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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 107. Köln, 20. September 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 107. Köln, Mittwoch den 20. September. 1848.

Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Ratifikation des Waffenstillstandes. - Bestrafung von Soldaten wegen Clubbesuch.) Berlin (Die Krisis.) Wien. (Reichstag. - Aus Ungarn. - Kossuth gestürzt. - Nachricht vom Kriegsschauplatz. - Telegraphie. - Die Vorfälle am 13.) Breslau. (Posensche Gefangne.) Halle. (Adresse) Elberfeld. (Adressen)

Ungarn. Pesth. (Das Ministerium Kossuth als provisorische Regierung.)

Italien. (Auto-da-fe in Genua. - Adresse nach Turin. - In Neapel die Kammer vertagt.)

Französische Republik. Paris (Die Wahlagitation. - Die sozialdemokratische und die kontrerevolutionäre Presse über Deutschland. - Vermischtes.)

Schweiz. Zürich. (Die Bundesverfassung Gesetz. - Die Forderung des Herrn Mathy.)

Deutschland.
** Köln, 19. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 19. Septbr.

An der letzten Sitzung des hiesigen demokratischen Vereins nahmen eine Anzahl Artilleristen Theil. Wegen dieses Verbrechens ist ihnen freigestellt worden: zwischen 6 Tagen Mittel- und 3 Tagen strengen Arrest zu wählen. Sie haben sich, wie wir hören, für letzteren entschieden. Es steht sehr zu bezweifeln, daß man den Geist der neuen Zeit, der auch im Heere erwacht ist, durch Einsperren zugleich abzusperren im Stande sein wird!

103 Berlin, 17. Septbr.

Mehrere Compagnien unserer Bürgerwehr haben eine Adresse an die Vereinbarer-Versammlung gerichtet, sich für souverain und als eine constituirende Versammlung zu erklären. Wir wollen abwarten ob die Herren Vereinbarer aus dem Centrum, die 38 hin und her wackelnden Mitglieder, den Muth haben werden, sich auf eigene Füße zu stellen, denn bisher hatten sie jeden Standpunkt verloren und nur am 7. September wagten sie einen kühnen Griff nach der linken Seite. Werden sie sich daran festhalten? -

Unter diesen Umständen wird es dem Herrn v. Beckerath sehr schwer ein Ministerium zu bilden. Ueberall erhält er hier zierlich geflochtene Körbe und daher sieht er sich genöthigt seine Collegen aus der Ferne kommen zu lassen.

Obgleich die Minister-Crisis schon zehn Tage dauert, so herrscht diesmal doch nicht die sonst allgemein verbreitete Spannung. Denn sobald man eingesehen, daß der König kein Ministerium der Linken wolle, war man auch uberzeugt, daß jedes andere Ministerium nur von einer kurzen Dauer sein kann und es ziemlich gleichgültig bleiben dürfe, wer in ein solches Ministerium eintritt. Daher die gegenwärtige Gleichgültigkeit. Für heute circulirte folgende Candidatenliste: v. Beckerath: Präsident ohne Portefeuille. Pinder: Inneres. Mevissen: Finanzen. Harkort: Handel und Ackerbau. Baumstark: Landwirthschaft. Wenzel: Justiz. v. Strotha: Krieg. v. Vinke: Auswärtiges. - Einige Namen von diesen Genannten, mögen nur der guten Laune eines Spaßvogels ihre Candidatur verdanken, dagegen sind mehrere andere als gewiß in Aussicht zu stellen.

102 Wien, 13. Sept.

41. Reichstagssitzung. (Schluß.)

Er nennt dabei Oestreich das Australien des 19. Jahrhunderts, und meint, auch der weiße Adler Polens müsse im Neste des Doppeladlers bleiben. (Zischen.) Italien sei eine deutsche Eroberung. Lasser tritt ab, nachdem er vergebens auf Akklamation gewartet.

Graf Borkowski, Galizien, in gebrochenem Deutsch. Ich fasse diese Sache nicht in einer Parabel, auch nicht aus den Berichten der Zeitungen zusammen. Ich frage, ob die italienische Armee Oestreich wirklich solche Vortheile errungen hat, daß ihr dafür der Dank eines freien Volkes gebührt? Man lasse sich nicht durch das Aeußere der Ereignisse hinreißen. Im Auslande ist besser bekannt, was in Italien geschehen ist Est ist ein entsetzlicher Krieg geführt, viel Blut ist vergossen worden, der nicht geführt, das nicht vergossen werden durfte, wenn die Freiheit und nicht der Absolutismus gewaltet hätte. (Großer Beifall.) Ist der Krieg in Italien ein gerechter? Erzherzog Johann hatte versprochen, daß nur die Waffenehre dort gewahrt werden solle; die Ehre der Waffen besteht allein darin, die Waffen wider die Freiheit nicht zu führen. Ich bedaure meine Landsleute, welche freiwillig oder gezwungen an dem Kriege gegen Italien Theil genommen. Die Tapferkeit der Armee mag wahr sein, ihre Anwendung aber ist eine schlimme. Auf den Patriotismus dürfen Sie nicht hinweisen; wir Polen kennen ihn, aber wir haben in der ganzen Welt für die Freiheit geblutet.

Es ist auch Patriotismus, für den Ruf des Reichstags besorgt sein; wir sind keine freien Männer mehr, wenn wir erklären, daß die Unabhängigkeit der Nationen uns nicht heilig ist. (Beifall.) Auch der Ehrenkrieg ist Despotismus. [Großer Beifall]. Können nicht auch die Russen unsere Gränze mit dem Vorgehen überschreiten, sie seien nicht gegen die Freiheit, aber sie dürften keine eigene Verfassung, keine Konstitution an ihrer Gränze dulden?

Kriegsminister Latour: Hr. Präsident, ich ersuche Sie, dem Redner das Wort zu nehmen, ihn zur Ordnung zu rufen, von der Tribüne mit ihm, das ist infam!

Fast die ganze Kammer erhebt sich; von allen Seiten: zur Ordnung mit dem Kriegsminister. Präsident Strobach zögert; der Ruf wird heftiger, Tumult.

Präsident: Ich ermahne den Hrn. Kriegsminister, sich zu setzen und den Redner nicht zu unterbrechen. [Ungeheuerer Beifall mit Bravos, Händen und Füßen].

Bokowski, der unterdessen mit großer Ruhe auf der Tribüne gestanden Wenn die Armee eine Pflicht zu erfüllen hatte, so hat auch der Reichstag eine solche zu erfüllen; eine Dankadresse würde indessen kein schmeichelhaftes Zeichen für die Erkennung dieser Pflicht und seiner Interessen sein. [Steigt unter ungeheuerm Beifall von der Tribüne].

