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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 92. Köln, 2. September 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 92. Köln, Samstag den 2. September. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Debatte über Standesprivilegien in Frankfurt). Berlin. (Gesetzentwurf über Volksversammlungen. Die Minister. Vermischtes). Breslau. (Organisation der Bauern gegen die Feudallasten. Landwehrverhaftungen). Erfurt. (Reaktion und Krawall). Ostrows. (Wühlereien der Offiziere). Danzig. (Schiffsbau. Prognostikon für die deutsche Flotte). Mainz. (Die Preußen). Altona. (Die Waffenstillstandsbedingungen).

Schweiz. Aus der Schweiz. (Der künftige Nationalrath).

Franz. Republik. Paris. (Die baumwollnen Mützen, die Rosen, die Revolution und die Rothschilde. Trelat nach Frankfurt. -- Vermischtes. -- Nationalversammlung).

Italien. (Unordnung im Bunde mit der Ordnung. Radetzky's väterliches System. -- Karl Albert gezwungen seine Lieblinge abzusetzen). Florenz. (Die Alba über die verfehlte Völkerverbrüderung). Neapel. (Wie man das Briefgeheimniß garantirt).

Dänemark. Kopenhagen. (Proteste aus Alsen und Flensburg nach Frankfurt -- Die dänischen Gefangenen).

Großbritannien. London. (Parlament. L. Blancs Ankunft. -- Sammlung der Deutschen in Manchester für die deutschen Barrikadenkämpfer). Dublin. (Rückblick auf die Insurrektion. -- Verhaftungen Fehlende Geschworne. -- Hülfe von Amerika in Aussicht).

Amerika. (Weizenernte. Paredes). Aus Virginien. (Die farbige Race. Die Ernte).

Ostindien. (Der Sieg über die Mulradschs. Details. Handelsnachrichten).

Belgien. Antwerpen. (Sechszehn Todesurtheile wegen Risquons-Tout).

Brüssel. (Der Pauperismus).

Deutschland.
19 Köln, 1. Sept.

(Die Debatte über Aufhebung der Standesprivilegien. Schluß.) Es kann uns nicht überraschen, daß nach der lyrischen Vorlesung des alten Bonner Professors über die Heiligkeit des "Idealischen, Träumerischen, Wunderbaren im deutschen Volk" die nächsten Reden schier alle Bedeutung verlieren.

Die Versammlung läßt in Geduld verschiedene prosaische und poetische Deklamationen für und wider den Adel über sich ergehen, als der Präsident Hrn. Rösler von Oels aufruft.

Hr. Rösler erscheint auf der Tribüne: allgemeines Gelächter.

Diese merkwürdige Begrüßung von Seiten der tiefsinnigen Versammlung ist indeß nicht sowohl den geistigen Kräften des verehrlichen Abgeordneten, als vielmehr seiner äußern ausdrucksvollen Erscheinung gewidmet. Hr. Rösler trägt einen gelben Nankingrock, eine gelbe Nankingweste, dito Beinkleider, germanisch blond-gelbe Haare, und einen gelblich-rothen Bart in einem röthlich leuchtenden Angesicht. Nichts könnte Hrn. Rösler dazu bringen, dies freundliche Aussehen in irgend einer Lebenslage aufzugeben. Nichts kömmt in der That dieser angenehm in die Augen springenden Tracht gleich, mit welcher Hr. Rösler selbst den hohen Reichsverweser bei seiner Ankunft in Frankfurt überraschte, und man sagt, daß sogar der tyroler Biedersinn des bürgerthümlichen Fürsten nicht wenig erstarrt gewesen sei, als er unter der Empfangsdeputation diesen gelben Reichsvogel neben dem schwarzen Predigerfrack Robert Blum's erblickte.

Hr. Rösler weiß indeß den Schwachheiten der Versammlung zu begegnen. "Meine Herren! Lachen Sie immerhin über Aeußerlichkeiten, ich hoffe, Sie werden nicht so lachen über das, was ich sagen werde."

Und Hr. Rösler hat Recht. Wiewohl zuweilen konfus in seiner Ausführung, ist Hr. Rösler wenigstens praktisch und entschieden in seinen einschlagenden, derben Argumenten, was um so mehr anzuerkennen ist, als sonst gerade die "äußerste" Linke, zu welcher er gehört, mit wenigen Ausnahmen, lediglich in stelzenhafter Deklamation trivialer Tagesphrasen und Floskeln einherstolziert. Während der "reine Denker" Arnold Ruge docirt, daß die "demokratische Monarchie" und die "reine Demokratie" im Grunde dasselbe seien, hat Hr. Rösler u. A. in der Diskussion über die Unabhängigkeit der Kirche bereits in dem zukünftigen Kampf der republikanischen Parteien sich zum Berg bekannt, indem er erklärt, daß er nur die "Eine und untheilbare Republik", oder gar keine wolle.

In der vorliegenden Debatte ist Hr. Rösler der Einzige, der entschieden von revolutionären Grundsätzen ausgeht, und die Frage praktisch angreift. Er verlangt die Abschaffung des Adels nicht aus idealen oder gar bürgerlich-aristokratischen Gründen im Interesse der Töchter des Geldsackes, sondern als einen Akt revolutionärer Gerechtigkeit für das Volk. Er begibt sich auf den "historischen Boden" insoweit, als er die Argumente der Adelsfreunde in Betreff der "idealen Erinnerungen" und "großen historischen Rechte zu verfolgen und aus der "wunderlichen, träumerischen, idealischen" deutschen Geschichte zu beweisen hat, daß das Volk dem Adel nichts verdankt, daß im 13. und 14. Jahrhundert "die adeligen Schnapphähne" die Kaufleute beraubten, daß bis in's 18. Jahrhundert der Adel, voll Neid gegen die Städte, die ständische Freiheit an die Fürsten verrathen habe, und später in übermüthiger Erhebung über das Volk als Speichellecker der Fürsten sich in den Besitz von Amt und Staatsgewalt zur Knechtung des Volkes geschlichen habe. Er erinnert endlich über die heutige praktische Bedeutung des Adels daran, daß der Haß des Volkes gegen den Adel, der namentlich im Osten (Schlesien) schroff hervortrete, durch dessen kastenartige Abschließung in gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen, namentlich im Militärstande vollkommen gerechtfertigt sei, daß von dem Adel in neuester Zeit überall, wie in Potsdam und Innsbruck, die reaktionären Bestrebungen ausgegangen, und daß den Regierungen die Adelsverleihung meist nur als Belohnung für Volksverrath gedient, wie der preußische Demagogenfänger Tschoppe, als er der allgemeinen Verachtung zum Opfer fiel, zur Belohnung seiner Schurkerei den Adel erhalten.

"M. H.! Ich sage: wir verlangen Abschaffung des Adels, das Volk verlangt sie als Genugthuung für den vielen Schimpf, der uns mit der Verleihung angethan wurde, für den vielen Schimpf, daß man Manche unserer bessern Männer aus uns nehmen und adeln konnte, als wenn sie dann was Besseres würden, für den vielen Schimpf, daß der Adelige, der in's Zuchthaus kam, vorher zum Bürgerlichen gemacht wurde. Wenn Sie den Adel nicht abschaffen, so darf ich verlangen, daß auch der Bürgerliche, wenn er in das Zuchthaus kommt, zum Adeligen gemacht werde, damit Gleichheit herauskomme."

Hr. Rösler erklärt, man dürfe sich nicht beklagen, daß die Maitreffen der Fürsten und ihre Bastarde geadelt würden; er hätte in Betreff des alten Arndt, der den Adel "zur höheren Tugend berufen" proklamirte, auch den Ausspruch Franklin's wiederholen können: Wenn der Adel ein Verdienst sein soll, so adele man lieber die Eltern, welche den "ausgezeichneten Bürger" erzeugt, als die Nachkommen, deren "Tugend" problematisch ist.

Hr. Rösler hatte Recht darin, daß die Versammlung seine Worte nicht belachen werde; aber die Komik folgt ihm auf dem Fuße.

Ex-Fürst Lichnowsky aus Ratibor besteigt die Tribüne.

Hr. Lichnowsky, der ritterliche Freund der Posener zinsleihenden Deutsch-Juden, hat von dem hallischen Lichtfreund, Herrn Schwetschke, gelernt, daß die Aufhebung des Adels das "Aufhören der Familiennamen" begründe; er erklärt daher begreiflicher Weise sehr entschieden, daß er "so recht eigentlich pro domo, pro aris et focis", so recht für seine Interessen kämpfen wolle. Was sollte aus den "Interessen" des Junker Lichnowsky werden, wenn sein fürstlicher Name aufhörte? Ist nicht der fürstliche Name des Hrn. Lichnowsky sein Kapital und seine Interessen zugleich?

Junker Lichnowsky beginnt mit der Bemerkung, daß einige Redner gegen die Abschaffung des Adels gesprochen, "obschon" sie nicht zum Adel gehörten; er selbst aber sei so "ehrlich" zu sagen, daß er den Adel vertheidige, "gerade weil" er zum Adel gehöre. "Ich sehe nicht ein, daß ich aus dem Grund, weil ich Edelmann bin -- (zur Linken:) Lachen Sie, meine Herren -- und zwar aus einem alten Haus, meinen Standesgenossen nicht das Wort reden soll".

Was die Phrase des "parce-que" und "quoique" betrifft, die von deutschen Literaten bereits auf der breitesten Grundlage platt getreten ist, so hat schon der Ex-Poet Wilhelm Jordan die biedere Versammlung damit entzückt, und wir werden sie wohl noch öfter bewundern können. Auch das "alte Haus" des scharfsinnigen Junkers aus der deutsch-jüdischen Mancha rührt uns nur wenig, zumal wir nicht wissen, wie weit an ihm noch die praktischen "Interessen" des Ritters haften. Was uns einzig an diesem "ehrlichen" Bekenntniß interressirt, ist, daß der Ex-Fürst Lichnowsky nicht als Volksrepräsentant sondern als "Standesgenosse" der Adligen spricht.

Hr. Lichnowsky unterscheidet in dem Antrag auf Abschaffung des Adels zweierlei, den rechtlichen und den faktischen Punkt. Das historische Recht, welches keinen Datum nicht hat, ist Alles, "was dem Adel anklebt", "Privilegien, Exemtionen, Gewohnheiten", darunter "das Recht, den Degen nicht zu tragen", ein Recht, welches Hr. Lichnowsky ein flebile beneficium nennt, und gern preisgeben will. Mußte der edle Ritter erst nach Frankfurt kommen, um es preiszugeben?

Anders ist es mit dem faktischen Recht, der Führung der Adelstitel.

