Neue Rheinische Zeitung. Nr. 122. Köln, 21. Oktober 1848.[Spaltenumbruch] darüber zu urtheilen, wann die Verhandlungen zum Schluß kommen werden. Es scheint fest, als wenn Lord Palmerston und General Cavaignac eben nicht große Lust hätten, die schwere Verantwortlichkeit des von Admiral Baudin und Sir William Parker bisher Geschehenen zu übernehmen. Außerdem mag es Schwierigkeiten verursachen, daß Oestreich in dieser Sache noch gar nicht gehört wurde und gewiß ist es, daß Rußland sich beklagte, und wie einige sagen, sogar dagegen protestirte, daß man in der ganzen Angelegenheit so irregulär zu Werke gehe. Der König von Neapel ist noch immer Willens, die bereits durch Lord Minto angebotenen Bedingungen, nämlich die Konstitution von 1812 zu bewilligen, wenn seine Souverainetät erhalten bleibt. Einer gänzlichen Trennung wird er aber nie seine Zustimmung geben. Mit der Konstitution von 1812 sind die Sizilianer aber keineswegs mehr zufrieden, und Frankreich und England würden ein solches Arrangement nur mit Gewalt bei ihren Protegirten zu Stande bringen. * Mailand, 11. Oktbr. Kaum hatte sich die Nachricht der Wiener Ereignisse hier verbreitet, als auch schon die Ungarn mit dem Geschrei: "Todt den Kroaten!" durch alle Straßen liefen. Radetzky drohte, sie decimiren zu lassen. Die Bevölkerung ist in der größten Aufregung. Radetzky konsignirte die Truppen in ihre Quartiere und untersagte ihnen allen Umgang mit einander. Die Thore der Stadt wurden geschlossen. Zahlreiche Patrouillen mit Kanonen durchzogen die verschiedenen Stadttheile. Fünf ungarische Offiziere, die sich zu Radetzky begeben hatten, um ihren Abschied zu fordern, wurden nach der Festung geschickt. Eine große Menge Soldaten versammelten sich auf dem Platze, ihre Freilassung fordernd, da sie abreisen wollten. * Turin, 12. Okt. Die Nachrichten aus Wien durchfuhren die ganze Stadt wie ein elektrischer Schlag. Eine zahllose Volksmasse begab sich unter die Fenster der Minister und schrie: "Krieg! Krieg!" Allgemein sagt man, daß das Kabinet den Augenblick für geeignet gehalten hat, um von den vermittelnden Mächten eine definitive Resolution zu verlangen. Man spricht heute Morgen nur von einer Note, die das Ministerium an England und Frankreich gesandt haben soll, um ihnen mitzutheilen, daß die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden sollen, dafern sie Oestreich nicht zu einem ehrenvollen Frieden bewegen. Aus Pavia hört man, daß die Ungarn und die Kroaten aneinander gerathen sind. In Toskana ist die Aufregung sehr groß. Das Volk von Livorno hat erklärt, daß es nach Florenz marschieren werde, wenn das Ministerium nicht innerhalb drei Tagen geändert sei. Holland. * Der Kaffee kommt den Holländern theuer zu stehen. Wie wir bereits durch das Amsterdamer Handelsblatt erfuhren, haben die Kinder der "moralsten Nation" vor Kurzem auf Java eine bedeutende Schlappe davon getragen. Wir erhalten darüber jetzt eine Menge Details, und wenn wir der Javanesischen Presse trauen dürfen, so hat sich der Sieg blos in den Reihen geirrt, so daß nach den Theorieen Jomini's die Besiegten eigentlich die Sieger sein mußten und vice versa. Die Hauptsache ist aber, daß die Holländer in dem Augenblicke, wo sie sich für die Herren von Bali und der Landenge von Lombock hielten, total auf's Haupt geschlagen wurden. Die durch das Gouvernement von Java vorbereitete Expedition verließ Bezockoe in den ersten Tagen des Juni und bestand aus 4 Kriegsdampfschiffen, aus 2 Briggs der königlichen Marine und aus vielen kleineren Fahrzeugen mit zusammen 5000 Mann. Die Insulaner ließen ihre Feinde ruhig landen und zogen sich eine halbe Meile weit in's Innere, nach dem Fort Djaga-Raga zurück, wo sie sich am besten halten zu können glaubten. Zwei Tage reichten für die Holländer hin, um nach allen Regeln der Kriegskunst die Offensive zu ergreifen. Dies geschah endlich und die Artillerie hatte auch bald so viel Bresche geschossen, daß die Infanterie mit gefälltem Bayonnette die äußern Wälle nehmen konnte. Schon ist man ziemlich weit vorgedrungen und glaubt seines Sieges gewiß zu sein, da nahen plötzlich bedeutende Verstärkungen für die Insulaner und ehe man sich's versieht, ist man von allen Seiten umringt. Ein mörderischer Kampf beginnt jetzt'z man wehrt sich bis auf's Aeußerste und erst als man 300 Granaten, 400 Kugeln, 400 Kartätschen und 80,000 Packete Patronen verschossen und doppelt so viel Leute verloren hat als die Insulaner, zieht man sich, oder wältzt man sich vielmehr in der wildesten Flucht zurück in die Schiffe. Nach einer solchen Niederlage blieb den Holländern nichts anderes übrig, als Bali aufzugeben und die Anker zur Rückkehr zu lichten. General-Major Van-der-Wyck hat aber versprochen, eines Tages wiederzukommen und sich zu revangiren, sobald es die Finanzen der Kolonie erlauben. Wehe den Insulanern, wenn sich dann das Glück der Waffen wendete! Die düstere Geschichte der Eroberung von Java würde um ein schreckliches Blatt reicher werden. Französische Republik. 