Violand: Ich lobe die Armee als militärischer Körper; in jedem andern Betracht mag ich nichts von ihr wissen. Schon längst hat das Volk erklärt, daß die Erwerbung Italiens Oesterreich nur Unheil gebracht Oesterreich hätte sich an der Donau ausbreiten müssen; dort war seine Aufgabe. Die Trauer unserer Politik liegt am Tage, da wir nur durch Bombardements, durch Grausamkeiten und Blutvergießen unsere eigenen Provinzen aufrecht erhalten können. Die Armee mag einen Heldencharakter gezeigt haben, aber von ihr sind in Italien auch Barbarenthaten an Greisen und [Fortsetzung]

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

(Fortsetzung.)

Die Herzogin ist also eine geiernasige und geieräugige, aus Kunst und Natur zusammengesetzte, achtundfünfzigjährige kleine Dame. Wir wünschen Hrn. v. Schnapphahnski von ganzem Herzen Glück. "Der Teint der Herzogin ist gelb verwittert," setzt das Manuskript hinzu, "die Herzogin hat höchst scharfe Züge. Ihr ganzes Angesicht gleicht aber der Brandstätte aller Leidenschaften."

Brandstätte der Leidenschaften!

Seit wir diesen Vergleich haben, brauchen wir unsere Herzogin weiter nicht zu mehr zu schildern. Es ist unnöthig, wenn wir noch hinzusetzen, daß unsere Heldin sich stets sehr jugendlich kleidet, daß sie eine zweireihige Garnitur falscher Zähne besitzt und daß sie einen total haarlosen Kopf hat und deshalb auch schon seit undenklichen Zeiten eine vollständige Perrücke trägt...

Die kahlen Köpfe waren in der Familie der Herzogin von jeher en vogue. Die älteste Schwester unserer Heldin, eine höchst ausgezeichnete Dame, die sich von vier Männern scheiden ließ und die eigentlich in der ganzen Familie einzig und unerreicht dasteht, beschäftigte sich während der zweiten Hälfte ihres schönen Lebens fast ununterbrochen mit der Auffindung irgend eines Mittels, das die letzten Reste des herzoglichen Familienhaares konserviren könne.

Pythagoras entdeckte seinen Lehrsatz; Columbus entdeckte Amerika und die Herzogin von ... entdeckte die berühmte schwarze Haar-Tinktur. Ich weiß nicht, ob die Herzogin den Göttern Hekatomben schlachtete, nachdem sie die Tinktur erfunden hatte; jedenfalls ist es aber für gewiß anzunehmen, daß sie den Augenblick der Entdeckung für den wichtigsten ihres Lebens hielt.

Das Unglück, keine Haare mehr auf dem Kopfe zu besitzen, ist so groß, daß es eigentlich nur dann zu ertragen ist, wenn man Haare auf den Zähnen hat. Ein Mensch, der sie weder da noch dort trägt, ist sehr zu bedauern. Er ist ein kahles Feld, ein entlaubter Baum; die Sonne seines Lebens hat sich in einen Mond verwandelt. Der Abend ist hereingebrochen und bald wird die Nacht kommen, und am andern Morgen wird der arme Mond todt sein, mausetodt. Wenn man seinen kahlen, schneeweißen Kopf mit einer vollen kohlschwarzen Perrücke krönt, so erlebt man mit seinem Monde gewissermaßen eine Mondfinsterniß. Aber eine Mondfinsterniß ist vergänglich. Der Wind kann eine Perrücke davontragen und man hat eigentlich nur den Vortheil davon, daß der Tod vielleicht einst nur die Perrücke faßt, wenn er uns nach dem Schopf greift und daß der wirkliche Kerl davonläuft - a revoir - sterben Sie wohl, Herr Tod!

Wie ich bereits bemerkte, trägt unsere Heldin eine Perrücke...

Dies schien mir von hoher Wichtigkeit zu sein; ich sah darin den bedauerlichsten Widerspruch mit der von der älteren Schwester erfundenen Tinktur. Pflichtgetreu stellte ich die genauesten Nachforschungen an und leider hat sich dadurch herausgestellt, daß der Schädel unserer Heldin sogar der berühmten herzoglichen Familien-Tinktur siegreich widerstanden hat, und daß sich unsere Freundin dabei beruhigen muß, eine Perrücke auf dem kahlen Kopfe und kein Haar auf den falschen Zähnen zu besitzen. Es thut mir leid, daß ich nicht näher auf die Tinktur eingehen darf. Man könnte Bände darüber schreiben. Es kommt unendlich viel auf das Haar an. Einer der ersten Künstler der Welt bezeichnete seine hinterlassenen Perrücken mit vollem Recht, als den Hauptschatz seines Nachlasses.

Doch nun noch etwas über den Fuß der Herzogin!

Goethe behauptete stets, ein schöner Fuß sei der einzig dauernd schöne Theil an einem Weibe; er bleibe immer reizend, wenn er einmal reizend sei; er verändere selten seine Form. Der alte Herr hatte von jeher gern mit den Füßen zu thun; er hörte nichts lieber, als eine Frau in Pantoffeln, mit hohen Absätzen klipp, klapp, einen langen hallenden Korridor hinunterschreiten. Ich bin natürlich mit dieser hohen Autorität durchaus einverstanden. Auch unsere Herzogin hatte aus den Tagen der Jugend einen Fuß gerettet, der wenigstens zu einem schönen Schuh Veranlassung gab. In vielen Fällen wird man nach der Form des Fußes den ganzen Menschen beurtheilen können; auf die Race kann man stets danach schließen. Es verhält sich mit den Füßen wie mit den Zähnen und den Fingerspitzen. Ich mache mich verbindlich, nach der Weiße und der Reinheit der Zähne und der Fingerspitzen eines Menschen genau zu sagen, wie viel Mal er in der Woche ein reines Hemd anzieht. Die Fingerspitze steht aber in genauem Zusammenhange mit dem Zahne; der Zahn mit dem Hemde und das Hemd mit dem ganzen Menschen.

Seit Benvenuto Cellini aus den schönen Zähnen seines erschlagenen Nebenbuhlers eine Kette für die lächelnde Herrin arbeitete, hat es wohl keine bessern Kinnladen gegeben, als die der neulich am Kap verunglückten englischen Offiziere. Sie wurden von den Kaffern ermordet; nach einigen Tagen fand man sie in der Tiefe des Waldes. Geld, Uhr und Waffen: Alles hatte man ihnen gelassen. Man nahm ihnen nur das Leben und die - Zähne. Die Engländer sind die reinlichsten Leute. Nach Liebig verbrauchen die Engländer die meiste Seife; dann kommen die Franzosen, dann die Deutschen u. s. w., zuletzt die Russen. Die Engländer haben die reinsten Hände, die saubersten Zähne und die weißeste Wäsche. Die Engländer sind die Herren der Welt.

Geier-Augen, Geier-Nase, ein ausgestopfter Raubvogel und im Antlitz die Brandstätte aller Leidenschaften: Das ist unsere Herzogin. In unsern Notizen finden wir noch ausdrücklich bemerkt, daß die Herzogin nur Leute, die in der engsten Intimität mit ihr stehen, bei Tage empfängt. In den meisten Fällen nimmt sie nur Abends Besuche an, wie sie sich denn überhaupt auch nur bei Abend zeigt, da sie nur zu wohl weiß, wie sehr sie des Lampenlichtes bedürftig ist.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 107. Köln, Mittwoch den 20. September. 1848.

Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Ratifikation des Waffenstillstandes. ‒ Bestrafung von Soldaten wegen Clubbesuch.) Berlin (Die Krisis.) Wien. (Reichstag. ‒ Aus Ungarn. ‒ Kossuth gestürzt. ‒ Nachricht vom Kriegsschauplatz. ‒ Telegraphie. ‒ Die Vorfälle am 13.) Breslau. (Posensche Gefangne.) Halle. (Adresse) Elberfeld. (Adressen)

Ungarn. Pesth. (Das Ministerium Kossuth als provisorische Regierung.)

Italien. (Auto-da-fe in Genua. ‒ Adresse nach Turin. ‒ In Neapel die Kammer vertagt.)

Französische Republik. Paris (Die Wahlagitation. ‒ Die sozialdemokratische und die kontrerevolutionäre Presse über Deutschland. ‒ Vermischtes.)

Schweiz. Zürich. (Die Bundesverfassung Gesetz. ‒ Die Forderung des Herrn Mathy.)

Deutschland.
** Köln, 19. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
* Köln, 19. Septbr.

An der letzten Sitzung des hiesigen demokratischen Vereins nahmen eine Anzahl Artilleristen Theil. Wegen dieses Verbrechens ist ihnen freigestellt worden: zwischen 6 Tagen Mittel- und 3 Tagen strengen Arrest zu wählen. Sie haben sich, wie wir hören, für letzteren entschieden. Es steht sehr zu bezweifeln, daß man den Geist der neuen Zeit, der auch im Heere erwacht ist, durch Einsperren zugleich abzusperren im Stande sein wird!

103 Berlin, 17. Septbr.

Mehrere Compagnien unserer Bürgerwehr haben eine Adresse an die Vereinbarer-Versammlung gerichtet, sich für souverain und als eine constituirende Versammlung zu erklären. Wir wollen abwarten ob die Herren Vereinbarer aus dem Centrum, die 38 hin und her wackelnden Mitglieder, den Muth haben werden, sich auf eigene Füße zu stellen, denn bisher hatten sie jeden Standpunkt verloren und nur am 7. September wagten sie einen kühnen Griff nach der linken Seite. Werden sie sich daran festhalten? ‒

Unter diesen Umständen wird es dem Herrn v. Beckerath sehr schwer ein Ministerium zu bilden. Ueberall erhält er hier zierlich geflochtene Körbe und daher sieht er sich genöthigt seine Collegen aus der Ferne kommen zu lassen.

Obgleich die Minister-Crisis schon zehn Tage dauert, so herrscht diesmal doch nicht die sonst allgemein verbreitete Spannung. Denn sobald man eingesehen, daß der König kein Ministerium der Linken wolle, war man auch uberzeugt, daß jedes andere Ministerium nur von einer kurzen Dauer sein kann und es ziemlich gleichgültig bleiben dürfe, wer in ein solches Ministerium eintritt. Daher die gegenwärtige Gleichgültigkeit. Für heute circulirte folgende Candidatenliste: v. Beckerath: Präsident ohne Portefeuille. Pinder: Inneres. Mevissen: Finanzen. Harkort: Handel und Ackerbau. Baumstark: Landwirthschaft. Wenzel: Justiz. v. Strotha: Krieg. v. Vinke: Auswärtiges. ‒ Einige Namen von diesen Genannten, mögen nur der guten Laune eines Spaßvogels ihre Candidatur verdanken, dagegen sind mehrere andere als gewiß in Aussicht zu stellen.

102 Wien, 13. Sept.

41. Reichstagssitzung. (Schluß.)

Er nennt dabei Oestreich das Australien des 19. Jahrhunderts, und meint, auch der weiße Adler Polens müsse im Neste des Doppeladlers bleiben. (Zischen.) Italien sei eine deutsche Eroberung. Lasser tritt ab, nachdem er vergebens auf Akklamation gewartet.

Graf Borkowski, Galizien, in gebrochenem Deutsch. Ich fasse diese Sache nicht in einer Parabel, auch nicht aus den Berichten der Zeitungen zusammen. Ich frage, ob die italienische Armee Oestreich wirklich solche Vortheile errungen hat, daß ihr dafür der Dank eines freien Volkes gebührt? Man lasse sich nicht durch das Aeußere der Ereignisse hinreißen. Im Auslande ist besser bekannt, was in Italien geschehen ist Est ist ein entsetzlicher Krieg geführt, viel Blut ist vergossen worden, der nicht geführt, das nicht vergossen werden durfte, wenn die Freiheit und nicht der Absolutismus gewaltet hätte. (Großer Beifall.) Ist der Krieg in Italien ein gerechter? Erzherzog Johann hatte versprochen, daß nur die Waffenehre dort gewahrt werden solle; die Ehre der Waffen besteht allein darin, die Waffen wider die Freiheit nicht zu führen. Ich bedaure meine Landsleute, welche freiwillig oder gezwungen an dem Kriege gegen Italien Theil genommen. Die Tapferkeit der Armee mag wahr sein, ihre Anwendung aber ist eine schlimme. Auf den Patriotismus dürfen Sie nicht hinweisen; wir Polen kennen ihn, aber wir haben in der ganzen Welt für die Freiheit geblutet.

Es ist auch Patriotismus, für den Ruf des Reichstags besorgt sein; wir sind keine freien Männer mehr, wenn wir erklären, daß die Unabhängigkeit der Nationen uns nicht heilig ist. (Beifall.) Auch der Ehrenkrieg ist Despotismus. [Großer Beifall]. Können nicht auch die Russen unsere Gränze mit dem Vorgehen überschreiten, sie seien nicht gegen die Freiheit, aber sie dürften keine eigene Verfassung, keine Konstitution an ihrer Gränze dulden?

Kriegsminister Latour: Hr. Präsident, ich ersuche Sie, dem Redner das Wort zu nehmen, ihn zur Ordnung zu rufen, von der Tribüne mit ihm, das ist infam!

Fast die ganze Kammer erhebt sich; von allen Seiten: zur Ordnung mit dem Kriegsminister. Präsident Strobach zögert; der Ruf wird heftiger, Tumult.

Präsident: Ich ermahne den Hrn. Kriegsminister, sich zu setzen und den Redner nicht zu unterbrechen. [Ungeheuerer Beifall mit Bravos, Händen und Füßen].

Bokowski, der unterdessen mit großer Ruhe auf der Tribüne gestanden Wenn die Armee eine Pflicht zu erfüllen hatte, so hat auch der Reichstag eine solche zu erfüllen; eine Dankadresse würde indessen kein schmeichelhaftes Zeichen für die Erkennung dieser Pflicht und seiner Interessen sein. [Steigt unter ungeheuerm Beifall von der Tribüne].

