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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 117. Köln, 15. Oktober 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] unser Hradschin geworden sei. Die von ihm eingenommene Position ist gewaltig, er kann mit seinem Belagerungsgeschütz die ganze Stadt vernichten, wenn er dasselbe aus den Fenstern des Belvedere und anderer Paläste spielen läßt. In der Anla war Alles in reger Wachsamkeit, alle öffentlichen Gebäude waren besetzt, man wartet ängstlich das Signal zum Kampfe ab. Die Straßen der Stadt und die Gebäude zeigen sonst eine schauerliche Oede.

Der englische Gesandte soll im Namen des Völkerrechts wider ein Bombardement Wiens protestirt haben; er wird die Stadt nicht verlassen. Dagegen haben unsere deutschen Gesandten sämmtlich Reißaus genommen und Schreiben an Jellachich in ihren Wohnungen zurückgelassen, worin sie ihn ersuchen, vor dieselben einen Posten stellen zu lassen. Es ist ein Uhr in der Nacht. Alles ruhig.

117 Wien, 9. Oktober. 4 Uhr Nachmittags.

Ich theile Ihnen nachfolgende Proklamationen mit, aus denen Sie erkennen mögen, wieviel Gutmüthigkeit Seitens der demokratischen Partei dazu gehört, Minister, wie Doblhof, Krauß, Hornbostel auch nach dieser entscheidenden Krisis wieder beizubehalten.

An die Bevölkerung Wiens.

Bei dem für heute früh angeordneten Abmarsche eines Theiles der hiesigen Garnison haben sich bei einem Theile dieser Truppen meuterische Bewegungen gegen diesen Befehl gezeigt, welche von einem Theile der Nationalgarde, untermischt mit einem Pöbelhaufen, noch unterstützt wurden.

Ohne daß bis zu diesem Augenblicke auch die erste Veranlassung bekannt ist, wurde von den Waffen Gebrauch gemacht.

Um dem Konflikte zwischen den Truppen Einhalt zu thun, wurden sogleich die geeignetsten Maßregeln ergriffen, und es ergeht zugleich an alle ordnungsliebenden Bewohner Wien's, an alle Korps der Nationalgarde die Aufforderung, diese Maßregeln, welche nur die Verhinderung jedes weiteren Konfliktes, die Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit bezwecken, auf das Kräftigste zu unterstützen.

Zugleich werden alle friedliebenden Bewohner Wien's ermahnt, sich soviel als möglich von allen Aufläufen auf offener Straße zurück zu halten, um nicht unnöthiger Weise die Aufregung zu vermehren.

Wien, 6. Oktober 1848.

Der Ministerrath.

Proklamation.

Der Reichstag, von den verhängnißvollen Ereignissen benachrichtigt, die diese Hauptstadt erschüttert haben, hat sich versammelt, und wendet sich vertrauensvoll an die Bevölkerung Wien's, damit sie ihn unterstütze in der Erfüllung seiner schweren Aufgabe. Indem der Reichstag sein tiefstes Bedauern ausspricht über einen Akt schrecklicher Selbsthülfe, durch welchen der bisherige Kriegsminister seinen gewaltsamen Tod gefunden, spricht er seine feste Hoffnung, seinen entschiedenen Entschluß aus, daß von diesem Augenblicke an das Gesetz und die Achtung vor demselben wieder allein herrsche. Der Reichstag hat sich permanent erklärt, er wird diejenigen Maßregeln treffen, die die Ordnung, Sicherheit und Freiheit der Staatsbürger fordern, er wird dafür sorgen, daß seinen Beschlüssen unbedingte Vollstreckung werde. Er wird sich zugleich an den Monarchen wenden, und demselben die Dringlichkeit vorstellen, diejenigen Minister seines Rathes, die das Vertrauen des Landes nicht besitzen, zu entfernen, und das bisherige Ministerium durch ein volksthümliches zu ersetzen. Er stellt die Sicherheit der Stadt Wien, die Unverletzlichkeit des Reichstages und des Thrones und dadurch die Wohlfahrt der Monarchie unter den Schutz der Wiener Nationalgarde.

Wien, 6. Oktober 1848.

Im Namen des Reichstages.

Der erste Vice-Präsident:Franz Smolka.

An Scherzer's Stelle ist Braun, der sich am Tabor am 6 sehr ausgezeichnet haben soll, zum Oberkommandanten der Garde ernannt, weil Scherzer erklärte, er verstehe das Kriegshandwerk nicht genug, um in diesem gefährlichen Momente der Stadt die genügende Bürgschaft geben zu können. - Der demokratische Central-Verein hat so eben den Muth bekommen, die Wiener Bürger von seinem Dasein zu benachrichtigen und aufzufordern, sich um ihn zu schaaren.

Im Reichstag wurden Adressen verlesen, welche Landgemeinden eingeschickt haben und worin sie ihn ihres Beistands versichern. - Auch wurde ein Antrag des Wohlfahrtsausschusses, alle öffentlichen Gebäude Wien's unter den Schutz des Reichstags zu stellen, angenommen, bei welcher Gelegenheit Borrosch das Benehmen des Volks am 6. lobt, indem auch nicht ein Schnupftuch geraubt worden. - Hierauf vertagte sich der Reichstag bis 6 Uhr.

Der Hof ist von Schönbrunn nicht allein, sondern in Begleitung von 6000 Grenadieren und vielem Geschütz abgezogen; er soll vom Landsturm bei St. Pölten wirklich aufgehalten worden sein.

Auersperg wartet auf Jellachich, der sich schon in unserer Nähe befinden soll. Kossuth soll mit 16,000 Mann nachfolgen.

Die Pesther Zeitung vom 6. Oktober bringt die Nachricht, Kossuth habe auch um Szepedin 50,000 Bauern zusammenzubringen gewußt.

Aus Raab wird vom 4. Oktober geschrieben: Gestern Abend 5 Uhr ist Jellachich hier an der Spitze von circa 20,000 Mann, theils regulärer Gränzer, theils irregulären bewaffneten Bauernvolks, einer Kompagnie Szeresaner, dann dem Regimente Kreß-Chevauxlegers und Hardepp-Kuriassiren eingezogen und hat ein Lager bezogen, welches von der Stadt mit Viktualien versehen werden mußte. 5000 Nationalgarden waren unter Zichy entgegengerückt, konnten aber den Einzug nicht verhindern. Den Zug des feindlichen Heeres eröffneten 60 Banderialhusaren mit einem Rittmeister an der Spitze; dann kam General Zeisler mit den Kuirassiren, sodann General Hartlieb mit Infanterie, General Kampter mit den Gränzern, endlich Jellachich selbst, umgeben von einer Suite von 15 Offizieren. Nun kam der übrige Theil des Heeres, und bei dessen Anblick konnte ich mich der bittersten Empfindungen nicht erwehren. Es wird zeitlebens ein Schandfleck für das Haus Oesterreich bleiben, daß es solches Gesindel von k. k. Generälen anführen ließ. Ausgehungerte und zerlumpte Leute, denen die Raubbegierde aus den Augen blickt.

Der Redakteur der "Allgemeinen Oesterreichischen Zeitung" soll vor Schrecken über die Bewaffnung der Arbeiter nicht nur entflohen, sondern auch wahnsinnig geworden sein. Sein Name fehlt auch unter dem Blatte.

Der Exminister Bach soll sich beim Kaiser in Reichholdsheim hinter St. Pölten befinden. Der Slovaken- und Czechen-Führer, Pastor Hurban, ist verwundet hier eingetroffen, wie man sagt. Hurban, Hodza und Stur warben ihre Rotte, wie man jetzt erfährt, unter dem Vorwande, daß sie mit den Ungarn gegen Jellachich ziehen würden, versprachen jedem Manne 20 Fl. K.-M. Handgeld und 20 Kr. tägliche Löhnung. Sie fuhren bei 450 Mann auf der Eisenbahn bis Pisek in Mähren, und zogen sodann mit 18 Wagen, worauf Gewehre und Munition sich befanden, gegen die ungarische Gränze, welche sie mit dem Rufe Elpen Kossuth! passirten. - Erst nachdem sie eine gute Strecke fortmarschirt waren, wurden sie mit dem eigentlichen Unternehmen bekannt gemacht und ihnen ein panslavistischer Schwur abgenommen.

Eben wird mir mitgetheilt, Jellachich sei heute Mittag von Bruck an der Leitha (6 Stunden von Wien) aufgebrochen, um in der Nacht hier einzutreffen. Damit stimmt das Hurrah von heute Morgen wohl überein. Man rüstet sich hier zum Kampfe und wird, wie ich vernehme, gegen Abend mit Bomben in Schwarzenberg's Park zu werfen beginnen. Fortwährend treten Soldaten zu uns über. Das Militär der Umgegend wird von den Bauern vom Marsch auf Wien zurückgehalten. - Die Truppen Auersperg's haben geschworen, nicht das Kind im Mutterleibe zu schonen. Wir wollen sehen, ob wir diesen Rotomonden erliegen werden. Mein nächster Brief wird hoffentlich einen Schlachtbericht bringen, wenn ich nicht mit erwürgt werde.

Wien, 9. Okt.

Der rechte Flügel Jellachichs, unter Kommando des General Roth, ist von den Magyaren unter Perczel geschlagen. Roth sammt dem Generalstab und 2000 Croaten gefangen worden. Die Hauptarmee der Magyaren unter Kossuth und Meszaros ist 70,000 Mann stark in Wieselburg eingerückt. Jellachich, fort und fort gedrängt, zu feig und zu schwach eine Schlacht zu liefern, zieht sich fort und fort zurück; Preßburg ward am 7. von den zwei k. k. Bataillons geräumt worden. Jellachich, der vorüberzog, wollte den Donauübergang, d. i. die Herstellung der von den Preßburger Bürgern ausgehängten Schiffbrücke, durch Drohung mit Bombardement erzwingen, aber man lachte ihn aus. In der That hat er nicht einmal Wurfgeschütz bei sich; er mußte daher fortretiriren, und soll jetzt in Bruk an der Leitha stehen. Das ungarische Heer folgt ihm auf der Ferse.

(B. Z. H.)
61 Wien, 10. October, 12 Uhr Mittags.

Permanenz des Reichstags. Die Protokolle vom 8ten und 9ten werden verlesen, Karolkabo redet von einer Aenderung des Protokolls vom 4ten und 5ten hinsichtlich des Finanzgesetzes. Die Centren finden ein ungeheures Vergnügen, sich darüber zu unterhalten; sie verstecken darunter ihre Feigheit.

Schuselka als Berichterstatter des Ausschusses: Die Nacht ist ruhig gewesen, insoweit man unter den obwaltenden Umständen von Ruhe überhaupt reden kann. Wir haben berittene Sicherheitswachen in die Umgegend ausgeschickt und uns von Stunde zu Stunde Bericht erstatten lassen. Es sind nicht unbedeutende Truppenmassen gegen Wien angerückt; die aufregendsten Gerüchte verbreiteten sich und man verlangte mit Ungestüm, anzugreifen, um das Zusammenziehen dieser Truppen zu verhindern. Wir glaubten diesem Kampfesungestüm im Interesse der Ordnung Widerstand leisten zu müssen, uns davon nicht hinreißen lassen zu dürfen. Darum konnten wir dem Ansinnen nicht genügen, schon jetzt den Landsturm aufzubieten. Wir trauen den Freundschaftsversicherungen Auersperg's zwar nicht und rüsten uns, die Freiheit zu schirmen, (Bravo) allein wir müssen die Aufrechthaltung der Ordnung noch immer als Hauptsache betrachten, damit wir nicht das Gegentheil von Freiheit hervorrufen. Die Aufbietung des Landsturms ist ein gefährliches Mittel, obwohl wir der aufopfernden Bereitwilligkeit des Landvolks alle Anerkennung zollen. (Tiefe Stille in der Versammlung.) Wir haben das Landvolk indessen auch nicht ganz abgewiesen; wir haben uns mit ihm in Verbindung gehalten und die Nationalgarde der Umgegend bis nach Brünn requirirt. Wir tragen Alles öffentlich vor, damit wir gerechtfertigt dastehen.

Die Truppen im Schwarzenberg's Palais sind verstärkt worden; Jellachich ist bis Kaisers-Ebersdorf vorgedrungen, aber wir haben noch einmal einen friedlichen Weg und Versuch gemacht, wir haben eine aus Männern, die allen Parteien genügen, bestehende Kommission mit dem bestimmtesten Auftrage zur sofortigen unumgänglich nothwendigen Aufgebung der Stellung an Auersperg abgeschickt; diese Kommission besteht aus den Abgeordneten Borrosch, Pillersdorf, Stobnicki (galiz. Bauer). - Auch das Ministerium hat wegen Jellachich fernere Schritte gethan; es hat eine Depesche durch zwei Abgeordnete an ihn ergehen lassen, worin es in energischer Sprache ihn auffordert, sich ihm zu unterwerfen und durch sein Einmarschiren den kroatischen Krieg nicht auf östreichisches Gebiet hinüberzuspielen; worin es ihm befiehlt, sich über seine Absicht zu erklären, indem es darauf hinweis't, daß es seine Pflicht gewesen, diese Absicht und sein Einrücken schon im Voraus bekannt zu geben.