Hr. Lichnowsky beginnt zuerst resignirend: "Meine Herren! Die Abschaffung der Titel ist nichts Neues; dazu ist man in Frankreich schon längst geschritten, und wenn sie glauben, hierin dem Beispiel der beiden französischen Revolutionen nachfolgen zu müssen, .. nun, so nehmen Sie diese Titel weg, und seien Sie überzeugt, daß kein Edelmann auf diese Tribüne gehen und Sie bitten wird, daß Sie seine Titel (wenn sie "weggenommen" sind) ihm lassen sollen; wenn er das thäte, wäre er nicht würdig, in der Paulskirche zu sitzen."

Wie wunderbar plötzlich der "Standesgenosse des Adels" sich als Mitglied der aus der Revolution, aus der Zerstörung des "historischen Rechts" hervorgegangenen Versammlung in der Paulskirche fühlt! "Zwei Seelen wohnen ach! in meiner Brust": Die Interessen des "alten Hauses", und das Bewußtsein einer revolutionären Stellung! Wenn Hrn. Lichnowsky nicht der wohlfeile Beifall der gerührten Linken tröstete, er würde selbst als ein flebile beneficium dieser trostreichen Versammlung unserer theilnehmen-Zähren gewiß sein.

"Aber," -- fährt dann wieder der Standesherr auf seine revolutionären Tiraden fort, -- "aber wenn Sie diese Titel wegnehmen wollen, so täuschen Sie sich nicht mit der Hoffnung, daß Sie dadurch den Adel abgeschafft haben. Die alte französische Revolution hat sich nicht begnügt, die Titel wegzunehmen, sie hat auch noch den Trägern der adligen Titel die Köpfe weggenommen. Das war eine wirksamere Maßregel. Zehn Jahre darauf suchte Napoleon mit der Laterne die Träger historischer Namen und zog sie an sich.

Die Träger "historischer" Namen! Napoleon gab, als er Kaiser wurde, einem Montmorency, Talleyrand u. s. w., die damals simple "Bürger" hießen, zuerst ein "de" vor ihren Namen, dann den Titel Vicomte, Comte, Prince. Er that dies aus denselben Gründen, aus denen er eine östreichische Prinzessin sich zur Seite nahm; sein eigentlicher Adel war nicht der alte, dem er nie den vollen Titel wiedergab, sondern der neue Soldatenadel. Aber die Träger "historischer" Namen, -- was versteht Hr. Lichnowsky darunter? Die Träger des sicherlich "historischen" Namens: Danton sind Getraidehändler an: Boulevard Bourdon, die Träger des "historischen" Namens: Barbaroux haben eine Modehandlung in der Rue St. Honore zu Paris, und ein Mann, der den historischen Namen Couthon trägt, verkauft baumwollene Schlafmützen in der Rue St. Denis. Versteht Hr. Lichnowsky unter den "historischen" Namen die Adelstitel? Identifizirt der scharfsinnige Junker die "Geschichte" mit dem Adel? Wo sind die großen "historischen" Namen der deutschen und anderen Geschichte? Ist nichr Wat Tyler, der grobe Schmiedemeister, der mit seinem Hammet einen Thron erzittern machte, ein "historischer" Name? Sind nicht Thomas Münzer, Luther und der aus dem Adel gestoßene Ulrich hatten "historische" Namen?

Herr Lichnowsky aber versichert, daß trotz alledem und alledem

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

(Fortsetzung von Nro. 69. 70. 71. 72. u. 74.)

Verzeih'n Sie, edler Ritter, daß ich nicht schon längst die Erzählung Ihres Lebens und Ihrer Abentheuer bis zu einem erquicklichen Ende fortgesetzt habe.

Zürnen Sie mir nicht! Ich würde Sie gewiß nicht im Stich gelassen haben, wenn mir die Weltgeschichte der Gegenwart nicht zu nahe vor der Nase herumgesprungen wäre, wenn mich nicht all' die großen und kleinen Geister, die jüngst bei uns herumspukten, gewissermaßen gezwungen hätten, auch ihnen einige Aufmerksamkeit zu schenken, auch sie der allgemeinen Heiterkeit preiszugeben.

Aber vorüber sind die Tage des Domfestes; es ist wieder ruhig und sabbathstill bei uns geworden und auf's Neue setze ich mich hin, Ihnen zu folgen auf Schritt und Tritt, ein gewissenhafter, ein treuer Freund, der Sie nie aus dem Auge verlieren wird der stets Ihrer gedenkt!

Ich besinne mich auf alle Ihre Aventüren, auf die Zeit, wo Sie als brauner Husar in O. in Schlesien, aus reiner Höflichkeit gegen einen zärtlichen Gatten und aus Furcht vor einem zweiten trojanischen Kriege, Ihre Helena mitten auf die Landstraße setzten und es den Lakaien des Helden Menelaos überließen, Ihnen ein wohlmeinendes Andenken und einige derbe Haselstöcke zu widmen.

Ich denke daran, wie Sie in Troppau dem Grafen G., dem modernen Menschenfresser, mit krummem Säbel gegenüber standen und das Duell nicht schlechter bestanden, als einst Sir John seinen Zweikampf mit dem rasenden Schotten. Auch Ihre Liebe zu Carlotte war gegenwärtig und ich bedauere aufrichtig, daß der Adonis der Garde unhöflich genug war, Ihre Leidenschaft so gewissenhaft zu Protokoll zu nehmen. Die Diamanten-Geschichte dann und Ihre Reise nach Spanien! -- O, ich erinnere mich eines jeden Zuges. Wie ein Teufelchen in der Flasche, so hüpfen Sie empor in meinem Gedächtniß; ich sehe Sie vor mir, in dem schönen, schwarzen Haare, mit den lebendigen Augen und dem prächtigen Schnurrbart, -- sein Sie mir gegrüßt, Herr Ritter! Willkommen, willkommen!

Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir den edlen Ritter in Spanien verließen. -- Der Finanznoth blasse Wehmuth auf den Wangen, beraubt seiner Kriegeskasse von zwei und zwanzig Silbergroschen, und die Uhr zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna, so eilte er durch's Gebirge. Der Ritter sah traurig aus. Die Kleider waren zerrissen, die Wäsche schimmerte isabellenfarbig, und altspanischer Landstraßendreck spritzte hinauf bis in den kohlschwarzen Bart -- es war kein Zweifel mehr, das Schicksal hatte Sr. Hochgeboren einen bedeutenden Fußtritt gegeben. Doch: "Heldenunglück rührt die Weiber" -- die Enkelin Heinrich Heine's, die Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den Ritter!

Ja, Eva liebte ihren Adam, Venus ihren Adonis, Julchen ihren Romeo, Gretchen ihren Faust -- aber die vierfüßige Lilie, die Bärenjungfrau, liebt den berühmten Ritter Schnapphahnski!

Zärtlich brummend erhebt sie ihre rosige Schnauze, und die lieblichen Tatzen und den zottigen Busen, und schon meint man, daß der edle Ritter zu ihr hinabsinken werde, mit jener hohen Grazie eines galanten Aristokraten, ein neues Geschlecht zu zeugen, das da alle Vorzüge vereinige, der Bären und der Wasserpolacken: da rennt der Undankbare von dannen und überläßt die arme Bärin ihrem Schmerze, den Tag verfluchend, wo sie die Blüthe der Menschheit gesehen, und vom Gram überwältigt sinkt sie klagend zusammen. --

Ein vernünftiger Bär wird hoffentlich so gescheid gewesen sein, die Unglückliche zu trösten. -- --

Als unser Ritter auf dem Gipfel der Pyrenäen stand, da machte er Halt und steckte die Hände tiefsinnig in die Hosentaschen. Er schnitt ein Gesicht wie ein beschnittener Dukaten; er wünschte, daß ihn die Götter in einen Dudelsack verwandelten, oder daß sie ihm tausend Stück Friedrichsdor schenkten -- doch das letztere wäre ihm am liebsten gewesen. -- "Don Carlos ist besiegt, was sollst Du beginnen?" fragte sich Schnapphahnski und sah verlegen nach seinem schäbigen Frackrock. "Deine Kriegeskasse nahm Espartero, Deine Uhr hängt im Leihhause zu Pampeluna und Dein Herz fiel in die Hose. -- Geld, Uhr und Herz, es ist Alles verloren! Sollst Du nach England gehen und mit Lord Brougham Brandy und Wasser trinken? Sollst Du nach Italien wandern und Dich unter die Lazzaroni legen, oder sollst Du nach O. in Schlesien eilen und Dich von den Lakaien des Grafen S. durchprügeln lassen?" -- Herr von Schnapphahnski wurde immer ernsthafter; er ließ den Hut tiefer in's Gesicht fallen; er steckte die Fäuste gründlicher in die Taschen und er sah steifer zu Boden.

Unser Ritter war in jener Stimmung, in der der Mensch anfängt sich ungeheuer lächerlich vorzukommen. Se. Hochgeboren litt an jener fatalen Krankheit, die einst die Göttin der Langenweile, Mittags nach dem Essen mit einem dünnen, schlottrigen Engländer zeugte. -- Herr von Schnapphahnski litt am Spleen. Unser Held hätte gern für vier Gutegroschen seine Seele dem Teufel verkauft, ja, was noch schlimmer ist, es wäre ihm einerlei gewesen, wenn man ihm ohne Grund einen Backenzahn ausgezogen hätte -- mit einem Worte: Se. Hochgeboren war kaduck an Witz und Beutel.

"Was habe ich nun davon, daß ich Don Carlos diente?" fuhr der Ritter fort. "Was nutzt es mir, daß ich mich als Lanzknecht ehrlich gehauen, und was bracht es mir ein, daß ich nach Ruhm und Ehre jagte, nach den zwei substanzlosesten Sachen, die es auf Erden giebt? O Sir John, Du hattest Recht: man kann den Ruhm weder essen noch trinken; ja, man kann ihn nicht einmal in die Pistole stopfen, um sich den Schädel damit einzuschießen.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 92. Köln, Samstag den 2. September. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Debatte über Standesprivilegien in Frankfurt). Berlin. (Gesetzentwurf über Volksversammlungen. Die Minister. Vermischtes). Breslau. (Organisation der Bauern gegen die Feudallasten. Landwehrverhaftungen). Erfurt. (Reaktion und Krawall). Ostrows. (Wühlereien der Offiziere). Danzig. (Schiffsbau. Prognostikon für die deutsche Flotte). Mainz. (Die Preußen). Altona. (Die Waffenstillstandsbedingungen).

Schweiz. Aus der Schweiz. (Der künftige Nationalrath).

Franz. Republik. Paris. (Die baumwollnen Mützen, die Rosen, die Revolution und die Rothschilde. Trelat nach Frankfurt. — Vermischtes. — Nationalversammlung).

Italien. (Unordnung im Bunde mit der Ordnung. Radetzky's väterliches System. — Karl Albert gezwungen seine Lieblinge abzusetzen). Florenz. (Die Alba über die verfehlte Völkerverbrüderung). Neapel. (Wie man das Briefgeheimniß garantirt).

