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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 118. Köln, 16. Oktober 1848.

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daß das konstitutionell-monarchische Prinzip in den Staaten Deutschlands immer gewahrt werden soll? Und mit welchem Recht das Reichsministerium eine solche Erklärung abgeben könne?

Simon aus Trier interpellirt in Betreff der Wahl von Würth in Hohenzollern-Siegmaringen zur National-Versammlung. Diese Wahl sei fast mit Stimmenmehrheit geschehen, aber noch nicht vollzogen (Bravo!)

Jahn (furchtbares Gelächter) interpellirt das Reichsministerium (hört!), ob es Kunde habe von einer ungeheuren geheimen und entsetzlichen Demokratenverschwörung und beabsichtigten großen Meuterei und Mezelei, welche in Berlin in diesen Tagen zur Ausführung kommen soll? (Ungeheure Heiterkeit Bravo links. Schmerling lacht).

Präsident: Das Reichsministerium wird alle Interpellationen bis Montag beantworten.

Schmerling antwortet auf eine Interpellation Beda-Webers wegen der Trennungsverhältnisse von Welsch- und Deutsch-Tyrol. Es lasse sich voraussetzen, daß das österreichische Ministerium die von der Reichsversammlung Betreffs Tyrol gefaßten Beschlüsse aufrecht erhalten werde.

Weber behält sich einen Antrag vor.

Jordan aus Berlin hält es für gut, den Mord von Auerswald und Lichnowsky der Versammlung abermals ins Gedächtniß zu rufen, indem er die Verlesung der beiden durch die Zeitung längst bekannten Adressen der Wahlmänner jener beiden Abgeordneten an die National-Versammlung beantragt.

Dieser Antrag wird mit Ausnahme weniger Mitglieder von der Versammlung angenommen.

Der Präsident Gagern selbst verliest die Adessen. Sie werden mit tiefer Stille angehört.

Benedey beantragt dringlich:

"Das Reichsministerium solle auf jede Weise den Wiener Reichstag in Schutz nehmen und die deutschen Truppen erforderlichen Falls zur Verfügung des Reichseags stellen." (Bravo links.)

Hierzu wird ein Zusatzantrag eingegeben, welcher eine Kommisson von 15 Abgeordneten verlangt zur Prüfung aller bezüglich Oesterreich eingehender Anträge.

Diese beiden Anträge bleiben vorläufig unberührt, weil auf die Frage des Präsidenten, obwohl mit sehr zweifelhafter Majorität, beschlossen wird, zur Tagesordnung überzugehen.

Tagesordnung. 11 Uhr. Simson präsidirt.

Ueber den Punkt 1 derselben (s. oben) sprechen Beseler, Mölling, M. Mohl (dieser unter Schlußruf) alle drei ohne Theilnahme

Rauwerk: (Schluß.) Man solle bei den Grundrechten bleiben, nicht zu etwas anderm z. B. zur Berathung des Verfassungsentwurfs übergehen. Die Grundrechte möchten uterdessen versauern. (Murren. Bravo!) Empfiehlt Schoders Antrag. Das deutsche Volk möchte vielleicht einmal einen "kühnen Mißgriff" thun. (Bravo links und Centren).

Plathner stimmt mit Schoder theilweise überein. Erklärt sich gegen v. Trützschlers Antrag. Ein energisches Mittel zur Verkürzung der Berathungen müsse gefunden werden. Aber er hofft, man wird dem deutschen Volke seine Grundrechte bald bieten können, ohne (wie Hr. Rauwerk meint) daß das deutsche Volk nöthig haben wird, nochmals einen kühnen Griff zu thun. (Links höhnisch Bravo).

Graf Wartensleben glaubt, sein Antrag spreche genügend für sich selber etc.

Waiz: Die dem Verfassungsausschuß gemachten Vorwürfe der zu geringen Thätigkeit habe derselbe nicht verdient. (Schluß!)

Der Schluß der Debatte wird angenommen und es sprechen noch die Antragsteller Schoder und v. Trützschler.

Hierauf gibt Herr Vicepräsident Simson noch allen Antragstellern aus eigener Machtvollkommenkenheit gegen die Geschäftsordnung das Wort und will sogar zuletzt noch Hrn. Beseler das Wort geben, weil derselbe (aber viel zu spät) im Namen der Majorität des Verfassungsausschusses zu Schoders und v. Trützschlers Antrag, vier Anträge hinterdrein gestellt hat. Hierdurch erhebt sich eine lange, heftige und parteigehässige Debatte und Tumult. Endlich wird Hrn. Beseler, obschon mit schwacher Majorität, das Wort nicht gegeben. (Bravo links und Gallerien.) Es erfolgt daher, nach einer längeren Debatte über die Fragestellung, die Abstimmung.

Abstimmung.

Ein Antrag des Verfassungsausschusses.

"Den noch nicht berathenen Theil der Grundrechte vorläufig zurückzustellen, damit die Abschnitte über Reich und Reichsgewalt unverzüglich zur Berathung kommen können" wird mit schwacher Majorität angenommen.

Ein Antrag von Schoder:

Die Nationalversammlung wolle ihren Willen dahin aussprechen: "daß der Verfassungsausschusses sogleich die gefaßten Beschlüsse über die Grundrechte zusammenstelle und die Zusammenstellung so zeitig drucken lasse, daß die zweite Berathung und Abstimmung so schleunig als möglich beginnen könne", wird bei Zählung mit 184 Stimmen gegen 170 Stimmen abgelehnt.

Ein Antrag des Verfassungsausschusses:

"Den Theil der Grundrechte, welcher nach Schoders genehmigten Antrag nach der zweiten Lesung herausgegeben werden soll, zu schleuniger Revision (!) behufs der zweiten Lesung an den Verfassungsausschuß zurückzugeben", wird mit schwacher Majorität angenommen.

von Trützschlers Anträge:

"Wir beantragen daß bei der zweiten Berathung der Grundrechte folgende Bestimmungen beobachtet werden:

1) Es wird kein Amendement zugelassen, welches nicht von wenigstens 50 Abgeordneten unterschrieben ist.

2) Zur Begründung eines von wenigstens 50 Abgeordneten gestellten Amendements wird einem Redner, den die Unterzeichner erwählen, das Wort gegeben.

3) Nach Beendigung der Rede desselben wird die Frage, ob Discussion verlangt werde, gestellt.

4) Wenn wenigstens 100 Abgeordnete die Discussion verlangen, so wird dieselbe eröffnet, und zwischen den Rednern für und gegen das Amendement abgewechselt, in der Weise, daß ein Redner gegen das Amendement beginnt.

5) Zuletzt erhält der Berichterstatter des Ausschusses das Wort, und zwar in jedem Falle, mag die Discussion beschlossen sein oder nicht," werden verworfen.

Angenommen wird ein Antrag des Verfassungsaasschusses: "für den vorliegenden Theil des Verfassungsentwurfs eine zweite Lesung ebenfalls festzusetzen, und drei wöchentliche Sitzungen für die Berathung der Verfassung (beginnend mit nächstem Montag) zu bestimmen, die übrige Zeit den Grundrechten zu widmen."

Hierauf werden die Wahlzettel zu den Ersatzwahlen ad 9 der Tagesordnung eingesammelt.

Punkt 2 der Tagesordnung (S. oben)

wird durch Annahme des Antrags: "Die hohe Nationalversammlung wolle sämmtliche (unten) angegebene Eingaben ohne weitere Beschlußfassung ad acta nehmen", erledigt.

Punkt 3 der Tagesordnung (S. oben).

Schoder (mit der Uhr in der Hand): "Meine Herren, es ist 1/2 2 Uhr, (Gelächter) man wird diesen vorliegenden Punkt nicht mehr genügend erörtern, ich bitte ihn auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen."

Dies wird verworfen. - Die Diskussion beginnt mit Schoder.

Schoders Antrag lautet:

"Die Nationalversammlung wolle ihre feste und unumwundene Ueberzeugung dahin aussprechen, daß in denjenigen Ländern, wo die Leistungen des Staats für den Regenten und seine Familie (Civilliste, Nadel- und Sustentationsgelder, Apanagen u. s. w.) nicht in richtigem Verhältnisse mit den Kräften des Volkes stehen, eine gleichbaldige Verzichtleistung des Regenten und der betreffenden Angehörigen seiner Familie auf einen entsprechenden Theil der ihnen nach den bis jetzt bestehenden Gesetzen aus der Staatskasse zu leistenden Gelder dringend nothwendig sei.

Der Ausschuß hat über diesen Antrag einfache Tagesordnung beantragt. Schoder findet, daß dieser Antrag mit etwas Leichtigkeit und Oberflächlichkeit gefaßt sei. - Schoder spricht von dem sogenannten republikanischen Rechenexempel; welches die den Fürsten seit 33 Jahren gespendeten Millionen mit der Einfachheit einer republikanischen Verfassung vergleicht. Machen Sie es nicht so wie der Bundestag, der sich competent erklärte für die Rechte der Fürsten und Verbindlichkeiten der Völker, aber incompetent für die Verbindlichkeiten der Fürsten und Rechte der Völker. (Lauter Beifall).

Remer (Stuttgart) für den Antrag des Ausschusses, welcher es unpassend gefunden, einen solchen Wunsch wie Schoders Antrag enthält, den Fürsten gegenüber auszusprechen. - Für die Mediatisirung der kleinern Fürsten. (Bravo).

Vischer (Tübingen) hält einen metaphorischen Vortrag für Verminderung der Civillisten. Zweierlei Heilmethoden sind für den Unwillen des Volkes denkbar. Die eine ist die Chirurgisch, d.h. die mit Kartätschen und Kanonen, und diese ist jetzt beliebt. - Ich halte nur die homöopathische Heilmethode hier für anwendbar. (Bravo). Schluß! Vertagung! - Tumult! Der Schluß der Debatte wird abgelehnt. Die Vertagung dito.

Michelsen: für den Antrag auf Tagesordnung (erregt großes Mißfallen links!)

Mittlerweile geht ein Antrag von Nauwerk ein, welcher geoße Heiterkeit erregt, weil er die Civillisten der Fürsten nach dem bürgerlichen Maß herabsetzen will.

Michelsen's Rede erregt mißbilligende Aeußerungen links.

Schaffrath vom Platz: "Der Redner ist nicht bei der Sache!"

Schlöffel vom Platz widerspricht einigen falschen Insinuationen des Redners.

Präsident ruft Schlöffel zur Ordnung

Schlöffel bemerkt etwas.

Präsident nennt Schlöffels Betragen "unschicklich!"

Gottschalk widerlegt den vorigen Redner aus Erfahrung. Man habe dem Volk noch keine Erleichterungen gebracht bis jetzt. (Sehr wahr! links). Wir müssen zuförderst dahin blicken, wo verschwendet wird, auf die großen Civillisten. Im Namen der Ruhe, Freiheit und Einheit des Vaterlandes fordere ich Sie auf, fassen Sie einen andern Beschluß als der Ausschuß beantragt. - Der Bericht soll nochmals an den Ausschuß zu näherer Prüfung zurückgegeben werden. Behält sich namentliche Abstimmung für den Antrag des Ausschusses vor.

Wesendonk bringt noch eine motivirte Tagesordnung, obschon freilich mit andern Motiven als der Ausschuß.

von Vinke rügt den Präsidenten wegen einer Verletzung der Geschäftsordnung, betreffend die Abstimmung über den Schluß der Debatte

Schlöffel nimmt das Wort in einer persönlichen Angelegenheit, beginnt aber seine Rede mit einer Einleitung, die sich auf die Hungerpest in der Provinz Schlesien bezieht. Im Ganzen scheint Schlöffel darauf hinaus zu wollen, den Abgeordneten Michelsen wegen dessen eben gehaltener Rede (S. oben) anzugreifen. Schlöffel kommt aber nicht zum Worte. Die Centren toben gegen ihn. Der Präsident in der höchsten Aufregung und heftigem Zorn verlangt, daß Schlöffel von der Tribüne herunter soll. Die Centren unterstützen den Präsidenten durch das Geschrei: "herunter!" Durch Wigard bewogen, verläßt endlich Schlöffel die Tribune.

Die Debatte wird geschlossen. Es spricht der Berichterstatter Scheller. Man ist sehr unruhig und ruft häufig Schluß.

Gottschalk beantragt die namentliche Abstimmung für die Anträge des Ausschusses Wird nicht genügend unterstützt.

Die einfache Tagesordnung über Schoders Antrag wird angenommen. - Hierauf wird um 3 Uhr die Sitzung vertagt.

Morgen keine Sitzung.

Frankfurt, 13. Okt.

Die Abgeordneten Blum, M. Hartmann, Fröbel, Boczek und Trambusch sind heute nach Wien ab gereist. Sie überbringen dorthin folgende, von etwa 130 Mitgliedern der Nationalversammlung unterzeichnete Adresse: "An die Wiener! Eure großartige Erhebung hat unsere ganze Bewunderung erregt. Der blutige Kampf, den Ihr so glorreich bestanden habt, ist auch für uns, Eure Brüder, bestanden worden. Wir wissen, daß Ihr auch ferner wie bisher fortfahren werdet in Euren Bestrebungen, und daß Ihr dem übrigen Deutschland voranleuchten werdet durch Mannes Muth und Energie. Wir senden Euch fünf unserer Freunde, um unsere ungetheilte Hochachtung und unsere innige Dankbarkeit für Eure Verdienste um die Freiheit auszudrücken."

(Fr. I.)
Frankfurt.

Das Frankfurter Journal enthält folgende Erklärung:

"Die heutige Nr. der Ober-Postamts-Zeitung (das Organ des Reichsministeriums) enthält mehrere Mittheilungen aus Briefen, welche sich einige schwarzgelbe Männer aus Wien schreiben ließen. Es wird in diesen anonymen Mittheilungen über die letzte Bewegung in Wien auf die frechste Weise der Wahrheit ins Gesicht geschlagen, und so weit gegangen, zu behaupten, daß ungarisches Geld die Bürgererhebung verursacht habe. So versucht man auf unverantwortliche Weise das Sträuben der deutschen Bevölkerung Wiens und der dortigen deutschen Garnison in die Schlinge der schwarzgelben Politik zu ziehen, welche Oestreich und Deutschland an Rußland verkaufen will, als eine gemeine Verschwörung darzustellen. Die Unterzeichneten können nicht umhin, ihre gerechte Entrüstung über diese neue schwarzgelbe Persidie auszudrücken und ihr Bedauern auszusprechen, daß das Ministerium sein Organ nicht besser beaufsichtigt.

