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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 106. Köln, 19. September 1848. Beilage.

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Beilage zu Nr. 106 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Dienstag, 19. September 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Volksversammlung in Worringen.) Frankfurt. (Debatte in der Nat.-Vers. über den Waffenstillstand. - Unruhen.) Berlin. (Die Krisis.) Wien. (Aufstand. - Der Reichstag in Permanenz. - Nachricht aus Ungarn.) Leipzig. (Aus Chemnitz.) Mainz (Spießruthen.) Dortmund. (Thierschau.) Bielefeld. (Unruhen.)

Italien. (Messinesische Flüchtlinge auf der franz. Flotte. - Der franz. Gesandte. - Albini bei Ankona.

Französische Republik. Paris. (Die Departementalkommissäre. - National-Versammlung. - Cavaignac's Vater.)

Großbritannien. London. (Der Aufstand in Tipperary unterdrückt.)

Portugal. (Cholera-Angst. - Der englische Handelsvertrag.)

Amerika. (Die Präsidentschaft. - Mexico ruhig.)

Handelsnachrichten.

[Deutschland]

gen verschwunden; man begrüßt sich gegenseitig sehr freundschaftlichst und die Soldaten verschmähen es selbst nicht, in den Klubs die Rednertribüne zu besteigen und ihre Zuneigung zu den neuen Ideen öffentlich und feierlichst auszusprechen.

Um diese Verhältnisse für die Zukunft zu sichern und die freund-freundschaftlichen Bande zwischen Volk und Militär noch fester zu knüpfen, hat der Bürgerwehr-Klub ein großes Verbrüderungsfest zu morgen Nachmittag veranstaltet. Man hofft, daß sich viele Tausende dazu einfinden werden.

61 Wien, 12. Sept.

Abends. Die Stadt ist noch immer in steigender Aufregung. Sämmtliche zu dem Ministerium des Innern führende Straßen sind seit 3 Uhr durch die Legion und Nationalgarde abgesperrt. Gegen die Nationalgarde des Wimmer- und Schotten-Viertels (innere Stadt) sind Thätlichkeiten verübt worden. Dobblhoff hat einen neuen Aufruf an das Volk erlassen, worin er um Aufrechthaltung der Ruhe recht zitternd nachsucht. Zu den Thoren strömten gegen Abend Menschenmassen aus den Vorstädten herein; man befürchtete eine Sturmpetition wider das Ministerium und das Gerücht verbreitete sich, ein Theil der Bürgerschaft habe sich nach Schönbrunn begeben. Gegen 8 Uhr wurden alle Thore der innern Stadt verschlossen und niemand hereingelassen, der nicht seine Wohnung anzugeben vermochte. Swoboda, durch dessen Unternehmen die Aufregung veranlaßt ist, soll sich freiwillig den Gerichten gestellt haben. Man beschuldigt ihn der Unterschlagung aller für die Aktien eingegangenen Gelder; einige sagen sogar, Jellachich habe dieselben bekommen. Swoboda gründete nämlich einen Aushülfsverein für Gewerbtreibende und emittirte Aktien; der Kaiser betheiligte sich dabei und nun will das Volk, daß die Minister die Verantwortlichkeit dieses seine Hoffnungen nicht realisirenden Unternehmens tragen und dasselbe bei der Zahlungsunfähigkeit Swoboda's insofern garantiren sollen, daß die Aktien an allen öffentlichen Kassen wie baares Geld angenommen würden. Dobblhoff hat sich im Bürgerstande besonders dadurch verdächtigt, daß er schon vom Morgen an einen ergebenen Theil der Bürgerwehr in den Kellern des Ministerialgebäudes versteckt gehalten und dieselben nun beim Eindringen des Volks in das Gebäude zum Vorschein hat kommen lassen. Der Stephansdom ist von der Nationalgarde umstellt, um Sturmläuten zu verhüten; in der aufgeregten Masse sprach man von Barrikadenbauen. Alle öffentlichen Plätze sind von der Nationalgarde besetzt.

Wie ich höre, soll Jellachich von Radetzky 1 Mill. Fl. K. M. erhalten haben. Von Grätz aus sollen demselben in Zuckerfässern Brandraketen zugesendet worden sein.

13. September. Ich komme eben (12 Uhr) aus der 41. Sitzung des Reichstags. Die Debatten waren äußerst stürmisch. Es wurden die italienischen Interpellationen beantwortet, worauf der früher Selinger'sche, nun Sraßer'sche Antrag auf ein Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung kam. Graf Borkowski, Wieland, Füster sprachen unter dem allgemeinsten Beifall der Versammlung dagegen. Unter der Rede Borkowski's erhob sich der Kriegsminister Latour mit dem Zornesantlitz des Mars und wollte, daß der Präsident den Redner zum Schweigen bringe. Es entstand ein Tumult, viele Redner schrieen, daß Latour zur Ordnung gerufen werde, der Präsident that es mit glatten Worten. Die Wirbel des Generalmarsch's schlugen während des ganzen Morgens, die Aufregung ist seit gestern fortwährend im Steigen; die Aula ist versammelt, Menschenmassen füllen alle Straßen; das Volk strömt zu den Linien herein. - Der Reichstag wollte eben die Sitzung schließen, als der Kriegsminister - die andern Minister hatten sich längst entfernt - die Erklärung abgab, die Nationalgarde weigere sich, anszurücken, die akademische Legion beabsichtige um 4 Uhr Ministerium und Reichstag zu stürzen, er müsse zu ihrem Schutz das Militär einrücken lassen.

Löhner stellte sofort den Antrag, daß der Reichstag sich für permanent erkläre. Es geschieht. In dem Augenblicke meines Austritts sprach der Abgeordnete Goldmark über die italienische Angelegenheit. Der Antrag Selinger-Straßer wird verworfen werden.

Die Aufregung in der Aula hat theilweise auch die von der Nationalgarde gestern Abend wider einen Studenten verübte Mißhandlung zum Grunde. Das Schlimmste steht zu befürchten, wenn Gewaltthaten geschehen, denn wir leben in einem wahren Chaos von politischen, sozialen und nationalen Meinungen.

61 Wien, 13. Sept.

6 1/2 Uhr. Die Bewegung verwandelt sich immer mehr in einem Aufstand. Man verlangt den Sicherheitsausschuß wiederhergestellt; gedruckte Zettel werden zu diesem Zwecke unter die Menge vertheilt.

Es hat sich ausgewiesen, daß die Beschuldigung des Kriegsministers, die Aula wolle den Reichstag sprengen, eine Erfindung gewesen. Seien Sie versichert, die Reaktion will heute einen kühnen Streich führen; Latour ging, wie ein Tiger gereizt, aus dem Sitzungssaal des Reichstags, er wird Rache nehmen. Das Militär rückt an, die Nationalgarde und Legion sind überall aufgestellt, erstere ist getheilter Meinung. Am Judenplatze ist es vor dem Gebäude des Ministeriums des Innern zu einem Angriff gekommen; die Entwaffnung konnte aber nicht erzielt werden. Vor dem Kriegsgebäude soll es nach dem Reichstag zugegangenen Berichten ebenfalls zum Angriff gekommen sein. Barrikaden, so heißt es allgemein, sind erbaut worden. Der Reichstag hält Rath, ob der Sicherheitsausschuß wieder herzustellen sei.

Die Nacht wird, bricht der Kampf los, schrecklich werden. Aus Pesth sind noch keine bestimmten Nachrichten da, die Stimmung der Stadt soll aber außerordentlich sein. Hier sind alle Läden geschlossen, man kann vor Bewaffneten nirgendwo durch.

102 Wien, 13. Sept.

41. Reichstagssitzung. Anfang 9 1/2 Uhr. Vorsitz. Strobach. Keine Minister.

Präsident beantragt, heute Nachmittag die Neuwahl des Präsidiums vorzunehmen, er zeigt an, das Justiz-Ministerium habe in Beziehung auf die 500 italienischen Gefangenen in Szezedin Schriften auf den Tisch des Hauses niedergelegt.

Urlaube werden ertheilt.

Eingaben werden verlesen. Darunter eine aus Köln wegen Verbesserung des Volksschulwesens und Dobblhoffs Entwurf zur Provinzialverfassung Schlesiens. Einige Gemeinden petiren um Beibehaltung der Privilegien der Gewerbetreibenden. Die Stadt Wien petirt um Maßregeln zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung.

Präs. Der Abg. Brestl hat einen dringenden Antrag überreicht:

"Der Reichstag möge beschließen, daß wegen der mißlichen Verhältnisse der Gewerbetreibenden der Hauptstadt und weil dieselben der Freiheit die uneigennützigsten Opfer gebracht, dem Ministerium des Handels ein Kredit von 2 Mill. fl. eröffnet werde."

Dylewski (der schon eine Ernennung des Ministeriums für seine absolutistischen Dienste in der Tasche hat) sieht darin einen Parteiantrag.

Pillersdorf bedauert, daß Brestl ihn zur Unterzeichnung des Antrags nicht eingeladen.

Schuselka will denselben auch auf die Bewohner von 5 und 6 Haus (Proletariat) ausgedehnt haben, welche in den Märztagen die Märtyrer der Freiheit gewesen, indem sie geplündert worden.

Piekas (Bohemien) beantragt eine gleiche Unterstützung für Prag. - Brestls Antrag wird einstimmig unterstützt; nur Palacki (Bohemien) bleibt sitzen.

Brestl spricht für seinen Antrag. Die Minister Schwarzer und Krauß treten herein.

Goldmark. Der Antrag möge sogleich in Vollberathung genommen werden. (links unterstützt.)

Piekas. Er muß zuerst an die Finanzkommission, welche in 24 Stunden berichten soll. (Alle Bohemiens und der Renegat Schwarzer erheben sich dafür.)

Goldmark und Andere reden vergeblich gegen die 24 Stunden.

Hornbostel, Handelsminister. Wir haben 500,000 fl. zu obigem Zweck schon längst bewilligt, heute werden in der Angelegenheit Swoboda baare Entschädigungen gegeben werden, darum genügt es, die Sache zuerst an die Finanzkommission zu überreichen. (Man hört den Generalmarsch schlagen.)

Piekas Antrag wird angenommen. Die übrigen Minister sind unterdessen erschienen, werden aber mehrmals abgerufen; der Generalmarsch ertönt fort. Abgeordnete aus der Bukowina protestiren, daß in dem Ausschusse, der über die Entschädigungsfrage entscheiden soll, keiner aus ihrer Provinz ist.

Minister Wessenberg will die gestrige Interpellation hinsichtlich Italiens beantworten und zieht einen Zettel aus der Tasche, den er abliest. Niemand hört ein Wort.

Ein Abg. Lassen Sie durch einen andern Minister antworten.

Bach will sich des Zettels bemächtigen, aber Latour stürzt auf ihn ein und entreißt ihm denselben.

Latour (mit krächzender, kaum vernehmbarer Stimme.) Die Politik des Ministeriums in Italien.... Ehre und Würde des Kaiserreichs zu wahren ... Das Vermittlungsanerbieten Frankreichs ... angenommen. Das Ministerium wird Alles aufbieten, den Krieg zu vermeiden, jedoch die Nationalehre ... Fürst Schwarzenberg ist zur Leitung der Angelegenheit zum Bevollmächtigten Oestreichs ernannt. Familienbande geben Modena gewisse Ansprüche auf Schutz ...

Goldmark, nach einem Kampfe mit dem Präsidenten: Ich bin mit dieser Erklärung nicht zufrieden, das Ministerium muß uns die Papiere vorlegen; Familienrücksichten können und dürfen jetzt nicht mehr entscheiden.

Wessenberg, ohne Brille, das Bundestagsleichengesicht bekommt einiges Leben: Während der Verhandlung geschieht in keinem Lande eine Mittheilung an die Kammer.

Goldmark will antworten, ein Abg. ruft: zur Ordnung!

Goldmark: Ich lasse mich nicht zur Ordnung rufen.

Wessenberg. Ich habe noch eine Interpellation zu beantworten: liest; Niemand versteht ein Wort. Die Antwort betrifft ebenfalls die italienischen Angelegenheiten.

Neuwall. Die gestrigen Vorgänge sind durch eine neue Partei hervorgerufen; es sind Bürger von Wien, von denen sie ausgegangen, es müssen also gewichtige Ursachen vorliegen. Man hat für sie nie eine Stimme verlauten lassen, sondern immer nur für die Arbeiter; sie sind ebenso unglücklich als diese. Ein großer Theil der Arbeiter, auf welche Summen verschwendet wurden, ist nicht von hier gewesen; man hätte das Geld unter die Gewerbtreibenden vertheilen sollen. Er richtet in diesem Sinne eine lange Interpellation an den Handelsminister.

