Neue Rheinische Zeitung. Nr. 91. Köln, 1. September 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 91. Köln, Freitag den 1. September. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Polendebatte in Frankfurt). Frankfurt (Nationalversammlung). Berlin. (Waffenstillstand. -- Unruhige Auftritte. Volkskonzert. Constabler. -- Vereinbarungssitzung. -- Komplott Anti-Hansemann. Die Attroupements. -- Garde eingezogen. Aus Polen) Wien. (Die demokratische Presse über das Ministerium. Die jüngsten Vorfälle). Aus dem Kreise Wittgenstein. (Das Mittelalter im 19. Jahr hundert). Schleswig (Der Waffenstillstand). Prag. (Noch immer drohende Kanonen. "Schlechter Geist" im Militär), Schweiz. Bern. (Die ital. Flüchtlinge). Italien. (Vermittlung und Intervention. Radetzki und Cavaignac. -- Stand der Dinge). Verona. (Aus Pizzigheltone. -- Die Freischaaren). Neapel. (Ferdinands Politik gegen Calabrien). Franz. Republik. Paris. (Caussidiere, Blanc und Ledru-Rollin. -- Drohungen des Berges. Die Provinzen. -- Vermischtes. -- National-Versammlung). Großbritannien. London. (Finanzverlegenheit. -- Parlament. -- M'Douall verurtheilt). Dublin. (John Martin. -- O'Gorman). Donau-Fürstenthümer. Bucharest. (Abgesandte aus Jassy). Deutschland. ** Köln, 31. August. Die Polendebatte in Frankfurt. (Fortsetzung.) Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. !!! Frankfurt, 29. August. Sitzung der National-Versammlung. Präsident Gagern. Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über Art. III der Grundrechte. Bischof Diepenbrock und 2 andre Mitglieder treten aus der Versammlung. Soiron zeigt an, daß der 50ger Ausschuß der Stadt Frankfurt noch alte Schulden abzutragen hat. Dieselbe hat 2000 Fl. und später noch für einzelne Rechnungen 2033 Fl. vorgeschossen. -- Die Letzteren sind zurückgezahlt; Soiron beantragt die Rückzahlung der noch restirenden 2000 Fl. durch die Nationalversammlung nebst Dank an den uneigenützigen Senat der Stadt Frankfurt für dies Darlehn. Eisenman interpellirt den Minister des äußern wegen Ungarn. Es ist mir (plötzlich) jetzt klar geworden, daß eine furchtbare Reaktion in Croatien im Werke ist. (Gelächter Rechts. Bravo Links und Galerien. Aufregung.) Ja meine Herren früher habe ich gesagt: "ich sehe keine Reaktion", (Gelächter) aber jetzt sehe ich sie sehr. (Bravo). Soll ich Ihnen einige Data erzählen. (Sehr allgemein: Ja!) Erstens droht ihnen ein Schlag aus Croatien. Aus sehr guter Quelle, aus derselben wie das Ministerium, weiß ich daß 24000 Böhmen, Slaven etc. nach Italien beordert sind, um 24000 Croaten die zu Jellachich zurückkehren, zu emplaciren. Aber nicht ein einziger Ungar darf aus Italien fort. (Links: sehr wahr!) Meine Herren. Die Niederlage Ungarns ist die Deutschlands. (Bravo). Mit Ungarn fangt man an, mit Deutschland hort man auf. 2) Ueberall sind Gesandte hingeschickt, warum nicht nach Ungarn? (Rechts: ungezogene Unterbrechungen, Lyhnowsky trommelt). Früher war Deutschland gegen Ungarn für Oestreichs Regierung. Jetzt ist es umgedreht. Ich interpellire den Minister wegen der Nichtbestellung eines Gesandten für Ungarn. (Bravo!) Diese Interpellation wird Ihnen, wie überhaupt Interpellationen, lange spätere Diskussionen ersparen. Ich würde, wenn mir nicht darauf geantwortet wird einen Antrag stellen, der doch diskutirt werden mußte. (Diese Drohung erschreckt die ganze Versammlung). Präs: ob diese Interpellation unterstützt ist? Die ganze Linke und sehr viele aus dem Centrum erheben sich. Der Minister des äußern ist nicht da. Gagern wird ihm die Interpellation mittheilen. Tagesordnung. § 14 und seine Zahlosen Amendement werden verlesen. § 14 lautet: Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Hierzu mehrere Minoritätserachten. Ahrens aus Hannover eröffnete die Debatte: Man hat bei Unabhängigkeit der Kirche auf zwei Systeme das nordamerikanische und belgische aufmerksam gemacht. Gegen die Annahme des Letzteren erkläre ich mich aus allen Kräften. -- Ich habe mich persönlich überzeugt, daß es in Praxis und Theorie verkehrt ist. -- Die Unabhängigkeit der Kirchengemeinden ist die Hauptsache. Die Verwallung der Vermögensverhältnisse und Ernennung der Geistlichen, nehme ich aus von den innern Angelegenheiten der Kirche. Professor Lassaulx, der baierische Jesuitenfreund (aus Koblenz), Schwiegersohn des alten Görres (aus Koblenz) liest aus einem dicken Hefte einen schwulstigen Katheder-Vortrag. Pfeiffer (Pastor aus Preußen). Der Paragraph 14 bietet, was nie hätte fehlen dürfen. Mit den Sätzen des Ausschusses im Allgemeinen einverstanden, halte ich doch § 14 nicht für umfassend genug. Die unbedingte Unabhängigkeitsforderung der Kirche vom Staat scheint mir gefährlich im Interesse der Freiheit. (Bravo links). Ich gebe es zu, daß in Deutschland bisher eigentlich nur eine Kirche besteht, nämlich die katholische. Diese muß heraustreten aus ihrer Starrheit, sie muß ihre Mitglieder freigeben, denn: "wenn der Geist soll auferstehen, muß die Form in Stücken gehen. (Bravo). Ghrorer, Professor aus Würtenberg halt einen langen, deklamatorischen Vortrag über die Nothwendigkeit der Unabhängigkeit der Kirche. Kommt dabei auf Reformation, Stuarts, Bourbonen und alles Mögliche zu sprechen -- greift Vogt an, der sich die Zukunft für seine Ansichten vindicirt. Er mit der Majorität der Versammlung glaubt an eine andere Zukunft. (Was das ganze bisherige Benehmen dieser merkwürdigen Versammlung erklärt). Es sei so weit gekommen, daß man Alle, die sich Christen nennen, für Heuchler ansieht. Gagern (feierlich in die Brust greifend). Es giebt noch Christen die man nicht für Heuchler hält. (Bravo der Centren). Wigard aus Dresden. In der protestantischen Kirche ist theilweis und in der deutsch-katholischen ganz die Freiheit des Individuums erreicht. Aber die römisch-katholische wird mit der Unabhängigkeit der Kirche die Unfreiheit ihrer Mitglieder aussprechen. Das Kirchenpatronat in seinem ganzen Umfang muß vernichtet werden. Nicht nur das des Staats auch das der katholischen Bischöfe. Die Gemeinden müssen wieder ihre Geistlichen wählen. Dem bairischen Denker Lassaulx (der gegen den Scepticismus eifert) gebe ich zu überlegen, daß der Scepticismus aller Weisheit Anfang ist. (Lautes Bravo.) Der Punkt auf den ich zuruckkomme, ist die Freiheit, nicht der Geistlichen sondern des Volks in religiöser Beziehung. Keine Priesterherrschaft mehr. (Lautes Bravo.) Friederich, Domprobst