Neue Rheinische Zeitung. Nr. 118. Köln, 16. Oktober 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 118. Köln, Dienstag den 17. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (11. Okt.: Noch nichts Entschiedenes. - Abendsitzung des Reichstags vom 10. Oktober. - Pillersdorfs Bericht. - Protest des Vereins der Deutschen in Oesterreich. - Proklamationen. - Die A. Oest. Z. über Auersperg's Stellung. - Der Wiener Privattelegraph vom 11. Oktober. - 12. Okt.: Jellachich flieht. - Auersperg dankt ab). Prag. (Erklärung der czechischen Reichstagsdeputirten. - Kundmachung Macsury's. - Strobach. - Intriguen gegen Borrosch. Nachrichten über Jellachich und Auersperg's Stellung). Frankfurt. (National-Versammlung. - Erklärung böhmischer Deputirten. - Deputation nach Wien). Düsseldorf. (Die Arbeiter und der Stadtverordnete Dietze). Berlin. (National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. - Königliches. - Reuter). Breslau. (Die Frankfurter National-Versammlung - Thätigkeit der demokratischen Partei.) Mannheim. (Verhaftungen. - Freisprechung der Mannh. A.-Z) Alzei. (Verurtheilung der "Neuen Zeit.") Sigmaringen. (Restauration). Heidelberg. (Intriguen des Reichsministeriums. Ungarn. Pesth. (Kossuth's Rückkehr. - Vermischtes). Donaufürstenthümer. Czernowitz. (Die Russen in der Wallachei). Jassy. (General Lüder's Proklamation). Buckarest. (Die Türken in der Wallachei. Manifest Fuad Effendi's). Italien. Florenz. (Unruhen). Turin. (Truppenbewegungen). Belgien. Brüssel. (Die Independance). Franz. Republik. Paris. (Journalschau. - National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. - Vermischtes). Großbritannien. London. (Stand der Parteien). Irland. (Mc. Manus schuldig). Handelsnachrichten. Deutschland. 61 Wien, 11. Okt. Ich kann Ihnen von keinem Kampf berichten, denn es hat noch kein Kampf stattgefunden. - In der Nacht wurde alarmirt, die ganze Stadt nebst Vorstädten waren erleuchtet und man durfte hoffen, daß es endlich zur Entscheidung komme. Aber nein, blose Wachsamkeit. Bei der Erbärmlichkeit, mit welcher sich der Reichstag, als Leiter der Bewegung, benimmt, steht von ihm wahrscheinlich auch wenig Energisches zu hoffen, bis das Volk die Geduld gänzlich verloren haben und sich selber helfen wird. Die Schirmung unserer Freiheit vertraut dieser Reichstag gerade den nichtswürdigsten Subjekten an, einem Krauß, Pillersdorf, Gleispach u. s. w. Menschen, die nichts inniger wollen, als eine anstandlose Uebergabe an die vereinten Räuberhordanführer Jellachich und Auersperg, die daher auf die unverschämteste Weise immer nur zu vermitteln suchen. Von einem Reichstag, der seiner Kapazität nach in der Mehrheit auf radikalen Unfähigkeiten, feigen Lümmeln und adelig-büreaukratischem Gesindel besteht, ist allerdings gar nichts zu erwarten und das Volk würde wol thun, ihn zugleich mit Auersperg und Jellachich zu beseitigen. Wäre nur das Volk selbst einigermaßen gut geführt. Aus der gestern Abend um 6 1/4 Uhr fortgesetzten Sitzung des Reichstags habe ich blos folgendes nachzutragen: Krauß meldet, daß Hornbostel den Kaiser nicht angetroffen habe und wahrscheinlich weiter gereist sei und daß er den Abgeordneten Löhner mit einem Vorschlag zur Beilegung der Mißverhältnisse an den Kaiser gesendet. Pillersdorf, dessen bloses Dasein und Dulden im Reichstag diesen schon hinlänglich charakterisirt, ist jetzt zum Wort- und Deputationshelden des Tags geworden. Er kommt mit Borrosch und Sobnicki soeben aus dem Lager Auersperg's und erzählt mit weitläufigem Vermittlungsqualm, den Ihnen die Wiener Zeitung in extenso mittheilen wird, daß der Deputation die Zufriedenstellung des zürnenden Fra Diavolo Auersperg nicht gelungen sei; derselbe habe nach einem Kriegsrathe vielmehr bei seiner frühern Bescheidung beharrt, nebenbei sich über die Pressen, die Beseitigung Latour's und dergleichen beschwert und Auflösung der Garde, Legion und Vereine verlangt. Borrosch wurde dabei von den Offizieren gröblich beleidigt, indem dieselbe zornerfüllte Blicke auf ihn warfen und sich dahin laut äußerten, daß er nach dem heuchlerischen Schutz, den er Latour angeblich habe zukommen lassen, um ihn der gerechten Rache des Volks zu entziehen, im Triumph zu Pferde durch die Stadt geritten sei. Borrosch war heute halb todt über dies militärische Kompliment. Um 8 1/4 Uhr war die abermals an Jellachich abgeschickte Deputation ebenfalls zurückgekehrt; Abgeordneter Prato las darauf folgendes Schreiben dieses "großen" Feldherrn vor: "Die Gründe, welche mich veranlassen, den Marsch der mir untergeordneten Truppen hieher zu richten, sind die Pflichten, die mir als Staatsdiener und als Militär obliegen. Als Staatsdiener habe ich der Anarchie zu steuern, als Militär gibt mir der Donner des Geschützes die Marschroute. Ich will die Gesammtmonarchie retten und dem Kaiser die Treue bewahren; darum ist meine Wahl, welchen Verfügungen ich zu gehorchen habe, nicht schwer. Die Verpflegung meiner Truppen geschieht nicht auf Kosten der Bevölkerung; wenn das ungarische Heer mich auf österreichisches Gebiet verfolgt, so werde ich zu antworten wissen. Ich kenne blos k. k. Truppen, denen anzugehören ich die Ehre habe. (Bescheidenes Zischen.) Werde ich angegriffen, so werde ich Gewalt mit Gewalt vertreiben. Hauptquartier Rothneusiedel, 10. Oktober 1848. Jellachich, Banus." Bilinski (einer aus der Deputation). Wir haben den Banus vergeblich aufgefordert, sich dem österreichischen Ministerium zu unterwerfen; wir haben ihm gesagt, daß der Minister Hornbostel zum Kaiser sei, dessen Befehle einzuholen, daß der Kaiser ein neues volksthümliches Ministerium zu bilden befohlen habe. Der Banus hat uns geantwortet, daß er keinen Hornbostel kenne, daß er keineswegs wider den Fortschritt sei, aber Ordnung herstellen müsse; (o kroatischer Fortschritt und kroatische Ordnung!) daß er darum das Aeußerste aufbieten würde. Darauf haben wir erwidert, daß alsdann auch wir das Aeußerste wagen würden. Damit entließ er uns. In der heutigen Sitzung ließ der Präsident ein Schreiben des Ministers vorlesen, worin derselbe dem Reichstag meldet, daß er den Kaiser, ich weiß nicht mehr wo, getroffen habe, aber sehr ungnädig von ihm aufgenommen worden sei und deßhalb sofort seine Entlassung eingereicht habe. Schuselka berichtete, daß der Oberkommandant angewiesen sei, sich einen Generalstab zu bilden und daß die Nationalgarden von überallher nach Wien beordert werden und an 500 von Brünn bereits eingetroffen seien, worauf Borrosch's demokratisches Fieber zum Vorschein kam und die Verräther Gleispach und Pillersdorf, welche die Frechheit haben, laut zu sagen, sie wünschten den Sieg der Kroaten, das Wort noch nahmen. Jellachich soll ein ganz unbeschreibliches Gesindel mit sich führen. Dasselbe umschwärmte in der Nacht die ganze Umgegend und beginnt zu morden und zu brandschatzen. Die Stadt ist gänzlich entvölkert. Das Militär im Schwarzenberg-Garten mordet und brandschatzt nach Herzensgelüste. Aus Uebermaß von Niederträchtigkeit hat der Reichstag heute noch einmal eine Deputation von Abgeordneten aus allen Provinzen, wozu natürlich die allerfeigsten und wedelndsten, wenn nicht offenbare Verräther, genommen worden sind, an das unbekannte Hoflager des Kaisers geschickt. Es circuliren hier Gerüchte über neue Unruhen in Berlin und Köln. Wien. Die A. Oest. Zeitung vom 11. Oktober stattet über die von unserm Correspondenten erwähnte Mittheilung von Pillersdorf folgenden Bericht ab: Pillersdorf erstattet Bericht über die Sendung der Kommission bei Auersperg. Nach langer Unterredung, worin er abermals feierlichst versicherte, daß er keine drohende Stellung angenommen, sondern zur Sicherheit seiner Truppen die Concentration bewerkstelligte. Die Kommission konnte es sich nicht verhehlen, daß den Kommandanten so wie seine Umgebung die Erbitterung beherrscht, welche der Tod des Kriegsministers hervorgebracht. Ehe er einen Beschluß der Kommission kundgeben wollte, glaubte er es für nothwendig eine Berathung mit seinem Generalstabe zu halten. Die Kommission hat 3 Stunden lang gewartet. Hierauf sind ihnen die Beschlüsse kund gegeben worden. Da der Zweck der concentrirten Aufstellung der Truppen kein anderer, als der ihrer eigenen Sicherheit ist, eine Zerstreuung von Angriffen nicht schützen werde, (antwortete der Kommandant) sei er außer Stande, dem Wunsche wegen Zurückziehung Folge zu leisten. Er versicherte es abermals, daß eine feindselige bedrohende Absicht seiner Stellung nicht zu Grunde liege. Er drückte es zugleich aus, daß er die größte Ordnung in der Schaffung der Lebensmittel wünsche, damit die Soldaten nicht gezwungen seien, ihre Subsistenzmittel selbst zu suchen. Einen Bevollmächtigten zu den obersten Organen in Wien, könne er nicht senden, da die gewöhnlichen Wege Mittheilungen zu machen, hinreichen. Die Kommission verhehlte ihm nicht, daß durch das feste Beharren bei der Stellung, die Stimmung der Bevölkerung nicht gehoben, sondern erst recht arg hervorgerufen wird, so daß bei dem kleinsten Conflicte ein unabsehbares Ereigniß sich gestalten könnte. Die Kommission hat ferner darauf hingewiesen, wie er sich durch die Stellung die Subsistenz