Wir sind inzwischen indessen nicht müßig geblieben und haben dem Gemeinderath und Oberkommando der Nationalgarde den Auftrag ertheilt, alle noch im Zeughause vorfindlichen Waffen unter die waffenfähigen Männer verabfolgen zu lassen.

Indem wir so handelten und die Vertheidigung der Stadt übernommen haben, mußten wir auch alle Vertheidigungsmaßregeln, die von anderer Seite kamen, zu verhindern suchen und haben demzufolge den Gemeinderath beauftragt, kund zu geben, daß kein anderer Befehl befolgt werde, der nicht von ihm oder dem Oberkommando komme.

Zimmer beantragt, daß der Reichstag erklären möge, daß er auch noch mit 150 Anwesenden beschlußfähig sei.

Potocki dagegen, weil ein solcher Antrag die Würde der Kammer verletze.

Löhner: Die Kammer darf kein Mißtrauen in sich selbst aussprechen; er verbreitet sich mit dichterischem Brei über diese Ansicht.

Schuselka stimmt für den Antrag, obwohl wider dessen Motiv. Die Nothwendigkeit sei das einzig wahre Motiv.

Smereker beantragt die Tagesordnung. (Angenommen.)

Die Deputationen sind noch nicht zurückgekehrt. Minister Kraus hat sich während der ganzen Sitzung nicht gezeigt. Viele Abgeordnete sind abwesend und nur etwas über 200 anwesend. 192 müssen zu Beschlüssen gegenwärtig sein.

Um 6 Uhr wird wiederum Sitzung sein.

3 Uhr. Der Generalmarsch wird geschlagen, die Sturmglocken ertönen, es scheint zum Kampfe zu kommen. Wenn wir unterliegen, so trägt die miserabele deutsche Halbheit, dieses Erschöpfen aller Friedenswege, wo der Feind nur den Krieg will und unterdessen zur Verstärkung alle Gelegenheit erhält, die Schuld davon. - Ein leichter Regen beginnt zu fallen.

Die Nachricht trifft ein, daß die ungarische Armee mit 70,000 Mann im Anzuge ist, 15 Dampfboote bringen die Avantgarde in Eile die Donau hinauf. Heute, oder doch in diesen Tagen, heißt's: Freiheit oder Tod!

Krems, 9. Okt.

Heute Morgen zwischen 11 und 12 Uhr ist der Kaiser von der Station Herzogenburg kommend unter Bedeckung von 5 - 6000 Mann verschiedener Truppengattungen sammt 4 Kanonen mit seinem Gefolge mit 20 - 30 Wagen durch Krems passirt. Der Kaiser geht über Znaim nach Ollmütz. Sein Empfang in den Städten Stein und Krems war ohne sichtbares Zeichen von Beifall oder Mißfallen, ein ernster, schweigender. Die braven Nationalgarden der Schwesterstädte hatten beabsichtigt, die Donaubrücke abzutragen, um den Kaiser zu bewegen, das Erzherzogthum nicht zu verlassen. Leider wurde dies Vorhaben vermittelt.

Prag, 9. October.

Heute Nachmittags fand auf dem Rathhause eine Versammlung mehrer der hier anwesenden Reichstags-Deputirten (es befinden sich deren bereits 27 in Prag) und des Stadtverordnetenkollegiums statt, um die Schritte zu berathen, die durch die Wiener Ereignisse für unsere Stadt und unser Land als nothwendig erscheinen dürften. Palacky gab einen langen ausführlichen Bericht über die Wiener Octoberrevolution mit vielen Ausfällen auf die deutsche und magyarische Demokratie, eine Rechtfertigung Jellachich's, und die Behauptung, die Stützen der Dynastie seien jetzt nur die Nord- und Südslaven. Rieger sprach über dieselbe Angelegenheit und erzählte einige interessante Details über die Begebenheiten, die der blutigen Wiener Katastrophe vorangegangen waren. Hierauf wurde das Manifest (welches unten mitgetheilt ist) berathen und nach langer und heftiger Debatte angenommen und von den anwesenden Stadtverordneten und Bürgermeister unterfertigt. - Mit dem heutigen Abendtrain ist der Exminister Wessenberg hier angelangt.

- Das Stadtverordneten-Collegium erläßt folgende Proklamation:

Aufruhr, Mord und Gewaltthat hat in Wien die Garantien der Freiheit in Frage gestellt; der Partei des Umsturzes ist es - wir sind überzeugt, gegen den Willen der Majorität der biedern Bewohner Wiens - gelungen, unsern constitutionellen Kaiser-König zur Flucht zu veranlassen, den Reichstag zu terrorisiren, in welchem jetzt die bisherige Minorität ohne Rücksicht auf Ordnung und Gesetz illegale Beschlüsse faßt.

Im Namen und im Sinne der loyalen Bevölkerung Prags protestiren wir gegen alle im Reichstage ungesetzlich gefaßten Beschlüsse, wir protestiren gegen eine Versammlung, welche in beschlußunfähiger Minderheit, ihr Mandat überschreitend, die executive Gewalt an sich zu reißen versuchen sollte.

In dem gewaltsamen Sturze eines Ministeriums, welches in Uebereinstimmung mit der Majorität der freien Vertreter eines freien Volkes handelt, sehen wir nicht die Erhebung einer edeln Nation für ihre unterdrückten Rechte, sondern nur verbrecherischen Aufruhr und Anarchie.

[Fortsetzung] halten. Schon habe ich Nachrichten, daß sich bedeutende Kräfte an den Gränzen sammeln. Bedenken Sie also, welcher Gefahr Sie von dieser Seite entgegenlaufen, um so mehr, als Sie dem Angriff ohne meinen Schutz nicht widerstehen könnten. Im Interesse Deutschlands, auch zum eigenen Wohl des Großherzogthums Posen ist die gewaffnete Neutralität das allein noththuende und ersprießliche Rettungsmittel. Viele der Bewegungen Deutschlands, das Drängen nach nationaler Einheit kommen von der bangen Ahnung einer Gefahr vom Westen, wo zwar nicht die Regierung, aber hundert und abermals hundert Tausend Stimmen nichts anderes als ein gewaltsames Revolutioniren und die Rheingränze predigen. Ein Krieg gegen Rußtand ist unter solchen Umständen unmöglich, und ich würde es gegen meine Pflicht und mein Gewissen halten, denselben zu führen, und mit meiner Ehre ist er nun vollends unverträglich.

Ich hoffe deshalb und wünsche, daß die Besonnenheit der Einwohner des Großherzogthums Posen dieselben vor unbedächtigen, verderblichen Unternehmungen abhalten werde. Sie schlagen sich, meine Herren, mit eitlen Hirngespinnsten und Sie mögen zusehen, daß Sie statt des Schwertes nicht ein Schilfrohr in die Hand nehmen, welches bei dem ersten Schlag Ihnen in der Hand zerbrechen würde. Sie täuschen sich auch, wenn Sie auf die Hülfe des Landvolkes Ihre Hoffnungen stützen. Bedenken Sie, daß Sie zwei Nationalitäten in der Provinz neben einander haben, und wenn die deutsche, wie es sich von selbst versteht, Ihnen ihre Mithülfe versagt, werden Sie eben so wenig sich auf Ihre polnischen bäuerlichen Einsassen verlassen können. Diese sind, wie ich es aus den sichersten Quellen weiß, der Regierung treu ergeben, und habe ich auch persönlich denselben nicht so viele Wohlthaten, wie mein seliger Vater erweisen können, so habe ich doch selbst erfahren, welch ein edler Stamm der der Großpolen sei. Deshalb liebe ich aber auch das Volk so sehr, weil es für die Dankbarkeit gegen seine Wohlthäter ein so offenes Herz hat. Diese Anhänglichkeit an die Regierung hat sich zuletzt auch dadurch erwiesen, daß im Jahre 1846 es nur die preußischen Beamten gewesen, welche die Grundherren vor ähnlichen Ausbrüchen des Landvolks, wie in Galizien, geschützt haben. Diese Treue des Volkes ist mir aus den besten Quellen. durch meinen Vetter Radziwill und durch die achtbarsten Landtagsdeputirten bekannt, und ich werde dasselbe schmerzlich wegen des Schicksals bedauern, welches Sie ihm durch Ihre Unternehmung bereiten würden. Sie würden aber mir hierdurch auch noch den größten Kummer bereiten, daß ich an dem großen Werke der Entwicklung Deutschlands gehindert werden würde. Aber auch abgesehen davon, Sie würden, selbst wenn Sie organisirt wären, dem Angriffe Rußlands nicht widerstehen können. Sie haben erst im Jahre 1831 die traurige Erfahrung gemacht, daß bei einer Einwohnerzahl von 4 Mill., mit einer Armee von über 40,000 Mann der schönsten, vortrefflichsten Truppen in Europa (was man dem Großfürsten Constantin, der sie organisirt hat, mit Ruhm nachsagen kann), Sie nichts ausgerichtet und sich nur ein unglaubliches Unglück bereitet haben. Es sind damals Heldenthaten, wie selten, ausgeführt worden, und wo ich solche sehe, da fließt mir mein preußisches Herz über; aber auch dies ist vergebens gewesen. Bedenken Sie also, was Sie mit den Kräften des Großherzogthums Posen, welches nur etwas über 1 Mill. Einwohner zählt und ohne eine nationale Armee, ausrichten können. Ich vertraue deshalb und erwarte, daß sich die polnischen Einwohner Posens nicht in ihr eigenes Unglück stürzen werden.

Hierauf nahm der Deputirte Kraszewski das Wort und sagte:

Ich habe schon bei dem Vereinigten Landtage ausgesprochen, daß ich keinen König ohne Volk kenne, und diesen meinen Ausspruch haben unerwartet früh die neuesten Ereignisse gerechtfertigt. Nun, so geruhen Ew. Majestät mir zu gestatten, auch diesmal von diesem Standpunkte aus zu sprechen. Ew. Majestät waren und sind auch jetzt durch Ihre Posen'schen Beamten über die dortigen Zustände und Verhältnisse falsch unterrichtet. Die Versprechungen des Jahres 1815, die uns die Nationalität garantirten, sind nun einmal nicht gehalten worden, und die Behörden zu Posen verwalteten die Provinz mit Nichtachtung aller uns zustehenden Rechte. Jetzt aber, wo sich die deutsche Nation selbst auf eine so edle Weise erhoben, jetzt, wo das Interesse Preußen's in dem des einigen Deutschland's aufgehe, jetzt erhebt auch von Neuem die polnische Nation ihre gerechten Ansprüche auf eine brüderliche Anerkennung ihres bisher unbeachtet gebliebenen Rechtes. Ganz Deutschland hat seine Sympathie für Polen offenbart, und die Fürsten werden sich derselben nicht entziehen wollen. Es ist freilich das Loos der Herrscher, in ihrer Beziehung zum Volke von ihren Dienern getäuscht zu werden.

Se. M. der König: So wie das Loos der Polen, wie die Geschichte lehrt, das gewesen, daß sie sich in ihren Hoffnungen immer getäuscht sahen.

Kraszewski: Leider auch durch die Vorfahren Ew. Königl. Majestät.

Se. M. der König: Wie so?

Kraszewski: Ich will nicht weit in die Vergangenheit zurückgehen. Ew. Majestät kennen die Geschichte. Wenn aber Ew. Majestät uns den Aufstand von 1831 als Beispiel vorführen, so muß ich erinnern, daß der Vorfahr Ew. Majestät uns in demselben den Todesstoß gegeben.

Se. M. der König: Wie können Sie das behaupten?

Kraszewski: Ohne die damals den Russen von Preußen geleistete Hülfe würden wir nicht unterdrückt worden sein. Aber abgesehen davon, so waren auch die Zeitumstände damals wesentlich von den heutigen verschieden. - Die Völker waren damals weniger reif, die Macht der öffentlichen Meinung, des öffentlichen Gewissens nicht so gewaltig, wie in der jetzigen Zeit. Die ver- [Fortsetzung]

[Deutschland]

[Fortsetzung] unser Hradschin geworden sei. Die von ihm eingenommene Position ist gewaltig, er kann mit seinem Belagerungsgeschütz die ganze Stadt vernichten, wenn er dasselbe aus den Fenstern des Belvedere und anderer Paläste spielen läßt. In der Anla war Alles in reger Wachsamkeit, alle öffentlichen Gebäude waren besetzt, man wartet ängstlich das Signal zum Kampfe ab. Die Straßen der Stadt und die Gebäude zeigen sonst eine schauerliche Oede.

