. B., dem jetzigen Abgeordneten zur Berliner Versammlung an ihrer Spitze, trat an den Wagenschlag und überreichte die herrlichste Mütze, die Schellenkappe, - Gott weiß, wie man zu dieser Kühnheit kam! Ein Nero oder ein Tiberius würde uns gleich haben köpfen lassen - Friedrich Wilhelm nahm die Narrenkappe aber lächelnd entgegen und seit der Zeit bin ich fest davon überzeugt, daß er ein geistreicher Mann und kein Nero ist. Es lebe die Naivetät der Kölner!

Die kölnischen Funken setzen ihre Schellenkappen eigentlich nie ab. Das ganze Jahr hindurch klingelt es ihnen in den Ohren wie Römergeklirr und "O Jerum! O Jerum!" Man ist verrathen und verkauft wenn man mit diesen Leuten in ernster Weise anbinden will. Der Spaß ist der Grundzug ihres Charakters und dieser Spaß kitzelt sie auch bei jeder Gelegenheit. Die ganze Welt existirt nur für sie, damit Späße darüber gerissen werden. Ein Kölner ist mit seinem alten holprigen Köln so liebend verwachsen, wie ein Großvater mit seinem Schlafrock. Ein humoristischer Großvater und ein humoristischer Schlafrock. Ein Kölner ist ganz unglücklich wenn er nicht außer seinem Karneval jedes Jahr wenigstens zwei oder drei recht gründliche Feste in seinen Mauern feiert. Ein Musikfest, der Empfang eines hohen Geistlichen oder eines Künstlers, eine Erinnerungsfeier vergangener Herrlichkeit, ein politisches Fest, die Ankunft des neuen Weißen, ein Bockessen u. s. w., man

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 79. Köln, Freitag 18. August 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Düsseldorf. (Der Conflikt mit den Preußen. ‒ Bekanntmachung des Oberbürgermeisters. ‒ Neueste Lorbeeren des Oberprokurators Schnaase.) Trier. (Conflikt mit den Preußen.) Wiesbaden. (Vermehrung des Heers.) Berlin. (Russische Truppen auf Laland und Falster gelandet. ‒ Die Partei des Prinzen von Preußen. ‒ Demonstrationen.) Aus dem Großherzogthum Posen. (Die jetzigen Zustände. ‒ Reaktion in Oberschlesien.) Hamburg. (Das provisorische Comité entlassen.) Apenrade. (Die dänische Armee.) Flensburg. (Deutsche Kriegsführung.) Rendsburg. (Die Unterhandlung.) Stralsund. (Below nach Malmö. ‒ Die Unterhandlung.) Wien. (Empfang des Kaisers ‒ Proklamation Jellachich's. ‒ Fortsetzung der Eisenbahn über den Sömmering.)

Italien. Mailand. (Como von den Oestreichern besetzt. ‒ Die Oestreicher im Piemontesischen. ‒ Ihre Erklärung. ‒ Dienst und Gegendienst. ‒ Waffenablieferungen. ‒ Die Zeitungen abgesperrt.) Verona. (Peschiera geräumt.) Genua. (Karl Alberts Depesche an die Venetianer. Romarino. Der Großherzog von Toskana. ‒ Englischer Protest.)

Donaufürstenthümer. Buckarest. (Adresse der provisorischen Regierung an den russischen Kaiser. ‒ Rang-Titularwürden, Prügelstrafe abgeschafft. ‒ Forderungen an den östreichischen Agenten.)

Ungarn. Groß-Becskerek. (Neuzina von den Ungarn wiedergewonnen.) Pesth. (Die ungarischen Zustände.)

Schweiz. Zürich. (Die Abstimmung über die Bundesverfassung. ‒ Die italienischen Flüchtlinge in Tessin.)

Portugal. Lissabon. (Die Finanzpläne der Regierung vor den Cortes. ‒ Costa und Silva Cabral in Opposition.)

Rußland. Petersburg. (Cholera.)

Französische Republik. (Journalschau v 14. Aug. [Schluß]. ‒ Geld! ‒ Die „Republique“ über die Finanzen. ‒ Die Lyoner Klubs und Proudhon. ‒ Vermischtes. ‒ Senard. ‒ Polen und Deutsche bei dem ersten Insurgententransport.)

Belgien. Brüssel. (Arabien und die belgische Polizei.) Antwerpen. (Affaire Risquons-Tout.)

Großbritannien. London. (Parlamentsdebatten. ‒ Die „Times“ über die Jury in Irland wie über die französische Politik in Italien und Schleswig-Holstein. ‒ Unruhen in Ashton. ‒ Ankunft des Dämpfers Hibernia.) Dublin. (Begnadigungsgesuch der katholischen Geistlichen für S. O'Brien. ‒ Die Einwohner von Abbeyfeale.)

Amerika. Die Hängebrücke über die Niagarafälle.

Handels-Nachrichten.

Deutschland.
28 Düsseldorf, 16. Aug.

Die Untersuchung über die Vorfälle des 14. ist im Gange, und es soll sich herausstellen, daß die gereizten Elberfelder einer Rotte bergischer Jungens ihren Haß gegen unsere Bürger vermacht haben. Von mehreren Augenzeugen wurde mir versichert, daß die Elberfelder am Bahnhof unter die Schaar der Soldaten sich gemischt, dieselben mit in ein nahgelegenes Wirthshaus genommen, ihnen tüchtig zugetrunken, ja sogar Geld gegeben haben sollen. Später wurden von diesen preußischen Jungens die Elberfelder unter beständigem Hurrahrufen zum Bahnhof begleitet, hier wurde ein Hoch nach dem andern dem König gebracht, letzteres faßte aber den Elberfelder Patriotismus noch nicht zusammen, man brachte ein Hoch dem Kommandanten von Schweidnitz!! Schöner konnten sich doch die Wupperthaler nicht charakterisiren!!

Nach Abfahrt der Elberfelder zog denn die trunkene Rotte in die Stadt und bewies ihre Liebe zum König durch Einhauen auf ruhige Bürger, wie mein gestriger Bericht es besagt.

Es sollen militärischerseits zwei Todte und mehrere Schwerverwundete sein, auf der Seite der Bürger sollen nur einige schwere Verwundungen zu beklagen sein.

Gestern morgen nun sah man aus beiden Kasernen schwarze große Fahnen hängen neben den preußischen; das war eine Demonstration die Angst und Wuth zugleich unter die Bevölkerung verbreitete. Eine ermahnende und beruhigende Proklamation des Oberbürgermeisterei-Amts, die Nachmittags in alle Häuser gebracht wurde, verfehlte nicht ganz ihren Zweck, war aber dennoch nicht im Stande die Zusammenrottungen gegen Abend zu verhindern. Das Militär sollte in die Kasernen konsignirt werden und starke Bürgerwehrpatrouillen sollten die Haufen zerstreuen. Was geschah? Um 6 Uhr war die Allee gedrängt voll von Soldaten, die alle mit Seitengewehren bewaffnet waren. Man schrie wieder Hurrah, das Proletariat pfiff und brummte, es gab wieder Reibungen, die indeß nicht in Thätlichkeiten übergingen; drohend war die Stellung im höchsten Grade, überall flogen die Schaufenster zu, die Thüren wurden verriegelt. ‒ Die Soldateska, brennend nach einer Kampf-Gelegenheit, machte nun Miene, sich an der Statue der Germania, die noch vom 6. August her steht, zu vergreifen; während sich hier die Parteien drängten, und man jeden Augenblick eine Explosion befürchtete, langten der Chef der Bürgerwehr und der kommandirende General glücklicherweise von Köln wieder an; der Chef, wie immer, trat trotz der drohenden Gebärden von beiden Seiten vermittelnd zwischen die Gegner und hielt die Spannung hin, bis von der Kaserne der Generalmarsch ertönte. Alles stürmte nun fort der Kaserne zu und hinter den Soldaten her das Volk, zwischen beiden remonstrirend und agirend der Chef. Eingangs der Kasernenstraße stemmte er und der Vicechef sich mit bloßem Degen dem Andrang entgegen und hielt die Massen auf. Die Soldaten, in der Meinung vielleicht man wolle dort die Volksmasse ordnen und dann gegen sie führen, machten noch einmal „kehrt“ wurden aber sofort beschwichtigt, mußten indeß mit Gewalt von ihren Vorgesetzten zur Subordination gezwungen werden, ich selber sah zwei Offiziere mit dem Degen auf die Säumenden einhauen. Nun wurde die Kasernenstraße an allen Punkten mit Bürgerwehr gesperrt. Ein Piquet Jäger trat vor die Hauptwache, die Kavallerie aus der Neustädter-Kaserne stellte sich vor dem Thor der Kasernenstraße auf, die Artillerie ritt an die Geschütze, und dem Allem sah hinter den Spalieren der Bürgerwehr hervor die dumpfe, wogende Volksmasse zu. Dabei blieb's; das Volk verlief gegen 10 Uhr, die aufgestellten Militärs zogen sich zurück, die Passage wurde wieder freigegeben, und die weiteren Vorsichtsmaßregeln bestanden in dem Zirkuliren starker Bürgerwehr-Patrouillen.

Düsseldorf, 15. Aug.

Mitbürger! In der gestrigen Nacht haben höchst bedauerliche Vorfälle stattgefunden, worüber die im Gange befindliche Untersuchung die nöthige Aufklärung geben wird. Wir fordern unsere Mitbürger auf, dem Resultat dieser Untersuchung mit Vertrauen entgegenzusehen, und durch ihr ruhiges Verhalten, von ihrer Seite, jeder möglichen Veranlassung zu ähnlichen Auftritten aus dem Wege zu gehen.