17 Paris, 18. Okt. Mit beflügeltem Schritte geht es bergunter, die Entscheidung wird bald losbrechen. Die drei royalistischen Minister erhielten in der Kammer eine hübsche Majorität von 500 gegen 150, Cavaignac wird von den Reaktionären der Thierspartei gepriesen als der "große Mann der Versöhnung", und als die Bourgeoisrepublikaner zornig auffuhren, lachten sie ihnen unter die Nase. Der Expolizeipräfekt Ducoux konnte kaum vor dem Gebrüll und Gelächter der "Versöhnten" seine Rede enden, worin er, obschon mit Stentorstimme begabt, dem afrikanischen Heiland und dem Herrn Dufaure den Text las."Hr. Dr. Ducoux ist ein Mann, der nicht in unsere Zeit mehr paßt, sagt der Constitutionnel, er will noch den komischen, wenn nicht vielmehr beleidigenden Unterschied zwischen Republikanern vor undnach dem Februar festhalten, das sind Flausen. Die lieben Rothen haben unter sich keine Talente, daher muß der Staat anderswo sich ein Ministerium zusammensuchen. Wir wollen uns freuen, die Ordnung ist jetzt gesichert." - "Ja wohl, bemerkt La Reforme, nach Dufaure kommt Thiers, nach Thiers wer weiß was sonst noch? Da brillirt ein kaiserlicher Neffe, der mit Nikokaus sich speziell gut steht, was sehr schmeichelhaft sein muß für einen französischen Republikaner; da ist - doch wozu prophezeien?" Es wird jetzt allgemein von den Sozialdemokraten geglaubt, dies "Ministerium des Hochverraths an der Nation" werde nicht eher weichen als bis es mit Büchsenkugeln entfernt wird; Cavaignac "der Apostat" ist der Volksstrafe geweiht. Diese Entscheidungsschlacht wird vielleicht nicht in Paris allein geschlagen werden; Cavaignac scheint so etwas zu ahnen und sagte: "wenn ich das Ministerium nicht im Versöhnungssinne modifizire, so bekommen wir in den 86 Departements eben soviele Bartholomäusnächte, gegen die die alte ein Spaß war." Die "verhaßte" Royalistenpartei Dufaure wird ihn übrigens im Stich lassen, sobald er sich von ihr losmachen will. Die nicht Versöhnte ( J. des Debats, Presse, und die Legitimistenblätrer) attakirt ihn schon jetzt als "Heuchler und Jongleur". Daß er jetzt mehr Chancen zur Präsidentur hat als vor dieser "Versöhnung", ist natürlich; Lamartine dagegen ist total abgetakelt und wird nicht leicht wieder flott werden, trotz seiner lächerlichen Prätentionen und seiner Wahlpilgerschaft durch den französischen Süden, wo er "die Harfe des kindisch gewordenen Troubadour" schlägt, wie der "Constituant democrate" in Toulouse sagt. Auch beglückt er den Buchhandel mit vier Broschüren über Dinge, die er nicht versteht. Der einzige in den Augen der Sozialdemokraten zulässige Kandidat ist Ledru-Rollin; er gilt nicht mit Unrecht als ein " Mann mit revolutionären Inspirationen," aber ohne revolutionäre Reflexion, wie Proudhon neulich ganz richtig bemerkte. Seit er auf dem ersten großen social-demokratischen Banket in den elyseischen Feldern am 22. September die deutsche Demokratie von den franzosenfressenden Deutsch-Thümlern geschieden, ereifert sich Herr Alex. Weill in "La Presse", Hr. Virmaitre im "Corsaire" und das "Journal des Debats" gleichermaßen über den "rothen Tribun" und "die rothen Klubisten an Spree und Donau." Diese stets honnetten, wohlstylisirten Bourgeoisjournale begeisterten sich bekanntlich für den Malmöer Waffenstillstand, dessen Bruch das Debats " inen Frevel gegen das kleine, hochherzige Heldenvolk der Dänen" nannte, und bewies, die Deutschen brauchten eigentlich gar keine Kriegshäfen. "La Presse" höhnte: "Wir sind gar neugierig, ob die Herren Republikaner von Frankfurt, die Elsaß und Posen, Mailand und Schleswig, Belgien und Gott weiß was noch Alles, einstecken möchten, obschon sie von edlen Gefühlen überfließen, einen allgemeinen europäischen Kampf riskiren werden; wir rathen ihnen nicht, Frankreich zu reizen." Nach der Frankfurter Tragödie geiferten wiederum diese Blätter, im