aus Bamberg redet über Duldung im Allgenen. Gis'kra aus Oesterreich. (Links: Schluß! Rechts: Reden!) Tritt gegen alle Mißbräuche der Kirche entschieden auf. Mit der Unabhängigkeit der Kirche ist es etwas Anderes wie mit dem freien Associationsrecht. Die Kirche gehört zum Staat. -- das Vermögen derselber zum Staat -- die Glieder derselben sind Bürger des Staats -- Der Redner klagt über den Druck der religiösen Bekenntnisse in seiner Heimath. Von Katholiken aus Oesterreich ist ihm keine Petition wegen Trennung der Kirche bekannt. -- Die Schule und ihre Lehrer stehen ganz unter dem Einfluß der Geistlichkeit -- Wenn die Oesterreicher in ihren untern Volksschichten ebenso vorgebildet sein werden, wie es die höheren Stände daselbst sind, dann wird es bei uns bald anders werden, der Kirchenzwang wird abgeschafft, alle Klöster aufgehoben, man wird sich lossagen von Rom (Spektakel der Frommen, Oho!, furchtbares Bravo und Ruhegeschrei im Allgemeinen.) Wenigstens, wenn wir die Kirche unabhängig erklären, mussen wir den geistlichen Gütererwerb beschränken, die Kloster nur als Associationen nicht als Corporationen dulden, endlich und vor allem die Schule von der Kirche befreien (fast allgemeinen Beifall.) -- Blömer aus Aachen. Die katholische Kirche läßt im Stillen freies Denken zu. Sie ist nicht bloß eine Clerisei (Die Versammlung wird während der langen Rede sehr unruhig.) Rösler aus Oels. Was versteht man eigentlich von Seite der Ultramontanen unter Unabhängigkeit der Kirche? Döllinger und Radowitz haben Belgien als ein Ideal solcher Unabhängigkeit angeführt. Ich erinnere an die Verfolgungen der Protestanten und Freimaurer in Belgien. Wenn man die Unabhängigkeit der Kirche als ein großes Geschenk uns anpreisen will so denke ich dabei timeo danaos et dona ferentes. Er liest etwas aus dem baierschen Concordat vor. (Rechts Unterbrechungen.) -- Meine Herren, sie können doch nicht verlangen, daß ich das ganze baiersche Concordat auswendig können soll (Gelächter. Rechts: Schluß! Links: Ruhe! (Ich bin für ganze Grundsätze: z. B. wollte ich eine ganze untheilbare Republik. (Rechts: Oho!) Da das aber noch nicht sein kann so will ich lieber noch gar keine. Ebenso mit der Unabhängigkeit der Kirche. Wenn ich nicht eine solche ganz besonders für die Gemeinden haben kann, möchte ich lieber gar keine. Hr. Radowitz hat gesagt, die Jesuiten würden nicht mehr nach Deutschland kommen, ich weiß nicht ob ich diese Nachricht als officiell betrachten darf. (Großes Gelächter und Bravo.) Zum Schluß erinnert Rösler an die Fabel von den Schaafen die die Hunde nicht mehr haben wollten. Man will die Hunde (den Staat) los sein, aber wir kennen die Wolfe (im Schafspels) die dies verlangen, wir wissen was sie damit wollen. (Stürmischer Beifall.) Nach Rösler wird die Debatte vertagt weil man noch zur Wahl eines Finanzausschusses in den verschiedenen Bureaus schreiten muß. Schluß der Sitzung um 2 Uhr. Morgen keine Sitzung. Donnerstag 1) Wahl der neuen Präsidenten 2) Berathung über den Bericht des Ausschusses wegen Vervollständigung der Ausschüsse. Frankfurt. Das "Constitutionelle Blatt aus Böhmen" läßt die Klage erschallen, daß die "Kosten der deutschen Centralgewalt" in Frankfurt bereits eine solche Ausdehnung gewönnen, daß selbst das konstitutionelle Blatt vor Mißbrauch warnen müsse. "Von dem Augenblick, wo die Majorität beliebig über die Börse der Steuerpflichtigen verfügen und nach Herzenslust ihre Koryphäen als Minister, Gesandte und Unterstaatssekretaire mit hohen Besoldungen unterzubringen sich befugt hält, verliert das ganze System seinen Werth," -- was ein großes Unglück ist 61 Wien, 26. August. Ich bin vielleicht der erste in Wien gewesen, der das gegenwärtige Ministerium als einen verrätherischen Feind der Demokratie, verrätherischer als das frühere schwache Ministerium, denunzirt hat. Die frühern Minister waren Schlingpflanzen um morsche Trümmer, die gegenwärtigen sind Verräther am Volk, dem sie Ergebung heucheln. Vor 14 Tagen noch schwärmte die hiesige demokratische Presse in platonischer Liebesdusselei für das demokratische Ministerium, doch jetzt ist auch diese gemüthliche Bornirtheit zur Einsicht gekommen. Gestern noch sprach die "Konstitution" von dem "ehrlichen Dobblhof", heute redet sie schon besser, sie spricht nur mehr von einem "angeblich volksthümlichen Ministerium", und ruft aus: "der Minister hat den Brudermord vertheitigt, die Vertreter des souveränen Volks haben ihn durch ihre stürmische Zustimmung geheiligt. Wir sind wieder vor dem 13. März. Es ist gleichgültig, ob der Tyrann Reichstag oder Metternich, sein Helfershelfer verantwortliches Ministerium oder Seldnitzky heißt." Bei den wahrhaft demokratischen Gefühlen des östreichischen Volks ist indeß gewiß nichts mehr zu bedauern, als daß der theils blöde, theils kalkulirende Geist der Tagespresse, erst hinterdrein zur richtigen Einsicht kommt. Die Oesterr. Zeitung hat gestern erklärt, daß sie trotz der bestimmten Versicherung, des Ministers Schwarzer allen Einfluß auf die Redaktion zu vermeiden, gleichwohl sich von demselben hat müssen terrorisiren lassen, jetzt sich aber von diesem Terrorismus befreit habe. Der Radikale enthält heute seit seinem Bestehen den ersten durchdachten demokratischen Aufsatz von Dr. Stifft jr. Der Freimüthige (unter der Redaktion des Juden Mahler) soll sich, wie allgemein versichert wird, dem Ministerium verkauft haben. Seine heutigen Aufsätze sind auch ganz danach, dies glauben zu machen. Das Aufhören des Sicherheitsausschusses ist ein gewaltiger Schlag wider Wiens Freiheit, die Tage des 21. und 23. August haben es vor dem Thor dieser Freiheit hinabgestürzt und der Reichstag hat durch den Beifall, den er gestern und heute dem Ministerium gespendet, gezeigt, daß er blos eine demokratische Naivetät begangen hat, als er die Rückkehr des Kaisers "gefordert" In einem Maueranschlag erklärt der Sicherheitsausschuß "dem Volk von Wien, daß die Ereignisse der verflossenen Tage ihn veranlaßt hätten, sich freiwillig mit der feierlichen Versicherung aufzulösen, daß er an den Ursachen und Wirkungen der Arbeiterunruhen keinen Antheil habe, weil 1) angeblich aus Mißverständniß die Herabsetzung der Arbeiterpreise ihm nicht bekannt gegeben worden; 2) der Gemeinde-Ausschuß mit dem Oberkommando der National-Garde unerwartet allein alle Anordnungen getroffen und dadurch alle Verpflichtungen übernommen, welche dem vereinten Ausschusse "unabhängig von jeder andern Behörde" durch Ministerialerlaß vom 27. Mai übertragen worden seien u. s. w." Als pendant dazu erklärt nebenan das Ministerium Dobblhoff," dem löblichen Ausschusse auf dessen Ansuchen, daß die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände die Konzentrirung der öffentlichen Gewalt in die Hände des Ministeriums nöthig mache. Da somit die Aufrechthaltung der Ruhe und Sicherheit unmittelbar dem Ministerium obliege, so sei die von dem Ausschusse mit so vieler Hingebung, so vielem Muthe und so ausgezeichnetem Erfolge geübte Wirksamkeit zu Ende, das Ministerium halte es aber für seine heiligste Pflicht, den geehrten Mitgliedern des Ausschusses, welcher für Stadt und Staat in den drohendsten Momenten so erfolgreich gewirkt, seinen wärmsten Dank, seine vollste Achtung Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 91. Köln, Freitag den 1. September. