Neue Rheinische Zeitung. Nr. 122. Köln, 21. Oktober 1848.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 122. Köln, Samstag den 21. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (Postbekanntmachung. - Verrätherisches System des Reichstags. - Komplimente zwischen dem Reichstage und Jellachich. Gräuelthaten der Croaten - Vertheidigungsmittel von Wien. - Die Ungarn. - Der Hof in Olmütz. - Konstitutionelle Erbärmlichkeiten. - Messaros. - Mißhandlungen mißliebiger Reisenden. - Wickenburg. - Eine Verhaftung. - Volksstimmung. - Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter). Frankfurt. (Deputation der Centralgewalt nach Wien). Mannheim. (Polizeiwillkühr). Wiesbaden. (Ein Plakat). Berlin. (Vereinbarungssitzung. - Abtheilungssitzung. - Das Begräbniß der Arbeiter. - Der Sicherheitsausschuß. - Ein Beschluß der Stadtverordnetenversammlung). Anhalt-Bernburg. (Auch eine Revolution). Sachsenmeiningen-Hildburghausen. (Reichstruppen. - Verhaftungen). Schleswig. (Landesversammlung). Polen. (Die Russen. - Bildung polnischer Freikorps in Galizien). Ungarn. Pesth. (Waffenglück der Ungarn). Italien. Neapel. (Die englisch-französische Vermittlung). Mailand. (Zustand der Stadt). Turin (Eindrücke der Wiener Nachrichten. - Das Ministerium). - Pavia. Holland. (Das Gefecht auf Java). Franz. Republik. Paris. (Cavaignac. - Lamartine. - Ledru Rollin. - Die französische "gute" Presse über die deutsche Demokratie und Jellachich. National-Versammlung. - Vermischte Nachrichten). Spanien. Madrid. (Die Montemolinisten. - Cabrera). Großbritannien. London. (Der "Standard" über Wien). Deutschland. 61 Wien, 16. Okt. Das Hof-Post-Amt, dessen erster Titel vom Volke überall mit Koth beworfen ward, hat durch Maueranschlag gestern bekannt gemacht, daß westeuropäische Briefe der kriegerischen Umstände wegen nur bis 2 Uhr Mittags aufgegeben werden können, damit sie noch vor Eintritt der Dämmerung die Linien Wien's passiren. Plakate werden kaum mehr angenommen. Das Volk mißtraut auch dieser Post und hält sie für eine Polizeistube, aus welcher der Geist Sedlnitzky der Kamarilla in Olmütz Berichte erstattet. Unsere andern Zustände sind seit gestern und vorgestern fast dieselben geblieben. Der Reichstag begeht immer neue Infamien und sinkt im Volke zu immer tieferer Verachtung, die ihm in der kürzesten Zeit den Hals brechen muß. Statt die Wien mit ihren k. k. Raub- und Mordgesellen umlagernden, das Land rundumher abfressenden und die Bauern entwaffnenden Banditen-Generale Auersperg und Jellachich schon beim ersten feindlichen Auftreten und Trotzen als Volks- und Freiheits-Verräther in die Acht zu thun, das ungarische Heer herbeizurufen und das Wiener, so vortreffliche Volk zum Kampf zu begeistern und zu führen, tritt der hohe Reichstag diesen Don Quixott's Se. kroatischen Majestät noch immer mit den Bücklingen eines im Fürstensalon verirrten Bauern entgegen, der mit seinem plumpen Rücken dabei dem Volke in die Rippen fährt, bis es ihn hinauswirft. Als es bekannt wurde, daß die Ungarn an der österreichischen Gränze seien, ward Jellachich unheimlich zu Muthe, und er schrieb darum an den hohen Reichstag, "er wolle die freien Institutionen des Vaterlandes schützen und habe dies durch seine Verhältnisse zu der in Ungarn herrschenden Partei bewiesen u. s. w." (Vergl. die gestr. Ztg.) Auf diese unglaublich freche Don Quixottionade wußte der hohe Reichstag sub duce des demokratischen Pfaffen Borrosch und des politischen Idioten Schuselka und anderer Volksverräther nichts weiter zu antworten, als dieses: "Euer Exzellenz! Auf die am heutigen Tage erhaltene Zuschrift läßt der konstitutionelle Reichstag durch den Ausschuß erklären: Es ist eine Deputation (schon die 5.) an Se. Majestät abgegangen, um ihn (welches deutsch!) zu bewegen, den Friedensvorschlägen Gehör zu geben. In der Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg dieses Schrittes hat der Reichstag Alles aufgeboten, um das kampflustige Volk von Wien und die herbeiziehenden Schaaren des Landsturms von offensiven Feindseligkeiten abzuhalten. (Die sich selber hochrühmende Feigheit und Dummheit ist doch gränzenlos!) Se. Majestät hat durch den Fürsten Lobkowitz die Versicherung geben lassen, die beiden Kommandirenden würden Wien nicht angreifen. (Der Kaiser und Hof behandelten die diese Versicherung empfangende Deputation mit der größten Verachtung, und da der hohe Reichstag dies vorausgesetzt haben mußte, so hatte man derselben den frühern Schulmeister Lobkowitzens, den mit dem italienischen Heer zweimal durchgefallenen Selinger, beigegeben, damit wenigstens Fürst Lobkowitz die Deputation nicht vor die Thüre werfen lasse.) Allein die von Euer Exzellenz befohlene Entwaffnung der Nationalgarden in den umliegenden Ortschaften, die drückenden Requisitionen, die Hemmung der Passage und das Absperren der Zufuhren von Lebensmitteln stehen mit diesen Versprechungen in so grellem Widerspruche, daß der Reichstag, auf diese Thatsachen gestützt, entschieden protestiren muß. (O deutsche Idioten!) Der Reichstag hat die Ungarn nicht in's Land gerufen, (er bietet im Gegentheile unter der Hand alles auf, damit sie nicht kommen) und kann sie ebensowenig hinausdekretiren u. s. w. Der Reichstag kennt kein anderes Mittel (ein solcher Reichstag kann natürlich kein Wanzenvertilgungsmittel sein) den Frieden herzustellen, als wenn den entwaffneten Nationalgarden ihre Waffen zurückgegeben werden und Sie in Ihre Heimath zurückkehren u. s. w." - Man beeilte sich, diese Salbe des hohen reichstäglichen Quacksalbers sofort an die Straßenecken zu pappen, weil man einen acte d'energie ausgeübt zu haben glaubte, allein das Volk, von einer andern, leider immer zurückgedrängten, Energie beseelt, bewarf diese Borrosch-Schuselka'sche Kretinen-Energie mit Straßenkoth. - Noch unglaublicher als der Reichstag benimmt sich die sogenannte ultraradikale Presse. Der Freimüthige sagt z. B. hierbei: "Im Bewußtsein seines Rechtes und der guten Sache, für die er einsteht, tritt der Reichstag fest, würdig und entschieden auf" Die kalkulirende Feigheit unserer Presse ist unsere größte Schmach. Wie gut es dieser hohe Reichstag mit dem Volke meint, wissen Sie ja bereits, da ich Ihnen geschrieben, daß er dem Minister Krauß für die Banditengeneräle 8, der Bank zu entnehmende, Millionen bewilligt hat, während er zur Erhaltung des in immer tieferes Elend versinkenden Volks nur 200,000 Fl. hergeben konnte; wie gut es dieser Reichstag mit dem Volke meint, geht auch noch daraus hervor, daß er die im Parke Schwarzenberg's von dem für Insulte so empfindlichen k. k. Militär an Leuten aus dem Volke begangenen, an Scheußlichkeit die Phantasie der entsetzlichsten Kannibalen haarsträubenden Mordthaten, deren Opfer das Volk ihm unter die Nase trug, mit Stillschweigen übergangen hat. Diese, von den Soldatenkannibalen Se. k. k. apostolischen Majestät, begangenen Mordthaten, übersteigen so alle Phantasiestücke in Callot's Manier, daß ich ein Wort darüber verlieren muß, leider nur ein Wort. Der Park des Belvedere und der Schwarzenberg's sind von den Hyänen des Absolutismus zu diesen Mordthaten übermäßig benutzt worden. In der Nacht griff man die unschuldig Vorübergehenden auf, brachte sie zu den hellauflodernden Wachtfeuern und mordete sie hier mit satanischer Besonnenheit und Langsamkeit. Offiziere und Mannschaften saßen dabei um's Feuer und überheulten das Verzweiflungsgestön der Gemarterten bei Saufgelagen im Kreise öffentlicher Dirnen. - Oft erschallte das Geschrei der Veröchelnden bis zu den Basteien hin. Als diese Thron- und Kron-Kannibalen, die das Volk, ohne erschossen zu werden, in Italien nicht anblicken darf, am 11. in der Frühe die Mordhöhle geräumt hatten und das Volk eingedrungen war, fand man die Leichnahme überall theils vergraben, theils frei daliegen. Die Kanäle waren geöffnet und sind vielleicht noch angefüllt mit Opfern. Viele liegen im allgemeinen Krankenhause der Alser-Vorstadt unter freiem Himmel zur Schau ausgestellt. Darunter befindet sich auch der in den Reichstag gebrachte, unerkannt gebliebene Leichnahm eines Mannes. - Die unverletzlichen k. k. Kriegsknechte hatten ihm mit glühenden Eisen die Augen ausgebrannt, Hände und Füße abgehackt, den Mund bis an die Ohren aufgeschlitzt und diese abgeschnitten, die Zähne eingeschlagen, den Schädel geöffnet und das Gehirn herausgenommen, den Leib geöffnet und die Eingeweide verbrannt, Pulver in den Mund gethan und angezündet u. s. w. Ein anderer Leichnam war mit glühenden Bränden am ganzen Körper tätowirt; einen Dritten, dessen Körper herkulische Kraft verräth und der sich lebend furchtbar gewehrt haben muß, hatte die Banditen-Soldateska neben hundert andern Verstümmelungen die kraftvollen Fäuste noch beim Leben kunstgerecht sezirt und alle Fasern herausgeschnitten. Ein Mädchen ist bis zum Tode mißbraucht worden, indem man ihm dazu die Brüste ausschnitt und es in sonst unaussprechbarer Weise verstümmelte. Der Anblick dieser Leichen erregt Grauen und Entsetzen und viele erkrankten dabei. Flüche und Verwünschungen der schauerlichsten Art wider den Kaiser, den Hof und alle Schwarzgelben wurden vom Volke im fürchterlichsten Zorne ausgestoßen. Man