Dänemark. Kopenhagen. (Proteste aus Alsen und Flensburg nach Frankfurt — Die dänischen Gefangenen).

Großbritannien. London. (Parlament. L. Blancs Ankunft. — Sammlung der Deutschen in Manchester für die deutschen Barrikadenkämpfer). Dublin. (Rückblick auf die Insurrektion. — Verhaftungen Fehlende Geschworne. — Hülfe von Amerika in Aussicht).

Amerika. (Weizenernte. Paredes). Aus Virginien. (Die farbige Race. Die Ernte).

Ostindien. (Der Sieg über die Mulradschs. Details. Handelsnachrichten).

Belgien. Antwerpen. (Sechszehn Todesurtheile wegen Risquons-Tout).

Brüssel. (Der Pauperismus).

Deutschland.
19 Köln, 1. Sept.

(Die Debatte über Aufhebung der Standesprivilegien. Schluß.) Es kann uns nicht überraschen, daß nach der lyrischen Vorlesung des alten Bonner Professors über die Heiligkeit des „Idealischen, Träumerischen, Wunderbaren im deutschen Volk“ die nächsten Reden schier alle Bedeutung verlieren.

Die Versammlung läßt in Geduld verschiedene prosaische und poetische Deklamationen für und wider den Adel über sich ergehen, als der Präsident Hrn. Rösler von Oels aufruft.

Hr. Rösler erscheint auf der Tribüne: allgemeines Gelächter.

Diese merkwürdige Begrüßung von Seiten der tiefsinnigen Versammlung ist indeß nicht sowohl den geistigen Kräften des verehrlichen Abgeordneten, als vielmehr seiner äußern ausdrucksvollen Erscheinung gewidmet. Hr. Rösler trägt einen gelben Nankingrock, eine gelbe Nankingweste, dito Beinkleider, germanisch blond-gelbe Haare, und einen gelblich-rothen Bart in einem röthlich leuchtenden Angesicht. Nichts könnte Hrn. Rösler dazu bringen, dies freundliche Aussehen in irgend einer Lebenslage aufzugeben. Nichts kömmt in der That dieser angenehm in die Augen springenden Tracht gleich, mit welcher Hr. Rösler selbst den hohen Reichsverweser bei seiner Ankunft in Frankfurt überraschte, und man sagt, daß sogar der tyroler Biedersinn des bürgerthümlichen Fürsten nicht wenig erstarrt gewesen sei, als er unter der Empfangsdeputation diesen gelben Reichsvogel neben dem schwarzen Predigerfrack Robert Blum's erblickte.

Hr. Rösler weiß indeß den Schwachheiten der Versammlung zu begegnen. „Meine Herren! Lachen Sie immerhin über Aeußerlichkeiten, ich hoffe, Sie werden nicht so lachen über das, was ich sagen werde.“

Und Hr. Rösler hat Recht. Wiewohl zuweilen konfus in seiner Ausführung, ist Hr. Rösler wenigstens praktisch und entschieden in seinen einschlagenden, derben Argumenten, was um so mehr anzuerkennen ist, als sonst gerade die „äußerste“ Linke, zu welcher er gehört, mit wenigen Ausnahmen, lediglich in stelzenhafter Deklamation trivialer Tagesphrasen und Floskeln einherstolziert. Während der „reine Denker“ Arnold Ruge docirt, daß die „demokratische Monarchie“ und die „reine Demokratie“ im Grunde dasselbe seien, hat Hr. Rösler u. A. in der Diskussion über die Unabhängigkeit der Kirche bereits in dem zukünftigen Kampf der republikanischen Parteien sich zum Berg bekannt, indem er erklärt, daß er nur die „Eine und untheilbare Republik“, oder gar keine wolle.

In der vorliegenden Debatte ist Hr. Rösler der Einzige, der entschieden von revolutionären Grundsätzen ausgeht, und die Frage praktisch angreift. Er verlangt die Abschaffung des Adels nicht aus idealen oder gar bürgerlich-aristokratischen Gründen im Interesse der Töchter des Geldsackes, sondern als einen Akt revolutionärer Gerechtigkeit für das Volk. Er begibt sich auf den „historischen Boden“ insoweit, als er die Argumente der Adelsfreunde in Betreff der „idealen Erinnerungen“ und „großen historischen Rechte zu verfolgen und aus der „wunderlichen, träumerischen, idealischen“ deutschen Geschichte zu beweisen hat, daß das Volk dem Adel nichts verdankt, daß im 13. und 14. Jahrhundert „die adeligen Schnapphähne“ die Kaufleute beraubten, daß bis in's 18. Jahrhundert der Adel, voll Neid gegen die Städte, die ständische Freiheit an die Fürsten verrathen habe, und später in übermüthiger Erhebung über das Volk als Speichellecker der Fürsten sich in den Besitz von Amt und Staatsgewalt zur Knechtung des Volkes geschlichen habe. Er erinnert endlich über die heutige praktische Bedeutung des Adels daran, daß der Haß des Volkes gegen den Adel, der namentlich im Osten (Schlesien) schroff hervortrete, durch dessen kastenartige Abschließung in gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen, namentlich im Militärstande vollkommen gerechtfertigt sei, daß von dem Adel in neuester Zeit überall, wie in Potsdam und Innsbruck, die reaktionären Bestrebungen ausgegangen, und daß den Regierungen die Adelsverleihung meist nur als Belohnung für Volksverrath gedient, wie der preußische Demagogenfänger Tschoppe, als er der allgemeinen Verachtung zum Opfer fiel, zur Belohnung seiner Schurkerei den Adel erhalten.

„M. H.! Ich sage: wir verlangen Abschaffung des Adels, das Volk verlangt sie als Genugthuung für den vielen Schimpf, der uns mit der Verleihung angethan wurde, für den vielen Schimpf, daß man Manche unserer bessern Männer aus uns nehmen und adeln konnte, als wenn sie dann was Besseres würden, für den vielen Schimpf, daß der Adelige, der in's Zuchthaus kam, vorher zum Bürgerlichen gemacht wurde. Wenn Sie den Adel nicht abschaffen, so darf ich verlangen, daß auch der Bürgerliche, wenn er in das Zuchthaus kommt, zum Adeligen gemacht werde, damit Gleichheit herauskomme.“

Hr. Rösler erklärt, man dürfe sich nicht beklagen, daß die Maitreffen der Fürsten und ihre Bastarde geadelt würden; er hätte in Betreff des alten Arndt, der den Adel „zur höheren Tugend berufen“ proklamirte, auch den Ausspruch Franklin's wiederholen können: Wenn der Adel ein Verdienst sein soll, so adele man lieber die Eltern, welche den „ausgezeichneten Bürger“ erzeugt, als die Nachkommen, deren „Tugend“ problematisch ist.

Hr. Rösler hatte Recht darin, daß die Versammlung seine Worte nicht belachen werde; aber die Komik folgt ihm auf dem Fuße.

Ex-Fürst Lichnowsky aus Ratibor besteigt die Tribüne.

Hr. Lichnowsky, der ritterliche Freund der Posener zinsleihenden Deutsch-Juden, hat von dem hallischen Lichtfreund, Herrn Schwetschke, gelernt, daß die Aufhebung des Adels das „Aufhören der Familiennamen“ begründe; er erklärt daher begreiflicher Weise sehr entschieden, daß er „so recht eigentlich pro domo, pro aris et focis“, so recht für seine Interessen kämpfen wolle. Was sollte aus den „Interessen“ des Junker Lichnowsky werden, wenn sein fürstlicher Name aufhörte? Ist nicht der fürstliche Name des Hrn. Lichnowsky sein Kapital und seine Interessen zugleich?

Junker Lichnowsky beginnt mit der Bemerkung, daß einige Redner gegen die Abschaffung des Adels gesprochen, „obschon“ sie nicht zum Adel gehörten; er selbst aber sei so „ehrlich“ zu sagen, daß er den Adel vertheidige, „gerade weil“ er zum Adel gehöre. „Ich sehe nicht ein, daß ich aus dem Grund, weil ich Edelmann bin — (zur Linken:) Lachen Sie, meine Herren — und zwar aus einem alten Haus, meinen Standesgenossen nicht das Wort reden soll“.

Was die Phrase des «parce-que» und «quoique» betrifft, die von deutschen Literaten bereits auf der breitesten Grundlage platt getreten ist, so hat schon der Ex-Poet Wilhelm Jordan die biedere Versammlung damit entzückt, und wir werden sie wohl noch öfter bewundern können. Auch das „alte Haus“ des scharfsinnigen Junkers aus der deutsch-jüdischen Mancha rührt uns nur wenig, zumal wir nicht wissen, wie weit an ihm noch die praktischen „Interessen“ des Ritters haften. Was uns einzig an diesem „ehrlichen“ Bekenntniß interressirt, ist, daß der Ex-Fürst Lichnowsky nicht als Volksrepräsentant sondern als „Standesgenosse“ der Adligen spricht.

Hr. Lichnowsky unterscheidet in dem Antrag auf Abschaffung des Adels zweierlei, den rechtlichen und den faktischen Punkt. Das historische Recht, welches keinen Datum nicht hat, ist Alles, „was dem Adel anklebt“, „Privilegien, Exemtionen, Gewohnheiten“, darunter „das Recht, den Degen nicht zu tragen“, ein Recht, welches Hr. Lichnowsky ein flebile beneficium nennt, und gern preisgeben will. Mußte der edle Ritter erst nach Frankfurt kommen, um es preiszugeben?

Anders ist es mit dem faktischen Recht, der Führung der Adelstitel.

Hr. Lichnowsky beginnt zuerst resignirend: „Meine Herren! Die Abschaffung der Titel ist nichts Neues; dazu ist man in Frankreich schon längst geschritten, und wenn sie glauben, hierin dem Beispiel der beiden französischen Revolutionen nachfolgen zu müssen, ‥ nun, so nehmen Sie diese Titel weg, und seien Sie überzeugt, daß kein Edelmann auf diese Tribüne gehen und Sie bitten wird, daß Sie seine Titel (wenn sie „weggenommen“ sind) ihm lassen sollen; wenn er das thäte, wäre er nicht würdig, in der Paulskirche zu sitzen.“

Wie wunderbar plötzlich der „Standesgenosse des Adels“ sich als Mitglied der aus der Revolution, aus der Zerstörung des „historischen Rechts“ hervorgegangenen Versammlung in der Paulskirche fühlt! „Zwei Seelen wohnen ach! in meiner Brust“: Die Interessen des „alten Hauses“, und das Bewußtsein einer revolutionären Stellung! Wenn Hrn. Lichnowsky nicht der wohlfeile Beifall der gerührten Linken tröstete, er würde selbst als ein flebile beneficium dieser trostreichen Versammlung unserer theilnehmen-Zähren gewiß sein.