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Polendebatte in Frankfurt). Frankfurt (Nationalversammlung). Berlin. (Waffenstillstand. — Unruhige Auftritte. Volkskonzert. Constabler. — Vereinbarungssitzung. — Komplott Anti-Hansemann. Die Attroupements. — Garde eingezogen. Aus Polen) Wien. (Die demokratische Presse über das Ministerium. Die jüngsten Vorfälle). Aus dem Kreise Wittgenstein. (Das Mittelalter im 19. Jahr hundert). Schleswig (Der Waffenstillstand). Prag. (Noch immer drohende Kanonen. „Schlechter Geist“ im Militär), Schweiz. Bern. (Die ital. Flüchtlinge). Italien. (Vermittlung und Intervention. Radetzki und Cavaignac. — Stand der Dinge). Verona. (Aus Pizzigheltone. — Die Freischaaren). Neapel. (Ferdinands Politik gegen Calabrien). Franz. Republik. Paris. (Caussidiere, Blanc und Ledru-Rollin. — Drohungen des Berges. Die Provinzen. — Vermischtes. — National-Versammlung). Großbritannien. London. (Finanzverlegenheit. — Parlament. — M'Douall verurtheilt). Dublin. (John Martin. — O'Gorman). Donau-Fürstenthümer. Bucharest. (Abgesandte aus Jassy). Deutschland. ** Köln, 31. August. Die Polendebatte in Frankfurt. (Fortsetzung.) Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. !!! Frankfurt, 29. August. Sitzung der National-Versammlung. Präsident Gagern. Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über Art. III der Grundrechte. Bischof Diepenbrock und 2 andre Mitglieder treten aus der Versammlung. Soiron zeigt an, daß der 50ger Ausschuß der Stadt Frankfurt noch alte Schulden abzutragen hat. Dieselbe hat 2000 Fl. und später noch für einzelne Rechnungen 2033 Fl. vorgeschossen. — Die Letzteren sind zurückgezahlt; Soiron beantragt die Rückzahlung der noch restirenden 2000 Fl. durch die Nationalversammlung nebst Dank an den uneigenützigen Senat der Stadt Frankfurt für dies Darlehn. Eisenman interpellirt den Minister des äußern wegen Ungarn. Es ist mir (plötzlich) jetzt klar geworden, daß eine furchtbare Reaktion in Croatien im Werke ist. (Gelächter Rechts. Bravo Links und Galerien. Aufregung.) Ja meine Herren früher habe ich gesagt: „ich sehe keine Reaktion“, (Gelächter) aber jetzt sehe ich sie sehr. (Bravo). Soll ich Ihnen einige Data erzählen. (Sehr allgemein: Ja!) Erstens droht ihnen ein Schlag aus Croatien. Aus sehr guter Quelle, aus derselben wie das Ministerium, weiß ich daß 24000 Böhmen, Slaven etc. nach Italien beordert sind, um 24000 Croaten die zu Jellachich zurückkehren, zu emplaciren. Aber nicht ein einziger Ungar darf aus Italien fort. (Links: sehr wahr!) Meine Herren. Die Niederlage Ungarns ist die Deutschlands. (Bravo). Mit Ungarn fangt man an, mit Deutschland hort man auf. 2) Ueberall sind Gesandte hingeschickt, warum nicht nach Ungarn? (Rechts: ungezogene Unterbrechungen, Lyhnowsky trommelt). Früher war Deutschland gegen Ungarn für Oestreichs Regierung. Jetzt ist es umgedreht. Ich interpellire den Minister wegen der Nichtbestellung eines Gesandten für Ungarn. (Bravo!) Diese Interpellation wird Ihnen, wie überhaupt Interpellationen, lange spätere Diskussionen ersparen. Ich würde, wenn mir nicht darauf geantwortet wird einen Antrag stellen, der doch diskutirt werden mußte. (Diese Drohung erschreckt die ganze Versammlung). Präs: ob diese Interpellation unterstützt ist? Die ganze Linke und sehr viele aus dem Centrum erheben sich. Der Minister des äußern ist nicht da. Gagern wird ihm die Interpellation mittheilen. Tagesordnung. § 14 und seine Zahlosen Amendement werden verlesen. § 14 lautet: Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Hierzu mehrere Minoritätserachten. Ahrens aus Hannover eröffnete die Debatte: Man hat bei Unabhängigkeit der Kirche auf zwei Systeme das nordamerikanische und belgische aufmerksam gemacht. Gegen die Annahme des Letzteren erkläre ich mich aus allen Kräften. — Ich habe mich persönlich überzeugt, daß es in Praxis und Theorie verkehrt ist. — Die Unabhängigkeit der Kirchengemeinden ist die Hauptsache. Die Verwallung der Vermögensverhältnisse und Ernennung der Geistlichen, nehme ich aus von den innern Angelegenheiten der Kirche. Professor Lassaulx, der baierische Jesuitenfreund (aus Koblenz), Schwiegersohn des alten Görres (aus Koblenz) liest aus einem dicken Hefte einen schwulstigen Katheder-Vortrag. Pfeiffer (Pastor aus Preußen). Der Paragraph 14 bietet, was nie hätte fehlen dürfen. Mit den Sätzen des Ausschusses im Allgemeinen einverstanden, halte ich doch § 14 nicht für umfassend genug. Die unbedingte Unabhängigkeitsforderung der Kirche vom Staat scheint mir gefährlich im Interesse der Freiheit. (Bravo links). Ich gebe es zu, daß in Deutschland bisher eigentlich nur eine Kirche besteht, nämlich die katholische. Diese muß heraustreten aus ihrer Starrheit, sie muß ihre Mitglieder freigeben, denn: „wenn der Geist soll auferstehen, muß die Form in Stücken gehen. (Bravo). Ghrorer, Professor aus Würtenberg halt einen langen, deklamatorischen Vortrag über die Nothwendigkeit der Unabhängigkeit der Kirche. Kommt dabei auf Reformation, Stuarts, Bourbonen und alles Mögliche zu sprechen — greift Vogt an, der sich die Zukunft für seine Ansichten vindicirt. Er mit der Majorität der Versammlung glaubt an eine andere Zukunft. (Was das ganze bisherige Benehmen dieser merkwürdigen Versammlung erklärt). Es sei so weit gekommen, daß man Alle, die sich Christen nennen, für Heuchler ansieht. Gagern (feierlich in die Brust greifend). Es giebt noch Christen die man nicht für Heuchler hält. (Bravo der Centren). Wigard