Der englische Gesandte soll im Namen des Völkerrechts wider ein Bombardement Wiens protestirt haben; er wird die Stadt nicht verlassen. Dagegen haben unsere deutschen Gesandten sämmtlich Reißaus genommen und Schreiben an Jellachich in ihren Wohnungen zurückgelassen, worin sie ihn ersuchen, vor dieselben einen Posten stellen zu lassen. Es ist ein Uhr in der Nacht. Alles ruhig.

117 Wien, 9. Oktober. 4 Uhr Nachmittags.

Ich theile Ihnen nachfolgende Proklamationen mit, aus denen Sie erkennen mögen, wieviel Gutmüthigkeit Seitens der demokratischen Partei dazu gehört, Minister, wie Doblhof, Krauß, Hornbostel auch nach dieser entscheidenden Krisis wieder beizubehalten.

An die Bevölkerung Wiens.

Bei dem für heute früh angeordneten Abmarsche eines Theiles der hiesigen Garnison haben sich bei einem Theile dieser Truppen meuterische Bewegungen gegen diesen Befehl gezeigt, welche von einem Theile der Nationalgarde, untermischt mit einem Pöbelhaufen, noch unterstützt wurden.

Ohne daß bis zu diesem Augenblicke auch die erste Veranlassung bekannt ist, wurde von den Waffen Gebrauch gemacht.

Um dem Konflikte zwischen den Truppen Einhalt zu thun, wurden sogleich die geeignetsten Maßregeln ergriffen, und es ergeht zugleich an alle ordnungsliebenden Bewohner Wien's, an alle Korps der Nationalgarde die Aufforderung, diese Maßregeln, welche nur die Verhinderung jedes weiteren Konfliktes, die Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit bezwecken, auf das Kräftigste zu unterstützen.

Zugleich werden alle friedliebenden Bewohner Wien's ermahnt, sich soviel als möglich von allen Aufläufen auf offener Straße zurück zu halten, um nicht unnöthiger Weise die Aufregung zu vermehren.

Wien, 6. Oktober 1848.

Der Ministerrath.

Proklamation.

Der Reichstag, von den verhängnißvollen Ereignissen benachrichtigt, die diese Hauptstadt erschüttert haben, hat sich versammelt, und wendet sich vertrauensvoll an die Bevölkerung Wien's, damit sie ihn unterstütze in der Erfüllung seiner schweren Aufgabe. Indem der Reichstag sein tiefstes Bedauern ausspricht über einen Akt schrecklicher Selbsthülfe, durch welchen der bisherige Kriegsminister seinen gewaltsamen Tod gefunden, spricht er seine feste Hoffnung, seinen entschiedenen Entschluß aus, daß von diesem Augenblicke an das Gesetz und die Achtung vor demselben wieder allein herrsche. Der Reichstag hat sich permanent erklärt, er wird diejenigen Maßregeln treffen, die die Ordnung, Sicherheit und Freiheit der Staatsbürger fordern, er wird dafür sorgen, daß seinen Beschlüssen unbedingte Vollstreckung werde. Er wird sich zugleich an den Monarchen wenden, und demselben die Dringlichkeit vorstellen, diejenigen Minister seines Rathes, die das Vertrauen des Landes nicht besitzen, zu entfernen, und das bisherige Ministerium durch ein volksthümliches zu ersetzen. Er stellt die Sicherheit der Stadt Wien, die Unverletzlichkeit des Reichstages und des Thrones und dadurch die Wohlfahrt der Monarchie unter den Schutz der Wiener Nationalgarde.

Wien, 6. Oktober 1848.

Im Namen des Reichstages.

Der erste Vice-Präsident:Franz Smolka.

An Scherzer's Stelle ist Braun, der sich am Tabor am 6 sehr ausgezeichnet haben soll, zum Oberkommandanten der Garde ernannt, weil Scherzer erklärte, er verstehe das Kriegshandwerk nicht genug, um in diesem gefährlichen Momente der Stadt die genügende Bürgschaft geben zu können. ‒ Der demokratische Central-Verein hat so eben den Muth bekommen, die Wiener Bürger von seinem Dasein zu benachrichtigen und aufzufordern, sich um ihn zu schaaren.

Im Reichstag wurden Adressen verlesen, welche Landgemeinden eingeschickt haben und worin sie ihn ihres Beistands versichern. ‒ Auch wurde ein Antrag des Wohlfahrtsausschusses, alle öffentlichen Gebäude Wien's unter den Schutz des Reichstags zu stellen, angenommen, bei welcher Gelegenheit Borrosch das Benehmen des Volks am 6. lobt, indem auch nicht ein Schnupftuch geraubt worden. ‒ Hierauf vertagte sich der Reichstag bis 6 Uhr.

Der Hof ist von Schönbrunn nicht allein, sondern in Begleitung von 6000 Grenadieren und vielem Geschütz abgezogen; er soll vom Landsturm bei St. Pölten wirklich aufgehalten worden sein.

Auersperg wartet auf Jellachich, der sich schon in unserer Nähe befinden soll. Kossuth soll mit 16,000 Mann nachfolgen.

Die Pesther Zeitung vom 6. Oktober bringt die Nachricht, Kossuth habe auch um Szepedin 50,000 Bauern zusammenzubringen gewußt.

Aus Raab wird vom 4. Oktober geschrieben: Gestern Abend 5 Uhr ist Jellachich hier an der Spitze von circa 20,000 Mann, theils regulärer Gränzer, theils irregulären bewaffneten Bauernvolks, einer Kompagnie Szeresaner, dann dem Regimente Kreß-Chevauxlegers und Hardepp-Kuriassiren eingezogen und hat ein Lager bezogen, welches von der Stadt mit Viktualien versehen werden mußte. 5000 Nationalgarden waren unter Zichy entgegengerückt, konnten aber den Einzug nicht verhindern. Den Zug des feindlichen Heeres eröffneten 60 Banderialhusaren mit einem Rittmeister an der Spitze; dann kam General Zeisler mit den Kuirassiren, sodann General Hartlieb mit Infanterie, General Kampter mit den Gränzern, endlich Jellachich selbst, umgeben von einer Suite von 15 Offizieren. Nun kam der übrige Theil des Heeres, und bei dessen Anblick konnte ich mich der bittersten Empfindungen nicht erwehren. Es wird zeitlebens ein Schandfleck für das Haus Oesterreich bleiben, daß es solches Gesindel von k. k. Generälen anführen ließ. Ausgehungerte und zerlumpte Leute, denen die Raubbegierde aus den Augen blickt.

Der Redakteur der „Allgemeinen Oesterreichischen Zeitung“ soll vor Schrecken über die Bewaffnung der Arbeiter nicht nur entflohen, sondern auch wahnsinnig geworden sein. Sein Name fehlt auch unter dem Blatte.

Der Exminister Bach soll sich beim Kaiser in Reichholdsheim hinter St. Pölten befinden. Der Slovaken- und Czechen-Führer, Pastor Hurban, ist verwundet hier eingetroffen, wie man sagt. Hurban, Hodza und Stur warben ihre Rotte, wie man jetzt erfährt, unter dem Vorwande, daß sie mit den Ungarn gegen Jellachich ziehen würden, versprachen jedem Manne 20 Fl. K.-M. Handgeld und 20 Kr. tägliche Löhnung. Sie fuhren bei 450 Mann auf der Eisenbahn bis Pisek in Mähren, und zogen sodann mit 18 Wagen, worauf Gewehre und Munition sich befanden, gegen die ungarische Gränze, welche sie mit dem Rufe Elpen Kossuth! passirten. ‒ Erst nachdem sie eine gute Strecke fortmarschirt waren, wurden sie mit dem eigentlichen Unternehmen bekannt gemacht und ihnen ein panslavistischer Schwur abgenommen.

Eben wird mir mitgetheilt, Jellachich sei heute Mittag von Bruck an der Leitha (6 Stunden von Wien) aufgebrochen, um in der Nacht hier einzutreffen. Damit stimmt das Hurrah von heute Morgen wohl überein. Man rüstet sich hier zum Kampfe und wird, wie ich vernehme, gegen Abend mit Bomben in Schwarzenberg's Park zu werfen beginnen. Fortwährend treten Soldaten zu uns über. Das Militär der Umgegend wird von den Bauern vom Marsch auf Wien zurückgehalten. ‒ Die Truppen Auersperg's haben geschworen, nicht das Kind im Mutterleibe zu schonen. Wir wollen sehen, ob wir diesen Rotomonden erliegen werden. Mein nächster Brief wird hoffentlich einen Schlachtbericht bringen, wenn ich nicht mit erwürgt werde.

Wien, 9. Okt.

Der rechte Flügel Jellachichs, unter Kommando des General Roth, ist von den Magyaren unter Perczel geschlagen. Roth sammt dem Generalstab und 2000 Croaten gefangen worden. Die Hauptarmee der Magyaren unter Kossuth und Meszaros ist 70,000 Mann stark in Wieselburg eingerückt. Jellachich, fort und fort gedrängt, zu feig und zu schwach eine Schlacht zu liefern, zieht sich fort und fort zurück; Preßburg ward am 7. von den zwei k. k. Bataillons geräumt worden. Jellachich, der vorüberzog, wollte den Donauübergang, d. i. die Herstellung der von den Preßburger Bürgern ausgehängten Schiffbrücke, durch Drohung mit Bombardement erzwingen, aber man lachte ihn aus. In der That hat er nicht einmal Wurfgeschütz bei sich; er mußte daher fortretiriren, und soll jetzt in Bruk an der Leitha stehen. Das ungarische Heer folgt ihm auf der Ferse.

(B. Z. H.)
61 Wien, 10. October, 12 Uhr Mittags.

Permanenz des Reichstags. Die Protokolle vom 8ten und 9ten werden verlesen, Karolkabó redet von einer Aenderung des Protokolls vom 4ten und 5ten hinsichtlich des Finanzgesetzes. Die Centren finden ein ungeheures Vergnügen, sich darüber zu unterhalten; sie verstecken darunter ihre Feigheit.

Schuselka als Berichterstatter des Ausschusses: Die Nacht ist ruhig gewesen, insoweit man unter den obwaltenden Umständen von Ruhe überhaupt reden kann. Wir haben berittene Sicherheitswachen in die Umgegend ausgeschickt und uns von Stunde zu Stunde Bericht erstatten lassen. Es sind nicht unbedeutende Truppenmassen gegen Wien angerückt; die aufregendsten Gerüchte verbreiteten sich und man verlangte mit Ungestüm, anzugreifen, um das Zusammenziehen dieser Truppen zu verhindern. Wir glaubten diesem Kampfesungestüm im Interesse der Ordnung Widerstand leisten zu müssen, uns davon nicht hinreißen lassen zu dürfen. Darum konnten wir dem Ansinnen nicht genügen, schon jetzt den Landsturm aufzubieten. Wir trauen den Freundschaftsversicherungen Auersperg's zwar nicht und rüsten uns, die Freiheit zu schirmen, (Bravo) allein wir müssen die Aufrechthaltung der Ordnung noch immer als Hauptsache betrachten, damit wir nicht das Gegentheil von Freiheit hervorrufen. Die Aufbietung des Landsturms ist ein gefährliches Mittel, obwohl wir der aufopfernden Bereitwilligkeit des Landvolks alle Anerkennung zollen. (Tiefe Stille in der Versammlung.) Wir haben das Landvolk indessen auch nicht ganz abgewiesen; wir haben uns mit ihm in Verbindung gehalten und die Nationalgarde der Umgegend bis nach Brünn requirirt. Wir tragen Alles öffentlich vor, damit wir gerechtfertigt dastehen.

Die Truppen im Schwarzenberg's Palais sind verstärkt worden; Jellachich ist bis Kaisers-Ebersdorf vorgedrungen, aber wir haben noch einmal einen friedlichen Weg und Versuch gemacht, wir haben eine aus Männern, die allen Parteien genügen, bestehende Kommission mit dem bestimmtesten Auftrage zur sofortigen unumgänglich nothwendigen Aufgebung der Stellung an Auersperg abgeschickt; diese Kommission besteht aus den Abgeordneten Borrosch, Pillersdorf, Stobnicki (galiz. Bauer). ‒ Auch das Ministerium hat wegen Jellachich fernere Schritte gethan; es hat eine Depesche durch zwei Abgeordnete an ihn ergehen lassen, worin es in energischer Sprache ihn auffordert, sich ihm zu unterwerfen und durch sein Einmarschiren den kroatischen Krieg nicht auf östreichisches Gebiet hinüberzuspielen; worin es ihm befiehlt, sich über seine Absicht zu erklären, indem es darauf hinweis't, daß es seine Pflicht gewesen, diese Absicht und sein Einrücken schon im Voraus bekannt zu geben.