Violand: Ich lobe die Armee als militärischer Körper; in jedem andern Betracht mag ich nichts von ihr wissen. Schon längst hat das Volk erklärt, daß die Erwerbung Italiens Oesterreich nur Unheil gebracht Oesterreich hätte sich an der Donau ausbreiten müssen; dort war seine Aufgabe. Die Trauer unserer Politik liegt am Tage, da wir nur durch Bombardements, durch Grausamkeiten und Blutvergießen unsere eigenen Provinzen aufrecht erhalten können. Die Armee mag einen Heldencharakter gezeigt haben, aber von ihr sind in Italien auch Barbarenthaten an Greisen und [Fortsetzung]

Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.

(Fortsetzung.)

Die Herzogin ist also eine geiernasige und geieräugige, aus Kunst und Natur zusammengesetzte, achtundfünfzigjährige kleine Dame. Wir wünschen Hrn. v. Schnapphahnski von ganzem Herzen Glück. „Der Teint der Herzogin ist gelb verwittert,“ setzt das Manuskript hinzu, „die Herzogin hat höchst scharfe Züge. Ihr ganzes Angesicht gleicht aber der Brandstätte aller Leidenschaften.“

Brandstätte der Leidenschaften!

Seit wir diesen Vergleich haben, brauchen wir unsere Herzogin weiter nicht zu mehr zu schildern. Es ist unnöthig, wenn wir noch hinzusetzen, daß unsere Heldin sich stets sehr jugendlich kleidet, daß sie eine zweireihige Garnitur falscher Zähne besitzt und daß sie einen total haarlosen Kopf hat und deshalb auch schon seit undenklichen Zeiten eine vollständige Perrücke trägt…

Die kahlen Köpfe waren in der Familie der Herzogin von jeher en vogue. Die älteste Schwester unserer Heldin, eine höchst ausgezeichnete Dame, die sich von vier Männern scheiden ließ und die eigentlich in der ganzen Familie einzig und unerreicht dasteht, beschäftigte sich während der zweiten Hälfte ihres schönen Lebens fast ununterbrochen mit der Auffindung irgend eines Mittels, das die letzten Reste des herzoglichen Familienhaares konserviren könne.

Pythagoras entdeckte seinen Lehrsatz; Columbus entdeckte Amerika und die Herzogin von … entdeckte die berühmte schwarze Haar-Tinktur. Ich weiß nicht, ob die Herzogin den Göttern Hekatomben schlachtete, nachdem sie die Tinktur erfunden hatte; jedenfalls ist es aber für gewiß anzunehmen, daß sie den Augenblick der Entdeckung für den wichtigsten ihres Lebens hielt.

Das Unglück, keine Haare mehr auf dem Kopfe zu besitzen, ist so groß, daß es eigentlich nur dann zu ertragen ist, wenn man Haare auf den Zähnen hat. Ein Mensch, der sie weder da noch dort trägt, ist sehr zu bedauern. Er ist ein kahles Feld, ein entlaubter Baum; die Sonne seines Lebens hat sich in einen Mond verwandelt. Der Abend ist hereingebrochen und bald wird die Nacht kommen, und am andern Morgen wird der arme Mond todt sein, mausetodt. Wenn man seinen kahlen, schneeweißen Kopf mit einer vollen kohlschwarzen Perrücke krönt, so erlebt man mit seinem Monde gewissermaßen eine Mondfinsterniß. Aber eine Mondfinsterniß ist vergänglich. Der Wind kann eine Perrücke davontragen und man hat eigentlich nur den Vortheil davon, daß der Tod vielleicht einst nur die Perrücke faßt, wenn er uns nach dem Schopf greift und daß der wirkliche Kerl davonläuft ‒ à revoir ‒ sterben Sie wohl, Herr Tod!

Wie ich bereits bemerkte, trägt unsere Heldin eine Perrücke…

Dies schien mir von hoher Wichtigkeit zu sein; ich sah darin den bedauerlichsten Widerspruch mit der von der älteren Schwester erfundenen Tinktur. Pflichtgetreu stellte ich die genauesten Nachforschungen an und leider hat sich dadurch herausgestellt, daß der Schädel unserer Heldin sogar der berühmten herzoglichen Familien-Tinktur siegreich widerstanden hat, und daß sich unsere Freundin dabei beruhigen muß, eine Perrücke auf dem kahlen Kopfe und kein Haar auf den falschen Zähnen zu besitzen. Es thut mir leid, daß ich nicht näher auf die Tinktur eingehen darf. Man könnte Bände darüber schreiben. Es kommt unendlich viel auf das Haar an. Einer der ersten Künstler der Welt bezeichnete seine hinterlassenen Perrücken mit vollem Recht, als den Hauptschatz seines Nachlasses.

Doch nun noch etwas über den Fuß der Herzogin!

Goethe behauptete stets, ein schöner Fuß sei der einzig dauernd schöne Theil an einem Weibe; er bleibe immer reizend, wenn er einmal reizend sei; er verändere selten seine Form. Der alte Herr hatte von jeher gern mit den Füßen zu thun; er hörte nichts lieber, als eine Frau in Pantoffeln, mit hohen Absätzen klipp, klapp, einen langen hallenden Korridor hinunterschreiten. Ich bin natürlich mit dieser hohen Autorität durchaus einverstanden. Auch unsere Herzogin hatte aus den Tagen der Jugend einen Fuß gerettet, der wenigstens zu einem schönen Schuh Veranlassung gab. In vielen Fällen wird man nach der Form des Fußes den ganzen Menschen beurtheilen können; auf die Race kann man stets danach schließen. Es verhält sich mit den Füßen wie mit den Zähnen und den Fingerspitzen. Ich mache mich verbindlich, nach der Weiße und der Reinheit der Zähne und der Fingerspitzen eines Menschen genau zu sagen, wie viel Mal er in der Woche ein reines Hemd anzieht. Die Fingerspitze steht aber in genauem Zusammenhange mit dem Zahne; der Zahn mit dem Hemde und das Hemd mit dem ganzen Menschen.

Seit Benvenuto Cellini aus den schönen Zähnen seines erschlagenen Nebenbuhlers eine Kette für die lächelnde Herrin arbeitete, hat es wohl keine bessern Kinnladen gegeben, als die der neulich am Kap verunglückten englischen Offiziere. Sie wurden von den Kaffern ermordet; nach einigen Tagen fand man sie in der Tiefe des Waldes. Geld, Uhr und Waffen: Alles hatte man ihnen gelassen. Man nahm ihnen nur das Leben und die ‒ Zähne. Die Engländer sind die reinlichsten Leute. Nach Liebig verbrauchen die Engländer die meiste Seife; dann kommen die Franzosen, dann die Deutschen u. s. w., zuletzt die Russen. Die Engländer haben die reinsten Hände, die saubersten Zähne und die weißeste Wäsche. Die Engländer sind die Herren der Welt.

Geier-Augen, Geier-Nase, ein ausgestopfter Raubvogel und im Antlitz die Brandstätte aller Leidenschaften: Das ist unsere Herzogin. In unsern Notizen finden wir noch ausdrücklich bemerkt, daß die Herzogin nur Leute, die in der engsten Intimität mit ihr stehen, bei Tage empfängt. In den meisten Fällen nimmt sie nur Abends Besuche an, wie sie sich denn überhaupt auch nur bei Abend zeigt, da sie nur zu wohl weiß, wie sehr sie des Lampenlichtes bedürftig ist.