erschwere, so wie durch das Bivouak in dieser Jahreszeit den Stand seiner Truppen erschwere. Der Kommandant blieb aber fest bei seinem frühern Beschlusse. Die Kommission hat die Anfrage gestellt, wie lange er in diesem Zustand zu verbleiben gedenke. Der Kommandant gab keine bestimmte Antwort, und nur gesprächsweise bemühte man sich von den Offizieren ihre Wünsche zu erfahren. Sie glauben darin eine Beruhigung zu finden, wenn Jene entwaffnet würden, die letztere Zeit Waffen erhalten und einen bedrohlichen Gebrauch befürchten lassen; wenn ferner der Presse nicht mehr Schmähungen auf das Militär möglich gemacht werden. Die Kommission fand sich nicht ermächtigt hierin einzugehen. Zum Schlusse abermals Versicherung, daß keine drohende Stellung beabsichtigt sei. Die Kommission machte die Bemerkung, daß der Stellung Auerspergs kein kaiserlicher Befehl zu Grunde liege. Er sagte, vom ehemaligen Minister den Befehl erhalten zu haben, und seinen Aeußerungen nach zu urtheilen werde er sie auch verlassen, wenn ein Befehl eines neuen Kriegsministers vorläge. Die Kommission kann nur nachdrücklichst bitten, daß die Bevölkerung keinen Angriff mache. Die Kommission hat auch den Kommandanden befragt wegen etwaiger Verbindung mit Jellachich. Er versicherte, daß durchaus keine bestehe, ja daß er nicht einmal über dessen letzten Aufenthalt Auskunft erhalten. Präsident Smolka macht die Mittheilung, daß die Aufgabe Löhners bei Sr. Makestät hauptsächlich ist, die Spaltungen zwischen Militär und Civil beizulegen. Pillersdorf stellt den Antrag, diesen Bericht der Bevölkerung kund zu geben, weil er gewiß beruhigen werde. Sieralkovski sagt, daß dieser Bericht die Bevölkerung keineswegs beruhigen, ja vielleicht noch mehr erbittern werde. Es möge, weur eine Kundmachung erfolge, zugleich ausgedrückt werden, daß der Reichstag nicht zufrieden sei, denn Auersperg habe als konstitutioneller General gefehlt, indem er der Kammer und ihrem Ausschusse nicht Folge leistet. (Bravo.) Wird in Ausarbeitung genommen. Wien, 11. Oktbr. Die heutige Nacht war gewiß die unruhigste, welche die Stadt Wien seit dem Bombardement durch Napoleon im Jahre 1809 durchlebt hat. In den Straßen sah man bis zur Helle des Tages nur bewaffnete Männer, welche theils einzeln, theils in kleinern, ungeregelten Haufen, theils in geregelten Kompagnieen und im Taktschritt schweigend und ernst einhergingen. An den Straßenecken, den öffentlichen Plätzen und vor den Kaffeehäusern standen düstere Gruppen in lebhaften Unterhaltungen oder im heftigen Zweigespräch begriffen. Dazwischen hörte man dann und wann, besonders in der Gegend der Wieden und Landstraße hin, einzelne Schüsse fallen, welche die Aufmerksamkeit Aller erregten. Hinter und auf den Barrikaden lagern noch wie gestern um Wachtfeuer bewaffnete Blousenmänner, zwischen denen einzelne Weiber und Mädchen, von nicht sehr respektablem Aeußern, theils schlafend auf Steinhaufen ruhen, theils lachend und lärmend sich herumtreiben. Besonders lebhaft aber sah es auf den Wällen und Bastionen der Stadt aus. Wachtfeuer reihte sich an Wachtfeuer, alle umlagert von Legionären in ihren Kalabresern, von Arbeitern in Hemdsärmeln, Blousen und von Nationalgarden aller Gattungen. Ueber den Thoren stehen Kanonen, welche die Zugänge der Stadt bestreichen, mit brennenden Lunten, von der Bürgerartillerie, von einzeln übergetretenen Soldaten, von Studenten oder Arbeitern bedient. Daneben lagern ganze Kompagnien buntgemischter Bewaffneten, deren Patrouillen bald mit der Muskete oder Büchse, bald mit dem Karabiner oder Pike in der Hand auf- und abwandeln und den Wachtdienst versehen. Es mochten im Ganzen in dieser Weise auf den Wällen 8-10,000 Mann vertheilt liegen. Unterdeß blieben der Reichstag, der Gemeinderath, das Central-Comite des demokratischen Vereins, das Universitäts-Comite und das Oberkommando der Nationalgarde in Permanenz. Die Aufmerksamkeit Aller ist auf zwei Centralpunkte gerichtet: auf das Lager des Militärs im Schwarzenbergischen Garten, von wo aus man einen Angriff oder eine Ueberrumpelung der Stadt fürchtet, und auf Jelachich mit seinem Heere oder vielmehr mit seinen zerstreuten Schaaren. In Bezug auf beide gingen und gehen noch die widersprechendsten Gerüchte. Was die versammelte Truppenmacht im Lager zwischen der Wieden und Landstraße betrifft, so hat sich die Zahl der vereinigten Truppenmassen durch Herbeiziehen aller Truppenkörper aus der Nachbarschaft der Stadt noch bedeutend vermehrt. Nach ganz glaubwürdigen Nachrichten liegen folgende Abtheilungen in dem Lager vereinigt: 3 Bataillone vom Regiment Nassau, polnischer Nationalität; Die Stellung dieser Truppenmacht, welche sich auf 15-20,000 Mann belaufen mag, ist eine für den Angriff vollkommen sichere, weshalb alle hitzigen Pläne eines augenblicklichen Angriffes durch Artillerie aus dem Zeughause, durch Studenten und Nationalgarde nur die Mißbilligung jedes Kriegskundigen erfahren wird. Jedoch ist die Stellung andererseits auf die Dauer eine ganz unhaltbare. Das Militär liegt eingepfercht zwischen den hohen Mauern des Schwarzenbergischen Gartens und der Umgebung des Belvedere, ist abgeschnitten von der Stadt und umgeben von feindlichen Vorstädten, und muß bei dem nächsten eintretenden Regenwetter, (wie solches jetzt, 4 Uhr Nachmittags, wirklich eingetreten ist) desorganisirt werden. Die Vorposten des Lagers erstrecken sich schon bis zur Karlskirche und auf der andern Seite bis zur Matzleinsdorfer Linie. Auf der Wieden sind von Seiten dieser Vorposten und einzelner Patrouillen die schändlichsten Exzesse begangen; schon gestern Abend waren sechs Fälle angemeldet, daß ruhig vorübergehende, theils bewaffnete, theils unbewaffnete Bürger und Studenten von den Wachtposten und einzelnen Soldaten erschossen waren. Heute Morgen zog man aus dem Kanal an der Wieden mehrere Leichen, welche vielfach verwundet, verstümmelt und großentheils nackt, also rein ausgeplündert waren. Der Reichstag schickte Parlamentäre über Parlamentäre zum General Auersperg, welcher jedoch stets ausweichende Antworten gab und behauptete, theils die Thatsachen nicht zu kennen, theils unmöglich für die Handlungen einzelner Soldaten unter den obwaltenden Umständen verantwortlich sein zu können. Man sieht hieraus schon, daß eine gewisse Demoralisation einzutreten begonnen hat. Auch hören wir, daß die Soldaten - Offiziere sowohl als Gemeine - mit dem General Auersperg und seinem Benehmen unzufrieden und aller Blicke auf den Fürsten Felix Schwarzenberg gerichtet sind. Was nun in Bezug auf diese Truppenmacht die öffentliche Meinung in der Stadt betrifft, so wollen die Entschlossenen einen Angriff a tout prix, damit dieselbe nicht durch stets wachsenden Zuzug vermehrt werde; die Mäßigeren dagegen wollen blos eine defensive Haltung, militärisch Gebildete eine Besetzung des Wiener Berges im Rücken des Lagers - der Reichstag und der Sicherheitsausschuß desselben Unterhandlung. Es ist offenbar, daß die jetzige Lage nicht lange dauern kann und darf. Die zweite wichtige Frage, welche alle Gemüther beschäftigt, ist Jellachich. Schon gestern war er, wie gemeldet, mit 2000 Mann in Schwandorf eingerückt. Es ist das nur 3-4 Meilen von Wien. Der Reichstag schickte den Deputirten Prado als Parlamentär zu ihm, um ihn zu befragen, in welcher Absicht er sich Wien nähere. Der Deputirte fand den Ban wirklich bei Schwandorf, übergab ihm den Brief des Reichstages, welchen Jellachich mit ruhiger Aufmerksamkeit durchlas, und erhielt die Antwort, daß er sich keineswegs in feindlicher Absicht der Hauptstadt nahe, sondern daß seine Absicht sei, "den Kaiser zu schützen und dessen Befehle zu empfangen." Der Reichstagsdeputirte berichtete zu gleicher Zeit, daß die Truppen des Ban, höchstens 2000 Mann stark, im erbärmlichsten Zustande, aus allen Truppenkörpern gemischt und fast ganz ohne Montur seien. Heute Morgen hat der Reichstag einen neuen Kurrier abgeschickt, welcher gegen 7 Uhr Abends zurück sein wird, und in gemessensten Worten die Aufforderung dem Ban überbringt: Entweder zu erklären, daß er flüchtig und friedlich die Gränzen überschritten und dann augenblicklich seinen Rückzug über und durch Steyermark anzutreten habe, oder daß er sich als Feind behandelt sehen werde. Von der Antwort hängt es ab, ob der Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 118. Köln, Dienstag den 17. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (11. Okt.: Noch nichts Entschiedenes. ‒ Abendsitzung des Reichstags vom 10. Oktober. ‒ Pillersdorfs Bericht. ‒ Protest des Vereins der Deutschen in Oesterreich. ‒ Proklamationen. ‒ Die A. Oest. Z. über Auersperg's Stellung. ‒ Der Wiener Privattelegraph vom 11. Oktober. ‒ 12. Okt.: Jellachich flieht. ‒ Auersperg dankt ab). Prag. (Erklärung der czechischen Reichstagsdeputirten. ‒ Kundmachung Macsury's. ‒ Strobach. ‒ Intriguen gegen Borrosch. Nachrichten über Jellachich und Auersperg's Stellung). Frankfurt. (National-Versammlung. ‒ Erklärung böhmischer Deputirten. ‒ Deputation nach Wien). Düsseldorf. (Die Arbeiter und der Stadtverordnete Dietze). Berlin. (National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. ‒ Königliches. ‒ Reuter). Breslau. (Die Frankfurter National-Versammlung ‒ Thätigkeit der demokratischen Partei.) Mannheim. (Verhaftungen. ‒ Freisprechung der Mannh. A.