Von Seiten der Militär-Behörden sind die erforderlichen Anordnungen getroffen, um jedweden Konflikt zu vermeiden.

Die Bürgerwehr wird in genügender Zahl in ihren Wachtlokalen versammelt sein, und vertrauen wir, daß ihr in allen Vorkommnissen willig Folge geleistet wird.

Das Oberbürgermeisteramt.

31 Düsseldorf.

Die Untersuchung wider den Bürger Julius Wulff hat, Dank dem Forschergeiste und Patriotismus des Herrn Oberprokurators Dr. Schnaase, neue Nahrung bekommen. Was ich in Nr. 58 d. Z. nur als eine kühne Vision hingestellt, nämlich daß die kön. preuß. Staatsbehörde dem etc. Wulff am Ende gar aus der Vorlesung und Verbreitung des republikanischen Katechismus ein Verbrechen (Art. 102 der Strafgesetzbuches) machen könnte, ist in die nackte Wirklichkeit getreten. Dieses Verbrechen ist sogar das einzige, welches unter den vielen Verbrechen, deren man ihn beschuldigt, mit einigem Scheine juristisch begründet werden kann.

In meiner letzten Mittheilung habe ich gesagt: „Wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102.“ Jetzt heißt es aber: Wenn es mit dem Art. 102 nicht geht, so geht es jedenfalls mit den Art. 222 und ff. in Verbindung mit der preußischen Kabinetsordre vom 5. Juli 1819. Das ist die neue Nahrung, von der ich oben gesprochen. Eine Kabinetsordre aus dem Jahre der Karlsbader Beschlüsse! Sage, was willst Du mehr? Der Art. 222 Code pénal bedroht die Verruchten, welche es wagen, die Ehre und Delikatesse der Beamten à l'occasion der Ausübung ihrer Amtsverrichtungen (ein weiter Begriff) par parole zu verletzen, mit Gefängnißstrafe von einem Monate bis zu zwei Jahren. Aber par parole! Welch ungenügender Schutz für die Ehre und Delikatesse der Beamten! Die genannte preuß. Kabinetsordre hat den Fehler der ruchlosen Franzosen gut gemacht, hat die Bestimmungen der Art. 222 und ff. auch auf Beleidigungen par écrit ausgedehnt. Und wer hat diese wichtige Kabinetsordre aus Staub und Schutt hervorgeholt? Ich habe es bereits gesagt, der Hr. Ober-Prokurator Dr. Schnaase zu Düsseldorf. Ein schallendes unendliches Hoch dem Oberprokurator Schnaase!

Hr. Wulff ist Mitverfasser einer vom Volksklub unterm 17. Mai an die Berliner Vereinbarerversammlung beschlossenen Adresse, worin die Maßregeln des selig entschlafenen Ministeriums Camphausen schamlos reaktionär genannt worden sind. Es ist klar, Wulff hat die Ehre und Delikatesse des Ministeriums Camphausen angegriffen!!

(Wir gestehen, es war ein „kühner Griff“ des Hrn. Schnaase, diese bestaubte Kabinetsordre aus dem Labyrinth der Gesetzsammlung ans Tageslicht hervorzuziehen. Was gilt der Code neben einer k. Kabinetsordre vom Jahre 1819! Leider aber dürfte Hr. Schnaase sich in seinen Hoffnungen täuschen. Die Jurisprudenz des Kassationshofes in Berlin hat die Kabinetsordre vom 5. Juli 1819 keineswegs in der Ausdehnung anerkannt, die Hr. Schnaase ihr gibt. Mehrere seiner Urtheile liegen vor, nach denen Beleidigungen par écrit keineswegs unter die Bestimmungen des Art. 222 „in Verbindung“ mit besagter Kabinetsordre fallen.

Trier, 14. Aug.

Seit dem 6. August, an welchem Tage ein großer Theil unserer Bürgerschaft ein Volksfest zu Ehren des Reichsverwesers feierte, scheint unser Militär in einer gereizten Stimmung sich zu befinden. Während drei Abenden bereits finden jedesmal gegen 7 Uhr Zusammenrottungen von Soldaten des 26. Regiments und von Ulanen statt. In dem Gartenlokale der Götschel'schen Bierbrauerei sollen am Freitag Abende von beiden Parteien Lieder gesungen worden sein, welche die Erbitterung zum Ausbruch kommen ließen. Samstag Abends schloß Hr. Götschel seine Wirthschaft, nichtsdestoweniger erschienen eine Menge Gäste, welchen indessen von der Polizei der Eintritt verwehrt wurde. Am selben Abende wurde im demokratischen Verein der Beschluß gefaßt, den Stadtrath durch eine Deputation zu bitten, es veranlassen zu wollen, daß das Kommando des 26. Regiments den Soldaten den Besuch von Wirthshäusern untersage, in welchen es bisher zu Reibereien gekommen, und vor Allem denselben das Tragen der Seitengewehre verbiete. Gestern wurde durch eine Deputation des demokratischen Vereins dieser Wunsch einem Mitgliede des Magistrats vorgebracht, und gestern bewiesen sowohl Infanteristen des 26. Regiments als auch Ulanen, wie gerecht derselbe ist. In der Vorstadt Matheis wurde Nachmittags von dem Militär ein Gartenlokal verwüstet, in der Götschel'schen Wirthschaft entwickelte sich gegen Abend ein bedeutender Krawall. Zwar zum Theil veranlaßt durch den Muthwillen eines jungen Menschen, welcher einem der in Masse vor dem Hause stehenden Soldaten die Mütze vom Kopfe riß und damit in den Götschel'schen Garten lief, stürmten die Soldaten mit gezogenem Säbel demselben nach in den Garten und mißhandelten und verwundeten, wer ihnen in den Weg kam und nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnte. Mittlerweile erschienen mehrere Personen von Rang, um mittelst Patrouillen die Ruhe herzustellen, aber heute lieferten die Soldaten den Beweis, daß es gefährlich ist, bei ihnen als Vereinbarer aufzutreten. Eine Patrouille des 30. Regiments machte endlich von ihren Waffen Gebrauch und da dieselbe mit vieler Energie auf die uniformirten Wütheriche einstürmte, so ergriffen dieselben die Flucht, jedoch nicht ohne mehrere Verhaftete zurückzulassen. Etwas später begann auf dem Marktplatze das Schauspiel von Neuem. Mit blankem Säbel stürzte eine zahlreiche Rotte von Soldaten des 26. und des Ulanen-Regiments auf Jeden, der ihnen in den Wurf kam, verwundete mehrere Personen, zertrümmerte Angesichts der Hauptwache, nur etwa 50 Schritte davon entfernt, die Läden von zwei Verkaufslokalen, und warf bei dem einen die Fenster des ersten Stocks ein, wohin ein Bürger sich geflüchtet haben sollte, den sie heraushaben wollte. Der Posten der Hauptwache machte zuletzt eine Attaque mit gefälltem Bajonette auf die brutale Schaar, worauf diese durch die Simeonsstraße ihren Rückzug nahm.

(Tr. Z.)
* Wiesbaden, 16. Aug.

Auf den bekannten Beschluß der Frankfurter National-Versammlung über Vermehrung der stehenden Heere, hat der Reichskriegsminister unser Ministerium zuerst mit einer Verfügung beglückt, wonach binnen 4 Wochen der nassauische Militärstand bis auf 2 pCt. der Bevölkerung vermehrt werden soll. Man weiß nicht, welche Zwecke dieser plötzlichen und dringlich gemachten Maßregel zu Grunde liegen, eben so wenig, wie dieselbe bei den erschöpften Staatskassen ins Werk zu setzen sei.

X Berlin, 15. August.

Von einer Urlaubsreise nach dem Norden zurückgekehrte Abgeordnete bringen die Nachricht mit, daß auf den dänischen Inseln Laland, Femern (?) und Falster 10,000 Mann russischer Truppen gelandet. Eine halbe Meile nördlich von Arcona sind neue russische Schiffe zu sehen, von denen sechs Linienschiffe. Sie werden durch englische Transportschiffe vom Greifswalder Boden aus mit Lebensmitteln versorgt.

* Berlin, 14. August.

Gestern hat in Charlottenburg im café hypodròme eine Versammlung der Berliner und Charlottenburger Landwehr stattgefunden, wo man eine Petition an den König berieth, dem Prinzen von Preußen den Oberbefehl über das ganze Heer zu geben. Im Heer sollen bereits viele tausend Unterschriften gesammelt sein, womit man den König bei seiner Rückkehr zu überraschen gedenkt. ‒ Unter den Linden machte das Volk einige Demonstrationen gegen preußische Fahnen, und auf dem Kreuzberg sollen, wie [Forsetzung?]

Das Domfest von 1848.

Große Tage liegen hinter uns. Tage, groß wie die Welt, groß wie der Dom. Erhabne Erinnerungen lassen sie zurück und manchen unangenehmen Schnupfen. In der That, die Kölner können sagen, daß sie für ihren König zwar nicht in's Feuer gegangen sind, wohl aber in's Wasser.

Gab es je ein herrlicheres Regenschauer als das vom Dienstag Morgen, zwischen eilf und zwölf? In die konstitutionellen Könige der Erde vertieft, hatte das Volk die absoluten Monarchen des Himmels vergessen, den Wolkenversammler Zeus, der ärgerlich darüber, plötzlich seine Schleusen öffnete und die gottvergessene Menge in so nachdrücklicher Weise von aller Unsauberkeit reinigte, daß wirklich an den meisten Menschen kein einziger sündhafter Zoll mehr zu waschen übrig blieb.