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          <p>Mehrere Compagnien unserer Bürgerwehr haben eine Adresse an die Vereinbarer-Versammlung       gerichtet, sich für souverain und als eine constituirende Versammlung zu erklären. Wir wollen       abwarten ob die Herren Vereinbarer aus dem Centrum, die 38 hin und her wackelnden Mitglieder,       den Muth haben werden, sich auf eigene Füße zu stellen, denn bisher hatten sie jeden       Standpunkt verloren und nur am 7. September wagten sie einen kühnen Griff nach der linken       Seite. Werden sie sich daran festhalten? &#x2012;</p>
          <p>Unter diesen Umständen wird es dem Herrn v. Beckerath sehr schwer ein Ministerium zu bilden.       Ueberall erhält er hier zierlich geflochtene Körbe und daher sieht er sich genöthigt seine       Collegen aus der Ferne kommen zu lassen.</p>
          <p>Obgleich die Minister-Crisis schon zehn Tage dauert, so herrscht diesmal doch nicht die       sonst allgemein verbreitete Spannung. Denn sobald man eingesehen, daß der König kein       Ministerium der Linken wolle, war man auch uberzeugt, daß jedes andere Ministerium nur von       einer kurzen Dauer sein kann und es ziemlich gleichgültig bleiben dürfe, wer in ein solches       Ministerium eintritt. Daher die gegenwärtige Gleichgültigkeit. Für heute circulirte folgende       Candidatenliste: v. Beckerath: Präsident ohne Portefeuille. Pinder: Inneres. Mevissen:       Finanzen. Harkort: Handel und Ackerbau. Baumstark: Landwirthschaft. Wenzel: Justiz. v.       Strotha: Krieg. v. Vinke: Auswärtiges. &#x2012; Einige Namen von diesen Genannten, mögen nur der       guten Laune eines Spaßvogels ihre Candidatur verdanken, dagegen sind mehrere andere als gewiß       in Aussicht zu stellen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar107_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>102</author></bibl> Wien, 13. Sept.</head>
          <p>41. Reichstagssitzung. (Schluß.)</p>
          <p>Er nennt dabei Oestreich das Australien des 19. Jahrhunderts, und meint, auch der weiße       Adler Polens müsse im Neste des Doppeladlers bleiben. (Zischen.) Italien sei eine deutsche       Eroberung. Lasser tritt ab, nachdem er vergebens auf Akklamation gewartet.</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Borkowski,</hi> Galizien, in gebrochenem Deutsch. Ich fasse diese       Sache nicht in einer Parabel, auch nicht aus den Berichten der Zeitungen zusammen. Ich frage,       ob die italienische Armee Oestreich wirklich solche Vortheile errungen hat, daß ihr dafür der       Dank eines freien Volkes gebührt? Man lasse sich nicht durch das Aeußere der Ereignisse       hinreißen. Im Auslande ist besser bekannt, was in Italien geschehen ist Est ist ein       entsetzlicher Krieg geführt, viel Blut ist vergossen worden, der nicht geführt, das nicht       vergossen werden durfte, wenn die Freiheit und nicht der Absolutismus gewaltet hätte. (Großer       Beifall.) Ist der Krieg in Italien ein gerechter? Erzherzog Johann hatte versprochen, daß nur       die Waffenehre dort gewahrt werden solle; die Ehre der Waffen besteht allein darin, die Waffen       wider die Freiheit nicht zu führen. Ich bedaure meine Landsleute, welche freiwillig oder       gezwungen an dem Kriege gegen Italien Theil genommen. Die Tapferkeit der Armee mag wahr sein,       ihre Anwendung aber ist eine schlimme. Auf den Patriotismus dürfen Sie nicht hinweisen; wir       Polen kennen ihn, aber wir haben in der ganzen Welt für die Freiheit geblutet.</p>
          <p>Es ist auch Patriotismus, für den Ruf des Reichstags besorgt sein; wir sind keine freien       Männer mehr, wenn wir erklären, daß die Unabhängigkeit der Nationen uns nicht heilig ist.       (Beifall.) Auch der Ehrenkrieg ist Despotismus. [Großer Beifall]. Können nicht auch die Russen       unsere Gränze mit dem Vorgehen überschreiten, sie seien nicht gegen die Freiheit, aber sie       dürften keine eigene Verfassung, keine Konstitution an ihrer Gränze dulden?</p>
          <p>Kriegsminister <hi rendition="#g">Latour:</hi> Hr. Präsident, ich ersuche Sie, dem Redner       das Wort zu nehmen, ihn zur Ordnung zu rufen, von der Tribüne mit ihm, das ist infam!</p>
          <p>Fast die ganze Kammer erhebt sich; von allen Seiten: zur Ordnung mit dem Kriegsminister.       Präsident Strobach zögert; der Ruf wird heftiger, Tumult.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Ich ermahne den Hrn. Kriegsminister, sich zu setzen und       den Redner nicht zu unterbrechen. [Ungeheuerer Beifall mit Bravos, Händen und Füßen].</p>
          <p><hi rendition="#g">Bokowski,</hi> der unterdessen mit großer Ruhe auf der Tribüne gestanden       Wenn die Armee eine Pflicht zu erfüllen hatte, so hat auch der Reichstag eine solche zu       erfüllen; eine Dankadresse würde indessen kein schmeichelhaftes Zeichen für die Erkennung       dieser Pflicht und seiner Interessen sein. [Steigt unter ungeheuerm Beifall von der       Tribüne].</p>
          <p><hi rendition="#g">Violand:</hi> Ich lobe die Armee als militärischer Körper; in jedem       andern Betracht mag ich nichts von ihr wissen. Schon längst hat das Volk erklärt, daß die       Erwerbung Italiens Oesterreich nur Unheil gebracht Oesterreich hätte sich an der Donau       ausbreiten müssen; dort war seine Aufgabe. Die Trauer unserer Politik liegt am Tage, da wir       nur durch Bombardements, durch Grausamkeiten und Blutvergießen unsere eigenen Provinzen       aufrecht erhalten können. Die Armee mag einen Heldencharakter gezeigt haben, aber von ihr sind       in Italien auch Barbarenthaten an Greisen und <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                </p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar107_005" type="jArticle">
          <head>Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski.</head>
          <p>
            <ref type="link">(Fortsetzung.)</ref>
          </p>