-Z) Alzei. (Verurtheilung der „Neuen Zeit.“) Sigmaringen. (Restauration). Heidelberg. (Intriguen des Reichsministeriums. Ungarn. Pesth. (Kossuth's Rückkehr. ‒ Vermischtes). Donaufürstenthümer. Czernowitz. (Die Russen in der Wallachei). Jassy. (General Lüder's Proklamation). Buckarest. (Die Türken in der Wallachei. Manifest Fuad Effendi's). Italien. Florenz. (Unruhen). Turin. (Truppenbewegungen). Belgien. Brüssel. (Die Independance). Franz. Republik. Paris. (Journalschau. ‒ National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. ‒ Vermischtes). Großbritannien. London. (Stand der Parteien). Irland. (Mc. Manus schuldig). Handelsnachrichten. Deutschland. 61 Wien, 11. Okt. Ich kann Ihnen von keinem Kampf berichten, denn es hat noch kein Kampf stattgefunden. ‒ In der Nacht wurde alarmirt, die ganze Stadt nebst Vorstädten waren erleuchtet und man durfte hoffen, daß es endlich zur Entscheidung komme. Aber nein, blose Wachsamkeit. Bei der Erbärmlichkeit, mit welcher sich der Reichstag, als Leiter der Bewegung, benimmt, steht von ihm wahrscheinlich auch wenig Energisches zu hoffen, bis das Volk die Geduld gänzlich verloren haben und sich selber helfen wird. Die Schirmung unserer Freiheit vertraut dieser Reichstag gerade den nichtswürdigsten Subjekten an, einem Krauß, Pillersdorf, Gleispach u. s. w. Menschen, die nichts inniger wollen, als eine anstandlose Uebergabe an die vereinten Räuberhordanführer Jellachich und Auersperg, die daher auf die unverschämteste Weise immer nur zu vermitteln suchen. Von einem Reichstag, der seiner Kapazität nach in der Mehrheit auf radikalen Unfähigkeiten, feigen Lümmeln und adelig-büreaukratischem Gesindel besteht, ist allerdings gar nichts zu erwarten und das Volk würde wol thun, ihn zugleich mit Auersperg und Jellachich zu beseitigen. Wäre nur das Volk selbst einigermaßen gut geführt. Aus der gestern Abend um 6 1/4 Uhr fortgesetzten Sitzung des Reichstags habe ich blos folgendes nachzutragen: Krauß meldet, daß Hornbostel den Kaiser nicht angetroffen habe und wahrscheinlich weiter gereist sei und daß er den Abgeordneten Löhner mit einem Vorschlag zur Beilegung der Mißverhältnisse an den Kaiser gesendet. Pillersdorf, dessen bloses Dasein und Dulden im Reichstag diesen schon hinlänglich charakterisirt, ist jetzt zum Wort- und Deputationshelden des Tags geworden. Er kommt mit Borrosch und Sobnicki soeben aus dem Lager Auersperg's und erzählt mit weitläufigem Vermittlungsqualm, den Ihnen die Wiener Zeitung in extenso mittheilen wird, daß der Deputation die Zufriedenstellung des zürnenden Fra Diavolo Auersperg nicht gelungen sei; derselbe habe nach einem Kriegsrathe vielmehr bei seiner frühern Bescheidung beharrt, nebenbei sich über die Pressen, die Beseitigung Latour's und dergleichen beschwert und Auflösung der Garde, Legion und Vereine verlangt. Borrosch wurde dabei von den Offizieren gröblich beleidigt, indem dieselbe zornerfüllte Blicke auf ihn warfen und sich dahin laut äußerten, daß er nach dem heuchlerischen Schutz, den er Latour angeblich habe zukommen lassen, um ihn der gerechten Rache des Volks zu entziehen, im Triumph zu Pferde durch die Stadt geritten sei. Borrosch war heute halb todt über dies militärische Kompliment. Um 8 1/4 Uhr war die abermals an Jellachich abgeschickte Deputation ebenfalls zurückgekehrt; Abgeordneter Prato las darauf folgendes Schreiben dieses „großen“ Feldherrn vor: „Die Gründe, welche mich veranlassen, den Marsch der mir untergeordneten Truppen hieher zu richten, sind die Pflichten, die mir als Staatsdiener und als Militär obliegen. Als Staatsdiener habe ich der Anarchie zu steuern, als Militär gibt mir der Donner des Geschützes die Marschroute. Ich will die Gesammtmonarchie retten und dem Kaiser die Treue bewahren; darum ist meine Wahl, welchen Verfügungen ich zu gehorchen habe, nicht schwer. Die Verpflegung meiner Truppen geschieht nicht auf Kosten der Bevölkerung; wenn das ungarische Heer mich auf österreichisches Gebiet verfolgt, so werde ich zu antworten wissen. Ich kenne blos k. k. Truppen, denen anzugehören ich die Ehre habe. (Bescheidenes Zischen.) Werde ich angegriffen, so werde ich Gewalt mit Gewalt vertreiben. Hauptquartier Rothneusiedel, 10. Oktober 1848. Jellachich, Banus.“ Bilinski (einer aus der Deputation). Wir haben den Banus vergeblich aufgefordert, sich dem österreichischen Ministerium zu unterwerfen; wir haben ihm gesagt, daß der Minister Hornbostel zum Kaiser sei, dessen Befehle einzuholen, daß der Kaiser ein neues volksthümliches Ministerium zu bilden befohlen habe. Der Banus hat uns geantwortet, daß er keinen Hornbostel kenne, daß er keineswegs wider den Fortschritt sei, aber Ordnung herstellen müsse; (o kroatischer Fortschritt und kroatische Ordnung!) daß er darum das Aeußerste aufbieten würde. Darauf haben wir erwidert, daß alsdann auch wir das Aeußerste wagen würden. Damit entließ er uns. In der heutigen Sitzung ließ der Präsident ein Schreiben des Ministers vorlesen, worin derselbe dem Reichstag meldet, daß er den Kaiser, ich weiß nicht mehr wo, getroffen habe, aber sehr ungnädig von ihm aufgenommen worden sei und deßhalb sofort seine Entlassung eingereicht habe. Schuselka berichtete, daß der Oberkommandant angewiesen sei, sich einen Generalstab zu bilden und daß die Nationalgarden von überallher nach Wien beordert werden und an 500 von Brünn bereits eingetroffen seien, worauf Borrosch's demokratisches Fieber zum Vorschein kam und die Verräther Gleispach und Pillersdorf, welche die Frechheit haben, laut zu sagen, sie wünschten den Sieg der Kroaten, das Wort noch nahmen. Jellachich soll ein ganz unbeschreibliches Gesindel mit sich führen. Dasselbe umschwärmte in der Nacht die ganze Umgegend und beginnt zu morden und zu brandschatzen. Die Stadt ist gänzlich entvölkert. Das Militär im Schwarzenberg-Garten mordet und brandschatzt nach Herzensgelüste. Aus Uebermaß von Niederträchtigkeit hat der Reichstag heute noch einmal eine Deputation von Abgeordneten aus allen Provinzen, wozu natürlich die allerfeigsten und wedelndsten, wenn nicht offenbare Verräther, genommen worden sind, an das unbekannte Hoflager des Kaisers geschickt. Es circuliren hier Gerüchte über neue Unruhen in Berlin und Köln. Wien. Die A. Oest. Zeitung vom 11. Oktober stattet über die von unserm Correspondenten erwähnte Mittheilung von Pillersdorf folgenden Bericht ab: Pillersdorf erstattet Bericht über die Sendung der Kommission bei Auersperg. Nach langer Unterredung, worin er abermals feierlichst versicherte, daß er keine drohende Stellung angenommen, sondern zur Sicherheit seiner Truppen die Concentration bewerkstelligte. Die Kommission konnte es sich nicht verhehlen, daß den Kommandanten so wie seine Umgebung die Erbitterung beherrscht, welche der Tod des Kriegsministers hervorgebracht. Ehe er einen Beschluß der Kommission kundgeben wollte, glaubte er es für nothwendig eine Berathung mit seinem Generalstabe zu halten. Die Kommission hat 3 Stunden lang gewartet. Hierauf sind ihnen die Beschlüsse kund gegeben worden. Da der Zweck der concentrirten Aufstellung der Truppen kein anderer, als der ihrer eigenen Sicherheit ist, eine Zerstreuung von Angriffen nicht schützen werde, (antwortete der Kommandant) sei er außer Stande, dem Wunsche wegen Zurückziehung Folge zu leisten. Er versicherte es abermals, daß eine feindselige bedrohende Absicht seiner Stellung nicht zu Grunde liege. Er drückte es zugleich aus, daß er die größte Ordnung in der Schaffung der Lebensmittel wünsche, damit die Soldaten nicht gezwungen seien, ihre Subsistenzmittel selbst zu suchen. Einen Bevollmächtigten zu den obersten Organen in Wien, könne er nicht senden, da die gewöhnlichen Wege Mittheilungen zu machen, hinreichen. Die Kommission verhehlte ihm nicht, daß durch das feste Beharren bei der Stellung, die Stimmung der Bevölkerung nicht gehoben, sondern erst recht arg hervorgerufen wird, so daß bei dem kleinsten Conflicte ein unabsehbares Ereigniß sich gestalten könnte. Die Kommission hat ferner darauf hingewiesen, wie er sich durch die Stellung die Subsistenz erschwere, so wie durch das Bivouak in dieser Jahreszeit den Stand seiner Truppen erschwere. Der Kommandant blieb aber fest bei seinem frühern Beschlusse. Die Kommission hat die Anfrage gestellt, wie lange er in diesem Zustand zu verbleiben gedenke. Der Kommandant gab keine bestimmte Antwort, und nur gesprächsweise bemühte man sich von den Offizieren ihre Wünsche zu erfahren. Sie glauben darin eine Beruhigung zu finden, wenn Jene entwaffnet würden, die letztere Zeit Waffen erhalten und einen bedrohlichen Gebrauch befürchten lassen; wenn ferner der Presse nicht mehr Schmähungen auf das Militär möglich gemacht werden. Die Kommission fand sich nicht ermächtigt hierin einzugehen. Zum Schlusse abermals Versicherung, daß keine drohende Stellung beabsichtigt sei. Die Kommission machte die Bemerkung, daß der Stellung Auerspergs kein kaiserlicher Befehl zu Grunde liege. Er sagte, vom ehemaligen Minister den Befehl erhalten zu haben, und seinen