Man muß gestehen, das Schicksal hat den Göttern nicht nur den Nektar gegeben, sondern auch das Regenwasser und das letztere in so großer Menge, daß es ihnen eben nicht darauf ankommt, sich gerade dann ihres Ueberflusses zu entledigen, wenn die armen trocknen Menschenkinder des Befeuchtens am allerwenigsten bedürfen.

Nichts ist übrigens heiterer als so ein urkräftiger Guß über eine ehrfurchtsvoll harrende Menge. Es ist damit gerade so wie mit einem Pastor, der mitten im besten Redezuge auf offener Kanzel niesen muß. Alle Illusion ist verloren. Die frommen Pfarrkinder des Pastors werden daran erinnert, daß Alles irdisch ist und die armen Begossenen des Regengusses gehen mit dem kühlen Bewußtsein ihrer nassen Füße nach Hause und denken mehr an ein Paar warme Pantoffeln als an Ibrahim Pascha oder an die Königin Pomare.

Für mein Leben gern sehe ich aus einem trocknen Hinterhalte dem erfrischenden Schauspiele einer allgemeinen Taufe zu. Zuerst ein leiser Wind, der den Staub mit lustigen Kräuseln vom Boden erhebt ‒ die Locken einer schönen Dame gaukeln anmuthig an den blühenden Wangen vorüber. Dann ein fühlbarerer Stoß, der die Fensterläden und die Dachpfannen klappern läßt ‒ das Gewand unserer Dame schmiegt sich inniger um die harmonischen Formen des schlanken Wuchses. Hierauf die ersten schweren Tropfen, flüssige Perlen niederrollend auf die lechzende Erde ‒ unsre Dame schaut ängstlich empor und das hübsche Profil des schneeweißen Antlitzes sticht entzückend gegen den schwarzblauen Himmel ab. Jetzt Sturm und Regen zu gleicher Zeit, wirbelnder Staub und klappende Fenster ‒ unsere Dame zieht den Shawl über die seligen Schultern und sieht sich so ängstlich nach einem Regenschirm um, wie ein Gänschen nach dem Fittich der Mutter Gans. Immer heftiger stürmt es und tropft es, und immer unruhiger wird unsere jugendliche Schöne; kein Schirm, kein Mantel, kein Dach und kein Fach: losplatzt da die ungalanteste der Wolken und Himmel und Erde schwelgen im Kuß der nassen Umarmung ‒ unsere Dame reißt aus wie besessen. Aber ach, mit ihr flüchten auch alte Matronen und weinende Kinder, lange Gymnasiasten und duftende Hofräthe, Flegel vom Lande und gebildete Städter, Soldaten und Handwerker und Gemüsefrauen und Taschendiebe, bis unsere Dame zuletzt im Gedränge verschwindet und sich der ganze Haufen unter jauchzendem Verwünschen dem nächsten Zufluchtsort entgegendrängt, Hüte und Schuhe und Stöcke und erlöschende Cigarren im Strudel zurücklassend, immer vorwärtsdringend und immer toller verfolgt von dem heillosen Wetter und o, es giebt nichts köstlicheres als so eine allgemeine Retirade!

Leider sollte ich dem berühmten Festregen der Dombautage nicht so heiter zusehen. Tollkühn genug hatte ich mich gerade vor das Portal des Domes gepflanzt, fest entschlossen meinen Posten zu behaupten, denn ich sollte ja auf drei Schritt unsern Reichsverweser sehen und unsern König ‒ ich muß gestehen, ich befand mich in einer eigenthümlich schwarz-weiß und schwarz-roth-golden gemischten Stimmung. Der Regen floß hinab: ich stand wie eine Mauer. Ich habe da zum ersten Mal für einen König gelitten; ich bin stolz darauf. Ich wartete eine halbe Stunde, im Regen nämlich. Ein Verliebter kann nur so thöricht sein, oder Jemand der einen König sehen will. Weder der König noch der Reichsverweser wollte indeß aus dem Dom hinaus in's Freie treten.

So gequält von banger Erwartung und gepeitscht vom Regen legte ich mich auf den süßen Zeitvertreib des Gedankenspiels. Ist unser König nicht wirklich ein guter König ‒ sagte ich zu mir selbst. Ja wahrhaftig, er ist es! Wenn je ein Fürst rücksichtsvoll und artig mit einer Stadt verfuhr, so war es Friedrich Wilhelm. War ich nicht selbst dabei, als ihm die guten Kölner in ihrer Naivetät einst zur Karnevalszeit eine bunte Schellenkappe überreichten? Wir standen in der Komödienstraße, vor dem Eiserschen Saale, dem Lokale der jüngern Faschings-Gesellschaft. Da kam der königliche Wagen und eine Deputation, wenn ich mich nicht sehr irre mit dem Dr. B., dem jetzigen Abgeordneten zur Berliner Versammlung an ihrer Spitze, trat an den Wagenschlag und überreichte die herrlichste Mütze, die Schellenkappe, ‒ Gott weiß, wie man zu dieser Kühnheit kam! Ein Nero oder ein Tiberius würde uns gleich haben köpfen lassen ‒ Friedrich Wilhelm nahm die Narrenkappe aber lächelnd entgegen und seit der Zeit bin ich fest davon überzeugt, daß er ein geistreicher Mann und kein Nero ist. Es lebe die Naivetät der Kölner!

Die kölnischen Funken setzen ihre Schellenkappen eigentlich nie ab. Das ganze Jahr hindurch klingelt es ihnen in den Ohren wie Römergeklirr und „O Jerum! O Jerum!“ Man ist verrathen und verkauft wenn man mit diesen Leuten in ernster Weise anbinden will. Der Spaß ist der Grundzug ihres Charakters und dieser Spaß kitzelt sie auch bei jeder Gelegenheit. Die ganze Welt existirt nur für sie, damit Späße darüber gerissen werden. Ein Kölner ist mit seinem alten holprigen Köln so liebend verwachsen, wie ein Großvater mit seinem Schlafrock. Ein humoristischer Großvater und ein humoristischer Schlafrock. Ein Kölner ist ganz unglücklich wenn er nicht außer seinem Karneval jedes Jahr wenigstens zwei oder drei recht gründliche Feste in seinen Mauern feiert. Ein Musikfest, der Empfang eines hohen Geistlichen oder eines Künstlers, eine Erinnerungsfeier vergangener Herrlichkeit, ein politisches Fest, die Ankunft des neuen Weißen, ein Bockessen u. s. w., man