aus Dresden. In der protestantischen Kirche ist theilweis und in der deutsch-katholischen ganz die Freiheit des Individuums erreicht. Aber die römisch-katholische wird mit der Unabhängigkeit der Kirche die Unfreiheit ihrer Mitglieder aussprechen. Das Kirchenpatronat in seinem ganzen Umfang muß vernichtet werden. Nicht nur das des Staats auch das der katholischen Bischöfe. Die Gemeinden müssen wieder ihre Geistlichen wählen. Dem bairischen Denker Lassaulx (der gegen den Scepticismus eifert) gebe ich zu überlegen, daß der Scepticismus aller Weisheit Anfang ist. (Lautes Bravo.) Der Punkt auf den ich zuruckkomme, ist die Freiheit, nicht der Geistlichen sondern des Volks in religiöser Beziehung. Keine Priesterherrschaft mehr. (Lautes Bravo.) Friederich, Domprobst aus Bamberg redet über Duldung im Allgenen. Gis'kra aus Oesterreich. (Links: Schluß! Rechts: Reden!) Tritt gegen alle Mißbräuche der Kirche entschieden auf. Mit der Unabhängigkeit der Kirche ist es etwas Anderes wie mit dem freien Associationsrecht. Die Kirche gehört zum Staat. — das Vermögen derselber zum Staat — die Glieder derselben sind Bürger des Staats — Der Redner klagt über den Druck der religiösen Bekenntnisse in seiner Heimath. Von Katholiken aus Oesterreich ist ihm keine Petition wegen Trennung der Kirche bekannt. — Die Schule und ihre Lehrer stehen ganz unter dem Einfluß der Geistlichkeit — Wenn die Oesterreicher in ihren untern Volksschichten ebenso vorgebildet sein werden, wie es die höheren Stände daselbst sind, dann wird es bei uns bald anders werden, der Kirchenzwang wird abgeschafft, alle Klöster aufgehoben, man wird sich lossagen von Rom (Spektakel der Frommen, Oho!, furchtbares Bravo und Ruhegeschrei im Allgemeinen.) Wenigstens, wenn wir die Kirche unabhängig erklären, mussen wir den geistlichen Gütererwerb beschränken, die Kloster nur als Associationen nicht als Corporationen dulden, endlich und vor allem die Schule von der Kirche befreien (fast allgemeinen Beifall.) — Blömer aus Aachen. Die katholische Kirche läßt im Stillen freies Denken zu. Sie ist nicht bloß eine Clerisei (Die Versammlung wird während der langen Rede sehr unruhig.) Rösler aus Oels. Was versteht man eigentlich von Seite der Ultramontanen unter Unabhängigkeit der Kirche? Döllinger und Radowitz haben Belgien als ein Ideal solcher Unabhängigkeit angeführt. Ich erinnere an die Verfolgungen der Protestanten und Freimaurer in Belgien. Wenn man die Unabhängigkeit der Kirche als ein großes Geschenk uns anpreisen will so denke ich dabei timeo danaos et dona ferentes. Er liest etwas aus dem baierschen Concordat vor. (Rechts Unterbrechungen.) — Meine Herren, sie können doch nicht verlangen, daß ich das ganze baiersche Concordat auswendig können soll (Gelächter. Rechts: Schluß! Links: Ruhe! (Ich bin für ganze Grundsätze: z. B. wollte ich eine ganze untheilbare Republik. (Rechts: Oho!) Da das aber noch nicht sein kann so will ich lieber noch gar keine. Ebenso mit der Unabhängigkeit der Kirche. Wenn ich nicht eine solche ganz besonders für die Gemeinden haben kann, möchte ich lieber gar keine. Hr. Radowitz hat gesagt, die Jesuiten würden nicht mehr nach Deutschland kommen, ich weiß nicht ob ich diese Nachricht als officiell betrachten darf. (Großes Gelächter und Bravo.) Zum Schluß erinnert Rösler an die Fabel von den Schaafen die die Hunde nicht mehr haben wollten. Man will die Hunde (den Staat) los sein, aber wir kennen die Wolfe (im Schafspels) die dies verlangen, wir wissen was sie damit wollen. (Stürmischer Beifall.) Nach Rösler wird die Debatte vertagt weil man noch zur Wahl eines Finanzausschusses in den verschiedenen Bureaus schreiten muß. Schluß der Sitzung um 2 Uhr. Morgen keine Sitzung. Donnerstag 1) Wahl der neuen Präsidenten 2) Berathung über den Bericht des Ausschusses wegen Vervollständigung der Ausschüsse. Frankfurt. Das „Constitutionelle Blatt aus Böhmen“ läßt die Klage erschallen, daß die „Kosten der deutschen Centralgewalt“ in Frankfurt bereits eine solche Ausdehnung gewönnen, daß selbst das konstitutionelle Blatt vor Mißbrauch warnen müsse. „Von dem Augenblick, wo die Majorität beliebig über die Börse der Steuerpflichtigen verfügen und nach Herzenslust ihre Koryphäen als Minister, Gesandte und Unterstaatssekretaire mit hohen Besoldungen unterzubringen sich befugt hält, verliert das ganze System seinen Werth,“ — was ein großes Unglück ist 61 Wien, 26. August. Ich bin vielleicht der erste in Wien gewesen, der das gegenwärtige Ministerium als einen verrätherischen Feind der Demokratie, verrätherischer als das frühere schwache Ministerium, denunzirt hat. Die frühern Minister waren Schlingpflanzen um morsche Trümmer, die gegenwärtigen sind Verräther am Volk, dem sie Ergebung heucheln. Vor 14 Tagen noch schwärmte die hiesige demokratische Presse in platonischer Liebesdusselei für das demokratische Ministerium, doch jetzt ist auch diese gemüthliche Bornirtheit zur Einsicht gekommen. Gestern noch sprach die „Konstitution“ von dem „ehrlichen Dobblhof“, heute redet sie schon besser, sie spricht nur mehr von einem „angeblich volksthümlichen Ministerium“, und ruft aus: „der Minister hat den Brudermord vertheitigt, die Vertreter des souveränen Volks haben ihn durch ihre stürmische Zustimmung geheiligt. Wir sind wieder vor dem 13. März. Es ist gleichgültig, ob der Tyrann Reichstag oder Metternich, sein Helfershelfer verantwortliches Ministerium oder Seldnitzky heißt.“ Bei den wahrhaft demokratischen Gefühlen des östreichischen Volks ist indeß gewiß nichts mehr zu bedauern, als daß der theils blöde, theils kalkulirende Geist der Tagespresse, erst hinterdrein zur richtigen Einsicht kommt. Die Oesterr. Zeitung hat gestern erklärt, daß sie trotz der bestimmten Versicherung, des Ministers Schwarzer allen Einfluß auf die Redaktion zu vermeiden, gleichwohl sich von demselben hat müssen terrorisiren lassen, jetzt sich aber von diesem Terrorismus befreit habe. Der Radikale enthält heute seit seinem Bestehen den ersten durchdachten demokratischen Aufsatz von Dr. Stifft jr. Der Freimüthige (unter der Redaktion des Juden Mahler) soll sich, wie allgemein versichert wird, dem Ministerium verkauft haben. Seine heutigen Aufsätze sind auch ganz danach, dies glauben zu machen. Das Aufhören des Sicherheitsausschusses ist ein gewaltiger Schlag wider Wiens Freiheit, die Tage des 21. und 23. August haben es vor dem Thor dieser Freiheit hinabgestürzt und der Reichstag hat durch den Beifall, den er gestern und heute dem Ministerium gespendet, gezeigt, daß er blos eine demokratische Naivetät begangen hat, als er die Rückkehr des Kaisers „gefordert“ In einem Maueranschlag erklärt der Sicherheitsausschuß „dem Volk von Wien, daß die Ereignisse der verflossenen Tage ihn veranlaßt hätten, sich freiwillig mit der feierlichen Versicherung aufzulösen, daß er an den Ursachen und Wirkungen der Arbeiterunruhen keinen Antheil habe, weil 1) angeblich aus Mißverständniß die Herabsetzung der Arbeiterpreise ihm nicht bekannt gegeben worden; 2) der Gemeinde-Ausschuß mit dem Oberkommando der National-Garde unerwartet allein alle Anordnungen getroffen und dadurch alle Verpflichtungen übernommen, welche dem vereinten Ausschusse „unabhängig von jeder andern Behörde“ durch Ministerialerlaß vom 27. 