Frankfurt, den 11. Okt. 1848.

Joseph Rank, Abg. aus Böhmen.

Reitter, Abg. aus Böhmen.

M. Hartmann, aus Böhmen.

Berger, aus Wien.

109 Düsseldorf, 14. October.

Ich habe Ihnen heute zu berichten, zu welchem Resultate vorläufig der Appell an den Geldsack geführt hat, welchen unsre Arbeiter auf die Antwort des Stadtraths, daß ihm die finanzillen Mittel fehlen, sie weiter zu beschäftigen, eingelegt haben. Plakate, wie sie bereits wissen, wurden von den Arbeitern an den Straßenecken angeschlagen, in würdiger und fast rührend einfacher Weise ihre erbarmenswürdige Noth und das ewige Recht des Menschen auf Arbeit hervorhebend. Gestern sollte eine aus 3 Mitgliedern bestehende Deputation der Arbeiter bei der Bürgerschaft mit Subseriptionslisten herumgehen, damit diese durch freiwillige Zeichnungen von Beiträgen, den Gemeinderath in den Stand setze, die öffentlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu lassen.

Die "weichen Herzen" unsrer Bourgeoisie und allerlei andere Erwägungen würden dieselbe gewiß bestimmt haben, reichliche Mittel dem Gemeinderath zur Disposition zu stellen. Es wurde hier an jeden Einzelnen die Forderung gestellt, die philantropischen Mitleidsphrasen mit der hülflosen Lage unsrer Arbeiter entweder zu behtätigen, - oder sie entschieden zu desavouiren. Aber eben deshalb mißfiel die Sache unsrer fetten Bourgeoisie ganz ausnehmend. Sie wissen, wie feig diese Klasse in Deutschland ist, wenn sie als einzelne Persönlichkeiten mit Meinungen und Handlungen hervortreten soll; sie findet erst immer ihre Courage, wenn sie sich hinter ihre ganze Kaste, ihre Corporationen und Obrigkeiten verkriechen kann. Das war aber eben diesmal, das Faktische der von den Arbeitern beschlossenen Maßregel, daß dadurch die Einzelnen als solche angegangen und die Achillesse des Geldsacks an der Ferse ihrer persönlichen Unselbstständigkeit und eiteln Schwäche gefaßt werden sollten. Wie eine erschreckte Hürde Lämmer steckten sie ihre Köpfe zusammen; der Gemeinderath berieth, der Regierungspräsident berieth, was nur je Altenstaub in seinem Leben gekostet hatte berieth, wie diese unverschämte Demaskirung ihrer und ihrer Sippe Mägen, auf welche die Arbeiter so naiv losgingen, zu verhindern sei. Endlich wurde auch dafür ein Vademecum gefunden. Noch spät Abends am 12. d. erschien folgende Bekanntmachung:

"Ein an verschiedenen Straßenecken angeheftetes und in mehreren Häusern der Stadt abgegebenes Plakat, überschrieben: "Bitte um Arbeit!" veranlaßt das unterzeichnete Oberbürgermeisteramt, auf das Ungesetzliche dieses Schrittes aufmerksam machen. Nicht nur die unbefugten Collectanten, sondern auch diejenigen, welche ihnen Beiträge geben, sind straffällig. Es erfolgt daher an unsere Mitbürger die Aufforderung, diesem unbefugten Cellectiren in keiner Weise Vorschub zu leisten. Gemeinderath und städtische Verwaltung werden fortfahren Alles aufzubieten, um der Noth, wo sie wirklich vorhanden ist, entgegen zu wirken und zu diesem Zwecke die Mithülfe der Bürgerschaft in Anspruch zu nehmen, es wird aber auch jedem unbefugten Eingreifen in ihren Wirkungskreis mit allen gesetzlich zustehenden Mitteln entgegen getreten werden."

Düsseldorf den 12. Oktober 1848.

Das Oberbürgermeister-Amt, W. Dietze erster Beigeordneter.

Sie werden lachen und meinen, unser Beigeordneter habe einen durchaus willkührlichen und gesetzlosen Akt begangen. Wie läßt sich Collectiren zu einem erlaubten und unbestreitbar verdienstlichen Zwecke, wie in aller Welt läßt sich besonders das Beisteuern zu einer Collecte verbieten! Wie kann man das milde Herz, das einen Beitrag gibt, für "straffällig" erklären! Aber in Deutschland ist die Willkühr nur möglich im Interesse der Freiheit. Im Interesse der Unfreiheit, des Zwanges, der Bevormundung und des Unsinns kann man bei uns gar nicht willkührlich sein, denn alle Willkühr liegt bei uns schon in den Gesetzen selbst. Es gibt nichts, was die Willkühr unsrer Gesetze noch übertreffen könnte. Und so habe ich denn nach langem Suchen richtig ein Regierungsrescript, gegeben in Düsseldorf am 31. Januar 1828, entdeckt, worin es heißt, daß "da die Bürger so ofmit Collecten "belästigt" würden, jeder Collectant fortan von einem hohen Ober-Präsidio der Rheinprovinz erst die Erlaubniß beizuholen habe"; ferner

1) "derjenige, welcher ohne eine bei sich tragende (!) die Autorisation der höheren Behörde zu einer Collecte beurkundende amtliche Bescheinigung auf dem Collectiren betrof- wird, verfällt in eine Polizeistrafe von drei bis fünf Thaler vorbehaltlich der in den Gesetzen bestimmten höheren Strafe.

2) Auch diejenigen, welche dergleichen unbefugten und nicht gehörig legitimirten Collectanten einen Beitrag geben, sollen den Umständen nach mit einer Geldbuße von 10 Sgr. bis 3 Thlr. bestraft werden.(!!)

Um also den Bürgern die Belästigung durch Collecten zu ersparen, findet die liebevolle Düsseldorfer Regierung für gut, die Bürger selbst da, wo sie zu der Collecte beigetragen haben und wo also doch die Präsumtion vorliegt, daß die Collecte sie nicht belästigt, sondern von denselben gebilligt worden sei, für die gehabte Belästigung mit einer Strafe von 10 Sgr. bis 3 Thlr. zu entschädigen!

Es braucht übrigens kaum erwähnt zu werden, daß dieses Rescript vom 31. Jan. 2[unleserliches Material], auf welchem die Bekanntmachung des Beigeordneten allein beruht, auf den vorliegenden Fall durchaus nicht paßt. Was unsre Arbeiter beabsichtigten, war keine Collecte zu nennen, 1) weil sie keine Beiträge selbst in Empfang nahmen, sondern nur auf Subscriptionslisten die Erklärung sammeln wollten, wieviel jeder Bürger, nicht ihnen, sondern dem Gemeinderath zur Fortsetzung der Arbeiten zur Disposition stellen wollen. Collecte kann aber nur eine Einsammlung von materiellen Beiträgen, nicht eine "Einsammlung von Erklärungen" benannt werden; 2) ist eine Collecte nur eine Sammlung von Geschenken, von materiellen Leistungen, für welche keine Gegenleistung gegeben wird. Wenn Jemand ein Buch schreibt und Subscriptionslisten dafür herumgehen läßt, so kann das keine Collecte genannt werden. Es ist dies ein einfaches Geschäft, weil jeder Subseribent als Gegenleistung ein Exemplar des Werkes erhält. Eine Collecte wäre hier vorhanden, wenn die Arbeiter Geld zur Vertheilung unter sich etc. sammelten. Die Arbeiter aber wollen für die freiwilligen Beiträge, welche dem Gemeinderath und nicht ihnen entrichtet werden sollen, und welche sie selbst nur in der Form des Lohnes erhalten wollen als Gegenleistung Arbeiten verrichten, welche der Stadt und somit jedem Bürger zu Gut kommen. Es ist also hier nichts weniger vorhanden als ein Geschenk und eine Collecte; es ist vielmehr eine industrielle Operation. Das Alles weiß Herr Dietze so gut, wie Sie und ich, und es ist allerdings eine nicht geringe Persidie in seiner Bekanntmachung stets von "Collectanten" zu sprechen, während keine Collecte vorliegt und so unter gesetzlichem Scheine ein ungesetzliches Verbot zu erlassen. Aber was nützt das Alles! Die Bekanntmachung - und gerade darum ist ihre Persidie so groß - erreicht dennoch trefflich ihren Zweck. Denn wenn jetzt unsere Arbeiter zu den Bürgern mit ihren Subscriptionslisten herumgingen und wenn sie ihnen noch so treffend bewiesen, das, warum es sich handle, sei keine Collecte, und es ginge sie daher die Bekanntmachung des Herrn Dietze nichts an, - unsere Bourgeois würden ihnen die Hände drücken, mit thränenden Augen versichern, ihre Noth rühre sie tief, Kisten und Kasten hätten bereits offen gestanden, ihnen zu helfen, - wenn nur diese verwünschte Bekanntmachung des Beigeordneten nicht gekommen wäre! Jetzt aber ginge es beim besten Willen nicht mehr! Man könne doch nicht "straffällig" werden, man müsse doch den Gesetzen seines Landes nachleben etc.

Da haben sie einen Bourgeois-Kniff in seiner faustdicken plumpen Schlauheit.

103 Berlin, 13. Oktober.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Nach Eröffnung der Sitzung wird eine königl. Botschaft verlesen, worin der Versammlung angezeigt wird, daß dieselbe, vor der Ertheilung der königl. Sanktion, das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe vom 8. August, einer nochmaligen Berathung zu unterwerfen habe, und wird vom Ministerium zugleich eine neue desfallsige Gesetzvorlage gemacht. Der §. 1 dieses neuen Gesetzes lautet:

§. 1. Die Todesstrafe ist fort [unleserliches Material] nur zulässig im Falle eines Kriegs- oder Belagerungszustandes, für alle andern Fälle ist sie abgeschafft.

In Rücksicht auf den am 15. d. M. stattfindenden Geburtstag des Königs hat die Präsidial- und Direktorial-Konferenz beschlossen, mit Zuziehung einer durch das Loos zu bestimmenden Deputation von 25 Mitgliedern, dem Könige im Namen der Versammlung, ihren Glückwunsch darzubringen. Die Versammlung genehmigt diesen Vorschlag des Präsidenten stillschweigend.

Unter den durch das Loos bestimmten 25 Mitgliedern zur Gratulationsdeputation befinden sich auch mehrere Mitglieder der äußersten Linken, wie Schramm, Esser u. A. Der König wird zur Feier seines Geburtstages sich hier einfinden.

In Folge des noch immer fortdauernden gesetzwidrigen Belagerungszustandes der Stadt Posen hat der Abg. v. Pokrzywuicki folgenden dringenden Antrag gestellt:

"Die Versammlung wolle beschließen, daß das Staatsministerium aufzufordern sei, den Belagerungszustand der Festung Posen innerhalb 24 Stunden aufzuheben, oder in gleicher Frist die Zustimmung der Versammlung zum Fortbestande dieser Maßregel einzuholen."

Der Minister-Präsident nimmt schon von Verlesung dieses Antrages das Wort und erklärt, daß er, in Folge seines der Versammlung gegebenen Versprechens, im Falle der Belagerungszustand der Stadt Posen nothwendig wäre, die nöthigen Vorlagen zur Einholung der Genehmigung dieser Versammlung machen würde. Es seien ihm aber von Posen noch keine genügende Berichte zugegangen, obgleich die dortigen Beamten die Fortdauer des Belagerungszustandes verlangen. Um nun die Sache zu erledigen, hat das Ministerium heute einen besonderen Commissaarius nach Posen gesendet, um sich in jeder Hinsicht Aufklärung zu verschaffen. Der Minister verspricht in 8 Tagen der Versammlung jedenfalls die nöthige Vorlage zu machen und bemerkte nur noch, daß der Belagerungszustand in Posen auf die mildeste Weise ausgeführt werde, da keine Bestimmung der Habeas-Corpus-Acte verletzt, die Preßfreiheit vollständig gewährt und nur das freie Vereinigungsrecht beschränkt werde. -

Abg. v. Pokrzyvincki: In der Sitzung vom 5. d. M. hat der Minister-Präsident v. Pfuel erklärt, daß er die Aufhebung des Belagerungszustandes der Festung Posen für den Fall angeordnet habe, wenn nicht eingetretene Umstände den Fortbestand nöthig machen sollten, in welchem Falle er den Beschluß der Versammlung entgegennehmen wolle. Wiewohl seither schon 8 Tage verflossen sind, während welcher dieser Gegenstand füglich erledigt werden konnte, ist der Versammlung bisher weder die Aufhebung des Belagerungszustandes bekannt gemacht, noch die Genehmigung des Fortbestandes desselben eingeholt worden. Darin liegt eine rechtswidrige Handlung des Ministeriums gegenüber der Versammlung und zugleich eine Rechtsverletzung der Einwohner Posens polnischer Nationalität, die um so schwerer ist, weil die dortigen Behörden, wie dem Ministerium bekannt geworden und bisher nicht gerügt worden ist, den Belagerungszustand vorschützend, auch solche Grundrechte verkümmern, die selbst im Falle eines Krieges oder Aufruhrs nicht suspendirt werden können. Jede Rechtsverletzung, die von der Regierung ausgeht, mehrt leicht begreiflich den Haß des bedrückten Volkes, und das muß im vorliegenden Falle um so mehr geschehen, als die vom Staats-Ministerium am 9. d. M. nachgesuchte Anmestie einiger bei der letzten Schilderhebung im Großherzogthum Posen betheiligter Personen, so sehr alles Rechtsgefühl und das erste Prinzip der Gerechtigkeit, die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, verletzt, daß sie nicht, wie beabsichtigt worden, Versöhnung der beiden Nationalitäten der Provinz Posen, sondern nur Zorn und Erbiiterung des tief verletzten Theils herbeiführen kann.

Abg.Senger (aus Posen) behauptet, daß die Ruhe der Stadt Posen gefährdet sei, wenn der Belagerungszustand aufgehoben wird. Die Stadtverordneten in Posen haben sich ebenfalls für die Fortdauer des Be-

daß das konstitutionell-monarchische Prinzip in den Staaten Deutschlands immer gewahrt werden soll? Und mit welchem Recht das Reichsministerium eine solche Erklärung abgeben könne?

Simon aus Trier interpellirt in Betreff der Wahl von Würth in Hohenzollern-Siegmaringen zur National-Versammlung. Diese Wahl sei fast mit Stimmenmehrheit geschehen, aber noch nicht vollzogen (Bravo!)