Hornbostel. Swobodas Privatleiha stalt ohne hypothekarische Sicherheit hat die Bürger Wiens in ihren Hoffnungen getäuscht; die Noth war so groß, daß sie nicht nach der Sicherheit gefragt, sondern für einen kleinen Einsatz ein Papier genommen haben, welches keinen Kours erlangen konnte. Wir haben umsonst Warnungen, selbst an Swoboda, erlassen.

Vorgestern schon habe man sich stürmisch an den Gemeindeausschuß und gestern mit Verübung von Gewaltthaten an den Minister des Innern gewendet. Der Nothstand sei schon vor dem März dagewesen, das Ministerium könne nichts zur Hebung der Gewerbe thun, nur das Vertrauen allein könne dies bewirken.

Löhner und Potocki wollen noch interpelliren. Einer ruft: Tagesordnung. Dieselbe wird angenommen.

Borrosch protestirt wider dies Verfahren.

Berichte über Wahlen. Es handelt sich von der Wahl des Abg. Karl Schneider aus Schlesien.

Schneider. Man hat protestirt, weil ich protestantischer Geistlicher bin, man ist von gewisser Seite erbost, daß auch meine Kirche einen Vertreter hier hat. Ich kenne mein Volk, mein Volk hat kein Mißtrauen wider euch. (Beifall.) Wird angenommen, nur die Bohemiens und Juden dagegen.

Präs. bringt den von Solinger fallen gelassenen, von dem Ritter von Lasser, dem Schnapphahnski des Reichstags, aber wieder aufgenommenen Antrag über ein Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung.

16 Redner sind für und gegen eingeschrieben.

Lasser erzählt, indem er aus einem dicken Hefte von der Tribüne abliest, in einer langen unausstehlich erbärmlichen Parabel den italienischen Krieg. Er macht dem Reichstag und besonders der Linken, auf die er immer hinsieht, die ungezogensten Vorwürfe darüber, daß sie den Solingerschen Antrag nicht mit Akklamation angenommen, sondern zur Tagesordnung verwiesen habe. Er wird mehrmals ermahnt, nicht abzulesen; die Kammer wird unruhig vor Langweile.

(Draußen wirbelt immerfort der Generalmarsch. Alle Minister bis auf Latour sind abwesend.)

[Schluß folgt.]

Wien, 12. Sept.

Eben erfahre ich, was um 2 Uhr vom ungarischen Ministerium an das hier residirende ungarische Ministerium des Aeußern aus Pesth mit Stafette anlangte: "Der Landtag hat sich permanent und insofern souverain erklärt, daß er die vom Könige nicht bestätigten neuen Gesetze als vollkommen gültig und bindend verkündet und die großartigsten Maßnahmen trifft, zur Vertheidigung und Rettung des Vaterlandes." - Pesth ist ruhig. Nicht die mindeste Unordnung ist eingetreten, alles ist beschäftigt die Rüstungen, Werbungen etc. zu unterstützen.

(Od. Z.)
Wien, 13. Sept.

Neueste Nachrichten aus Pesth: "Provisorische Regierung. Kossuth an der Spitze." (Bedarf noch der Bestätigung.)

(Schl. Z.)
Wien.

Die Vereinbarung eines Krawalles ist gestern gänzlich mißglückt. Heute, am 14. September, lebt die Freiheit noch.

(Konstitution.)
Leipzig, 15. Sept.

Die von gestern aus Chemnitz eingegangenen Nachrichten bestätigen die Fortdauer der hergestellten Ruhe. Wie der "Chemnitzer Anzeiger" sagt, sollen nicht wenig Mitglieder der Kommunalgarde, zwar ohne Binde und sonstige Armatur, allein mit dem Gewehr unter den Tumultuanten gesehen worden sein. Die Bürgerschule, aus der die Bänke zu den Barrikaden verwendet wurden, die Dietrich'sche Farbe und das Leistner'sche Haus in der Johannisgasse, das Hinterhaus von Wex und Lindner, wo die Handelsschule ist, und das Hösel'sche Haus werden als die bezeichnet, welche die meisten Zeichen der stattgehabten Kämpfe aufzuweisen haben. Die Kugeln stecken meist ziemlich hoch. Ueber den eigentlichen Zusammenhang der ganzen unseligen Vorgänge ist man noch unklar.

(D. A. Z.)
* Mainz, 12. Septbr.

In der östreichischen Armee, wenigstens in deren "deutschem Contingent" zu Mainz, wie Herr Peucker fein unterscheidet, ist die Knute und das Spießruthenlaufen noch in schönster Blüthe. Wie ein Mainzer Blatt erzählt, sah man gestern in einem der verstecktesten Gräben hinter der Citadelle "unter strömendem Regen und unter still rieselnden Thränen" eine schwankende Gestalt durch eine Reihe von 300 Soldaten sich bewegen, denen das Blut vom Rücken des Gefolterten ins Gesicht spritzte! Dicht an dieser Reihe standen 6 Bänke, auf denen eben so viele Soldaten lagen, auf die man unter den Flüchen eines Stabsoffiziers losschlug, der unter Androhung gleicher Strafe zur "Pflicht" des "Dreinhauens" anfeuerte. Und was hatten diese Unglücklichen verbrochen? Beim Baue des Kugelfängers am Artillerieubungsplatze akkordirte der bauführende Offizier mit den Leuten wegen der Arbeit; als diese nun fertig war, verlangte er noch weiteres Arbeiten, und als sie aus Müdigkeit nicht auf der Stelle diesem Befehle nachkamen, gerieht der Offizier in Zorn, ließ jene 6 Leute in Stockhausarrest abführen, wo sie 8 Tagen wie verschollen saßen, bis gestern ein Korporal Ordre erhielt, Haselstöcke einzukaufen, mit denen dann jene Schreckensscene im alten Style vollführt ward.

8 Dortmund, 16. Sept.

Unser politisches Duselleben ist in ein neues Stadium getreten. Am 15. hatten wir nämlich das Vergnügen, die "Landeskulturgesellschaft" in festlicher Weise hier versammelt zu sehen. Hiermit war eine Thierschau von Ochsen und Kälbern verbunden und Gleichgesinnte hatten sich in Menge angeschlossen. Unsere Reaktion ist nicht so dumm wie sie aussieht. Sie weiß selbst das gemüthliche Stelldichein von allerlei Rindvieh für ihre politischen Zwecke zu benutzen. Wenn unsere "Familienväter", unsere "Männer des Rechts", selbst unsere "greisen Krieger" noch eine gewisse konstitutionelle Decenz zu beobachten für schicklich erachten, so halten dagegen unsre Ochsen und Schafzüchter es mit Recht für zeitgemäß, jede lästige Maske abzuthun und mit teutoburgischer Biedermännlichkeit vorzugehen. Beim festlichen Mahle nahm zuerst der Präsident, Kammerherr v. Bodelschwingh das Wort und sprach: "der König soll leben. Die Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt sind aus Neuerungen hervorgegangen. Wir halten am Alten, an unsern bethürmten Burgen und Höfen. (Mit erhobener Stimme.) Wir wollen zum Alten zurückkehren. Der König Hoch!" (Donnerndes Hoch.)

Freiherr von Lilien-Borch: der Landwirthschaft ein Hoch!

Der Justizkommissar Spemann aus Dortmund: "das Jahr 1848 hat fürchterliche Mißverhältnisse hervorgerufen. Doch die Grafschaft Mark hat sich in schlimmeren Jahren treu und bewährt gezeigt. Am 18. März hat man den Bruder vom Bruder getrennt. Gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit gesündigt. Doch das bleibe dahingestellt - deßhalb lebe Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen hoch" (Brüllendes Hoch.)

Ein Unbekannter: "Mir wird sehr übel" (faktisch).

Pastor Bäumer: "Das Stämmchen der Freiheit kann weder in Berlin noch in Frankfurt zum Stamme gedeihen, weil keine Grundbesitzer dort sind. Der Grundbesitzer wird allein vom wahren Rechte geleitet; er allein kennt den Rechtsboden. Daher lebe der Rechtsboden! " (Rauschender Beifall.)

Ein Unbekannter mit rothem Gesichte und sehr großem Barte (wüthend): "Donnerwetter, ja! Der gute alte Rechtsboden soll leben!"

(Jetzt erhebt sich von allen Seiten ein großes Geschrei nach dem Rechtsboden)

Landrath Pilgrim: "Dem ältesten Mitgliede der Landwirthschaft, dem würdigen, von dem Feuer der Jugend (der Betoastete ist ca. 72 Jahre alt) beseelten Freiherrn v. Lilien-Borch ein Lebehoch!"

Hr. Lilien-Borch kann vor Dankbarkeit und Freude sich nicht verständlich machen.

Schulte Mehring aus Mengede: "Die Leute, welche zum Vereinbaren in Berlin und Frankfurt zusammen sind, sollen leben!" (Grausige Todtenstille.)

Oekonom Bölling aus Nette: "Ein Hoch den sparsamen Hausfrauen!" (Hr. Bölling ist ein großer Franzosenfresser und Champagnertrinker.)

Landrath v. Schade aus Lippstadt: "Alle Männer, welche für König und Vaterland und deren Nützlichkeit streiten wollen, sollen leben!" (Hurrah!)

Jetzt erhob sich der berühmte Schullehrer von Lindenhorst und hielt einen gelehrten Vortrag über Agri- und Horticultur, Mythologie und Staatsformen. Nachdem er bis zur Hertha und zum Diocletian gekommen war, wurde durch Akklamation beschlossen, zur Thierschau zu wandern. Die Musik setzte sich an die Spitze des gemüthlichen Thierschau-Zuges. Draußen angekommen, nahm Landrath Pilgrim noch einmal das Wort. Seine Rede begann also: "Das Rindvieh - die Schaukommission -----------------------

34 Bielefeld, 18. Septbr.

Seit heute kann auch Bielefeld von "Bewegungen" sprechen. Am verflossenen Montag hatten die Arbeiter einen Aufzug mit Musik zu Ehren ihres vom Gesellen-Congreß heimgekehrten Deputirten gehalten; diese Demonstration schien den braven Bürgern ein sehr gefährliches Revolutionsgelüste, und so kam es, daß ein loyaler Baumeister einigen seiner Arbeiter die daran Theil genommen, für das Versäumniß einen Tag am Lohne abzog und dieselben aus dem Dienste entließ. In Folge dessen zogen nun heute Abend etwa 200 Gesellen und sonstige Arbeiter vor die Wohnung des Baumeisters und schickten demselben eine Deputation mit der Aufforderung den abgezogenen Tagelohn den Arbeitern zu vergüten und selbige wieder in Dienst zu nehmen. Der Herr schlug dies ab, und die versammelte Menge suchte den Lohnabzug wenigstens durch zertrümmerte Fensterscheiben auszugleichen. Nachdem der Trupp abgezogen und Alles ruhig war, erschien wie gewöhnlich die polizeilüsterne Bürgerwehr und verhaftete zwei beliebige vorübergehende Individuen. Mit dieser Heldenthat ist die "Ordnung" in Bielefeld wieder hergestellt.

Italien.
*
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Beilage zu Nr. 106 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Dienstag, 19. September 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Volksversammlung in Worringen.) Frankfurt. (Debatte in der Nat.-Vers. über den Waffenstillstand. ‒ Unruhen.) Berlin. (Die Krisis.) Wien. (Aufstand. ‒ Der Reichstag in Permanenz. ‒ Nachricht aus Ungarn.) Leipzig. (Aus Chemnitz.) Mainz (Spießruthen.) Dortmund. (Thierschau.) Bielefeld. (Unruhen.)

Italien. (Messinesische Flüchtlinge auf der franz. Flotte. ‒ Der franz. Gesandte. ‒ Albini bei Ankona.

Französische Republik. Paris. (Die Departementalkommissäre. ‒ National-Versammlung. ‒ Cavaignac's Vater.)

Großbritannien. London. (Der Aufstand in Tipperary unterdrückt.)

Portugal. (Cholera-Angst. ‒ Der englische Handelsvertrag.)

Amerika. (Die Präsidentschaft. ‒ Mexico ruhig.)

Handelsnachrichten.