hätte diese Leichen in Spiritus legen und zum ewigen Angedenken an die Erhabenheit der absoluten Majestäten aufbewahren sollen, allein Schuselka, welcher doch nicht unerwähnt lassen konnte, daß das Militär so viele Leute aus dem Pöbel umgebracht, verordnete nur, daß ihnen ein anständiges Begräbniß werde. Messenhauer, der neue Oberkommandant der Garde, Legion, Arbeiter und mobilen Garde, von welch letzterer bereits drei Bataillone organisirt sind, zeigt, wie seine Verordnungen vom 14. darthun, viel disziplinarische Energie. Wien ist von ihm in einen tüchtigen strategischen Vertheidigungszustand versetzt worden, obwohl es lächerlich ist, anzunehmen, Jellachich und Auersperg würden es wagen, mit Gewalt in die Stadt zu dringen, wo jedes Haus eine Festung, jeder Pflasterstein eine Waffe, ihr Untergang also gewiß ist. Sie finden es viel bequemer, die Stadt immer mehr zu umzingeln und auf diese Weise auszuhungern. Kommen die Ungarn nicht bald oder wird nicht von der Stadt aus angegriffen, so dürfte dieser Plan gelingen, da die slavischen Soldatenheere von allen Seiten heraneilen. Ich habe gestern Mittag eine Runde gemacht. Die Linien sind überall im besten Vertheidigungszustande, namentlich die Linien des Belvedere. Dort stehen 18 Kanonen und befindet sich das Hauptquartier des von Ostrolenka her bekannten General Böhm. Nationalgarde, Legion und Arbeiter stehen überall. Fortwährend gibt es kleine Neckereien mit dem Feinde, aber noch steht kein ernstlicher Angriff in Aussicht. Man sagte mir im Belvedere, die ungarische Armee rücke bestimmt heran, müsse indessen mit Kriegslist verfahren. Wenn's nur wahr ist. Die Pesther Zeitung vom 12. weiß gar nicht, wo sich ihre Armee befindet. Kossuth, der Präsident des Landesvertheidigungsausschusses, hat dem hiesigen Reichstage durch eine Deputation eine Ihnen gewiß schon bekannt gewordene Erklärung übersenden lassen, welche die bestimmteste Zusage enthält, Jellachich anzugreifen und wo möglich zu vernichten, aber auch sofort Halt zu machen, wenn der östreichische Reichstag es verlange. An Ungarn dürfen wir also noch nicht verzweifeln. Der Hof befindet sich in der Festung Ollmütz und hetzt von dort aus die Slaven wider Wien und die Ungarn. Vielleicht wird er, da die giftigen Czechen seinen Absolutismus schwerlich herzustellen vermögend sein werden, nächstens in Potsdam oder im russischen Lager eintreffen. 12 Uhr Mittags. Ich glaubte, etwas Erfreuliches zu vernehmen und komme eben von einer Wanderung durch die Stadt; aber man sieht nichts, als die Erbärmlichkeitsplakate der konstitutionellen Ordnungs- und Ruhefreunde und Volksverräther Schuselka, Fischof u. s. w., die mich anwidern, während man die herannahende Verzweiflung dem Volke schon vom Gesichte ablesen kann. Die vorhergehenden Tage trug jedermann eine Waffe, jetzt sieht man nur wenige noch damit. Bei der Vertheilung der Waffen sind die konstitutionellen Ruhe- und Ordnungsfreunde mit solcher Ruhe und Ordnung verfahren, daß, aus Furcht, es möchten zu viele Arbeiter bewaffnet werden, die schwarzgelbe Partei eine Menge Waffen davon getragen hat, um sie entweder zu Hause in die Ecke zu stellen oder Sr. kroatischen Exzellenz zu überbringen. Um 3 Uhr hält der konstitutionelle Reichstag eine konstitutionelle Schuselka-Pillersdorf-Sitzung. Ich werde Ihnen daraus berichten. Die Läden sind heute theilweise geöffnet, allein das Elend nimmt bei der Stockung aller Thätigkeitsverhältnisse immer zu, da uns auch die Nahrungsmittel mehr und mehr abgeschnitten werden. Die ungarischen Zeitungen sind ebensowenig heute eingetroffen, als die Ungarn. Es wird so weit kommen, daß das Volk die Waffen fortwirft und den Jellachich hereinläßt, oder daß es den Reichstags aufknüpft, um sich selber zu helfen. Wir haben einen Artilleriepark von 150 Kanonen; in den Händen des Volkes würden sie Jellachich vernichten; die konstitutionellen Reichstagsbanden aber wissen nicht, was sie damit machen sollen. Auersperg hat zur Spionage einen General im Invalidenhause hinterlassen und dem Reichstage sagen lassen, daß er es gethan, um die legale Verbindung mit ihm zu unterhalten. Was thun die Reichstagsfreunde? Sie glauben Auersperg nicht nur aufs Wort, sondern sie stellen die k. k. Spione auch noch unter den Schutz des Reichstags und empfehlen dabei dem Volke immer wieder Ruhe und Ordnung. Es ist um wahnsinnig zu werden! Ich sehe es, Wien unterliegt und mit diesem Bollwerk versinkt die Freiheit Deutschlands. Die Bourgevisrepublikaner Frankreichs haben mit der Republik ihr Geschäftchen gemacht und scheinen dem Absolutismus hold wieder zuzulächeln. Wien, 16. Octbr.
Der "Politische Privat-Telegraph" schreibt: Es ist noch immer nicht zum Kampfe gekommen; die Ungeduld der hiesigen Bevölkerung schlägt in Unwillen und Entrüstung um. Es wird allgemein Klage geführt gegen die Mattigkeit des Reichstags, der vermitteln will, statt entschieden für die Sache des Volks aufzutreten. Wie es scheint, hat jetzt der Reichstag mit dem Antrag eines Völkerkongresses den letzten versöhnenden Schritt gethan; schlägt dieses Mittel fehl, so ist er zum Handeln gezwungen. Die Blicke des Volkes außer Wien sind ganz besonders auf den Reichstag gerichtet; das Militär jedoch verläugnet ihn. Der Grund, warum der beabsichtigte Angriff von Seiten der Ungarn noch nicht gemacht worden, ist, daß der ungarische Oberfeldherr Messaros ohne die gebührende Anzahl von Truppen (20,000 reguläre und 30,000 Garden) nicht gegen die Kroaten vorrücken zu dürfen glaubt. - Das Militär in der Umgebung Wiens erlaubt sich empörende Gewaltsamkeiten gegen Ab- und Zureisende, mit deren Gesinnung sie nicht einverstanden zu sein Grund haben. Der Reichsdeputirte Sturm, der aus der Steiermark kam, wurde in W.-Neustadt festgenommen und 2 Tage lang unter strengster Bewachung in Gefangenschaft gehalten. Auf seine Legitimation als Deputirter fielen von den Offizieren rohe, beleidigende Worte gegen die ganze Kammer, die sie als den Aufenthalt von Mördern bezeichnete. Zwei Studenten, die mit demselben Train fuhren, sollten sogleich auf den Befehl eines Majors, der es über sich nehmen wollte, sogleich erschossen werden, und es wäre auch geschehen, ohne das Einschreiten des Obristen und den Umstand, daß Einer der beiden Studenten ein Baron gewesen. - Dieses zur Bezeichnung des herrschenden Geistes unter einem Theile des Militärs. - In Gratz spielt der Gouverneur Graf Wikenburg ein gefährliches Spiel, Anfangs offen auftretend gegen die Wiener Bewegung, scheint er sich ihr jetzt entschieden anzuschließen; man will von einem geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Baron Jellachich, der sich, nebenbei gesagt, als Ober-Kommandant aller östreichischen Truppen gerirt, wissen. Der Landsturm von Ober-Steiermark ist bereits bis zum Sömmering vorgedrungen, wo er vom Militär vorläufig in Schach gehalten wird. Das mobile Korps vergrößert sich fortwährend. - Die Vertheidigungsanstalten werden verbessert und erweitert; der gewesene Ober-Kommandant von einem Tage ist verhaftet; man hat ein verrätherisches Einverständniß zwischen ihm und den Gegnern des Volkes entdeckt. - Der jetzige Ober-Kommandant Messenhauser wirkt mit Umsicht und Energie; er veranstaltet jetzt die augenblickliche Drucklegung und Veröffentlichung aller Berichte über den Stand der k. k. Armee. - Die Zufuhr von Lebensmitteln und Geld ist ohne Aufhör; von der ganzen Umgebung, selbst von den entferntesten Städten kommen Deputationen mit ähnlichen Gratisbeiträgen, um der Universität und der Wiener Bevölkerung ihre Sympathien zu beweisen. Sogar vom republikanischen Vereine aus Dresden ist eine Deputation an das Studentenkomite mit einer Dankadresse gekommen. - Zwei kroatische Offiziere wurden heute Nacht gefangen genommen und auf die Universität gebracht. - Kleine Plänkeleien der Vorposten, besonders bei der Mariahilfer und St. Marker Linie dauern immer fort. Die Verzögerung des Kampfes drückt schwer auf die Stimmung des Volkes; die kaiserlich Gesinnten, die Servilen, die Rreaktionären thun das Weitere durch Wühlerei und Aufhetzung, um die Unzufriedenheit zu steigern. - Auf dem Stephansthurme und auf der Universitäts-Sternwarte stehen fortwährend Wachen, um die Bewegungen der Truppen zu beobachten und darüber zu berichten. - Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter wurden durch den Landsturm aus Steiermark vorwärts gedrängt und als sie sich dem bei Wien gelagerten Militär näherten, wurde auf sie gefeuert; die Kroaten haben sie gefangen genommen und auf das Grausamste mißhandelt. Solche Scenen dienen dazu, die Erbitterung zwischen Volk und Militär bis auf das Höchste zu steigern. Abgang der Post 2 Uhr Nachmittags. Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 122. Köln, Samstag den 21. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (Postbekanntmachung. ‒ Verrätherisches System des Reichstags. ‒ Komplimente zwischen dem Reichstage und Jellachich. Gräuelthaten der Croaten ‒ Vertheidigungsmittel von Wien. ‒ Die Ungarn. ‒ Der Hof in Olmütz. ‒ Konstitutionelle Erbärmlichkeiten. ‒ Messaros. ‒ Mißhandlungen mißliebiger Reisenden. ‒ Wickenburg. ‒ Eine Verhaftung. ‒ Volksstimmung. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter). Frankfurt. (Deputation der Centralgewalt nach Wien). Mannheim. (Polizeiwillkühr). Wiesbaden. (Ein Plakat). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Abtheilungssitzung. ‒ Das Begräbniß der Arbeiter. ‒ Der Sicherheitsausschuß. ‒ Ein Beschluß der Stadtverordnetenversammlung). Anhalt-Bernburg. (Auch eine Revolution). Sachsenmeiningen-Hildburghausen. (Reichstruppen. ‒ Verhaftungen). Schleswig. (Landesversammlung). Polen. (Die Russen. ‒ Bildung polnischer Freikorps in Galizien). Ungarn. Pesth. (Waffenglück der Ungarn). Italien. Neapel. (Die englisch-französische Vermittlung). Mailand. (Zustand der Stadt). Turin (Eindrücke der Wiener Nachrichten. ‒ Das Ministerium). ‒ Pavia. Holland. (Das Gefecht auf Java). Franz. Republik. Paris. (Cavaignac. ‒ Lamartine. ‒ Ledru Rollin. ‒ Die französische „gute“ Presse über die deutsche Demokratie und Jellachich. National-Versammlung. ‒ Vermischte Nachrichten). Spanien. Madrid. (Die Montemolinisten. ‒ Cabrera). Großbritannien. London. (Der „Standard“ über Wien). Deutschland. 61 Wien, 16. Okt. Das Hof-Post-Amt, dessen erster Titel vom Volke überall mit Koth beworfen ward, hat durch Maueranschlag gestern bekannt gemacht, daß westeuropäische Briefe der kriegerischen Umstände wegen nur bis 2 Uhr Mittags aufgegeben werden können, damit sie noch vor Eintritt der Dämmerung die Linien Wien's passiren. Plakate werden kaum mehr angenommen. Das Volk mißtraut auch dieser Post und hält sie für eine Polizeistube, aus welcher der Geist Sedlnitzky der Kamarilla in Olmütz Berichte erstattet. Unsere andern Zustände sind seit gestern und vorgestern fast dieselben geblieben. Der Reichstag begeht immer neue Infamien und sinkt im Volke zu immer tieferer Verachtung, die ihm in der kürzesten Zeit den Hals brechen muß. Statt die Wien mit ihren k. k. Raub- und Mordgesellen umlagernden, das Land rundumher abfressenden und die Bauern entwaffnenden Banditen-Generale Auersperg und Jellachich schon beim ersten feindlichen Auftreten und Trotzen als Volks- und Freiheits-Verräther in die Acht zu thun, das ungarische Heer herbeizurufen und das Wiener, so vortreffliche Volk zum Kampf zu begeistern und zu führen, tritt der hohe Reichstag diesen Don Quixott's Se. kroatischen Majestät noch immer mit den Bücklingen eines im Fürstensalon verirrten Bauern entgegen, der mit seinem plumpen Rücken dabei dem Volke in die Rippen fährt, bis es ihn hinauswirft. Als es bekannt wurde, daß die Ungarn an der österreichischen Gränze seien, ward Jellachich unheimlich zu Muthe, und er schrieb darum an den hohen Reichstag, „er wolle die freien Institutionen des Vaterlandes schützen und habe dies durch seine Verhältnisse zu der in Ungarn herrschenden Partei bewiesen u. s. w.“ (Vergl. die gestr. Ztg.) Auf diese unglaublich freche Don Quixottionade wußte der hohe Reichstag sub duce des demokratischen Pfaffen Borrosch und des politischen Idioten Schuselka und anderer Volksverräther nichts weiter zu antworten, als dieses: „Euer Exzellenz! Auf die am heutigen Tage erhaltene Zuschrift läßt der konstitutionelle Reichstag durch den Ausschuß erklären: Es ist eine Deputation (schon die 5.) an Se. Majestät abgegangen, um ihn (welches deutsch!) zu bewegen, den Friedensvorschlägen Gehör zu geben. In der Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg dieses Schrittes hat der Reichstag Alles aufgeboten, um das kampflustige Volk von Wien und die herbeiziehenden Schaaren des Landsturms von offensiven Feindseligkeiten abzuhalten. (Die sich selber hochrühmende Feigheit und Dummheit ist doch gränzenlos!) Se. Majestät hat durch den Fürsten Lobkowitz die Versicherung geben lassen, die beiden Kommandirenden würden Wien nicht angreifen. (Der Kaiser und Hof behandelten die diese Versicherung empfangende Deputation mit der größten Verachtung, und da der hohe Reichstag dies vorausgesetzt haben mußte, so hatte man derselben den frühern Schulmeister Lobkowitzens, den mit dem italienischen Heer zweimal durchgefallenen Selinger, beigegeben, damit wenigstens Fürst Lobkowitz die Deputation nicht vor die Thüre werfen lasse.) Allein die von Euer Exzellenz befohlene Entwaffnung der Nationalgarden in den umliegenden Ortschaften, die drückenden Requisitionen, die Hemmung der Passage und das Absperren der Zufuhren von Lebensmitteln stehen mit diesen Versprechungen in so grellem Widerspruche, daß der Reichstag, auf diese Thatsachen gestützt, entschieden protestiren muß. (O deutsche Idioten!) Der Reichstag hat die Ungarn nicht in's Land gerufen, (er bietet im Gegentheile unter der Hand alles auf, damit sie nicht kommen) und kann sie ebensowenig hinausdekretiren u. s. w. Der Reichstag kennt kein anderes Mittel (ein solcher Reichstag kann natürlich kein Wanzenvertilgungsmittel sein) den Frieden herzustellen, als wenn den entwaffneten Nationalgarden ihre Waffen zurückgegeben werden und Sie in Ihre Heimath zurückkehren u. s. w.“ ‒ Man beeilte sich, diese Salbe des hohen reichstäglichen Quacksalbers sofort an die Straßenecken zu pappen, weil man einen acte d'energie ausgeübt zu haben glaubte, allein das Volk, von einer andern, leider immer zurückgedrängten, Energie beseelt, bewarf diese Borrosch-Schuselka'sche Kretinen-Energie mit Straßenkoth. ‒ Noch unglaublicher als der Reichstag benimmt sich die sogenannte ultraradikale Presse. Der Freimüthige sagt z. B. hierbei: „Im Bewußtsein seines Rechtes und der guten Sache, für die er einsteht, tritt der Reichstag fest, würdig und entschieden auf“ Die kalkulirende Feigheit unserer Presse ist unsere größte Schmach. Wie gut es dieser hohe Reichstag mit dem Volke meint, wissen Sie ja bereits, da ich Ihnen geschrieben, daß er dem Minister Krauß für die Banditengeneräle 8, der Bank zu entnehmende, Millionen bewilligt hat, während er zur Erhaltung des in immer tieferes Elend versinkenden Volks nur 200,000 Fl. hergeben konnte; wie gut es dieser Reichstag mit dem Volke meint, geht auch noch daraus hervor, daß er die im Parke Schwarzenberg's von dem für Insulte so empfindlichen k. k. Militär an Leuten aus dem Volke begangenen, an Scheußlichkeit die Phantasie der entsetzlichsten Kannibalen haarsträubenden Mordthaten, deren Opfer das Volk ihm unter die Nase trug, mit Stillschweigen übergangen hat. Diese, von den Soldatenkannibalen Se. k. k. apostolischen Majestät, begangenen Mordthaten, übersteigen so alle Phantasiestücke in Callot's Manier, daß ich ein Wort darüber verlieren muß, leider nur ein Wort. Der Park des Belvedere und der Schwarzenberg's sind von den Hyänen des Absolutismus zu diesen Mordthaten übermäßig benutzt worden. In der Nacht griff man die unschuldig Vorübergehenden auf, brachte sie zu den hellauflodernden Wachtfeuern und mordete sie hier mit satanischer Besonnenheit und Langsamkeit. Offiziere und Mannschaften saßen dabei um's Feuer und überheulten das Verzweiflungsgestön der Gemarterten bei Saufgelagen im Kreise öffentlicher Dirnen. ‒ Oft erschallte das Geschrei der Veröchelnden bis zu den Basteien hin. Als diese Thron- und Kron-Kannibalen, die das Volk, ohne erschossen zu werden, in Italien nicht anblicken darf, am 11. in der Frühe die Mordhöhle geräumt hatten und das Volk eingedrungen war, fand man die Leichnahme überall theils vergraben, theils frei daliegen. Die Kanäle waren geöffnet und sind vielleicht noch angefüllt mit Opfern. Viele liegen im allgemeinen Krankenhause der Alser-Vorstadt unter freiem Himmel zur Schau ausgestellt. Darunter befindet sich auch der in den Reichstag gebrachte, unerkannt gebliebene Leichnahm eines Mannes. ‒ Die unverletzlichen k. k. Kriegsknechte hatten ihm mit glühenden Eisen die Augen ausgebrannt, Hände und Füße abgehackt, den Mund bis an die Ohren aufgeschlitzt und diese abgeschnitten, die Zähne eingeschlagen, den Schädel geöffnet und das Gehirn herausgenommen, den Leib geöffnet und die Eingeweide verbrannt, Pulver in den Mund gethan und angezündet u. s. w. Ein anderer Leichnam war mit glühenden Bränden am ganzen Körper tätowirt; einen Dritten, dessen Körper herkulische Kraft verräth und der sich lebend furchtbar gewehrt haben muß, hatte die Banditen-Soldateska neben hundert andern Verstümmelungen die kraftvollen Fäuste noch beim Leben kunstgerecht sezirt und alle Fasern herausgeschnitten. Ein Mädchen ist bis zum Tode mißbraucht worden, indem man ihm dazu die Brüste ausschnitt und es in sonst unaussprechbarer Weise verstümmelte. Der Anblick dieser Leichen erregt Grauen und Entsetzen und viele erkrankten dabei. Flüche und Verwünschungen der schauerlichsten Art wider den Kaiser, den Hof und alle Schwarzgelben wurden vom Volke im fürchterlichsten Zorne ausgestoßen. Man hätte diese Leichen in Spiritus legen und zum ewigen Angedenken an die Erhabenheit der absoluten Majestäten aufbewahren sollen, allein Schuselka, welcher doch nicht unerwähnt lassen konnte, daß das Militär so viele Leute aus dem Pöbel umgebracht, verordnete nur, daß ihnen ein anständiges Begräbniß werde. Messenhauer, der neue Oberkommandant der Garde, Legion, Arbeiter und mobilen Garde, von welch letzterer bereits drei Bataillone organisirt sind, zeigt, wie seine Verordnungen vom 14. darthun, viel disziplinarische Energie. Wien ist von ihm in einen