„Aber,“ — fährt dann wieder der Standesherr auf seine revolutionären Tiraden fort, — „aber wenn Sie diese Titel wegnehmen wollen, so täuschen Sie sich nicht mit der Hoffnung, daß Sie dadurch den Adel abgeschafft haben. Die alte französische Revolution hat sich nicht begnügt, die Titel wegzunehmen, sie hat auch noch den Trägern der adligen Titel die Köpfe weggenommen. Das war eine wirksamere Maßregel. Zehn Jahre darauf suchte Napoleon mit der Laterne die Träger historischer Namen und zog sie an sich.

Die Träger „historischer“ Namen! Napoleon gab, als er Kaiser wurde, einem Montmorency, Talleyrand u. s. w., die damals simple „Bürger“ hießen, zuerst ein „de“ vor ihren Namen, dann den Titel Vicomte, Comte, Prince. Er that dies aus denselben Gründen, aus denen er eine östreichische Prinzessin sich zur Seite nahm; sein eigentlicher Adel war nicht der alte, dem er nie den vollen Titel wiedergab, sondern der neue Soldatenadel. Aber die Träger „historischer“ Namen, — was versteht Hr. Lichnowsky darunter? Die Träger des sicherlich „historischen“ Namens: Danton sind Getraidehändler an: Boulevard Bourdon, die Träger des „historischen“ Namens: Barbaroux haben eine Modehandlung in der Rue St. Honoré zu Paris, und ein Mann, der den historischen Namen Couthon trägt, verkauft baumwollene Schlafmützen in der Rue St. Denis. Versteht Hr. Lichnowsky unter den „historischen“ Namen die Adelstitel? Identifizirt der scharfsinnige Junker die „Geschichte“ mit dem Adel? Wo sind die großen „historischen“ Namen der deutschen und anderen Geschichte? Ist nichr Wat Tyler, der grobe Schmiedemeister, der mit seinem Hammet einen Thron erzittern machte, ein „historischer“ Name? Sind nicht Thomas Münzer, Luther und der aus dem Adel gestoßene Ulrich hatten „historische“ Namen?

Herr Lichnowsky aber versichert, daß trotz alledem und alledem

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

(Fortsetzung von Nro. 69. 70. 71. 72. u. 74.)

Verzeih'n Sie, edler Ritter, daß ich nicht schon längst die Erzählung Ihres Lebens und Ihrer Abentheuer bis zu einem erquicklichen Ende fortgesetzt habe.

Zürnen Sie mir nicht! Ich würde Sie gewiß nicht im Stich gelassen haben, wenn mir die Weltgeschichte der Gegenwart nicht zu nahe vor der Nase herumgesprungen wäre, wenn mich nicht all' die großen und kleinen Geister, die jüngst bei uns herumspukten, gewissermaßen gezwungen hätten, auch ihnen einige Aufmerksamkeit zu schenken, auch sie der allgemeinen Heiterkeit preiszugeben.

Aber vorüber sind die Tage des Domfestes; es ist wieder ruhig und sabbathstill bei uns geworden und auf's Neue setze ich mich hin, Ihnen zu folgen auf Schritt und Tritt, ein gewissenhafter, ein treuer Freund, der Sie nie aus dem Auge verlieren wird der stets Ihrer gedenkt!

Ich besinne mich auf alle Ihre Aventüren, auf die Zeit, wo Sie als brauner Husar in O. in Schlesien, aus reiner Höflichkeit gegen einen zärtlichen Gatten und aus Furcht vor einem zweiten trojanischen Kriege, Ihre Helena mitten auf die Landstraße setzten und es den Lakaien des Helden Menelaos überließen, Ihnen ein wohlmeinendes Andenken und einige derbe Haselstöcke zu widmen.

Ich denke daran, wie Sie in Troppau dem Grafen G., dem modernen Menschenfresser, mit krummem Säbel gegenüber standen und das Duell nicht schlechter bestanden, als einst Sir John seinen Zweikampf mit dem rasenden Schotten. Auch Ihre Liebe zu Carlotte war gegenwärtig und ich bedauere aufrichtig, daß der Adonis der Garde unhöflich genug war, Ihre Leidenschaft so gewissenhaft zu Protokoll zu nehmen. Die Diamanten-Geschichte dann und Ihre Reise nach Spanien! — O, ich erinnere mich eines jeden Zuges. Wie ein Teufelchen in der Flasche, so hüpfen Sie empor in meinem Gedächtniß; ich sehe Sie vor mir, in dem schönen, schwarzen Haare, mit den lebendigen Augen und dem prächtigen Schnurrbart, — sein Sie mir gegrüßt, Herr Ritter! Willkommen, willkommen!

Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir den edlen Ritter in Spanien verließen. — Der Finanznoth blasse Wehmuth auf den Wangen, beraubt seiner Kriegeskasse von zwei und zwanzig Silbergroschen, und die Uhr zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna, so eilte er durch's Gebirge. Der Ritter sah traurig aus. Die Kleider waren zerrissen, die Wäsche schimmerte isabellenfarbig, und altspanischer Landstraßendreck spritzte hinauf bis in den kohlschwarzen Bart — es war kein Zweifel mehr, das Schicksal hatte Sr. Hochgeboren einen bedeutenden Fußtritt gegeben. Doch: „Heldenunglück rührt die Weiber“ — die Enkelin Heinrich Heine's, die Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den Ritter!

Ja, Eva liebte ihren Adam, Venus ihren Adonis, Julchen ihren Romeo, Gretchen ihren Faust — aber die vierfüßige Lilie, die Bärenjungfrau, liebt den berühmten Ritter Schnapphahnski!

Zärtlich brummend erhebt sie ihre rosige Schnauze, und die lieblichen Tatzen und den zottigen Busen, und schon meint man, daß der edle Ritter zu ihr hinabsinken werde, mit jener hohen Grazie eines galanten Aristokraten, ein neues Geschlecht zu zeugen, das da alle Vorzüge vereinige, der Bären und der Wasserpolacken: da rennt der Undankbare von dannen und überläßt die arme Bärin ihrem Schmerze, den Tag verfluchend, wo sie die Blüthe der Menschheit gesehen, und vom Gram überwältigt sinkt sie klagend zusammen. —

Ein vernünftiger Bär wird hoffentlich so gescheid gewesen sein, die Unglückliche zu trösten. — —

Als unser Ritter auf dem Gipfel der Pyrenäen stand, da machte er Halt und steckte die Hände tiefsinnig in die Hosentaschen. Er schnitt ein Gesicht wie ein beschnittener Dukaten; er wünschte, daß ihn die Götter in einen Dudelsack verwandelten, oder daß sie ihm tausend Stück Friedrichsdor schenkten — doch das letztere wäre ihm am liebsten gewesen. — „Don Carlos ist besiegt, was sollst Du beginnen?“ fragte sich Schnapphahnski und sah verlegen nach seinem schäbigen Frackrock. „Deine Kriegeskasse nahm Espartero, Deine Uhr hängt im Leihhause zu Pampeluna und Dein Herz fiel in die Hose. — Geld, Uhr und Herz, es ist Alles verloren! Sollst Du nach England gehen und mit Lord Brougham Brandy und Wasser trinken? Sollst Du nach Italien wandern und Dich unter die Lazzaroni legen, oder sollst Du nach O. in Schlesien eilen und Dich von den Lakaien des Grafen S. durchprügeln lassen?“ — Herr von Schnapphahnski wurde immer ernsthafter; er ließ den Hut tiefer in's Gesicht fallen; er steckte die Fäuste gründlicher in die Taschen und er sah steifer zu Boden.

Unser Ritter war in jener Stimmung, in der der Mensch anfängt sich ungeheuer lächerlich vorzukommen. Se. Hochgeboren litt an jener fatalen Krankheit, die einst die Göttin der Langenweile, Mittags nach dem Essen mit einem dünnen, schlottrigen Engländer zeugte. — Herr von Schnapphahnski litt am Spleen. Unser Held hätte gern für vier Gutegroschen seine Seele dem Teufel verkauft, ja, was noch schlimmer ist, es wäre ihm einerlei gewesen, wenn man ihm ohne Grund einen Backenzahn ausgezogen hätte — mit einem Worte: Se. Hochgeboren war kaduck an Witz und Beutel.

„Was habe ich nun davon, daß ich Don Carlos diente?“ fuhr der Ritter fort. „Was nutzt es mir, daß ich mich als Lanzknecht ehrlich gehauen, und was bracht es mir ein, daß ich nach Ruhm und Ehre jagte, nach den zwei substanzlosesten Sachen, die es auf Erden giebt? O Sir John, Du hattest Recht: man kann den Ruhm weder essen noch trinken; ja, man kann ihn nicht einmal in die Pistole stopfen, um sich den Schädel damit einzuschießen.