[Deutschland]

gen verschwunden; man begrüßt sich gegenseitig sehr freundschaftlichst und die Soldaten verschmähen es selbst nicht, in den Klubs die Rednertribüne zu besteigen und ihre Zuneigung zu den neuen Ideen öffentlich und feierlichst auszusprechen.

Um diese Verhältnisse für die Zukunft zu sichern und die freund-freundschaftlichen Bande zwischen Volk und Militär noch fester zu knüpfen, hat der Bürgerwehr-Klub ein großes Verbrüderungsfest zu morgen Nachmittag veranstaltet. Man hofft, daß sich viele Tausende dazu einfinden werden.

61 Wien, 12. Sept.

Abends. Die Stadt ist noch immer in steigender Aufregung. Sämmtliche zu dem Ministerium des Innern führende Straßen sind seit 3 Uhr durch die Legion und Nationalgarde abgesperrt. Gegen die Nationalgarde des Wimmer- und Schotten-Viertels (innere Stadt) sind Thätlichkeiten verübt worden. Dobblhoff hat einen neuen Aufruf an das Volk erlassen, worin er um Aufrechthaltung der Ruhe recht zitternd nachsucht. Zu den Thoren strömten gegen Abend Menschenmassen aus den Vorstädten herein; man befürchtete eine Sturmpetition wider das Ministerium und das Gerücht verbreitete sich, ein Theil der Bürgerschaft habe sich nach Schönbrunn begeben. Gegen 8 Uhr wurden alle Thore der innern Stadt verschlossen und niemand hereingelassen, der nicht seine Wohnung anzugeben vermochte. Swoboda, durch dessen Unternehmen die Aufregung veranlaßt ist, soll sich freiwillig den Gerichten gestellt haben. Man beschuldigt ihn der Unterschlagung aller für die Aktien eingegangenen Gelder; einige sagen sogar, Jellachich habe dieselben bekommen. Swoboda gründete nämlich einen Aushülfsverein für Gewerbtreibende und emittirte Aktien; der Kaiser betheiligte sich dabei und nun will das Volk, daß die Minister die Verantwortlichkeit dieses seine Hoffnungen nicht realisirenden Unternehmens tragen und dasselbe bei der Zahlungsunfähigkeit Swoboda's insofern garantiren sollen, daß die Aktien an allen öffentlichen Kassen wie baares Geld angenommen würden. Dobblhoff hat sich im Bürgerstande besonders dadurch verdächtigt, daß er schon vom Morgen an einen ergebenen Theil der Bürgerwehr in den Kellern des Ministerialgebäudes versteckt gehalten und dieselben nun beim Eindringen des Volks in das Gebäude zum Vorschein hat kommen lassen. Der Stephansdom ist von der Nationalgarde umstellt, um Sturmläuten zu verhüten; in der aufgeregten Masse sprach man von Barrikadenbauen. Alle öffentlichen Plätze sind von der Nationalgarde besetzt.

Wie ich höre, soll Jellachich von Radetzky 1 Mill. Fl. K. M. erhalten haben. Von Grätz aus sollen demselben in Zuckerfässern Brandraketen zugesendet worden sein.

13. September. Ich komme eben (12 Uhr) aus der 41. Sitzung des Reichstags. Die Debatten waren äußerst stürmisch. Es wurden die italienischen Interpellationen beantwortet, worauf der früher Selinger'sche, nun Sraßer'sche Antrag auf ein Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung kam. Graf Borkowski, Wieland, Füster sprachen unter dem allgemeinsten Beifall der Versammlung dagegen. Unter der Rede Borkowski's erhob sich der Kriegsminister Latour mit dem Zornesantlitz des Mars und wollte, daß der Präsident den Redner zum Schweigen bringe. Es entstand ein Tumult, viele Redner schrieen, daß Latour zur Ordnung gerufen werde, der Präsident that es mit glatten Worten. Die Wirbel des Generalmarsch's schlugen während des ganzen Morgens, die Aufregung ist seit gestern fortwährend im Steigen; die Aula ist versammelt, Menschenmassen füllen alle Straßen; das Volk strömt zu den Linien herein. ‒ Der Reichstag wollte eben die Sitzung schließen, als der Kriegsminister ‒ die andern Minister hatten sich längst entfernt ‒ die Erklärung abgab, die Nationalgarde weigere sich, anszurücken, die akademische Legion beabsichtige um 4 Uhr Ministerium und Reichstag zu stürzen, er müsse zu ihrem Schutz das Militär einrücken lassen.

Löhner stellte sofort den Antrag, daß der Reichstag sich für permanent erkläre. Es geschieht. In dem Augenblicke meines Austritts sprach der Abgeordnete Goldmark über die italienische Angelegenheit. Der Antrag Selinger-Straßer wird verworfen werden.

Die Aufregung in der Aula hat theilweise auch die von der Nationalgarde gestern Abend wider einen Studenten verübte Mißhandlung zum Grunde. Das Schlimmste steht zu befürchten, wenn Gewaltthaten geschehen, denn wir leben in einem wahren Chaos von politischen, sozialen und nationalen Meinungen.

61 Wien, 13. Sept.

6 1/2 Uhr. Die Bewegung verwandelt sich immer mehr in einem Aufstand. Man verlangt den Sicherheitsausschuß wiederhergestellt; gedruckte Zettel werden zu diesem Zwecke unter die Menge vertheilt.

Es hat sich ausgewiesen, daß die Beschuldigung des Kriegsministers, die Aula wolle den Reichstag sprengen, eine Erfindung gewesen. Seien Sie versichert, die Reaktion will heute einen kühnen Streich führen; Latour ging, wie ein Tiger gereizt, aus dem Sitzungssaal des Reichstags, er wird Rache nehmen. Das Militär rückt an, die Nationalgarde und Legion sind überall aufgestellt, erstere ist getheilter Meinung. Am Judenplatze ist es vor dem Gebäude des Ministeriums des Innern zu einem Angriff gekommen; die Entwaffnung konnte aber nicht erzielt werden. Vor dem Kriegsgebäude soll es nach dem Reichstag zugegangenen Berichten ebenfalls zum Angriff gekommen sein. Barrikaden, so heißt es allgemein, sind erbaut worden. Der Reichstag hält Rath, ob der Sicherheitsausschuß wieder herzustellen sei.

Die Nacht wird, bricht der Kampf los, schrecklich werden. Aus Pesth sind noch keine bestimmten Nachrichten da, die Stimmung der Stadt soll aber außerordentlich sein. Hier sind alle Läden geschlossen, man kann vor Bewaffneten nirgendwo durch.

102 Wien, 13. Sept.

41. Reichstagssitzung. Anfang 9 1/2 Uhr. Vorsitz. Strobach. Keine Minister.

Präsident beantragt, heute Nachmittag die Neuwahl des Präsidiums vorzunehmen, er zeigt an, das Justiz-Ministerium habe in Beziehung auf die 500 italienischen Gefangenen in Szezedin Schriften auf den Tisch des Hauses niedergelegt.

Urlaube werden ertheilt.

Eingaben werden verlesen. Darunter eine aus Köln wegen Verbesserung des Volksschulwesens und Dobblhoffs Entwurf zur Provinzialverfassung Schlesiens. Einige Gemeinden petiren um Beibehaltung der Privilegien der Gewerbetreibenden. Die Stadt Wien petirt um Maßregeln zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung.

Präs. Der Abg. Brestl hat einen dringenden Antrag überreicht:

„Der Reichstag möge beschließen, daß wegen der mißlichen Verhältnisse der Gewerbetreibenden der Hauptstadt und weil dieselben der Freiheit die uneigennützigsten Opfer gebracht, dem Ministerium des Handels ein Kredit von 2 Mill. fl. eröffnet werde.“

Dylewski (der schon eine Ernennung des Ministeriums für seine absolutistischen Dienste in der Tasche hat) sieht darin einen Parteiantrag.

Pillersdorf bedauert, daß Brestl ihn zur Unterzeichnung des Antrags nicht eingeladen.

Schuselka will denselben auch auf die Bewohner von 5 und 6 Haus (Proletariat) ausgedehnt haben, welche in den Märztagen die Märtyrer der Freiheit gewesen, indem sie geplündert worden.

Piekas (Bohemien) beantragt eine gleiche Unterstützung für Prag. ‒ Brestls Antrag wird einstimmig unterstützt; nur Palacki (Bohemien) bleibt sitzen.

Brestl spricht für seinen Antrag. Die Minister Schwarzer und Krauß treten herein.

Goldmark. Der Antrag möge sogleich in Vollberathung genommen werden. (links unterstützt.)

Piekas. Er muß zuerst an die Finanzkommission, welche in 24 Stunden berichten soll. (Alle Bohemiens und der Renegat Schwarzer erheben sich dafür.)

Goldmark und Andere reden vergeblich gegen die 24 Stunden.

Hornbostel, Handelsminister. Wir haben 500,000 fl. zu obigem Zweck schon längst bewilligt, heute werden in der Angelegenheit Swoboda baare Entschädigungen gegeben werden, darum genügt es, die Sache zuerst an die Finanzkommission zu überreichen. (Man hört den Generalmarsch schlagen.)

Piekas Antrag wird angenommen. Die übrigen Minister sind unterdessen erschienen, werden aber mehrmals abgerufen; der Generalmarsch ertönt fort. Abgeordnete aus der Bukowina protestiren, daß in dem Ausschusse, der über die Entschädigungsfrage entscheiden soll, keiner aus ihrer Provinz ist.

Minister Wessenberg will die gestrige Interpellation hinsichtlich Italiens beantworten und zieht einen Zettel aus der Tasche, den er abliest. Niemand hört ein Wort.

Ein Abg. Lassen Sie durch einen andern Minister antworten.

Bach will sich des Zettels bemächtigen, aber Latour stürzt auf ihn ein und entreißt ihm denselben.

Latour (mit krächzender, kaum vernehmbarer Stimme.) Die Politik des Ministeriums in Italien…. Ehre und Würde des Kaiserreichs zu wahren … Das Vermittlungsanerbieten Frankreichs … angenommen. Das Ministerium wird Alles aufbieten, den Krieg zu vermeiden, jedoch die Nationalehre … Fürst Schwarzenberg ist zur Leitung der Angelegenheit zum Bevollmächtigten Oestreichs ernannt. Familienbande geben Modena gewisse Ansprüche auf Schutz …

Goldmark, nach einem Kampfe mit dem Präsidenten: Ich bin mit dieser Erklärung nicht zufrieden, das Ministerium muß uns die Papiere vorlegen; Familienrücksichten können und dürfen jetzt nicht mehr entscheiden.

Wessenberg, ohne Brille, das Bundestagsleichengesicht bekommt einiges Leben: Während der Verhandlung geschieht in keinem Lande eine Mittheilung an die Kammer.

Goldmark will antworten, ein Abg. ruft: zur Ordnung!

Goldmark: Ich lasse mich nicht zur Ordnung rufen.

Wessenberg. Ich habe noch eine Interpellation zu beantworten: liest; Niemand versteht ein Wort. Die Antwort betrifft ebenfalls die italienischen Angelegenheiten.

Neuwall. Die gestrigen Vorgänge sind durch eine neue Partei hervorgerufen; es sind Bürger von Wien, von denen sie ausgegangen, es müssen also gewichtige Ursachen vorliegen. Man hat für sie nie eine Stimme verlauten lassen, sondern immer nur für die Arbeiter; sie sind ebenso unglücklich als diese. Ein großer Theil der Arbeiter, auf welche Summen verschwendet wurden, ist nicht von hier gewesen; man hätte das Geld unter die Gewerbtreibenden vertheilen sollen. Er richtet in diesem Sinne eine lange Interpellation an den Handelsminister.

Hornbostel. Swobodas Privatleiha stalt ohne hypothekarische Sicherheit hat die Bürger Wiens in ihren Hoffnungen getäuscht; die Noth war so groß, daß sie nicht nach der Sicherheit gefragt, sondern für einen kleinen Einsatz ein Papier genommen haben, welches keinen Kours erlangen konnte. Wir haben umsonst Warnungen, selbst an Swoboda, erlassen.

Vorgestern schon habe man sich stürmisch an den Gemeindeausschuß und gestern mit Verübung von Gewaltthaten an den Minister des Innern gewendet. Der Nothstand sei schon vor dem März dagewesen, das Ministerium könne nichts zur Hebung der Gewerbe thun, nur das Vertrauen allein könne dies bewirken.