tüchtigen strategischen Vertheidigungszustand versetzt worden, obwohl es lächerlich ist, anzunehmen, Jellachich und Auersperg würden es wagen, mit Gewalt in die Stadt zu dringen, wo jedes Haus eine Festung, jeder Pflasterstein eine Waffe, ihr Untergang also gewiß ist. Sie finden es viel bequemer, die Stadt immer mehr zu umzingeln und auf diese Weise auszuhungern. Kommen die Ungarn nicht bald oder wird nicht von der Stadt aus angegriffen, so dürfte dieser Plan gelingen, da die slavischen Soldatenheere von allen Seiten heraneilen. Ich habe gestern Mittag eine Runde gemacht. Die Linien sind überall im besten Vertheidigungszustande, namentlich die Linien des Belvedere. Dort stehen 18 Kanonen und befindet sich das Hauptquartier des von Ostrolenka her bekannten General Böhm. Nationalgarde, Legion und Arbeiter stehen überall. Fortwährend gibt es kleine Neckereien mit dem Feinde, aber noch steht kein ernstlicher Angriff in Aussicht. Man sagte mir im Belvedere, die ungarische Armee rücke bestimmt heran, müsse indessen mit Kriegslist verfahren. Wenn's nur wahr ist. Die Pesther Zeitung vom 12. weiß gar nicht, wo sich ihre Armee befindet. Kossuth, der Präsident des Landesvertheidigungsausschusses, hat dem hiesigen Reichstage durch eine Deputation eine Ihnen gewiß schon bekannt gewordene Erklärung übersenden lassen, welche die bestimmteste Zusage enthält, Jellachich anzugreifen und wo möglich zu vernichten, aber auch sofort Halt zu machen, wenn der östreichische Reichstag es verlange. An Ungarn dürfen wir also noch nicht verzweifeln. Der Hof befindet sich in der Festung Ollmütz und hetzt von dort aus die Slaven wider Wien und die Ungarn. Vielleicht wird er, da die giftigen Czechen seinen Absolutismus schwerlich herzustellen vermögend sein werden, nächstens in Potsdam oder im russischen Lager eintreffen. 12 Uhr Mittags. Ich glaubte, etwas Erfreuliches zu vernehmen und komme eben von einer Wanderung durch die Stadt; aber man sieht nichts, als die Erbärmlichkeitsplakate der konstitutionellen Ordnungs- und Ruhefreunde und Volksverräther Schuselka, Fischof u. s. w., die mich anwidern, während man die herannahende Verzweiflung dem Volke schon vom Gesichte ablesen kann. Die vorhergehenden Tage trug jedermann eine Waffe, jetzt sieht man nur wenige noch damit. Bei der Vertheilung der Waffen sind die konstitutionellen Ruhe- und Ordnungsfreunde mit solcher Ruhe und Ordnung verfahren, daß, aus Furcht, es möchten zu viele Arbeiter bewaffnet werden, die schwarzgelbe Partei eine Menge Waffen davon getragen hat, um sie entweder zu Hause in die Ecke zu stellen oder Sr. kroatischen Exzellenz zu überbringen. Um 3 Uhr hält der konstitutionelle Reichstag eine konstitutionelle Schuselka-Pillersdorf-Sitzung. Ich werde Ihnen daraus berichten. Die Läden sind heute theilweise geöffnet, allein das Elend nimmt bei der Stockung aller Thätigkeitsverhältnisse immer zu, da uns auch die Nahrungsmittel mehr und mehr abgeschnitten werden. Die ungarischen Zeitungen sind ebensowenig heute eingetroffen, als die Ungarn. Es wird so weit kommen, daß das Volk die Waffen fortwirft und den Jellachich hereinläßt, oder daß es den Reichstags aufknüpft, um sich selber zu helfen. Wir haben einen Artilleriepark von 150 Kanonen; in den Händen des Volkes würden sie Jellachich vernichten; die konstitutionellen Reichstagsbanden aber wissen nicht, was sie damit machen sollen. Auersperg hat zur Spionage einen General im Invalidenhause hinterlassen und dem Reichstage sagen lassen, daß er es gethan, um die legale Verbindung mit ihm zu unterhalten. Was thun die Reichstagsfreunde? Sie glauben Auersperg nicht nur aufs Wort, sondern sie stellen die k. k. Spione auch noch unter den Schutz des Reichstags und empfehlen dabei dem Volke immer wieder Ruhe und Ordnung. Es ist um wahnsinnig zu werden! Ich sehe es, Wien unterliegt und mit diesem Bollwerk versinkt die Freiheit Deutschlands. Die Bourgevisrepublikaner Frankreichs haben mit der Republik ihr Geschäftchen gemacht und scheinen dem Absolutismus hold wieder zuzulächeln. Wien, 16. Octbr.
Der „Politische Privat-Telegraph“ schreibt: Es ist noch immer nicht zum Kampfe gekommen; die Ungeduld der hiesigen Bevölkerung schlägt in Unwillen und Entrüstung um. Es wird allgemein Klage geführt gegen die Mattigkeit des Reichstags, der vermitteln will, statt entschieden für die Sache des Volks aufzutreten. Wie es scheint, hat jetzt der Reichstag mit dem Antrag eines Völkerkongresses den letzten versöhnenden Schritt gethan; schlägt dieses Mittel fehl, so ist er zum Handeln gezwungen. Die Blicke des Volkes außer Wien sind ganz besonders auf den Reichstag gerichtet; das Militär jedoch verläugnet ihn. Der Grund, warum der beabsichtigte Angriff von Seiten der Ungarn noch nicht gemacht worden, ist, daß der ungarische Oberfeldherr Messaros ohne die gebührende Anzahl von Truppen (20,000 reguläre und 30,000 Garden) nicht gegen die Kroaten vorrücken zu dürfen glaubt. ‒ Das Militär in der Umgebung Wiens erlaubt sich empörende Gewaltsamkeiten gegen Ab- und Zureisende, mit deren Gesinnung sie nicht einverstanden zu sein Grund haben. Der Reichsdeputirte Sturm, der aus der Steiermark kam, wurde in W.-Neustadt festgenommen und 2 Tage lang unter strengster Bewachung in Gefangenschaft gehalten. Auf seine Legitimation als Deputirter fielen von den Offizieren rohe, beleidigende Worte gegen die ganze Kammer, die sie als den Aufenthalt von Mördern bezeichnete. Zwei Studenten, die mit demselben Train fuhren, sollten sogleich auf den Befehl eines Majors, der es über sich nehmen wollte, sogleich erschossen werden, und es wäre auch geschehen, ohne das Einschreiten des Obristen und den Umstand, daß Einer der beiden Studenten ein Baron gewesen. ‒ Dieses zur Bezeichnung des herrschenden Geistes unter einem Theile des Militärs. ‒ In Gratz spielt der Gouverneur Graf Wikenburg ein gefährliches Spiel, Anfangs offen auftretend gegen die Wiener Bewegung, scheint er sich ihr jetzt entschieden anzuschließen; man will von einem geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Baron Jellachich, der sich, nebenbei gesagt, als Ober-Kommandant aller östreichischen Truppen gerirt, wissen. Der Landsturm von Ober-Steiermark ist bereits bis zum Sömmering vorgedrungen, wo er vom Militär vorläufig in Schach gehalten wird. Das mobile Korps vergrößert sich fortwährend. ‒ Die Vertheidigungsanstalten werden verbessert und erweitert; der gewesene Ober-Kommandant von einem Tage ist verhaftet; man hat ein verrätherisches Einverständniß zwischen ihm und den Gegnern des Volkes entdeckt. ‒ Der jetzige Ober-Kommandant Messenhauser wirkt mit Umsicht und Energie; er veranstaltet jetzt die augenblickliche Drucklegung und Veröffentlichung aller Berichte über den Stand der k. k. Armee. ‒ Die Zufuhr von Lebensmitteln und Geld ist ohne Aufhör; von der ganzen Umgebung, selbst von den entferntesten Städten kommen Deputationen mit ähnlichen Gratisbeiträgen, um der Universität und der Wiener Bevölkerung ihre Sympathien zu beweisen. Sogar vom republikanischen Vereine aus Dresden ist eine Deputation an das Studentenkomité mit einer Dankadresse gekommen. ‒ Zwei kroatische Offiziere wurden heute Nacht gefangen genommen und auf die Universität gebracht. ‒ Kleine Plänkeleien der Vorposten, besonders bei der Mariahilfer und St. Marker Linie dauern immer fort. Die Verzögerung des Kampfes drückt schwer auf die Stimmung des Volkes; die kaiserlich Gesinnten, die Servilen, die Rreaktionären thun das Weitere durch Wühlerei und Aufhetzung, um die Unzufriedenheit zu steigern. ‒ Auf dem Stephansthurme und auf der Universitäts-Sternwarte stehen fortwährend Wachen, um die Bewegungen der Truppen zu beobachten und darüber zu berichten. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter wurden durch den Landsturm aus Steiermark vorwärts gedrängt und als sie sich dem bei Wien gelagerten Militär näherten, wurde auf sie gefeuert; die Kroaten haben sie gefangen genommen und auf das Grausamste mißhandelt. Solche Scenen dienen dazu, die Erbitterung zwischen Volk und Militär bis auf das Höchste zu steigern. Abgang der Post 2 Uhr Nachmittags. <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0613"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 122. Köln, Samstag den 21. Oktober. 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Wien. (Postbekanntmachung. ‒ Verrätherisches System des Reichstags. ‒ Komplimente zwischen dem Reichstage und Jellachich. Gräuelthaten der Croaten ‒ Vertheidigungsmittel von Wien. ‒ Die Ungarn. ‒ Der Hof in Olmütz. ‒ Konstitutionelle Erbärmlichkeiten. ‒ Messaros. ‒ Mißhandlungen mißliebiger Reisenden. ‒ Wickenburg. ‒ Eine Verhaftung. ‒ Volksstimmung. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter). Frankfurt. (Deputation der Centralgewalt nach Wien). Mannheim. (Polizeiwillkühr). Wiesbaden. (Ein Plakat). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Abtheilungssitzung. ‒ Das Begräbniß der Arbeiter. ‒ Der Sicherheitsausschuß. ‒ Ein Beschluß der Stadtverordnetenversammlung). Anhalt-Bernburg. (Auch eine Revolution). Sachsenmeiningen-Hildburghausen. (Reichstruppen. ‒ Verhaftungen). Schleswig. (Landesversammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> (Die Russen. ‒ Bildung polnischer Freikorps in Galizien).