Aeußerungen nach zu urtheilen werde er sie auch verlassen, wenn ein Befehl eines neuen Kriegsministers vorläge. Die Kommission kann nur nachdrücklichst bitten, daß die Bevölkerung keinen Angriff mache. Die Kommission hat auch den Kommandanden befragt wegen etwaiger Verbindung mit Jellachich. Er versicherte, daß durchaus keine bestehe, ja daß er nicht einmal über dessen letzten Aufenthalt Auskunft erhalten. Präsident Smolka macht die Mittheilung, daß die Aufgabe Löhners bei Sr. Makestät hauptsächlich ist, die Spaltungen zwischen Militär und Civil beizulegen. Pillersdorf stellt den Antrag, diesen Bericht der Bevölkerung kund zu geben, weil er gewiß beruhigen werde. Sieralkovski sagt, daß dieser Bericht die Bevölkerung keineswegs beruhigen, ja vielleicht noch mehr erbittern werde. Es möge, weur eine Kundmachung erfolge, zugleich ausgedrückt werden, daß der Reichstag nicht zufrieden sei, denn Auersperg habe als konstitutioneller General gefehlt, indem er der Kammer und ihrem Ausschusse nicht Folge leistet. (Bravo.) Wird in Ausarbeitung genommen. Wien, 11. Oktbr. Die heutige Nacht war gewiß die unruhigste, welche die Stadt Wien seit dem Bombardement durch Napoleon im Jahre 1809 durchlebt hat. In den Straßen sah man bis zur Helle des Tages nur bewaffnete Männer, welche theils einzeln, theils in kleinern, ungeregelten Haufen, theils in geregelten Kompagnieen und im Taktschritt schweigend und ernst einhergingen. An den Straßenecken, den öffentlichen Plätzen und vor den Kaffeehäusern standen düstere Gruppen in lebhaften Unterhaltungen oder im heftigen Zweigespräch begriffen. Dazwischen hörte man dann und wann, besonders in der Gegend der Wieden und Landstraße hin, einzelne Schüsse fallen, welche die Aufmerksamkeit Aller erregten. Hinter und auf den Barrikaden lagern noch wie gestern um Wachtfeuer bewaffnete Blousenmänner, zwischen denen einzelne Weiber und Mädchen, von nicht sehr respektablem Aeußern, theils schlafend auf Steinhaufen ruhen, theils lachend und lärmend sich herumtreiben. Besonders lebhaft aber sah es auf den Wällen und Bastionen der Stadt aus. Wachtfeuer reihte sich an Wachtfeuer, alle umlagert von Legionären in ihren Kalabresern, von Arbeitern in Hemdsärmeln, Blousen und von Nationalgarden aller Gattungen. Ueber den Thoren stehen Kanonen, welche die Zugänge der Stadt bestreichen, mit brennenden Lunten, von der Bürgerartillerie, von einzeln übergetretenen Soldaten, von Studenten oder Arbeitern bedient. Daneben lagern ganze Kompagnien buntgemischter Bewaffneten, deren Patrouillen bald mit der Muskete oder Büchse, bald mit dem Karabiner oder Pike in der Hand auf- und abwandeln und den Wachtdienst versehen. Es mochten im Ganzen in dieser Weise auf den Wällen 8-10,000 Mann vertheilt liegen. Unterdeß blieben der Reichstag, der Gemeinderath, das Central-Comite des demokratischen Vereins, das Universitäts-Comite und das Oberkommando der Nationalgarde in Permanenz. Die Aufmerksamkeit Aller ist auf zwei Centralpunkte gerichtet: auf das Lager des Militärs im Schwarzenbergischen Garten, von wo aus man einen Angriff oder eine Ueberrumpelung der Stadt fürchtet, und auf Jelachich mit seinem Heere oder vielmehr mit seinen zerstreuten Schaaren. In Bezug auf beide gingen und gehen noch die widersprechendsten Gerüchte. Was die versammelte Truppenmacht im Lager zwischen der Wieden und Landstraße betrifft, so hat sich die Zahl der vereinigten Truppenmassen durch Herbeiziehen aller Truppenkörper aus der Nachbarschaft der Stadt noch bedeutend vermehrt. Nach ganz glaubwürdigen Nachrichten liegen folgende Abtheilungen in dem Lager vereinigt: 3 Bataillone vom Regiment Nassau, polnischer Nationalität; Die Stellung dieser Truppenmacht, welche sich auf 15-20,000 Mann belaufen mag, ist eine für den Angriff vollkommen sichere, weshalb alle hitzigen Pläne eines augenblicklichen Angriffes durch Artillerie aus dem Zeughause, durch Studenten und Nationalgarde nur die Mißbilligung jedes Kriegskundigen erfahren wird. Jedoch ist die Stellung andererseits auf die Dauer eine ganz unhaltbare. Das Militär liegt eingepfercht zwischen den hohen Mauern des Schwarzenbergischen Gartens und der Umgebung des Belvedere, ist abgeschnitten von der Stadt und umgeben von feindlichen Vorstädten, und muß bei dem nächsten eintretenden Regenwetter, (wie solches jetzt, 4 Uhr Nachmittags, wirklich eingetreten ist) desorganisirt werden. Die Vorposten des Lagers erstrecken sich schon bis zur Karlskirche und auf der andern Seite bis zur Matzleinsdorfer Linie. Auf der Wieden sind von Seiten dieser Vorposten und einzelner Patrouillen die schändlichsten Exzesse begangen; schon gestern Abend waren sechs Fälle angemeldet, daß ruhig vorübergehende, theils bewaffnete, theils unbewaffnete Bürger und Studenten von den Wachtposten und einzelnen Soldaten erschossen waren. Heute Morgen zog man aus dem Kanal an der Wieden mehrere Leichen, welche vielfach verwundet, verstümmelt und großentheils nackt, also rein ausgeplündert waren. Der Reichstag schickte Parlamentäre über Parlamentäre zum General Auersperg, welcher jedoch stets ausweichende Antworten gab und behauptete, theils die Thatsachen nicht zu kennen, theils unmöglich für die Handlungen einzelner Soldaten unter den obwaltenden Umständen verantwortlich sein zu können. Man sieht hieraus schon, daß eine gewisse Demoralisation einzutreten begonnen hat. Auch hören wir, daß die Soldaten ‒ Offiziere sowohl als Gemeine ‒ mit dem General Auersperg und seinem Benehmen unzufrieden und aller Blicke auf den Fürsten Felix Schwarzenberg gerichtet sind. Was nun in Bezug auf diese Truppenmacht die öffentliche Meinung in der Stadt betrifft, so wollen die Entschlossenen einen Angriff à tout prix, damit dieselbe nicht durch stets wachsenden Zuzug vermehrt werde; die Mäßigeren dagegen wollen blos eine defensive Haltung, militärisch Gebildete eine Besetzung des Wiener Berges im Rücken des Lagers ‒ der Reichstag und der Sicherheitsausschuß desselben Unterhandlung. Es ist offenbar, daß die jetzige Lage nicht lange dauern kann und darf. Die zweite wichtige Frage, welche alle Gemüther beschäftigt, ist Jellachich. Schon gestern war er, wie gemeldet, mit 2000 Mann in Schwandorf eingerückt. Es ist das nur 3-4 Meilen von Wien. Der Reichstag schickte den Deputirten Prado als Parlamentär zu ihm, um ihn zu befragen, in welcher Absicht er sich Wien nähere. Der Deputirte fand den Ban wirklich bei Schwandorf, übergab ihm den Brief des Reichstages, welchen Jellachich mit ruhiger Aufmerksamkeit durchlas, und erhielt die Antwort, daß er sich keineswegs in feindlicher Absicht der Hauptstadt nahe, sondern daß seine Absicht sei, „den Kaiser zu schützen und dessen Befehle zu empfangen.“ Der Reichstagsdeputirte berichtete zu gleicher Zeit, daß die Truppen des Ban, höchstens 2000 Mann stark, im erbärmlichsten Zustande, aus allen Truppenkörpern gemischt und fast ganz ohne Montur seien. Heute Morgen hat der Reichstag einen neuen Kurrier abgeschickt, welcher gegen 7 Uhr Abends zurück sein wird, und in gemessensten Worten die Aufforderung dem Ban überbringt: Entweder zu erklären, daß er flüchtig und friedlich die Gränzen überschritten und dann augenblicklich seinen Rückzug über und durch Steyermark anzutreten habe, oder daß er sich als Feind behandelt sehen werde. Von der Antwort hängt es ab, ob der <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0589"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 118. Köln, Dienstag den 17. Oktober. 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Wien. (11. Okt.: Noch nichts Entschiedenes. ‒ Abendsitzung des Reichstags vom 10. Oktober. ‒ Pillersdorfs Bericht. ‒ Protest des Vereins der Deutschen in Oesterreich. ‒ Proklamationen. ‒ Die A. Oest. Z. über Auersperg's Stellung. ‒ Der Wiener Privattelegraph vom 11. Oktober. ‒ 12. Okt.: <hi rendition="#g">Jellachich flieht. ‒ Auersperg</hi> dankt ab). Prag. (Erklärung der czechischen Reichstagsdeputirten. ‒ Kundmachung Macsury's. ‒ Strobach. ‒ Intriguen gegen Borrosch. Nachrichten über Jellachich und Auersperg's Stellung). Frankfurt. (National-Versammlung. ‒ Erklärung böhmischer Deputirten. ‒ Deputation nach Wien). Düsseldorf. (Die Arbeiter und der Stadtverordnete Dietze). Berlin. (National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. ‒ Königliches. ‒ Reuter). Breslau. (Die Frankfurter National-Versammlung ‒ Thätigkeit der demokratischen Partei.) Mannheim. (Verhaftungen. ‒ Freisprechung der Mannh. A.-Z) Alzei. (Verurtheilung der „Neuen Zeit.“) Sigmaringen. (Restauration). Heidelberg. (Intriguen des Reichsministeriums.</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth. (Kossuth's Rückkehr. ‒ Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Czernowitz. (Die Russen in der Wallachei).</p> <p>Jassy. (General Lüder's Proklamation). Buckarest. (Die Türken in der Wallachei. Manifest Fuad Effendi's).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Florenz. (Unruhen). Turin. (Truppenbewegungen).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Brüssel. (Die Independance).</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Journalschau. ‒ National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. ‒ Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Stand der Parteien). Irland. (Mc. Manus schuldig).