Löhner und Potocki wollen noch interpelliren. Einer ruft: Tagesordnung. Dieselbe wird angenommen.

Borrosch protestirt wider dies Verfahren.

Berichte über Wahlen. Es handelt sich von der Wahl des Abg. Karl Schneider aus Schlesien.

Schneider. Man hat protestirt, weil ich protestantischer Geistlicher bin, man ist von gewisser Seite erbost, daß auch meine Kirche einen Vertreter hier hat. Ich kenne mein Volk, mein Volk hat kein Mißtrauen wider euch. (Beifall.) Wird angenommen, nur die Bohemiens und Juden dagegen.

Präs. bringt den von Solinger fallen gelassenen, von dem Ritter von Lasser, dem Schnapphahnski des Reichstags, aber wieder aufgenommenen Antrag über ein Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung.

16 Redner sind für und gegen eingeschrieben.

Lasser erzählt, indem er aus einem dicken Hefte von der Tribüne abliest, in einer langen unausstehlich erbärmlichen Parabel den italienischen Krieg. Er macht dem Reichstag und besonders der Linken, auf die er immer hinsieht, die ungezogensten Vorwürfe darüber, daß sie den Solingerschen Antrag nicht mit Akklamation angenommen, sondern zur Tagesordnung verwiesen habe. Er wird mehrmals ermahnt, nicht abzulesen; die Kammer wird unruhig vor Langweile.

(Draußen wirbelt immerfort der Generalmarsch. Alle Minister bis auf Latour sind abwesend.)

[Schluß folgt.]

Wien, 12. Sept.

Eben erfahre ich, was um 2 Uhr vom ungarischen Ministerium an das hier residirende ungarische Ministerium des Aeußern aus Pesth mit Stafette anlangte: „Der Landtag hat sich permanent und insofern souverain erklärt, daß er die vom Könige nicht bestätigten neuen Gesetze als vollkommen gültig und bindend verkündet und die großartigsten Maßnahmen trifft, zur Vertheidigung und Rettung des Vaterlandes.“ ‒ Pesth ist ruhig. Nicht die mindeste Unordnung ist eingetreten, alles ist beschäftigt die Rüstungen, Werbungen etc. zu unterstützen.

(Od. Z.)
Wien, 13. Sept.

Neueste Nachrichten aus Pesth: „Provisorische Regierung. Kossuth an der Spitze.“ (Bedarf noch der Bestätigung.)

(Schl. Z.)
Wien.

Die Vereinbarung eines Krawalles ist gestern gänzlich mißglückt. Heute, am 14. September, lebt die Freiheit noch.

(Konstitution.)
Leipzig, 15. Sept.

Die von gestern aus Chemnitz eingegangenen Nachrichten bestätigen die Fortdauer der hergestellten Ruhe. Wie der „Chemnitzer Anzeiger“ sagt, sollen nicht wenig Mitglieder der Kommunalgarde, zwar ohne Binde und sonstige Armatur, allein mit dem Gewehr unter den Tumultuanten gesehen worden sein. Die Bürgerschule, aus der die Bänke zu den Barrikaden verwendet wurden, die Dietrich'sche Farbe und das Leistner'sche Haus in der Johannisgasse, das Hinterhaus von Wex und Lindner, wo die Handelsschule ist, und das Hösel'sche Haus werden als die bezeichnet, welche die meisten Zeichen der stattgehabten Kämpfe aufzuweisen haben. Die Kugeln stecken meist ziemlich hoch. Ueber den eigentlichen Zusammenhang der ganzen unseligen Vorgänge ist man noch unklar.

(D. A. Z.)
* Mainz, 12. Septbr.

In der östreichischen Armee, wenigstens in deren „deutschem Contingent“ zu Mainz, wie Herr Peucker fein unterscheidet, ist die Knute und das Spießruthenlaufen noch in schönster Blüthe. Wie ein Mainzer Blatt erzählt, sah man gestern in einem der verstecktesten Gräben hinter der Citadelle „unter strömendem Regen und unter still rieselnden Thränen“ eine schwankende Gestalt durch eine Reihe von 300 Soldaten sich bewegen, denen das Blut vom Rücken des Gefolterten ins Gesicht spritzte! Dicht an dieser Reihe standen 6 Bänke, auf denen eben so viele Soldaten lagen, auf die man unter den Flüchen eines Stabsoffiziers losschlug, der unter Androhung gleicher Strafe zur „Pflicht“ des „Dreinhauens“ anfeuerte. Und was hatten diese Unglücklichen verbrochen? Beim Baue des Kugelfängers am Artillerieubungsplatze akkordirte der bauführende Offizier mit den Leuten wegen der Arbeit; als diese nun fertig war, verlangte er noch weiteres Arbeiten, und als sie aus Müdigkeit nicht auf der Stelle diesem Befehle nachkamen, gerieht der Offizier in Zorn, ließ jene 6 Leute in Stockhausarrest abführen, wo sie 8 Tagen wie verschollen saßen, bis gestern ein Korporal Ordre erhielt, Haselstöcke einzukaufen, mit denen dann jene Schreckensscene im alten Style vollführt ward.

8 Dortmund, 16. Sept.

Unser politisches Duselleben ist in ein neues Stadium getreten. Am 15. hatten wir nämlich das Vergnügen, die „Landeskulturgesellschaft“ in festlicher Weise hier versammelt zu sehen. Hiermit war eine Thierschau von Ochsen und Kälbern verbunden und Gleichgesinnte hatten sich in Menge angeschlossen. Unsere Reaktion ist nicht so dumm wie sie aussieht. Sie weiß selbst das gemüthliche Stelldichein von allerlei Rindvieh für ihre politischen Zwecke zu benutzen. Wenn unsere „Familienväter“, unsere „Männer des Rechts“, selbst unsere „greisen Krieger“ noch eine gewisse konstitutionelle Decenz zu beobachten für schicklich erachten, so halten dagegen unsre Ochsen und Schafzüchter es mit Recht für zeitgemäß, jede lästige Maske abzuthun und mit teutoburgischer Biedermännlichkeit vorzugehen. Beim festlichen Mahle nahm zuerst der Präsident, Kammerherr v. Bodelschwingh das Wort und sprach: „der König soll leben. Die Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt sind aus Neuerungen hervorgegangen. Wir halten am Alten, an unsern bethürmten Burgen und Höfen. (Mit erhobener Stimme.) Wir wollen zum Alten zurückkehren. Der König Hoch!“ (Donnerndes Hoch.)

Freiherr von Lilien-Borch: der Landwirthschaft ein Hoch!

Der Justizkommissar Spemann aus Dortmund: „das Jahr 1848 hat fürchterliche Mißverhältnisse hervorgerufen. Doch die Grafschaft Mark hat sich in schlimmeren Jahren treu und bewährt gezeigt. Am 18. März hat man den Bruder vom Bruder getrennt. Gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit gesündigt. Doch das bleibe dahingestellt ‒ deßhalb lebe Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen hoch“ (Brüllendes Hoch.)

Ein Unbekannter: „Mir wird sehr übel“ (faktisch).

Pastor Bäumer: „Das Stämmchen der Freiheit kann weder in Berlin noch in Frankfurt zum Stamme gedeihen, weil keine Grundbesitzer dort sind. Der Grundbesitzer wird allein vom wahren Rechte geleitet; er allein kennt den Rechtsboden. Daher lebe der Rechtsboden! “ (Rauschender Beifall.)

Ein Unbekannter mit rothem Gesichte und sehr großem Barte (wüthend): „Donnerwetter, ja! Der gute alte Rechtsboden soll leben!“

(Jetzt erhebt sich von allen Seiten ein großes Geschrei nach dem Rechtsboden)

Landrath Pilgrim: „Dem ältesten Mitgliede der Landwirthschaft, dem würdigen, von dem Feuer der Jugend (der Betoastete ist ca. 72 Jahre alt) beseelten Freiherrn v. Lilien-Borch ein Lebehoch!“

Hr. Lilien-Borch kann vor Dankbarkeit und Freude sich nicht verständlich machen.

Schulte Mehring aus Mengede: „Die Leute, welche zum Vereinbaren in Berlin und Frankfurt zusammen sind, sollen leben!“ (Grausige Todtenstille.)

Oekonom Bölling aus Nette: „Ein Hoch den sparsamen Hausfrauen!“ (Hr. Bölling ist ein großer Franzosenfresser und Champagnertrinker.)

Landrath v. Schade aus Lippstadt: „Alle Männer, welche für König und Vaterland und deren Nützlichkeit streiten wollen, sollen leben!“ (Hurrah!)

Jetzt erhob sich der berühmte Schullehrer von Lindenhorst und hielt einen gelehrten Vortrag über Agri- und Horticultur, Mythologie und Staatsformen. Nachdem er bis zur Hertha und zum Diocletian gekommen war, wurde durch Akklamation beschlossen, zur Thierschau zu wandern. Die Musik setzte sich an die Spitze des gemüthlichen Thierschau-Zuges. Draußen angekommen, nahm Landrath Pilgrim noch einmal das Wort. Seine Rede begann also: „Das Rindvieh ‒ die Schaukommission ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒

34 Bielefeld, 18. Septbr.

Seit heute kann auch Bielefeld von „Bewegungen“ sprechen. Am verflossenen Montag hatten die Arbeiter einen Aufzug mit Musik zu Ehren ihres vom Gesellen-Congreß heimgekehrten Deputirten gehalten; diese Demonstration schien den braven Bürgern ein sehr gefährliches Revolutionsgelüste, und so kam es, daß ein loyaler Baumeister einigen seiner Arbeiter die daran Theil genommen, für das Versäumniß einen Tag am Lohne abzog und dieselben aus dem Dienste entließ. In Folge dessen zogen nun heute Abend etwa 200 Gesellen und sonstige Arbeiter vor die Wohnung des Baumeisters und schickten demselben eine Deputation mit der Aufforderung den abgezogenen Tagelohn den Arbeitern zu vergüten und selbige wieder in Dienst zu nehmen. Der Herr schlug dies ab, und die versammelte Menge suchte den Lohnabzug wenigstens durch zertrümmerte Fensterscheiben auszugleichen. Nachdem der Trupp abgezogen und Alles ruhig war, erschien wie gewöhnlich die polizeilüsterne Bürgerwehr und verhaftete zwei beliebige vorübergehende Individuen. Mit dieser Heldenthat ist die „Ordnung“ in Bielefeld wieder hergestellt.