          <p>Die Herzogin ist also eine geiernasige und geieräugige, aus Kunst und Natur       zusammengesetzte, achtundfünfzigjährige kleine Dame. Wir wünschen Hrn. v. Schnapphahnski von       ganzem Herzen Glück. &#x201E;Der Teint der Herzogin ist gelb verwittert,&#x201C; setzt das Manuskript hinzu,       &#x201E;die Herzogin hat höchst scharfe Züge. Ihr ganzes Angesicht gleicht aber der Brandstätte aller       Leidenschaften.&#x201C;</p>
          <p>Brandstätte der Leidenschaften!</p>
          <p>Seit wir diesen Vergleich haben, brauchen wir unsere Herzogin weiter nicht zu mehr zu       schildern. Es ist unnöthig, wenn wir noch hinzusetzen, daß unsere Heldin sich stets sehr       jugendlich kleidet, daß sie eine zweireihige Garnitur falscher Zähne besitzt und daß sie einen       total haarlosen Kopf hat und deshalb auch schon seit undenklichen Zeiten eine vollständige       Perrücke trägt&#x2026;</p>
          <p>Die kahlen Köpfe waren in der Familie der Herzogin von jeher en vogue. Die älteste Schwester       unserer Heldin, eine höchst ausgezeichnete Dame, die sich von vier Männern scheiden ließ und       die eigentlich in der ganzen Familie einzig und unerreicht dasteht, beschäftigte sich während       der zweiten Hälfte ihres schönen Lebens fast ununterbrochen mit der Auffindung irgend eines       Mittels, das die letzten Reste des herzoglichen Familienhaares konserviren könne.</p>
          <p>Pythagoras entdeckte seinen Lehrsatz; Columbus entdeckte Amerika und die Herzogin von &#x2026;       entdeckte die berühmte schwarze Haar-Tinktur. Ich weiß nicht, ob die Herzogin den Göttern       Hekatomben schlachtete, nachdem sie die Tinktur erfunden hatte; jedenfalls ist es aber für       gewiß anzunehmen, daß sie den Augenblick der Entdeckung für den wichtigsten ihres Lebens       hielt.</p>
          <p>Das Unglück, keine Haare mehr auf dem Kopfe zu besitzen, ist so groß, daß es eigentlich nur       dann zu ertragen ist, wenn man Haare auf den Zähnen hat. Ein Mensch, der sie weder da noch       dort trägt, ist sehr zu bedauern. Er ist ein kahles Feld, ein entlaubter Baum; die Sonne       seines Lebens hat sich in einen Mond verwandelt. Der Abend ist hereingebrochen und bald wird       die Nacht kommen, und am andern Morgen wird der arme Mond todt sein, mausetodt. Wenn man       seinen kahlen, schneeweißen Kopf mit einer vollen kohlschwarzen Perrücke krönt, so erlebt man       mit seinem Monde gewissermaßen eine Mondfinsterniß. Aber eine Mondfinsterniß ist vergänglich.       Der Wind kann eine Perrücke davontragen und man hat eigentlich nur den Vortheil davon, daß der       Tod vielleicht einst nur die Perrücke faßt, wenn er uns nach dem Schopf greift und daß der       wirkliche Kerl davonläuft &#x2012; à revoir &#x2012; sterben Sie wohl, Herr Tod!</p>
          <p>Wie ich bereits bemerkte, trägt unsere Heldin eine Perrücke&#x2026;</p>
          <p>Dies schien mir von hoher Wichtigkeit zu sein; ich sah darin den bedauerlichsten Widerspruch       mit der von der älteren Schwester erfundenen Tinktur. Pflichtgetreu stellte ich die genauesten       Nachforschungen an und leider hat sich dadurch herausgestellt, daß der Schädel unserer Heldin       sogar der berühmten herzoglichen Familien-Tinktur siegreich widerstanden hat, und daß sich       unsere Freundin dabei beruhigen muß, eine Perrücke auf dem kahlen Kopfe und kein Haar auf den       falschen Zähnen zu besitzen. Es thut mir leid, daß ich nicht näher auf die Tinktur eingehen       darf. Man könnte Bände darüber schreiben. Es kommt unendlich viel auf das Haar an. Einer der       ersten Künstler der Welt bezeichnete seine hinterlassenen Perrücken mit vollem Recht, als den       Hauptschatz seines Nachlasses.</p>
          <p>Doch nun noch etwas über den Fuß der Herzogin!</p>
          <p>Goethe behauptete stets, ein schöner Fuß sei der einzig dauernd schöne Theil an einem Weibe;       er bleibe immer reizend, wenn er einmal reizend sei; er verändere selten seine Form. Der alte       Herr hatte von jeher gern mit den Füßen zu thun; er hörte nichts lieber, als eine Frau in       Pantoffeln, mit hohen Absätzen klipp, klapp, einen langen hallenden Korridor       hinunterschreiten. Ich bin natürlich mit dieser hohen Autorität durchaus einverstanden. Auch       unsere Herzogin hatte aus den Tagen der Jugend einen Fuß gerettet, der wenigstens zu einem       schönen Schuh Veranlassung gab. In vielen Fällen wird man nach der Form des Fußes den ganzen       Menschen beurtheilen können; auf die Race kann man stets danach schließen. Es verhält sich mit       den Füßen wie mit den Zähnen und den Fingerspitzen. Ich mache mich verbindlich, nach der Weiße       und der Reinheit der Zähne und der Fingerspitzen eines Menschen genau zu sagen, wie viel Mal       er in der Woche ein reines Hemd anzieht. Die Fingerspitze steht aber in genauem Zusammenhange       mit dem Zahne; der Zahn mit dem Hemde und das Hemd mit dem ganzen Menschen.</p>
          <p>Seit Benvenuto Cellini aus den schönen Zähnen seines erschlagenen Nebenbuhlers eine Kette       für die lächelnde Herrin arbeitete, hat es wohl keine bessern Kinnladen gegeben, als die der       neulich am Kap verunglückten englischen Offiziere. Sie wurden von den Kaffern ermordet; nach       einigen Tagen fand man sie in der Tiefe des Waldes. Geld, Uhr und Waffen: Alles hatte man       ihnen gelassen. Man nahm ihnen nur das Leben und die &#x2012; Zähne. Die Engländer sind die       reinlichsten Leute. Nach Liebig verbrauchen die Engländer die meiste Seife; dann kommen die       Franzosen, dann die Deutschen u. s. w., zuletzt die Russen. Die Engländer haben die reinsten       Hände, die saubersten Zähne und die weißeste Wäsche. Die Engländer sind die Herren der       Welt.</p>
          <p>Geier-Augen, Geier-Nase, ein ausgestopfter Raubvogel und im Antlitz die Brandstätte aller       Leidenschaften: Das ist unsere Herzogin. In unsern Notizen finden wir noch ausdrücklich       bemerkt, daß die Herzogin nur Leute, die in der engsten Intimität mit ihr stehen, bei Tage       empfängt. In den meisten Fällen nimmt sie nur Abends Besuche an, wie sie sich denn überhaupt       auch nur bei Abend zeigt, da sie nur zu wohl weiß, wie sehr sie des Lampenlichtes bedürftig       ist.</p>