</p> <p> <hi rendition="#g">Handelsnachrichten.</hi> </p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar118_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 11. Okt.</head> <p>Ich kann Ihnen von keinem Kampf berichten, denn es <hi rendition="#g">hat noch kein Kampf stattgefunden.</hi> ‒ In der Nacht wurde alarmirt, die ganze Stadt nebst Vorstädten waren erleuchtet und man durfte hoffen, daß es endlich zur Entscheidung komme. Aber nein, blose Wachsamkeit. Bei der Erbärmlichkeit, mit welcher sich der Reichstag, als Leiter der Bewegung, benimmt, steht von ihm wahrscheinlich auch wenig Energisches zu hoffen, bis das Volk die Geduld gänzlich verloren haben und sich selber helfen wird. Die Schirmung unserer Freiheit vertraut dieser Reichstag gerade den nichtswürdigsten Subjekten an, einem Krauß, Pillersdorf, Gleispach u. s. w. Menschen, die nichts inniger wollen, als eine anstandlose Uebergabe an die vereinten Räuberhordanführer Jellachich und Auersperg, die daher auf die unverschämteste Weise immer nur zu vermitteln suchen. Von einem Reichstag, der seiner Kapazität nach in der Mehrheit auf radikalen Unfähigkeiten, feigen Lümmeln und adelig-büreaukratischem Gesindel besteht, ist allerdings gar nichts zu erwarten und das Volk würde wol thun, ihn zugleich mit Auersperg und Jellachich zu beseitigen. Wäre nur das Volk selbst einigermaßen gut geführt.</p> <p>Aus der gestern Abend um 6 1/4 Uhr fortgesetzten Sitzung des Reichstags habe ich blos folgendes nachzutragen:</p> <p><hi rendition="#g">Krauß</hi> meldet, daß Hornbostel den Kaiser nicht angetroffen habe und wahrscheinlich weiter gereist sei und daß er den Abgeordneten Löhner mit einem Vorschlag zur Beilegung der Mißverhältnisse an den Kaiser gesendet.</p> <p><hi rendition="#g">Pillersdorf,</hi> dessen bloses Dasein und Dulden im Reichstag diesen schon hinlänglich charakterisirt, ist jetzt zum Wort- und Deputationshelden des Tags geworden. Er kommt mit Borrosch und Sobnicki soeben aus dem Lager Auersperg's und erzählt mit weitläufigem Vermittlungsqualm, den Ihnen die Wiener Zeitung in extenso mittheilen wird, daß der Deputation die Zufriedenstellung des zürnenden Fra Diavolo Auersperg nicht gelungen sei; derselbe habe nach einem Kriegsrathe vielmehr bei seiner frühern Bescheidung beharrt, nebenbei sich über die Pressen, die Beseitigung Latour's und dergleichen beschwert und Auflösung der Garde, Legion und Vereine verlangt. Borrosch wurde dabei von den Offizieren gröblich beleidigt, indem dieselbe zornerfüllte Blicke auf ihn warfen und sich dahin laut äußerten, daß er nach dem heuchlerischen Schutz, den er Latour angeblich habe zukommen lassen, um ihn der gerechten Rache des Volks zu entziehen, im Triumph zu Pferde durch die Stadt geritten sei. Borrosch war heute halb todt über dies militärische Kompliment.</p> <p>Um 8 1/4 Uhr war die abermals an Jellachich abgeschickte Deputation ebenfalls zurückgekehrt; Abgeordneter Prato las darauf folgendes Schreiben dieses „großen“ Feldherrn vor:</p> <p>„Die Gründe, welche mich veranlassen, den Marsch der mir untergeordneten Truppen hieher zu richten, sind die Pflichten, die mir als Staatsdiener und als Militär obliegen. Als Staatsdiener habe ich der Anarchie zu steuern, als Militär gibt mir der Donner des Geschützes die Marschroute. Ich will die Gesammtmonarchie retten und dem Kaiser die Treue bewahren; darum ist meine Wahl, welchen Verfügungen ich zu gehorchen habe, nicht schwer. Die Verpflegung meiner Truppen geschieht nicht auf Kosten der Bevölkerung; wenn das ungarische Heer mich auf österreichisches Gebiet verfolgt, so werde ich zu antworten wissen. Ich kenne blos k. k. Truppen, denen anzugehören ich die Ehre habe. (Bescheidenes Zischen.) Werde ich angegriffen, so werde ich <hi rendition="#g">Gewalt mit Gewalt</hi> vertreiben.</p> <p>Hauptquartier Rothneusiedel, 10. Oktober 1848.</p> <p>Jellachich, Banus.“</p> <p><hi rendition="#g">Bilinski</hi> (einer aus der Deputation). Wir haben den Banus vergeblich aufgefordert, sich dem österreichischen Ministerium zu unterwerfen; wir haben ihm gesagt, daß der Minister Hornbostel zum Kaiser sei, dessen Befehle einzuholen, daß der Kaiser ein neues volksthümliches Ministerium zu bilden befohlen habe.</p> <p>Der Banus hat uns geantwortet, daß er keinen Hornbostel kenne, daß er keineswegs wider den Fortschritt sei, aber Ordnung herstellen müsse; (o kroatischer Fortschritt und kroatische Ordnung!) daß er darum das Aeußerste aufbieten würde. Darauf haben wir erwidert, daß alsdann auch wir das Aeußerste wagen würden. Damit entließ er uns.</p> <p>In der heutigen Sitzung ließ der Präsident ein Schreiben des Ministers vorlesen, worin derselbe dem Reichstag meldet, daß er den Kaiser, ich weiß nicht mehr wo, getroffen habe, aber sehr ungnädig von ihm aufgenommen worden sei und deßhalb sofort seine Entlassung eingereicht habe.</p> <p>Schuselka berichtete, daß der Oberkommandant angewiesen sei, sich einen Generalstab zu bilden und daß die Nationalgarden von überallher nach Wien beordert werden und an 500 von Brünn bereits eingetroffen seien, worauf Borrosch's demokratisches Fieber zum Vorschein kam und die Verräther Gleispach und Pillersdorf, welche die Frechheit haben, laut zu sagen, sie wünschten den Sieg der Kroaten, das Wort noch nahmen.</p> <p>Jellachich soll ein ganz unbeschreibliches Gesindel mit sich führen. Dasselbe umschwärmte in der Nacht die ganze Umgegend und beginnt zu morden und zu brandschatzen.</p> <p>Die Stadt ist gänzlich entvölkert. Das Militär im Schwarzenberg-Garten mordet und brandschatzt nach Herzensgelüste.</p> <p>Aus Uebermaß von Niederträchtigkeit hat der Reichstag heute noch einmal eine Deputation von Abgeordneten aus allen Provinzen, wozu natürlich die allerfeigsten und wedelndsten, wenn nicht offenbare Verräther, genommen worden sind, an das unbekannte Hoflager des Kaisers geschickt. Es circuliren hier Gerüchte über neue Unruhen in Berlin und Köln.</p> </div> <div xml:id="ar118_002" type="jArticle"> <head>Wien.</head> <p>Die A. Oest. Zeitung vom 11. Oktober stattet über die von unserm Correspondenten erwähnte Mittheilung von Pillersdorf folgenden Bericht ab:</p> <p>Pillersdorf erstattet Bericht über die Sendung der Kommission bei Auersperg. Nach langer Unterredung, worin er abermals feierlichst versicherte, daß er keine drohende Stellung angenommen, sondern zur Sicherheit seiner Truppen die Concentration bewerkstelligte. Die Kommission konnte es sich nicht verhehlen, daß den Kommandanten so wie seine Umgebung die Erbitterung beherrscht, welche der Tod des Kriegsministers hervorgebracht. Ehe er einen Beschluß der Kommission kundgeben wollte, glaubte er es für nothwendig eine Berathung mit seinem Generalstabe zu halten.</p> <p>Die Kommission hat 3 Stunden lang gewartet. Hierauf sind ihnen die Beschlüsse kund gegeben worden.</p> <p>Da der Zweck der concentrirten Aufstellung der Truppen kein anderer, als der ihrer eigenen Sicherheit ist, eine Zerstreuung von Angriffen nicht schützen werde, (antwortete der Kommandant) sei er außer Stande, dem Wunsche wegen Zurückziehung Folge zu leisten.</p> <p>Er versicherte es abermals, daß eine feindselige bedrohende Absicht seiner Stellung nicht zu Grunde liege. Er drückte es zugleich aus, daß er die größte Ordnung in der Schaffung der Lebensmittel wünsche, damit die Soldaten nicht gezwungen seien, ihre Subsistenzmittel selbst zu suchen.</p> <p>Einen Bevollmächtigten zu den obersten Organen in Wien, könne er nicht senden, da die gewöhnlichen Wege Mittheilungen zu machen, hinreichen.</p> <p>Die Kommission verhehlte ihm nicht, daß durch das feste Beharren bei der Stellung, die Stimmung der Bevölkerung nicht gehoben, sondern erst recht arg hervorgerufen wird, so daß bei dem kleinsten Conflicte ein unabsehbares Ereigniß sich gestalten könnte.</p> <p>Die Kommission hat ferner darauf hingewiesen, wie er sich durch die Stellung die Subsistenz erschwere, so wie durch das Bivouak in dieser Jahreszeit den Stand seiner Truppen erschwere. Der Kommandant blieb aber fest bei seinem frühern Beschlusse.</p> <p>Die Kommission hat die Anfrage gestellt, wie lange er in diesem Zustand zu verbleiben gedenke. Der Kommandant gab keine bestimmte Antwort, und nur gesprächsweise bemühte man sich von den Offizieren ihre Wünsche zu erfahren. Sie glauben darin eine Beruhigung zu finden, wenn Jene entwaffnet würden, die letztere Zeit Waffen erhalten und einen bedrohlichen Gebrauch befürchten lassen; wenn ferner der Presse nicht mehr Schmähungen auf das Militär möglich gemacht werden.</p> <p>Die Kommission fand sich nicht ermächtigt hierin einzugehen.</p> <p>Zum Schlusse abermals Versicherung, daß keine drohende Stellung beabsichtigt sei.</p> <p>Die Kommission machte die Bemerkung, daß der Stellung Auerspergs kein kaiserlicher Befehl zu Grunde liege. Er sagte, vom ehemaligen Minister den Befehl erhalten zu haben, und seinen Aeußerungen nach zu urtheilen werde er sie auch verlassen, wenn ein Befehl eines neuen Kriegsministers vorläge.