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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 79. Köln, Freitag 18. August 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Düsseldorf. (Der Conflikt mit den Preußen. &#x2012;                     Bekanntmachung des Oberbürgermeisters. &#x2012; Neueste Lorbeeren des Oberprokurators                     Schnaase.) Trier. (Conflikt mit den Preußen.) Wiesbaden. (Vermehrung des Heers.)                     Berlin. (Russische Truppen auf Laland und Falster gelandet. &#x2012; Die Partei des                     Prinzen von Preußen. &#x2012; Demonstrationen.) Aus dem Großherzogthum Posen. (Die                     jetzigen Zustände. &#x2012; Reaktion in Oberschlesien.) Hamburg. (Das provisorische                     Comité entlassen.) Apenrade. (Die dänische Armee.) Flensburg. (Deutsche                     Kriegsführung.) Rendsburg. (Die Unterhandlung.) Stralsund. (Below nach Malmö. &#x2012;                     Die Unterhandlung.) Wien. (Empfang des Kaisers &#x2012; Proklamation Jellachich's. &#x2012;                     Fortsetzung der Eisenbahn über den Sömmering.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Mailand. (Como von den Oestreichern besetzt. &#x2012;                     Die Oestreicher im Piemontesischen. &#x2012; Ihre Erklärung. &#x2012; Dienst und Gegendienst.                     &#x2012; Waffenablieferungen. &#x2012; Die Zeitungen abgesperrt.) Verona. (Peschiera geräumt.)                     Genua. (Karl Alberts Depesche an die Venetianer. Romarino. Der Großherzog von                     Toskana. &#x2012; Englischer Protest.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Buckarest. (Adresse der                     provisorischen Regierung an den russischen Kaiser. &#x2012; Rang-Titularwürden,                     Prügelstrafe abgeschafft. &#x2012; Forderungen an den östreichischen Agenten.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Groß-Becskerek. (Neuzina von den Ungarn                     wiedergewonnen.) Pesth. (Die ungarischen Zustände.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz.</hi> Zürich. (Die Abstimmung über die                     Bundesverfassung. &#x2012; Die italienischen Flüchtlinge in Tessin.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Portugal.</hi> Lissabon. (Die Finanzpläne der Regierung vor                     den Cortes. &#x2012; Costa und Silva Cabral in Opposition.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Rußland.</hi> Petersburg. (Cholera.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> (Journalschau v 14. Aug. [Schluß].                     &#x2012; Geld! &#x2012; Die &#x201E;Republique&#x201C; über die Finanzen. &#x2012; Die Lyoner Klubs und Proudhon. &#x2012;                     Vermischtes. &#x2012; Senard. &#x2012; Polen und Deutsche bei dem ersten                     Insurgententransport.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel. (Arabien und die belgische Polizei.)                     Antwerpen. (Affaire Risquons-Tout.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Parlamentsdebatten. &#x2012; Die                     &#x201E;Times&#x201C; über die Jury in Irland wie über die französische Politik in Italien und                     Schleswig-Holstein. &#x2012; Unruhen in Ashton. &#x2012; Ankunft des Dämpfers Hibernia.)                     Dublin. (Begnadigungsgesuch der katholischen Geistlichen für S. O'Brien. &#x2012; Die                     Einwohner von Abbeyfeale.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika.</hi> Die Hängebrücke über die Niagarafälle.</p>
        <p> <hi rendition="#g">Handels-Nachrichten.</hi> </p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar079_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>28</author></bibl> Düsseldorf, 16. Aug.</head>
          <p>Die Untersuchung über die Vorfälle des 14. ist im Gange, und es soll sich                         herausstellen, daß die gereizten Elberfelder einer Rotte bergischer Jungens                         ihren Haß gegen unsere Bürger vermacht haben. Von mehreren Augenzeugen wurde                         mir versichert, daß die Elberfelder am Bahnhof unter die Schaar der Soldaten                         sich gemischt, dieselben mit in ein nahgelegenes Wirthshaus genommen, ihnen                         tüchtig zugetrunken, ja sogar Geld gegeben haben sollen. Später wurden von                         diesen preußischen Jungens die Elberfelder unter beständigem Hurrahrufen zum                         Bahnhof begleitet, hier wurde ein Hoch nach dem andern dem König gebracht,                         letzteres faßte aber den Elberfelder Patriotismus noch nicht zusammen, man                         brachte ein Hoch <hi rendition="#g">dem Kommandanten von Schweidnitz!!</hi> Schöner konnten sich doch die Wupperthaler nicht charakterisiren!!</p>
          <p>Nach Abfahrt der Elberfelder zog denn die trunkene Rotte in die Stadt und                         bewies ihre Liebe zum König durch Einhauen auf ruhige Bürger, wie mein                         gestriger Bericht es besagt.</p>
          <p>Es sollen militärischerseits zwei Todte und mehrere Schwerverwundete sein,                         auf der Seite der Bürger sollen nur einige schwere Verwundungen zu beklagen                         sein.</p>
          <p>Gestern morgen nun sah man aus beiden Kasernen schwarze große Fahnen hängen                         neben den preußischen; das war eine Demonstration die Angst und Wuth                         zugleich unter die Bevölkerung verbreitete. Eine ermahnende und beruhigende                         Proklamation des Oberbürgermeisterei-Amts, die Nachmittags in alle Häuser                         gebracht wurde, verfehlte nicht ganz ihren Zweck, war aber dennoch nicht im                         Stande die Zusammenrottungen gegen Abend zu verhindern. Das Militär sollte                         in die Kasernen konsignirt werden und starke Bürgerwehrpatrouillen sollten                         die Haufen zerstreuen. Was geschah? Um 6 Uhr war die Allee gedrängt voll von                         Soldaten, die alle mit Seitengewehren bewaffnet waren. Man schrie wieder                         Hurrah, das Proletariat pfiff und brummte, es gab wieder Reibungen, die                         indeß nicht in Thätlichkeiten übergingen; drohend war die Stellung im                         höchsten Grade, überall flogen die Schaufenster zu, die Thüren wurden                         verriegelt. &#x2012; Die Soldateska, brennend nach einer Kampf-Gelegenheit, machte                         nun Miene, sich an der Statue der Germania, die noch vom 6. August her                         steht, zu vergreifen; während sich hier die Parteien drängten, und man jeden                         Augenblick eine Explosion befürchtete, langten der Chef der Bürgerwehr und                         der kommandirende General glücklicherweise von Köln wieder an; der Chef, wie                         immer, trat trotz der drohenden Gebärden von beiden Seiten vermittelnd                         zwischen die Gegner und hielt die Spannung hin, bis von der Kaserne der                         Generalmarsch ertönte. Alles stürmte nun fort der Kaserne zu und hinter den                         Soldaten her das Volk, zwischen beiden remonstrirend und agirend der Chef.                         Eingangs der Kasernenstraße stemmte er und der Vicechef sich mit bloßem                         Degen dem Andrang entgegen und hielt die Massen auf. Die Soldaten, in der                         Meinung vielleicht man wolle dort die Volksmasse ordnen und dann gegen sie                         führen, machten noch einmal &#x201E;kehrt&#x201C; wurden aber sofort beschwichtigt, mußten                         indeß mit Gewalt von ihren Vorgesetzten zur Subordination gezwungen werden,                         ich selber sah zwei Offiziere mit dem Degen auf die Säumenden einhauen. Nun                         wurde die Kasernenstraße an allen Punkten mit Bürgerwehr gesperrt. Ein                         Piquet Jäger trat vor die Hauptwache, die Kavallerie aus der                         Neustädter-Kaserne stellte sich vor dem Thor der Kasernenstraße auf, die                         Artillerie ritt an die Geschütze, und dem Allem sah hinter den Spalieren der                         Bürgerwehr hervor die dumpfe, wogende Volksmasse zu. Dabei blieb's; das Volk                         verlief gegen 10 Uhr, die aufgestellten Militärs zogen sich zurück, die                         Passage wurde wieder freigegeben, und die weiteren Vorsichtsmaßregeln                         bestanden in dem Zirkuliren starker Bürgerwehr-Patrouillen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar079_002" type="jArticle">
          <head>Düsseldorf, 15. Aug.</head>
          <p>Mitbürger! In der gestrigen Nacht haben höchst bedauerliche Vorfälle                         stattgefunden, worüber die im Gange befindliche Untersuchung die nöthige                         Aufklärung geben wird. Wir fordern unsere Mitbürger auf, dem Resultat dieser                         Untersuchung mit Vertrauen entgegenzusehen, und durch ihr ruhiges Verhalten,                         von ihrer Seite, jeder möglichen Veranlassung zu ähnlichen Auftritten aus                         dem Wege zu gehen.</p>
          <p>Von Seiten der Militär-Behörden sind die erforderlichen Anordnungen                         getroffen, um jedweden Konflikt zu vermeiden.</p>
          <p>Die Bürgerwehr wird in genügender Zahl in ihren Wachtlokalen versammelt sein,                         und vertrauen wir, daß ihr in allen Vorkommnissen willig Folge geleistet                         wird.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Das Oberbürgermeisteramt.</hi> </p>