Italien.
*
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        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 106 der Neuen Rheinischen Zeitung. </titlePart>
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          <docDate>Dienstag, 19. September 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Volksversammlung in Worringen.)                     Frankfurt. (Debatte in der Nat.-Vers. über den Waffenstillstand. &#x2012; Unruhen.)                     Berlin. (Die Krisis.) Wien. (Aufstand. &#x2012; Der Reichstag in Permanenz. &#x2012; Nachricht                     aus Ungarn.) Leipzig. (Aus Chemnitz.) Mainz (Spießruthen.) Dortmund.                     (Thierschau.) Bielefeld. (Unruhen.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Messinesische Flüchtlinge auf der franz.                     Flotte. &#x2012; Der franz. Gesandte. &#x2012; Albini bei Ankona.</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Die                     Departementalkommissäre. &#x2012; National-Versammlung. &#x2012; Cavaignac's Vater.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Der Aufstand in Tipperary                     unterdrückt.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Portugal.</hi> (Cholera-Angst. &#x2012; Der englische                     Handelsvertrag.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika.</hi> (Die Präsidentschaft. &#x2012; Mexico ruhig.)</p>
        <p> <hi rendition="#g">Handelsnachrichten.</hi> </p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar106b_001" type="jArticle">
          <p>gen verschwunden; man begrüßt sich gegenseitig sehr freundschaftlichst und                         die Soldaten verschmähen es selbst nicht, in den Klubs die Rednertribüne zu                         besteigen und ihre Zuneigung zu den neuen Ideen öffentlich und feierlichst                         auszusprechen.</p>
          <p>Um diese Verhältnisse für die Zukunft zu sichern und die                         freund-freundschaftlichen Bande zwischen Volk und Militär noch fester zu                         knüpfen, hat der Bürgerwehr-Klub ein großes <hi rendition="#g">Verbrüderungsfest</hi> zu morgen Nachmittag veranstaltet. Man hofft,                         daß sich viele Tausende dazu einfinden werden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 12. Sept. </head>
          <p>Abends. Die Stadt ist noch immer in steigender Aufregung. Sämmtliche zu dem                         Ministerium des Innern führende Straßen sind seit 3 Uhr durch die Legion und                         Nationalgarde abgesperrt. Gegen die Nationalgarde des Wimmer- und                         Schotten-Viertels (innere Stadt) sind Thätlichkeiten verübt worden.                         Dobblhoff hat einen neuen Aufruf an das Volk erlassen, worin er um                         Aufrechthaltung der Ruhe recht zitternd nachsucht. Zu den Thoren strömten                         gegen Abend Menschenmassen aus den Vorstädten herein; man befürchtete eine                         Sturmpetition wider das Ministerium und das Gerücht verbreitete sich, ein                         Theil der Bürgerschaft habe sich nach Schönbrunn begeben. Gegen 8 Uhr wurden                         alle Thore der innern Stadt verschlossen und niemand hereingelassen, der                         nicht seine Wohnung anzugeben vermochte. Swoboda, durch dessen Unternehmen                         die Aufregung veranlaßt ist, soll sich freiwillig den Gerichten gestellt                         haben. Man beschuldigt ihn der Unterschlagung aller für die Aktien                         eingegangenen Gelder; einige sagen sogar, Jellachich habe dieselben                         bekommen. Swoboda gründete nämlich einen Aushülfsverein für Gewerbtreibende                         und emittirte Aktien; der Kaiser betheiligte sich dabei und nun will das                         Volk, daß die Minister die Verantwortlichkeit dieses seine Hoffnungen nicht                         realisirenden Unternehmens tragen und dasselbe bei der Zahlungsunfähigkeit                         Swoboda's insofern garantiren sollen, daß die Aktien an allen öffentlichen                         Kassen wie baares Geld angenommen würden. Dobblhoff hat sich im Bürgerstande                         besonders dadurch verdächtigt, daß er schon vom Morgen an einen ergebenen                         Theil der Bürgerwehr in den Kellern des Ministerialgebäudes versteckt                         gehalten und dieselben nun beim Eindringen des Volks in das Gebäude zum                         Vorschein hat kommen lassen. Der Stephansdom ist von der Nationalgarde                         umstellt, um Sturmläuten zu verhüten; in der aufgeregten Masse sprach man                         von Barrikadenbauen. Alle öffentlichen Plätze sind von der Nationalgarde                         besetzt.</p>
          <p>Wie ich höre, soll Jellachich von Radetzky 1 Mill. Fl. K. M. erhalten haben.                         Von Grätz aus sollen demselben in Zuckerfässern Brandraketen zugesendet                         worden sein. </p>
          <p>13. September. Ich komme eben (12 Uhr) aus der 41. Sitzung des Reichstags.                         Die Debatten waren äußerst stürmisch. Es wurden die italienischen                         Interpellationen beantwortet, worauf der früher Selinger'sche, nun                         Sraßer'sche Antrag auf ein Dankesvotum an die italienische Armee zur                         Berathung kam. Graf Borkowski, Wieland, Füster sprachen unter dem                         allgemeinsten Beifall der Versammlung dagegen. Unter der Rede Borkowski's                         erhob sich der Kriegsminister Latour mit dem Zornesantlitz des Mars und                         wollte, daß der Präsident den Redner zum Schweigen bringe. Es entstand ein                         Tumult, viele Redner schrieen, daß Latour zur Ordnung gerufen werde, der                         Präsident that es mit glatten Worten. Die Wirbel des Generalmarsch's                         schlugen während des ganzen Morgens, die Aufregung ist seit gestern                         fortwährend im Steigen; die Aula ist versammelt, Menschenmassen füllen alle                         Straßen; das Volk strömt zu den Linien herein. &#x2012; Der Reichstag wollte eben                         die Sitzung schließen, als der Kriegsminister &#x2012; die andern Minister hatten                         sich längst entfernt &#x2012; die Erklärung abgab, die Nationalgarde weigere sich,                         anszurücken, die akademische Legion beabsichtige um 4 Uhr Ministerium und                         Reichstag zu stürzen, er müsse zu ihrem Schutz das Militär einrücken                         lassen.</p>
          <p>Löhner stellte sofort den Antrag, daß der Reichstag sich für permanent                         erkläre. Es geschieht. In dem Augenblicke meines Austritts sprach der                         Abgeordnete Goldmark über die italienische Angelegenheit. Der Antrag                         Selinger-Straßer wird verworfen werden.</p>
          <p>Die Aufregung in der Aula hat theilweise auch die von der Nationalgarde                         gestern Abend wider einen Studenten verübte Mißhandlung zum Grunde. Das                         Schlimmste steht zu befürchten, wenn Gewaltthaten geschehen, denn wir leben                         in einem wahren Chaos von politischen, sozialen und nationalen                         Meinungen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 13. Sept. </head>
          <p>6 1/2 Uhr. Die Bewegung verwandelt sich immer mehr in einem Aufstand. Man                         verlangt den <hi rendition="#g">Sicherheitsausschuß wiederhergestellt; </hi> gedruckte <hi rendition="#g">Zettel</hi> werden zu diesem Zwecke unter die                         Menge vertheilt.</p>
          <p>Es hat sich ausgewiesen, daß die Beschuldigung des Kriegsministers, die Aula                         wolle den Reichstag sprengen, eine Erfindung gewesen. Seien Sie versichert,                         die Reaktion will heute einen kühnen Streich führen; Latour ging, wie ein                         Tiger gereizt, aus dem Sitzungssaal des Reichstags, er wird Rache nehmen.                         Das Militär rückt an, die Nationalgarde und Legion sind überall aufgestellt,                         erstere ist getheilter Meinung. Am Judenplatze ist es vor dem Gebäude des                         Ministeriums des Innern zu einem Angriff gekommen; die Entwaffnung konnte                         aber nicht erzielt werden. Vor dem Kriegsgebäude soll es nach dem Reichstag                         zugegangenen Berichten ebenfalls zum Angriff gekommen sein. Barrikaden, so                         heißt es allgemein, sind erbaut worden. Der Reichstag hält Rath, ob der                         Sicherheitsausschuß wieder herzustellen sei.</p>
          <p>Die Nacht wird, bricht der Kampf los, schrecklich werden. Aus Pesth sind noch                         keine bestimmten Nachrichten da, die Stimmung der Stadt soll aber                         außerordentlich sein. Hier sind alle Läden geschlossen, man kann vor                         Bewaffneten nirgendwo durch.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 13. Sept.</head>
          <p>41. Reichstagssitzung. Anfang 9 1/2 Uhr. Vorsitz. <hi rendition="#g">Strobach.</hi> Keine Minister.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> beantragt, heute Nachmittag die Neuwahl des                         Präsidiums vorzunehmen, er zeigt an, das Justiz-Ministerium habe in                         Beziehung auf die 500 italienischen Gefangenen in Szezedin Schriften auf den                         Tisch des Hauses niedergelegt.</p>
          <p>Urlaube werden ertheilt.</p>
          <p>Eingaben werden verlesen. Darunter eine aus Köln wegen Verbesserung des                         Volksschulwesens und Dobblhoffs Entwurf zur Provinzialverfassung Schlesiens.                         Einige Gemeinden petiren um Beibehaltung der Privilegien der                         Gewerbetreibenden. Die Stadt Wien petirt um Maßregeln zur Aufrechthaltung                         von Ruhe und Ordnung.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präs.</hi> Der Abg. <hi rendition="#g">Brestl</hi> hat                         einen dringenden Antrag überreicht:</p>
          <p>&#x201E;Der Reichstag möge beschließen, daß wegen der mißlichen Verhältnisse der                         Gewerbetreibenden der Hauptstadt und weil dieselben der Freiheit die                         uneigennützigsten Opfer gebracht, dem Ministerium des Handels ein Kredit von                         2 Mill. fl. eröffnet werde.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Dylewski</hi> (der schon eine Ernennung des Ministeriums                         für seine absolutistischen Dienste in der Tasche hat) sieht darin einen                         Parteiantrag.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pillersdorf</hi> bedauert, daß Brestl ihn zur                         Unterzeichnung des Antrags nicht eingeladen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> will denselben auch auf die Bewohner von 5                         und 6 Haus (Proletariat) ausgedehnt haben, welche in den Märztagen die                         Märtyrer der Freiheit gewesen, indem sie geplündert worden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Piekas</hi> (Bohemien) beantragt eine gleiche                         Unterstützung für Prag. &#x2012; Brestls Antrag wird einstimmig unterstützt; nur                         Palacki (Bohemien) bleibt sitzen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Brestl</hi> spricht für seinen Antrag. Die Minister                         Schwarzer und Krauß treten herein.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark.</hi> Der Antrag möge sogleich in Vollberathung                         genommen werden. (links unterstützt.) </p>
          <p><hi rendition="#g">Piekas. </hi> Er muß zuerst an die Finanzkommission,                         welche in 24 Stunden berichten soll. (Alle Bohemiens und der Renegat                         Schwarzer erheben sich dafür.) </p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> und Andere reden vergeblich gegen die 24                         Stunden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Hornbostel, </hi> Handelsminister. Wir haben 500,000 fl.                         zu obigem Zweck schon längst bewilligt, heute werden in der Angelegenheit                         Swoboda baare Entschädigungen gegeben werden, darum genügt es, die Sache                         zuerst an die Finanzkommission zu überreichen. (Man hört den Generalmarsch                         schlagen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Piekas</hi> Antrag wird angenommen. Die übrigen Minister                         sind unterdessen erschienen, werden aber mehrmals abgerufen; der                         Generalmarsch ertönt fort. Abgeordnete aus der Bukowina protestiren, daß in                         dem Ausschusse, der über die Entschädigungsfrage entscheiden soll, keiner                         aus ihrer Provinz ist.</p>