Wir sind inzwischen indessen nicht müßig geblieben und haben dem Gemeinderath und Oberkommando der Nationalgarde den Auftrag ertheilt, alle noch im Zeughause vorfindlichen Waffen unter die waffenfähigen Männer verabfolgen zu lassen.

Indem wir so handelten und die Vertheidigung der Stadt übernommen haben, mußten wir auch alle Vertheidigungsmaßregeln, die von anderer Seite kamen, zu verhindern suchen und haben demzufolge den Gemeinderath beauftragt, kund zu geben, daß kein anderer Befehl befolgt werde, der nicht von ihm oder dem Oberkommando komme.

Zimmer beantragt, daß der Reichstag erklären möge, daß er auch noch mit 150 Anwesenden beschlußfähig sei.

Potocki dagegen, weil ein solcher Antrag die Würde der Kammer verletze.

Löhner: Die Kammer darf kein Mißtrauen in sich selbst aussprechen; er verbreitet sich mit dichterischem Brei über diese Ansicht.

Schuselka stimmt für den Antrag, obwohl wider dessen Motiv. Die Nothwendigkeit sei das einzig wahre Motiv.

Smereker beantragt die Tagesordnung. (Angenommen.)

Die Deputationen sind noch nicht zurückgekehrt. Minister Kraus hat sich während der ganzen Sitzung nicht gezeigt. Viele Abgeordnete sind abwesend und nur etwas über 200 anwesend. 192 müssen zu Beschlüssen gegenwärtig sein.

Um 6 Uhr wird wiederum Sitzung sein.

3 Uhr. Der Generalmarsch wird geschlagen, die Sturmglocken ertönen, es scheint zum Kampfe zu kommen. Wenn wir unterliegen, so trägt die miserabele deutsche Halbheit, dieses Erschöpfen aller Friedenswege, wo der Feind nur den Krieg will und unterdessen zur Verstärkung alle Gelegenheit erhält, die Schuld davon. ‒ Ein leichter Regen beginnt zu fallen.

Die Nachricht trifft ein, daß die ungarische Armee mit 70,000 Mann im Anzuge ist, 15 Dampfboote bringen die Avantgarde in Eile die Donau hinauf. Heute, oder doch in diesen Tagen, heißt's: Freiheit oder Tod!

Krems, 9. Okt.

Heute Morgen zwischen 11 und 12 Uhr ist der Kaiser von der Station Herzogenburg kommend unter Bedeckung von 5 - 6000 Mann verschiedener Truppengattungen sammt 4 Kanonen mit seinem Gefolge mit 20 - 30 Wagen durch Krems passirt. Der Kaiser geht über Znaim nach Ollmütz. Sein Empfang in den Städten Stein und Krems war ohne sichtbares Zeichen von Beifall oder Mißfallen, ein ernster, schweigender. Die braven Nationalgarden der Schwesterstädte hatten beabsichtigt, die Donaubrücke abzutragen, um den Kaiser zu bewegen, das Erzherzogthum nicht zu verlassen. Leider wurde dies Vorhaben vermittelt.

Prag, 9. October.

Heute Nachmittags fand auf dem Rathhause eine Versammlung mehrer der hier anwesenden Reichstags-Deputirten (es befinden sich deren bereits 27 in Prag) und des Stadtverordnetenkollegiums statt, um die Schritte zu berathen, die durch die Wiener Ereignisse für unsere Stadt und unser Land als nothwendig erscheinen dürften. Palacky gab einen langen ausführlichen Bericht über die Wiener Octoberrevolution mit vielen Ausfällen auf die deutsche und magyarische Demokratie, eine Rechtfertigung Jellachich's, und die Behauptung, die Stützen der Dynastie seien jetzt nur die Nord- und Südslaven. Rieger sprach über dieselbe Angelegenheit und erzählte einige interessante Details über die Begebenheiten, die der blutigen Wiener Katastrophe vorangegangen waren. Hierauf wurde das Manifest (welches unten mitgetheilt ist) berathen und nach langer und heftiger Debatte angenommen und von den anwesenden Stadtverordneten und Bürgermeister unterfertigt. ‒ Mit dem heutigen Abendtrain ist der Exminister Wessenberg hier angelangt.

‒ Das Stadtverordneten-Collegium erläßt folgende Proklamation:

Aufruhr, Mord und Gewaltthat hat in Wien die Garantien der Freiheit in Frage gestellt; der Partei des Umsturzes ist es ‒ wir sind überzeugt, gegen den Willen der Majorität der biedern Bewohner Wiens ‒ gelungen, unsern constitutionellen Kaiser-König zur Flucht zu veranlassen, den Reichstag zu terrorisiren, in welchem jetzt die bisherige Minorität ohne Rücksicht auf Ordnung und Gesetz illegale Beschlüsse faßt.

Im Namen und im Sinne der loyalen Bevölkerung Prags protestiren wir gegen alle im Reichstage ungesetzlich gefaßten Beschlüsse, wir protestiren gegen eine Versammlung, welche in beschlußunfähiger Minderheit, ihr Mandat überschreitend, die executive Gewalt an sich zu reißen versuchen sollte.

In dem gewaltsamen Sturze eines Ministeriums, welches in Uebereinstimmung mit der Majorität der freien Vertreter eines freien Volkes handelt, sehen wir nicht die Erhebung einer edeln Nation für ihre unterdrückten Rechte, sondern nur verbrecherischen Aufruhr und Anarchie.

[Fortsetzung] halten. Schon habe ich Nachrichten, daß sich bedeutende Kräfte an den Gränzen sammeln. Bedenken Sie also, welcher Gefahr Sie von dieser Seite entgegenlaufen, um so mehr, als Sie dem Angriff ohne meinen Schutz nicht widerstehen könnten. Im Interesse Deutschlands, auch zum eigenen Wohl des Großherzogthums Posen ist die gewaffnete Neutralität das allein noththuende und ersprießliche Rettungsmittel. Viele der Bewegungen Deutschlands, das Drängen nach nationaler Einheit kommen von der bangen Ahnung einer Gefahr vom Westen, wo zwar nicht die Regierung, aber hundert und abermals hundert Tausend Stimmen nichts anderes als ein gewaltsames Revolutioniren und die Rheingränze predigen. Ein Krieg gegen Rußtand ist unter solchen Umständen unmöglich, und ich würde es gegen meine Pflicht und mein Gewissen halten, denselben zu führen, und mit meiner Ehre ist er nun vollends unverträglich.

Ich hoffe deshalb und wünsche, daß die Besonnenheit der Einwohner des Großherzogthums Posen dieselben vor unbedächtigen, verderblichen Unternehmungen abhalten werde. Sie schlagen sich, meine Herren, mit eitlen Hirngespinnsten und Sie mögen zusehen, daß Sie statt des Schwertes nicht ein Schilfrohr in die Hand nehmen, welches bei dem ersten Schlag Ihnen in der Hand zerbrechen würde. Sie täuschen sich auch, wenn Sie auf die Hülfe des Landvolkes Ihre Hoffnungen stützen. Bedenken Sie, daß Sie zwei Nationalitäten in der Provinz neben einander haben, und wenn die deutsche, wie es sich von selbst versteht, Ihnen ihre Mithülfe versagt, werden Sie eben so wenig sich auf Ihre polnischen bäuerlichen Einsassen verlassen können. Diese sind, wie ich es aus den sichersten Quellen weiß, der Regierung treu ergeben, und habe ich auch persönlich denselben nicht so viele Wohlthaten, wie mein seliger Vater erweisen können, so habe ich doch selbst erfahren, welch ein edler Stamm der der Großpolen sei. Deshalb liebe ich aber auch das Volk so sehr, weil es für die Dankbarkeit gegen seine Wohlthäter ein so offenes Herz hat. Diese Anhänglichkeit an die Regierung hat sich zuletzt auch dadurch erwiesen, daß im Jahre 1846 es nur die preußischen Beamten gewesen, welche die Grundherren vor ähnlichen Ausbrüchen des Landvolks, wie in Galizien, geschützt haben. Diese Treue des Volkes ist mir aus den besten Quellen. durch meinen Vetter Radziwill und durch die achtbarsten Landtagsdeputirten bekannt, und ich werde dasselbe schmerzlich wegen des Schicksals bedauern, welches Sie ihm durch Ihre Unternehmung bereiten würden. Sie würden aber mir hierdurch auch noch den größten Kummer bereiten, daß ich an dem großen Werke der Entwicklung Deutschlands gehindert werden würde. Aber auch abgesehen davon, Sie würden, selbst wenn Sie organisirt wären, dem Angriffe Rußlands nicht widerstehen können. Sie haben erst im Jahre 1831 die traurige Erfahrung gemacht, daß bei einer Einwohnerzahl von 4 Mill., mit einer Armee von über 40,000 Mann der schönsten, vortrefflichsten Truppen in Europa (was man dem Großfürsten Constantin, der sie organisirt hat, mit Ruhm nachsagen kann), Sie nichts ausgerichtet und sich nur ein unglaubliches Unglück bereitet haben. Es sind damals Heldenthaten, wie selten, ausgeführt worden, und wo ich solche sehe, da fließt mir mein preußisches Herz über; aber auch dies ist vergebens gewesen. Bedenken Sie also, was Sie mit den Kräften des Großherzogthums Posen, welches nur etwas über 1 Mill. Einwohner zählt und ohne eine nationale Armee, ausrichten können. Ich vertraue deshalb und erwarte, daß sich die polnischen Einwohner Posens nicht in ihr eigenes Unglück stürzen werden.

Hierauf nahm der Deputirte Kraszewski das Wort und sagte:

Ich habe schon bei dem Vereinigten Landtage ausgesprochen, daß ich keinen König ohne Volk kenne, und diesen meinen Ausspruch haben unerwartet früh die neuesten Ereignisse gerechtfertigt. Nun, so geruhen Ew. Majestät mir zu gestatten, auch diesmal von diesem Standpunkte aus zu sprechen. Ew. Majestät waren und sind auch jetzt durch Ihre Posen'schen Beamten über die dortigen Zustände und Verhältnisse falsch unterrichtet. Die Versprechungen des Jahres 1815, die uns die Nationalität garantirten, sind nun einmal nicht gehalten worden, und die Behörden zu Posen verwalteten die Provinz mit Nichtachtung aller uns zustehenden Rechte. Jetzt aber, wo sich die deutsche Nation selbst auf eine so edle Weise erhoben, jetzt, wo das Interesse Preußen's in dem des einigen Deutschland's aufgehe, jetzt erhebt auch von Neuem die polnische Nation ihre gerechten Ansprüche auf eine brüderliche Anerkennung ihres bisher unbeachtet gebliebenen Rechtes. Ganz Deutschland hat seine Sympathie für Polen offenbart, und die Fürsten werden sich derselben nicht entziehen wollen. Es ist freilich das Loos der Herrscher, in ihrer Beziehung zum Volke von ihren Dienern getäuscht zu werden.

Se. M. der König: So wie das Loos der Polen, wie die Geschichte lehrt, das gewesen, daß sie sich in ihren Hoffnungen immer getäuscht sahen.

Kraszewski: Leider auch durch die Vorfahren Ew. Königl. Majestät.

Se. M. der König: Wie so?

Kraszewski: Ich will nicht weit in die Vergangenheit zurückgehen. Ew. Majestät kennen die Geschichte. Wenn aber Ew. Majestät uns den Aufstand von 1831 als Beispiel vorführen, so muß ich erinnern, daß der Vorfahr Ew. Majestät uns in demselben den Todesstoß gegeben.

Se. M. der König: Wie können Sie das behaupten?