        </div>
        <div xml:id="ar079_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>31</author></bibl> Düsseldorf.</head>
          <p>Die Untersuchung wider den Bürger Julius Wulff hat, Dank dem Forschergeiste                         und Patriotismus des Herrn Oberprokurators Dr. Schnaase, neue Nahrung                         bekommen. Was ich in Nr. 58 d. Z. nur als eine kühne Vision hingestellt,                         nämlich daß die kön. preuß. Staatsbehörde dem etc. Wulff am Ende gar aus der                         Vorlesung und Verbreitung des republikanischen Katechismus ein <hi rendition="#g">Verbrechen</hi> (Art. 102 der Strafgesetzbuches) machen                         könnte, ist in die nackte Wirklichkeit getreten. Dieses Verbrechen ist sogar                         das einzige, welches unter den vielen Verbrechen, deren man ihn beschuldigt,                         mit einigem Scheine <hi rendition="#g">juristisch</hi> begründet werden                         kann.</p>
          <p>In meiner letzten Mittheilung habe ich gesagt: &#x201E;Wenn es mit dem Art. 293                         nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102.&#x201C; Jetzt heißt es aber:                         Wenn es mit dem Art. 102 nicht geht, so geht es jedenfalls mit den Art. 222                         und ff. in Verbindung mit der preußischen <hi rendition="#g">Kabinetsordre                             vom 5. Juli 1819.</hi> Das ist die neue Nahrung, von der ich oben                         gesprochen. Eine Kabinetsordre aus dem Jahre der Karlsbader Beschlüsse!                         Sage, was willst Du mehr? Der Art. 222 Code pénal bedroht die Verruchten,                         welche es wagen, die Ehre und Delikatesse der Beamten à l'occasion der                         Ausübung ihrer Amtsverrichtungen (ein weiter Begriff) par parole zu                         verletzen, mit Gefängnißstrafe von einem Monate bis zu <hi rendition="#g">zwei Jahren.</hi> Aber par parole! Welch ungenügender Schutz für die                         Ehre und Delikatesse der Beamten! Die genannte preuß. Kabinetsordre hat den                         Fehler der ruchlosen Franzosen gut gemacht, hat die Bestimmungen der Art.                         222 und ff. auch auf Beleidigungen par écrit ausgedehnt. Und wer hat diese                         wichtige Kabinetsordre aus Staub und Schutt hervorgeholt? Ich habe es                         bereits gesagt, der Hr. Ober-Prokurator Dr. Schnaase zu Düsseldorf. Ein                         schallendes unendliches Hoch dem Oberprokurator Schnaase!</p>
          <p>Hr. Wulff ist Mitverfasser einer vom Volksklub unterm 17. Mai an die Berliner                         Vereinbarerversammlung beschlossenen Adresse, worin die Maßregeln des selig                         entschlafenen Ministeriums Camphausen <hi rendition="#g">schamlos</hi> reaktionär genannt worden sind. Es ist klar, Wulff hat die Ehre und                         Delikatesse des Ministeriums Camphausen angegriffen!!</p>
          <p>(Wir gestehen, es war ein &#x201E;kühner Griff&#x201C; des Hrn. Schnaase, diese bestaubte                         Kabinetsordre aus dem Labyrinth der Gesetzsammlung ans Tageslicht                         hervorzuziehen. Was gilt der Code neben einer k. Kabinetsordre vom Jahre                         1819! Leider aber dürfte Hr. Schnaase sich in seinen Hoffnungen täuschen.                         Die Jurisprudenz des Kassationshofes in Berlin hat die Kabinetsordre vom 5.                         Juli 1819 keineswegs in der Ausdehnung anerkannt, die Hr. Schnaase ihr gibt.                         Mehrere seiner Urtheile liegen vor, nach denen Beleidigungen par écrit                         keineswegs unter die Bestimmungen des Art. 222 &#x201E;in Verbindung&#x201C; mit besagter                         Kabinetsordre fallen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar079_004" type="jArticle">
          <head>Trier, 14. Aug.</head>
          <p>Seit dem 6. August, an welchem Tage ein großer Theil unserer Bürgerschaft ein                         Volksfest zu Ehren des Reichsverwesers feierte, scheint unser Militär in                         einer gereizten Stimmung sich zu befinden. Während drei Abenden bereits                         finden jedesmal gegen 7 Uhr Zusammenrottungen von Soldaten des 26. Regiments                         und von Ulanen statt. In dem Gartenlokale der Götschel'schen Bierbrauerei                         sollen am Freitag Abende von beiden Parteien Lieder gesungen worden sein,                         welche die Erbitterung zum Ausbruch kommen ließen. Samstag Abends schloß Hr.                         Götschel seine Wirthschaft, nichtsdestoweniger erschienen eine Menge Gäste,                         welchen indessen von der Polizei der Eintritt verwehrt wurde. Am selben                         Abende wurde im demokratischen Verein der Beschluß gefaßt, den Stadtrath                         durch eine Deputation zu bitten, es veranlassen zu wollen, daß das Kommando                         des 26. Regiments den Soldaten den Besuch von Wirthshäusern untersage, in                         welchen es bisher zu Reibereien gekommen, und vor Allem denselben das Tragen                         der Seitengewehre verbiete. Gestern wurde durch eine Deputation des                         demokratischen Vereins dieser Wunsch einem Mitgliede des Magistrats                         vorgebracht, und gestern bewiesen sowohl Infanteristen des 26. Regiments als                         auch Ulanen, wie gerecht derselbe ist. In der Vorstadt Matheis wurde                         Nachmittags von dem Militär ein Gartenlokal verwüstet, in der Götschel'schen                         Wirthschaft entwickelte sich gegen Abend ein bedeutender Krawall. Zwar zum                         Theil veranlaßt durch den Muthwillen eines jungen Menschen, welcher einem                         der in Masse vor dem Hause stehenden Soldaten die Mütze vom Kopfe riß und                         damit in den Götschel'schen Garten lief, stürmten die Soldaten mit gezogenem                         Säbel demselben nach in den Garten und mißhandelten und verwundeten, wer                         ihnen in den Weg kam und nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnte.                         Mittlerweile erschienen mehrere Personen von Rang, um mittelst Patrouillen                         die Ruhe herzustellen, aber heute lieferten die Soldaten den Beweis, daß es                         gefährlich ist, bei ihnen als Vereinbarer aufzutreten. Eine Patrouille des                         30. Regiments machte endlich von ihren Waffen Gebrauch und da dieselbe mit                         vieler Energie auf die uniformirten Wütheriche einstürmte, so ergriffen                         dieselben die Flucht, jedoch nicht ohne mehrere Verhaftete zurückzulassen.                         Etwas später begann auf dem Marktplatze das Schauspiel von Neuem. Mit                         blankem Säbel stürzte eine zahlreiche Rotte von Soldaten des 26. und des                         Ulanen-Regiments auf Jeden, der ihnen in den Wurf kam, verwundete mehrere                         Personen, zertrümmerte Angesichts der Hauptwache, nur etwa 50 Schritte davon                         entfernt, die Läden von zwei Verkaufslokalen, und warf bei dem einen die                         Fenster des ersten Stocks ein, wohin ein Bürger sich geflüchtet haben                         sollte, den sie heraushaben wollte. Der Posten der Hauptwache machte zuletzt                         eine Attaque mit gefälltem Bajonette auf die brutale Schaar, worauf diese                         durch die Simeonsstraße ihren Rückzug nahm.</p>
          <bibl>(Tr. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar079_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wiesbaden, 16. Aug.</head>
          <p>Auf den bekannten Beschluß der Frankfurter National-Versammlung über                         Vermehrung der stehenden Heere, hat der Reichskriegsminister unser                         Ministerium zuerst mit einer Verfügung beglückt, wonach binnen 4 Wochen der                         nassauische Militärstand bis auf 2 pCt. der Bevölkerung vermehrt werden                         soll. Man weiß nicht, welche Zwecke dieser plötzlichen und dringlich                         gemachten Maßregel zu Grunde liegen, eben so wenig, wie dieselbe bei den                         erschöpften Staatskassen ins Werk zu setzen sei.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar079_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 15. August.</head>
          <p>Von einer Urlaubsreise nach dem Norden zurückgekehrte Abgeordnete bringen die                         Nachricht mit, daß auf den dänischen Inseln Laland, Femern (?) und Falster                         10,000 Mann russischer Truppen gelandet. Eine halbe Meile nördlich von                         Arcona sind neue russische Schiffe zu sehen, von denen sechs Linienschiffe.                         Sie werden durch englische Transportschiffe vom Greifswalder Boden aus mit                         Lebensmitteln versorgt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar079_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 14. August.</head>