Jahn (furchtbares Gelächter) interpellirt das Reichsministerium (hört!), ob es Kunde habe von einer ungeheuren geheimen und entsetzlichen Demokratenverschwörung und beabsichtigten großen Meuterei und Mezelei, welche in Berlin in diesen Tagen zur Ausführung kommen soll? (Ungeheure Heiterkeit Bravo links. Schmerling lacht).

Präsident: Das Reichsministerium wird alle Interpellationen bis Montag beantworten.

Schmerling antwortet auf eine Interpellation Beda-Webers wegen der Trennungsverhältnisse von Welsch- und Deutsch-Tyrol. Es lasse sich voraussetzen, daß das österreichische Ministerium die von der Reichsversammlung Betreffs Tyrol gefaßten Beschlüsse aufrecht erhalten werde.

Weber behält sich einen Antrag vor.

Jordan aus Berlin hält es für gut, den Mord von Auerswald und Lichnowsky der Versammlung abermals ins Gedächtniß zu rufen, indem er die Verlesung der beiden durch die Zeitung längst bekannten Adressen der Wahlmänner jener beiden Abgeordneten an die National-Versammlung beantragt.

Dieser Antrag wird mit Ausnahme weniger Mitglieder von der Versammlung angenommen.

Der Präsident Gagern selbst verliest die Adessen. Sie werden mit tiefer Stille angehört.

Benedey beantragt dringlich:

„Das Reichsministerium solle auf jede Weise den Wiener Reichstag in Schutz nehmen und die deutschen Truppen erforderlichen Falls zur Verfügung des Reichseags stellen.“ (Bravo links.)

Hierzu wird ein Zusatzantrag eingegeben, welcher eine Kommisson von 15 Abgeordneten verlangt zur Prüfung aller bezüglich Oesterreich eingehender Anträge.

Diese beiden Anträge bleiben vorläufig unberührt, weil auf die Frage des Präsidenten, obwohl mit sehr zweifelhafter Majorität, beschlossen wird, zur Tagesordnung überzugehen.

Tagesordnung. 11 Uhr. Simson präsidirt.

Ueber den Punkt 1 derselben (s. oben) sprechen Beseler, Mölling, M. Mohl (dieser unter Schlußruf) alle drei ohne Theilnahme

Rauwerk: (Schluß.) Man solle bei den Grundrechten bleiben, nicht zu etwas anderm z. B. zur Berathung des Verfassungsentwurfs übergehen. Die Grundrechte möchten uterdessen versauern. (Murren. Bravo!) Empfiehlt Schoders Antrag. Das deutsche Volk möchte vielleicht einmal einen „kühnen Mißgriff“ thun. (Bravo links und Centren).

Plathner stimmt mit Schoder theilweise überein. Erklärt sich gegen v. Trützschlers Antrag. Ein energisches Mittel zur Verkürzung der Berathungen müsse gefunden werden. Aber er hofft, man wird dem deutschen Volke seine Grundrechte bald bieten können, ohne (wie Hr. Rauwerk meint) daß das deutsche Volk nöthig haben wird, nochmals einen kühnen Griff zu thun. (Links höhnisch Bravo).

Graf Wartensleben glaubt, sein Antrag spreche genügend für sich selber etc.

Waiz: Die dem Verfassungsausschuß gemachten Vorwürfe der zu geringen Thätigkeit habe derselbe nicht verdient. (Schluß!)

Der Schluß der Debatte wird angenommen und es sprechen noch die Antragsteller Schoder und v. Trützschler.

Hierauf gibt Herr Vicepräsident Simson noch allen Antragstellern aus eigener Machtvollkommenkenheit gegen die Geschäftsordnung das Wort und will sogar zuletzt noch Hrn. Beseler das Wort geben, weil derselbe (aber viel zu spät) im Namen der Majorität des Verfassungsausschusses zu Schoders und v. Trützschlers Antrag, vier Anträge hinterdrein gestellt hat. Hierdurch erhebt sich eine lange, heftige und parteigehässige Debatte und Tumult. Endlich wird Hrn. Beseler, obschon mit schwacher Majorität, das Wort nicht gegeben. (Bravo links und Gallerien.) Es erfolgt daher, nach einer längeren Debatte über die Fragestellung, die Abstimmung.

Abstimmung.

Ein Antrag des Verfassungsausschusses.

„Den noch nicht berathenen Theil der Grundrechte vorläufig zurückzustellen, damit die Abschnitte über Reich und Reichsgewalt unverzüglich zur Berathung kommen können“ wird mit schwacher Majorität angenommen.

Ein Antrag von Schoder:

Die Nationalversammlung wolle ihren Willen dahin aussprechen: „daß der Verfassungsausschusses sogleich die gefaßten Beschlüsse über die Grundrechte zusammenstelle und die Zusammenstellung so zeitig drucken lasse, daß die zweite Berathung und Abstimmung so schleunig als möglich beginnen könne“, wird bei Zählung mit 184 Stimmen gegen 170 Stimmen abgelehnt.

Ein Antrag des Verfassungsausschusses:

„Den Theil der Grundrechte, welcher nach Schoders genehmigten Antrag nach der zweiten Lesung herausgegeben werden soll, zu schleuniger Revision (!) behufs der zweiten Lesung an den Verfassungsausschuß zurückzugeben“, wird mit schwacher Majorität angenommen.

von Trützschlers Anträge:

„Wir beantragen daß bei der zweiten Berathung der Grundrechte folgende Bestimmungen beobachtet werden:

1) Es wird kein Amendement zugelassen, welches nicht von wenigstens 50 Abgeordneten unterschrieben ist.

2) Zur Begründung eines von wenigstens 50 Abgeordneten gestellten Amendements wird einem Redner, den die Unterzeichner erwählen, das Wort gegeben.

3) Nach Beendigung der Rede desselben wird die Frage, ob Discussion verlangt werde, gestellt.

4) Wenn wenigstens 100 Abgeordnete die Discussion verlangen, so wird dieselbe eröffnet, und zwischen den Rednern für und gegen das Amendement abgewechselt, in der Weise, daß ein Redner gegen das Amendement beginnt.

5) Zuletzt erhält der Berichterstatter des Ausschusses das Wort, und zwar in jedem Falle, mag die Discussion beschlossen sein oder nicht,“ werden verworfen.

Angenommen wird ein Antrag des Verfassungsaasschusses: „für den vorliegenden Theil des Verfassungsentwurfs eine zweite Lesung ebenfalls festzusetzen, und drei wöchentliche Sitzungen für die Berathung der Verfassung (beginnend mit nächstem Montag) zu bestimmen, die übrige Zeit den Grundrechten zu widmen.“

Hierauf werden die Wahlzettel zu den Ersatzwahlen ad 9 der Tagesordnung eingesammelt.

Punkt 2 der Tagesordnung (S. oben)

wird durch Annahme des Antrags: „Die hohe Nationalversammlung wolle sämmtliche (unten) angegebene Eingaben ohne weitere Beschlußfassung ad acta nehmen“, erledigt.

Punkt 3 der Tagesordnung (S. oben).

Schoder (mit der Uhr in der Hand): „Meine Herren, es ist 1/2 2 Uhr, (Gelächter) man wird diesen vorliegenden Punkt nicht mehr genügend erörtern, ich bitte ihn auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen.“

Dies wird verworfen. ‒ Die Diskussion beginnt mit Schoder.

Schoders Antrag lautet:

„Die Nationalversammlung wolle ihre feste und unumwundene Ueberzeugung dahin aussprechen, daß in denjenigen Ländern, wo die Leistungen des Staats für den Regenten und seine Familie (Civilliste, Nadel- und Sustentationsgelder, Apanagen u. s. w.) nicht in richtigem Verhältnisse mit den Kräften des Volkes stehen, eine gleichbaldige Verzichtleistung des Regenten und der betreffenden Angehörigen seiner Familie auf einen entsprechenden Theil der ihnen nach den bis jetzt bestehenden Gesetzen aus der Staatskasse zu leistenden Gelder dringend nothwendig sei.

Der Ausschuß hat über diesen Antrag einfache Tagesordnung beantragt. Schoder findet, daß dieser Antrag mit etwas Leichtigkeit und Oberflächlichkeit gefaßt sei. ‒ Schoder spricht von dem sogenannten republikanischen Rechenexempel; welches die den Fürsten seit 33 Jahren gespendeten Millionen mit der Einfachheit einer republikanischen Verfassung vergleicht. Machen Sie es nicht so wie der Bundestag, der sich competent erklärte für die Rechte der Fürsten und Verbindlichkeiten der Völker, aber incompetent für die Verbindlichkeiten der Fürsten und Rechte der Völker. (Lauter Beifall).

Remer (Stuttgart) für den Antrag des Ausschusses, welcher es unpassend gefunden, einen solchen Wunsch wie Schoders Antrag enthält, den Fürsten gegenüber auszusprechen. ‒ Für die Mediatisirung der kleinern Fürsten. (Bravo).

Vischer (Tübingen) hält einen metaphorischen Vortrag für Verminderung der Civillisten. Zweierlei Heilmethoden sind für den Unwillen des Volkes denkbar. Die eine ist die Chirurgisch, d.h. die mit Kartätschen und Kanonen, und diese ist jetzt beliebt. ‒ Ich halte nur die homöopathische Heilmethode hier für anwendbar. (Bravo). Schluß! Vertagung! ‒ Tumult! Der Schluß der Debatte wird abgelehnt. Die Vertagung dito.

Michelsen: für den Antrag auf Tagesordnung (erregt großes Mißfallen links!)

Mittlerweile geht ein Antrag von Nauwerk ein, welcher geoße Heiterkeit erregt, weil er die Civillisten der Fürsten nach dem bürgerlichen Maß herabsetzen will.

Michelsen's Rede erregt mißbilligende Aeußerungen links.

Schaffrath vom Platz: „Der Redner ist nicht bei der Sache!“

Schlöffel vom Platz widerspricht einigen falschen Insinuationen des Redners.

Präsident ruft Schlöffel zur Ordnung

Schlöffel bemerkt etwas.

Präsident nennt Schlöffels Betragen „unschicklich!“

Gottschalk widerlegt den vorigen Redner aus Erfahrung. Man habe dem Volk noch keine Erleichterungen gebracht bis jetzt. (Sehr wahr! links). Wir müssen zuförderst dahin blicken, wo verschwendet wird, auf die großen Civillisten. Im Namen der Ruhe, Freiheit und Einheit des Vaterlandes fordere ich Sie auf, fassen Sie einen andern Beschluß als der Ausschuß beantragt. ‒ Der Bericht soll nochmals an den Ausschuß zu näherer Prüfung zurückgegeben werden. Behält sich namentliche Abstimmung für den Antrag des Ausschusses vor.

Wesendonk bringt noch eine motivirte Tagesordnung, obschon freilich mit andern Motiven als der Ausschuß.

von Vinke rügt den Präsidenten wegen einer Verletzung der Geschäftsordnung, betreffend die Abstimmung über den Schluß der Debatte

Schlöffel nimmt das Wort in einer persönlichen Angelegenheit, beginnt aber seine Rede mit einer Einleitung, die sich auf die Hungerpest in der Provinz Schlesien bezieht. Im Ganzen scheint Schlöffel darauf hinaus zu wollen, den Abgeordneten Michelsen wegen dessen eben gehaltener Rede (S. oben) anzugreifen. Schlöffel kommt aber nicht zum Worte. Die Centren toben gegen ihn. Der Präsident in der höchsten Aufregung und heftigem Zorn verlangt, daß Schlöffel von der Tribüne herunter soll. Die Centren unterstützen den Präsidenten durch das Geschrei: „herunter!“ Durch Wigard bewogen, verläßt endlich Schlöffel die Tribune.

Die Debatte wird geschlossen. Es spricht der Berichterstatter Scheller. Man ist sehr unruhig und ruft häufig Schluß.

Gottschalk beantragt die namentliche Abstimmung für die Anträge des Ausschusses Wird nicht genügend unterstützt.

Die einfache Tagesordnung über Schoders Antrag wird angenommen. ‒ Hierauf wird um 3 Uhr die Sitzung vertagt.

Morgen keine Sitzung.

Frankfurt, 13. Okt.

Die Abgeordneten Blum, M. Hartmann, Fröbel, Boczek und Trambusch sind heute nach Wien ab gereist. Sie überbringen dorthin folgende, von etwa 130 Mitgliedern der Nationalversammlung unterzeichnete Adresse: „An die Wiener! Eure großartige Erhebung hat unsere ganze Bewunderung erregt. Der blutige Kampf, den Ihr so glorreich bestanden habt, ist auch für uns, Eure Brüder, bestanden worden. Wir wissen, daß Ihr auch ferner wie bisher fortfahren werdet in Euren Bestrebungen, und daß Ihr dem übrigen Deutschland voranleuchten werdet durch Mannes Muth und Energie. Wir senden Euch fünf unserer Freunde, um unsere ungetheilte Hochachtung und unsere innige Dankbarkeit für Eure Verdienste um die Freiheit auszudrücken.“

(Fr. I.)
Frankfurt.

Das Frankfurter Journal enthält folgende Erklärung:

„Die heutige Nr. der Ober-Postamts-Zeitung (das Organ des Reichsministeriums) enthält mehrere Mittheilungen aus Briefen, welche sich einige schwarzgelbe Männer aus Wien schreiben ließen. Es wird in diesen anonymen Mittheilungen über die letzte Bewegung in Wien auf die frechste Weise der Wahrheit ins Gesicht geschlagen, und so weit gegangen, zu behaupten, daß ungarisches Geld die Bürgererhebung verursacht habe. So versucht man auf unverantwortliche Weise das Sträuben der deutschen Bevölkerung Wiens und der dortigen deutschen Garnison in die Schlinge der schwarzgelben Politik zu ziehen, welche Oestreich und Deutschland an Rußland verkaufen will, als eine gemeine Verschwörung darzustellen. Die Unterzeichneten können nicht umhin, ihre gerechte Entrüstung über diese neue schwarzgelbe Persidie auszudrücken und ihr Bedauern auszusprechen, daß das Ministerium sein Organ nicht besser beaufsichtigt.

Frankfurt, den 11. Okt. 1848.

Joseph Rank, Abg. aus Böhmen.

Reitter, Abg. aus Böhmen.