          <p>Minister <hi rendition="#g">Wessenberg</hi> will die gestrige Interpellation                         hinsichtlich Italiens beantworten und zieht einen Zettel aus der Tasche, den                         er abliest. Niemand hört ein Wort.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ein Abg. </hi> Lassen Sie durch einen andern Minister                         antworten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bach</hi> will sich des Zettels bemächtigen, aber Latour                         stürzt auf ihn ein und entreißt ihm denselben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Latour</hi> (mit krächzender, kaum vernehmbarer Stimme.)                         Die Politik des Ministeriums in Italien&#x2026;. Ehre und Würde des Kaiserreichs zu                         wahren &#x2026; Das Vermittlungsanerbieten Frankreichs &#x2026; angenommen. Das                         Ministerium wird Alles aufbieten, den Krieg zu vermeiden, jedoch die                         Nationalehre &#x2026; Fürst Schwarzenberg ist zur Leitung der Angelegenheit zum                         Bevollmächtigten Oestreichs ernannt. Familienbande geben Modena gewisse                         Ansprüche auf Schutz &#x2026;</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark,</hi> nach einem Kampfe mit dem Präsidenten: Ich                         bin mit dieser Erklärung nicht zufrieden, das Ministerium muß uns die                         Papiere vorlegen; Familienrücksichten können und dürfen jetzt nicht mehr                         entscheiden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wessenberg, </hi> ohne Brille, das                         Bundestagsleichengesicht bekommt einiges Leben: Während der Verhandlung                         geschieht in keinem Lande eine Mittheilung an die Kammer.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> will antworten, ein Abg. ruft: zur                         Ordnung!</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark:</hi> Ich lasse mich nicht zur Ordnung rufen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wessenberg.</hi> Ich habe noch eine Interpellation zu                         beantworten: liest; Niemand versteht ein Wort. Die Antwort betrifft                         ebenfalls die italienischen Angelegenheiten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Neuwall.</hi> Die gestrigen Vorgänge sind durch eine neue                         Partei hervorgerufen; es sind Bürger von Wien, von denen sie ausgegangen, es                         müssen also gewichtige Ursachen vorliegen. Man hat für sie nie eine Stimme                         verlauten lassen, sondern immer nur für die Arbeiter; sie sind ebenso                         unglücklich als diese. Ein großer Theil der Arbeiter, auf welche Summen                         verschwendet wurden, ist nicht von hier gewesen; man hätte das Geld unter                         die Gewerbtreibenden vertheilen sollen. Er richtet in diesem Sinne eine                         lange Interpellation an den Handelsminister.</p>
          <p><hi rendition="#g">Hornbostel.</hi> Swobodas Privatleiha stalt ohne                         hypothekarische Sicherheit hat die Bürger Wiens in ihren Hoffnungen                         getäuscht; die Noth war so groß, daß sie nicht nach der Sicherheit gefragt,                         sondern für einen kleinen Einsatz ein Papier genommen haben, welches keinen                         Kours erlangen konnte. Wir haben umsonst Warnungen, selbst an Swoboda,                         erlassen.</p>
          <p>Vorgestern schon habe man sich stürmisch an den Gemeindeausschuß und gestern                         mit Verübung von Gewaltthaten an den Minister des Innern gewendet. Der                         Nothstand sei schon vor dem März dagewesen, das Ministerium könne nichts zur                         Hebung der Gewerbe thun, nur das Vertrauen allein könne dies bewirken.</p>
          <p><hi rendition="#g">Löhner</hi> und <hi rendition="#g">Potocki</hi> wollen                         noch interpelliren. Einer ruft: Tagesordnung. Dieselbe wird angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> protestirt wider dies Verfahren.</p>
          <p>Berichte über Wahlen. Es handelt sich von der Wahl des Abg. Karl Schneider                         aus Schlesien.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schneider.</hi> Man hat protestirt, weil ich                         protestantischer Geistlicher bin, man ist von gewisser Seite erbost, daß                         auch meine Kirche einen Vertreter hier hat. Ich kenne mein Volk, mein Volk                         hat kein Mißtrauen wider euch. (Beifall.) Wird angenommen, nur die Bohemiens                         und Juden dagegen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präs.</hi> bringt den von <hi rendition="#g">Solinger</hi> fallen gelassenen, von dem Ritter von <hi rendition="#g">Lasser,</hi> dem                         Schnapphahnski des Reichstags, aber wieder aufgenommenen Antrag über ein                         Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung.</p>
          <p>16 Redner sind für und gegen eingeschrieben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Lasser</hi> erzählt, indem er aus einem dicken Hefte von                         der Tribüne abliest, in einer langen unausstehlich erbärmlichen Parabel den                         italienischen Krieg. Er macht dem Reichstag und besonders der Linken, auf                         die er immer hinsieht, die ungezogensten Vorwürfe darüber, daß sie den                         Solingerschen Antrag nicht mit Akklamation angenommen, sondern zur                         Tagesordnung verwiesen habe. Er wird mehrmals ermahnt, nicht abzulesen; die                         Kammer wird unruhig vor Langweile.</p>
          <p>(Draußen wirbelt immerfort der Generalmarsch. Alle Minister bis auf Latour                         sind abwesend.)</p>
          <p>
            <ref type="link">[Schluß folgt.]</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_005" type="jArticle">
          <head>Wien, 12. Sept.</head>
          <p>Eben erfahre ich, was um 2 Uhr vom ungarischen Ministerium an das hier                         residirende ungarische Ministerium des Aeußern aus Pesth mit Stafette                         anlangte: &#x201E;Der Landtag hat sich permanent und insofern souverain erklärt,                         daß er die vom Könige nicht bestätigten neuen Gesetze als vollkommen gültig                         und bindend verkündet und die großartigsten Maßnahmen trifft, zur                         Vertheidigung und Rettung des Vaterlandes.&#x201C; &#x2012; Pesth ist ruhig. Nicht die                         mindeste Unordnung ist eingetreten, alles ist beschäftigt die Rüstungen,                         Werbungen etc. zu unterstützen.</p>
          <bibl>(Od. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_006" type="jArticle">
          <head>Wien, 13. Sept.</head>
          <p>Neueste Nachrichten aus Pesth: &#x201E;Provisorische Regierung. Kossuth an der                         Spitze.&#x201C; (Bedarf noch der Bestätigung.)</p>
          <bibl> (Schl. Z.) </bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_007" type="jArticle">
          <head>Wien.</head>
          <p>Die Vereinbarung eines Krawalles ist gestern gänzlich mißglückt. Heute, am                         14. September, lebt die Freiheit noch.</p>
          <bibl>(Konstitution.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_008" type="jArticle">
          <head>Leipzig, 15. Sept.</head>
          <p>Die von gestern aus <hi rendition="#g">Chemnitz</hi> eingegangenen                         Nachrichten bestätigen die Fortdauer der hergestellten Ruhe. Wie der                         &#x201E;Chemnitzer Anzeiger&#x201C; sagt, sollen nicht wenig Mitglieder der Kommunalgarde,                         zwar ohne Binde und sonstige Armatur, allein mit dem Gewehr unter den                         Tumultuanten gesehen worden sein. Die Bürgerschule, aus der die Bänke zu den                         Barrikaden verwendet wurden, die Dietrich'sche Farbe und das Leistner'sche                         Haus in der Johannisgasse, das Hinterhaus von Wex und Lindner, wo die                         Handelsschule ist, und das Hösel'sche Haus werden als die bezeichnet, welche                         die meisten Zeichen der stattgehabten Kämpfe aufzuweisen haben. Die Kugeln                         stecken meist ziemlich hoch. Ueber den eigentlichen Zusammenhang der ganzen                         unseligen Vorgänge ist man noch unklar.</p>
          <bibl>(D. A. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Mainz, 12. Septbr.</head>
          <p>In der östreichischen Armee, wenigstens in deren &#x201E;deutschem Contingent&#x201C; zu                         Mainz, wie Herr Peucker fein unterscheidet, ist die Knute und das                         Spießruthenlaufen noch in schönster Blüthe. Wie ein Mainzer Blatt erzählt,                         sah man gestern in einem der verstecktesten Gräben hinter der Citadelle                         &#x201E;unter strömendem Regen und unter still rieselnden Thränen&#x201C; eine schwankende                         Gestalt durch eine Reihe von 300 Soldaten sich bewegen, denen das Blut vom                         Rücken des Gefolterten ins Gesicht spritzte! Dicht an dieser Reihe standen 6                         Bänke, auf denen eben so viele Soldaten lagen, auf die man unter den Flüchen                         eines Stabsoffiziers losschlug, der unter Androhung gleicher Strafe zur                         &#x201E;Pflicht&#x201C; des &#x201E;Dreinhauens&#x201C; anfeuerte. Und was hatten diese Unglücklichen                         verbrochen? Beim Baue des Kugelfängers am Artillerieubungsplatze akkordirte                         der bauführende Offizier mit den Leuten wegen der Arbeit; als diese nun                         fertig war, verlangte er noch weiteres Arbeiten, und als sie aus Müdigkeit                         nicht auf der Stelle diesem Befehle nachkamen, gerieht der Offizier in Zorn,                         ließ jene 6 Leute in Stockhausarrest abführen, wo sie 8 Tagen wie                         verschollen saßen, bis gestern ein Korporal Ordre erhielt, Haselstöcke                         einzukaufen, mit denen dann jene Schreckensscene im alten Style vollführt                         ward.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>8</author></bibl> Dortmund, 16. Sept.</head>
          <p>Unser politisches Duselleben ist in ein neues Stadium getreten. Am 15. hatten                         wir nämlich das Vergnügen, die &#x201E;Landeskulturgesellschaft&#x201C; in festlicher                         Weise hier versammelt zu sehen. Hiermit war eine Thierschau von Ochsen und                         Kälbern verbunden und Gleichgesinnte hatten sich in Menge angeschlossen.                         Unsere Reaktion ist nicht so dumm wie sie aussieht. Sie weiß selbst das                         gemüthliche Stelldichein von allerlei Rindvieh für ihre politischen Zwecke                         zu benutzen. Wenn unsere &#x201E;Familienväter&#x201C;, unsere &#x201E;Männer des Rechts&#x201C;, selbst                         unsere &#x201E;greisen Krieger&#x201C; noch eine gewisse konstitutionelle Decenz zu                         beobachten für schicklich erachten, so halten dagegen unsre Ochsen und                         Schafzüchter es mit Recht für zeitgemäß, jede lästige Maske abzuthun und mit                         teutoburgischer Biedermännlichkeit vorzugehen. Beim festlichen Mahle nahm                         zuerst der Präsident, Kammerherr v. Bodelschwingh das Wort und sprach: &#x201E;der                         König soll leben. Die Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt sind aus                         Neuerungen hervorgegangen. Wir halten am Alten, an unsern bethürmten Burgen                         und Höfen. (Mit erhobener Stimme.) Wir wollen zum Alten zurückkehren. Der                         König Hoch!&#x201C; (Donnerndes Hoch.) </p>
          <p>Freiherr von Lilien-Borch: der Landwirthschaft ein Hoch!</p>