</p> <p>Die Kommission kann nur nachdrücklichst bitten, daß die Bevölkerung keinen Angriff mache.</p> <p>Die Kommission hat auch den Kommandanden befragt wegen etwaiger Verbindung mit Jellachich. Er versicherte, daß durchaus keine bestehe, ja daß er nicht einmal über dessen letzten Aufenthalt Auskunft erhalten.</p> <p>Präsident Smolka macht die Mittheilung, daß die Aufgabe Löhners bei Sr. Makestät hauptsächlich ist, die Spaltungen zwischen Militär und Civil beizulegen.</p> <p>Pillersdorf stellt den Antrag, diesen Bericht der Bevölkerung kund zu geben, weil er gewiß beruhigen werde.</p> <p>Sieralkovski sagt, daß dieser Bericht die Bevölkerung keineswegs beruhigen, ja vielleicht noch mehr erbittern werde. Es möge, weur eine Kundmachung erfolge, zugleich ausgedrückt werden, daß der Reichstag nicht zufrieden sei, denn Auersperg habe als konstitutioneller General gefehlt, indem er der Kammer und ihrem Ausschusse nicht Folge leistet. (Bravo.) Wird in Ausarbeitung genommen.</p> </div> <div xml:id="ar118_003" type="jArticle"> <head>Wien, 11. Oktbr.</head> <p>Die heutige Nacht war gewiß die unruhigste, welche die Stadt Wien seit dem Bombardement durch Napoleon im Jahre 1809 durchlebt hat. In den Straßen sah man bis zur Helle des Tages nur bewaffnete Männer, welche theils einzeln, theils in kleinern, ungeregelten Haufen, theils in geregelten Kompagnieen und im Taktschritt schweigend und ernst einhergingen. An den Straßenecken, den öffentlichen Plätzen und vor den Kaffeehäusern standen düstere Gruppen in lebhaften Unterhaltungen oder im heftigen Zweigespräch begriffen. Dazwischen hörte man dann und wann, besonders in der Gegend der Wieden und Landstraße hin, einzelne Schüsse fallen, welche die Aufmerksamkeit Aller erregten. Hinter und auf den Barrikaden lagern noch wie gestern um Wachtfeuer bewaffnete Blousenmänner, zwischen denen einzelne Weiber und Mädchen, von nicht sehr respektablem Aeußern, theils schlafend auf Steinhaufen ruhen, theils lachend und lärmend sich herumtreiben. Besonders lebhaft aber sah es auf den Wällen und Bastionen der Stadt aus. Wachtfeuer reihte sich an Wachtfeuer, alle umlagert von Legionären in ihren Kalabresern, von Arbeitern in Hemdsärmeln, Blousen und von Nationalgarden aller Gattungen. Ueber den Thoren stehen Kanonen, welche die Zugänge der Stadt bestreichen, mit brennenden Lunten, von der Bürgerartillerie, von einzeln übergetretenen Soldaten, von Studenten oder Arbeitern bedient. Daneben lagern ganze Kompagnien buntgemischter Bewaffneten, deren Patrouillen bald mit der Muskete oder Büchse, bald mit dem Karabiner oder Pike in der Hand auf- und abwandeln und den Wachtdienst versehen. Es mochten im Ganzen in dieser Weise auf den Wällen 8-10,000 Mann vertheilt liegen.</p> <p>Unterdeß blieben der Reichstag, der Gemeinderath, das Central-Comite des demokratischen Vereins, das Universitäts-Comite und das Oberkommando der Nationalgarde in Permanenz. Die Aufmerksamkeit Aller ist auf zwei Centralpunkte gerichtet: auf das Lager des Militärs im Schwarzenbergischen Garten, von wo aus man einen Angriff oder eine Ueberrumpelung der Stadt fürchtet, und auf Jelachich mit seinem Heere oder vielmehr mit seinen zerstreuten Schaaren. In Bezug auf beide gingen und gehen noch die widersprechendsten Gerüchte.</p> <p>Was die versammelte Truppenmacht im Lager zwischen der Wieden und Landstraße betrifft, so hat sich die Zahl der vereinigten Truppenmassen durch Herbeiziehen aller Truppenkörper aus der Nachbarschaft der Stadt noch bedeutend vermehrt. Nach ganz glaubwürdigen Nachrichten liegen folgende Abtheilungen in dem Lager vereinigt:</p> <p>3 Bataillone vom Regiment Nassau, polnischer Nationalität;<lb/> 2 Bataillone vom Regiment Bianci, polnischer Nationalität;<lb/> 2 Bataillone vom Regiment Khevenhüller, czechischer Nationalität; 2 Bataillone vom Regiment Baumgarten, czechischer Nationalität; 1 Bataillon vom Regiment Stephan, Gallizier; 1 Bataillon vom Regiment Prinz Leopold, Böhmen; 1 Bataillon Grenadiere, deutsch und böhmisch; 9 Kompagnieen Pioniere, dieselben, welche am Graben gefochten; 1 Division Mineurs und Sappeurs; 2 volle Regimenter Kavallerie; 6 Batterieen Kanonen (kleine Haubitzen und gröberes Geschütz); 1 Bataillon Jäger, welches erst heute Nacht von der Begleitung des Kaisers zurück über Schönbrunn hinzugerückt ist.</p> <p>Die Stellung dieser Truppenmacht, welche sich auf 15-20,000 Mann belaufen mag, ist eine für den Angriff vollkommen sichere, weshalb alle hitzigen Pläne eines augenblicklichen Angriffes durch Artillerie aus dem Zeughause, durch Studenten und Nationalgarde nur die Mißbilligung jedes Kriegskundigen erfahren wird. Jedoch ist die Stellung andererseits auf die Dauer eine ganz unhaltbare. Das Militär liegt eingepfercht zwischen den hohen Mauern des Schwarzenbergischen Gartens und der Umgebung des Belvedere, ist abgeschnitten von der Stadt und umgeben von feindlichen Vorstädten, und muß bei dem nächsten eintretenden Regenwetter, (wie solches jetzt, 4 Uhr Nachmittags, wirklich eingetreten ist) desorganisirt werden. Die Vorposten des Lagers erstrecken sich schon bis zur Karlskirche und auf der andern Seite bis zur Matzleinsdorfer Linie. Auf der Wieden sind von Seiten dieser Vorposten und einzelner Patrouillen die schändlichsten Exzesse begangen; schon gestern Abend waren sechs Fälle angemeldet, daß ruhig vorübergehende, theils bewaffnete, theils unbewaffnete Bürger und Studenten von den Wachtposten und einzelnen Soldaten erschossen waren. Heute Morgen zog man aus dem Kanal an der Wieden mehrere Leichen, welche vielfach verwundet, verstümmelt und großentheils nackt, also rein ausgeplündert waren. Der Reichstag schickte Parlamentäre über Parlamentäre zum General Auersperg, welcher jedoch stets ausweichende Antworten gab und behauptete, theils die Thatsachen nicht zu kennen, theils unmöglich für die Handlungen einzelner Soldaten unter den obwaltenden Umständen verantwortlich sein zu können. Man sieht hieraus schon, daß eine gewisse Demoralisation einzutreten begonnen hat. Auch hören wir, daß die Soldaten ‒ Offiziere sowohl als Gemeine ‒ mit dem General Auersperg und seinem Benehmen unzufrieden und aller Blicke auf den Fürsten Felix Schwarzenberg gerichtet sind. Was nun in Bezug auf diese Truppenmacht die öffentliche Meinung in der Stadt betrifft, so wollen die Entschlossenen einen Angriff à tout prix, damit dieselbe nicht durch stets wachsenden Zuzug vermehrt werde; die Mäßigeren dagegen wollen blos eine defensive Haltung, militärisch Gebildete eine Besetzung des Wiener Berges im Rücken des Lagers ‒ der Reichstag und der Sicherheitsausschuß desselben Unterhandlung. Es ist offenbar, daß die jetzige Lage nicht lange dauern kann und darf.</p> <p>Die zweite wichtige Frage, welche alle Gemüther beschäftigt, ist Jellachich. Schon gestern war er, wie gemeldet, mit 2000 Mann in Schwandorf eingerückt. Es ist das nur 3-4 Meilen von Wien. Der Reichstag schickte den Deputirten Prado als Parlamentär zu ihm, um ihn zu befragen, in welcher Absicht er sich Wien nähere. Der Deputirte fand den Ban wirklich bei Schwandorf, übergab ihm den Brief des Reichstages, welchen Jellachich mit ruhiger Aufmerksamkeit durchlas, und erhielt die Antwort, daß er sich keineswegs in feindlicher Absicht der Hauptstadt nahe, sondern daß seine Absicht sei, „den Kaiser zu schützen und dessen Befehle zu empfangen.“ Der Reichstagsdeputirte berichtete zu gleicher Zeit, daß die Truppen des Ban, höchstens 2000 Mann stark, im erbärmlichsten Zustande, aus allen Truppenkörpern gemischt und fast ganz ohne Montur seien. Heute Morgen hat der Reichstag einen neuen Kurrier abgeschickt, welcher gegen 7 Uhr Abends zurück sein wird, und in gemessensten Worten die Aufforderung dem Ban überbringt: Entweder zu erklären, daß er flüchtig und friedlich die Gränzen überschritten und dann augenblicklich seinen Rückzug über und durch Steyermark anzutreten habe, oder daß er sich als Feind behandelt sehen werde. Von der Antwort hängt es ab, ob der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0589/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 118. Köln, Dienstag den 17. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (11. Okt.: Noch nichts Entschiedenes. ‒ Abendsitzung des Reichstags vom 10. Oktober. ‒ Pillersdorfs Bericht. ‒ Protest des Vereins der Deutschen in Oesterreich. ‒ Proklamationen. ‒ Die A. Oest. Z. über Auersperg's Stellung. ‒ Der Wiener Privattelegraph vom 11. Oktober. ‒ 12. Okt.: Jellachich flieht. ‒ Auersperg dankt ab). Prag. (Erklärung der czechischen Reichstagsdeputirten. ‒ Kundmachung Macsury's. ‒ Strobach. ‒ Intriguen gegen Borrosch. Nachrichten über Jellachich und Auersperg's Stellung). Frankfurt. (National-Versammlung. ‒ Erklärung böhmischer Deputirten. ‒ Deputation nach Wien). Düsseldorf. (Die Arbeiter und der Stadtverordnete Dietze). Berlin. (National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. ‒ Königliches. ‒ Reuter). Breslau. (Die Frankfurter National-Versammlung ‒ Thätigkeit der demokratischen Partei.) Mannheim. (Verhaftungen. ‒ Freisprechung der Mannh. A.-Z) Alzei. (Verurtheilung der „Neuen Zeit.“) Sigmaringen. (Restauration). Heidelberg. (Intriguen des Reichsministeriums.