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth. (Waffenglück der Ungarn).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Neapel. (Die englisch-französische Vermittlung). Mailand. (Zustand der Stadt). Turin (Eindrücke der Wiener Nachrichten. ‒ Das Ministerium). ‒ Pavia.</p> <p><hi rendition="#g">Holland.</hi> (Das Gefecht auf Java).</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Cavaignac. ‒ Lamartine. ‒ Ledru Rollin. ‒ Die französische „<hi rendition="#g">gute</hi>“ Presse über die deutsche Demokratie und Jellachich. National-Versammlung. ‒ Vermischte Nachrichten).</p> <p><hi rendition="#g">Spanien.</hi> Madrid. (Die Montemolinisten. ‒ Cabrera).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Der „Standard“ über Wien).</p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar122_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 16. Okt.</head> <p>Das Hof-Post-Amt, dessen erster Titel vom Volke überall mit Koth beworfen ward, hat durch Maueranschlag gestern bekannt gemacht, daß westeuropäische Briefe der kriegerischen Umstände wegen nur bis 2 Uhr Mittags aufgegeben werden können, damit sie noch vor Eintritt der Dämmerung die Linien Wien's passiren. Plakate werden kaum mehr angenommen. Das Volk mißtraut auch dieser Post und hält sie für eine Polizeistube, aus welcher der Geist Sedlnitzky der Kamarilla in Olmütz Berichte erstattet.</p> <p>Unsere andern Zustände sind seit gestern und vorgestern fast dieselben geblieben. Der Reichstag begeht immer neue Infamien und sinkt im Volke zu immer tieferer Verachtung, die ihm in der kürzesten Zeit den Hals brechen muß. Statt die Wien mit ihren k. k. Raub- und Mordgesellen umlagernden, das Land rundumher abfressenden und die Bauern entwaffnenden Banditen-Generale Auersperg und Jellachich schon beim ersten feindlichen Auftreten und Trotzen als Volks- und Freiheits-Verräther in die Acht zu thun, das ungarische Heer herbeizurufen und das Wiener, so vortreffliche Volk zum Kampf zu begeistern und zu führen, tritt der hohe Reichstag diesen Don Quixott's Se. kroatischen Majestät noch immer mit den Bücklingen eines im Fürstensalon verirrten Bauern entgegen, der mit seinem plumpen Rücken dabei dem Volke in die Rippen fährt, bis es ihn hinauswirft.</p> <p>Als es bekannt wurde, daß die Ungarn an der österreichischen Gränze seien, ward Jellachich unheimlich zu Muthe, und er schrieb darum an den hohen Reichstag, „er wolle die freien Institutionen des Vaterlandes schützen und habe dies durch seine Verhältnisse zu der in Ungarn herrschenden Partei bewiesen u. s. w.“ (Vergl. die gestr. Ztg.) Auf diese unglaublich freche Don Quixottionade wußte der hohe Reichstag sub duce des demokratischen Pfaffen Borrosch und des politischen Idioten Schuselka und anderer Volksverräther nichts weiter zu antworten, als dieses: „Euer Exzellenz! Auf die am heutigen Tage erhaltene Zuschrift läßt der konstitutionelle Reichstag durch den Ausschuß erklären: Es ist eine Deputation (schon die 5.) an Se. Majestät abgegangen, um ihn (welches deutsch!) zu bewegen, den Friedensvorschlägen Gehör zu geben. In der Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg dieses Schrittes hat der Reichstag Alles aufgeboten, um das kampflustige Volk von Wien und die herbeiziehenden Schaaren des Landsturms von offensiven Feindseligkeiten abzuhalten. (Die sich selber hochrühmende Feigheit und Dummheit ist doch gränzenlos!) Se. Majestät hat durch den Fürsten Lobkowitz die Versicherung geben lassen, die beiden Kommandirenden würden Wien nicht angreifen. (Der Kaiser und Hof behandelten die diese Versicherung empfangende Deputation mit der größten Verachtung, und da der hohe Reichstag dies vorausgesetzt haben mußte, so hatte man derselben den frühern Schulmeister Lobkowitzens, den mit dem italienischen Heer zweimal durchgefallenen Selinger, beigegeben, damit wenigstens Fürst Lobkowitz die Deputation nicht vor die Thüre werfen lasse.) Allein die von Euer Exzellenz befohlene Entwaffnung der Nationalgarden in den umliegenden Ortschaften, die drückenden Requisitionen, die Hemmung der Passage und das Absperren der Zufuhren von Lebensmitteln stehen mit diesen Versprechungen in so grellem Widerspruche, daß der Reichstag, auf diese Thatsachen gestützt, entschieden protestiren muß. (O deutsche Idioten!) Der Reichstag hat die Ungarn nicht in's Land gerufen, (er bietet im Gegentheile unter der Hand alles auf, damit sie nicht kommen) und kann sie ebensowenig hinausdekretiren u. s. w. Der Reichstag kennt kein anderes Mittel (ein solcher Reichstag kann natürlich kein Wanzenvertilgungsmittel sein) den Frieden herzustellen, als wenn den entwaffneten Nationalgarden ihre Waffen zurückgegeben werden und Sie in Ihre Heimath zurückkehren u. s. w.“ ‒ Man beeilte sich, diese Salbe des hohen reichstäglichen Quacksalbers sofort an die Straßenecken zu pappen, weil man einen acte d'energie ausgeübt zu haben glaubte, allein das Volk, von einer andern, leider immer zurückgedrängten, Energie beseelt, bewarf diese Borrosch-Schuselka'sche Kretinen-Energie mit Straßenkoth. ‒ Noch unglaublicher als der Reichstag benimmt sich die sogenannte ultraradikale Presse. Der Freimüthige sagt z. B. hierbei: „Im Bewußtsein seines Rechtes und der guten Sache, für die er einsteht, tritt der Reichstag fest, würdig und entschieden auf“ Die kalkulirende Feigheit unserer Presse ist unsere größte Schmach.</p> <p>Wie gut es dieser hohe Reichstag mit dem Volke meint, wissen Sie ja bereits, da ich Ihnen geschrieben, daß er dem Minister Krauß für die Banditengeneräle 8, der Bank zu entnehmende, Millionen bewilligt hat, während er zur Erhaltung des in immer tieferes Elend versinkenden Volks nur 200,000 Fl. hergeben konnte; wie gut es dieser Reichstag mit dem Volke meint, geht auch noch daraus hervor, daß er die im Parke Schwarzenberg's von dem für Insulte so empfindlichen k. k. Militär an Leuten aus dem Volke begangenen, an Scheußlichkeit die Phantasie der entsetzlichsten Kannibalen haarsträubenden Mordthaten, deren Opfer das Volk ihm unter die Nase trug, mit Stillschweigen übergangen hat.</p> <p>Diese, von den Soldatenkannibalen Se. k. k. apostolischen Majestät, begangenen Mordthaten, übersteigen so alle Phantasiestücke in Callot's Manier, daß ich ein Wort darüber verlieren muß, leider nur ein Wort. Der Park des Belvedere und der Schwarzenberg's sind von den Hyänen des Absolutismus zu diesen Mordthaten übermäßig benutzt worden. In der Nacht griff man die unschuldig Vorübergehenden auf, brachte sie zu den hellauflodernden Wachtfeuern und mordete sie hier mit satanischer Besonnenheit und Langsamkeit. Offiziere und Mannschaften saßen dabei um's Feuer und überheulten das Verzweiflungsgestön der Gemarterten bei Saufgelagen im Kreise öffentlicher Dirnen. ‒ Oft erschallte das Geschrei der Veröchelnden bis zu den Basteien hin. Als diese Thron- und Kron-Kannibalen, die das Volk, ohne erschossen zu werden, in Italien nicht anblicken darf, am 11. in der Frühe die Mordhöhle geräumt hatten und das Volk eingedrungen war, fand man die Leichnahme überall theils vergraben, theils frei daliegen. Die Kanäle waren geöffnet und sind vielleicht noch angefüllt mit Opfern. Viele liegen im allgemeinen Krankenhause der Alser-Vorstadt unter freiem Himmel zur Schau ausgestellt. Darunter befindet sich auch der in den Reichstag gebrachte, unerkannt gebliebene Leichnahm eines Mannes. ‒ Die unverletzlichen k. k. Kriegsknechte hatten ihm mit glühenden Eisen die Augen ausgebrannt, Hände und Füße abgehackt, den Mund bis an die Ohren aufgeschlitzt und diese abgeschnitten, die Zähne eingeschlagen, den Schädel geöffnet und das Gehirn herausgenommen, den Leib geöffnet und die Eingeweide verbrannt, Pulver in den Mund gethan und angezündet u. s. w. Ein anderer Leichnam war mit glühenden Bränden am ganzen Körper tätowirt; einen Dritten, dessen Körper herkulische Kraft verräth und der sich lebend furchtbar gewehrt haben muß, hatte die Banditen-Soldateska neben hundert andern Verstümmelungen die kraftvollen Fäuste noch beim Leben kunstgerecht sezirt und alle Fasern herausgeschnitten. Ein Mädchen ist bis zum Tode mißbraucht worden, indem man ihm dazu die Brüste ausschnitt und es in sonst unaussprechbarer Weise verstümmelte. Der Anblick dieser Leichen erregt Grauen und Entsetzen und viele erkrankten dabei. Flüche und Verwünschungen der schauerlichsten Art wider den Kaiser, den Hof und alle Schwarzgelben wurden vom Volke im fürchterlichsten Zorne ausgestoßen. Man hätte diese Leichen in Spiritus legen und zum ewigen Angedenken an die Erhabenheit der absoluten Majestäten aufbewahren sollen, allein Schuselka, welcher doch nicht unerwähnt lassen konnte, daß das Militär so viele Leute aus dem Pöbel umgebracht, verordnete nur, daß ihnen ein anständiges Begräbniß werde.