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 92. Köln, Samstag den 2. September. 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Debatte über Standesprivilegien                     in Frankfurt). Berlin. (Gesetzentwurf über Volksversammlungen. Die Minister.                     Vermischtes). Breslau. (Organisation der Bauern gegen die Feudallasten.                     Landwehrverhaftungen). Erfurt. (Reaktion und Krawall). Ostrows. (Wühlereien der                     Offiziere). Danzig. (Schiffsbau. Prognostikon für die deutsche Flotte). Mainz.                     (Die Preußen). Altona. (Die Waffenstillstandsbedingungen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Schweiz</hi>. Aus der Schweiz. (Der künftige                     Nationalrath).</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik</hi>. Paris. (Die baumwollnen Mützen, die                     Rosen, die Revolution und die Rothschilde. Trelat nach Frankfurt. &#x2014; Vermischtes.                     &#x2014; Nationalversammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Unordnung im Bunde mit der Ordnung. Radetzky's                     väterliches System. &#x2014; Karl Albert gezwungen seine Lieblinge abzusetzen).                     Florenz. (Die Alba über die verfehlte Völkerverbrüderung). Neapel. (Wie man das                     Briefgeheimniß garantirt).</p>
        <p><hi rendition="#g">Dänemark</hi>. Kopenhagen. (Proteste aus Alsen und Flensburg                     nach Frankfurt &#x2014; Die dänischen Gefangenen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Parlament. L. Blancs Ankunft. &#x2014;                     Sammlung der Deutschen in Manchester für die deutschen Barrikadenkämpfer).                     Dublin. (Rückblick auf die Insurrektion. &#x2014; Verhaftungen Fehlende Geschworne. &#x2014;                     Hülfe von Amerika in Aussicht).</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika</hi>. (Weizenernte. Paredes). Aus Virginien. (Die                     farbige Race. Die Ernte).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ostindien</hi>. (Der Sieg über die Mulradschs. Details.                     Handelsnachrichten).</p>
        <p><hi rendition="#g">Belgien</hi>. Antwerpen. (Sechszehn Todesurtheile wegen                     Risquons-Tout).</p>
        <p>Brüssel. (Der Pauperismus).</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar092_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>19</author></bibl> Köln, 1. Sept.</head>
          <p>(<hi rendition="#g">Die Debatte über Aufhebung der Standesprivilegien</hi>.                         Schluß.) Es kann uns nicht überraschen, daß nach der lyrischen Vorlesung des                         alten Bonner Professors über die Heiligkeit des &#x201E;Idealischen, Träumerischen,                         Wunderbaren im deutschen Volk&#x201C; die nächsten Reden schier alle Bedeutung                         verlieren.</p>
          <p>Die Versammlung läßt in Geduld verschiedene prosaische und poetische                         Deklamationen für und wider den Adel über sich ergehen, als der Präsident                         Hrn. Rösler von Oels aufruft.</p>
          <p>Hr. Rösler erscheint auf der Tribüne: allgemeines Gelächter.</p>
          <p>Diese merkwürdige Begrüßung von Seiten der tiefsinnigen Versammlung ist indeß                         nicht sowohl den geistigen Kräften des verehrlichen Abgeordneten, als                         vielmehr seiner äußern ausdrucksvollen Erscheinung gewidmet. Hr. Rösler                         trägt einen gelben Nankingrock, eine gelbe Nankingweste, dito Beinkleider,                         germanisch blond-gelbe Haare, und einen gelblich-rothen Bart in einem                         röthlich leuchtenden Angesicht. Nichts könnte Hrn. Rösler dazu bringen, dies                         freundliche Aussehen in irgend einer Lebenslage aufzugeben. Nichts kömmt in                         der That dieser angenehm in die Augen springenden Tracht gleich, mit welcher                         Hr. Rösler selbst den hohen Reichsverweser bei seiner Ankunft in Frankfurt                         überraschte, und man sagt, daß sogar der tyroler Biedersinn des                         bürgerthümlichen Fürsten nicht wenig erstarrt gewesen sei, als er unter der                         Empfangsdeputation diesen gelben Reichsvogel neben dem schwarzen                         Predigerfrack Robert Blum's erblickte.</p>
          <p>Hr. Rösler weiß indeß den Schwachheiten der Versammlung zu begegnen. &#x201E;Meine                         Herren! Lachen Sie immerhin über Aeußerlichkeiten, ich hoffe, Sie werden                         nicht so lachen über das, was ich sagen werde.&#x201C;</p>
          <p>Und Hr. Rösler hat Recht. Wiewohl zuweilen konfus in seiner Ausführung, ist                         Hr. Rösler wenigstens praktisch und entschieden in seinen einschlagenden,                         derben Argumenten, was um so mehr anzuerkennen ist, als sonst gerade die                         &#x201E;äußerste&#x201C; Linke, zu welcher er gehört, mit wenigen Ausnahmen, lediglich in                         stelzenhafter Deklamation trivialer Tagesphrasen und Floskeln                         einherstolziert. Während der &#x201E;reine Denker&#x201C; Arnold Ruge docirt, daß die                         &#x201E;demokratische Monarchie&#x201C; und die &#x201E;reine Demokratie&#x201C; im Grunde dasselbe                         seien, hat Hr. Rösler u. A. in der Diskussion über die Unabhängigkeit der                         Kirche bereits in dem zukünftigen Kampf der republikanischen Parteien sich                         zum Berg bekannt, indem er erklärt, daß er nur die &#x201E;Eine und untheilbare                         Republik&#x201C;, oder gar keine wolle.</p>
          <p>In der vorliegenden Debatte ist Hr. Rösler der Einzige, der entschieden von                         revolutionären Grundsätzen ausgeht, und die Frage praktisch angreift. Er                         verlangt die Abschaffung des Adels nicht aus idealen oder gar                         bürgerlich-aristokratischen Gründen im Interesse der Töchter des Geldsackes,                         sondern als einen Akt revolutionärer Gerechtigkeit für das Volk. Er begibt                         sich auf den &#x201E;historischen Boden&#x201C; insoweit, als er die Argumente der                         Adelsfreunde in Betreff der &#x201E;idealen Erinnerungen&#x201C; und &#x201E;großen historischen                         Rechte zu verfolgen und aus der &#x201E;wunderlichen, träumerischen, idealischen&#x201C;                         deutschen Geschichte zu beweisen hat, daß <hi rendition="#g">das Volk</hi> dem Adel nichts verdankt, daß im 13. und 14. Jahrhundert &#x201E;die adeligen                         Schnapphähne&#x201C; die Kaufleute beraubten, daß bis in's 18. Jahrhundert der                         Adel, voll Neid gegen die Städte, die ständische Freiheit an die Fürsten                         verrathen habe, und später in übermüthiger Erhebung über das Volk als                         Speichellecker der Fürsten sich in den Besitz von Amt und Staatsgewalt zur                         Knechtung des Volkes geschlichen habe. Er erinnert endlich über die heutige                         praktische Bedeutung des Adels daran, daß der Haß des Volkes gegen den Adel,                         der namentlich im Osten (Schlesien) schroff hervortrete, durch dessen                         kastenartige Abschließung in gesellschaftlichen und staatlichen                         Verhältnissen, namentlich im Militärstande vollkommen gerechtfertigt sei,                         daß von dem Adel in neuester Zeit überall, wie in Potsdam und Innsbruck, die                         reaktionären Bestrebungen ausgegangen, und daß den Regierungen die                         Adelsverleihung meist nur als Belohnung für Volksverrath gedient, wie der                         preußische Demagogenfänger Tschoppe, als er der allgemeinen Verachtung zum                         Opfer fiel, zur Belohnung seiner Schurkerei den Adel erhalten.</p>
          <p>&#x201E;M. H.! Ich sage: wir verlangen Abschaffung des Adels, das Volk verlangt sie                         als Genugthuung für den vielen Schimpf, der uns mit der Verleihung angethan                         wurde, für den vielen Schimpf, daß man Manche unserer bessern Männer aus uns                         nehmen und adeln konnte, als wenn sie dann was Besseres würden, für den                         vielen Schimpf, daß der Adelige, der in's Zuchthaus kam, vorher zum                         Bürgerlichen gemacht wurde. Wenn Sie den Adel nicht abschaffen, so darf ich                         verlangen, daß auch der Bürgerliche, wenn er in das Zuchthaus kommt, zum                         Adeligen gemacht werde, damit Gleichheit herauskomme.&#x201C;</p>
          <p>Hr. Rösler erklärt, man dürfe sich nicht beklagen, daß die Maitreffen der                         Fürsten und ihre Bastarde geadelt würden; er hätte in Betreff des alten                         Arndt, der den Adel &#x201E;zur höheren Tugend berufen&#x201C; proklamirte, auch den                         Ausspruch Franklin's wiederholen können: Wenn der Adel ein Verdienst sein                         soll, so adele man lieber die Eltern, welche den &#x201E;ausgezeichneten Bürger&#x201C;                         erzeugt, als die Nachkommen, deren &#x201E;Tugend&#x201C; problematisch ist.</p>
          <p>Hr. Rösler hatte Recht darin, daß die Versammlung seine Worte nicht belachen                         werde; aber die Komik folgt ihm auf dem Fuße.</p>
          <p>Ex-Fürst Lichnowsky aus Ratibor besteigt die Tribüne.</p>
          <p>Hr. Lichnowsky, der ritterliche Freund der Posener zinsleihenden                         Deutsch-Juden, hat von dem hallischen Lichtfreund, Herrn Schwetschke,                         gelernt, daß die Aufhebung des Adels das &#x201E;Aufhören der Familiennamen&#x201C;                         begründe; er erklärt daher begreiflicher Weise sehr entschieden, daß er &#x201E;so                         recht eigentlich pro domo, pro aris et focis&#x201C;, so recht für seine <hi rendition="#g">Interessen</hi> kämpfen wolle. Was sollte aus den &#x201E;<hi rendition="#g">Interessen</hi>&#x201C; des Junker Lichnowsky werden, wenn sein                         fürstlicher Name aufhörte? Ist nicht der fürstliche Name des Hrn. Lichnowsky                         sein Kapital und seine Interessen zugleich?</p>