M. Hartmann, aus Böhmen.

Berger, aus Wien.

109 Düsseldorf, 14. October.

Ich habe Ihnen heute zu berichten, zu welchem Resultate vorläufig der Appell an den Geldsack geführt hat, welchen unsre Arbeiter auf die Antwort des Stadtraths, daß ihm die finanzillen Mittel fehlen, sie weiter zu beschäftigen, eingelegt haben. Plakate, wie sie bereits wissen, wurden von den Arbeitern an den Straßenecken angeschlagen, in würdiger und fast rührend einfacher Weise ihre erbarmenswürdige Noth und das ewige Recht des Menschen auf Arbeit hervorhebend. Gestern sollte eine aus 3 Mitgliedern bestehende Deputation der Arbeiter bei der Bürgerschaft mit Subseriptionslisten herumgehen, damit diese durch freiwillige Zeichnungen von Beiträgen, den Gemeinderath in den Stand setze, die öffentlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu lassen.

Die „weichen Herzen“ unsrer Bourgeoisie und allerlei andere Erwägungen würden dieselbe gewiß bestimmt haben, reichliche Mittel dem Gemeinderath zur Disposition zu stellen. Es wurde hier an jeden Einzelnen die Forderung gestellt, die philantropischen Mitleidsphrasen mit der hülflosen Lage unsrer Arbeiter entweder zu behtätigen, ‒ oder sie entschieden zu desavouiren. Aber eben deshalb mißfiel die Sache unsrer fetten Bourgeoisie ganz ausnehmend. Sie wissen, wie feig diese Klasse in Deutschland ist, wenn sie als einzelne Persönlichkeiten mit Meinungen und Handlungen hervortreten soll; sie findet erst immer ihre Courage, wenn sie sich hinter ihre ganze Kaste, ihre Corporationen und Obrigkeiten verkriechen kann. Das war aber eben diesmal, das Faktische der von den Arbeitern beschlossenen Maßregel, daß dadurch die Einzelnen als solche angegangen und die Achillesse des Geldsacks an der Ferse ihrer persönlichen Unselbstständigkeit und eiteln Schwäche gefaßt werden sollten. Wie eine erschreckte Hürde Lämmer steckten sie ihre Köpfe zusammen; der Gemeinderath berieth, der Regierungspräsident berieth, was nur je Altenstaub in seinem Leben gekostet hatte berieth, wie diese unverschämte Demaskirung ihrer und ihrer Sippe Mägen, auf welche die Arbeiter so naiv losgingen, zu verhindern sei. Endlich wurde auch dafür ein Vademecum gefunden. Noch spät Abends am 12. d. erschien folgende Bekanntmachung:

„Ein an verschiedenen Straßenecken angeheftetes und in mehreren Häusern der Stadt abgegebenes Plakat, überschrieben: „Bitte um Arbeit!“ veranlaßt das unterzeichnete Oberbürgermeisteramt, auf das Ungesetzliche dieses Schrittes aufmerksam machen. Nicht nur die unbefugten Collectanten, sondern auch diejenigen, welche ihnen Beiträge geben, sind straffällig. Es erfolgt daher an unsere Mitbürger die Aufforderung, diesem unbefugten Cellectiren in keiner Weise Vorschub zu leisten. Gemeinderath und städtische Verwaltung werden fortfahren Alles aufzubieten, um der Noth, wo sie wirklich vorhanden ist, entgegen zu wirken und zu diesem Zwecke die Mithülfe der Bürgerschaft in Anspruch zu nehmen, es wird aber auch jedem unbefugten Eingreifen in ihren Wirkungskreis mit allen gesetzlich zustehenden Mitteln entgegen getreten werden.“

Düsseldorf den 12. Oktober 1848.

Das Oberbürgermeister-Amt, W. Dietze erster Beigeordneter.

Sie werden lachen und meinen, unser Beigeordneter habe einen durchaus willkührlichen und gesetzlosen Akt begangen. Wie läßt sich Collectiren zu einem erlaubten und unbestreitbar verdienstlichen Zwecke, wie in aller Welt läßt sich besonders das Beisteuern zu einer Collecte verbieten! Wie kann man das milde Herz, das einen Beitrag gibt, für „straffällig“ erklären! Aber in Deutschland ist die Willkühr nur möglich im Interesse der Freiheit. Im Interesse der Unfreiheit, des Zwanges, der Bevormundung und des Unsinns kann man bei uns gar nicht willkührlich sein, denn alle Willkühr liegt bei uns schon in den Gesetzen selbst. Es gibt nichts, was die Willkühr unsrer Gesetze noch übertreffen könnte. Und so habe ich denn nach langem Suchen richtig ein Regierungsrescript, gegeben in Düsseldorf am 31. Januar 1828, entdeckt, worin es heißt, daß „da die Bürger so ofmit Collecten „belästigt“ würden, jeder Collectant fortan von einem hohen Ober-Präsidio der Rheinprovinz erst die Erlaubniß beizuholen habe“; ferner

1) „derjenige, welcher ohne eine bei sich tragende (!) die Autorisation der höheren Behörde zu einer Collecte beurkundende amtliche Bescheinigung auf dem Collectiren betrof- wird, verfällt in eine Polizeistrafe von drei bis fünf Thaler vorbehaltlich der in den Gesetzen bestimmten höheren Strafe.

2) Auch diejenigen, welche dergleichen unbefugten und nicht gehörig legitimirten Collectanten einen Beitrag geben, sollen den Umständen nach mit einer Geldbuße von 10 Sgr. bis 3 Thlr. bestraft werden.(!!)

Um also den Bürgern die Belästigung durch Collecten zu ersparen, findet die liebevolle Düsseldorfer Regierung für gut, die Bürger selbst da, wo sie zu der Collecte beigetragen haben und wo also doch die Präsumtion vorliegt, daß die Collecte sie nicht belästigt, sondern von denselben gebilligt worden sei, für die gehabte Belästigung mit einer Strafe von 10 Sgr. bis 3 Thlr. zu entschädigen!

Es braucht übrigens kaum erwähnt zu werden, daß dieses Rescript vom 31. Jan. 2[unleserliches Material], auf welchem die Bekanntmachung des Beigeordneten allein beruht, auf den vorliegenden Fall durchaus nicht paßt. Was unsre Arbeiter beabsichtigten, war keine Collecte zu nennen, 1) weil sie keine Beiträge selbst in Empfang nahmen, sondern nur auf Subscriptionslisten die Erklärung sammeln wollten, wieviel jeder Bürger, nicht ihnen, sondern dem Gemeinderath zur Fortsetzung der Arbeiten zur Disposition stellen wollen. Collecte kann aber nur eine Einsammlung von materiellen Beiträgen, nicht eine „Einsammlung von Erklärungen“ benannt werden; 2) ist eine Collecte nur eine Sammlung von Geschenken, von materiellen Leistungen, für welche keine Gegenleistung gegeben wird. Wenn Jemand ein Buch schreibt und Subscriptionslisten dafür herumgehen läßt, so kann das keine Collecte genannt werden. Es ist dies ein einfaches Geschäft, weil jeder Subseribent als Gegenleistung ein Exemplar des Werkes erhält. Eine Collecte wäre hier vorhanden, wenn die Arbeiter Geld zur Vertheilung unter sich etc. sammelten. Die Arbeiter aber wollen für die freiwilligen Beiträge, welche dem Gemeinderath und nicht ihnen entrichtet werden sollen, und welche sie selbst nur in der Form des Lohnes erhalten wollen als Gegenleistung Arbeiten verrichten, welche der Stadt und somit jedem Bürger zu Gut kommen. Es ist also hier nichts weniger vorhanden als ein Geschenk und eine Collecte; es ist vielmehr eine industrielle Operation. Das Alles weiß Herr Dietze so gut, wie Sie und ich, und es ist allerdings eine nicht geringe Persidie in seiner Bekanntmachung stets von „Collectanten“ zu sprechen, während keine Collecte vorliegt und so unter gesetzlichem Scheine ein ungesetzliches Verbot zu erlassen. Aber was nützt das Alles! Die Bekanntmachung ‒ und gerade darum ist ihre Persidie so groß ‒ erreicht dennoch trefflich ihren Zweck. Denn wenn jetzt unsere Arbeiter zu den Bürgern mit ihren Subscriptionslisten herumgingen und wenn sie ihnen noch so treffend bewiesen, das, warum es sich handle, sei keine Collecte, und es ginge sie daher die Bekanntmachung des Herrn Dietze nichts an, ‒ unsere Bourgeois würden ihnen die Hände drücken, mit thränenden Augen versichern, ihre Noth rühre sie tief, Kisten und Kasten hätten bereits offen gestanden, ihnen zu helfen, ‒ wenn nur diese verwünschte Bekanntmachung des Beigeordneten nicht gekommen wäre! Jetzt aber ginge es beim besten Willen nicht mehr! Man könne doch nicht „straffällig“ werden, man müsse doch den Gesetzen seines Landes nachleben etc.

Da haben sie einen Bourgeois-Kniff in seiner faustdicken plumpen Schlauheit.

103 Berlin, 13. Oktober.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Nach Eröffnung der Sitzung wird eine königl. Botschaft verlesen, worin der Versammlung angezeigt wird, daß dieselbe, vor der Ertheilung der königl. Sanktion, das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe vom 8. August, einer nochmaligen Berathung zu unterwerfen habe, und wird vom Ministerium zugleich eine neue desfallsige Gesetzvorlage gemacht. Der §. 1 dieses neuen Gesetzes lautet:

§. 1. Die Todesstrafe ist fort [unleserliches Material] nur zulässig im Falle eines Kriegs- oder Belagerungszustandes, für alle andern Fälle ist sie abgeschafft.

In Rücksicht auf den am 15. d. M. stattfindenden Geburtstag des Königs hat die Präsidial- und Direktorial-Konferenz beschlossen, mit Zuziehung einer durch das Loos zu bestimmenden Deputation von 25 Mitgliedern, dem Könige im Namen der Versammlung, ihren Glückwunsch darzubringen. Die Versammlung genehmigt diesen Vorschlag des Präsidenten stillschweigend.

Unter den durch das Loos bestimmten 25 Mitgliedern zur Gratulationsdeputation befinden sich auch mehrere Mitglieder der äußersten Linken, wie Schramm, Esser u. A. Der König wird zur Feier seines Geburtstages sich hier einfinden.

In Folge des noch immer fortdauernden gesetzwidrigen Belagerungszustandes der Stadt Posen hat der Abg. v. Pokrzywuicki folgenden dringenden Antrag gestellt:

„Die Versammlung wolle beschließen, daß das Staatsministerium aufzufordern sei, den Belagerungszustand der Festung Posen innerhalb 24 Stunden aufzuheben, oder in gleicher Frist die Zustimmung der Versammlung zum Fortbestande dieser Maßregel einzuholen.“

Der Minister-Präsident nimmt schon von Verlesung dieses Antrages das Wort und erklärt, daß er, in Folge seines der Versammlung gegebenen Versprechens, im Falle der Belagerungszustand der Stadt Posen nothwendig wäre, die nöthigen Vorlagen zur Einholung der Genehmigung dieser Versammlung machen würde. Es seien ihm aber von Posen noch keine genügende Berichte zugegangen, obgleich die dortigen Beamten die Fortdauer des Belagerungszustandes verlangen. Um nun die Sache zu erledigen, hat das Ministerium heute einen besonderen Commissaarius nach Posen gesendet, um sich in jeder Hinsicht Aufklärung zu verschaffen. Der Minister verspricht in 8 Tagen der Versammlung jedenfalls die nöthige Vorlage zu machen und bemerkte nur noch, daß der Belagerungszustand in Posen auf die mildeste Weise ausgeführt werde, da keine Bestimmung der Habeas-Corpus-Acte verletzt, die Preßfreiheit vollständig gewährt und nur das freie Vereinigungsrecht beschränkt werde. ‒

Abg. v. Pokrzyvincki: In der Sitzung vom 5. d. M. hat der Minister-Präsident v. Pfuel erklärt, daß er die Aufhebung des Belagerungszustandes der Festung Posen für den Fall angeordnet habe, wenn nicht eingetretene Umstände den Fortbestand nöthig machen sollten, in welchem Falle er den Beschluß der Versammlung entgegennehmen wolle. Wiewohl seither schon 8 Tage verflossen sind, während welcher dieser Gegenstand füglich erledigt werden konnte, ist der Versammlung bisher weder die Aufhebung des Belagerungszustandes bekannt gemacht, noch die Genehmigung des Fortbestandes desselben eingeholt worden. Darin liegt eine rechtswidrige Handlung des Ministeriums gegenüber der Versammlung und zugleich eine Rechtsverletzung der Einwohner Posens polnischer Nationalität, die um so schwerer ist, weil die dortigen Behörden, wie dem Ministerium bekannt geworden und bisher nicht gerügt worden ist, den Belagerungszustand vorschützend, auch solche Grundrechte verkümmern, die selbst im Falle eines Krieges oder Aufruhrs nicht suspendirt werden können. Jede Rechtsverletzung, die von der Regierung ausgeht, mehrt leicht begreiflich den Haß des bedrückten Volkes, und das muß im vorliegenden Falle um so mehr geschehen, als die vom Staats-Ministerium am 9. d. M. nachgesuchte Anmestie einiger bei der letzten Schilderhebung im Großherzogthum Posen betheiligter Personen, so sehr alles Rechtsgefühl und das erste Prinzip der Gerechtigkeit, die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, verletzt, daß sie nicht, wie beabsichtigt worden, Versöhnung der beiden Nationalitäten der Provinz Posen, sondern nur Zorn und Erbiiterung des tief verletzten Theils herbeiführen kann.