</p> <p>Messenhauer, der neue Oberkommandant der Garde, Legion, Arbeiter und mobilen Garde, von welch letzterer bereits drei Bataillone organisirt sind, zeigt, wie seine Verordnungen vom 14. darthun, viel disziplinarische Energie. Wien ist von ihm in einen tüchtigen strategischen Vertheidigungszustand versetzt worden, obwohl es lächerlich ist, anzunehmen, Jellachich und Auersperg würden es wagen, mit Gewalt in die Stadt zu dringen, wo jedes Haus eine Festung, jeder Pflasterstein eine Waffe, ihr Untergang also gewiß ist. Sie finden es viel bequemer, die Stadt immer mehr zu umzingeln und auf diese Weise auszuhungern. Kommen die Ungarn nicht bald oder wird nicht von der Stadt aus angegriffen, so dürfte dieser Plan gelingen, da die slavischen Soldatenheere von allen Seiten heraneilen.</p> <p>Ich habe gestern Mittag eine Runde gemacht. Die Linien sind überall im besten Vertheidigungszustande, namentlich die Linien des Belvedere. Dort stehen 18 Kanonen und befindet sich das Hauptquartier des von Ostrolenka her bekannten General Böhm. Nationalgarde, Legion und Arbeiter stehen überall. Fortwährend gibt es kleine Neckereien mit dem Feinde, aber noch steht kein ernstlicher Angriff in Aussicht. Man sagte mir im Belvedere, die ungarische Armee rücke bestimmt heran, müsse indessen mit Kriegslist verfahren. Wenn's nur wahr ist. Die Pesther Zeitung vom 12. weiß gar nicht, wo sich ihre Armee befindet. Kossuth, der Präsident des Landesvertheidigungsausschusses, hat dem hiesigen Reichstage durch eine Deputation eine Ihnen gewiß schon bekannt gewordene Erklärung übersenden lassen, welche die bestimmteste Zusage enthält, Jellachich anzugreifen und wo möglich zu vernichten, aber auch sofort Halt zu machen, wenn der östreichische Reichstag es verlange. An Ungarn dürfen wir also noch nicht verzweifeln.</p> <p>Der Hof befindet sich in der Festung Ollmütz und hetzt von dort aus die Slaven wider Wien und die Ungarn. Vielleicht wird er, da die giftigen Czechen seinen Absolutismus schwerlich herzustellen vermögend sein werden, nächstens in Potsdam oder im russischen Lager eintreffen.</p> <p><hi rendition="#g">12 Uhr Mittags.</hi> Ich glaubte, etwas Erfreuliches zu vernehmen und komme eben von einer Wanderung durch die Stadt; aber man sieht nichts, als die Erbärmlichkeitsplakate der konstitutionellen Ordnungs- und Ruhefreunde und Volksverräther Schuselka, Fischof u. s. w., die mich anwidern, während man die herannahende Verzweiflung dem Volke schon vom Gesichte ablesen kann. Die vorhergehenden Tage trug jedermann eine Waffe, jetzt sieht man nur wenige noch damit. Bei der Vertheilung der Waffen sind die konstitutionellen Ruhe- und Ordnungsfreunde mit solcher Ruhe und Ordnung verfahren, daß, aus Furcht, es möchten zu viele Arbeiter bewaffnet werden, die schwarzgelbe Partei eine Menge Waffen davon getragen hat, um sie entweder zu Hause in die Ecke zu stellen oder Sr. kroatischen Exzellenz zu überbringen. Um 3 Uhr hält der konstitutionelle Reichstag eine konstitutionelle Schuselka-Pillersdorf-Sitzung. Ich werde Ihnen daraus berichten. Die Läden sind heute theilweise geöffnet, allein das Elend nimmt bei der Stockung aller Thätigkeitsverhältnisse immer zu, da uns auch die Nahrungsmittel mehr und mehr abgeschnitten werden. Die ungarischen Zeitungen sind ebensowenig heute eingetroffen, als die Ungarn. Es wird so weit kommen, daß das Volk die Waffen fortwirft und den Jellachich hereinläßt, oder daß es den Reichstags aufknüpft, um sich selber zu helfen. Wir haben einen Artilleriepark von 150 Kanonen; in den Händen des Volkes würden sie Jellachich vernichten; die konstitutionellen Reichstagsbanden aber wissen nicht, was sie damit machen sollen. Auersperg hat zur Spionage einen General im Invalidenhause hinterlassen und dem Reichstage sagen lassen, daß er es gethan, um die legale Verbindung mit ihm zu unterhalten. Was thun die Reichstagsfreunde? Sie glauben Auersperg nicht nur aufs Wort, sondern sie stellen die k. k. Spione auch noch unter den Schutz des Reichstags und empfehlen dabei dem Volke immer wieder Ruhe und Ordnung. Es ist um wahnsinnig zu werden! Ich sehe es, Wien unterliegt und mit diesem Bollwerk versinkt die Freiheit Deutschlands. Die Bourgevisrepublikaner Frankreichs haben mit der Republik ihr Geschäftchen gemacht und scheinen dem Absolutismus hold wieder zuzulächeln.</p> </div> <div xml:id="ar122_002" type="jArticle"> <head>Wien, 16. Octbr.</head> <p>Der „Politische Privat-Telegraph“ schreibt: Es ist noch immer nicht zum Kampfe gekommen; die Ungeduld der hiesigen Bevölkerung schlägt in Unwillen und Entrüstung um. Es wird allgemein Klage geführt gegen die Mattigkeit des Reichstags, der vermitteln will, statt entschieden für die Sache des Volks aufzutreten. Wie es scheint, hat jetzt der Reichstag mit dem Antrag eines Völkerkongresses den letzten versöhnenden Schritt gethan; schlägt dieses Mittel fehl, so ist er zum Handeln gezwungen. Die Blicke des Volkes <hi rendition="#g">außer</hi> Wien sind ganz besonders auf den Reichstag gerichtet; das Militär jedoch verläugnet ihn. Der Grund, warum der beabsichtigte Angriff von Seiten der Ungarn noch nicht gemacht worden, ist, daß der ungarische Oberfeldherr Messaros ohne die gebührende Anzahl von Truppen (20,000 reguläre und 30,000 Garden) nicht gegen die Kroaten vorrücken zu dürfen glaubt. ‒ Das Militär in der Umgebung Wiens erlaubt sich empörende Gewaltsamkeiten gegen Ab- und Zureisende, mit deren Gesinnung sie nicht einverstanden zu sein Grund haben. Der Reichsdeputirte Sturm, der aus der Steiermark kam, wurde in W.-Neustadt festgenommen und 2 Tage lang unter strengster Bewachung in Gefangenschaft gehalten. Auf seine Legitimation als Deputirter fielen von den Offizieren rohe, beleidigende Worte gegen die ganze Kammer, die sie als den Aufenthalt von Mördern bezeichnete. Zwei Studenten, die mit demselben Train fuhren, sollten sogleich auf den Befehl eines Majors, der es über sich nehmen wollte, sogleich erschossen werden, und es wäre auch geschehen, ohne das Einschreiten des Obristen und den Umstand, daß Einer der beiden Studenten ein Baron gewesen. ‒ Dieses zur Bezeichnung des herrschenden Geistes unter einem Theile des Militärs. ‒ In Gratz spielt der Gouverneur Graf Wikenburg ein gefährliches Spiel, Anfangs offen auftretend gegen die Wiener Bewegung, scheint er sich ihr jetzt entschieden anzuschließen; man will von einem geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Baron Jellachich, der sich, nebenbei gesagt, als Ober-Kommandant aller östreichischen Truppen gerirt, wissen. Der Landsturm von Ober-Steiermark ist bereits bis zum Sömmering vorgedrungen, wo er vom Militär vorläufig in Schach gehalten wird.</p> <p>Das mobile Korps vergrößert sich fortwährend. ‒ Die Vertheidigungsanstalten werden verbessert und erweitert; der gewesene Ober-Kommandant von <hi rendition="#g">einem</hi> Tage ist verhaftet; man hat ein verrätherisches Einverständniß zwischen ihm und den Gegnern des Volkes entdeckt. ‒ Der jetzige Ober-Kommandant Messenhauser wirkt mit Umsicht und Energie; er veranstaltet jetzt die augenblickliche Drucklegung und Veröffentlichung aller Berichte über den Stand der k. k. Armee. ‒ Die Zufuhr von Lebensmitteln und Geld ist ohne Aufhör; von der ganzen Umgebung, selbst von den entferntesten Städten kommen Deputationen mit ähnlichen Gratisbeiträgen, um der Universität und der Wiener Bevölkerung ihre Sympathien zu beweisen. Sogar vom republikanischen Vereine aus Dresden ist eine Deputation an das Studentenkomité mit einer Dankadresse gekommen. ‒ Zwei kroatische Offiziere wurden heute Nacht gefangen genommen und auf die Universität gebracht. ‒ Kleine Plänkeleien der Vorposten, besonders bei der Mariahilfer und St. Marker Linie dauern immer fort. Die Verzögerung des Kampfes drückt schwer auf die Stimmung des Volkes; die kaiserlich Gesinnten, die Servilen, die Rreaktionären thun das Weitere durch Wühlerei und Aufhetzung, um die Unzufriedenheit zu steigern. ‒ Auf dem Stephansthurme und auf der Universitäts-Sternwarte stehen fortwährend Wachen, um die Bewegungen der Truppen zu beobachten und darüber zu berichten. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter wurden durch den Landsturm aus Steiermark vorwärts gedrängt und als sie sich dem bei Wien gelagerten Militär näherten, wurde auf sie gefeuert; die Kroaten haben sie gefangen genommen und auf das Grausamste mißhandelt. Solche Scenen dienen dazu, die Erbitterung zwischen Volk und Militär bis auf das Höchste zu steigern.</p> <p>Abgang der Post 2 Uhr Nachmittags.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 122. Köln, Samstag den 21. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (Postbekanntmachung. ‒ Verrätherisches System des Reichstags. ‒ Komplimente zwischen dem Reichstage und Jellachich. Gräuelthaten der Croaten ‒ Vertheidigungsmittel von Wien. ‒ Die Ungarn. ‒ Der Hof in Olmütz. ‒ Konstitutionelle Erbärmlichkeiten. ‒ Messaros. ‒ Mißhandlungen mißliebiger Reisenden. ‒ Wickenburg. ‒ Eine Verhaftung. ‒ Volksstimmung. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter). Frankfurt. (Deputation der Centralgewalt nach Wien). Mannheim. (Polizeiwillkühr). Wiesbaden. (Ein Plakat). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Abtheilungssitzung. ‒ Das Begräbniß der Arbeiter. ‒ Der Sicherheitsausschuß. ‒ Ein Beschluß der Stadtverordnetenversammlung). Anhalt-Bernburg. (Auch eine Revolution). Sachsenmeiningen-Hildburghausen. (Reichstruppen. ‒ Verhaftungen). Schleswig. (Landesversammlung).