Ungarn. Pesth. (Kossuth's Rückkehr. ‒ Vermischtes).
Donaufürstenthümer. Czernowitz. (Die Russen in der Wallachei).
Jassy. (General Lüder's Proklamation). Buckarest. (Die Türken in der Wallachei. Manifest Fuad Effendi's).
Italien. Florenz. (Unruhen). Turin. (Truppenbewegungen).
Belgien. Brüssel. (Die Independance).
Franz. Republik. Paris. (Journalschau. ‒ National-Versammlung vom 13. und 14. Oktober. ‒ Vermischtes).
Großbritannien. London. (Stand der Parteien). Irland. (Mc. Manus schuldig).
Handelsnachrichten.
Deutschland. 61 Wien, 11. Okt. Ich kann Ihnen von keinem Kampf berichten, denn es hat noch kein Kampf stattgefunden. ‒ In der Nacht wurde alarmirt, die ganze Stadt nebst Vorstädten waren erleuchtet und man durfte hoffen, daß es endlich zur Entscheidung komme. Aber nein, blose Wachsamkeit. Bei der Erbärmlichkeit, mit welcher sich der Reichstag, als Leiter der Bewegung, benimmt, steht von ihm wahrscheinlich auch wenig Energisches zu hoffen, bis das Volk die Geduld gänzlich verloren haben und sich selber helfen wird. Die Schirmung unserer Freiheit vertraut dieser Reichstag gerade den nichtswürdigsten Subjekten an, einem Krauß, Pillersdorf, Gleispach u. s. w. Menschen, die nichts inniger wollen, als eine anstandlose Uebergabe an die vereinten Räuberhordanführer Jellachich und Auersperg, die daher auf die unverschämteste Weise immer nur zu vermitteln suchen. Von einem Reichstag, der seiner Kapazität nach in der Mehrheit auf radikalen Unfähigkeiten, feigen Lümmeln und adelig-büreaukratischem Gesindel besteht, ist allerdings gar nichts zu erwarten und das Volk würde wol thun, ihn zugleich mit Auersperg und Jellachich zu beseitigen. Wäre nur das Volk selbst einigermaßen gut geführt.
Aus der gestern Abend um 6 1/4 Uhr fortgesetzten Sitzung des Reichstags habe ich blos folgendes nachzutragen:
Krauß meldet, daß Hornbostel den Kaiser nicht angetroffen habe und wahrscheinlich weiter gereist sei und daß er den Abgeordneten Löhner mit einem Vorschlag zur Beilegung der Mißverhältnisse an den Kaiser gesendet.
Pillersdorf, dessen bloses Dasein und Dulden im Reichstag diesen schon hinlänglich charakterisirt, ist jetzt zum Wort- und Deputationshelden des Tags geworden. Er kommt mit Borrosch und Sobnicki soeben aus dem Lager Auersperg's und erzählt mit weitläufigem Vermittlungsqualm, den Ihnen die Wiener Zeitung in extenso mittheilen wird, daß der Deputation die Zufriedenstellung des zürnenden Fra Diavolo Auersperg nicht gelungen sei; derselbe habe nach einem Kriegsrathe vielmehr bei seiner frühern Bescheidung beharrt, nebenbei sich über die Pressen, die Beseitigung Latour's und dergleichen beschwert und Auflösung der Garde, Legion und Vereine verlangt. Borrosch wurde dabei von den Offizieren gröblich beleidigt, indem dieselbe zornerfüllte Blicke auf ihn warfen und sich dahin laut äußerten, daß er nach dem heuchlerischen Schutz, den er Latour angeblich habe zukommen lassen, um ihn der gerechten Rache des Volks zu entziehen, im Triumph zu Pferde durch die Stadt geritten sei. Borrosch war heute halb todt über dies militärische Kompliment.
Um 8 1/4 Uhr war die abermals an Jellachich abgeschickte Deputation ebenfalls zurückgekehrt; Abgeordneter Prato las darauf folgendes Schreiben dieses „großen“ Feldherrn vor:
„Die Gründe, welche mich veranlassen, den Marsch der mir untergeordneten Truppen hieher zu richten, sind die Pflichten, die mir als Staatsdiener und als Militär obliegen. Als Staatsdiener habe ich der Anarchie zu steuern, als Militär gibt mir der Donner des Geschützes die Marschroute. Ich will die Gesammtmonarchie retten und dem Kaiser die Treue bewahren; darum ist meine Wahl, welchen Verfügungen ich zu gehorchen habe, nicht schwer. Die Verpflegung meiner Truppen geschieht nicht auf Kosten der Bevölkerung; wenn das ungarische Heer mich auf österreichisches Gebiet verfolgt, so werde ich zu antworten wissen. Ich kenne blos k. k. Truppen, denen anzugehören ich die Ehre habe. (Bescheidenes Zischen.) Werde ich angegriffen, so werde ich Gewalt mit Gewalt vertreiben.
Hauptquartier Rothneusiedel, 10. Oktober 1848.
Jellachich, Banus.“
Bilinski (einer aus der Deputation). Wir haben den Banus vergeblich aufgefordert, sich dem österreichischen Ministerium zu unterwerfen; wir haben ihm gesagt, daß der Minister Hornbostel zum Kaiser sei, dessen Befehle einzuholen, daß der Kaiser ein neues volksthümliches Ministerium zu bilden befohlen habe.
Der Banus hat uns geantwortet, daß er keinen Hornbostel kenne, daß er keineswegs wider den Fortschritt sei, aber Ordnung herstellen müsse; (o kroatischer Fortschritt und kroatische Ordnung!) daß er darum das Aeußerste aufbieten würde. Darauf haben wir erwidert, daß alsdann auch wir das Aeußerste wagen würden. Damit entließ er uns.
In der heutigen Sitzung ließ der Präsident ein Schreiben des Ministers vorlesen, worin derselbe dem Reichstag meldet, daß er den Kaiser, ich weiß nicht mehr wo, getroffen habe, aber sehr ungnädig von ihm aufgenommen worden sei und deßhalb sofort seine Entlassung eingereicht habe.
Schuselka berichtete, daß der Oberkommandant angewiesen sei, sich einen Generalstab zu bilden und daß die Nationalgarden von überallher nach Wien beordert werden und an 500 von Brünn bereits eingetroffen seien, worauf Borrosch's demokratisches Fieber zum Vorschein kam und die Verräther Gleispach und Pillersdorf, welche die Frechheit haben, laut zu sagen, sie wünschten den Sieg der Kroaten, das Wort noch nahmen.
Jellachich soll ein ganz unbeschreibliches Gesindel mit sich führen. Dasselbe umschwärmte in der Nacht die ganze Umgegend und beginnt zu morden und zu brandschatzen.
Die Stadt ist gänzlich entvölkert. Das Militär im Schwarzenberg-Garten mordet und brandschatzt nach Herzensgelüste.
Aus Uebermaß von Niederträchtigkeit hat der Reichstag heute noch einmal eine Deputation von Abgeordneten aus allen Provinzen, wozu natürlich die allerfeigsten und wedelndsten, wenn nicht offenbare Verräther, genommen worden sind, an das unbekannte Hoflager des Kaisers geschickt. Es circuliren hier Gerüchte über neue Unruhen in Berlin und Köln.
Wien. Die A. Oest. Zeitung vom 11. Oktober stattet über die von unserm Correspondenten erwähnte Mittheilung von Pillersdorf folgenden Bericht ab:
Pillersdorf erstattet Bericht über die Sendung der Kommission bei Auersperg. Nach langer Unterredung, worin er abermals feierlichst versicherte, daß er keine drohende Stellung angenommen, sondern zur Sicherheit seiner Truppen die Concentration bewerkstelligte. Die Kommission konnte es sich nicht verhehlen, daß den Kommandanten so wie seine Umgebung die Erbitterung beherrscht, welche der Tod des Kriegsministers hervorgebracht. Ehe er einen Beschluß der Kommission kundgeben wollte, glaubte er es für nothwendig eine Berathung mit seinem Generalstabe zu halten.
Die Kommission hat 3 Stunden lang gewartet. Hierauf sind ihnen die Beschlüsse kund gegeben worden.
Da der Zweck der concentrirten Aufstellung der Truppen kein anderer, als der ihrer eigenen Sicherheit ist, eine Zerstreuung von Angriffen nicht schützen werde, (antwortete der Kommandant) sei er außer Stande, dem Wunsche wegen Zurückziehung Folge zu leisten.
Er versicherte es abermals, daß eine feindselige bedrohende Absicht seiner Stellung nicht zu Grunde liege. Er drückte es zugleich aus, daß er die größte Ordnung in der Schaffung der Lebensmittel wünsche, damit die Soldaten nicht gezwungen seien, ihre Subsistenzmittel selbst zu suchen.
Einen Bevollmächtigten zu den obersten Organen in Wien, könne er nicht senden, da die gewöhnlichen Wege Mittheilungen zu machen, hinreichen.
Die Kommission verhehlte ihm nicht, daß durch das feste Beharren bei der Stellung, die Stimmung der Bevölkerung nicht gehoben, sondern erst recht arg hervorgerufen wird, so daß bei dem kleinsten Conflicte ein unabsehbares Ereigniß sich gestalten könnte.