Abg.Senger (aus Posen) behauptet, daß die Ruhe der Stadt Posen gefährdet sei, wenn der Belagerungszustand aufgehoben wird. Die Stadtverordneten in Posen haben sich ebenfalls für die Fortdauer des Be-

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          <p><pb facs="#f0003" n="0591"/>
daß das konstitutionell-monarchische Prinzip in den Staaten Deutschlands immer gewahrt werden soll? Und mit welchem Recht das Reichsministerium eine solche Erklärung abgeben könne?</p>
          <p><hi rendition="#g">Simon</hi> aus Trier interpellirt in Betreff der Wahl von Würth in Hohenzollern-Siegmaringen zur National-Versammlung. Diese Wahl sei fast mit Stimmenmehrheit geschehen, aber noch nicht vollzogen (Bravo!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Jahn</hi> (furchtbares Gelächter) interpellirt das Reichsministerium (hört!), ob es Kunde habe von einer ungeheuren geheimen und entsetzlichen Demokratenverschwörung und beabsichtigten großen Meuterei und Mezelei, welche in Berlin in diesen Tagen zur Ausführung kommen soll? (Ungeheure Heiterkeit Bravo links. Schmerling lacht).</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Das Reichsministerium wird alle Interpellationen bis Montag beantworten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> antwortet auf eine Interpellation Beda-Webers wegen der Trennungsverhältnisse von Welsch- und Deutsch-Tyrol. Es lasse sich voraussetzen, daß das österreichische Ministerium die von der Reichsversammlung Betreffs Tyrol gefaßten Beschlüsse aufrecht erhalten werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Weber</hi> behält sich einen Antrag vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> aus Berlin hält es für gut, den Mord von Auerswald und Lichnowsky der Versammlung abermals ins Gedächtniß zu rufen, indem er die Verlesung der beiden durch die Zeitung längst bekannten Adressen der Wahlmänner jener beiden Abgeordneten an die National-Versammlung beantragt.</p>
          <p>Dieser Antrag wird mit Ausnahme weniger Mitglieder von der Versammlung angenommen.</p>
          <p>Der Präsident Gagern selbst verliest die Adessen. Sie werden mit tiefer Stille angehört.</p>
          <p><hi rendition="#g">Benedey</hi> beantragt dringlich:</p>
          <p>&#x201E;Das Reichsministerium solle auf jede Weise den Wiener Reichstag in Schutz nehmen und die deutschen Truppen erforderlichen Falls zur Verfügung des Reichseags stellen.&#x201C; (Bravo links.)</p>
          <p>Hierzu wird ein Zusatzantrag eingegeben, welcher eine Kommisson von 15 Abgeordneten verlangt zur Prüfung aller bezüglich Oesterreich eingehender Anträge.</p>
          <p>Diese beiden Anträge bleiben vorläufig unberührt, weil auf die Frage des Präsidenten, obwohl mit sehr zweifelhafter Majorität, beschlossen wird, zur Tagesordnung überzugehen.</p>
          <p>Tagesordnung. 11 Uhr. Simson präsidirt.</p>
          <p>Ueber den Punkt 1 derselben (s. oben) sprechen Beseler, Mölling, M. Mohl (dieser unter Schlußruf) alle drei ohne Theilnahme</p>
          <p><hi rendition="#g">Rauwerk:</hi> (Schluß.) Man solle bei den Grundrechten bleiben, nicht zu etwas anderm z. B. zur Berathung des Verfassungsentwurfs übergehen. Die Grundrechte möchten uterdessen versauern. (Murren. Bravo!) Empfiehlt Schoders Antrag. Das deutsche Volk möchte vielleicht einmal einen &#x201E;kühnen Mißgriff&#x201C; thun. (Bravo links und Centren).</p>
          <p><hi rendition="#g">Plathner</hi> stimmt mit Schoder theilweise überein. Erklärt sich gegen v. Trützschlers Antrag. Ein energisches Mittel zur Verkürzung der Berathungen müsse gefunden werden. Aber er hofft, man wird dem deutschen Volke seine Grundrechte bald bieten können, ohne (wie Hr. Rauwerk meint) daß das deutsche Volk nöthig haben wird, nochmals einen kühnen Griff zu thun. (Links höhnisch Bravo).</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Wartensleben</hi> glaubt, sein Antrag spreche genügend für sich selber etc.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waiz:</hi> Die dem Verfassungsausschuß gemachten Vorwürfe der zu geringen Thätigkeit habe derselbe nicht verdient. (Schluß!)</p>
          <p>Der Schluß der Debatte wird angenommen und es sprechen noch die Antragsteller Schoder und v. Trützschler.</p>
          <p>Hierauf gibt Herr Vicepräsident Simson noch allen Antragstellern aus eigener Machtvollkommenkenheit gegen die Geschäftsordnung das Wort und will sogar zuletzt noch Hrn. Beseler das Wort geben, weil derselbe (aber viel zu spät) im Namen der Majorität des Verfassungsausschusses zu Schoders und v. Trützschlers Antrag, vier Anträge hinterdrein gestellt hat. Hierdurch erhebt sich eine lange, heftige und parteigehässige Debatte und Tumult. Endlich wird Hrn. Beseler, obschon mit schwacher Majorität, das Wort nicht gegeben. (Bravo links und Gallerien.) Es erfolgt daher, nach einer längeren Debatte über die Fragestellung, die Abstimmung.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Abstimmung.</hi> </p>
          <p>Ein Antrag des Verfassungsausschusses.</p>
          <p>&#x201E;Den noch nicht berathenen Theil der Grundrechte vorläufig zurückzustellen, damit die Abschnitte über Reich und Reichsgewalt unverzüglich zur Berathung kommen können&#x201C; wird mit schwacher Majorität angenommen.</p>
          <p>Ein Antrag von <hi rendition="#g">Schoder:</hi> </p>
          <p>Die Nationalversammlung wolle ihren Willen dahin aussprechen: &#x201E;daß der Verfassungsausschusses sogleich die gefaßten Beschlüsse über die Grundrechte zusammenstelle und die Zusammenstellung so zeitig drucken lasse, daß die zweite Berathung und Abstimmung so schleunig als möglich beginnen könne&#x201C;, wird bei Zählung mit 184 Stimmen gegen 170 Stimmen abgelehnt.</p>
          <p>Ein Antrag des Verfassungsausschusses:</p>
          <p>&#x201E;Den Theil der Grundrechte, welcher nach Schoders genehmigten Antrag nach der zweiten Lesung herausgegeben werden soll, zu schleuniger Revision (!) behufs der zweiten Lesung an den Verfassungsausschuß zurückzugeben&#x201C;, wird mit schwacher Majorität angenommen.</p>
          <p>von <hi rendition="#g">Trützschlers</hi> Anträge:</p>
          <p>&#x201E;Wir beantragen daß bei der zweiten Berathung der Grundrechte folgende Bestimmungen beobachtet werden:</p>
          <p>1) Es wird kein Amendement zugelassen, welches nicht von wenigstens 50 Abgeordneten unterschrieben ist.</p>
          <p>2) Zur Begründung eines von wenigstens 50 Abgeordneten gestellten Amendements wird einem Redner, den die Unterzeichner erwählen, das Wort gegeben.</p>
          <p>3) Nach Beendigung der Rede desselben wird die Frage, ob Discussion verlangt werde, gestellt.</p>
          <p>4) Wenn wenigstens 100 Abgeordnete die Discussion verlangen, so wird dieselbe eröffnet, und zwischen den Rednern für und gegen das Amendement abgewechselt, in der Weise, daß ein Redner gegen das Amendement beginnt.</p>
          <p>5) Zuletzt erhält der Berichterstatter des Ausschusses das Wort, und zwar in jedem Falle, mag die Discussion beschlossen sein oder nicht,&#x201C; werden verworfen.</p>
          <p>Angenommen wird ein Antrag des Verfassungsaasschusses: &#x201E;für den vorliegenden Theil des Verfassungsentwurfs eine zweite Lesung ebenfalls festzusetzen, und drei wöchentliche Sitzungen für die Berathung der Verfassung (beginnend mit nächstem Montag) zu bestimmen, die übrige Zeit den Grundrechten zu widmen.&#x201C;</p>
          <p>Hierauf werden die Wahlzettel zu den Ersatzwahlen ad 9 der Tagesordnung eingesammelt.</p>
          <p>Punkt 2 der Tagesordnung (S. oben)</p>
          <p>wird durch Annahme des Antrags: &#x201E;Die hohe Nationalversammlung wolle sämmtliche (unten) angegebene Eingaben ohne weitere Beschlußfassung ad acta nehmen&#x201C;, erledigt.</p>
          <p>Punkt 3 der Tagesordnung (S. oben).</p>
          <p><hi rendition="#g">Schoder</hi> (mit der Uhr in der Hand): &#x201E;Meine Herren, es ist 1/2 2 Uhr, (Gelächter) man wird diesen vorliegenden Punkt nicht mehr genügend erörtern, ich bitte ihn auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen.&#x201C;</p>
          <p>Dies wird verworfen. &#x2012; Die Diskussion beginnt mit Schoder.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schoders</hi> Antrag lautet:</p>
          <p>&#x201E;Die Nationalversammlung wolle ihre feste und unumwundene Ueberzeugung dahin aussprechen, daß in denjenigen Ländern, wo die Leistungen des Staats für den Regenten und seine Familie (Civilliste, Nadel- und Sustentationsgelder, Apanagen u. s. w.) nicht in richtigem Verhältnisse mit den Kräften des Volkes stehen, eine gleichbaldige Verzichtleistung des Regenten und der betreffenden Angehörigen seiner Familie auf einen entsprechenden Theil der ihnen nach den bis jetzt bestehenden Gesetzen aus der Staatskasse zu leistenden Gelder dringend nothwendig sei.</p>
          <p>Der Ausschuß hat über diesen Antrag einfache Tagesordnung beantragt. Schoder findet, daß dieser Antrag mit etwas Leichtigkeit und Oberflächlichkeit gefaßt sei. &#x2012; Schoder spricht von dem sogenannten republikanischen Rechenexempel; welches die den Fürsten seit 33 Jahren gespendeten Millionen mit der Einfachheit einer republikanischen Verfassung vergleicht. Machen Sie es nicht so wie der Bundestag, der sich competent erklärte für die Rechte der Fürsten und Verbindlichkeiten der Völker, aber incompetent für die Verbindlichkeiten der Fürsten und Rechte der Völker. (Lauter Beifall).</p>
          <p><hi rendition="#g">Remer</hi> (Stuttgart) für den Antrag des Ausschusses, welcher es unpassend gefunden, einen solchen Wunsch wie Schoders Antrag enthält, den Fürsten gegenüber auszusprechen. &#x2012; Für die Mediatisirung der kleinern Fürsten. (Bravo).</p>
          <p><hi rendition="#g">Vischer</hi> (Tübingen) hält einen metaphorischen Vortrag für Verminderung der Civillisten. Zweierlei Heilmethoden sind für den Unwillen des Volkes denkbar. Die eine ist die Chirurgisch, d.h. die mit Kartätschen und Kanonen, und diese ist jetzt beliebt. &#x2012; Ich halte nur die homöopathische Heilmethode hier für anwendbar. (Bravo). Schluß! Vertagung! &#x2012; Tumult! Der Schluß der Debatte wird abgelehnt. Die Vertagung dito.</p>
          <p><hi rendition="#g">Michelsen:</hi> für den Antrag auf Tagesordnung (erregt großes Mißfallen links!)</p>
          <p>Mittlerweile geht ein Antrag von <hi rendition="#g">Nauwerk</hi> ein, welcher geoße Heiterkeit erregt, weil er die Civillisten der Fürsten nach dem bürgerlichen Maß herabsetzen will.</p>
          <p><hi rendition="#g">Michelsen's</hi> Rede erregt mißbilligende Aeußerungen links.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schaffrath</hi> vom Platz: &#x201E;Der Redner ist nicht bei der Sache!&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Schlöffel</hi> vom Platz widerspricht einigen falschen Insinuationen des Redners.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> ruft Schlöffel zur Ordnung</p>
          <p><hi rendition="#g">Schlöffel</hi> bemerkt etwas.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> nennt Schlöffels Betragen &#x201E;unschicklich!&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Gottschalk</hi> widerlegt den vorigen Redner aus Erfahrung. Man habe dem Volk noch keine Erleichterungen gebracht bis jetzt. (Sehr wahr! links). Wir müssen zuförderst dahin blicken, wo verschwendet wird, auf die großen Civillisten. Im Namen der Ruhe, Freiheit und Einheit des Vaterlandes fordere ich Sie auf, fassen Sie einen andern Beschluß als der Ausschuß beantragt. &#x2012; Der Bericht soll nochmals an den Ausschuß zu näherer Prüfung zurückgegeben werden. Behält sich namentliche Abstimmung für den Antrag des Ausschusses vor.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi> bringt noch eine motivirte Tagesordnung, obschon freilich mit andern Motiven als der Ausschuß.</p>
          <p><hi rendition="#g">von Vinke</hi> rügt den Präsidenten wegen einer Verletzung der Geschäftsordnung, betreffend die Abstimmung über den Schluß der Debatte</p>
          <p><hi rendition="#g">Schlöffel</hi> nimmt das Wort in einer persönlichen Angelegenheit, beginnt aber seine Rede mit einer Einleitung, die sich auf die Hungerpest in der Provinz Schlesien bezieht. Im Ganzen scheint Schlöffel darauf hinaus zu wollen, den Abgeordneten Michelsen wegen dessen eben gehaltener Rede (S. oben) anzugreifen. Schlöffel kommt aber nicht zum Worte. Die Centren toben gegen ihn. Der Präsident in der höchsten Aufregung und heftigem Zorn verlangt, daß Schlöffel von der Tribüne herunter soll. Die Centren unterstützen den Präsidenten durch das Geschrei: &#x201E;herunter!&#x201C; Durch Wigard bewogen, verläßt endlich Schlöffel die Tribune.</p>
          <p>Die Debatte wird geschlossen. Es spricht der Berichterstatter <hi rendition="#g">Scheller.</hi> Man ist sehr unruhig und ruft häufig Schluß.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gottschalk</hi> beantragt die namentliche Abstimmung für die Anträge des Ausschusses Wird nicht genügend unterstützt.</p>