Kraszewski: Ohne die damals den Russen von Preußen geleistete Hülfe würden wir nicht unterdrückt worden sein. Aber abgesehen davon, so waren auch die Zeitumstände damals wesentlich von den heutigen verschieden. ‒ Die Völker waren damals weniger reif, die Macht der öffentlichen Meinung, des öffentlichen Gewissens nicht so gewaltig, wie in der jetzigen Zeit. Die ver- [Fortsetzung]

<TEI>
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        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar117_003" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> unser Hradschin geworden sei. Die von ihm eingenommene Position ist gewaltig, er kann mit seinem Belagerungsgeschütz die ganze Stadt vernichten, wenn er dasselbe aus den Fenstern des Belvedere und anderer Paläste spielen läßt. In der Anla war Alles in reger Wachsamkeit, alle öffentlichen Gebäude waren besetzt, man wartet ängstlich das Signal zum Kampfe ab. Die Straßen der Stadt und die Gebäude zeigen sonst eine schauerliche Oede.</p>
          <p>Der englische Gesandte soll im Namen des Völkerrechts wider ein Bombardement Wiens protestirt haben; er wird die Stadt nicht verlassen. Dagegen haben unsere deutschen Gesandten sämmtlich Reißaus genommen und Schreiben an Jellachich in ihren Wohnungen zurückgelassen, worin sie ihn ersuchen, vor dieselben einen Posten stellen zu lassen. Es ist ein Uhr in der Nacht. Alles ruhig. </p>
        </div>
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          <head><bibl><author>117</author></bibl> Wien, 9. Oktober. 4 Uhr Nachmittags.</head>
          <p>Ich theile Ihnen nachfolgende Proklamationen mit, aus denen Sie erkennen mögen, wieviel Gutmüthigkeit Seitens der demokratischen Partei dazu gehört, Minister, wie Doblhof, Krauß, Hornbostel auch nach dieser entscheidenden Krisis wieder beizubehalten.</p>
          <p> <hi rendition="#g">An die Bevölkerung Wiens.</hi> </p>
          <p>Bei dem für heute früh angeordneten Abmarsche eines Theiles der hiesigen Garnison haben sich bei einem Theile dieser Truppen meuterische Bewegungen gegen diesen Befehl gezeigt, welche von einem Theile der Nationalgarde, untermischt mit einem <hi rendition="#g">Pöbelhaufen,</hi> noch unterstützt wurden.</p>
          <p>Ohne daß bis zu diesem Augenblicke auch die erste Veranlassung bekannt ist, wurde von den Waffen Gebrauch gemacht.</p>
          <p>Um dem Konflikte zwischen den Truppen Einhalt zu thun, wurden sogleich die geeignetsten Maßregeln ergriffen, und es ergeht zugleich an alle ordnungsliebenden Bewohner Wien's, an alle Korps der Nationalgarde die Aufforderung, diese Maßregeln, welche nur die Verhinderung jedes weiteren Konfliktes, die Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit bezwecken, auf das Kräftigste zu unterstützen. </p>
          <p>Zugleich werden alle friedliebenden Bewohner Wien's ermahnt, sich soviel als möglich von allen Aufläufen auf offener Straße zurück zu halten, um nicht unnöthiger Weise die Aufregung zu vermehren.</p>
          <p>Wien, 6. Oktober 1848. </p>
          <p>Der Ministerrath.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Proklamation.</hi> </p>
          <p>Der Reichstag, von den verhängnißvollen Ereignissen benachrichtigt, die diese Hauptstadt erschüttert haben, hat sich versammelt, und wendet sich vertrauensvoll an die Bevölkerung Wien's, damit sie ihn unterstütze in der Erfüllung seiner schweren Aufgabe. Indem der Reichstag sein tiefstes Bedauern ausspricht über einen Akt schrecklicher Selbsthülfe, durch welchen der bisherige Kriegsminister seinen gewaltsamen Tod gefunden, spricht er seine feste Hoffnung, seinen entschiedenen Entschluß aus, daß von diesem Augenblicke an das Gesetz und die Achtung vor demselben wieder allein herrsche. Der Reichstag hat sich permanent erklärt, er wird diejenigen Maßregeln treffen, die die Ordnung, Sicherheit und Freiheit der Staatsbürger fordern, er wird dafür sorgen, daß seinen Beschlüssen unbedingte Vollstreckung werde. Er wird sich zugleich an den Monarchen wenden, und demselben die Dringlichkeit vorstellen, diejenigen Minister seines Rathes, die das Vertrauen des Landes nicht besitzen, zu entfernen, und das bisherige Ministerium durch ein volksthümliches zu ersetzen. Er stellt die Sicherheit der Stadt Wien, die Unverletzlichkeit des Reichstages und des Thrones und dadurch die Wohlfahrt der Monarchie unter den Schutz der Wiener Nationalgarde.</p>
          <p>Wien, 6. Oktober 1848. </p>
          <p>Im Namen des Reichstages.</p>
          <p>Der erste Vice-Präsident:<hi rendition="#g">Franz Smolka.</hi> </p>
          <p>An <hi rendition="#g">Scherzer's</hi> Stelle ist <hi rendition="#g">Braun,</hi> der sich am Tabor am 6 sehr ausgezeichnet haben soll, zum Oberkommandanten der Garde ernannt, weil Scherzer erklärte, er verstehe das Kriegshandwerk nicht genug, um in diesem gefährlichen Momente der Stadt die genügende Bürgschaft geben zu können. &#x2012; Der demokratische Central-Verein hat so eben den Muth bekommen, die Wiener Bürger von seinem Dasein zu benachrichtigen und aufzufordern, sich um ihn zu schaaren.</p>
          <p>Im Reichstag wurden Adressen verlesen, welche Landgemeinden eingeschickt haben und worin sie ihn ihres Beistands versichern. &#x2012; Auch wurde ein Antrag des Wohlfahrtsausschusses, alle öffentlichen Gebäude Wien's unter den Schutz des Reichstags zu stellen, angenommen, bei welcher Gelegenheit Borrosch das Benehmen des Volks am 6. lobt, indem auch nicht ein Schnupftuch geraubt worden. &#x2012; Hierauf vertagte sich der Reichstag bis 6 Uhr.</p>
          <p>Der Hof ist von Schönbrunn nicht allein, sondern in Begleitung von 6000 Grenadieren und vielem Geschütz abgezogen; er soll vom Landsturm bei St. Pölten wirklich aufgehalten worden sein.</p>
          <p>Auersperg wartet auf Jellachich, der sich schon in unserer Nähe befinden soll. Kossuth soll mit 16,000 Mann nachfolgen.</p>
          <p>Die Pesther Zeitung vom 6. Oktober bringt die Nachricht, Kossuth habe auch um Szepedin 50,000 Bauern zusammenzubringen gewußt. </p>
          <p>Aus Raab wird vom 4. Oktober geschrieben: Gestern Abend 5 Uhr ist Jellachich hier an der Spitze von circa 20,000 Mann, theils regulärer Gränzer, theils irregulären bewaffneten Bauernvolks, einer Kompagnie Szeresaner, dann dem Regimente Kreß-Chevauxlegers und Hardepp-Kuriassiren eingezogen und hat ein Lager bezogen, welches von der Stadt mit Viktualien versehen werden mußte. 5000 Nationalgarden waren unter <hi rendition="#g">Zichy</hi> entgegengerückt, konnten aber den Einzug nicht verhindern. Den Zug des feindlichen Heeres eröffneten 60 Banderialhusaren mit einem Rittmeister an der Spitze; dann kam General Zeisler mit den Kuirassiren, sodann General Hartlieb mit Infanterie, General Kampter mit den Gränzern, endlich Jellachich selbst, umgeben von einer Suite von 15 Offizieren. Nun kam der übrige Theil des Heeres, und bei dessen Anblick konnte ich mich der bittersten Empfindungen nicht erwehren. Es wird zeitlebens ein Schandfleck für das Haus Oesterreich bleiben, daß es solches Gesindel von k. k. Generälen anführen ließ. Ausgehungerte und zerlumpte Leute, denen die Raubbegierde aus den Augen blickt.</p>
          <p>Der Redakteur der &#x201E;Allgemeinen Oesterreichischen Zeitung&#x201C; soll vor Schrecken über die Bewaffnung der Arbeiter nicht nur entflohen, sondern auch wahnsinnig geworden sein. Sein Name fehlt auch unter dem Blatte.</p>
          <p>Der Exminister Bach soll sich beim Kaiser in Reichholdsheim hinter St. Pölten befinden. Der Slovaken- und Czechen-Führer, Pastor Hurban, ist verwundet hier eingetroffen, wie man sagt. Hurban, Hodza und Stur warben ihre Rotte, wie man jetzt erfährt, unter dem Vorwande, daß sie mit den Ungarn gegen Jellachich ziehen würden, versprachen jedem Manne 20 Fl. K.-M. Handgeld und 20 Kr. tägliche Löhnung. Sie fuhren bei 450 Mann auf der Eisenbahn bis Pisek in Mähren, und zogen sodann mit 18 Wagen, worauf Gewehre und Munition sich befanden, gegen die ungarische Gränze, welche sie mit dem Rufe Elpen Kossuth! passirten. &#x2012; Erst nachdem sie eine gute Strecke fortmarschirt waren, wurden sie mit dem eigentlichen Unternehmen bekannt gemacht und ihnen ein panslavistischer Schwur abgenommen.</p>
          <p>Eben wird mir mitgetheilt, Jellachich sei heute Mittag von Bruck an der Leitha (6 Stunden von Wien) aufgebrochen, um in der Nacht hier einzutreffen. Damit stimmt das Hurrah von heute Morgen wohl überein. Man rüstet sich hier zum Kampfe und wird, wie ich vernehme, gegen Abend mit Bomben in Schwarzenberg's Park zu werfen beginnen. Fortwährend treten Soldaten zu uns über. Das Militär der Umgegend wird von den Bauern vom Marsch auf Wien zurückgehalten. &#x2012; Die Truppen Auersperg's haben geschworen, nicht das Kind im Mutterleibe zu schonen. Wir wollen sehen, ob wir diesen Rotomonden erliegen werden. Mein nächster Brief wird hoffentlich einen Schlachtbericht bringen, wenn ich nicht mit erwürgt werde.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar117_005" type="jArticle">
          <head>Wien, 9. Okt.</head>
          <p>Der rechte Flügel Jellachichs, unter Kommando des General Roth, ist von den Magyaren unter Perczel geschlagen. <hi rendition="#g">Roth sammt dem Generalstab und 2000 Croaten gefangen worden.</hi> Die Hauptarmee der Magyaren unter Kossuth und Meszaros ist 70,000 Mann stark in Wieselburg eingerückt. Jellachich, fort und fort gedrängt, zu feig und zu schwach eine Schlacht zu liefern, zieht sich fort und fort zurück; Preßburg ward am 7. von den zwei k. k. Bataillons geräumt worden. Jellachich, der vorüberzog, wollte den Donauübergang, d. i. die Herstellung der von den Preßburger Bürgern ausgehängten Schiffbrücke, durch Drohung mit Bombardement erzwingen, aber man lachte ihn aus. In der That hat er nicht einmal Wurfgeschütz bei sich; er mußte daher fortretiriren, und soll jetzt in Bruk an der Leitha stehen. <hi rendition="#g">Das ungarische Heer folgt ihm auf der Ferse.</hi> </p>
          <bibl>(B. Z. H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar117_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 10. October, 12 Uhr Mittags.</head>
          <p>Permanenz des Reichstags. Die Protokolle vom 8ten und 9ten werden verlesen, Karolkabó redet von einer Aenderung des Protokolls vom 4ten und 5ten hinsichtlich des Finanzgesetzes. Die Centren finden ein ungeheures Vergnügen, sich darüber zu unterhalten; sie verstecken darunter ihre Feigheit.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> als Berichterstatter des Ausschusses: Die Nacht ist ruhig gewesen, insoweit man unter den obwaltenden Umständen von Ruhe überhaupt reden kann. Wir haben berittene Sicherheitswachen in die Umgegend ausgeschickt und uns von Stunde zu Stunde Bericht erstatten lassen. Es sind nicht unbedeutende Truppenmassen gegen Wien angerückt; die aufregendsten Gerüchte verbreiteten sich und man verlangte mit Ungestüm, anzugreifen, um das Zusammenziehen dieser Truppen zu verhindern. Wir glaubten diesem Kampfesungestüm im Interesse der Ordnung Widerstand leisten zu müssen, uns davon nicht hinreißen lassen zu dürfen. Darum konnten wir dem Ansinnen nicht genügen, schon jetzt den Landsturm aufzubieten. Wir trauen den Freundschaftsversicherungen Auersperg's zwar nicht und rüsten uns, die Freiheit zu schirmen, (Bravo) allein wir müssen die Aufrechthaltung der Ordnung noch immer als Hauptsache betrachten, damit wir nicht das Gegentheil von Freiheit hervorrufen. Die Aufbietung des Landsturms ist ein gefährliches Mittel, obwohl wir der aufopfernden Bereitwilligkeit des Landvolks alle Anerkennung zollen. (Tiefe Stille in der Versammlung.) Wir haben das Landvolk indessen auch nicht ganz abgewiesen; wir haben uns mit ihm in Verbindung gehalten und die Nationalgarde der Umgegend bis nach Brünn requirirt. Wir tragen Alles öffentlich vor, damit wir gerechtfertigt dastehen.</p>