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Ich würde, wenn mir nicht darauf geantwortet wird einen Antrag stellen, der doch diskutirt werden mußte. (Diese Drohung erschreckt die ganze Versammlung).</p> <p>Präs: ob diese Interpellation unterstützt ist?</p> <p>Die ganze Linke und sehr viele aus dem Centrum erheben sich. Der Minister des äußern ist nicht da. Gagern wird ihm die Interpellation mittheilen.</p> <p><hi rendition="#g">Tagesordnung</hi>. § 14 und seine Zahlosen Amendement werden verlesen. § 14 lautet: Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Hierzu mehrere Minoritätserachten.</p> <p><hi rendition="#g">Ahrens</hi> aus Hannover eröffnete die Debatte: Man hat bei Unabhängigkeit der Kirche auf zwei Systeme das nordamerikanische und belgische aufmerksam gemacht. Gegen die Annahme des Letzteren erkläre ich mich aus allen Kräften. — Ich habe mich persönlich überzeugt, daß es in Praxis und Theorie verkehrt ist. — Die Unabhängigkeit der Kirchengemeinden ist die Hauptsache. Die Verwallung der Vermögensverhältnisse und Ernennung der Geistlichen, nehme ich aus von den innern Angelegenheiten der Kirche.</p> <p>Professor <hi rendition="#g">Lassaulx</hi>, der baierische Jesuitenfreund (aus Koblenz), Schwiegersohn des alten Görres (aus Koblenz) liest aus einem dicken Hefte einen schwulstigen Katheder-Vortrag.</p> <p><hi rendition="#g">Pfeiffer</hi> (Pastor aus Preußen). Der Paragraph 14 bietet, was nie hätte fehlen dürfen. Mit den Sätzen des Ausschusses im Allgemeinen einverstanden, halte ich doch § 14 nicht für umfassend genug. Die unbedingte Unabhängigkeitsforderung der Kirche vom Staat scheint mir gefährlich im Interesse der Freiheit. (Bravo links). Ich gebe es zu, daß in Deutschland bisher eigentlich nur eine Kirche besteht, nämlich die katholische. Diese muß heraustreten aus ihrer Starrheit, sie muß ihre Mitglieder freigeben, denn: „wenn der Geist soll auferstehen, muß die Form in Stücken gehen. (Bravo).</p> <p><hi rendition="#g">Ghrorer</hi>, Professor aus Würtenberg halt einen langen, deklamatorischen Vortrag über die Nothwendigkeit der Unabhängigkeit der Kirche. Kommt dabei auf Reformation, Stuarts, Bourbonen und alles Mögliche zu sprechen — greift Vogt an, der sich die Zukunft für seine Ansichten vindicirt. Er mit der Majorität der Versammlung glaubt an eine andere Zukunft. (Was das ganze bisherige Benehmen dieser merkwürdigen Versammlung erklärt). Es sei so weit gekommen, daß man Alle, die sich Christen nennen, für Heuchler ansieht.</p> <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> (feierlich in die Brust greifend). Es giebt noch Christen die man nicht für Heuchler hält. (Bravo der Centren).</p> <p><hi rendition="#g">Wigard</hi> aus Dresden. In der protestantischen Kirche ist theilweis und in der deutsch-katholischen ganz die Freiheit des Individuums erreicht. Aber die römisch-katholische wird mit der Unabhängigkeit der Kirche die Unfreiheit ihrer Mitglieder aussprechen. Das Kirchenpatronat in seinem ganzen Umfang muß vernichtet werden. Nicht nur das des Staats auch das der katholischen Bischöfe. Die Gemeinden müssen wieder ihre Geistlichen wählen. Dem bairischen Denker Lassaulx (der gegen den Scepticismus eifert) gebe ich zu überlegen, daß der Scepticismus aller Weisheit Anfang ist. (Lautes Bravo.) Der Punkt auf den ich zuruckkomme, ist die Freiheit, nicht der Geistlichen sondern des Volks in religiöser Beziehung. Keine Priesterherrschaft mehr. (Lautes Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Friederich</hi>, Domprobst aus Bamberg redet über Duldung im Allgenen.</p> <p><hi rendition="#g">Gis'kra</hi> aus Oesterreich. (Links: Schluß! Rechts: Reden!) Tritt gegen alle Mißbräuche der Kirche entschieden auf. Mit der Unabhängigkeit der Kirche ist es etwas Anderes wie mit dem freien Associationsrecht. Die Kirche gehört zum Staat. — das Vermögen derselber zum Staat — die Glieder derselben sind Bürger des Staats — Der Redner klagt über den Druck der religiösen Bekenntnisse in seiner Heimath. Von Katholiken aus Oesterreich ist ihm keine Petition wegen Trennung der Kirche bekannt. — Die Schule und ihre Lehrer stehen ganz unter dem Einfluß der Geistlichkeit — Wenn die Oesterreicher in ihren untern Volksschichten ebenso vorgebildet sein werden, wie es die höheren Stände daselbst sind, dann wird es bei uns bald anders werden, der Kirchenzwang wird abgeschafft, alle Klöster aufgehoben, man wird sich lossagen von Rom (Spektakel der Frommen, Oho!, furchtbares Bravo und Ruhegeschrei im Allgemeinen.) Wenigstens, wenn wir die Kirche unabhängig erklären, mussen wir den geistlichen Gütererwerb beschränken, die Kloster nur als Associationen nicht als Corporationen dulden, endlich und vor allem die Schule von der Kirche befreien (fast allgemeinen Beifall.) —</p> <p><hi rendition="#g">Blömer</hi> aus Aachen. Die katholische Kirche läßt im Stillen freies Denken zu. Sie ist nicht bloß eine Clerisei (Die Versammlung wird während der langen Rede sehr unruhig.)