        </div>
      </div>
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[0531/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 107. Köln, Mittwoch den 20. September. 1848. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Ratifikation des Waffenstillstandes. ‒ Bestrafung von Soldaten wegen Clubbesuch.) Berlin (Die Krisis.) Wien. (Reichstag. ‒ Aus Ungarn. ‒ Kossuth gestürzt. ‒ Nachricht vom Kriegsschauplatz. ‒ Telegraphie. ‒ Die Vorfälle am 13.) Breslau. (Posensche Gefangne.) Halle. (Adresse) Elberfeld. (Adressen) Ungarn. Pesth. (Das Ministerium Kossuth als provisorische Regierung.) Italien. (Auto-da-fe in Genua. ‒ Adresse nach Turin. ‒ In Neapel die Kammer vertagt.) Französische Republik. Paris (Die Wahlagitation. ‒ Die sozialdemokratische und die kontrerevolutionäre Presse über Deutschland. ‒ Vermischtes.) Schweiz. Zürich. (Die Bundesverfassung Gesetz. ‒ Die Forderung des Herrn Mathy.) Deutschland. ** Köln, 19. Sept. _ * Köln, 19. Septbr. An der letzten Sitzung des hiesigen demokratischen Vereins nahmen eine Anzahl Artilleristen Theil. Wegen dieses Verbrechens ist ihnen freigestellt worden: zwischen 6 Tagen Mittel- und 3 Tagen strengen Arrest zu wählen. Sie haben sich, wie wir hören, für letzteren entschieden. Es steht sehr zu bezweifeln, daß man den Geist der neuen Zeit, der auch im Heere erwacht ist, durch Einsperren zugleich abzusperren im Stande sein wird! 103 Berlin, 17. Septbr. Mehrere Compagnien unserer Bürgerwehr haben eine Adresse an die Vereinbarer-Versammlung gerichtet, sich für souverain und als eine constituirende Versammlung zu erklären. Wir wollen abwarten ob die Herren Vereinbarer aus dem Centrum, die 38 hin und her wackelnden Mitglieder, den Muth haben werden, sich auf eigene Füße zu stellen, denn bisher hatten sie jeden Standpunkt verloren und nur am 7. September wagten sie einen kühnen Griff nach der linken Seite. Werden sie sich daran festhalten? ‒ Unter diesen Umständen wird es dem Herrn v. Beckerath sehr schwer ein Ministerium zu bilden. Ueberall erhält er hier zierlich geflochtene Körbe und daher sieht er sich genöthigt seine Collegen aus der Ferne kommen zu lassen. Obgleich die Minister-Crisis schon zehn Tage dauert, so herrscht diesmal doch nicht die sonst allgemein verbreitete Spannung. Denn sobald man eingesehen, daß der König kein Ministerium der Linken wolle, war man auch uberzeugt, daß jedes andere Ministerium nur von einer kurzen Dauer sein kann und es ziemlich gleichgültig bleiben dürfe, wer in ein solches Ministerium eintritt. Daher die gegenwärtige Gleichgültigkeit. Für heute circulirte folgende Candidatenliste: v. Beckerath: Präsident ohne Portefeuille. Pinder: Inneres. Mevissen: Finanzen. Harkort: Handel und Ackerbau. Baumstark: Landwirthschaft. Wenzel: Justiz. v. Strotha: Krieg. v. Vinke: Auswärtiges. ‒ Einige Namen von diesen Genannten, mögen nur der guten Laune eines Spaßvogels ihre Candidatur verdanken, dagegen sind mehrere andere als gewiß in Aussicht zu stellen. 102 Wien, 13. Sept. 41. Reichstagssitzung. (Schluß.) Er nennt dabei Oestreich das Australien des 19. Jahrhunderts, und meint, auch der weiße Adler Polens müsse im Neste des Doppeladlers bleiben. (Zischen.) Italien sei eine deutsche Eroberung. Lasser tritt ab, nachdem er vergebens auf Akklamation gewartet. Graf Borkowski, Galizien, in gebrochenem Deutsch. Ich fasse diese Sache nicht in einer Parabel, auch nicht aus den Berichten der Zeitungen zusammen. Ich frage, ob die italienische Armee Oestreich wirklich solche Vortheile errungen hat, daß ihr dafür der Dank eines freien Volkes gebührt? Man lasse sich nicht durch das Aeußere der Ereignisse hinreißen. Im Auslande ist besser bekannt, was in Italien geschehen ist Est ist ein entsetzlicher Krieg geführt, viel Blut ist vergossen worden, der nicht geführt, das nicht vergossen werden durfte, wenn die Freiheit und nicht der Absolutismus gewaltet hätte. (Großer Beifall.) Ist der Krieg in Italien ein gerechter? Erzherzog Johann hatte versprochen, daß nur die Waffenehre dort gewahrt werden solle; die Ehre der Waffen besteht allein darin, die Waffen wider die Freiheit nicht zu führen. Ich bedaure meine Landsleute, welche freiwillig oder gezwungen an dem Kriege gegen Italien Theil genommen. Die Tapferkeit der Armee mag wahr sein, ihre Anwendung aber ist eine schlimme. Auf den Patriotismus dürfen Sie nicht hinweisen; wir Polen kennen ihn, aber wir haben in der ganzen Welt für die Freiheit geblutet. Es ist auch Patriotismus, für den Ruf des Reichstags besorgt sein; wir sind keine freien Männer mehr, wenn wir erklären, daß die Unabhängigkeit der Nationen uns nicht heilig ist. (Beifall.) Auch der Ehrenkrieg ist Despotismus. [Großer Beifall]. Können nicht auch die Russen unsere Gränze mit dem Vorgehen überschreiten, sie seien nicht gegen die Freiheit, aber sie dürften keine eigene Verfassung, keine Konstitution an ihrer Gränze dulden? Kriegsminister Latour: Hr. Präsident, ich ersuche Sie, dem Redner das Wort zu nehmen, ihn zur Ordnung zu rufen, von der Tribüne mit ihm, das ist infam! Fast die ganze Kammer erhebt sich; von allen Seiten: zur Ordnung mit dem Kriegsminister. Präsident Strobach zögert; der Ruf wird heftiger, Tumult. Präsident: Ich ermahne den Hrn. Kriegsminister, sich zu setzen und den Redner nicht zu unterbrechen. [Ungeheuerer Beifall mit Bravos, Händen und Füßen]. Bokowski, der unterdessen mit großer Ruhe auf der Tribüne gestanden Wenn die Armee eine Pflicht zu erfüllen hatte, so hat auch der Reichstag eine solche zu erfüllen; eine Dankadresse würde indessen kein schmeichelhaftes Zeichen für die Erkennung dieser Pflicht und seiner Interessen sein. [Steigt unter ungeheuerm Beifall von der Tribüne]. Violand: Ich lobe die Armee als militärischer Körper; in jedem andern Betracht mag ich nichts von ihr wissen. Schon längst hat das Volk erklärt, daß die Erwerbung Italiens Oesterreich nur Unheil gebracht Oesterreich hätte sich an der Donau ausbreiten müssen; dort war seine Aufgabe. Die Trauer unserer Politik liegt am Tage, da wir nur durch Bombardements, durch Grausamkeiten und Blutvergießen unsere eigenen Provinzen aufrecht erhalten können. Die Armee mag einen Heldencharakter gezeigt haben, aber von ihr sind in Italien auch Barbarenthaten an Greisen und [Fortsetzung] Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. (Fortsetzung.) Die Herzogin ist also eine geiernasige und geieräugige, aus Kunst und Natur zusammengesetzte, achtundfünfzigjährige kleine Dame. Wir wünschen Hrn. v. Schnapphahnski von ganzem Herzen Glück. „Der Teint der Herzogin ist gelb verwittert,“ setzt das Manuskript hinzu, „die Herzogin hat höchst scharfe Züge. Ihr ganzes Angesicht gleicht aber der Brandstätte aller Leidenschaften.