          <p>Gestern hat in Charlottenburg im café hypodròme eine Versammlung der Berliner                         und Charlottenburger Landwehr stattgefunden, wo man eine Petition an den                         König berieth, dem Prinzen von Preußen den Oberbefehl über das ganze Heer zu                         geben. Im Heer sollen bereits viele tausend Unterschriften gesammelt sein,                         womit man den König bei seiner Rückkehr zu überraschen gedenkt. &#x2012; Unter den                         Linden machte das Volk einige Demonstrationen gegen preußische Fahnen, und                         auf dem Kreuzberg sollen, wie <ref type="link_fsg">[Forsetzung?]</ref>                </p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar079_008" type="jArticle">
          <head>Das Domfest von 1848.</head>
          <p>Große Tage liegen hinter uns. Tage, groß wie die Welt, groß wie der Dom.                         Erhabne Erinnerungen lassen sie zurück und manchen unangenehmen Schnupfen.                         In der That, die Kölner können sagen, daß sie für ihren König zwar nicht                         in's Feuer gegangen sind, wohl aber in's Wasser.</p>
          <p>Gab es je ein herrlicheres Regenschauer als das vom Dienstag Morgen, zwischen                         eilf und zwölf? In die konstitutionellen Könige der Erde vertieft, hatte das                         Volk die absoluten Monarchen des Himmels vergessen, den Wolkenversammler                         Zeus, der ärgerlich darüber, plötzlich seine Schleusen öffnete und die                         gottvergessene Menge in so nachdrücklicher Weise von aller Unsauberkeit                         reinigte, daß wirklich an den meisten Menschen kein einziger sündhafter Zoll                         mehr zu waschen übrig blieb.</p>
          <p>Man muß gestehen, das Schicksal hat den Göttern nicht nur den Nektar gegeben,                         sondern auch das Regenwasser und das letztere in so großer Menge, daß es                         ihnen eben nicht darauf ankommt, sich gerade dann ihres Ueberflusses zu                         entledigen, wenn die armen trocknen Menschenkinder des Befeuchtens am                         allerwenigsten bedürfen.</p>
          <p>Nichts ist übrigens heiterer als so ein urkräftiger Guß über eine                         ehrfurchtsvoll harrende Menge. Es ist damit gerade so wie mit einem Pastor,                         der mitten im besten Redezuge auf offener Kanzel niesen muß. Alle Illusion                         ist verloren. Die frommen Pfarrkinder des Pastors werden daran erinnert, daß                         Alles irdisch ist und die armen Begossenen des Regengusses gehen mit dem                         kühlen Bewußtsein ihrer nassen Füße nach Hause und denken mehr an ein Paar                         warme Pantoffeln als an Ibrahim Pascha oder an die Königin Pomare.</p>
          <p>Für mein Leben gern sehe ich aus einem trocknen Hinterhalte dem erfrischenden                         Schauspiele einer allgemeinen Taufe zu. Zuerst ein leiser Wind, der den                         Staub mit lustigen Kräuseln vom Boden erhebt &#x2012; die Locken einer schönen Dame                         gaukeln anmuthig an den blühenden Wangen vorüber. Dann ein fühlbarerer Stoß,                         der die Fensterläden und die Dachpfannen klappern läßt &#x2012; das Gewand unserer                         Dame schmiegt sich inniger um die harmonischen Formen des schlanken Wuchses.                         Hierauf die ersten schweren Tropfen, flüssige Perlen niederrollend auf die                         lechzende Erde &#x2012; unsre Dame schaut ängstlich empor und das hübsche Profil                         des schneeweißen Antlitzes sticht entzückend gegen den schwarzblauen Himmel                         ab. Jetzt Sturm und Regen zu gleicher Zeit, wirbelnder Staub und klappende                         Fenster &#x2012; unsere Dame zieht den Shawl über die seligen Schultern und sieht                         sich so ängstlich nach einem Regenschirm um, wie ein Gänschen nach dem                         Fittich der Mutter Gans. Immer heftiger stürmt es und tropft es, und immer                         unruhiger wird unsere jugendliche Schöne; kein Schirm, kein Mantel, kein                         Dach und kein Fach: losplatzt da die ungalanteste der Wolken und Himmel und                         Erde schwelgen im Kuß der nassen Umarmung &#x2012; unsere Dame reißt aus wie                         besessen. Aber ach, mit ihr flüchten auch alte Matronen und weinende Kinder,                         lange Gymnasiasten und duftende Hofräthe, Flegel vom Lande und gebildete                         Städter, Soldaten und Handwerker und Gemüsefrauen und Taschendiebe, bis                         unsere Dame zuletzt im Gedränge verschwindet und sich der ganze Haufen unter                         jauchzendem Verwünschen dem nächsten Zufluchtsort entgegendrängt, Hüte und                         Schuhe und Stöcke und erlöschende Cigarren im Strudel zurücklassend, immer                         vorwärtsdringend und immer toller verfolgt von dem heillosen Wetter und o,                         es giebt nichts köstlicheres als so eine allgemeine Retirade!</p>
          <p>Leider sollte ich dem berühmten Festregen der Dombautage nicht so heiter                         zusehen. Tollkühn genug hatte ich mich gerade vor das Portal des Domes                         gepflanzt, fest entschlossen meinen Posten zu behaupten, denn ich sollte ja                         auf drei Schritt unsern Reichsverweser sehen und unsern König &#x2012; ich muß                         gestehen, ich befand mich in einer eigenthümlich schwarz-weiß und                         schwarz-roth-golden gemischten Stimmung. Der Regen floß hinab: ich stand wie                         eine Mauer. Ich habe da zum ersten Mal für einen König gelitten; ich bin                         stolz darauf. Ich wartete eine halbe Stunde, im Regen nämlich. Ein                         Verliebter kann nur so thöricht sein, oder Jemand der einen König sehen                         will. Weder der König noch der Reichsverweser wollte indeß aus dem Dom                         hinaus in's Freie treten.</p>
          <p>So gequält von banger Erwartung und gepeitscht vom Regen legte ich mich auf                         den süßen Zeitvertreib des Gedankenspiels. Ist unser König nicht wirklich                         ein guter König &#x2012; sagte ich zu mir selbst. Ja wahrhaftig, er ist es! Wenn je                         ein Fürst rücksichtsvoll und artig mit einer Stadt verfuhr, so war es                         Friedrich Wilhelm. War ich nicht selbst dabei, als ihm die guten Kölner in                         ihrer Naivetät einst zur Karnevalszeit eine bunte Schellenkappe                         überreichten? Wir standen in der Komödienstraße, vor dem Eiserschen Saale,                         dem Lokale der jüngern Faschings-Gesellschaft. Da kam der königliche Wagen                         und eine Deputation, wenn ich mich nicht sehr irre mit dem Dr. B., dem                         jetzigen Abgeordneten zur Berliner Versammlung an ihrer Spitze, trat an den                         Wagenschlag und überreichte die herrlichste Mütze, die Schellenkappe, &#x2012; Gott                         weiß, wie man zu dieser Kühnheit kam! Ein Nero oder ein Tiberius würde uns                         gleich haben köpfen lassen &#x2012; Friedrich Wilhelm nahm die Narrenkappe aber                         lächelnd entgegen und seit der Zeit bin ich fest davon überzeugt, daß er ein                         geistreicher Mann und kein Nero ist. Es lebe die Naivetät der Kölner!</p>
          <p>Die kölnischen Funken setzen ihre Schellenkappen eigentlich nie ab. Das ganze                         Jahr hindurch klingelt es ihnen in den Ohren wie Römergeklirr und &#x201E;O Jerum!                         O Jerum!&#x201C; Man ist verrathen und verkauft wenn man mit diesen Leuten in                         ernster Weise anbinden will. Der Spaß ist der Grundzug ihres Charakters und                         dieser Spaß kitzelt sie auch bei jeder Gelegenheit. Die ganze Welt existirt                         nur für sie, damit Späße darüber gerissen werden. Ein Kölner ist mit seinem                         alten holprigen Köln so liebend verwachsen, wie ein Großvater mit seinem                         Schlafrock. Ein humoristischer Großvater und ein humoristischer Schlafrock.                         Ein Kölner ist ganz unglücklich wenn er nicht außer seinem Karneval jedes                         Jahr wenigstens zwei oder drei recht gründliche Feste in seinen Mauern                         feiert. Ein Musikfest, der Empfang eines hohen Geistlichen oder eines                         Künstlers, eine Erinnerungsfeier vergangener Herrlichkeit, ein politisches                         Fest, die Ankunft des neuen Weißen, ein Bockessen u. s. w., man</p>
        </div>
      </div>
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</TEI>