</p> <p><hi rendition="#g">Rösler</hi> aus Oels. Was versteht man eigentlich von Seite der Ultramontanen unter Unabhängigkeit der Kirche? Döllinger und Radowitz haben Belgien als ein Ideal solcher Unabhängigkeit angeführt. Ich erinnere an die Verfolgungen der Protestanten und Freimaurer in Belgien. Wenn man die Unabhängigkeit der Kirche als ein großes Geschenk uns anpreisen will so denke ich dabei timeo danaos et dona ferentes. Er liest etwas aus dem baierschen Concordat vor. (Rechts Unterbrechungen.) — Meine Herren, sie können doch nicht verlangen, daß ich das ganze baiersche Concordat auswendig können soll (Gelächter. Rechts: Schluß! Links: Ruhe! (Ich bin für ganze Grundsätze: z. B. wollte ich eine ganze untheilbare Republik. (Rechts: Oho!) Da das aber noch nicht sein kann so will ich lieber noch gar keine. Ebenso mit der Unabhängigkeit der Kirche. Wenn ich nicht eine solche ganz besonders für die Gemeinden haben kann, möchte ich lieber gar keine. Hr. Radowitz hat gesagt, die Jesuiten würden nicht mehr nach Deutschland kommen, ich weiß nicht ob ich diese Nachricht als officiell betrachten darf. (Großes Gelächter und Bravo.) Zum Schluß erinnert Rösler an die Fabel von den Schaafen die die Hunde nicht mehr haben wollten. Man will die Hunde (den Staat) los sein, aber wir kennen die Wolfe (im Schafspels) die dies verlangen, wir wissen was sie damit wollen. (Stürmischer Beifall.)</p> <p>Nach Rösler wird die Debatte vertagt weil man noch zur Wahl eines Finanzausschusses in den verschiedenen Bureaus schreiten muß. Schluß der Sitzung um 2 Uhr. Morgen keine Sitzung. Donnerstag 1) Wahl der neuen Präsidenten 2) Berathung über den Bericht des Ausschusses wegen Vervollständigung der Ausschüsse.</p> </div> <div xml:id="ar091_003" type="jArticle"> <head>Frankfurt.</head> <p>Das „Constitutionelle Blatt aus Böhmen“ läßt die Klage erschallen, daß die „<hi rendition="#g">Kosten der deutschen Centralgewalt</hi>“ in Frankfurt bereits eine solche Ausdehnung gewönnen, daß selbst das konstitutionelle Blatt vor Mißbrauch warnen müsse. „Von dem Augenblick, wo die Majorität beliebig über die Börse der Steuerpflichtigen verfügen und nach Herzenslust ihre Koryphäen als Minister, Gesandte und Unterstaatssekretaire mit hohen Besoldungen unterzubringen sich befugt hält, verliert das ganze System seinen Werth,“ — was ein großes Unglück ist</p> </div> <div xml:id="ar091_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 26. August.</head> <p>Ich bin vielleicht der erste in Wien gewesen, der das gegenwärtige Ministerium als einen verrätherischen Feind der Demokratie, verrätherischer als das frühere schwache Ministerium, denunzirt hat. Die frühern Minister waren Schlingpflanzen um morsche Trümmer, die gegenwärtigen sind Verräther am Volk, dem sie Ergebung heucheln. Vor 14 Tagen noch schwärmte die hiesige demokratische Presse in platonischer Liebesdusselei für das demokratische Ministerium, doch jetzt ist auch diese gemüthliche Bornirtheit zur Einsicht gekommen.</p> <p>Gestern noch sprach die „Konstitution“ von dem „ehrlichen Dobblhof“, heute redet sie schon besser, sie spricht nur mehr von einem „angeblich volksthümlichen Ministerium“, und ruft aus: „der Minister hat den Brudermord vertheitigt, die Vertreter des souveränen Volks haben ihn durch ihre stürmische Zustimmung geheiligt. Wir sind wieder vor dem 13. März. Es ist gleichgültig, ob der Tyrann Reichstag oder Metternich, sein Helfershelfer verantwortliches Ministerium oder Seldnitzky heißt.“</p> <p>Bei den wahrhaft demokratischen Gefühlen des östreichischen Volks ist indeß gewiß nichts mehr zu bedauern, als daß der theils blöde, theils kalkulirende Geist der Tagespresse, erst hinterdrein zur richtigen Einsicht kommt.</p> <p>Die Oesterr. Zeitung hat gestern erklärt, daß sie trotz der bestimmten Versicherung, des Ministers Schwarzer allen Einfluß auf die Redaktion zu vermeiden, gleichwohl sich von demselben hat müssen terrorisiren lassen, jetzt sich aber von diesem Terrorismus befreit habe. Der Radikale enthält heute seit seinem Bestehen den ersten durchdachten demokratischen Aufsatz von Dr. Stifft jr. Der Freimüthige (unter der Redaktion des Juden Mahler) soll sich, wie allgemein versichert wird, dem Ministerium verkauft haben. Seine heutigen Aufsätze sind auch ganz danach, dies glauben zu machen.</p> <p>Das Aufhören des Sicherheitsausschusses ist ein gewaltiger Schlag wider Wiens Freiheit, die Tage des 21. und 23. August haben es vor dem Thor dieser Freiheit hinabgestürzt und der Reichstag hat durch den Beifall, den er gestern und heute dem Ministerium gespendet, gezeigt, daß er blos eine demokratische Naivetät begangen hat, als er die Rückkehr des Kaisers „<hi rendition="#g">gefordert</hi>“</p> <p>In einem Maueranschlag erklärt der Sicherheitsausschuß „dem Volk von Wien, daß die Ereignisse der verflossenen Tage ihn veranlaßt hätten, sich freiwillig mit der feierlichen Versicherung aufzulösen, daß er an den Ursachen und Wirkungen der Arbeiterunruhen keinen Antheil habe, weil 1) angeblich aus Mißverständniß die Herabsetzung der Arbeiterpreise ihm nicht bekannt gegeben worden; 2) der Gemeinde-Ausschuß mit dem Oberkommando der National-Garde unerwartet allein alle Anordnungen getroffen und dadurch alle Verpflichtungen übernommen, welche dem vereinten Ausschusse „unabhängig von jeder andern Behörde“ durch Ministerialerlaß vom 27. Mai übertragen worden seien u. s. w.“ Als pendant dazu erklärt nebenan das Ministerium Dobblhoff,“ dem löblichen Ausschusse auf dessen Ansuchen, daß die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände die Konzentrirung der öffentlichen Gewalt in die Hände des Ministeriums nöthig mache. Da somit die Aufrechthaltung der Ruhe und Sicherheit unmittelbar dem Ministerium obliege, so sei die von dem Ausschusse mit so vieler Hingebung, so vielem Muthe und so ausgezeichnetem Erfolge geübte Wirksamkeit zu Ende, das Ministerium halte es aber für seine heiligste Pflicht, den geehrten Mitgliedern des Ausschusses, welcher für Stadt und Staat in den drohendsten Momenten so erfolgreich gewirkt, seinen wärmsten Dank, seine vollste Achtung </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 91. Köln, Freitag den 1. September. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Polendebatte in Frankfurt). Frankfurt (Nationalversammlung). Berlin. (Waffenstillstand. — Unruhige Auftritte. Volkskonzert. Constabler. — Vereinbarungssitzung. — Komplott Anti-Hansemann. Die Attroupements. — Garde eingezogen. Aus Polen) Wien. (Die demokratische Presse über das Ministerium. Die jüngsten Vorfälle). Aus dem Kreise Wittgenstein. (Das Mittelalter im 19. Jahr hundert). Schleswig (Der Waffenstillstand). Prag. (Noch immer drohende Kanonen. „Schlechter Geist“ im Militär),
Schweiz. Bern. (Die ital. Flüchtlinge).
Italien. (Vermittlung und Intervention. Radetzki und Cavaignac. — Stand der Dinge). Verona. (Aus Pizzigheltone. — Die Freischaaren). Neapel. (Ferdinands Politik gegen Calabrien).