Polen. (Die Russen. ‒ Bildung polnischer Freikorps in Galizien).
Ungarn. Pesth. (Waffenglück der Ungarn).
Italien. Neapel. (Die englisch-französische Vermittlung). Mailand. (Zustand der Stadt). Turin (Eindrücke der Wiener Nachrichten. ‒ Das Ministerium). ‒ Pavia.
Holland. (Das Gefecht auf Java).
Franz. Republik. Paris. (Cavaignac. ‒ Lamartine. ‒ Ledru Rollin. ‒ Die französische „gute“ Presse über die deutsche Demokratie und Jellachich. National-Versammlung. ‒ Vermischte Nachrichten).
Spanien. Madrid. (Die Montemolinisten. ‒ Cabrera).
Großbritannien. London. (Der „Standard“ über Wien).
Deutschland. 61 Wien, 16. Okt. Das Hof-Post-Amt, dessen erster Titel vom Volke überall mit Koth beworfen ward, hat durch Maueranschlag gestern bekannt gemacht, daß westeuropäische Briefe der kriegerischen Umstände wegen nur bis 2 Uhr Mittags aufgegeben werden können, damit sie noch vor Eintritt der Dämmerung die Linien Wien's passiren. Plakate werden kaum mehr angenommen. Das Volk mißtraut auch dieser Post und hält sie für eine Polizeistube, aus welcher der Geist Sedlnitzky der Kamarilla in Olmütz Berichte erstattet.
Unsere andern Zustände sind seit gestern und vorgestern fast dieselben geblieben. Der Reichstag begeht immer neue Infamien und sinkt im Volke zu immer tieferer Verachtung, die ihm in der kürzesten Zeit den Hals brechen muß. Statt die Wien mit ihren k. k. Raub- und Mordgesellen umlagernden, das Land rundumher abfressenden und die Bauern entwaffnenden Banditen-Generale Auersperg und Jellachich schon beim ersten feindlichen Auftreten und Trotzen als Volks- und Freiheits-Verräther in die Acht zu thun, das ungarische Heer herbeizurufen und das Wiener, so vortreffliche Volk zum Kampf zu begeistern und zu führen, tritt der hohe Reichstag diesen Don Quixott's Se. kroatischen Majestät noch immer mit den Bücklingen eines im Fürstensalon verirrten Bauern entgegen, der mit seinem plumpen Rücken dabei dem Volke in die Rippen fährt, bis es ihn hinauswirft.
Als es bekannt wurde, daß die Ungarn an der österreichischen Gränze seien, ward Jellachich unheimlich zu Muthe, und er schrieb darum an den hohen Reichstag, „er wolle die freien Institutionen des Vaterlandes schützen und habe dies durch seine Verhältnisse zu der in Ungarn herrschenden Partei bewiesen u. s. w.“ (Vergl. die gestr. Ztg.) Auf diese unglaublich freche Don Quixottionade wußte der hohe Reichstag sub duce des demokratischen Pfaffen Borrosch und des politischen Idioten Schuselka und anderer Volksverräther nichts weiter zu antworten, als dieses: „Euer Exzellenz! Auf die am heutigen Tage erhaltene Zuschrift läßt der konstitutionelle Reichstag durch den Ausschuß erklären: Es ist eine Deputation (schon die 5.) an Se. Majestät abgegangen, um ihn (welches deutsch!) zu bewegen, den Friedensvorschlägen Gehör zu geben. In der Hoffnung auf einen glücklichen Erfolg dieses Schrittes hat der Reichstag Alles aufgeboten, um das kampflustige Volk von Wien und die herbeiziehenden Schaaren des Landsturms von offensiven Feindseligkeiten abzuhalten. (Die sich selber hochrühmende Feigheit und Dummheit ist doch gränzenlos!) Se. Majestät hat durch den Fürsten Lobkowitz die Versicherung geben lassen, die beiden Kommandirenden würden Wien nicht angreifen. (Der Kaiser und Hof behandelten die diese Versicherung empfangende Deputation mit der größten Verachtung, und da der hohe Reichstag dies vorausgesetzt haben mußte, so hatte man derselben den frühern Schulmeister Lobkowitzens, den mit dem italienischen Heer zweimal durchgefallenen Selinger, beigegeben, damit wenigstens Fürst Lobkowitz die Deputation nicht vor die Thüre werfen lasse.) Allein die von Euer Exzellenz befohlene Entwaffnung der Nationalgarden in den umliegenden Ortschaften, die drückenden Requisitionen, die Hemmung der Passage und das Absperren der Zufuhren von Lebensmitteln stehen mit diesen Versprechungen in so grellem Widerspruche, daß der Reichstag, auf diese Thatsachen gestützt, entschieden protestiren muß. (O deutsche Idioten!) Der Reichstag hat die Ungarn nicht in's Land gerufen, (er bietet im Gegentheile unter der Hand alles auf, damit sie nicht kommen) und kann sie ebensowenig hinausdekretiren u. s. w. Der Reichstag kennt kein anderes Mittel (ein solcher Reichstag kann natürlich kein Wanzenvertilgungsmittel sein) den Frieden herzustellen, als wenn den entwaffneten Nationalgarden ihre Waffen zurückgegeben werden und Sie in Ihre Heimath zurückkehren u. s. w.“ ‒ Man beeilte sich, diese Salbe des hohen reichstäglichen Quacksalbers sofort an die Straßenecken zu pappen, weil man einen acte d'energie ausgeübt zu haben glaubte, allein das Volk, von einer andern, leider immer zurückgedrängten, Energie beseelt, bewarf diese Borrosch-Schuselka'sche Kretinen-Energie mit Straßenkoth. ‒ Noch unglaublicher als der Reichstag benimmt sich die sogenannte ultraradikale Presse. Der Freimüthige sagt z. B. hierbei: „Im Bewußtsein seines Rechtes und der guten Sache, für die er einsteht, tritt der Reichstag fest, würdig und entschieden auf“ Die kalkulirende Feigheit unserer Presse ist unsere größte Schmach.
Wie gut es dieser hohe Reichstag mit dem Volke meint, wissen Sie ja bereits, da ich Ihnen geschrieben, daß er dem Minister Krauß für die Banditengeneräle 8, der Bank zu entnehmende, Millionen bewilligt hat, während er zur Erhaltung des in immer tieferes Elend versinkenden Volks nur 200,000 Fl. hergeben konnte; wie gut es dieser Reichstag mit dem Volke meint, geht auch noch daraus hervor, daß er die im Parke Schwarzenberg's von dem für Insulte so empfindlichen k. k. Militär an Leuten aus dem Volke begangenen, an Scheußlichkeit die Phantasie der entsetzlichsten Kannibalen haarsträubenden Mordthaten, deren Opfer das Volk ihm unter die Nase trug, mit Stillschweigen übergangen hat.
Diese, von den Soldatenkannibalen Se. k. k. apostolischen Majestät, begangenen Mordthaten, übersteigen so alle Phantasiestücke in Callot's Manier, daß ich ein Wort darüber verlieren muß, leider nur ein Wort. Der Park des Belvedere und der Schwarzenberg's sind von den Hyänen des Absolutismus zu diesen Mordthaten übermäßig benutzt worden. In der Nacht griff man die unschuldig Vorübergehenden auf, brachte sie zu den hellauflodernden Wachtfeuern und mordete sie hier mit satanischer Besonnenheit und Langsamkeit. Offiziere und Mannschaften saßen dabei um's Feuer und überheulten das Verzweiflungsgestön der Gemarterten bei Saufgelagen im Kreise öffentlicher Dirnen. ‒ Oft erschallte das Geschrei der Veröchelnden bis zu den Basteien hin. Als diese Thron- und Kron-Kannibalen, die das Volk, ohne erschossen zu werden, in Italien nicht anblicken darf, am 11. in der Frühe die Mordhöhle geräumt hatten und das Volk eingedrungen war, fand man die Leichnahme überall theils vergraben, theils frei daliegen. Die Kanäle waren geöffnet und sind vielleicht noch angefüllt mit Opfern. Viele liegen im allgemeinen Krankenhause der Alser-Vorstadt unter freiem Himmel zur Schau ausgestellt. Darunter befindet sich auch der in den Reichstag gebrachte, unerkannt gebliebene Leichnahm eines Mannes. ‒ Die unverletzlichen k. k. Kriegsknechte hatten ihm mit glühenden Eisen die Augen ausgebrannt, Hände und Füße abgehackt, den Mund bis an die Ohren aufgeschlitzt und diese abgeschnitten, die Zähne eingeschlagen, den Schädel geöffnet und das Gehirn herausgenommen, den Leib geöffnet und die Eingeweide verbrannt, Pulver in den Mund gethan und angezündet u. s. w. Ein anderer Leichnam war mit glühenden Bränden am ganzen Körper tätowirt; einen Dritten, dessen Körper herkulische Kraft verräth und der sich lebend furchtbar gewehrt haben muß, hatte die Banditen-Soldateska neben hundert andern Verstümmelungen die kraftvollen Fäuste noch beim Leben kunstgerecht sezirt und alle Fasern herausgeschnitten. Ein Mädchen ist bis zum Tode mißbraucht worden, indem man ihm dazu die Brüste ausschnitt und es in sonst unaussprechbarer Weise verstümmelte. Der Anblick dieser Leichen erregt Grauen und Entsetzen und viele erkrankten dabei. Flüche und Verwünschungen der schauerlichsten Art wider den Kaiser, den Hof und alle Schwarzgelben wurden vom Volke im fürchterlichsten Zorne ausgestoßen. Man hätte diese Leichen in Spiritus legen und zum ewigen Angedenken an die Erhabenheit der absoluten Majestäten aufbewahren sollen, allein Schuselka, welcher doch nicht unerwähnt lassen konnte, daß das Militär so viele Leute aus dem Pöbel umgebracht, verordnete nur, daß ihnen ein anständiges Begräbniß werde.