          <p>Die einfache Tagesordnung über Schoders Antrag wird angenommen. &#x2012; Hierauf wird um 3 Uhr die Sitzung vertagt.</p>
          <p>Morgen keine Sitzung.</p>
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          <p><hi rendition="#g">Berger,</hi> aus Wien.</p>
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        <div xml:id="ar118_015" type="jArticle">
          <head><bibl><author>109</author></bibl> Düsseldorf, 14. October.</head>
          <p>Ich habe Ihnen heute zu berichten, zu welchem Resultate vorläufig der Appell an den Geldsack geführt hat, welchen unsre Arbeiter auf die Antwort des Stadtraths, daß ihm die finanzillen Mittel fehlen, sie weiter zu beschäftigen, eingelegt haben. Plakate, wie sie bereits wissen, wurden von den Arbeitern an den Straßenecken angeschlagen, in würdiger und fast rührend einfacher Weise ihre erbarmenswürdige Noth und das ewige Recht des Menschen auf Arbeit hervorhebend. Gestern sollte eine aus 3 Mitgliedern bestehende Deputation der Arbeiter bei der Bürgerschaft mit Subseriptionslisten herumgehen, damit diese durch freiwillige Zeichnungen von Beiträgen, den Gemeinderath in den Stand setze, die öffentlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu lassen.</p>
          <p>Die &#x201E;weichen Herzen&#x201C; unsrer Bourgeoisie und allerlei andere Erwägungen würden dieselbe gewiß bestimmt haben, reichliche Mittel dem Gemeinderath zur Disposition zu stellen. Es wurde hier an <hi rendition="#g">jeden Einzelnen</hi> die Forderung gestellt, die philantropischen Mitleidsphrasen mit der hülflosen Lage unsrer Arbeiter entweder zu behtätigen, &#x2012; oder sie entschieden zu desavouiren. Aber eben deshalb mißfiel die Sache unsrer fetten Bourgeoisie ganz ausnehmend. Sie wissen, wie feig diese Klasse in Deutschland ist, wenn sie als <hi rendition="#g">einzelne Persönlichkeiten</hi> mit Meinungen und Handlungen hervortreten soll; sie findet erst immer ihre Courage, wenn sie sich hinter ihre ganze Kaste, ihre Corporationen und Obrigkeiten verkriechen kann. Das war aber eben diesmal, das Faktische der von den Arbeitern beschlossenen Maßregel, daß dadurch die <hi rendition="#g">Einzelnen</hi> als solche angegangen und die Achillesse des Geldsacks an der Ferse ihrer persönlichen Unselbstständigkeit und eiteln Schwäche gefaßt werden sollten. Wie eine erschreckte Hürde Lämmer steckten sie ihre Köpfe zusammen; der Gemeinderath berieth, der Regierungspräsident berieth, was nur je Altenstaub in seinem Leben gekostet hatte berieth, wie diese unverschämte Demaskirung ihrer und ihrer Sippe Mägen, auf welche die Arbeiter so naiv losgingen, zu verhindern sei. Endlich wurde auch dafür ein Vademecum gefunden. Noch spät Abends am 12. d. erschien folgende Bekanntmachung:</p>
          <p>&#x201E;Ein an verschiedenen Straßenecken angeheftetes und in mehreren Häusern der Stadt abgegebenes Plakat, überschrieben: &#x201E;Bitte um Arbeit!&#x201C; veranlaßt das unterzeichnete Oberbürgermeisteramt, auf das <hi rendition="#g">Ungesetzliche</hi> dieses Schrittes aufmerksam machen. <hi rendition="#g">Nicht nur die unbefugten Collectanten, sondern auch diejenigen, welche ihnen Beiträge geben, sind straffällig.</hi> Es erfolgt daher an unsere Mitbürger die Aufforderung, diesem unbefugten Cellectiren in keiner Weise Vorschub zu leisten. Gemeinderath und städtische Verwaltung werden fortfahren Alles aufzubieten, um der Noth, wo sie wirklich vorhanden ist, entgegen zu wirken und zu diesem Zwecke die Mithülfe der Bürgerschaft in Anspruch zu nehmen, es wird aber auch jedem unbefugten Eingreifen in ihren Wirkungskreis mit allen gesetzlich zustehenden Mitteln entgegen getreten werden.&#x201C;</p>
          <p>Düsseldorf den 12. Oktober 1848.</p>
          <p>Das Oberbürgermeister-Amt, <hi rendition="#g">W. Dietze</hi> erster Beigeordneter.</p>
          <p>Sie werden lachen und meinen, unser Beigeordneter habe einen durchaus willkührlichen und gesetzlosen Akt begangen. Wie läßt sich Collectiren zu einem erlaubten und unbestreitbar verdienstlichen Zwecke, wie in aller Welt läßt sich besonders das Beisteuern zu einer Collecte verbieten! Wie kann man das milde Herz, das einen Beitrag gibt, für &#x201E;straffällig&#x201C; erklären! Aber in Deutschland ist die Willkühr nur möglich im Interesse der Freiheit. Im Interesse der Unfreiheit, des Zwanges, der Bevormundung und des Unsinns <hi rendition="#g">kann man bei uns gar nicht willkührlich sein,</hi> denn alle Willkühr liegt bei uns schon in den Gesetzen selbst. Es gibt nichts, was die Willkühr unsrer Gesetze noch übertreffen könnte. Und so habe ich denn nach langem Suchen richtig ein Regierungsrescript, gegeben in Düsseldorf am 31. Januar 1828, entdeckt, worin es heißt, daß &#x201E;da die Bürger so ofmit Collecten &#x201E;<hi rendition="#g">belästigt</hi>&#x201C; würden, jeder Collectant fortan von einem hohen Ober-Präsidio der Rheinprovinz erst die Erlaubniß beizuholen habe&#x201C;; ferner</p>
          <p>1) &#x201E;derjenige, welcher ohne eine <hi rendition="#g">bei sich tragende (!)</hi> die Autorisation der höheren Behörde zu einer Collecte beurkundende amtliche Bescheinigung auf dem Collectiren betrof- wird, verfällt in eine Polizeistrafe von drei bis fünf Thaler vorbehaltlich der in den Gesetzen bestimmten höheren Strafe.</p>
          <p>2) Auch diejenigen, welche dergleichen unbefugten und nicht gehörig legitimirten Collectanten <hi rendition="#g">einen Beitrag geben,</hi> sollen den Umständen nach mit einer <hi rendition="#g">Geldbuße von 10 Sgr. bis 3 Thlr. bestraft werden.(!!)</hi> </p>
          <p>Um also den Bürgern die Belästigung durch Collecten zu ersparen, findet die liebevolle Düsseldorfer Regierung für gut, die Bürger selbst da, wo sie zu der Collecte beigetragen haben und wo also doch die Präsumtion vorliegt, daß die Collecte sie nicht belästigt, sondern von denselben gebilligt worden sei, für die gehabte Belästigung mit einer Strafe von 10 Sgr. bis 3 Thlr. zu entschädigen!</p>
          <p>Es braucht übrigens kaum erwähnt zu werden, daß dieses Rescript vom 31. Jan. 2<gap reason="illegible"/>, auf welchem die Bekanntmachung des Beigeordneten allein beruht, auf den vorliegenden Fall durchaus nicht paßt. Was unsre Arbeiter beabsichtigten, war keine <hi rendition="#g">Collecte</hi> zu nennen, 1) weil sie keine <hi rendition="#g">Beiträge</hi> selbst in <hi rendition="#g">Empfang nahmen,</hi> sondern nur auf Subscriptionslisten die <hi rendition="#g">Erklärung</hi> sammeln wollten, wieviel jeder Bürger, nicht ihnen, sondern dem Gemeinderath zur Fortsetzung der Arbeiten zur Disposition stellen wollen. Collecte kann aber nur eine Einsammlung von materiellen Beiträgen, nicht eine &#x201E;Einsammlung von Erklärungen&#x201C; benannt werden; 2) ist eine Collecte nur eine Sammlung von <hi rendition="#g">Geschenken,</hi> von materiellen Leistungen, für welche <hi rendition="#g">keine Gegenleistung</hi> gegeben wird. Wenn Jemand ein Buch schreibt und Subscriptionslisten dafür herumgehen läßt, so kann das keine Collecte genannt werden. Es ist dies ein einfaches Geschäft, weil jeder Subseribent als Gegenleistung ein Exemplar des Werkes erhält. Eine Collecte wäre hier vorhanden, wenn die Arbeiter Geld zur Vertheilung unter sich etc. sammelten. Die Arbeiter aber wollen für die freiwilligen Beiträge, welche dem Gemeinderath und nicht ihnen entrichtet werden sollen, und welche sie selbst nur <hi rendition="#g">in der Form des Lohnes</hi> erhalten wollen <hi rendition="#g">als Gegenleistung</hi> Arbeiten verrichten, welche der Stadt und somit jedem Bürger zu Gut kommen. Es ist also hier nichts weniger vorhanden als ein Geschenk und eine Collecte; es ist vielmehr eine industrielle Operation. Das Alles weiß Herr Dietze so gut, wie Sie und ich, und es ist allerdings eine nicht geringe Persidie in seiner Bekanntmachung stets von &#x201E;Collectanten&#x201C; zu sprechen, während keine Collecte vorliegt und so unter gesetzlichem Scheine ein ungesetzliches Verbot zu erlassen. Aber was nützt das Alles! Die Bekanntmachung &#x2012; und gerade darum ist ihre Persidie so groß &#x2012; erreicht dennoch trefflich ihren Zweck. Denn wenn jetzt unsere Arbeiter zu den Bürgern mit ihren Subscriptionslisten herumgingen und wenn sie ihnen noch so treffend bewiesen, das, warum es sich handle, sei keine Collecte, und es ginge sie daher die Bekanntmachung des Herrn Dietze nichts an, &#x2012; unsere Bourgeois würden ihnen die Hände drücken, mit thränenden Augen versichern, ihre Noth rühre sie tief, Kisten und Kasten hätten bereits offen gestanden, ihnen zu helfen, &#x2012; wenn nur diese verwünschte Bekanntmachung des Beigeordneten nicht gekommen wäre! Jetzt aber ginge es beim besten Willen nicht mehr! Man könne doch nicht &#x201E;straffällig&#x201C; werden, man müsse doch den Gesetzen seines Landes nachleben etc.</p>
          <p>Da haben sie einen Bourgeois-Kniff in seiner faustdicken plumpen Schlauheit.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar118_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl>Berlin, 13. Oktober.</head>
          <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Nach Eröffnung der Sitzung wird eine königl. Botschaft verlesen, worin der Versammlung angezeigt wird, daß dieselbe, vor der Ertheilung der königl. Sanktion, das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe vom 8. August, einer nochmaligen Berathung zu unterwerfen habe, und wird vom Ministerium zugleich eine neue desfallsige Gesetzvorlage gemacht. Der §. 1 dieses neuen Gesetzes lautet:</p>
          <p>§. 1. Die Todesstrafe ist fort <gap reason="illegible"/> nur zulässig im Falle eines Kriegs- oder Belagerungszustandes, für alle andern Fälle ist sie abgeschafft.</p>
          <p>In Rücksicht auf den am 15. d. M. stattfindenden Geburtstag des Königs hat die Präsidial- und Direktorial-Konferenz beschlossen, mit Zuziehung einer durch das Loos zu bestimmenden Deputation von 25 Mitgliedern, dem Könige im Namen der Versammlung, ihren Glückwunsch darzubringen. Die Versammlung genehmigt diesen Vorschlag des Präsidenten stillschweigend.</p>
          <p>Unter den durch das Loos bestimmten 25 Mitgliedern zur Gratulationsdeputation befinden sich auch mehrere Mitglieder der äußersten Linken, wie <hi rendition="#g">Schramm, Esser u. A.</hi> Der König wird zur Feier seines Geburtstages sich hier einfinden.</p>
          <p>In Folge des noch immer fortdauernden gesetzwidrigen Belagerungszustandes der Stadt Posen hat der Abg. v. <hi rendition="#g">Pokrzywuicki</hi> folgenden dringenden Antrag gestellt:</p>
          <p>&#x201E;Die Versammlung wolle beschließen, daß das Staatsministerium aufzufordern sei, den Belagerungszustand der Festung Posen innerhalb 24 Stunden aufzuheben, oder in gleicher Frist die Zustimmung der Versammlung zum Fortbestande dieser Maßregel einzuholen.&#x201C;</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Minister-Präsident</hi> nimmt schon von Verlesung dieses Antrages das Wort und erklärt, daß er, in Folge seines der Versammlung gegebenen Versprechens, im Falle der Belagerungszustand der Stadt Posen nothwendig wäre, die nöthigen Vorlagen zur Einholung der Genehmigung dieser Versammlung machen würde. Es seien ihm aber von Posen noch keine genügende Berichte zugegangen, obgleich die dortigen Beamten die Fortdauer des Belagerungszustandes verlangen. Um nun die Sache zu erledigen, hat das Ministerium heute einen besonderen Commissaarius nach Posen gesendet, um sich in jeder Hinsicht Aufklärung zu verschaffen. Der Minister verspricht in 8 Tagen der Versammlung jedenfalls die nöthige Vorlage zu machen und bemerkte nur noch, daß der Belagerungszustand in Posen auf die <hi rendition="#g">mildeste</hi> Weise ausgeführt werde, da keine Bestimmung der Habeas-Corpus-Acte verletzt, die Preßfreiheit vollständig gewährt und nur das freie Vereinigungsrecht beschränkt werde. &#x2012;</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Pokrzyvincki:</hi> In der Sitzung vom 5. d. M. hat der Minister-Präsident v. Pfuel erklärt, daß er die Aufhebung des Belagerungszustandes der Festung Posen für den Fall angeordnet habe, wenn nicht eingetretene Umstände den Fortbestand nöthig machen sollten, in welchem Falle er den Beschluß der Versammlung entgegennehmen wolle. Wiewohl seither schon 8 Tage verflossen sind, während welcher dieser Gegenstand füglich erledigt werden konnte, ist der Versammlung bisher weder die Aufhebung des Belagerungszustandes bekannt gemacht, noch die Genehmigung des Fortbestandes desselben eingeholt worden. Darin liegt eine rechtswidrige Handlung des Ministeriums gegenüber der Versammlung und zugleich eine Rechtsverletzung der Einwohner Posens polnischer Nationalität, die um so schwerer ist, weil die dortigen Behörden, wie dem Ministerium bekannt geworden und bisher nicht gerügt worden ist, den Belagerungszustand vorschützend, auch solche Grundrechte verkümmern, die selbst im Falle eines Krieges oder Aufruhrs nicht suspendirt werden können. Jede Rechtsverletzung, die von der Regierung ausgeht, mehrt leicht begreiflich den Haß des bedrückten Volkes, und das muß im vorliegenden Falle um so mehr geschehen, als die vom Staats-Ministerium am 9. d. M. nachgesuchte Anmestie einiger bei der letzten Schilderhebung im Großherzogthum Posen betheiligter Personen, so sehr alles Rechtsgefühl und das erste Prinzip der Gerechtigkeit, die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, verletzt, daß sie nicht, wie beabsichtigt worden, Versöhnung der beiden Nationalitäten der Provinz Posen, sondern nur Zorn und Erbiiterung des tief verletzten Theils herbeiführen kann.</p>