Franz. Republik. Paris. (Caussidiere, Blanc und Ledru-Rollin. — Drohungen des Berges. Die Provinzen. — Vermischtes. — National-Versammlung).
Großbritannien. London. (Finanzverlegenheit. — Parlament. — M'Douall verurtheilt). Dublin. (John Martin. — O'Gorman).
Donau-Fürstenthümer. Bucharest. (Abgesandte aus Jassy).
Deutschland. ** Köln, 31. August. Die Polendebatte in Frankfurt. (Fortsetzung.)
_ !!! Frankfurt, 29. August. Sitzung der National-Versammlung. Präsident Gagern.
Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über Art. III der Grundrechte.
Bischof Diepenbrock und 2 andre Mitglieder treten aus der Versammlung. Soiron zeigt an, daß der 50ger Ausschuß der Stadt Frankfurt noch alte Schulden abzutragen hat. Dieselbe hat 2000 Fl. und später noch für einzelne Rechnungen 2033 Fl. vorgeschossen. — Die Letzteren sind zurückgezahlt; Soiron beantragt die Rückzahlung der noch restirenden 2000 Fl. durch die Nationalversammlung nebst Dank an den uneigenützigen Senat der Stadt Frankfurt für dies Darlehn.
Eisenman interpellirt den Minister des äußern wegen Ungarn. Es ist mir (plötzlich) jetzt klar geworden, daß eine furchtbare Reaktion in Croatien im Werke ist. (Gelächter Rechts. Bravo Links und Galerien. Aufregung.) Ja meine Herren früher habe ich gesagt: „ich sehe keine Reaktion“, (Gelächter) aber jetzt sehe ich sie sehr. (Bravo). Soll ich Ihnen einige Data erzählen. (Sehr allgemein: Ja!)
Erstens droht ihnen ein Schlag aus Croatien. Aus sehr guter Quelle, aus derselben wie das Ministerium, weiß ich daß 24000 Böhmen, Slaven etc. nach Italien beordert sind, um 24000 Croaten die zu Jellachich zurückkehren, zu emplaciren. Aber nicht ein einziger Ungar darf aus Italien fort. (Links: sehr wahr!) Meine Herren. Die Niederlage Ungarns ist die Deutschlands. (Bravo). Mit Ungarn fangt man an, mit Deutschland hort man auf. 2) Ueberall sind Gesandte hingeschickt, warum nicht nach Ungarn? (Rechts: ungezogene Unterbrechungen, Lyhnowsky trommelt). Früher war Deutschland gegen Ungarn für Oestreichs Regierung. Jetzt ist es umgedreht. Ich interpellire den Minister wegen der Nichtbestellung eines Gesandten für Ungarn. (Bravo!) Diese Interpellation wird Ihnen, wie überhaupt Interpellationen, lange spätere Diskussionen ersparen. Ich würde, wenn mir nicht darauf geantwortet wird einen Antrag stellen, der doch diskutirt werden mußte. (Diese Drohung erschreckt die ganze Versammlung).
Präs: ob diese Interpellation unterstützt ist?
Die ganze Linke und sehr viele aus dem Centrum erheben sich. Der Minister des äußern ist nicht da. Gagern wird ihm die Interpellation mittheilen.
Tagesordnung. § 14 und seine Zahlosen Amendement werden verlesen. § 14 lautet: Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden; Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. Hierzu mehrere Minoritätserachten.
Ahrens aus Hannover eröffnete die Debatte: Man hat bei Unabhängigkeit der Kirche auf zwei Systeme das nordamerikanische und belgische aufmerksam gemacht. Gegen die Annahme des Letzteren erkläre ich mich aus allen Kräften. — Ich habe mich persönlich überzeugt, daß es in Praxis und Theorie verkehrt ist. — Die Unabhängigkeit der Kirchengemeinden ist die Hauptsache. Die Verwallung der Vermögensverhältnisse und Ernennung der Geistlichen, nehme ich aus von den innern Angelegenheiten der Kirche.
Professor Lassaulx, der baierische Jesuitenfreund (aus Koblenz), Schwiegersohn des alten Görres (aus Koblenz) liest aus einem dicken Hefte einen schwulstigen Katheder-Vortrag.
Pfeiffer (Pastor aus Preußen). Der Paragraph 14 bietet, was nie hätte fehlen dürfen. Mit den Sätzen des Ausschusses im Allgemeinen einverstanden, halte ich doch § 14 nicht für umfassend genug. Die unbedingte Unabhängigkeitsforderung der Kirche vom Staat scheint mir gefährlich im Interesse der Freiheit. (Bravo links). Ich gebe es zu, daß in Deutschland bisher eigentlich nur eine Kirche besteht, nämlich die katholische. Diese muß heraustreten aus ihrer Starrheit, sie muß ihre Mitglieder freigeben, denn: „wenn der Geist soll auferstehen, muß die Form in Stücken gehen. (Bravo).
Ghrorer, Professor aus Würtenberg halt einen langen, deklamatorischen Vortrag über die Nothwendigkeit der Unabhängigkeit der Kirche. Kommt dabei auf Reformation, Stuarts, Bourbonen und alles Mögliche zu sprechen — greift Vogt an, der sich die Zukunft für seine Ansichten vindicirt. Er mit der Majorität der Versammlung glaubt an eine andere Zukunft. (Was das ganze bisherige Benehmen dieser merkwürdigen Versammlung erklärt). Es sei so weit gekommen, daß man Alle, die sich Christen nennen, für Heuchler ansieht.
Gagern (feierlich in die Brust greifend). Es giebt noch Christen die man nicht für Heuchler hält. (Bravo der Centren).
Wigard aus Dresden. In der protestantischen Kirche ist theilweis und in der deutsch-katholischen ganz die Freiheit des Individuums erreicht. Aber die römisch-katholische wird mit der Unabhängigkeit der Kirche die Unfreiheit ihrer Mitglieder aussprechen. Das Kirchenpatronat in seinem ganzen Umfang muß vernichtet werden. Nicht nur das des Staats auch das der katholischen Bischöfe. Die Gemeinden müssen wieder ihre Geistlichen wählen. Dem bairischen Denker Lassaulx (der gegen den Scepticismus eifert) gebe ich zu überlegen, daß der Scepticismus aller Weisheit Anfang ist. (Lautes Bravo.) Der Punkt auf den ich zuruckkomme, ist die Freiheit, nicht der Geistlichen sondern des Volks in religiöser Beziehung. Keine Priesterherrschaft mehr. (Lautes Bravo.)
Friederich, Domprobst aus Bamberg redet über Duldung im Allgenen.
Gis'kra aus Oesterreich. (Links: Schluß! Rechts: Reden!) Tritt gegen alle Mißbräuche der Kirche entschieden auf. Mit der Unabhängigkeit der Kirche ist es etwas Anderes wie mit dem freien Associationsrecht. Die Kirche gehört zum Staat. — das Vermögen derselber zum Staat — die Glieder derselben sind Bürger des Staats — Der Redner klagt über den Druck der religiösen Bekenntnisse in seiner Heimath. Von Katholiken aus Oesterreich ist ihm keine Petition wegen Trennung der Kirche bekannt. — Die Schule und ihre Lehrer stehen ganz unter dem Einfluß der Geistlichkeit — Wenn die Oesterreicher in ihren untern Volksschichten ebenso vorgebildet sein werden, wie es die höheren Stände daselbst sind, dann wird es bei uns bald anders werden, der Kirchenzwang wird abgeschafft, alle Klöster aufgehoben, man wird sich lossagen von Rom (Spektakel der Frommen, Oho!, furchtbares Bravo und Ruhegeschrei im Allgemeinen.) Wenigstens, wenn wir die Kirche unabhängig erklären, mussen wir den geistlichen Gütererwerb beschränken, die Kloster nur als Associationen nicht als Corporationen dulden, endlich und vor allem die Schule von der Kirche befreien (fast allgemeinen Beifall.) —
Blömer aus Aachen. Die katholische Kirche läßt im Stillen freies Denken zu. Sie ist nicht bloß eine Clerisei (Die Versammlung wird während der langen Rede sehr unruhig.)