          <p>Die Truppen im Schwarzenberg's Palais sind verstärkt worden; Jellachich ist bis Kaisers-Ebersdorf vorgedrungen, aber wir haben noch einmal einen friedlichen Weg und Versuch gemacht, wir haben eine aus Männern, die allen Parteien genügen, bestehende Kommission mit dem bestimmtesten Auftrage zur sofortigen unumgänglich nothwendigen Aufgebung der Stellung an Auersperg abgeschickt; diese Kommission besteht aus den Abgeordneten Borrosch, Pillersdorf, Stobnicki (galiz. Bauer). &#x2012; Auch das Ministerium hat wegen Jellachich fernere Schritte gethan; es hat eine Depesche durch zwei Abgeordnete an ihn ergehen lassen, worin es in energischer Sprache ihn auffordert, sich ihm zu unterwerfen und durch sein Einmarschiren den kroatischen Krieg nicht auf östreichisches Gebiet hinüberzuspielen; worin es ihm befiehlt, sich über seine Absicht zu erklären, indem es darauf hinweis't, daß es seine Pflicht gewesen, diese Absicht und sein Einrücken schon im Voraus bekannt zu geben.</p>
          <p>Wir sind inzwischen indessen nicht müßig geblieben und haben dem Gemeinderath und Oberkommando der Nationalgarde den Auftrag ertheilt, alle noch im Zeughause vorfindlichen Waffen unter die waffenfähigen Männer verabfolgen zu lassen.</p>
          <p>Indem wir so handelten und die Vertheidigung der Stadt übernommen haben, mußten wir auch alle Vertheidigungsmaßregeln, die von anderer Seite kamen, zu verhindern suchen und haben demzufolge den Gemeinderath beauftragt, kund zu geben, daß kein anderer Befehl befolgt werde, der nicht von ihm oder dem Oberkommando komme.</p>
          <p><hi rendition="#g">Zimmer</hi> beantragt, daß der Reichstag erklären möge, daß er auch noch mit 150 Anwesenden beschlußfähig sei.</p>
          <p><hi rendition="#g">Potocki</hi> dagegen, weil ein solcher Antrag die Würde der Kammer verletze.</p>
          <p><hi rendition="#g">Löhner:</hi> Die Kammer darf kein Mißtrauen in sich selbst aussprechen; er verbreitet sich mit dichterischem Brei über diese Ansicht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> stimmt für den Antrag, obwohl wider dessen Motiv. Die Nothwendigkeit sei das einzig wahre Motiv.</p>
          <p><hi rendition="#g">Smereker</hi> beantragt die Tagesordnung. (Angenommen.)</p>
          <p>Die Deputationen sind noch nicht zurückgekehrt. Minister Kraus hat sich während der ganzen Sitzung nicht gezeigt. Viele Abgeordnete sind abwesend und nur etwas über 200 anwesend. 192 müssen zu Beschlüssen gegenwärtig sein.</p>
          <p>Um 6 Uhr wird wiederum Sitzung sein.</p>
          <p>3 Uhr. Der Generalmarsch wird geschlagen, die Sturmglocken ertönen, es scheint zum Kampfe zu kommen. Wenn wir unterliegen, so trägt die miserabele deutsche Halbheit, dieses Erschöpfen aller Friedenswege, wo der Feind nur den Krieg will und unterdessen zur Verstärkung alle Gelegenheit erhält, die Schuld davon. &#x2012; Ein leichter Regen beginnt zu fallen.</p>
          <p>Die Nachricht trifft ein, daß die ungarische Armee mit 70,000 Mann im Anzuge ist, 15 Dampfboote bringen die Avantgarde in Eile die Donau hinauf. Heute, oder doch in diesen Tagen, heißt's: Freiheit oder Tod!</p>
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          <head>Krems, 9. Okt.</head>
          <p>Heute Morgen zwischen 11 und 12 Uhr ist der Kaiser von der Station Herzogenburg kommend unter Bedeckung von 5 - 6000 Mann verschiedener Truppengattungen sammt 4 Kanonen mit seinem Gefolge mit 20 - 30 Wagen durch Krems passirt. Der Kaiser geht über Znaim nach Ollmütz. Sein Empfang in den Städten Stein und Krems war ohne sichtbares Zeichen von Beifall oder Mißfallen, ein ernster, schweigender. Die braven Nationalgarden der Schwesterstädte hatten beabsichtigt, die Donaubrücke abzutragen, um den Kaiser zu bewegen, das Erzherzogthum nicht zu verlassen. Leider wurde dies Vorhaben vermittelt.</p>
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          <head>Prag, 9. October.</head>
          <p>Heute Nachmittags fand auf dem Rathhause eine Versammlung mehrer der hier anwesenden Reichstags-Deputirten (es befinden sich deren bereits 27 in Prag) und des Stadtverordnetenkollegiums statt, um die Schritte zu berathen, die durch die Wiener Ereignisse für unsere Stadt und unser Land als nothwendig erscheinen dürften. Palacky gab einen langen ausführlichen Bericht über die Wiener Octoberrevolution mit vielen Ausfällen auf die deutsche und magyarische Demokratie, eine Rechtfertigung Jellachich's, und die Behauptung, die Stützen der Dynastie seien jetzt nur die Nord- und Südslaven. Rieger sprach über dieselbe Angelegenheit und erzählte einige interessante Details über die Begebenheiten, die der blutigen Wiener Katastrophe vorangegangen waren. Hierauf wurde das Manifest (welches unten mitgetheilt ist) berathen und nach langer und heftiger Debatte angenommen und von den anwesenden Stadtverordneten und Bürgermeister unterfertigt. &#x2012; Mit dem heutigen Abendtrain ist der Exminister <hi rendition="#g">Wessenberg</hi> hier angelangt.</p>
          <p> &#x2012; Das Stadtverordneten-Collegium erläßt folgende Proklamation:</p>
          <p>Aufruhr, Mord und Gewaltthat hat in Wien die Garantien der Freiheit in Frage gestellt; der Partei des Umsturzes ist es &#x2012; wir sind überzeugt, gegen den Willen der Majorität der biedern Bewohner Wiens &#x2012; gelungen, unsern constitutionellen Kaiser-König zur Flucht zu veranlassen, den Reichstag zu terrorisiren, in welchem jetzt die bisherige Minorität ohne Rücksicht auf Ordnung und Gesetz illegale Beschlüsse faßt.</p>
          <p>Im Namen und im Sinne der loyalen Bevölkerung Prags protestiren wir gegen alle im Reichstage ungesetzlich gefaßten Beschlüsse, wir protestiren gegen eine Versammlung, welche in beschlußunfähiger Minderheit, ihr Mandat überschreitend, die executive Gewalt an sich zu reißen versuchen sollte.</p>
          <p>In dem gewaltsamen Sturze eines Ministeriums, welches in Uebereinstimmung mit der Majorität der freien Vertreter eines freien Volkes handelt, sehen wir nicht die Erhebung einer edeln Nation für ihre unterdrückten Rechte, sondern nur verbrecherischen Aufruhr und Anarchie.</p>
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        <div xml:id="ar117_009" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> halten. Schon habe ich Nachrichten, daß sich bedeutende Kräfte an den Gränzen sammeln. Bedenken Sie also, welcher Gefahr Sie von dieser Seite entgegenlaufen, um so mehr, als Sie dem Angriff ohne meinen Schutz nicht widerstehen könnten. Im Interesse Deutschlands, auch zum eigenen Wohl des Großherzogthums Posen ist die gewaffnete Neutralität das allein noththuende und ersprießliche Rettungsmittel. Viele der Bewegungen Deutschlands, das Drängen nach nationaler Einheit kommen von der bangen Ahnung einer Gefahr vom Westen, wo zwar nicht die Regierung, aber hundert und abermals hundert Tausend Stimmen nichts anderes als ein gewaltsames Revolutioniren und die Rheingränze predigen. Ein Krieg gegen Rußtand ist unter solchen Umständen unmöglich, und ich würde es gegen meine Pflicht und mein Gewissen halten, denselben zu führen, und mit meiner Ehre ist er nun vollends unverträglich.</p>
          <p>Ich hoffe deshalb und wünsche, daß die Besonnenheit der Einwohner des Großherzogthums Posen dieselben vor unbedächtigen, verderblichen Unternehmungen abhalten werde. Sie schlagen sich, meine Herren, mit eitlen Hirngespinnsten und Sie mögen zusehen, daß Sie statt des Schwertes nicht ein Schilfrohr in die Hand nehmen, welches bei dem ersten Schlag Ihnen in der Hand zerbrechen würde. Sie täuschen sich auch, wenn Sie auf die Hülfe des Landvolkes Ihre Hoffnungen stützen. Bedenken Sie, daß Sie zwei Nationalitäten in der Provinz neben einander haben, und wenn die deutsche, wie es sich von selbst versteht, Ihnen ihre Mithülfe versagt, werden Sie eben so wenig sich auf Ihre polnischen bäuerlichen Einsassen verlassen können. Diese sind, wie ich es aus den sichersten Quellen weiß, der Regierung treu ergeben, und habe ich auch persönlich denselben nicht so viele Wohlthaten, wie mein seliger Vater erweisen können, so habe ich doch selbst erfahren, welch ein edler Stamm der der Großpolen sei. Deshalb liebe ich aber auch das Volk so sehr, weil es für die Dankbarkeit gegen seine Wohlthäter ein so offenes Herz hat. Diese Anhänglichkeit an die Regierung hat sich zuletzt auch dadurch erwiesen, daß im Jahre 1846 es nur die preußischen Beamten gewesen, welche die Grundherren vor ähnlichen Ausbrüchen des Landvolks, wie in Galizien, geschützt haben. Diese Treue des Volkes ist mir aus den besten Quellen. durch meinen Vetter Radziwill und durch die achtbarsten Landtagsdeputirten bekannt, und ich werde dasselbe schmerzlich wegen des Schicksals bedauern, welches Sie ihm durch Ihre Unternehmung bereiten würden. Sie würden aber mir hierdurch auch noch den größten Kummer bereiten, daß ich an dem großen Werke der Entwicklung Deutschlands gehindert werden würde. Aber auch abgesehen davon, Sie würden, selbst wenn Sie organisirt wären, dem Angriffe Rußlands nicht widerstehen können. Sie haben erst im Jahre 1831 die traurige Erfahrung gemacht, daß bei einer Einwohnerzahl von 4 Mill., mit einer Armee von über 40,000 Mann der schönsten, vortrefflichsten Truppen in Europa (was man dem Großfürsten Constantin, der sie organisirt hat, mit Ruhm nachsagen kann), Sie nichts ausgerichtet und sich nur ein unglaubliches Unglück bereitet haben. Es sind damals Heldenthaten, wie selten, ausgeführt worden, und wo ich solche sehe, da fließt mir mein preußisches Herz über; aber auch dies ist vergebens gewesen. Bedenken Sie also, was Sie mit den Kräften des Großherzogthums Posen, welches nur etwas über 1 Mill. Einwohner zählt und ohne eine nationale Armee, ausrichten können. Ich vertraue deshalb und erwarte, daß sich die polnischen Einwohner Posens nicht in ihr eigenes Unglück stürzen werden.</p>
          <p>Hierauf nahm der Deputirte Kraszewski das Wort und sagte:</p>
          <p>Ich habe schon bei dem Vereinigten Landtage ausgesprochen, daß ich keinen König ohne Volk kenne, und diesen meinen Ausspruch haben unerwartet früh die neuesten Ereignisse gerechtfertigt. Nun, so geruhen Ew. Majestät mir zu gestatten, auch diesmal von diesem Standpunkte aus zu sprechen. Ew. Majestät waren und sind auch jetzt durch Ihre Posen'schen Beamten über die dortigen Zustände und Verhältnisse falsch unterrichtet. Die Versprechungen des Jahres 1815, die uns die Nationalität garantirten, sind nun einmal nicht gehalten worden, und die Behörden zu Posen verwalteten die Provinz mit Nichtachtung aller uns zustehenden Rechte. Jetzt aber, wo sich die deutsche Nation selbst auf eine so edle Weise erhoben, jetzt, wo das Interesse Preußen's in dem des einigen Deutschland's aufgehe, jetzt erhebt auch von Neuem die polnische Nation ihre gerechten Ansprüche auf eine brüderliche Anerkennung ihres bisher unbeachtet gebliebenen Rechtes. Ganz Deutschland hat seine Sympathie für Polen offenbart, und die Fürsten werden sich derselben nicht entziehen wollen. Es ist freilich das Loos der Herrscher, in ihrer Beziehung zum Volke von ihren Dienern getäuscht zu werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Se. M. der König:</hi> So wie das Loos der Polen, wie die Geschichte lehrt, das gewesen, daß sie sich in ihren Hoffnungen immer getäuscht sahen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Kraszewski:</hi> Leider auch durch die Vorfahren Ew. Königl. Majestät.</p>