          <p>Junker Lichnowsky beginnt mit der Bemerkung, daß einige Redner gegen die                         Abschaffung des Adels gesprochen, &#x201E;obschon&#x201C; sie nicht zum Adel gehörten; er                         selbst aber sei so &#x201E;ehrlich&#x201C; zu sagen, daß er den Adel vertheidige, &#x201E;gerade                         weil&#x201C; er zum Adel gehöre. &#x201E;Ich sehe nicht ein, daß ich aus dem Grund, weil                         ich Edelmann bin &#x2014; (zur Linken:) Lachen Sie, meine Herren &#x2014; und zwar aus                         einem alten Haus, meinen Standesgenossen nicht das Wort reden soll&#x201C;.</p>
          <p>Was die Phrase des «parce-que» und «quoique» betrifft, die von deutschen                         Literaten bereits auf der breitesten Grundlage platt getreten ist, so hat                         schon der Ex-Poet Wilhelm Jordan die biedere Versammlung damit entzückt, und                         wir werden sie wohl noch öfter bewundern können. Auch das &#x201E;alte Haus&#x201C; des                         scharfsinnigen Junkers aus der deutsch-jüdischen Mancha rührt uns nur wenig,                         zumal wir nicht wissen, wie weit an ihm noch die praktischen &#x201E;Interessen&#x201C;                         des Ritters haften. Was uns einzig an diesem &#x201E;ehrlichen&#x201C; Bekenntniß                         interressirt, ist, daß der Ex-Fürst Lichnowsky nicht als Volksrepräsentant                         sondern als &#x201E;Standesgenosse&#x201C; der Adligen spricht.</p>
          <p>Hr. Lichnowsky unterscheidet in dem Antrag auf Abschaffung des Adels                         zweierlei, den rechtlichen und den faktischen Punkt. Das historische Recht,                         welches keinen Datum nicht hat, ist Alles, &#x201E;was dem Adel anklebt&#x201C;,                         &#x201E;Privilegien, Exemtionen, Gewohnheiten&#x201C;, darunter &#x201E;das Recht, den Degen                         nicht zu tragen&#x201C;, ein Recht, welches Hr. Lichnowsky ein flebile beneficium                         nennt, und gern preisgeben will. Mußte der edle Ritter erst nach Frankfurt                         kommen, um es preiszugeben?</p>
          <p>Anders ist es mit dem faktischen Recht, der Führung der Adelstitel.</p>
          <p>Hr. Lichnowsky beginnt zuerst resignirend: &#x201E;Meine Herren! Die Abschaffung der                         Titel ist nichts Neues; dazu ist man in Frankreich schon längst geschritten,                         und wenn sie glauben, hierin dem Beispiel der beiden französischen                         Revolutionen nachfolgen zu müssen, &#x2025; nun, so nehmen Sie diese Titel weg, und                         seien Sie überzeugt, daß kein Edelmann auf diese Tribüne gehen und Sie                         bitten wird, daß Sie seine Titel (wenn sie &#x201E;weggenommen&#x201C; sind) ihm lassen                         sollen; wenn er das thäte, wäre er nicht würdig, in der Paulskirche zu                         sitzen.&#x201C;</p>
          <p>Wie wunderbar plötzlich der &#x201E;Standesgenosse des Adels&#x201C; sich als Mitglied der                         aus der Revolution, aus der Zerstörung des &#x201E;historischen Rechts&#x201C;                         hervorgegangenen Versammlung in der Paulskirche fühlt! &#x201E;Zwei Seelen wohnen                         ach! in meiner Brust&#x201C;: Die <hi rendition="#g">Interessen</hi> des &#x201E;alten                         Hauses&#x201C;, und das Bewußtsein einer revolutionären Stellung! Wenn Hrn.                         Lichnowsky nicht der wohlfeile Beifall der gerührten Linken tröstete, er                         würde selbst als ein flebile beneficium dieser trostreichen Versammlung                         unserer theilnehmen-Zähren gewiß sein.</p>
          <p>&#x201E;Aber,&#x201C; &#x2014; fährt dann wieder der Standesherr auf seine revolutionären Tiraden                         fort, &#x2014; &#x201E;aber wenn Sie diese Titel wegnehmen wollen, so täuschen Sie sich                         nicht mit der Hoffnung, daß Sie dadurch den Adel abgeschafft haben. Die alte                         französische Revolution hat sich nicht begnügt, die Titel wegzunehmen, sie                         hat auch noch den Trägern der adligen Titel die Köpfe weggenommen. Das war                         eine wirksamere Maßregel. Zehn Jahre darauf suchte Napoleon mit der Laterne                         die Träger <hi rendition="#g">historischer Namen</hi> und zog sie an                         sich.</p>
          <p>Die Träger &#x201E;<hi rendition="#g">historischer</hi>&#x201C; Namen! Napoleon gab, als er                         Kaiser wurde, einem Montmorency, Talleyrand u. s. w., die damals simple                         &#x201E;Bürger&#x201C; hießen, zuerst ein &#x201E;de&#x201C; vor ihren Namen, dann den Titel Vicomte,                         Comte, Prince. Er that dies aus denselben Gründen, aus denen er eine                         östreichische Prinzessin sich zur Seite nahm; sein eigentlicher Adel war                         nicht der alte, dem er nie den vollen Titel wiedergab, sondern der neue                         Soldatenadel. Aber die Träger &#x201E;<hi rendition="#g">historischer</hi>&#x201C; Namen,                         &#x2014; was versteht Hr. Lichnowsky darunter? Die Träger des sicherlich                         &#x201E;historischen&#x201C; Namens: Danton sind Getraidehändler an: Boulevard Bourdon,                         die Träger des &#x201E;historischen&#x201C; Namens: Barbaroux haben eine Modehandlung in                         der Rue St. Honoré zu Paris, und ein Mann, der den historischen Namen                         Couthon trägt, verkauft baumwollene Schlafmützen in der Rue St. Denis.                         Versteht Hr. Lichnowsky unter den &#x201E;historischen&#x201C; Namen die Adelstitel?                         Identifizirt der scharfsinnige Junker die &#x201E;Geschichte&#x201C; mit dem Adel? Wo sind                         die großen &#x201E;historischen&#x201C; Namen der deutschen und anderen Geschichte? Ist                         nichr Wat Tyler, der grobe Schmiedemeister, der mit seinem Hammet einen                         Thron erzittern machte, ein &#x201E;historischer&#x201C; Name? Sind nicht Thomas Münzer,                         Luther und der aus dem Adel gestoßene Ulrich hatten &#x201E;historische&#x201C; Namen?</p>
          <p>Herr Lichnowsky aber versichert, daß trotz alledem und alledem</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar092_002" type="jArticle">
          <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.</head>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung von Nro. 69. 70. 71. 72. u. 74.)</ref>
          </p>
          <p>Verzeih'n Sie, edler Ritter, daß ich nicht schon längst die Erzählung Ihres                         Lebens und Ihrer Abentheuer bis zu einem erquicklichen Ende fortgesetzt                         habe.</p>
          <p>Zürnen Sie mir nicht! Ich würde Sie gewiß nicht im Stich gelassen haben, wenn                         mir die Weltgeschichte der Gegenwart nicht zu nahe vor der Nase                         herumgesprungen wäre, wenn mich nicht all' die großen und kleinen Geister,                         die jüngst bei uns herumspukten, gewissermaßen gezwungen hätten, auch ihnen                         einige Aufmerksamkeit zu schenken, auch sie der allgemeinen Heiterkeit                         preiszugeben.</p>
          <p>Aber vorüber sind die Tage des Domfestes; es ist wieder ruhig und                         sabbathstill bei uns geworden und auf's Neue setze ich mich hin, Ihnen zu                         folgen auf Schritt und Tritt, ein gewissenhafter, ein treuer Freund, der Sie                         nie aus dem Auge verlieren wird der stets Ihrer gedenkt!</p>
          <p>Ich besinne mich auf alle Ihre Aventüren, auf die Zeit, wo Sie als brauner                         Husar in O. in Schlesien, aus reiner Höflichkeit gegen einen zärtlichen                         Gatten und aus Furcht vor einem zweiten trojanischen Kriege, Ihre Helena                         mitten auf die Landstraße setzten und es den Lakaien des Helden Menelaos                         überließen, Ihnen ein wohlmeinendes Andenken und einige derbe Haselstöcke zu                         widmen.</p>
          <p>Ich denke daran, wie Sie in Troppau dem Grafen G., dem modernen                         Menschenfresser, mit krummem Säbel gegenüber standen und das Duell nicht                         schlechter bestanden, als einst Sir John seinen Zweikampf mit dem rasenden                         Schotten. Auch Ihre Liebe zu Carlotte war gegenwärtig und ich bedauere                         aufrichtig, daß der Adonis der Garde unhöflich genug war, Ihre Leidenschaft                         so gewissenhaft zu Protokoll zu nehmen. Die Diamanten-Geschichte dann und                         Ihre Reise nach Spanien! &#x2014; O, ich erinnere mich eines jeden Zuges. Wie ein                         Teufelchen in der Flasche, so hüpfen Sie empor in meinem Gedächtniß; ich                         sehe Sie vor mir, in dem schönen, schwarzen Haare, mit den lebendigen Augen                         und dem prächtigen Schnurrbart, &#x2014; sein Sie mir gegrüßt, Herr Ritter!                         Willkommen, willkommen!</p>
          <p>Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir den edlen Ritter in Spanien                         verließen. &#x2014; Der Finanznoth blasse Wehmuth auf den Wangen, beraubt seiner                         Kriegeskasse von zwei und zwanzig Silbergroschen, und die Uhr zurückgelassen                         im Leihhause von Pampeluna, so eilte er durch's Gebirge. Der Ritter sah                         traurig aus. Die Kleider waren zerrissen, die Wäsche schimmerte                         isabellenfarbig, und altspanischer Landstraßendreck spritzte hinauf bis in                         den kohlschwarzen Bart &#x2014; es war kein Zweifel mehr, das Schicksal hatte Sr.                         Hochgeboren einen bedeutenden Fußtritt gegeben. Doch: &#x201E;Heldenunglück rührt                         die Weiber&#x201C; &#x2014; die Enkelin Heinrich Heine's, die Tochter Atta Troll's, des                         Bären, verliebte sich in den Ritter!</p>
          <p>Ja, Eva liebte ihren Adam, Venus ihren Adonis, Julchen ihren Romeo, Gretchen                         ihren Faust &#x2014; aber die vierfüßige Lilie, die Bärenjungfrau, liebt den                         berühmten Ritter Schnapphahnski!</p>