          <p>Abg.<hi rendition="#g">Senger</hi> (aus Posen) behauptet, daß die Ruhe der Stadt Posen gefährdet sei, wenn der Belagerungszustand aufgehoben wird. Die Stadtverordneten in Posen haben sich ebenfalls für die Fortdauer des Be-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0591/0003] daß das konstitutionell-monarchische Prinzip in den Staaten Deutschlands immer gewahrt werden soll? Und mit welchem Recht das Reichsministerium eine solche Erklärung abgeben könne? Simon aus Trier interpellirt in Betreff der Wahl von Würth in Hohenzollern-Siegmaringen zur National-Versammlung. Diese Wahl sei fast mit Stimmenmehrheit geschehen, aber noch nicht vollzogen (Bravo!) Jahn (furchtbares Gelächter) interpellirt das Reichsministerium (hört!), ob es Kunde habe von einer ungeheuren geheimen und entsetzlichen Demokratenverschwörung und beabsichtigten großen Meuterei und Mezelei, welche in Berlin in diesen Tagen zur Ausführung kommen soll? (Ungeheure Heiterkeit Bravo links. Schmerling lacht). Präsident: Das Reichsministerium wird alle Interpellationen bis Montag beantworten. Schmerling antwortet auf eine Interpellation Beda-Webers wegen der Trennungsverhältnisse von Welsch- und Deutsch-Tyrol. Es lasse sich voraussetzen, daß das österreichische Ministerium die von der Reichsversammlung Betreffs Tyrol gefaßten Beschlüsse aufrecht erhalten werde. Weber behält sich einen Antrag vor. Jordan aus Berlin hält es für gut, den Mord von Auerswald und Lichnowsky der Versammlung abermals ins Gedächtniß zu rufen, indem er die Verlesung der beiden durch die Zeitung längst bekannten Adressen der Wahlmänner jener beiden Abgeordneten an die National-Versammlung beantragt. Dieser Antrag wird mit Ausnahme weniger Mitglieder von der Versammlung angenommen. Der Präsident Gagern selbst verliest die Adessen. Sie werden mit tiefer Stille angehört. Benedey beantragt dringlich: „Das Reichsministerium solle auf jede Weise den Wiener Reichstag in Schutz nehmen und die deutschen Truppen erforderlichen Falls zur Verfügung des Reichseags stellen.“ (Bravo links.) Hierzu wird ein Zusatzantrag eingegeben, welcher eine Kommisson von 15 Abgeordneten verlangt zur Prüfung aller bezüglich Oesterreich eingehender Anträge. Diese beiden Anträge bleiben vorläufig unberührt, weil auf die Frage des Präsidenten, obwohl mit sehr zweifelhafter Majorität, beschlossen wird, zur Tagesordnung überzugehen. Tagesordnung. 11 Uhr. Simson präsidirt. Ueber den Punkt 1 derselben (s. oben) sprechen Beseler, Mölling, M. Mohl (dieser unter Schlußruf) alle drei ohne Theilnahme Rauwerk: (Schluß.) Man solle bei den Grundrechten bleiben, nicht zu etwas anderm z. B. zur Berathung des Verfassungsentwurfs übergehen. Die Grundrechte möchten uterdessen versauern. (Murren. Bravo!) Empfiehlt Schoders Antrag. Das deutsche Volk möchte vielleicht einmal einen „kühnen Mißgriff“ thun. (Bravo links und Centren). Plathner stimmt mit Schoder theilweise überein. Erklärt sich gegen v. Trützschlers Antrag. Ein energisches Mittel zur Verkürzung der Berathungen müsse gefunden werden. Aber er hofft, man wird dem deutschen Volke seine Grundrechte bald bieten können, ohne (wie Hr. Rauwerk meint) daß das deutsche Volk nöthig haben wird, nochmals einen kühnen Griff zu thun. (Links höhnisch Bravo). Graf Wartensleben glaubt, sein Antrag spreche genügend für sich selber etc. Waiz: Die dem Verfassungsausschuß gemachten Vorwürfe der zu geringen Thätigkeit habe derselbe nicht verdient. (Schluß!) Der Schluß der Debatte wird angenommen und es sprechen noch die Antragsteller Schoder und v. Trützschler. Hierauf gibt Herr Vicepräsident Simson noch allen Antragstellern aus eigener Machtvollkommenkenheit gegen die Geschäftsordnung das Wort und will sogar zuletzt noch Hrn. Beseler das Wort geben, weil derselbe (aber viel zu spät) im Namen der Majorität des Verfassungsausschusses zu Schoders und v. Trützschlers Antrag, vier Anträge hinterdrein gestellt hat. Hierdurch erhebt sich eine lange, heftige und parteigehässige Debatte und Tumult. Endlich wird Hrn. Beseler, obschon mit schwacher Majorität, das Wort nicht gegeben. (Bravo links und Gallerien.) Es erfolgt daher, nach einer längeren Debatte über die Fragestellung, die Abstimmung. Abstimmung. Ein Antrag des Verfassungsausschusses. „Den noch nicht berathenen Theil der Grundrechte vorläufig zurückzustellen, damit die Abschnitte über Reich und Reichsgewalt unverzüglich zur Berathung kommen können“ wird mit schwacher Majorität angenommen. Ein Antrag von Schoder: Die Nationalversammlung wolle ihren Willen dahin aussprechen: „daß der Verfassungsausschusses sogleich die gefaßten Beschlüsse über die Grundrechte zusammenstelle und die Zusammenstellung so zeitig drucken lasse, daß die zweite Berathung und Abstimmung so schleunig als möglich beginnen könne“, wird bei Zählung mit 184 Stimmen gegen 170 Stimmen abgelehnt. Ein Antrag des Verfassungsausschusses: „Den Theil der Grundrechte, welcher nach Schoders genehmigten Antrag nach der zweiten Lesung herausgegeben werden soll, zu schleuniger Revision (!) behufs der zweiten Lesung an den Verfassungsausschuß zurückzugeben“, wird mit schwacher Majorität angenommen. von Trützschlers Anträge: „Wir beantragen daß bei der zweiten Berathung der Grundrechte folgende Bestimmungen beobachtet werden: 1) Es wird kein Amendement zugelassen, welches nicht von wenigstens 50 Abgeordneten unterschrieben ist. 2) Zur Begründung eines von wenigstens 50 Abgeordneten gestellten Amendements wird einem Redner, den die Unterzeichner erwählen, das Wort gegeben. 3) Nach Beendigung der Rede desselben wird die Frage, ob Discussion verlangt werde, gestellt. 4) Wenn wenigstens 100 Abgeordnete die Discussion verlangen, so wird dieselbe eröffnet, und zwischen den Rednern für und gegen das Amendement abgewechselt, in der Weise, daß ein Redner gegen das Amendement beginnt. 5) Zuletzt erhält der Berichterstatter des Ausschusses das Wort, und zwar in jedem Falle, mag die Discussion beschlossen sein oder nicht,“ werden verworfen. Angenommen wird ein Antrag des Verfassungsaasschusses: „für den vorliegenden Theil des Verfassungsentwurfs eine zweite Lesung ebenfalls festzusetzen, und drei wöchentliche Sitzungen für die Berathung der Verfassung (beginnend mit nächstem Montag) zu bestimmen, die übrige Zeit den Grundrechten zu widmen.“ Hierauf werden die Wahlzettel zu den Ersatzwahlen ad 9 der Tagesordnung eingesammelt. Punkt 2 der Tagesordnung (S. oben) wird durch Annahme des Antrags: „Die hohe Nationalversammlung wolle sämmtliche (unten) angegebene Eingaben ohne weitere Beschlußfassung ad acta nehmen“, erledigt. Punkt 3 der Tagesordnung (S. oben). Schoder (mit der Uhr in der Hand): „Meine Herren, es ist 1/2 2 Uhr, (Gelächter) man wird diesen vorliegenden Punkt nicht mehr genügend erörtern, ich bitte ihn auf eine der nächsten Tagesordnungen zu setzen.“ Dies wird verworfen. ‒ Die Diskussion beginnt mit Schoder. Schoders Antrag lautet: „Die Nationalversammlung wolle ihre feste und unumwundene Ueberzeugung dahin aussprechen, daß in denjenigen Ländern, wo die Leistungen des Staats für den Regenten und seine Familie (Civilliste, Nadel- und Sustentationsgelder, Apanagen u. s. w.) nicht in richtigem Verhältnisse mit den Kräften des Volkes stehen, eine gleichbaldige Verzichtleistung des Regenten und der betreffenden Angehörigen seiner Familie auf einen entsprechenden Theil der ihnen nach den bis jetzt bestehenden Gesetzen aus der Staatskasse zu leistenden Gelder dringend nothwendig sei. Der Ausschuß hat über diesen Antrag einfache Tagesordnung beantragt. Schoder findet, daß dieser Antrag mit etwas Leichtigkeit und Oberflächlichkeit gefaßt sei. ‒ Schoder spricht von dem sogenannten republikanischen Rechenexempel; welches die den Fürsten seit 33 Jahren gespendeten Millionen mit der Einfachheit einer republikanischen Verfassung vergleicht. Machen Sie es nicht so wie der Bundestag, der sich competent erklärte für die Rechte der Fürsten und Verbindlichkeiten der Völker, aber incompetent für die Verbindlichkeiten der Fürsten und Rechte der Völker. (Lauter Beifall). Remer (Stuttgart) für den Antrag des Ausschusses, welcher es unpassend gefunden, einen solchen Wunsch wie Schoders Antrag enthält, den Fürsten gegenüber auszusprechen. ‒ Für die Mediatisirung der kleinern Fürsten. (Bravo). Vischer (Tübingen) hält einen metaphorischen Vortrag für Verminderung der Civillisten. Zweierlei Heilmethoden sind für den Unwillen des Volkes denkbar. Die eine ist die Chirurgisch, d.h. die mit Kartätschen und Kanonen, und diese ist jetzt beliebt. ‒ Ich halte nur die homöopathische Heilmethode hier für anwendbar. (Bravo). Schluß! Vertagung! ‒ Tumult! Der Schluß der Debatte wird abgelehnt. Die Vertagung dito. Michelsen: für den Antrag auf Tagesordnung (erregt großes Mißfallen links!) Mittlerweile geht ein Antrag von Nauwerk ein, welcher geoße Heiterkeit erregt, weil er die Civillisten der Fürsten nach dem bürgerlichen Maß herabsetzen will. Michelsen's Rede erregt mißbilligende Aeußerungen links. Schaffrath vom Platz: „Der Redner ist nicht bei der Sache!“ Schlöffel vom Platz widerspricht einigen falschen Insinuationen des Redners. Präsident ruft Schlöffel zur Ordnung Schlöffel bemerkt etwas. Präsident nennt Schlöffels Betragen „unschicklich!“ Gottschalk widerlegt den vorigen Redner aus Erfahrung. Man habe dem Volk noch keine Erleichterungen gebracht bis jetzt. (Sehr wahr! links). Wir müssen zuförderst dahin blicken, wo verschwendet wird, auf die großen Civillisten. Im Namen der Ruhe, Freiheit und Einheit des Vaterlandes fordere ich Sie auf, fassen Sie einen andern Beschluß als der Ausschuß beantragt. ‒ Der Bericht soll nochmals an den Ausschuß zu näherer Prüfung zurückgegeben werden. Behält sich namentliche Abstimmung für den Antrag des Ausschusses vor. Wesendonk bringt noch eine motivirte Tagesordnung, obschon freilich mit andern Motiven als der Ausschuß. von Vinke rügt den Präsidenten wegen einer Verletzung der Geschäftsordnung, betreffend die Abstimmung über den Schluß der Debatte Schlöffel nimmt das Wort in einer persönlichen Angelegenheit, beginnt aber seine Rede mit einer Einleitung, die sich auf die Hungerpest in der Provinz Schlesien bezieht. Im Ganzen scheint Schlöffel darauf hinaus zu wollen, den Abgeordneten Michelsen wegen dessen eben gehaltener Rede (S. oben) anzugreifen. Schlöffel kommt aber nicht zum Worte. Die Centren toben gegen ihn. Der Präsident in der höchsten Aufregung und heftigem Zorn verlangt, daß Schlöffel von der Tribüne herunter soll. Die Centren unterstützen den Präsidenten durch das Geschrei: „herunter!“ Durch Wigard bewogen, verläßt endlich Schlöffel die Tribune. Die Debatte wird geschlossen. Es spricht der Berichterstatter Scheller. Man ist sehr unruhig und ruft häufig Schluß. Gottschalk beantragt die namentliche Abstimmung für die Anträge des Ausschusses Wird nicht genügend unterstützt. Die einfache Tagesordnung über Schoders Antrag wird angenommen. ‒ Hierauf wird um 3 Uhr die Sitzung vertagt. Morgen keine Sitzung. Frankfurt, 13. Okt. Die Abgeordneten Blum, M. Hartmann, Fröbel, Boczek und Trambusch sind heute nach Wien ab gereist. Sie überbringen dorthin folgende, von etwa 130 Mitgliedern der Nationalversammlung unterzeichnete Adresse: „An die Wiener! Eure großartige Erhebung hat unsere ganze Bewunderung erregt. Der blutige Kampf, den Ihr so glorreich bestanden habt, ist auch für uns, Eure Brüder, bestanden worden. Wir wissen, daß Ihr auch ferner wie bisher fortfahren werdet in Euren Bestrebungen, und daß Ihr dem übrigen Deutschland voranleuchten werdet durch Mannes Muth und Energie. Wir senden Euch fünf unserer Freunde, um unsere ungetheilte Hochachtung und unsere innige Dankbarkeit für Eure Verdienste um die Freiheit auszudrücken.