          <p><hi rendition="#g">Se. M. der König:</hi> Wie so?</p>
          <p><hi rendition="#g">Kraszewski:</hi> Ich will nicht weit in die Vergangenheit zurückgehen. Ew. Majestät kennen die Geschichte. Wenn aber Ew. Majestät uns den Aufstand von 1831 als Beispiel vorführen, so muß ich erinnern, daß der Vorfahr Ew. Majestät uns in demselben den Todesstoß gegeben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Se. M. der König:</hi> Wie können Sie das behaupten?</p>
          <p><hi rendition="#g">Kraszewski:</hi> Ohne die damals den Russen von Preußen geleistete Hülfe würden wir nicht unterdrückt worden sein. Aber abgesehen davon, so waren auch die Zeitumstände damals wesentlich von den heutigen verschieden. &#x2012; Die Völker waren damals weniger reif, die Macht der öffentlichen Meinung, des öffentlichen Gewissens nicht so gewaltig, wie in der jetzigen Zeit. Die ver- <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                 </p>
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[0584/0002] [Deutschland] [Fortsetzung] unser Hradschin geworden sei. Die von ihm eingenommene Position ist gewaltig, er kann mit seinem Belagerungsgeschütz die ganze Stadt vernichten, wenn er dasselbe aus den Fenstern des Belvedere und anderer Paläste spielen läßt. In der Anla war Alles in reger Wachsamkeit, alle öffentlichen Gebäude waren besetzt, man wartet ängstlich das Signal zum Kampfe ab. Die Straßen der Stadt und die Gebäude zeigen sonst eine schauerliche Oede. Der englische Gesandte soll im Namen des Völkerrechts wider ein Bombardement Wiens protestirt haben; er wird die Stadt nicht verlassen. Dagegen haben unsere deutschen Gesandten sämmtlich Reißaus genommen und Schreiben an Jellachich in ihren Wohnungen zurückgelassen, worin sie ihn ersuchen, vor dieselben einen Posten stellen zu lassen. Es ist ein Uhr in der Nacht. Alles ruhig. 117 Wien, 9. Oktober. 4 Uhr Nachmittags. Ich theile Ihnen nachfolgende Proklamationen mit, aus denen Sie erkennen mögen, wieviel Gutmüthigkeit Seitens der demokratischen Partei dazu gehört, Minister, wie Doblhof, Krauß, Hornbostel auch nach dieser entscheidenden Krisis wieder beizubehalten. An die Bevölkerung Wiens. Bei dem für heute früh angeordneten Abmarsche eines Theiles der hiesigen Garnison haben sich bei einem Theile dieser Truppen meuterische Bewegungen gegen diesen Befehl gezeigt, welche von einem Theile der Nationalgarde, untermischt mit einem Pöbelhaufen, noch unterstützt wurden. Ohne daß bis zu diesem Augenblicke auch die erste Veranlassung bekannt ist, wurde von den Waffen Gebrauch gemacht. Um dem Konflikte zwischen den Truppen Einhalt zu thun, wurden sogleich die geeignetsten Maßregeln ergriffen, und es ergeht zugleich an alle ordnungsliebenden Bewohner Wien's, an alle Korps der Nationalgarde die Aufforderung, diese Maßregeln, welche nur die Verhinderung jedes weiteren Konfliktes, die Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit bezwecken, auf das Kräftigste zu unterstützen. Zugleich werden alle friedliebenden Bewohner Wien's ermahnt, sich soviel als möglich von allen Aufläufen auf offener Straße zurück zu halten, um nicht unnöthiger Weise die Aufregung zu vermehren. Wien, 6. Oktober 1848. Der Ministerrath. Proklamation. Der Reichstag, von den verhängnißvollen Ereignissen benachrichtigt, die diese Hauptstadt erschüttert haben, hat sich versammelt, und wendet sich vertrauensvoll an die Bevölkerung Wien's, damit sie ihn unterstütze in der Erfüllung seiner schweren Aufgabe. Indem der Reichstag sein tiefstes Bedauern ausspricht über einen Akt schrecklicher Selbsthülfe, durch welchen der bisherige Kriegsminister seinen gewaltsamen Tod gefunden, spricht er seine feste Hoffnung, seinen entschiedenen Entschluß aus, daß von diesem Augenblicke an das Gesetz und die Achtung vor demselben wieder allein herrsche. Der Reichstag hat sich permanent erklärt, er wird diejenigen Maßregeln treffen, die die Ordnung, Sicherheit und Freiheit der Staatsbürger fordern, er wird dafür sorgen, daß seinen Beschlüssen unbedingte Vollstreckung werde. Er wird sich zugleich an den Monarchen wenden, und demselben die Dringlichkeit vorstellen, diejenigen Minister seines Rathes, die das Vertrauen des Landes nicht besitzen, zu entfernen, und das bisherige Ministerium durch ein volksthümliches zu ersetzen. Er stellt die Sicherheit der Stadt Wien, die Unverletzlichkeit des Reichstages und des Thrones und dadurch die Wohlfahrt der Monarchie unter den Schutz der Wiener Nationalgarde. Wien, 6. Oktober 1848. Im Namen des Reichstages. Der erste Vice-Präsident:Franz Smolka. An Scherzer's Stelle ist Braun, der sich am Tabor am 6 sehr ausgezeichnet haben soll, zum Oberkommandanten der Garde ernannt, weil Scherzer erklärte, er verstehe das Kriegshandwerk nicht genug, um in diesem gefährlichen Momente der Stadt die genügende Bürgschaft geben zu können. ‒ Der demokratische Central-Verein hat so eben den Muth bekommen, die Wiener Bürger von seinem Dasein zu benachrichtigen und aufzufordern, sich um ihn zu schaaren. Im Reichstag wurden Adressen verlesen, welche Landgemeinden eingeschickt haben und worin sie ihn ihres Beistands versichern. ‒ Auch wurde ein Antrag des Wohlfahrtsausschusses, alle öffentlichen Gebäude Wien's unter den Schutz des Reichstags zu stellen, angenommen, bei welcher Gelegenheit Borrosch das Benehmen des Volks am 6. lobt, indem auch nicht ein Schnupftuch geraubt worden. ‒ Hierauf vertagte sich der Reichstag bis 6 Uhr. Der Hof ist von Schönbrunn nicht allein, sondern in Begleitung von 6000 Grenadieren und vielem Geschütz abgezogen; er soll vom Landsturm bei St. Pölten wirklich aufgehalten worden sein. Auersperg wartet auf Jellachich, der sich schon in unserer Nähe befinden soll. Kossuth soll mit 16,000 Mann nachfolgen. Die Pesther Zeitung vom 6. Oktober bringt die Nachricht, Kossuth habe auch um Szepedin 50,000 Bauern zusammenzubringen gewußt. Aus Raab wird vom 4. Oktober geschrieben: Gestern Abend 5 Uhr ist Jellachich hier an der Spitze von circa 20,000 Mann, theils regulärer Gränzer, theils irregulären bewaffneten Bauernvolks, einer Kompagnie Szeresaner, dann dem Regimente Kreß-Chevauxlegers und Hardepp-Kuriassiren eingezogen und hat ein Lager bezogen, welches von der Stadt mit Viktualien versehen werden mußte. 5000 Nationalgarden waren unter Zichy entgegengerückt, konnten aber den Einzug nicht verhindern. Den Zug des feindlichen Heeres eröffneten 60 Banderialhusaren mit einem Rittmeister an der Spitze; dann kam General Zeisler mit den Kuirassiren, sodann General Hartlieb mit Infanterie, General Kampter mit den Gränzern, endlich Jellachich selbst, umgeben von einer Suite von 15 Offizieren. Nun kam der übrige Theil des Heeres, und bei dessen Anblick konnte ich mich der bittersten Empfindungen nicht erwehren. Es wird zeitlebens ein Schandfleck für das Haus Oesterreich bleiben, daß es solches Gesindel von k. k. Generälen anführen ließ. Ausgehungerte und zerlumpte Leute, denen die Raubbegierde aus den Augen blickt. Der Redakteur der „Allgemeinen Oesterreichischen Zeitung“ soll vor Schrecken über die Bewaffnung der Arbeiter nicht nur entflohen, sondern auch wahnsinnig geworden sein. Sein Name fehlt auch unter dem Blatte. Der Exminister Bach soll sich beim Kaiser in Reichholdsheim hinter St. Pölten befinden. Der Slovaken- und Czechen-Führer, Pastor Hurban, ist verwundet hier eingetroffen, wie man sagt. Hurban, Hodza und Stur warben ihre Rotte, wie man jetzt erfährt, unter dem Vorwande, daß sie mit den Ungarn gegen Jellachich ziehen würden, versprachen jedem Manne 20 Fl. K.-M. Handgeld und 20 Kr. tägliche Löhnung. Sie fuhren bei 450 Mann auf der Eisenbahn bis Pisek in Mähren, und zogen sodann mit 18 Wagen, worauf Gewehre und Munition sich befanden, gegen die ungarische Gränze, welche sie mit dem Rufe Elpen Kossuth! passirten. ‒ Erst nachdem sie eine gute Strecke fortmarschirt waren, wurden sie mit dem eigentlichen Unternehmen bekannt gemacht und ihnen ein panslavistischer Schwur abgenommen. Eben wird mir mitgetheilt, Jellachich sei heute Mittag von Bruck an der Leitha (6 Stunden von Wien) aufgebrochen, um in der Nacht hier einzutreffen. Damit stimmt das Hurrah von heute Morgen wohl überein. Man rüstet sich hier zum Kampfe und wird, wie ich vernehme, gegen Abend mit Bomben in Schwarzenberg's Park zu werfen beginnen. Fortwährend treten Soldaten zu uns über. Das Militär der Umgegend wird von den Bauern vom Marsch auf Wien zurückgehalten. ‒ Die Truppen Auersperg's haben geschworen, nicht das Kind im Mutterleibe zu schonen. Wir wollen sehen, ob wir diesen Rotomonden erliegen werden. Mein nächster Brief wird hoffentlich einen Schlachtbericht bringen, wenn ich nicht mit erwürgt werde. Wien, 9. Okt. Der rechte Flügel Jellachichs, unter Kommando des General Roth, ist von den Magyaren unter Perczel geschlagen. Roth sammt dem Generalstab und 2000 Croaten gefangen worden. Die Hauptarmee der Magyaren unter Kossuth und Meszaros ist 70,000 Mann stark in Wieselburg eingerückt. Jellachich, fort und fort gedrängt, zu feig und zu schwach eine Schlacht zu liefern, zieht sich fort und fort zurück; Preßburg ward am 7. von den zwei k. k. Bataillons geräumt worden. Jellachich, der vorüberzog, wollte den Donauübergang, d. i. die Herstellung der von den Preßburger Bürgern ausgehängten Schiffbrücke, durch Drohung mit Bombardement erzwingen, aber man lachte ihn aus. In der That hat er nicht einmal Wurfgeschütz bei sich; er mußte daher fortretiriren, und soll jetzt in Bruk an der Leitha stehen. Das ungarische Heer folgt ihm auf der Ferse. (B. Z. H.) 61 Wien, 10. October, 12 Uhr Mittags. Permanenz des Reichstags. Die Protokolle vom 8ten und 9ten werden verlesen, Karolkabó redet von einer Aenderung des Protokolls vom 4ten und 5ten hinsichtlich des Finanzgesetzes. Die Centren finden ein ungeheures Vergnügen, sich darüber zu unterhalten; sie verstecken darunter ihre Feigheit. Schuselka als Berichterstatter des Ausschusses: Die Nacht ist ruhig gewesen, insoweit man unter den obwaltenden Umständen von Ruhe überhaupt reden kann. Wir haben berittene Sicherheitswachen in die Umgegend ausgeschickt und uns von Stunde zu Stunde Bericht erstatten lassen. Es sind nicht unbedeutende Truppenmassen gegen Wien angerückt; die aufregendsten Gerüchte verbreiteten sich und man verlangte mit Ungestüm, anzugreifen, um das Zusammenziehen dieser Truppen zu verhindern. Wir glaubten diesem Kampfesungestüm im Interesse der Ordnung Widerstand leisten zu müssen, uns davon nicht hinreißen lassen zu dürfen. Darum konnten wir dem Ansinnen nicht genügen, schon jetzt den Landsturm aufzubieten. Wir trauen den Freundschaftsversicherungen Auersperg's zwar nicht und rüsten uns, die Freiheit zu schirmen, (Bravo) allein wir müssen die Aufrechthaltung der Ordnung noch immer als Hauptsache betrachten, damit wir nicht das Gegentheil von Freiheit hervorrufen. Die Aufbietung des Landsturms ist ein gefährliches Mittel, obwohl wir der aufopfernden Bereitwilligkeit des Landvolks alle Anerkennung zollen. (Tiefe Stille in der Versammlung.) Wir haben das Landvolk indessen auch nicht ganz abgewiesen; wir haben uns mit ihm in Verbindung gehalten und die Nationalgarde der Umgegend bis nach Brünn requirirt. Wir tragen