          <p>Zärtlich brummend erhebt sie ihre rosige Schnauze, und die lieblichen Tatzen                         und den zottigen Busen, und schon meint man, daß der edle Ritter zu ihr                         hinabsinken werde, mit jener hohen Grazie eines galanten Aristokraten, ein                         neues Geschlecht zu zeugen, das da alle Vorzüge vereinige, der Bären und der                         Wasserpolacken: da rennt der Undankbare von dannen und überläßt die arme                         Bärin ihrem Schmerze, den Tag verfluchend, wo sie die Blüthe der Menschheit                         gesehen, und vom Gram überwältigt sinkt sie klagend zusammen. &#x2014;</p>
          <p>Ein vernünftiger Bär wird hoffentlich so gescheid gewesen sein, die                         Unglückliche zu trösten. &#x2014; &#x2014;</p>
          <p>Als unser Ritter auf dem Gipfel der Pyrenäen stand, da machte er Halt und                         steckte die Hände tiefsinnig in die Hosentaschen. Er schnitt ein Gesicht wie                         ein beschnittener Dukaten; er wünschte, daß ihn die Götter in einen                         Dudelsack verwandelten, oder daß sie ihm tausend Stück Friedrichsdor                         schenkten &#x2014; doch das letztere wäre ihm am liebsten gewesen. &#x2014; &#x201E;Don Carlos                         ist besiegt, was sollst Du beginnen?&#x201C; fragte sich Schnapphahnski und sah                         verlegen nach seinem schäbigen Frackrock. &#x201E;Deine Kriegeskasse nahm                         Espartero, Deine Uhr hängt im Leihhause zu Pampeluna und Dein Herz fiel in                         die Hose. &#x2014; Geld, Uhr und Herz, es ist Alles verloren! Sollst Du nach                         England gehen und mit Lord Brougham Brandy und Wasser trinken? Sollst Du                         nach Italien wandern und Dich unter die Lazzaroni legen, oder sollst Du nach                         O. in Schlesien eilen und Dich von den Lakaien des Grafen S. durchprügeln                         lassen?&#x201C; &#x2014; Herr von Schnapphahnski wurde immer ernsthafter; er ließ den Hut                         tiefer in's Gesicht fallen; er steckte die Fäuste gründlicher in die Taschen                         und er sah steifer zu Boden.</p>
          <p>Unser Ritter war in jener Stimmung, in der der Mensch anfängt sich ungeheuer                         lächerlich vorzukommen. Se. Hochgeboren litt an jener fatalen Krankheit, die                         einst die Göttin der Langenweile, Mittags nach dem Essen mit einem dünnen,                         schlottrigen Engländer zeugte. &#x2014; Herr von Schnapphahnski litt am Spleen.                         Unser Held hätte gern für vier Gutegroschen seine Seele dem Teufel verkauft,                         ja, was noch schlimmer ist, es wäre ihm einerlei gewesen, wenn man ihm ohne                         Grund einen Backenzahn ausgezogen hätte &#x2014; mit einem Worte: Se. Hochgeboren                         war kaduck an Witz und Beutel.</p>
          <p>&#x201E;Was habe ich nun davon, daß ich Don Carlos diente?&#x201C; fuhr der Ritter fort.                         &#x201E;Was nutzt es mir, daß ich mich als Lanzknecht ehrlich gehauen, und was                         bracht es mir ein, daß ich nach Ruhm und Ehre jagte, nach den zwei                         substanzlosesten Sachen, die es auf Erden giebt? O Sir John, Du hattest                         Recht: man kann den Ruhm weder essen noch trinken; ja, man kann ihn nicht                         einmal in die Pistole stopfen, um sich den Schädel damit einzuschießen.</p>
        </div>
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[0463/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 92. Köln, Samstag den 2. September. 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Debatte über Standesprivilegien in Frankfurt). Berlin. (Gesetzentwurf über Volksversammlungen. Die Minister. Vermischtes). Breslau. (Organisation der Bauern gegen die Feudallasten. Landwehrverhaftungen). Erfurt. (Reaktion und Krawall). Ostrows. (Wühlereien der Offiziere). Danzig. (Schiffsbau. Prognostikon für die deutsche Flotte). Mainz. (Die Preußen). Altona. (Die Waffenstillstandsbedingungen). Schweiz. Aus der Schweiz. (Der künftige Nationalrath). Franz. Republik. Paris. (Die baumwollnen Mützen, die Rosen, die Revolution und die Rothschilde. Trelat nach Frankfurt. — Vermischtes. — Nationalversammlung). Italien. (Unordnung im Bunde mit der Ordnung. Radetzky's väterliches System. — Karl Albert gezwungen seine Lieblinge abzusetzen). Florenz. (Die Alba über die verfehlte Völkerverbrüderung). Neapel. (Wie man das Briefgeheimniß garantirt). Dänemark. Kopenhagen. (Proteste aus Alsen und Flensburg nach Frankfurt — Die dänischen Gefangenen). Großbritannien. London. (Parlament. L. Blancs Ankunft. — Sammlung der Deutschen in Manchester für die deutschen Barrikadenkämpfer). Dublin. (Rückblick auf die Insurrektion. — Verhaftungen Fehlende Geschworne. — Hülfe von Amerika in Aussicht). Amerika. (Weizenernte. Paredes). Aus Virginien. (Die farbige Race. Die Ernte). Ostindien. (Der Sieg über die Mulradschs. Details. Handelsnachrichten). Belgien. Antwerpen. (Sechszehn Todesurtheile wegen Risquons-Tout). Brüssel. (Der Pauperismus). Deutschland. 19 Köln, 1. Sept. (Die Debatte über Aufhebung der Standesprivilegien. Schluß.) Es kann uns nicht überraschen, daß nach der lyrischen Vorlesung des alten Bonner Professors über die Heiligkeit des „Idealischen, Träumerischen, Wunderbaren im deutschen Volk“ die nächsten Reden schier alle Bedeutung verlieren. Die Versammlung läßt in Geduld verschiedene prosaische und poetische Deklamationen für und wider den Adel über sich ergehen, als der Präsident Hrn. Rösler von Oels aufruft. Hr. Rösler erscheint auf der Tribüne: allgemeines Gelächter. Diese merkwürdige Begrüßung von Seiten der tiefsinnigen Versammlung ist indeß nicht sowohl den geistigen Kräften des verehrlichen Abgeordneten, als vielmehr seiner äußern ausdrucksvollen Erscheinung gewidmet. Hr. Rösler trägt einen gelben Nankingrock, eine gelbe Nankingweste, dito Beinkleider, germanisch blond-gelbe Haare, und einen gelblich-rothen Bart in einem röthlich leuchtenden Angesicht. Nichts könnte Hrn. Rösler dazu bringen, dies freundliche Aussehen in irgend einer Lebenslage aufzugeben. Nichts kömmt in der That dieser angenehm in die Augen springenden Tracht gleich, mit welcher Hr. Rösler selbst den hohen Reichsverweser bei seiner Ankunft in Frankfurt überraschte, und man sagt, daß sogar der tyroler Biedersinn des bürgerthümlichen Fürsten nicht wenig erstarrt gewesen sei, als er unter der Empfangsdeputation diesen gelben Reichsvogel neben dem schwarzen Predigerfrack Robert Blum's erblickte. Hr. Rösler weiß indeß den Schwachheiten der Versammlung zu begegnen. „Meine Herren! Lachen Sie immerhin über Aeußerlichkeiten, ich hoffe, Sie werden nicht so lachen über das, was ich sagen werde.“ Und Hr. Rösler hat Recht. Wiewohl zuweilen konfus in seiner Ausführung, ist Hr. Rösler wenigstens praktisch und entschieden in seinen einschlagenden, derben Argumenten, was um so mehr anzuerkennen ist, als sonst gerade die „äußerste“ Linke, zu welcher er gehört, mit wenigen Ausnahmen, lediglich in stelzenhafter Deklamation trivialer Tagesphrasen und Floskeln einherstolziert. Während der „reine Denker“ Arnold Ruge docirt, daß die „demokratische Monarchie“ und die „reine Demokratie“ im Grunde dasselbe seien, hat Hr. Rösler u. A. in der Diskussion über die Unabhängigkeit der Kirche bereits in dem zukünftigen Kampf der republikanischen Parteien sich zum Berg bekannt, indem er erklärt, daß er nur die „Eine und untheilbare Republik“, oder gar keine wolle. In der vorliegenden Debatte ist Hr. Rösler der Einzige, der entschieden von revolutionären Grundsätzen ausgeht, und die Frage praktisch angreift. Er verlangt die Abschaffung des Adels nicht aus idealen oder gar bürgerlich-aristokratischen Gründen im Interesse der Töchter des Geldsackes, sondern als einen Akt revolutionärer Gerechtigkeit für das Volk. Er begibt sich auf den „historischen Boden“ insoweit, als er die Argumente der Adelsfreunde in Betreff der „idealen Erinnerungen“ und „großen historischen Rechte zu verfolgen und aus der „wunderlichen, träumerischen, idealischen“ deutschen Geschichte zu beweisen hat, daß das Volk dem Adel nichts verdankt, daß im 13. und 14. Jahrhundert „die adeligen Schnapphähne“ die Kaufleute beraubten, daß bis in's 18. Jahrhundert der Adel, voll Neid gegen die Städte, die ständische Freiheit an die Fürsten verrathen habe, und später in übermüthiger Erhebung über das Volk als Speichellecker der Fürsten sich in den Besitz von Amt und Staatsgewalt zur Knechtung des Volkes geschlichen habe. Er erinnert endlich über die heutige praktische Bedeutung des Adels daran, daß der Haß des Volkes gegen den Adel, der namentlich im Osten (Schlesien) schroff hervortrete, durch dessen kastenartige Abschließung in gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnissen, namentlich im Militärstande vollkommen gerechtfertigt sei, daß von dem Adel in neuester Zeit überall, wie in Potsdam und Innsbruck, die reaktionären Bestrebungen ausgegangen, und daß den Regierungen die Adelsverleihung meist nur als Belohnung für Volksverrath gedient, wie der preußische Demagogenfänger Tschoppe, als er der allgemeinen Verachtung zum Opfer fiel, zur Belohnung seiner Schurkerei den Adel erhalten. „M. H.! Ich sage: wir verlangen Abschaffung des Adels, das Volk verlangt sie als Genugthuung für den vielen Schimpf, der uns mit der Verleihung angethan wurde, für den vielen Schimpf, daß man Manche unserer bessern Männer aus uns nehmen und adeln konnte, als wenn sie dann was Besseres würden, für den vielen Schimpf, daß der Adelige, der in's Zuchthaus kam, vorher zum Bürgerlichen gemacht wurde. Wenn Sie den Adel nicht abschaffen, so darf ich verlangen, daß auch der Bürgerliche, wenn er in das Zuchthaus kommt, zum Adeligen gemacht werde, damit Gleichheit herauskomme.