“ Brandstätte der Leidenschaften! Seit wir diesen Vergleich haben, brauchen wir unsere Herzogin weiter nicht zu mehr zu schildern. Es ist unnöthig, wenn wir noch hinzusetzen, daß unsere Heldin sich stets sehr jugendlich kleidet, daß sie eine zweireihige Garnitur falscher Zähne besitzt und daß sie einen total haarlosen Kopf hat und deshalb auch schon seit undenklichen Zeiten eine vollständige Perrücke trägt… Die kahlen Köpfe waren in der Familie der Herzogin von jeher en vogue. Die älteste Schwester unserer Heldin, eine höchst ausgezeichnete Dame, die sich von vier Männern scheiden ließ und die eigentlich in der ganzen Familie einzig und unerreicht dasteht, beschäftigte sich während der zweiten Hälfte ihres schönen Lebens fast ununterbrochen mit der Auffindung irgend eines Mittels, das die letzten Reste des herzoglichen Familienhaares konserviren könne. Pythagoras entdeckte seinen Lehrsatz; Columbus entdeckte Amerika und die Herzogin von … entdeckte die berühmte schwarze Haar-Tinktur. Ich weiß nicht, ob die Herzogin den Göttern Hekatomben schlachtete, nachdem sie die Tinktur erfunden hatte; jedenfalls ist es aber für gewiß anzunehmen, daß sie den Augenblick der Entdeckung für den wichtigsten ihres Lebens hielt. Das Unglück, keine Haare mehr auf dem Kopfe zu besitzen, ist so groß, daß es eigentlich nur dann zu ertragen ist, wenn man Haare auf den Zähnen hat. Ein Mensch, der sie weder da noch dort trägt, ist sehr zu bedauern. Er ist ein kahles Feld, ein entlaubter Baum; die Sonne seines Lebens hat sich in einen Mond verwandelt. Der Abend ist hereingebrochen und bald wird die Nacht kommen, und am andern Morgen wird der arme Mond todt sein, mausetodt. Wenn man seinen kahlen, schneeweißen Kopf mit einer vollen kohlschwarzen Perrücke krönt, so erlebt man mit seinem Monde gewissermaßen eine Mondfinsterniß. Aber eine Mondfinsterniß ist vergänglich. Der Wind kann eine Perrücke davontragen und man hat eigentlich nur den Vortheil davon, daß der Tod vielleicht einst nur die Perrücke faßt, wenn er uns nach dem Schopf greift und daß der wirkliche Kerl davonläuft ‒ à revoir ‒ sterben Sie wohl, Herr Tod! Wie ich bereits bemerkte, trägt unsere Heldin eine Perrücke… Dies schien mir von hoher Wichtigkeit zu sein; ich sah darin den bedauerlichsten Widerspruch mit der von der älteren Schwester erfundenen Tinktur. Pflichtgetreu stellte ich die genauesten Nachforschungen an und leider hat sich dadurch herausgestellt, daß der Schädel unserer Heldin sogar der berühmten herzoglichen Familien-Tinktur siegreich widerstanden hat, und daß sich unsere Freundin dabei beruhigen muß, eine Perrücke auf dem kahlen Kopfe und kein Haar auf den falschen Zähnen zu besitzen. Es thut mir leid, daß ich nicht näher auf die Tinktur eingehen darf. Man könnte Bände darüber schreiben. Es kommt unendlich viel auf das Haar an. Einer der ersten Künstler der Welt bezeichnete seine hinterlassenen Perrücken mit vollem Recht, als den Hauptschatz seines Nachlasses. Doch nun noch etwas über den Fuß der Herzogin! Goethe behauptete stets, ein schöner Fuß sei der einzig dauernd schöne Theil an einem Weibe; er bleibe immer reizend, wenn er einmal reizend sei; er verändere selten seine Form. Der alte Herr hatte von jeher gern mit den Füßen zu thun; er hörte nichts lieber, als eine Frau in Pantoffeln, mit hohen Absätzen klipp, klapp, einen langen hallenden Korridor hinunterschreiten. Ich bin natürlich mit dieser hohen Autorität durchaus einverstanden. Auch unsere Herzogin hatte aus den Tagen der Jugend einen Fuß gerettet, der wenigstens zu einem schönen Schuh Veranlassung gab. In vielen Fällen wird man nach der Form des Fußes den ganzen Menschen beurtheilen können; auf die Race kann man stets danach schließen. Es verhält sich mit den Füßen wie mit den Zähnen und den Fingerspitzen. Ich mache mich verbindlich, nach der Weiße und der Reinheit der Zähne und der Fingerspitzen eines Menschen genau zu sagen, wie viel Mal er in der Woche ein reines Hemd anzieht. Die Fingerspitze steht aber in genauem Zusammenhange mit dem Zahne; der Zahn mit dem Hemde und das Hemd mit dem ganzen Menschen. Seit Benvenuto Cellini aus den schönen Zähnen seines erschlagenen Nebenbuhlers eine Kette für die lächelnde Herrin arbeitete, hat es wohl keine bessern Kinnladen gegeben, als die der neulich am Kap verunglückten englischen Offiziere. Sie wurden von den Kaffern ermordet; nach einigen Tagen fand man sie in der Tiefe des Waldes. Geld, Uhr und Waffen: Alles hatte man ihnen gelassen. Man nahm ihnen nur das Leben und die ‒ Zähne. Die Engländer sind die reinlichsten Leute. Nach Liebig verbrauchen die Engländer die meiste Seife; dann kommen die Franzosen, dann die Deutschen u. s. w., zuletzt die Russen. Die Engländer haben die reinsten Hände, die saubersten Zähne und die weißeste Wäsche. Die Engländer sind die Herren der Welt. Geier-Augen, Geier-Nase, ein ausgestopfter Raubvogel und im Antlitz die Brandstätte aller Leidenschaften: Das ist unsere Herzogin. In unsern Notizen finden wir noch ausdrücklich bemerkt, daß die Herzogin nur Leute, die in der engsten Intimität mit ihr stehen, bei Tage empfängt. In den meisten Fällen nimmt sie nur Abends Besuche an, wie sie sich denn überhaupt auch nur bei Abend zeigt, da sie nur zu wohl weiß, wie sehr sie des Lampenlichtes bedürftig ist.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 107. Köln, 20. September 1848, S. 0531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz107_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.