Messenhauer, der neue Oberkommandant der Garde, Legion, Arbeiter und mobilen Garde, von welch letzterer bereits drei Bataillone organisirt sind, zeigt, wie seine Verordnungen vom 14. darthun, viel disziplinarische Energie. Wien ist von ihm in einen tüchtigen strategischen Vertheidigungszustand versetzt worden, obwohl es lächerlich ist, anzunehmen, Jellachich und Auersperg würden es wagen, mit Gewalt in die Stadt zu dringen, wo jedes Haus eine Festung, jeder Pflasterstein eine Waffe, ihr Untergang also gewiß ist. Sie finden es viel bequemer, die Stadt immer mehr zu umzingeln und auf diese Weise auszuhungern. Kommen die Ungarn nicht bald oder wird nicht von der Stadt aus angegriffen, so dürfte dieser Plan gelingen, da die slavischen Soldatenheere von allen Seiten heraneilen.
Ich habe gestern Mittag eine Runde gemacht. Die Linien sind überall im besten Vertheidigungszustande, namentlich die Linien des Belvedere. Dort stehen 18 Kanonen und befindet sich das Hauptquartier des von Ostrolenka her bekannten General Böhm. Nationalgarde, Legion und Arbeiter stehen überall. Fortwährend gibt es kleine Neckereien mit dem Feinde, aber noch steht kein ernstlicher Angriff in Aussicht. Man sagte mir im Belvedere, die ungarische Armee rücke bestimmt heran, müsse indessen mit Kriegslist verfahren. Wenn's nur wahr ist. Die Pesther Zeitung vom 12. weiß gar nicht, wo sich ihre Armee befindet. Kossuth, der Präsident des Landesvertheidigungsausschusses, hat dem hiesigen Reichstage durch eine Deputation eine Ihnen gewiß schon bekannt gewordene Erklärung übersenden lassen, welche die bestimmteste Zusage enthält, Jellachich anzugreifen und wo möglich zu vernichten, aber auch sofort Halt zu machen, wenn der östreichische Reichstag es verlange. An Ungarn dürfen wir also noch nicht verzweifeln.
Der Hof befindet sich in der Festung Ollmütz und hetzt von dort aus die Slaven wider Wien und die Ungarn. Vielleicht wird er, da die giftigen Czechen seinen Absolutismus schwerlich herzustellen vermögend sein werden, nächstens in Potsdam oder im russischen Lager eintreffen.
12 Uhr Mittags. Ich glaubte, etwas Erfreuliches zu vernehmen und komme eben von einer Wanderung durch die Stadt; aber man sieht nichts, als die Erbärmlichkeitsplakate der konstitutionellen Ordnungs- und Ruhefreunde und Volksverräther Schuselka, Fischof u. s. w., die mich anwidern, während man die herannahende Verzweiflung dem Volke schon vom Gesichte ablesen kann. Die vorhergehenden Tage trug jedermann eine Waffe, jetzt sieht man nur wenige noch damit. Bei der Vertheilung der Waffen sind die konstitutionellen Ruhe- und Ordnungsfreunde mit solcher Ruhe und Ordnung verfahren, daß, aus Furcht, es möchten zu viele Arbeiter bewaffnet werden, die schwarzgelbe Partei eine Menge Waffen davon getragen hat, um sie entweder zu Hause in die Ecke zu stellen oder Sr. kroatischen Exzellenz zu überbringen. Um 3 Uhr hält der konstitutionelle Reichstag eine konstitutionelle Schuselka-Pillersdorf-Sitzung. Ich werde Ihnen daraus berichten. Die Läden sind heute theilweise geöffnet, allein das Elend nimmt bei der Stockung aller Thätigkeitsverhältnisse immer zu, da uns auch die Nahrungsmittel mehr und mehr abgeschnitten werden. Die ungarischen Zeitungen sind ebensowenig heute eingetroffen, als die Ungarn. Es wird so weit kommen, daß das Volk die Waffen fortwirft und den Jellachich hereinläßt, oder daß es den Reichstags aufknüpft, um sich selber zu helfen. Wir haben einen Artilleriepark von 150 Kanonen; in den Händen des Volkes würden sie Jellachich vernichten; die konstitutionellen Reichstagsbanden aber wissen nicht, was sie damit machen sollen. Auersperg hat zur Spionage einen General im Invalidenhause hinterlassen und dem Reichstage sagen lassen, daß er es gethan, um die legale Verbindung mit ihm zu unterhalten. Was thun die Reichstagsfreunde? Sie glauben Auersperg nicht nur aufs Wort, sondern sie stellen die k. k. Spione auch noch unter den Schutz des Reichstags und empfehlen dabei dem Volke immer wieder Ruhe und Ordnung. Es ist um wahnsinnig zu werden! Ich sehe es, Wien unterliegt und mit diesem Bollwerk versinkt die Freiheit Deutschlands. Die Bourgevisrepublikaner Frankreichs haben mit der Republik ihr Geschäftchen gemacht und scheinen dem Absolutismus hold wieder zuzulächeln.
Wien, 16. Octbr. Der „Politische Privat-Telegraph“ schreibt: Es ist noch immer nicht zum Kampfe gekommen; die Ungeduld der hiesigen Bevölkerung schlägt in Unwillen und Entrüstung um. Es wird allgemein Klage geführt gegen die Mattigkeit des Reichstags, der vermitteln will, statt entschieden für die Sache des Volks aufzutreten. Wie es scheint, hat jetzt der Reichstag mit dem Antrag eines Völkerkongresses den letzten versöhnenden Schritt gethan; schlägt dieses Mittel fehl, so ist er zum Handeln gezwungen. Die Blicke des Volkes außer Wien sind ganz besonders auf den Reichstag gerichtet; das Militär jedoch verläugnet ihn. Der Grund, warum der beabsichtigte Angriff von Seiten der Ungarn noch nicht gemacht worden, ist, daß der ungarische Oberfeldherr Messaros ohne die gebührende Anzahl von Truppen (20,000 reguläre und 30,000 Garden) nicht gegen die Kroaten vorrücken zu dürfen glaubt. ‒ Das Militär in der Umgebung Wiens erlaubt sich empörende Gewaltsamkeiten gegen Ab- und Zureisende, mit deren Gesinnung sie nicht einverstanden zu sein Grund haben. Der Reichsdeputirte Sturm, der aus der Steiermark kam, wurde in W.-Neustadt festgenommen und 2 Tage lang unter strengster Bewachung in Gefangenschaft gehalten. Auf seine Legitimation als Deputirter fielen von den Offizieren rohe, beleidigende Worte gegen die ganze Kammer, die sie als den Aufenthalt von Mördern bezeichnete. Zwei Studenten, die mit demselben Train fuhren, sollten sogleich auf den Befehl eines Majors, der es über sich nehmen wollte, sogleich erschossen werden, und es wäre auch geschehen, ohne das Einschreiten des Obristen und den Umstand, daß Einer der beiden Studenten ein Baron gewesen. ‒ Dieses zur Bezeichnung des herrschenden Geistes unter einem Theile des Militärs. ‒ In Gratz spielt der Gouverneur Graf Wikenburg ein gefährliches Spiel, Anfangs offen auftretend gegen die Wiener Bewegung, scheint er sich ihr jetzt entschieden anzuschließen; man will von einem geheimen Einverständnisse zwischen ihm und dem Baron Jellachich, der sich, nebenbei gesagt, als Ober-Kommandant aller östreichischen Truppen gerirt, wissen. Der Landsturm von Ober-Steiermark ist bereits bis zum Sömmering vorgedrungen, wo er vom Militär vorläufig in Schach gehalten wird.
Das mobile Korps vergrößert sich fortwährend. ‒ Die Vertheidigungsanstalten werden verbessert und erweitert; der gewesene Ober-Kommandant von einem Tage ist verhaftet; man hat ein verrätherisches Einverständniß zwischen ihm und den Gegnern des Volkes entdeckt. ‒ Der jetzige Ober-Kommandant Messenhauser wirkt mit Umsicht und Energie; er veranstaltet jetzt die augenblickliche Drucklegung und Veröffentlichung aller Berichte über den Stand der k. k. Armee. ‒ Die Zufuhr von Lebensmitteln und Geld ist ohne Aufhör; von der ganzen Umgebung, selbst von den entferntesten Städten kommen Deputationen mit ähnlichen Gratisbeiträgen, um der Universität und der Wiener Bevölkerung ihre Sympathien zu beweisen. Sogar vom republikanischen Vereine aus Dresden ist eine Deputation an das Studentenkomité mit einer Dankadresse gekommen. ‒ Zwei kroatische Offiziere wurden heute Nacht gefangen genommen und auf die Universität gebracht. ‒ Kleine Plänkeleien der Vorposten, besonders bei der Mariahilfer und St. Marker Linie dauern immer fort. Die Verzögerung des Kampfes drückt schwer auf die Stimmung des Volkes; die kaiserlich Gesinnten, die Servilen, die Rreaktionären thun das Weitere durch Wühlerei und Aufhetzung, um die Unzufriedenheit zu steigern. ‒ Auf dem Stephansthurme und auf der Universitäts-Sternwarte stehen fortwährend Wachen, um die Bewegungen der Truppen zu beobachten und darüber zu berichten. ‒ Die am Sömmering beschäftigten Arbeiter wurden durch den Landsturm aus Steiermark vorwärts gedrängt und als sie sich dem bei Wien gelagerten Militär näherten, wurde auf sie gefeuert; die Kroaten haben sie gefangen genommen und auf das Grausamste mißhandelt. Solche Scenen dienen dazu, die Erbitterung zwischen Volk und Militär bis auf das Höchste zu steigern.
Abgang der Post 2 Uhr Nachmittags.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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