Die Kommission hat ferner darauf hingewiesen, wie er sich durch die Stellung die Subsistenz erschwere, so wie durch das Bivouak in dieser Jahreszeit den Stand seiner Truppen erschwere. Der Kommandant blieb aber fest bei seinem frühern Beschlusse.
Die Kommission hat die Anfrage gestellt, wie lange er in diesem Zustand zu verbleiben gedenke. Der Kommandant gab keine bestimmte Antwort, und nur gesprächsweise bemühte man sich von den Offizieren ihre Wünsche zu erfahren. Sie glauben darin eine Beruhigung zu finden, wenn Jene entwaffnet würden, die letztere Zeit Waffen erhalten und einen bedrohlichen Gebrauch befürchten lassen; wenn ferner der Presse nicht mehr Schmähungen auf das Militär möglich gemacht werden.
Die Kommission fand sich nicht ermächtigt hierin einzugehen.
Zum Schlusse abermals Versicherung, daß keine drohende Stellung beabsichtigt sei.
Die Kommission machte die Bemerkung, daß der Stellung Auerspergs kein kaiserlicher Befehl zu Grunde liege. Er sagte, vom ehemaligen Minister den Befehl erhalten zu haben, und seinen Aeußerungen nach zu urtheilen werde er sie auch verlassen, wenn ein Befehl eines neuen Kriegsministers vorläge.
Die Kommission kann nur nachdrücklichst bitten, daß die Bevölkerung keinen Angriff mache.
Die Kommission hat auch den Kommandanden befragt wegen etwaiger Verbindung mit Jellachich. Er versicherte, daß durchaus keine bestehe, ja daß er nicht einmal über dessen letzten Aufenthalt Auskunft erhalten.
Präsident Smolka macht die Mittheilung, daß die Aufgabe Löhners bei Sr. Makestät hauptsächlich ist, die Spaltungen zwischen Militär und Civil beizulegen.
Pillersdorf stellt den Antrag, diesen Bericht der Bevölkerung kund zu geben, weil er gewiß beruhigen werde.
Sieralkovski sagt, daß dieser Bericht die Bevölkerung keineswegs beruhigen, ja vielleicht noch mehr erbittern werde. Es möge, weur eine Kundmachung erfolge, zugleich ausgedrückt werden, daß der Reichstag nicht zufrieden sei, denn Auersperg habe als konstitutioneller General gefehlt, indem er der Kammer und ihrem Ausschusse nicht Folge leistet. (Bravo.) Wird in Ausarbeitung genommen.
Wien, 11. Oktbr. Die heutige Nacht war gewiß die unruhigste, welche die Stadt Wien seit dem Bombardement durch Napoleon im Jahre 1809 durchlebt hat. In den Straßen sah man bis zur Helle des Tages nur bewaffnete Männer, welche theils einzeln, theils in kleinern, ungeregelten Haufen, theils in geregelten Kompagnieen und im Taktschritt schweigend und ernst einhergingen. An den Straßenecken, den öffentlichen Plätzen und vor den Kaffeehäusern standen düstere Gruppen in lebhaften Unterhaltungen oder im heftigen Zweigespräch begriffen. Dazwischen hörte man dann und wann, besonders in der Gegend der Wieden und Landstraße hin, einzelne Schüsse fallen, welche die Aufmerksamkeit Aller erregten. Hinter und auf den Barrikaden lagern noch wie gestern um Wachtfeuer bewaffnete Blousenmänner, zwischen denen einzelne Weiber und Mädchen, von nicht sehr respektablem Aeußern, theils schlafend auf Steinhaufen ruhen, theils lachend und lärmend sich herumtreiben. Besonders lebhaft aber sah es auf den Wällen und Bastionen der Stadt aus. Wachtfeuer reihte sich an Wachtfeuer, alle umlagert von Legionären in ihren Kalabresern, von Arbeitern in Hemdsärmeln, Blousen und von Nationalgarden aller Gattungen. Ueber den Thoren stehen Kanonen, welche die Zugänge der Stadt bestreichen, mit brennenden Lunten, von der Bürgerartillerie, von einzeln übergetretenen Soldaten, von Studenten oder Arbeitern bedient. Daneben lagern ganze Kompagnien buntgemischter Bewaffneten, deren Patrouillen bald mit der Muskete oder Büchse, bald mit dem Karabiner oder Pike in der Hand auf- und abwandeln und den Wachtdienst versehen. Es mochten im Ganzen in dieser Weise auf den Wällen 8-10,000 Mann vertheilt liegen.
Unterdeß blieben der Reichstag, der Gemeinderath, das Central-Comite des demokratischen Vereins, das Universitäts-Comite und das Oberkommando der Nationalgarde in Permanenz. Die Aufmerksamkeit Aller ist auf zwei Centralpunkte gerichtet: auf das Lager des Militärs im Schwarzenbergischen Garten, von wo aus man einen Angriff oder eine Ueberrumpelung der Stadt fürchtet, und auf Jelachich mit seinem Heere oder vielmehr mit seinen zerstreuten Schaaren. In Bezug auf beide gingen und gehen noch die widersprechendsten Gerüchte.
Was die versammelte Truppenmacht im Lager zwischen der Wieden und Landstraße betrifft, so hat sich die Zahl der vereinigten Truppenmassen durch Herbeiziehen aller Truppenkörper aus der Nachbarschaft der Stadt noch bedeutend vermehrt. Nach ganz glaubwürdigen Nachrichten liegen folgende Abtheilungen in dem Lager vereinigt:
3 Bataillone vom Regiment Nassau, polnischer Nationalität;
2 Bataillone vom Regiment Bianci, polnischer Nationalität;
2 Bataillone vom Regiment Khevenhüller, czechischer Nationalität; 2 Bataillone vom Regiment Baumgarten, czechischer Nationalität; 1 Bataillon vom Regiment Stephan, Gallizier; 1 Bataillon vom Regiment Prinz Leopold, Böhmen; 1 Bataillon Grenadiere, deutsch und böhmisch; 9 Kompagnieen Pioniere, dieselben, welche am Graben gefochten; 1 Division Mineurs und Sappeurs; 2 volle Regimenter Kavallerie; 6 Batterieen Kanonen (kleine Haubitzen und gröberes Geschütz); 1 Bataillon Jäger, welches erst heute Nacht von der Begleitung des Kaisers zurück über Schönbrunn hinzugerückt ist.
Die Stellung dieser Truppenmacht, welche sich auf 15-20,000 Mann belaufen mag, ist eine für den Angriff vollkommen sichere, weshalb alle hitzigen Pläne eines augenblicklichen Angriffes durch Artillerie aus dem Zeughause, durch Studenten und Nationalgarde nur die Mißbilligung jedes Kriegskundigen erfahren wird. Jedoch ist die Stellung andererseits auf die Dauer eine ganz unhaltbare. Das Militär liegt eingepfercht zwischen den hohen Mauern des Schwarzenbergischen Gartens und der Umgebung des Belvedere, ist abgeschnitten von der Stadt und umgeben von feindlichen Vorstädten, und muß bei dem nächsten eintretenden Regenwetter, (wie solches jetzt, 4 Uhr Nachmittags, wirklich eingetreten ist) desorganisirt werden. Die Vorposten des Lagers erstrecken sich schon bis zur Karlskirche und auf der andern Seite bis zur Matzleinsdorfer Linie. Auf der Wieden sind von Seiten dieser Vorposten und einzelner Patrouillen die schändlichsten Exzesse begangen; schon gestern Abend waren sechs Fälle angemeldet, daß ruhig vorübergehende, theils bewaffnete, theils unbewaffnete Bürger und Studenten von den Wachtposten und einzelnen Soldaten erschossen waren. Heute Morgen zog man aus dem Kanal an der Wieden mehrere Leichen, welche vielfach verwundet, verstümmelt und großentheils nackt, also rein ausgeplündert waren. Der Reichstag schickte Parlamentäre über Parlamentäre zum General Auersperg, welcher jedoch stets ausweichende Antworten gab und behauptete, theils die Thatsachen nicht zu kennen, theils unmöglich für die Handlungen einzelner Soldaten unter den obwaltenden Umständen verantwortlich sein zu können. Man sieht hieraus schon, daß eine gewisse Demoralisation einzutreten begonnen hat. Auch hören wir, daß die Soldaten ‒ Offiziere sowohl als Gemeine ‒ mit dem General Auersperg und seinem Benehmen unzufrieden und aller Blicke auf den Fürsten Felix Schwarzenberg gerichtet sind. Was nun in Bezug auf diese Truppenmacht die öffentliche Meinung in der Stadt betrifft, so wollen die Entschlossenen einen Angriff à tout prix, damit dieselbe nicht durch stets wachsenden Zuzug vermehrt werde; die Mäßigeren dagegen wollen blos eine defensive Haltung, militärisch Gebildete eine Besetzung des Wiener Berges im Rücken des Lagers ‒ der Reichstag und der Sicherheitsausschuß desselben Unterhandlung. Es ist offenbar, daß die jetzige Lage nicht lange dauern kann und darf.
Die zweite wichtige Frage, welche alle Gemüther beschäftigt, ist Jellachich. Schon gestern war er, wie gemeldet, mit 2000 Mann in Schwandorf eingerückt. Es ist das nur 3-4 Meilen von Wien. Der Reichstag schickte den Deputirten Prado als Parlamentär zu ihm, um ihn zu befragen, in welcher Absicht er sich Wien nähere. Der Deputirte fand den Ban wirklich bei Schwandorf, übergab ihm den Brief des Reichstages, welchen Jellachich mit ruhiger Aufmerksamkeit durchlas, und erhielt die Antwort, daß er sich keineswegs in feindlicher Absicht der Hauptstadt nahe, sondern daß seine Absicht sei, „den Kaiser zu schützen und dessen Befehle zu empfangen.“ Der Reichstagsdeputirte berichtete zu gleicher Zeit, daß die Truppen des Ban, höchstens 2000 Mann stark, im erbärmlichsten Zustande, aus allen Truppenkörpern gemischt und fast ganz ohne Montur seien. Heute Morgen hat der Reichstag einen neuen Kurrier abgeschickt, welcher gegen 7 Uhr Abends zurück sein wird, und in gemessensten Worten die Aufforderung dem Ban überbringt: Entweder zu erklären, daß er flüchtig und friedlich die Gränzen überschritten und dann augenblicklich seinen Rückzug über und durch Steyermark anzutreten habe, oder daß er sich als Feind behandelt sehen werde. Von der Antwort hängt es ab, ob der
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