[0397/0001] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 79. Köln, Freitag 18. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Düsseldorf. (Der Conflikt mit den Preußen. ‒ Bekanntmachung des Oberbürgermeisters. ‒ Neueste Lorbeeren des Oberprokurators Schnaase.) Trier. (Conflikt mit den Preußen.) Wiesbaden. (Vermehrung des Heers.) Berlin. (Russische Truppen auf Laland und Falster gelandet. ‒ Die Partei des Prinzen von Preußen. ‒ Demonstrationen.) Aus dem Großherzogthum Posen. (Die jetzigen Zustände. ‒ Reaktion in Oberschlesien.) Hamburg. (Das provisorische Comité entlassen.) Apenrade. (Die dänische Armee.) Flensburg. (Deutsche Kriegsführung.) Rendsburg. (Die Unterhandlung.) Stralsund. (Below nach Malmö. ‒ Die Unterhandlung.) Wien. (Empfang des Kaisers ‒ Proklamation Jellachich's. ‒ Fortsetzung der Eisenbahn über den Sömmering.) Italien. Mailand. (Como von den Oestreichern besetzt. ‒ Die Oestreicher im Piemontesischen. ‒ Ihre Erklärung. ‒ Dienst und Gegendienst. ‒ Waffenablieferungen. ‒ Die Zeitungen abgesperrt.) Verona. (Peschiera geräumt.) Genua. (Karl Alberts Depesche an die Venetianer. Romarino. Der Großherzog von Toskana. ‒ Englischer Protest.) Donaufürstenthümer. Buckarest. (Adresse der provisorischen Regierung an den russischen Kaiser. ‒ Rang-Titularwürden, Prügelstrafe abgeschafft. ‒ Forderungen an den östreichischen Agenten.) Ungarn. Groß-Becskerek. (Neuzina von den Ungarn wiedergewonnen.) Pesth. (Die ungarischen Zustände.) Schweiz. Zürich. (Die Abstimmung über die Bundesverfassung. ‒ Die italienischen Flüchtlinge in Tessin.) Portugal. Lissabon. (Die Finanzpläne der Regierung vor den Cortes. ‒ Costa und Silva Cabral in Opposition.) Rußland. Petersburg. (Cholera.) Französische Republik. (Journalschau v 14. Aug. [Schluß]. ‒ Geld! ‒ Die „Republique“ über die Finanzen. ‒ Die Lyoner Klubs und Proudhon. ‒ Vermischtes. ‒ Senard. ‒ Polen und Deutsche bei dem ersten Insurgententransport.) Belgien. Brüssel. (Arabien und die belgische Polizei.) Antwerpen. (Affaire Risquons-Tout.) Großbritannien. London. (Parlamentsdebatten. ‒ Die „Times“ über die Jury in Irland wie über die französische Politik in Italien und Schleswig-Holstein. ‒ Unruhen in Ashton. ‒ Ankunft des Dämpfers Hibernia.) Dublin. (Begnadigungsgesuch der katholischen Geistlichen für S. O'Brien. ‒ Die Einwohner von Abbeyfeale.) Amerika. Die Hängebrücke über die Niagarafälle. Handels-Nachrichten. Deutschland. 28 Düsseldorf, 16. Aug. Die Untersuchung über die Vorfälle des 14. ist im Gange, und es soll sich herausstellen, daß die gereizten Elberfelder einer Rotte bergischer Jungens ihren Haß gegen unsere Bürger vermacht haben. Von mehreren Augenzeugen wurde mir versichert, daß die Elberfelder am Bahnhof unter die Schaar der Soldaten sich gemischt, dieselben mit in ein nahgelegenes Wirthshaus genommen, ihnen tüchtig zugetrunken, ja sogar Geld gegeben haben sollen. Später wurden von diesen preußischen Jungens die Elberfelder unter beständigem Hurrahrufen zum Bahnhof begleitet, hier wurde ein Hoch nach dem andern dem König gebracht, letzteres faßte aber den Elberfelder Patriotismus noch nicht zusammen, man brachte ein Hoch dem Kommandanten von Schweidnitz!! Schöner konnten sich doch die Wupperthaler nicht charakterisiren!! Nach Abfahrt der Elberfelder zog denn die trunkene Rotte in die Stadt und bewies ihre Liebe zum König durch Einhauen auf ruhige Bürger, wie mein gestriger Bericht es besagt. Es sollen militärischerseits zwei Todte und mehrere Schwerverwundete sein, auf der Seite der Bürger sollen nur einige schwere Verwundungen zu beklagen sein. Gestern morgen nun sah man aus beiden Kasernen schwarze große Fahnen hängen neben den preußischen; das war eine Demonstration die Angst und Wuth zugleich unter die Bevölkerung verbreitete. Eine ermahnende und beruhigende Proklamation des Oberbürgermeisterei-Amts, die Nachmittags in alle Häuser gebracht wurde, verfehlte nicht ganz ihren Zweck, war aber dennoch nicht im Stande die Zusammenrottungen gegen Abend zu verhindern. Das Militär sollte in die Kasernen konsignirt werden und starke Bürgerwehrpatrouillen sollten die Haufen zerstreuen. Was geschah? Um 6 Uhr war die Allee gedrängt voll von Soldaten, die alle mit Seitengewehren bewaffnet waren. Man schrie wieder Hurrah, das Proletariat pfiff und brummte, es gab wieder Reibungen, die indeß nicht in Thätlichkeiten übergingen; drohend war die Stellung im höchsten Grade, überall flogen die Schaufenster zu, die Thüren wurden verriegelt. ‒ Die Soldateska, brennend nach einer Kampf-Gelegenheit, machte nun Miene, sich an der Statue der Germania, die noch vom 6. August her steht, zu vergreifen; während sich hier die Parteien drängten, und man jeden Augenblick eine Explosion befürchtete, langten der Chef der Bürgerwehr und der kommandirende General glücklicherweise von Köln wieder an; der Chef, wie immer, trat trotz der drohenden Gebärden von beiden Seiten vermittelnd zwischen die Gegner und hielt die Spannung hin, bis von der Kaserne der Generalmarsch ertönte. Alles stürmte nun fort der Kaserne zu und hinter den Soldaten her das Volk, zwischen beiden remonstrirend und agirend der Chef. Eingangs der Kasernenstraße stemmte er und der Vicechef sich mit bloßem Degen dem Andrang entgegen und hielt die Massen auf. Die Soldaten, in der Meinung vielleicht man wolle dort die Volksmasse ordnen und dann gegen sie führen, machten noch einmal „kehrt“ wurden aber sofort beschwichtigt, mußten indeß mit Gewalt von ihren Vorgesetzten zur Subordination gezwungen werden, ich selber sah zwei Offiziere mit dem Degen auf die Säumenden einhauen. Nun wurde die Kasernenstraße an allen Punkten mit Bürgerwehr gesperrt. Ein Piquet Jäger trat vor die Hauptwache, die Kavallerie aus der Neustädter-Kaserne stellte sich vor dem Thor der Kasernenstraße auf, die Artillerie ritt an die Geschütze, und dem Allem sah hinter den Spalieren der Bürgerwehr hervor die dumpfe, wogende Volksmasse zu. Dabei blieb's; das Volk verlief gegen 10 Uhr, die aufgestellten Militärs zogen sich zurück, die Passage wurde wieder freigegeben, und die weiteren Vorsichtsmaßregeln bestanden in dem Zirkuliren starker Bürgerwehr-Patrouillen. Düsseldorf, 15. Aug. Mitbürger! In der gestrigen Nacht haben höchst bedauerliche Vorfälle stattgefunden, worüber die im Gange befindliche Untersuchung die nöthige Aufklärung geben wird. Wir fordern unsere Mitbürger auf, dem Resultat dieser Untersuchung mit Vertrauen entgegenzusehen, und durch ihr ruhiges Verhalten, von ihrer Seite, jeder möglichen Veranlassung zu ähnlichen Auftritten aus dem Wege zu gehen. Von Seiten der Militär-Behörden sind die erforderlichen Anordnungen getroffen, um jedweden Konflikt zu vermeiden. Die Bürgerwehr wird in genügender Zahl in ihren Wachtlokalen versammelt sein, und vertrauen wir, daß ihr in allen Vorkommnissen willig Folge geleistet wird. Das Oberbürgermeisteramt. 31 Düsseldorf. Die Untersuchung wider den Bürger Julius Wulff hat, Dank dem Forschergeiste und Patriotismus des Herrn Oberprokurators Dr. Schnaase, neue Nahrung bekommen. Was ich in Nr. 58 d. Z. nur als eine kühne Vision hingestellt, nämlich daß die kön. preuß. Staatsbehörde dem etc. Wulff am Ende gar aus der Vorlesung und Verbreitung des republikanischen Katechismus ein Verbrechen (Art. 102 der Strafgesetzbuches) machen könnte, ist in die nackte Wirklichkeit getreten. Dieses Verbrechen ist sogar das einzige, welches unter den vielen Verbrechen, deren man ihn beschuldigt, mit einigem Scheine juristisch begründet werden kann. In meiner letzten Mittheilung habe ich gesagt: „Wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102.“ Jetzt heißt es aber: Wenn es mit dem Art. 102 nicht geht, so geht es jedenfalls mit den Art. 222 und ff. in Verbindung mit der preußischen Kabinetsordre vom 5. Juli 1819. Das ist die neue Nahrung, von der ich oben gesprochen. Eine Kabinetsordre aus dem Jahre der Karlsbader Beschlüsse! Sage, was willst Du mehr? Der Art. 222 Code pénal bedroht die Verruchten, welche es wagen, die Ehre und Delikatesse der Beamten à l'occasion der Ausübung ihrer Amtsverrichtungen (ein weiter Begriff) par parole zu verletzen, mit Gefängnißstrafe von einem Monate bis zu zwei Jahren. Aber par parole! Welch ungenügender Schutz für die Ehre und Delikatesse der Beamten! Die genannte preuß. Kabinetsordre hat den Fehler der ruchlosen Franzosen gut gemacht, hat die Bestimmungen der Art. 222 und ff. auch auf Beleidigungen par écrit ausgedehnt. Und wer hat diese wichtige Kabinetsordre aus Staub und Schutt hervorgeholt? Ich habe es bereits gesagt, der Hr. Ober-Prokurator Dr. Schnaase zu Düsseldorf. Ein schallendes unendliches Hoch dem Oberprokurator Schnaase! Hr. Wulff ist Mitverfasser einer vom Volksklub unterm 17. Mai an die Berliner Vereinbarerversammlung beschlossenen Adresse, worin die Maßregeln des selig entschlafenen Ministeriums Camphausen schamlos reaktionär genannt worden sind. Es ist klar, Wulff hat die Ehre und Delikatesse des Ministeriums Camphausen angegriffen!! (Wir gestehen, es war ein „kühner Griff“ des Hrn. Schnaase, diese bestaubte Kabinetsordre aus dem Labyrinth der Gesetzsammlung ans Tageslicht hervorzuziehen. Was gilt der Code neben einer k. Kabinetsordre vom Jahre 1819! Leider aber dürfte Hr. Schnaase sich in seinen Hoffnungen täuschen. Die Jurisprudenz des Kassationshofes in Berlin hat die Kabinetsordre vom 5. Juli 1819 keineswegs in der Ausdehnung anerkannt, die Hr. Schnaase ihr gibt. Mehrere seiner Urtheile liegen vor, nach denen Beleidigungen par écrit keineswegs unter die Bestimmungen des Art. 222 „in Verbindung“ mit besagter Kabinetsordre fallen. Trier, 14. Aug. Seit dem 6. August, an welchem Tage ein großer Theil unserer Bürgerschaft ein Volksfest zu Ehren des Reichsverwesers feierte, scheint unser Militär in einer gereizten Stimmung sich zu befinden. Während drei Abenden bereits finden jedesmal gegen 7 Uhr Zusammenrottungen von Soldaten des 26. Regiments und von Ulanen statt. In dem Gartenlokale der Götschel'schen Bierbrauerei sollen am Freitag Abende von beiden Parteien Lieder gesungen worden sein, welche die Erbitterung zum Ausbruch kommen ließen. Samstag Abends schloß Hr. Götschel seine Wirthschaft, nichtsdestoweniger erschienen eine Menge Gäste, welchen indessen von der Polizei der Eintritt verwehrt wurde. Am selben Abende wurde im demokratischen Verein der Beschluß gefaßt, den Stadtrath durch eine Deputation zu bitten, es veranlassen zu wollen, daß das Kommando des 26. Regiments den Soldaten den Besuch von Wirthshäusern untersage, in welchen es bisher zu Reibereien gekommen, und vor