Alles öffentlich vor, damit wir gerechtfertigt dastehen. Die Truppen im Schwarzenberg's Palais sind verstärkt worden; Jellachich ist bis Kaisers-Ebersdorf vorgedrungen, aber wir haben noch einmal einen friedlichen Weg und Versuch gemacht, wir haben eine aus Männern, die allen Parteien genügen, bestehende Kommission mit dem bestimmtesten Auftrage zur sofortigen unumgänglich nothwendigen Aufgebung der Stellung an Auersperg abgeschickt; diese Kommission besteht aus den Abgeordneten Borrosch, Pillersdorf, Stobnicki (galiz. Bauer). ‒ Auch das Ministerium hat wegen Jellachich fernere Schritte gethan; es hat eine Depesche durch zwei Abgeordnete an ihn ergehen lassen, worin es in energischer Sprache ihn auffordert, sich ihm zu unterwerfen und durch sein Einmarschiren den kroatischen Krieg nicht auf östreichisches Gebiet hinüberzuspielen; worin es ihm befiehlt, sich über seine Absicht zu erklären, indem es darauf hinweis't, daß es seine Pflicht gewesen, diese Absicht und sein Einrücken schon im Voraus bekannt zu geben. Wir sind inzwischen indessen nicht müßig geblieben und haben dem Gemeinderath und Oberkommando der Nationalgarde den Auftrag ertheilt, alle noch im Zeughause vorfindlichen Waffen unter die waffenfähigen Männer verabfolgen zu lassen. Indem wir so handelten und die Vertheidigung der Stadt übernommen haben, mußten wir auch alle Vertheidigungsmaßregeln, die von anderer Seite kamen, zu verhindern suchen und haben demzufolge den Gemeinderath beauftragt, kund zu geben, daß kein anderer Befehl befolgt werde, der nicht von ihm oder dem Oberkommando komme. Zimmer beantragt, daß der Reichstag erklären möge, daß er auch noch mit 150 Anwesenden beschlußfähig sei. Potocki dagegen, weil ein solcher Antrag die Würde der Kammer verletze. Löhner: Die Kammer darf kein Mißtrauen in sich selbst aussprechen; er verbreitet sich mit dichterischem Brei über diese Ansicht. Schuselka stimmt für den Antrag, obwohl wider dessen Motiv. Die Nothwendigkeit sei das einzig wahre Motiv. Smereker beantragt die Tagesordnung. (Angenommen.) Die Deputationen sind noch nicht zurückgekehrt. Minister Kraus hat sich während der ganzen Sitzung nicht gezeigt. Viele Abgeordnete sind abwesend und nur etwas über 200 anwesend. 192 müssen zu Beschlüssen gegenwärtig sein. Um 6 Uhr wird wiederum Sitzung sein. 3 Uhr. Der Generalmarsch wird geschlagen, die Sturmglocken ertönen, es scheint zum Kampfe zu kommen. Wenn wir unterliegen, so trägt die miserabele deutsche Halbheit, dieses Erschöpfen aller Friedenswege, wo der Feind nur den Krieg will und unterdessen zur Verstärkung alle Gelegenheit erhält, die Schuld davon. ‒ Ein leichter Regen beginnt zu fallen. Die Nachricht trifft ein, daß die ungarische Armee mit 70,000 Mann im Anzuge ist, 15 Dampfboote bringen die Avantgarde in Eile die Donau hinauf. Heute, oder doch in diesen Tagen, heißt's: Freiheit oder Tod! Krems, 9. Okt. Heute Morgen zwischen 11 und 12 Uhr ist der Kaiser von der Station Herzogenburg kommend unter Bedeckung von 5 - 6000 Mann verschiedener Truppengattungen sammt 4 Kanonen mit seinem Gefolge mit 20 - 30 Wagen durch Krems passirt. Der Kaiser geht über Znaim nach Ollmütz. Sein Empfang in den Städten Stein und Krems war ohne sichtbares Zeichen von Beifall oder Mißfallen, ein ernster, schweigender. Die braven Nationalgarden der Schwesterstädte hatten beabsichtigt, die Donaubrücke abzutragen, um den Kaiser zu bewegen, das Erzherzogthum nicht zu verlassen. Leider wurde dies Vorhaben vermittelt. Prag, 9. October. Heute Nachmittags fand auf dem Rathhause eine Versammlung mehrer der hier anwesenden Reichstags-Deputirten (es befinden sich deren bereits 27 in Prag) und des Stadtverordnetenkollegiums statt, um die Schritte zu berathen, die durch die Wiener Ereignisse für unsere Stadt und unser Land als nothwendig erscheinen dürften. Palacky gab einen langen ausführlichen Bericht über die Wiener Octoberrevolution mit vielen Ausfällen auf die deutsche und magyarische Demokratie, eine Rechtfertigung Jellachich's, und die Behauptung, die Stützen der Dynastie seien jetzt nur die Nord- und Südslaven. Rieger sprach über dieselbe Angelegenheit und erzählte einige interessante Details über die Begebenheiten, die der blutigen Wiener Katastrophe vorangegangen waren. Hierauf wurde das Manifest (welches unten mitgetheilt ist) berathen und nach langer und heftiger Debatte angenommen und von den anwesenden Stadtverordneten und Bürgermeister unterfertigt. ‒ Mit dem heutigen Abendtrain ist der Exminister Wessenberg hier angelangt. ‒ Das Stadtverordneten-Collegium erläßt folgende Proklamation: Aufruhr, Mord und Gewaltthat hat in Wien die Garantien der Freiheit in Frage gestellt; der Partei des Umsturzes ist es ‒ wir sind überzeugt, gegen den Willen der Majorität der biedern Bewohner Wiens ‒ gelungen, unsern constitutionellen Kaiser-König zur Flucht zu veranlassen, den Reichstag zu terrorisiren, in welchem jetzt die bisherige Minorität ohne Rücksicht auf Ordnung und Gesetz illegale Beschlüsse faßt. Im Namen und im Sinne der loyalen Bevölkerung Prags protestiren wir gegen alle im Reichstage ungesetzlich gefaßten Beschlüsse, wir protestiren gegen eine Versammlung, welche in beschlußunfähiger Minderheit, ihr Mandat überschreitend, die executive Gewalt an sich zu reißen versuchen sollte. In dem gewaltsamen Sturze eines Ministeriums, welches in Uebereinstimmung mit der Majorität der freien Vertreter eines freien Volkes handelt, sehen wir nicht die Erhebung einer edeln Nation für ihre unterdrückten Rechte, sondern nur verbrecherischen Aufruhr und Anarchie. [Fortsetzung] halten. Schon habe ich Nachrichten, daß sich bedeutende Kräfte an den Gränzen sammeln. Bedenken Sie also, welcher Gefahr Sie von dieser Seite entgegenlaufen, um so mehr, als Sie dem Angriff ohne meinen Schutz nicht widerstehen könnten. Im Interesse Deutschlands, auch zum eigenen Wohl des Großherzogthums Posen ist die gewaffnete Neutralität das allein noththuende und ersprießliche Rettungsmittel. Viele der Bewegungen Deutschlands, das Drängen nach nationaler Einheit kommen von der bangen Ahnung einer Gefahr vom Westen, wo zwar nicht die Regierung, aber hundert und abermals hundert Tausend Stimmen nichts anderes als ein gewaltsames Revolutioniren und die Rheingränze predigen. Ein Krieg gegen Rußtand ist unter solchen Umständen unmöglich, und ich würde es gegen meine Pflicht und mein Gewissen halten, denselben zu führen, und mit meiner Ehre ist er nun vollends unverträglich. Ich hoffe deshalb und wünsche, daß die Besonnenheit der Einwohner des Großherzogthums Posen dieselben vor unbedächtigen, verderblichen Unternehmungen abhalten werde. Sie schlagen sich, meine Herren, mit eitlen Hirngespinnsten und Sie mögen zusehen, daß Sie statt des Schwertes nicht ein Schilfrohr in die Hand nehmen, welches bei dem ersten Schlag Ihnen in der Hand zerbrechen würde. Sie täuschen sich auch, wenn Sie auf die Hülfe des Landvolkes Ihre Hoffnungen stützen. Bedenken Sie, daß Sie zwei Nationalitäten in der Provinz neben einander haben, und wenn die deutsche, wie es sich von selbst versteht, Ihnen ihre Mithülfe versagt, werden Sie eben so wenig sich auf Ihre polnischen bäuerlichen Einsassen verlassen können. Diese sind, wie ich es aus den sichersten Quellen weiß, der Regierung treu ergeben, und habe ich auch persönlich denselben nicht so viele Wohlthaten, wie mein seliger Vater erweisen können, so habe ich doch selbst erfahren, welch ein edler Stamm der der Großpolen sei. Deshalb liebe ich aber auch das Volk so sehr, weil es für die Dankbarkeit gegen seine Wohlthäter ein so offenes Herz hat. Diese Anhänglichkeit an die Regierung hat sich zuletzt auch dadurch erwiesen, daß im Jahre 1846 es nur die preußischen Beamten gewesen, welche die Grundherren vor ähnlichen Ausbrüchen des Landvolks, wie in Galizien, geschützt haben. Diese Treue des Volkes ist mir aus den besten Quellen. durch meinen Vetter Radziwill und durch die achtbarsten Landtagsdeputirten bekannt, und ich werde dasselbe schmerzlich wegen des Schicksals bedauern, welches Sie ihm durch Ihre Unternehmung bereiten würden. Sie würden aber mir hierdurch auch noch den größten Kummer bereiten, daß ich an dem großen Werke der Entwicklung Deutschlands gehindert werden würde. Aber auch abgesehen davon, Sie würden, selbst wenn Sie organisirt wären, dem Angriffe Rußlands nicht widerstehen können. Sie haben erst im Jahre 1831 die traurige Erfahrung gemacht, daß bei einer Einwohnerzahl von 4 Mill., mit einer Armee von über 40,000 Mann der schönsten, vortrefflichsten Truppen in Europa (was man dem Großfürsten Constantin, der sie organisirt hat, mit Ruhm nachsagen kann), Sie nichts ausgerichtet und sich nur ein unglaubliches Unglück bereitet haben. Es sind damals Heldenthaten, wie selten, ausgeführt worden, und wo ich solche sehe, da fließt mir mein preußisches Herz über; aber auch dies ist vergebens gewesen. Bedenken Sie also, was Sie mit den Kräften des Großherzogthums Posen, welches nur etwas über 1 Mill. Einwohner zählt und ohne eine nationale Armee, ausrichten können. Ich vertraue deshalb und erwarte, daß sich die polnischen Einwohner Posens nicht in ihr eigenes Unglück stürzen werden. Hierauf nahm der Deputirte Kraszewski das Wort und sagte: Ich habe schon bei dem Vereinigten Landtage ausgesprochen, daß ich keinen König ohne Volk kenne, und diesen meinen Ausspruch haben unerwartet früh die neuesten Ereignisse gerechtfertigt. Nun, so geruhen Ew. Majestät mir zu gestatten, auch diesmal von diesem Standpunkte aus zu sprechen. Ew. Majestät waren und sind auch jetzt durch Ihre Posen'schen Beamten über die dortigen Zustände und Verhältnisse falsch unterrichtet. Die Versprechungen des Jahres 1815, die uns die Nationalität garantirten, sind nun einmal nicht gehalten worden, und die Behörden zu Posen verwalteten die Provinz mit Nichtachtung aller uns zustehenden Rechte. Jetzt aber, wo sich die deutsche Nation selbst auf eine so edle Weise erhoben, jetzt, wo das Interesse Preußen's in dem des einigen Deutschland's aufgehe, jetzt erhebt auch von Neuem die polnische Nation ihre gerechten Ansprüche auf eine brüderliche Anerkennung ihres bisher unbeachtet gebliebenen Rechtes. Ganz Deutschland hat seine Sympathie für Polen offenbart, und die Fürsten werden sich derselben nicht entziehen wollen. Es ist freilich das Loos der Herrscher, in ihrer Beziehung zum Volke von ihren Dienern getäuscht zu werden. Se. M. der König: So wie das Loos der Polen, wie die Geschichte lehrt, das gewesen, daß sie sich in ihren Hoffnungen immer getäuscht sahen. Kraszewski: Leider auch durch die Vorfahren Ew. Königl. Majestät. Se. M. der König: Wie so? Kraszewski: Ich will nicht weit in die Vergangenheit zurückgehen. Ew. Majestät kennen die Geschichte. Wenn aber Ew. Majestät uns den Aufstand von 1831 als Beispiel vorführen, so muß ich erinnern, daß der Vorfahr Ew. Majestät uns in demselben den Todesstoß gegeben. Se. M. der König: Wie können Sie das behaupten? Kraszewski: Ohne die damals den Russen von Preußen geleistete Hülfe würden wir nicht unterdrückt worden sein. Aber abgesehen davon, so waren auch die Zeitumstände damals wesentlich von den heutigen verschieden. ‒ Die Völker waren damals weniger reif, die Macht der öffentlichen Meinung, des öffentlichen Gewissens nicht so gewaltig, wie in der jetzigen Zeit. Die ver- [Fortsetzung]

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 117. Köln, 15. Oktober 1848, S. 0584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz117_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.