“ (Fr. I.) Frankfurt. Das Frankfurter Journal enthält folgende Erklärung: „Die heutige Nr. der Ober-Postamts-Zeitung (das Organ des Reichsministeriums) enthält mehrere Mittheilungen aus Briefen, welche sich einige schwarzgelbe Männer aus Wien schreiben ließen. Es wird in diesen anonymen Mittheilungen über die letzte Bewegung in Wien auf die frechste Weise der Wahrheit ins Gesicht geschlagen, und so weit gegangen, zu behaupten, daß ungarisches Geld die Bürgererhebung verursacht habe. So versucht man auf unverantwortliche Weise das Sträuben der deutschen Bevölkerung Wiens und der dortigen deutschen Garnison in die Schlinge der schwarzgelben Politik zu ziehen, welche Oestreich und Deutschland an Rußland verkaufen will, als eine gemeine Verschwörung darzustellen. Die Unterzeichneten können nicht umhin, ihre gerechte Entrüstung über diese neue schwarzgelbe Persidie auszudrücken und ihr Bedauern auszusprechen, daß das Ministerium sein Organ nicht besser beaufsichtigt. Frankfurt, den 11. Okt. 1848. Joseph Rank, Abg. aus Böhmen. Reitter, Abg. aus Böhmen. M. Hartmann, aus Böhmen. Berger, aus Wien. 109 Düsseldorf, 14. October. Ich habe Ihnen heute zu berichten, zu welchem Resultate vorläufig der Appell an den Geldsack geführt hat, welchen unsre Arbeiter auf die Antwort des Stadtraths, daß ihm die finanzillen Mittel fehlen, sie weiter zu beschäftigen, eingelegt haben. Plakate, wie sie bereits wissen, wurden von den Arbeitern an den Straßenecken angeschlagen, in würdiger und fast rührend einfacher Weise ihre erbarmenswürdige Noth und das ewige Recht des Menschen auf Arbeit hervorhebend. Gestern sollte eine aus 3 Mitgliedern bestehende Deputation der Arbeiter bei der Bürgerschaft mit Subseriptionslisten herumgehen, damit diese durch freiwillige Zeichnungen von Beiträgen, den Gemeinderath in den Stand setze, die öffentlichen Arbeiten wieder aufnehmen zu lassen. Die „weichen Herzen“ unsrer Bourgeoisie und allerlei andere Erwägungen würden dieselbe gewiß bestimmt haben, reichliche Mittel dem Gemeinderath zur Disposition zu stellen. Es wurde hier an jeden Einzelnen die Forderung gestellt, die philantropischen Mitleidsphrasen mit der hülflosen Lage unsrer Arbeiter entweder zu behtätigen, ‒ oder sie entschieden zu desavouiren. Aber eben deshalb mißfiel die Sache unsrer fetten Bourgeoisie ganz ausnehmend. Sie wissen, wie feig diese Klasse in Deutschland ist, wenn sie als einzelne Persönlichkeiten mit Meinungen und Handlungen hervortreten soll; sie findet erst immer ihre Courage, wenn sie sich hinter ihre ganze Kaste, ihre Corporationen und Obrigkeiten verkriechen kann. Das war aber eben diesmal, das Faktische der von den Arbeitern beschlossenen Maßregel, daß dadurch die Einzelnen als solche angegangen und die Achillesse des Geldsacks an der Ferse ihrer persönlichen Unselbstständigkeit und eiteln Schwäche gefaßt werden sollten. Wie eine erschreckte Hürde Lämmer steckten sie ihre Köpfe zusammen; der Gemeinderath berieth, der Regierungspräsident berieth, was nur je Altenstaub in seinem Leben gekostet hatte berieth, wie diese unverschämte Demaskirung ihrer und ihrer Sippe Mägen, auf welche die Arbeiter so naiv losgingen, zu verhindern sei. Endlich wurde auch dafür ein Vademecum gefunden. Noch spät Abends am 12. d. erschien folgende Bekanntmachung: „Ein an verschiedenen Straßenecken angeheftetes und in mehreren Häusern der Stadt abgegebenes Plakat, überschrieben: „Bitte um Arbeit!“ veranlaßt das unterzeichnete Oberbürgermeisteramt, auf das Ungesetzliche dieses Schrittes aufmerksam machen. Nicht nur die unbefugten Collectanten, sondern auch diejenigen, welche ihnen Beiträge geben, sind straffällig. Es erfolgt daher an unsere Mitbürger die Aufforderung, diesem unbefugten Cellectiren in keiner Weise Vorschub zu leisten. Gemeinderath und städtische Verwaltung werden fortfahren Alles aufzubieten, um der Noth, wo sie wirklich vorhanden ist, entgegen zu wirken und zu diesem Zwecke die Mithülfe der Bürgerschaft in Anspruch zu nehmen, es wird aber auch jedem unbefugten Eingreifen in ihren Wirkungskreis mit allen gesetzlich zustehenden Mitteln entgegen getreten werden.“ Düsseldorf den 12. Oktober 1848. Das Oberbürgermeister-Amt, W. Dietze erster Beigeordneter. Sie werden lachen und meinen, unser Beigeordneter habe einen durchaus willkührlichen und gesetzlosen Akt begangen. Wie läßt sich Collectiren zu einem erlaubten und unbestreitbar verdienstlichen Zwecke, wie in aller Welt läßt sich besonders das Beisteuern zu einer Collecte verbieten! Wie kann man das milde Herz, das einen Beitrag gibt, für „straffällig“ erklären! Aber in Deutschland ist die Willkühr nur möglich im Interesse der Freiheit. Im Interesse der Unfreiheit, des Zwanges, der Bevormundung und des Unsinns kann man bei uns gar nicht willkührlich sein, denn alle Willkühr liegt bei uns schon in den Gesetzen selbst. Es gibt nichts, was die Willkühr unsrer Gesetze noch übertreffen könnte. Und so habe ich denn nach langem Suchen richtig ein Regierungsrescript, gegeben in Düsseldorf am 31. Januar 1828, entdeckt, worin es heißt, daß „da die Bürger so ofmit Collecten „belästigt“ würden, jeder Collectant fortan von einem hohen Ober-Präsidio der Rheinprovinz erst die Erlaubniß beizuholen habe“; ferner 1) „derjenige, welcher ohne eine bei sich tragende (!) die Autorisation der höheren Behörde zu einer Collecte beurkundende amtliche Bescheinigung auf dem Collectiren betrof- wird, verfällt in eine Polizeistrafe von drei bis fünf Thaler vorbehaltlich der in den Gesetzen bestimmten höheren Strafe. 2) Auch diejenigen, welche dergleichen unbefugten und nicht gehörig legitimirten Collectanten einen Beitrag geben, sollen den Umständen nach mit einer Geldbuße von 10 Sgr. bis 3 Thlr. bestraft werden.(!!) Um also den Bürgern die Belästigung durch Collecten zu ersparen, findet die liebevolle Düsseldorfer Regierung für gut, die Bürger selbst da, wo sie zu der Collecte beigetragen haben und wo also doch die Präsumtion vorliegt, daß die Collecte sie nicht belästigt, sondern von denselben gebilligt worden sei, für die gehabte Belästigung mit einer Strafe von 10 Sgr. bis 3 Thlr. zu entschädigen! Es braucht übrigens kaum erwähnt zu werden, daß dieses Rescript vom 31. Jan. 2_ , auf welchem die Bekanntmachung des Beigeordneten allein beruht, auf den vorliegenden Fall durchaus nicht paßt. Was unsre Arbeiter beabsichtigten, war keine Collecte zu nennen, 1) weil sie keine Beiträge selbst in Empfang nahmen, sondern nur auf Subscriptionslisten die Erklärung sammeln wollten, wieviel jeder Bürger, nicht ihnen, sondern dem Gemeinderath zur Fortsetzung der Arbeiten zur Disposition stellen wollen. Collecte kann aber nur eine Einsammlung von materiellen Beiträgen, nicht eine „Einsammlung von Erklärungen“ benannt werden; 2) ist eine Collecte nur eine Sammlung von Geschenken, von materiellen Leistungen, für welche keine Gegenleistung gegeben wird. Wenn Jemand ein Buch schreibt und Subscriptionslisten dafür herumgehen läßt, so kann das keine Collecte genannt werden. Es ist dies ein einfaches Geschäft, weil jeder Subseribent als Gegenleistung ein Exemplar des Werkes erhält. Eine Collecte wäre hier vorhanden, wenn die Arbeiter Geld zur Vertheilung unter sich etc. sammelten. Die Arbeiter aber wollen für die freiwilligen Beiträge, welche dem Gemeinderath und nicht ihnen entrichtet werden sollen, und welche sie selbst nur in der Form des Lohnes erhalten wollen als Gegenleistung Arbeiten verrichten, welche der Stadt und somit jedem Bürger zu Gut kommen. Es ist also hier nichts weniger vorhanden als ein Geschenk und eine Collecte; es ist vielmehr eine industrielle Operation. Das Alles weiß Herr Dietze so gut, wie Sie und ich, und es ist allerdings eine nicht geringe Persidie in seiner Bekanntmachung stets von „Collectanten“ zu sprechen, während keine Collecte vorliegt und so unter gesetzlichem Scheine ein ungesetzliches Verbot zu erlassen. Aber was nützt das Alles! Die Bekanntmachung ‒ und gerade darum ist ihre Persidie so groß ‒ erreicht dennoch trefflich ihren Zweck. Denn wenn jetzt unsere Arbeiter zu den Bürgern mit ihren Subscriptionslisten herumgingen und wenn sie ihnen noch so treffend bewiesen, das, warum es sich handle, sei keine Collecte, und es ginge sie daher die Bekanntmachung des Herrn Dietze nichts an, ‒ unsere Bourgeois würden ihnen die Hände drücken, mit thränenden Augen versichern, ihre Noth rühre sie tief, Kisten und Kasten hätten bereits offen gestanden, ihnen zu helfen, ‒ wenn nur diese verwünschte Bekanntmachung des Beigeordneten nicht gekommen wäre! Jetzt aber ginge es beim besten Willen nicht mehr! Man könne doch nicht „straffällig“ werden, man müsse doch den Gesetzen seines Landes nachleben etc. Da haben sie einen Bourgeois-Kniff in seiner faustdicken plumpen Schlauheit. 103 Berlin, 13. Oktober. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Nach Eröffnung der Sitzung wird eine königl. Botschaft verlesen, worin der Versammlung angezeigt wird, daß dieselbe, vor der Ertheilung der königl. Sanktion, das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe vom 8. August, einer nochmaligen Berathung zu unterwerfen habe, und wird vom Ministerium zugleich eine neue desfallsige Gesetzvorlage gemacht. Der §. 1 dieses neuen Gesetzes lautet: §. 1. Die Todesstrafe ist fort _ nur zulässig im Falle eines Kriegs- oder Belagerungszustandes, für alle andern Fälle ist sie abgeschafft. In Rücksicht auf den am 15. d. M. stattfindenden Geburtstag des Königs hat die Präsidial- und Direktorial-Konferenz beschlossen, mit Zuziehung einer durch das Loos zu bestimmenden Deputation von 25 Mitgliedern, dem Könige im Namen der Versammlung, ihren Glückwunsch darzubringen. Die Versammlung genehmigt diesen Vorschlag des Präsidenten stillschweigend. Unter den durch das Loos bestimmten 25 Mitgliedern zur Gratulationsdeputation befinden sich auch mehrere Mitglieder der äußersten Linken, wie Schramm, Esser u. A. Der König wird zur Feier seines Geburtstages sich hier einfinden. In Folge des noch immer fortdauernden gesetzwidrigen Belagerungszustandes der Stadt Posen hat der Abg. v. Pokrzywuicki folgenden dringenden Antrag gestellt: „Die Versammlung wolle beschließen, daß das Staatsministerium aufzufordern sei, den Belagerungszustand der Festung Posen innerhalb 24 Stunden aufzuheben, oder in gleicher Frist die Zustimmung der Versammlung zum Fortbestande dieser Maßregel einzuholen.“ Der Minister-Präsident nimmt schon von Verlesung dieses Antrages das Wort und erklärt, daß er, in Folge seines der Versammlung gegebenen Versprechens, im Falle der Belagerungszustand der Stadt Posen nothwendig wäre, die nöthigen Vorlagen zur Einholung der Genehmigung dieser Versammlung machen würde. Es seien ihm aber von Posen noch keine genügende Berichte zugegangen, obgleich die dortigen Beamten die Fortdauer des Belagerungszustandes verlangen. Um nun die Sache zu erledigen, hat das Ministerium heute einen besonderen Commissaarius nach Posen gesendet, um sich in jeder Hinsicht Aufklärung zu verschaffen. Der Minister verspricht in 8 Tagen der Versammlung jedenfalls die nöthige Vorlage zu machen und bemerkte nur noch, daß der Belagerungszustand in Posen auf die mildeste Weise ausgeführt werde, da keine Bestimmung der Habeas-Corpus-Acte verletzt, die Preßfreiheit vollständig gewährt und nur das freie Vereinigungsrecht beschränkt werde. ‒ Abg. v. Pokrzyvincki: In der Sitzung vom 5. d. M. hat der Minister-Präsident v. Pfuel erklärt, daß er die Aufhebung des Belagerungszustandes der Festung Posen für den Fall angeordnet habe, wenn nicht eingetretene Umstände den Fortbestand nöthig machen sollten, in welchem Falle er den Beschluß der Versammlung entgegennehmen wolle. Wiewohl seither schon 8 Tage verflossen sind, während welcher dieser Gegenstand füglich erledigt werden konnte, ist der Versammlung bisher weder die Aufhebung des Belagerungszustandes bekannt gemacht, noch die Genehmigung des Fortbestandes desselben eingeholt worden. Darin liegt eine rechtswidrige Handlung des Ministeriums gegenüber der Versammlung und zugleich eine Rechtsverletzung der Einwohner Posens polnischer Nationalität, die um so schwerer ist, weil die dortigen Behörden, wie dem Ministerium bekannt geworden und bisher nicht gerügt worden ist, den Belagerungszustand vorschützend, auch solche Grundrechte verkümmern, die selbst im Falle eines Krieges oder Aufruhrs nicht suspendirt werden können. Jede Rechtsverletzung, die von der Regierung ausgeht, mehrt leicht begreiflich den Haß des bedrückten Volkes, und das muß im vorliegenden Falle um so mehr geschehen, als die vom Staats-Ministerium am 9. d. M. nachgesuchte Anmestie einiger bei der letzten Schilderhebung im Großherzogthum Posen betheiligter Personen, so sehr alles Rechtsgefühl und das erste Prinzip der Gerechtigkeit, die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, verletzt, daß sie nicht, wie beabsichtigt worden, Versöhnung der beiden Nationalitäten der Provinz Posen, sondern nur Zorn und Erbiiterung des tief verletzten Theils herbeiführen kann. Abg.Senger (aus Posen) behauptet, daß die Ruhe der Stadt Posen gefährdet sei, wenn der Belagerungszustand aufgehoben wird. Die Stadtverordneten in Posen haben sich ebenfalls für die Fortdauer des Be-

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 118. Köln, 16. Oktober 1848, S. 0591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz118_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.