          <p>Der Justizkommissar Spemann aus Dortmund: &#x201E;das Jahr 1848 hat fürchterliche                         Mißverhältnisse hervorgerufen. Doch die Grafschaft Mark hat sich in                         schlimmeren Jahren treu und bewährt gezeigt. Am 18. März hat man den Bruder                         vom Bruder getrennt. Gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit gesündigt.                         Doch das bleibe dahingestellt &#x2012; <hi rendition="#g">deßhalb</hi> lebe Se.                         Königl. Hoheit der Prinz von Preußen hoch&#x201C; (Brüllendes Hoch.)</p>
          <p>Ein Unbekannter: &#x201E;Mir wird sehr übel&#x201C; (faktisch).</p>
          <p>Pastor Bäumer: &#x201E;Das Stämmchen der Freiheit kann weder in Berlin noch in                         Frankfurt zum Stamme gedeihen, weil keine Grundbesitzer dort sind. Der                         Grundbesitzer wird allein vom wahren Rechte geleitet; er allein kennt den                         Rechtsboden. Daher lebe der Rechtsboden! &#x201C; (Rauschender Beifall.) </p>
          <p>Ein Unbekannter mit rothem Gesichte und sehr großem Barte (wüthend):                         &#x201E;Donnerwetter, ja! Der gute alte Rechtsboden soll leben!&#x201C;</p>
          <p>(Jetzt erhebt sich von allen Seiten ein großes Geschrei nach dem Rechtsboden) </p>
          <p>Landrath Pilgrim: &#x201E;Dem ältesten Mitgliede der <hi rendition="#g">Landwirthschaft,</hi> dem würdigen, von dem Feuer der Jugend (der                         Betoastete ist ca. 72 Jahre alt) beseelten Freiherrn v. Lilien-Borch ein                         Lebehoch!&#x201C;</p>
          <p>Hr. Lilien-Borch kann vor Dankbarkeit und Freude sich nicht verständlich                         machen.</p>
          <p>Schulte Mehring aus Mengede: &#x201E;<hi rendition="#g">Die Leute,</hi> welche zum <hi rendition="#g">Vereinbaren</hi> in Berlin und Frankfurt zusammen                         sind, sollen leben!&#x201C; (Grausige Todtenstille.) </p>
          <p>Oekonom Bölling aus Nette: &#x201E;Ein Hoch den sparsamen Hausfrauen!&#x201C; (Hr. Bölling                         ist ein großer Franzosenfresser und Champagnertrinker.) </p>
          <p>Landrath v. Schade aus Lippstadt: &#x201E;Alle Männer, welche für König und                         Vaterland und <hi rendition="#g">deren Nützlichkeit</hi> streiten wollen,                         sollen leben!&#x201C; (Hurrah!) </p>
          <p>Jetzt erhob sich der berühmte Schullehrer von Lindenhorst und hielt einen                         gelehrten Vortrag über Agri- und Horticultur, Mythologie und Staatsformen.                         Nachdem er bis zur Hertha und zum Diocletian gekommen war, wurde durch                         Akklamation beschlossen, zur Thierschau zu wandern. Die Musik setzte sich an                         die Spitze des gemüthlichen Thierschau-Zuges. Draußen angekommen, nahm                         Landrath Pilgrim noch einmal das Wort. Seine Rede begann also: &#x201E;Das Rindvieh                         &#x2012; die Schaukommission &#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;&#x2012;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar106b_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>34</author></bibl> Bielefeld, 18. Septbr.</head>
          <p>Seit heute kann auch Bielefeld von &#x201E;Bewegungen&#x201C; sprechen. Am verflossenen                         Montag hatten die Arbeiter einen Aufzug mit Musik zu Ehren ihres vom                         Gesellen-Congreß heimgekehrten Deputirten gehalten; diese Demonstration                         schien den braven Bürgern ein sehr gefährliches Revolutionsgelüste, und so                         kam es, daß ein loyaler Baumeister einigen seiner Arbeiter die daran Theil                         genommen, für das Versäumniß einen Tag am Lohne abzog und dieselben aus dem                         Dienste entließ. In Folge dessen zogen nun heute Abend etwa 200 Gesellen und                         sonstige Arbeiter vor die Wohnung des Baumeisters und schickten demselben                         eine Deputation mit der Aufforderung den abgezogenen Tagelohn den Arbeitern                         zu vergüten und selbige wieder in Dienst zu nehmen. Der Herr schlug dies ab,                         und die versammelte Menge suchte den Lohnabzug wenigstens durch zertrümmerte                         Fensterscheiben auszugleichen. Nachdem der Trupp abgezogen und Alles ruhig                         war, erschien wie gewöhnlich die polizeilüsterne Bürgerwehr und verhaftete                         zwei beliebige vorübergehende Individuen. Mit dieser Heldenthat ist die                         &#x201E;Ordnung&#x201C; in Bielefeld wieder hergestellt.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar106b_012_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Italien. 19. September 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 723.</bibl>                </note>
          <head>
            <bibl>
              <author>*</author>
            </bibl>
          </head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
      </div>
    </body>
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[0529/0001] Beilage zu Nr. 106 der Neuen Rheinischen Zeitung. Dienstag, 19. September 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Volksversammlung in Worringen.) Frankfurt. (Debatte in der Nat.-Vers. über den Waffenstillstand. ‒ Unruhen.) Berlin. (Die Krisis.) Wien. (Aufstand. ‒ Der Reichstag in Permanenz. ‒ Nachricht aus Ungarn.) Leipzig. (Aus Chemnitz.) Mainz (Spießruthen.) Dortmund. (Thierschau.) Bielefeld. (Unruhen.) Italien. (Messinesische Flüchtlinge auf der franz. Flotte. ‒ Der franz. Gesandte. ‒ Albini bei Ankona. Französische Republik. Paris. (Die Departementalkommissäre. ‒ National-Versammlung. ‒ Cavaignac's Vater.) Großbritannien. London. (Der Aufstand in Tipperary unterdrückt.) Portugal. (Cholera-Angst. ‒ Der englische Handelsvertrag.) Amerika. (Die Präsidentschaft. ‒ Mexico ruhig.) Handelsnachrichten. [Deutschland] gen verschwunden; man begrüßt sich gegenseitig sehr freundschaftlichst und die Soldaten verschmähen es selbst nicht, in den Klubs die Rednertribüne zu besteigen und ihre Zuneigung zu den neuen Ideen öffentlich und feierlichst auszusprechen. Um diese Verhältnisse für die Zukunft zu sichern und die freund-freundschaftlichen Bande zwischen Volk und Militär noch fester zu knüpfen, hat der Bürgerwehr-Klub ein großes Verbrüderungsfest zu morgen Nachmittag veranstaltet. Man hofft, daß sich viele Tausende dazu einfinden werden. 61 Wien, 12. Sept. Abends. Die Stadt ist noch immer in steigender Aufregung. Sämmtliche zu dem Ministerium des Innern führende Straßen sind seit 3 Uhr durch die Legion und Nationalgarde abgesperrt. Gegen die Nationalgarde des Wimmer- und Schotten-Viertels (innere Stadt) sind Thätlichkeiten verübt worden. Dobblhoff hat einen neuen Aufruf an das Volk erlassen, worin er um Aufrechthaltung der Ruhe recht zitternd nachsucht. Zu den Thoren strömten gegen Abend Menschenmassen aus den Vorstädten herein; man befürchtete eine Sturmpetition wider das Ministerium und das Gerücht verbreitete sich, ein Theil der Bürgerschaft habe sich nach Schönbrunn begeben. Gegen 8 Uhr wurden alle Thore der innern Stadt verschlossen und niemand hereingelassen, der nicht seine Wohnung anzugeben vermochte. Swoboda, durch dessen Unternehmen die Aufregung veranlaßt ist, soll sich freiwillig den Gerichten gestellt haben. Man beschuldigt ihn der Unterschlagung aller für die Aktien eingegangenen Gelder; einige sagen sogar, Jellachich habe dieselben bekommen. Swoboda gründete nämlich einen Aushülfsverein für Gewerbtreibende und emittirte Aktien; der Kaiser betheiligte sich dabei und nun will das Volk, daß die Minister die Verantwortlichkeit dieses seine Hoffnungen nicht realisirenden Unternehmens tragen und dasselbe bei der Zahlungsunfähigkeit Swoboda's insofern garantiren sollen, daß die Aktien an allen öffentlichen Kassen wie baares Geld angenommen würden. Dobblhoff hat sich im Bürgerstande besonders dadurch verdächtigt, daß er schon vom Morgen an einen ergebenen Theil der Bürgerwehr in den Kellern des Ministerialgebäudes versteckt gehalten und dieselben nun beim Eindringen des Volks in das Gebäude zum Vorschein hat kommen lassen. Der Stephansdom ist von der Nationalgarde umstellt, um Sturmläuten zu verhüten; in der aufgeregten Masse sprach man von Barrikadenbauen. Alle öffentlichen Plätze sind von der Nationalgarde besetzt. Wie ich höre, soll Jellachich von Radetzky 1 Mill. Fl. K. M. erhalten haben. Von Grätz aus sollen demselben in Zuckerfässern Brandraketen zugesendet worden sein. 13. September. Ich komme eben (12 Uhr) aus der 41. Sitzung des Reichstags. Die Debatten waren äußerst stürmisch. Es wurden die italienischen Interpellationen beantwortet, worauf der früher Selinger'sche, nun Sraßer'sche Antrag auf ein Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung kam. Graf Borkowski, Wieland, Füster sprachen unter dem allgemeinsten Beifall der Versammlung dagegen. Unter der Rede Borkowski's erhob sich der Kriegsminister Latour mit dem Zornesantlitz des Mars und wollte, daß der Präsident den Redner zum Schweigen bringe. Es entstand ein Tumult, viele Redner schrieen, daß Latour zur Ordnung gerufen werde, der Präsident that es mit glatten Worten. Die Wirbel des Generalmarsch's schlugen während des ganzen Morgens, die Aufregung ist seit gestern fortwährend im Steigen; die Aula ist versammelt, Menschenmassen füllen alle Straßen; das Volk strömt zu den Linien herein. ‒ Der Reichstag wollte eben die Sitzung schließen, als der Kriegsminister ‒ die andern Minister hatten sich längst entfernt ‒ die Erklärung abgab, die Nationalgarde weigere sich, anszurücken, die akademische Legion beabsichtige um 4 Uhr Ministerium und Reichstag zu stürzen, er müsse zu ihrem Schutz das Militär einrücken lassen. Löhner stellte sofort den Antrag, daß der Reichstag sich für permanent erkläre. Es geschieht. In dem Augenblicke meines Austritts sprach der Abgeordnete Goldmark über die italienische Angelegenheit. Der Antrag Selinger-Straßer wird verworfen werden. Die Aufregung in der Aula hat theilweise auch die von der Nationalgarde gestern Abend wider einen Studenten verübte Mißhandlung zum Grunde. Das Schlimmste steht zu befürchten, wenn Gewaltthaten geschehen, denn wir leben in einem wahren Chaos von politischen, sozialen und nationalen Meinungen. 61 Wien, 13. Sept. 6 1/2 Uhr. Die Bewegung verwandelt sich immer mehr in einem Aufstand. Man verlangt den Sicherheitsausschuß wiederhergestellt; gedruckte Zettel werden zu diesem Zwecke unter die Menge vertheilt. Es hat sich ausgewiesen, daß die Beschuldigung des Kriegsministers, die Aula wolle den Reichstag sprengen, eine Erfindung gewesen. Seien Sie versichert, die Reaktion will heute einen kühnen Streich führen; Latour ging, wie ein Tiger gereizt, aus dem Sitzungssaal des Reichstags, er wird Rache nehmen. Das Militär rückt an, die Nationalgarde und Legion sind überall aufgestellt, erstere ist getheilter Meinung. Am Judenplatze ist es vor dem Gebäude des Ministeriums des Innern zu einem Angriff gekommen; die Entwaffnung konnte aber nicht erzielt werden. Vor dem Kriegsgebäude soll es nach dem Reichstag zugegangenen Berichten ebenfalls zum Angriff gekommen sein. Barrikaden, so heißt es allgemein, sind erbaut worden. Der Reichstag hält Rath, ob der Sicherheitsausschuß wieder herzustellen sei. Die Nacht wird, bricht der Kampf los, schrecklich werden. Aus Pesth sind noch keine bestimmten Nachrichten da, die Stimmung der Stadt soll aber außerordentlich sein. Hier sind alle Läden geschlossen, man kann vor Bewaffneten nirgendwo durch. 102 Wien, 13. Sept. 41. Reichstagssitzung. Anfang 9 1/2 Uhr. Vorsitz. Strobach. Keine Minister. Präsident beantragt, heute Nachmittag die Neuwahl des Präsidiums vorzunehmen, er zeigt an, das Justiz-Ministerium habe in Beziehung auf die 500 italienischen Gefangenen in Szezedin Schriften auf den Tisch des Hauses niedergelegt. Urlaube werden ertheilt. Eingaben werden verlesen. Darunter eine aus Köln wegen Verbesserung des Volksschulwesens und Dobblhoffs Entwurf zur Provinzialverfassung Schlesiens. Einige Gemeinden petiren um Beibehaltung der Privilegien der Gewerbetreibenden. Die Stadt Wien petirt um Maßregeln zur Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung. Präs. Der Abg. Brestl hat einen dringenden Antrag überreicht: „Der Reichstag möge beschließen, daß wegen der mißlichen Verhältnisse der Gewerbetreibenden der Hauptstadt und weil dieselben der Freiheit die uneigennützigsten Opfer gebracht, dem Ministerium des Handels ein Kredit von 2 Mill. fl. eröffnet werde.