“ Hr. Rösler erklärt, man dürfe sich nicht beklagen, daß die Maitreffen der Fürsten und ihre Bastarde geadelt würden; er hätte in Betreff des alten Arndt, der den Adel „zur höheren Tugend berufen“ proklamirte, auch den Ausspruch Franklin's wiederholen können: Wenn der Adel ein Verdienst sein soll, so adele man lieber die Eltern, welche den „ausgezeichneten Bürger“ erzeugt, als die Nachkommen, deren „Tugend“ problematisch ist. Hr. Rösler hatte Recht darin, daß die Versammlung seine Worte nicht belachen werde; aber die Komik folgt ihm auf dem Fuße. Ex-Fürst Lichnowsky aus Ratibor besteigt die Tribüne. Hr. Lichnowsky, der ritterliche Freund der Posener zinsleihenden Deutsch-Juden, hat von dem hallischen Lichtfreund, Herrn Schwetschke, gelernt, daß die Aufhebung des Adels das „Aufhören der Familiennamen“ begründe; er erklärt daher begreiflicher Weise sehr entschieden, daß er „so recht eigentlich pro domo, pro aris et focis“, so recht für seine Interessen kämpfen wolle. Was sollte aus den „Interessen“ des Junker Lichnowsky werden, wenn sein fürstlicher Name aufhörte? Ist nicht der fürstliche Name des Hrn. Lichnowsky sein Kapital und seine Interessen zugleich? Junker Lichnowsky beginnt mit der Bemerkung, daß einige Redner gegen die Abschaffung des Adels gesprochen, „obschon“ sie nicht zum Adel gehörten; er selbst aber sei so „ehrlich“ zu sagen, daß er den Adel vertheidige, „gerade weil“ er zum Adel gehöre. „Ich sehe nicht ein, daß ich aus dem Grund, weil ich Edelmann bin — (zur Linken:) Lachen Sie, meine Herren — und zwar aus einem alten Haus, meinen Standesgenossen nicht das Wort reden soll“. Was die Phrase des «parce-que» und «quoique» betrifft, die von deutschen Literaten bereits auf der breitesten Grundlage platt getreten ist, so hat schon der Ex-Poet Wilhelm Jordan die biedere Versammlung damit entzückt, und wir werden sie wohl noch öfter bewundern können. Auch das „alte Haus“ des scharfsinnigen Junkers aus der deutsch-jüdischen Mancha rührt uns nur wenig, zumal wir nicht wissen, wie weit an ihm noch die praktischen „Interessen“ des Ritters haften. Was uns einzig an diesem „ehrlichen“ Bekenntniß interressirt, ist, daß der Ex-Fürst Lichnowsky nicht als Volksrepräsentant sondern als „Standesgenosse“ der Adligen spricht. Hr. Lichnowsky unterscheidet in dem Antrag auf Abschaffung des Adels zweierlei, den rechtlichen und den faktischen Punkt. Das historische Recht, welches keinen Datum nicht hat, ist Alles, „was dem Adel anklebt“, „Privilegien, Exemtionen, Gewohnheiten“, darunter „das Recht, den Degen nicht zu tragen“, ein Recht, welches Hr. Lichnowsky ein flebile beneficium nennt, und gern preisgeben will. Mußte der edle Ritter erst nach Frankfurt kommen, um es preiszugeben? Anders ist es mit dem faktischen Recht, der Führung der Adelstitel. Hr. Lichnowsky beginnt zuerst resignirend: „Meine Herren! Die Abschaffung der Titel ist nichts Neues; dazu ist man in Frankreich schon längst geschritten, und wenn sie glauben, hierin dem Beispiel der beiden französischen Revolutionen nachfolgen zu müssen, ‥ nun, so nehmen Sie diese Titel weg, und seien Sie überzeugt, daß kein Edelmann auf diese Tribüne gehen und Sie bitten wird, daß Sie seine Titel (wenn sie „weggenommen“ sind) ihm lassen sollen; wenn er das thäte, wäre er nicht würdig, in der Paulskirche zu sitzen.“ Wie wunderbar plötzlich der „Standesgenosse des Adels“ sich als Mitglied der aus der Revolution, aus der Zerstörung des „historischen Rechts“ hervorgegangenen Versammlung in der Paulskirche fühlt! „Zwei Seelen wohnen ach! in meiner Brust“: Die Interessen des „alten Hauses“, und das Bewußtsein einer revolutionären Stellung! Wenn Hrn. Lichnowsky nicht der wohlfeile Beifall der gerührten Linken tröstete, er würde selbst als ein flebile beneficium dieser trostreichen Versammlung unserer theilnehmen-Zähren gewiß sein. „Aber,“ — fährt dann wieder der Standesherr auf seine revolutionären Tiraden fort, — „aber wenn Sie diese Titel wegnehmen wollen, so täuschen Sie sich nicht mit der Hoffnung, daß Sie dadurch den Adel abgeschafft haben. Die alte französische Revolution hat sich nicht begnügt, die Titel wegzunehmen, sie hat auch noch den Trägern der adligen Titel die Köpfe weggenommen. Das war eine wirksamere Maßregel. Zehn Jahre darauf suchte Napoleon mit der Laterne die Träger historischer Namen und zog sie an sich. Die Träger „historischer“ Namen! Napoleon gab, als er Kaiser wurde, einem Montmorency, Talleyrand u. s. w., die damals simple „Bürger“ hießen, zuerst ein „de“ vor ihren Namen, dann den Titel Vicomte, Comte, Prince. Er that dies aus denselben Gründen, aus denen er eine östreichische Prinzessin sich zur Seite nahm; sein eigentlicher Adel war nicht der alte, dem er nie den vollen Titel wiedergab, sondern der neue Soldatenadel. Aber die Träger „historischer“ Namen, — was versteht Hr. Lichnowsky darunter? Die Träger des sicherlich „historischen“ Namens: Danton sind Getraidehändler an: Boulevard Bourdon, die Träger des „historischen“ Namens: Barbaroux haben eine Modehandlung in der Rue St. Honoré zu Paris, und ein Mann, der den historischen Namen Couthon trägt, verkauft baumwollene Schlafmützen in der Rue St. Denis. Versteht Hr. Lichnowsky unter den „historischen“ Namen die Adelstitel? Identifizirt der scharfsinnige Junker die „Geschichte“ mit dem Adel? Wo sind die großen „historischen“ Namen der deutschen und anderen Geschichte? Ist nichr Wat Tyler, der grobe Schmiedemeister, der mit seinem Hammet einen Thron erzittern machte, ein „historischer“ Name? Sind nicht Thomas Münzer, Luther und der aus dem Adel gestoßene Ulrich hatten „historische“ Namen? Herr Lichnowsky aber versichert, daß trotz alledem und alledem Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. (Fortsetzung von Nro. 69. 70. 71. 72. u. 74.) Verzeih'n Sie, edler Ritter, daß ich nicht schon längst die Erzählung Ihres Lebens und Ihrer Abentheuer bis zu einem erquicklichen Ende fortgesetzt habe. Zürnen Sie mir nicht! Ich würde Sie gewiß nicht im Stich gelassen haben, wenn mir die Weltgeschichte der Gegenwart nicht zu nahe vor der Nase herumgesprungen wäre, wenn mich nicht all' die großen und kleinen Geister, die jüngst bei uns herumspukten, gewissermaßen gezwungen hätten, auch ihnen einige Aufmerksamkeit zu schenken, auch sie der allgemeinen Heiterkeit preiszugeben. Aber vorüber sind die Tage des Domfestes; es ist wieder ruhig und sabbathstill bei uns geworden und auf's Neue setze ich mich hin, Ihnen zu folgen auf Schritt und Tritt, ein gewissenhafter, ein treuer Freund, der Sie nie aus dem Auge verlieren wird der stets Ihrer gedenkt! Ich besinne mich auf alle Ihre Aventüren, auf die Zeit, wo Sie als brauner Husar in O. in Schlesien, aus reiner Höflichkeit gegen einen zärtlichen Gatten und aus Furcht vor einem zweiten trojanischen Kriege, Ihre Helena mitten auf die Landstraße setzten und es den Lakaien des Helden Menelaos überließen, Ihnen ein wohlmeinendes Andenken und einige derbe Haselstöcke zu widmen. Ich denke daran, wie Sie in Troppau dem Grafen G., dem modernen Menschenfresser, mit krummem Säbel gegenüber standen und das Duell nicht schlechter bestanden, als einst Sir John seinen Zweikampf mit dem rasenden Schotten. Auch Ihre Liebe zu Carlotte war gegenwärtig und ich bedauere aufrichtig, daß der Adonis der Garde unhöflich genug war, Ihre Leidenschaft so gewissenhaft zu Protokoll zu nehmen. Die Diamanten-Geschichte dann und Ihre Reise nach Spanien! — O, ich erinnere mich eines jeden Zuges. Wie ein Teufelchen in der Flasche, so hüpfen Sie empor in meinem Gedächtniß; ich sehe Sie vor mir, in dem schönen, schwarzen Haare, mit den lebendigen Augen und dem prächtigen Schnurrbart, — sein Sie mir gegrüßt, Herr Ritter! Willkommen, willkommen! Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir den edlen Ritter in Spanien verließen. — Der Finanznoth blasse Wehmuth auf den Wangen, beraubt seiner Kriegeskasse von zwei und zwanzig Silbergroschen, und die Uhr zurückgelassen im Leihhause von Pampeluna, so eilte er durch's Gebirge. Der Ritter sah traurig aus. Die Kleider waren zerrissen, die Wäsche schimmerte isabellenfarbig, und altspanischer Landstraßendreck spritzte hinauf bis in den kohlschwarzen Bart — es war kein Zweifel mehr, das Schicksal hatte Sr. Hochgeboren einen bedeutenden Fußtritt gegeben. Doch: „Heldenunglück rührt die Weiber“ — die Enkelin Heinrich Heine's, die Tochter Atta Troll's, des Bären, verliebte sich in den Ritter! Ja, Eva liebte ihren Adam, Venus ihren Adonis, Julchen ihren Romeo, Gretchen ihren Faust — aber die vierfüßige Lilie, die Bärenjungfrau, liebt den berühmten Ritter Schnapphahnski! Zärtlich brummend erhebt sie ihre rosige Schnauze, und die lieblichen Tatzen und den zottigen Busen, und schon meint man, daß der edle Ritter zu ihr hinabsinken werde, mit jener hohen Grazie eines galanten Aristokraten, ein neues Geschlecht zu zeugen, das da alle Vorzüge vereinige, der Bären und der Wasserpolacken: da rennt der Undankbare von dannen und überläßt die arme Bärin ihrem Schmerze, den Tag verfluchend, wo sie die Blüthe der Menschheit gesehen, und vom Gram überwältigt sinkt sie klagend zusammen. — Ein vernünftiger Bär wird hoffentlich so gescheid gewesen sein, die Unglückliche zu trösten. — — Als unser Ritter auf dem Gipfel der Pyrenäen stand, da machte er Halt und steckte die Hände tiefsinnig in die Hosentaschen. Er schnitt ein Gesicht wie ein beschnittener Dukaten; er wünschte, daß ihn die Götter in einen Dudelsack verwandelten, oder daß sie ihm tausend Stück Friedrichsdor schenkten — doch das letztere wäre ihm am liebsten gewesen. — „Don Carlos ist besiegt, was sollst Du beginnen?“ fragte sich Schnapphahnski und sah verlegen nach seinem schäbigen Frackrock. „Deine Kriegeskasse nahm Espartero, Deine Uhr hängt im Leihhause zu Pampeluna und Dein Herz fiel in die Hose. — Geld, Uhr und Herz, es ist Alles verloren! Sollst Du nach England gehen und mit Lord Brougham Brandy und Wasser trinken? Sollst Du nach Italien wandern und Dich unter die Lazzaroni legen, oder sollst Du nach O. in Schlesien eilen und Dich von den Lakaien des Grafen S. durchprügeln lassen?“ — Herr von Schnapphahnski wurde immer ernsthafter; er ließ den Hut tiefer in's Gesicht fallen; er steckte die Fäuste gründlicher in die Taschen und er sah steifer zu Boden. Unser Ritter war in jener Stimmung, in der der Mensch anfängt sich ungeheuer lächerlich vorzukommen. Se. Hochgeboren litt an jener fatalen Krankheit, die einst die Göttin der Langenweile, Mittags nach dem Essen mit einem dünnen, schlottrigen Engländer zeugte. — Herr von Schnapphahnski litt am Spleen. Unser Held hätte gern für vier Gutegroschen seine Seele dem Teufel verkauft, ja, was noch schlimmer ist, es wäre ihm einerlei gewesen, wenn man ihm ohne Grund einen Backenzahn ausgezogen hätte — mit einem Worte: Se. Hochgeboren war kaduck an Witz und Beutel. „Was habe ich nun davon, daß ich Don Carlos diente?“ fuhr der Ritter fort. „Was nutzt es mir, daß ich mich als Lanzknecht ehrlich gehauen, und was bracht es mir ein, daß ich nach Ruhm und Ehre jagte, nach den zwei substanzlosesten Sachen, die es auf Erden giebt? O Sir John, Du hattest Recht: man kann den Ruhm weder essen noch trinken; ja, man kann ihn nicht einmal in die Pistole stopfen, um sich den Schädel damit einzuschießen.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 92. Köln, 2. September 1848, S. 0463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz092_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.