Allem denselben das Tragen der Seitengewehre verbiete. Gestern wurde durch eine Deputation des demokratischen Vereins dieser Wunsch einem Mitgliede des Magistrats vorgebracht, und gestern bewiesen sowohl Infanteristen des 26. Regiments als auch Ulanen, wie gerecht derselbe ist. In der Vorstadt Matheis wurde Nachmittags von dem Militär ein Gartenlokal verwüstet, in der Götschel'schen Wirthschaft entwickelte sich gegen Abend ein bedeutender Krawall. Zwar zum Theil veranlaßt durch den Muthwillen eines jungen Menschen, welcher einem der in Masse vor dem Hause stehenden Soldaten die Mütze vom Kopfe riß und damit in den Götschel'schen Garten lief, stürmten die Soldaten mit gezogenem Säbel demselben nach in den Garten und mißhandelten und verwundeten, wer ihnen in den Weg kam und nicht schnell genug die Flucht ergreifen konnte. Mittlerweile erschienen mehrere Personen von Rang, um mittelst Patrouillen die Ruhe herzustellen, aber heute lieferten die Soldaten den Beweis, daß es gefährlich ist, bei ihnen als Vereinbarer aufzutreten. Eine Patrouille des 30. Regiments machte endlich von ihren Waffen Gebrauch und da dieselbe mit vieler Energie auf die uniformirten Wütheriche einstürmte, so ergriffen dieselben die Flucht, jedoch nicht ohne mehrere Verhaftete zurückzulassen. Etwas später begann auf dem Marktplatze das Schauspiel von Neuem. Mit blankem Säbel stürzte eine zahlreiche Rotte von Soldaten des 26. und des Ulanen-Regiments auf Jeden, der ihnen in den Wurf kam, verwundete mehrere Personen, zertrümmerte Angesichts der Hauptwache, nur etwa 50 Schritte davon entfernt, die Läden von zwei Verkaufslokalen, und warf bei dem einen die Fenster des ersten Stocks ein, wohin ein Bürger sich geflüchtet haben sollte, den sie heraushaben wollte. Der Posten der Hauptwache machte zuletzt eine Attaque mit gefälltem Bajonette auf die brutale Schaar, worauf diese durch die Simeonsstraße ihren Rückzug nahm. (Tr. Z.) * Wiesbaden, 16. Aug. Auf den bekannten Beschluß der Frankfurter National-Versammlung über Vermehrung der stehenden Heere, hat der Reichskriegsminister unser Ministerium zuerst mit einer Verfügung beglückt, wonach binnen 4 Wochen der nassauische Militärstand bis auf 2 pCt. der Bevölkerung vermehrt werden soll. Man weiß nicht, welche Zwecke dieser plötzlichen und dringlich gemachten Maßregel zu Grunde liegen, eben so wenig, wie dieselbe bei den erschöpften Staatskassen ins Werk zu setzen sei. X Berlin, 15. August. Von einer Urlaubsreise nach dem Norden zurückgekehrte Abgeordnete bringen die Nachricht mit, daß auf den dänischen Inseln Laland, Femern (?) und Falster 10,000 Mann russischer Truppen gelandet. Eine halbe Meile nördlich von Arcona sind neue russische Schiffe zu sehen, von denen sechs Linienschiffe. Sie werden durch englische Transportschiffe vom Greifswalder Boden aus mit Lebensmitteln versorgt. * Berlin, 14. August. Gestern hat in Charlottenburg im café hypodròme eine Versammlung der Berliner und Charlottenburger Landwehr stattgefunden, wo man eine Petition an den König berieth, dem Prinzen von Preußen den Oberbefehl über das ganze Heer zu geben. Im Heer sollen bereits viele tausend Unterschriften gesammelt sein, womit man den König bei seiner Rückkehr zu überraschen gedenkt. ‒ Unter den Linden machte das Volk einige Demonstrationen gegen preußische Fahnen, und auf dem Kreuzberg sollen, wie [Forsetzung?] Das Domfest von 1848. Große Tage liegen hinter uns. Tage, groß wie die Welt, groß wie der Dom. Erhabne Erinnerungen lassen sie zurück und manchen unangenehmen Schnupfen. In der That, die Kölner können sagen, daß sie für ihren König zwar nicht in's Feuer gegangen sind, wohl aber in's Wasser. Gab es je ein herrlicheres Regenschauer als das vom Dienstag Morgen, zwischen eilf und zwölf? In die konstitutionellen Könige der Erde vertieft, hatte das Volk die absoluten Monarchen des Himmels vergessen, den Wolkenversammler Zeus, der ärgerlich darüber, plötzlich seine Schleusen öffnete und die gottvergessene Menge in so nachdrücklicher Weise von aller Unsauberkeit reinigte, daß wirklich an den meisten Menschen kein einziger sündhafter Zoll mehr zu waschen übrig blieb. Man muß gestehen, das Schicksal hat den Göttern nicht nur den Nektar gegeben, sondern auch das Regenwasser und das letztere in so großer Menge, daß es ihnen eben nicht darauf ankommt, sich gerade dann ihres Ueberflusses zu entledigen, wenn die armen trocknen Menschenkinder des Befeuchtens am allerwenigsten bedürfen. Nichts ist übrigens heiterer als so ein urkräftiger Guß über eine ehrfurchtsvoll harrende Menge. Es ist damit gerade so wie mit einem Pastor, der mitten im besten Redezuge auf offener Kanzel niesen muß. Alle Illusion ist verloren. Die frommen Pfarrkinder des Pastors werden daran erinnert, daß Alles irdisch ist und die armen Begossenen des Regengusses gehen mit dem kühlen Bewußtsein ihrer nassen Füße nach Hause und denken mehr an ein Paar warme Pantoffeln als an Ibrahim Pascha oder an die Königin Pomare. Für mein Leben gern sehe ich aus einem trocknen Hinterhalte dem erfrischenden Schauspiele einer allgemeinen Taufe zu. Zuerst ein leiser Wind, der den Staub mit lustigen Kräuseln vom Boden erhebt ‒ die Locken einer schönen Dame gaukeln anmuthig an den blühenden Wangen vorüber. Dann ein fühlbarerer Stoß, der die Fensterläden und die Dachpfannen klappern läßt ‒ das Gewand unserer Dame schmiegt sich inniger um die harmonischen Formen des schlanken Wuchses. Hierauf die ersten schweren Tropfen, flüssige Perlen niederrollend auf die lechzende Erde ‒ unsre Dame schaut ängstlich empor und das hübsche Profil des schneeweißen Antlitzes sticht entzückend gegen den schwarzblauen Himmel ab. Jetzt Sturm und Regen zu gleicher Zeit, wirbelnder Staub und klappende Fenster ‒ unsere Dame zieht den Shawl über die seligen Schultern und sieht sich so ängstlich nach einem Regenschirm um, wie ein Gänschen nach dem Fittich der Mutter Gans. Immer heftiger stürmt es und tropft es, und immer unruhiger wird unsere jugendliche Schöne; kein Schirm, kein Mantel, kein Dach und kein Fach: losplatzt da die ungalanteste der Wolken und Himmel und Erde schwelgen im Kuß der nassen Umarmung ‒ unsere Dame reißt aus wie besessen. Aber ach, mit ihr flüchten auch alte Matronen und weinende Kinder, lange Gymnasiasten und duftende Hofräthe, Flegel vom Lande und gebildete Städter, Soldaten und Handwerker und Gemüsefrauen und Taschendiebe, bis unsere Dame zuletzt im Gedränge verschwindet und sich der ganze Haufen unter jauchzendem Verwünschen dem nächsten Zufluchtsort entgegendrängt, Hüte und Schuhe und Stöcke und erlöschende Cigarren im Strudel zurücklassend, immer vorwärtsdringend und immer toller verfolgt von dem heillosen Wetter und o, es giebt nichts köstlicheres als so eine allgemeine Retirade! Leider sollte ich dem berühmten Festregen der Dombautage nicht so heiter zusehen. Tollkühn genug hatte ich mich gerade vor das Portal des Domes gepflanzt, fest entschlossen meinen Posten zu behaupten, denn ich sollte ja auf drei Schritt unsern Reichsverweser sehen und unsern König ‒ ich muß gestehen, ich befand mich in einer eigenthümlich schwarz-weiß und schwarz-roth-golden gemischten Stimmung. Der Regen floß hinab: ich stand wie eine Mauer. Ich habe da zum ersten Mal für einen König gelitten; ich bin stolz darauf. Ich wartete eine halbe Stunde, im Regen nämlich. Ein Verliebter kann nur so thöricht sein, oder Jemand der einen König sehen will. Weder der König noch der Reichsverweser wollte indeß aus dem Dom hinaus in's Freie treten. So gequält von banger Erwartung und gepeitscht vom Regen legte ich mich auf den süßen Zeitvertreib des Gedankenspiels. Ist unser König nicht wirklich ein guter König ‒ sagte ich zu mir selbst. Ja wahrhaftig, er ist es! Wenn je ein Fürst rücksichtsvoll und artig mit einer Stadt verfuhr, so war es Friedrich Wilhelm. War ich nicht selbst dabei, als ihm die guten Kölner in ihrer Naivetät einst zur Karnevalszeit eine bunte Schellenkappe überreichten? Wir standen in der Komödienstraße, vor dem Eiserschen Saale, dem Lokale der jüngern Faschings-Gesellschaft. Da kam der königliche Wagen und eine Deputation, wenn ich mich nicht sehr irre mit dem Dr. B., dem jetzigen Abgeordneten zur Berliner Versammlung an ihrer Spitze, trat an den Wagenschlag und überreichte die herrlichste Mütze, die Schellenkappe, ‒ Gott weiß, wie man zu dieser Kühnheit kam! Ein Nero oder ein Tiberius würde uns gleich haben köpfen lassen ‒ Friedrich Wilhelm nahm die Narrenkappe aber lächelnd entgegen und seit der Zeit bin ich fest davon überzeugt, daß er ein geistreicher Mann und kein Nero ist. Es lebe die Naivetät der Kölner! Die kölnischen Funken setzen ihre Schellenkappen eigentlich nie ab. Das ganze Jahr hindurch klingelt es ihnen in den Ohren wie Römergeklirr und „O Jerum! O Jerum!“ Man ist verrathen und verkauft wenn man mit diesen Leuten in ernster Weise anbinden will. Der Spaß ist der Grundzug ihres Charakters und dieser Spaß kitzelt sie auch bei jeder Gelegenheit. Die ganze Welt existirt nur für sie, damit Späße darüber gerissen werden. Ein Kölner ist mit seinem alten holprigen Köln so liebend verwachsen, wie ein Großvater mit seinem Schlafrock. Ein humoristischer Großvater und ein humoristischer Schlafrock. Ein Kölner ist ganz unglücklich wenn er nicht außer seinem Karneval jedes Jahr wenigstens zwei oder drei recht gründliche Feste in seinen Mauern feiert. Ein Musikfest, der Empfang eines hohen Geistlichen oder eines Künstlers, eine Erinnerungsfeier vergangener Herrlichkeit, ein politisches Fest, die Ankunft des neuen Weißen, ein Bockessen u. s. w., man

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 79. Köln, 18. August 1848, S. 0397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz079_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.