“ Dylewski (der schon eine Ernennung des Ministeriums für seine absolutistischen Dienste in der Tasche hat) sieht darin einen Parteiantrag. Pillersdorf bedauert, daß Brestl ihn zur Unterzeichnung des Antrags nicht eingeladen. Schuselka will denselben auch auf die Bewohner von 5 und 6 Haus (Proletariat) ausgedehnt haben, welche in den Märztagen die Märtyrer der Freiheit gewesen, indem sie geplündert worden. Piekas (Bohemien) beantragt eine gleiche Unterstützung für Prag. ‒ Brestls Antrag wird einstimmig unterstützt; nur Palacki (Bohemien) bleibt sitzen. Brestl spricht für seinen Antrag. Die Minister Schwarzer und Krauß treten herein. Goldmark. Der Antrag möge sogleich in Vollberathung genommen werden. (links unterstützt.) Piekas. Er muß zuerst an die Finanzkommission, welche in 24 Stunden berichten soll. (Alle Bohemiens und der Renegat Schwarzer erheben sich dafür.) Goldmark und Andere reden vergeblich gegen die 24 Stunden. Hornbostel, Handelsminister. Wir haben 500,000 fl. zu obigem Zweck schon längst bewilligt, heute werden in der Angelegenheit Swoboda baare Entschädigungen gegeben werden, darum genügt es, die Sache zuerst an die Finanzkommission zu überreichen. (Man hört den Generalmarsch schlagen.) Piekas Antrag wird angenommen. Die übrigen Minister sind unterdessen erschienen, werden aber mehrmals abgerufen; der Generalmarsch ertönt fort. Abgeordnete aus der Bukowina protestiren, daß in dem Ausschusse, der über die Entschädigungsfrage entscheiden soll, keiner aus ihrer Provinz ist. Minister Wessenberg will die gestrige Interpellation hinsichtlich Italiens beantworten und zieht einen Zettel aus der Tasche, den er abliest. Niemand hört ein Wort. Ein Abg. Lassen Sie durch einen andern Minister antworten. Bach will sich des Zettels bemächtigen, aber Latour stürzt auf ihn ein und entreißt ihm denselben. Latour (mit krächzender, kaum vernehmbarer Stimme.) Die Politik des Ministeriums in Italien…. Ehre und Würde des Kaiserreichs zu wahren … Das Vermittlungsanerbieten Frankreichs … angenommen. Das Ministerium wird Alles aufbieten, den Krieg zu vermeiden, jedoch die Nationalehre … Fürst Schwarzenberg ist zur Leitung der Angelegenheit zum Bevollmächtigten Oestreichs ernannt. Familienbande geben Modena gewisse Ansprüche auf Schutz … Goldmark, nach einem Kampfe mit dem Präsidenten: Ich bin mit dieser Erklärung nicht zufrieden, das Ministerium muß uns die Papiere vorlegen; Familienrücksichten können und dürfen jetzt nicht mehr entscheiden. Wessenberg, ohne Brille, das Bundestagsleichengesicht bekommt einiges Leben: Während der Verhandlung geschieht in keinem Lande eine Mittheilung an die Kammer. Goldmark will antworten, ein Abg. ruft: zur Ordnung! Goldmark: Ich lasse mich nicht zur Ordnung rufen. Wessenberg. Ich habe noch eine Interpellation zu beantworten: liest; Niemand versteht ein Wort. Die Antwort betrifft ebenfalls die italienischen Angelegenheiten. Neuwall. Die gestrigen Vorgänge sind durch eine neue Partei hervorgerufen; es sind Bürger von Wien, von denen sie ausgegangen, es müssen also gewichtige Ursachen vorliegen. Man hat für sie nie eine Stimme verlauten lassen, sondern immer nur für die Arbeiter; sie sind ebenso unglücklich als diese. Ein großer Theil der Arbeiter, auf welche Summen verschwendet wurden, ist nicht von hier gewesen; man hätte das Geld unter die Gewerbtreibenden vertheilen sollen. Er richtet in diesem Sinne eine lange Interpellation an den Handelsminister. Hornbostel. Swobodas Privatleiha stalt ohne hypothekarische Sicherheit hat die Bürger Wiens in ihren Hoffnungen getäuscht; die Noth war so groß, daß sie nicht nach der Sicherheit gefragt, sondern für einen kleinen Einsatz ein Papier genommen haben, welches keinen Kours erlangen konnte. Wir haben umsonst Warnungen, selbst an Swoboda, erlassen. Vorgestern schon habe man sich stürmisch an den Gemeindeausschuß und gestern mit Verübung von Gewaltthaten an den Minister des Innern gewendet. Der Nothstand sei schon vor dem März dagewesen, das Ministerium könne nichts zur Hebung der Gewerbe thun, nur das Vertrauen allein könne dies bewirken. Löhner und Potocki wollen noch interpelliren. Einer ruft: Tagesordnung. Dieselbe wird angenommen. Borrosch protestirt wider dies Verfahren. Berichte über Wahlen. Es handelt sich von der Wahl des Abg. Karl Schneider aus Schlesien. Schneider. Man hat protestirt, weil ich protestantischer Geistlicher bin, man ist von gewisser Seite erbost, daß auch meine Kirche einen Vertreter hier hat. Ich kenne mein Volk, mein Volk hat kein Mißtrauen wider euch. (Beifall.) Wird angenommen, nur die Bohemiens und Juden dagegen. Präs. bringt den von Solinger fallen gelassenen, von dem Ritter von Lasser, dem Schnapphahnski des Reichstags, aber wieder aufgenommenen Antrag über ein Dankesvotum an die italienische Armee zur Berathung. 16 Redner sind für und gegen eingeschrieben. Lasser erzählt, indem er aus einem dicken Hefte von der Tribüne abliest, in einer langen unausstehlich erbärmlichen Parabel den italienischen Krieg. Er macht dem Reichstag und besonders der Linken, auf die er immer hinsieht, die ungezogensten Vorwürfe darüber, daß sie den Solingerschen Antrag nicht mit Akklamation angenommen, sondern zur Tagesordnung verwiesen habe. Er wird mehrmals ermahnt, nicht abzulesen; die Kammer wird unruhig vor Langweile. (Draußen wirbelt immerfort der Generalmarsch. Alle Minister bis auf Latour sind abwesend.) [Schluß folgt.] Wien, 12. Sept. Eben erfahre ich, was um 2 Uhr vom ungarischen Ministerium an das hier residirende ungarische Ministerium des Aeußern aus Pesth mit Stafette anlangte: „Der Landtag hat sich permanent und insofern souverain erklärt, daß er die vom Könige nicht bestätigten neuen Gesetze als vollkommen gültig und bindend verkündet und die großartigsten Maßnahmen trifft, zur Vertheidigung und Rettung des Vaterlandes.“ ‒ Pesth ist ruhig. Nicht die mindeste Unordnung ist eingetreten, alles ist beschäftigt die Rüstungen, Werbungen etc. zu unterstützen. (Od. Z.) Wien, 13. Sept. Neueste Nachrichten aus Pesth: „Provisorische Regierung. Kossuth an der Spitze.“ (Bedarf noch der Bestätigung.) (Schl. Z.) Wien. Die Vereinbarung eines Krawalles ist gestern gänzlich mißglückt. Heute, am 14. September, lebt die Freiheit noch. (Konstitution.) Leipzig, 15. Sept. Die von gestern aus Chemnitz eingegangenen Nachrichten bestätigen die Fortdauer der hergestellten Ruhe. Wie der „Chemnitzer Anzeiger“ sagt, sollen nicht wenig Mitglieder der Kommunalgarde, zwar ohne Binde und sonstige Armatur, allein mit dem Gewehr unter den Tumultuanten gesehen worden sein. Die Bürgerschule, aus der die Bänke zu den Barrikaden verwendet wurden, die Dietrich'sche Farbe und das Leistner'sche Haus in der Johannisgasse, das Hinterhaus von Wex und Lindner, wo die Handelsschule ist, und das Hösel'sche Haus werden als die bezeichnet, welche die meisten Zeichen der stattgehabten Kämpfe aufzuweisen haben. Die Kugeln stecken meist ziemlich hoch. Ueber den eigentlichen Zusammenhang der ganzen unseligen Vorgänge ist man noch unklar. (D. A. Z.) * Mainz, 12. Septbr. In der östreichischen Armee, wenigstens in deren „deutschem Contingent“ zu Mainz, wie Herr Peucker fein unterscheidet, ist die Knute und das Spießruthenlaufen noch in schönster Blüthe. Wie ein Mainzer Blatt erzählt, sah man gestern in einem der verstecktesten Gräben hinter der Citadelle „unter strömendem Regen und unter still rieselnden Thränen“ eine schwankende Gestalt durch eine Reihe von 300 Soldaten sich bewegen, denen das Blut vom Rücken des Gefolterten ins Gesicht spritzte! Dicht an dieser Reihe standen 6 Bänke, auf denen eben so viele Soldaten lagen, auf die man unter den Flüchen eines Stabsoffiziers losschlug, der unter Androhung gleicher Strafe zur „Pflicht“ des „Dreinhauens“ anfeuerte. Und was hatten diese Unglücklichen verbrochen? Beim Baue des Kugelfängers am Artillerieubungsplatze akkordirte der bauführende Offizier mit den Leuten wegen der Arbeit; als diese nun fertig war, verlangte er noch weiteres Arbeiten, und als sie aus Müdigkeit nicht auf der Stelle diesem Befehle nachkamen, gerieht der Offizier in Zorn, ließ jene 6 Leute in Stockhausarrest abführen, wo sie 8 Tagen wie verschollen saßen, bis gestern ein Korporal Ordre erhielt, Haselstöcke einzukaufen, mit denen dann jene Schreckensscene im alten Style vollführt ward. 8 Dortmund, 16. Sept. Unser politisches Duselleben ist in ein neues Stadium getreten. Am 15. hatten wir nämlich das Vergnügen, die „Landeskulturgesellschaft“ in festlicher Weise hier versammelt zu sehen. Hiermit war eine Thierschau von Ochsen und Kälbern verbunden und Gleichgesinnte hatten sich in Menge angeschlossen. Unsere Reaktion ist nicht so dumm wie sie aussieht. Sie weiß selbst das gemüthliche Stelldichein von allerlei Rindvieh für ihre politischen Zwecke zu benutzen. Wenn unsere „Familienväter“, unsere „Männer des Rechts“, selbst unsere „greisen Krieger“ noch eine gewisse konstitutionelle Decenz zu beobachten für schicklich erachten, so halten dagegen unsre Ochsen und Schafzüchter es mit Recht für zeitgemäß, jede lästige Maske abzuthun und mit teutoburgischer Biedermännlichkeit vorzugehen. Beim festlichen Mahle nahm zuerst der Präsident, Kammerherr v. Bodelschwingh das Wort und sprach: „der König soll leben. Die Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt sind aus Neuerungen hervorgegangen. Wir halten am Alten, an unsern bethürmten Burgen und Höfen. (Mit erhobener Stimme.) Wir wollen zum Alten zurückkehren. Der König Hoch!“ (Donnerndes Hoch.) Freiherr von Lilien-Borch: der Landwirthschaft ein Hoch! Der Justizkommissar Spemann aus Dortmund: „das Jahr 1848 hat fürchterliche Mißverhältnisse hervorgerufen. Doch die Grafschaft Mark hat sich in schlimmeren Jahren treu und bewährt gezeigt. Am 18. März hat man den Bruder vom Bruder getrennt. Gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit gesündigt. Doch das bleibe dahingestellt ‒ deßhalb lebe Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen hoch“ (Brüllendes Hoch.) Ein Unbekannter: „Mir wird sehr übel“ (faktisch). Pastor Bäumer: „Das Stämmchen der Freiheit kann weder in Berlin noch in Frankfurt zum Stamme gedeihen, weil keine Grundbesitzer dort sind. Der Grundbesitzer wird allein vom wahren Rechte geleitet; er allein kennt den Rechtsboden. Daher lebe der Rechtsboden! “ (Rauschender Beifall.) Ein Unbekannter mit rothem Gesichte und sehr großem Barte (wüthend): „Donnerwetter, ja! Der gute alte Rechtsboden soll leben!“ (Jetzt erhebt sich von allen Seiten ein großes Geschrei nach dem Rechtsboden) Landrath Pilgrim: „Dem ältesten Mitgliede der Landwirthschaft, dem würdigen, von dem Feuer der Jugend (der Betoastete ist ca. 72 Jahre alt) beseelten Freiherrn v. Lilien-Borch ein Lebehoch!“ Hr. Lilien-Borch kann vor Dankbarkeit und Freude sich nicht verständlich machen. Schulte Mehring aus Mengede: „Die Leute, welche zum Vereinbaren in Berlin und Frankfurt zusammen sind, sollen leben!“ (Grausige Todtenstille.) Oekonom Bölling aus Nette: „Ein Hoch den sparsamen Hausfrauen!“ (Hr. Bölling ist ein großer Franzosenfresser und Champagnertrinker.) Landrath v. Schade aus Lippstadt: „Alle Männer, welche für König und Vaterland und deren Nützlichkeit streiten wollen, sollen leben!“ (Hurrah!) Jetzt erhob sich der berühmte Schullehrer von Lindenhorst und hielt einen gelehrten Vortrag über Agri- und Horticultur, Mythologie und Staatsformen. Nachdem er bis zur Hertha und zum Diocletian gekommen war, wurde durch Akklamation beschlossen, zur Thierschau zu wandern. Die Musik setzte sich an die Spitze des gemüthlichen Thierschau-Zuges. Draußen angekommen, nahm Landrath Pilgrim noch einmal das Wort. Seine Rede begann also: „Das Rindvieh ‒ die Schaukommission ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ 34 Bielefeld, 18. Septbr. Seit heute kann auch Bielefeld von „Bewegungen“ sprechen. Am verflossenen Montag hatten die Arbeiter einen Aufzug mit Musik zu Ehren ihres vom Gesellen-Congreß heimgekehrten Deputirten gehalten; diese Demonstration schien den braven Bürgern ein sehr gefährliches Revolutionsgelüste, und so kam es, daß ein loyaler Baumeister einigen seiner Arbeiter die daran Theil genommen, für das Versäumniß einen Tag am Lohne abzog und dieselben aus dem Dienste entließ. In Folge dessen zogen nun heute Abend etwa 200 Gesellen und sonstige Arbeiter vor die Wohnung des Baumeisters und schickten demselben eine Deputation mit der Aufforderung den abgezogenen Tagelohn den Arbeitern zu vergüten und selbige wieder in Dienst zu nehmen. Der Herr schlug dies ab, und die versammelte Menge suchte den Lohnabzug wenigstens durch zertrümmerte Fensterscheiben auszugleichen. Nachdem der Trupp abgezogen und Alles ruhig war, erschien wie gewöhnlich die polizeilüsterne Bürgerwehr und verhaftete zwei beliebige vorübergehende Individuen. Mit dieser Heldenthat ist die „Ordnung“ in Bielefeld wieder hergestellt. Italien. * _

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 106. Köln, 19. September 1848. Beilage, S. 0529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz106b_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.