Rösler aus Oels. Was versteht man eigentlich von Seite der Ultramontanen unter Unabhängigkeit der Kirche? Döllinger und Radowitz haben Belgien als ein Ideal solcher Unabhängigkeit angeführt. Ich erinnere an die Verfolgungen der Protestanten und Freimaurer in Belgien. Wenn man die Unabhängigkeit der Kirche als ein großes Geschenk uns anpreisen will so denke ich dabei timeo danaos et dona ferentes. Er liest etwas aus dem baierschen Concordat vor. (Rechts Unterbrechungen.) — Meine Herren, sie können doch nicht verlangen, daß ich das ganze baiersche Concordat auswendig können soll (Gelächter. Rechts: Schluß! Links: Ruhe! (Ich bin für ganze Grundsätze: z. B. wollte ich eine ganze untheilbare Republik. (Rechts: Oho!) Da das aber noch nicht sein kann so will ich lieber noch gar keine. Ebenso mit der Unabhängigkeit der Kirche. Wenn ich nicht eine solche ganz besonders für die Gemeinden haben kann, möchte ich lieber gar keine. Hr. Radowitz hat gesagt, die Jesuiten würden nicht mehr nach Deutschland kommen, ich weiß nicht ob ich diese Nachricht als officiell betrachten darf. (Großes Gelächter und Bravo.) Zum Schluß erinnert Rösler an die Fabel von den Schaafen die die Hunde nicht mehr haben wollten. Man will die Hunde (den Staat) los sein, aber wir kennen die Wolfe (im Schafspels) die dies verlangen, wir wissen was sie damit wollen. (Stürmischer Beifall.)
Nach Rösler wird die Debatte vertagt weil man noch zur Wahl eines Finanzausschusses in den verschiedenen Bureaus schreiten muß. Schluß der Sitzung um 2 Uhr. Morgen keine Sitzung. Donnerstag 1) Wahl der neuen Präsidenten 2) Berathung über den Bericht des Ausschusses wegen Vervollständigung der Ausschüsse.
Frankfurt. Das „Constitutionelle Blatt aus Böhmen“ läßt die Klage erschallen, daß die „Kosten der deutschen Centralgewalt“ in Frankfurt bereits eine solche Ausdehnung gewönnen, daß selbst das konstitutionelle Blatt vor Mißbrauch warnen müsse. „Von dem Augenblick, wo die Majorität beliebig über die Börse der Steuerpflichtigen verfügen und nach Herzenslust ihre Koryphäen als Minister, Gesandte und Unterstaatssekretaire mit hohen Besoldungen unterzubringen sich befugt hält, verliert das ganze System seinen Werth,“ — was ein großes Unglück ist
61 Wien, 26. August. Ich bin vielleicht der erste in Wien gewesen, der das gegenwärtige Ministerium als einen verrätherischen Feind der Demokratie, verrätherischer als das frühere schwache Ministerium, denunzirt hat. Die frühern Minister waren Schlingpflanzen um morsche Trümmer, die gegenwärtigen sind Verräther am Volk, dem sie Ergebung heucheln. Vor 14 Tagen noch schwärmte die hiesige demokratische Presse in platonischer Liebesdusselei für das demokratische Ministerium, doch jetzt ist auch diese gemüthliche Bornirtheit zur Einsicht gekommen.
Gestern noch sprach die „Konstitution“ von dem „ehrlichen Dobblhof“, heute redet sie schon besser, sie spricht nur mehr von einem „angeblich volksthümlichen Ministerium“, und ruft aus: „der Minister hat den Brudermord vertheitigt, die Vertreter des souveränen Volks haben ihn durch ihre stürmische Zustimmung geheiligt. Wir sind wieder vor dem 13. März. Es ist gleichgültig, ob der Tyrann Reichstag oder Metternich, sein Helfershelfer verantwortliches Ministerium oder Seldnitzky heißt.“
Bei den wahrhaft demokratischen Gefühlen des östreichischen Volks ist indeß gewiß nichts mehr zu bedauern, als daß der theils blöde, theils kalkulirende Geist der Tagespresse, erst hinterdrein zur richtigen Einsicht kommt.
Die Oesterr. Zeitung hat gestern erklärt, daß sie trotz der bestimmten Versicherung, des Ministers Schwarzer allen Einfluß auf die Redaktion zu vermeiden, gleichwohl sich von demselben hat müssen terrorisiren lassen, jetzt sich aber von diesem Terrorismus befreit habe. Der Radikale enthält heute seit seinem Bestehen den ersten durchdachten demokratischen Aufsatz von Dr. Stifft jr. Der Freimüthige (unter der Redaktion des Juden Mahler) soll sich, wie allgemein versichert wird, dem Ministerium verkauft haben. Seine heutigen Aufsätze sind auch ganz danach, dies glauben zu machen.
Das Aufhören des Sicherheitsausschusses ist ein gewaltiger Schlag wider Wiens Freiheit, die Tage des 21. und 23. August haben es vor dem Thor dieser Freiheit hinabgestürzt und der Reichstag hat durch den Beifall, den er gestern und heute dem Ministerium gespendet, gezeigt, daß er blos eine demokratische Naivetät begangen hat, als er die Rückkehr des Kaisers „gefordert“
In einem Maueranschlag erklärt der Sicherheitsausschuß „dem Volk von Wien, daß die Ereignisse der verflossenen Tage ihn veranlaßt hätten, sich freiwillig mit der feierlichen Versicherung aufzulösen, daß er an den Ursachen und Wirkungen der Arbeiterunruhen keinen Antheil habe, weil 1) angeblich aus Mißverständniß die Herabsetzung der Arbeiterpreise ihm nicht bekannt gegeben worden; 2) der Gemeinde-Ausschuß mit dem Oberkommando der National-Garde unerwartet allein alle Anordnungen getroffen und dadurch alle Verpflichtungen übernommen, welche dem vereinten Ausschusse „unabhängig von jeder andern Behörde“ durch Ministerialerlaß vom 27. Mai übertragen worden seien u. s. w.“ Als pendant dazu erklärt nebenan das Ministerium Dobblhoff,“ dem löblichen Ausschusse auf dessen Ansuchen, daß die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände die Konzentrirung der öffentlichen Gewalt in die Hände des Ministeriums nöthig mache. Da somit die Aufrechthaltung der Ruhe und Sicherheit unmittelbar dem Ministerium obliege, so sei die von dem Ausschusse mit so vieler Hingebung, so vielem Muthe und so ausgezeichnetem Erfolge geübte Wirksamkeit zu Ende, das Ministerium halte es aber für seine heiligste Pflicht, den geehrten Mitgliedern des Ausschusses, welcher für Stadt und Staat in den drohendsten Momenten so erfolgreich gewirkt, seinen wärmsten Dank, seine vollste Achtung
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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