Chorus mit dem belfernden Constitutionnel und dem verstohlen drein quäkenden "Siecle" gegen die Wühler in dem "sonst so gebildeten Lande Kants und Göthe's," und übersetzten die Berichte der "Morning Post" über das "Martyrium" Lychnowski's und Auerswald's "dieser zwei vollendeten deutschen Edelleute"; Cavaignac sollte, ihnen zufolge, der Centralgewalt geschrieben haben: "so lange die deutschen Klubs fortblühten, sei kein Frieden in Deutschland möglich, sie möge sich in diesem Punkte Frankreich zum Muster nehmen." Hr. Weill polterte dann gar fürchterlich gegen die "Banditen an der Spree, denen freilich Wrangel's Zuchtpeitsche sehr unanngnehm", und prophezeite dem Struweschen Korps ein "verdientes Schmachende"; das "Journal des Debats" lächelte höhnisch über die "Terroristen in dem gute Tafel liebenden Wien"; da brach es in Wien los, und diese pariser Dänenblätter, diese Jahn- und Lychnowskiblätter, wurden zu kompletten Kroatenblättern. "Jelachich, der große Held des Ostens, der Bändiger der Anarchie, der Zuchtmeister der deutschen Ruhestörer, der liebenswürdige, eine große Zukunft im stillen Busen tragende Banus" und dergleichen Zuckerphrasen bekommt seit 8 Tagen der bedauerliche Leser dieser "ehrenwerthen" Presse aufgetischt, und muß einstimmen ins Lob der kroatischen Rothmäntel trotz seines sonstigen Bourgeoisgrausens gegen alles Stehlen und gegen alles was roth ist. Die "Augsburger Zeitung", ha! welch köstlichen Stoff bietet sie zur "genauen Kenntniß der Sache"! Und so wandert sie denn täglich in großen Dosen in diese franz. Kolonnen über. Daß die Magyaren lauter Hundejungen sind, und die reaktionären Tschechen lauter Engel, auch das erfährt der nach Wissen lechzende pariser Kleinbürger von seinem Thiersblättchen. Auf dem gestrigen Banket der Sozialdemokraten vor der Barriere Poissoniere, wo Cabet auf die Vereinigung aller Demokraten, Proudhon und Leroux auf die soziale Republik toasteten, ward mit besonderer Sympathie "der Wiener Befreiung" gedacht. Es ist ein saures Stück Mühe, die vielen verrückten Meinungen "über die deutsche Demokratie" zu widerlegen; La Reforme und einige Provinzialblätter sind darüber im Klaren, aber die "Demokratie pacifique" sogar z. B. noch nicht; sie war dumm genug, den berüchtigten Schandaufsatz der Augsb. Ztg., worin der Elsaß reklamirt und Frankreich verhöhnt wird, demokratischer Feder beizumessen und den Jelachich als einen "modernen Wallenstein" sich vorzustellen, der "im Herzen Demokrat" sei; was eine scharfe Erwiderung Seitens des pariser deutschen Vereins zur Folge haben dürfte. "La Citoyen " von Dijon sagt: "Ohne Deutschlands Demokraten, die den Elsaß und Lothringen nicht uns abnehmen wollen, wie ihnen unsere beiderseitigen reaktionären Gegner aufbürden, kann sich die französische Republik nicht auf den Beinen erhalten; unsere Eitelkeit will es leugnen, aber diese Wahrheit wird sich uns noch einmal sehr empfindlich machen. Es ist ein Wahnwitz, den deutschen Demokraten in die Schuhe schieben wollen, was eine ihnen feindliche, eigentlich Deutschthümler (Teutons, Tudesques) oder Franzosenfresser (Gallophages, Francophages) zu titulirende Ultrapatrioten- oder Ultranationalitätspartei verübt gegen Posen und Italien, und gegen andere Nachbaren verüben möchte. Wir dürfen die kostbare Allianz nicht verschmähen, die uns mit ihnen lächelt; weder wir, noch sie denken dabei an Länderdiebstahl, sondern nur an schleunigstes Niederschlagen der Despoten von Gottes und Goldesgnaden," u. s. w. * Paris, 16. Okt. Die Demonstrationen gegen die Regierungspartei durch Abhaltung von Banketten vermehren sich wie vor der Februarrevolution. - Am Sonntag wurde an der Barriere von Severs das 6te Bankett der Schriftsetzer abgehalten. Für L. Blanc war ein Ehrenplatz offen gelassen. Bürger Carbon schloß eine kurze Anrede an die Versammlung mit dem Toaste: "es lebe die demokratische Republik!" Von allen Seiten schrie man: "und die sociale". Carbon antwortete, daß er sich keines Pleonasmus habe bedienen wollen; er verstehe keine demokratische Republik, die nicht social sei. Den Schluß bildete eine Kollekte für die Familien der Deportirten. - In Montpellier hat ebenfalls ein großes demokratisches Bankett Statt gefunden, welches 3000 Theilnehmer zählte. Zahlreiche Toaste wurden ausgebracht auf "die politischen und socialen Konsequenzen der Revolution." - Ein demokratisches Bankett der Presse ist auf den 29. d. M. angesagt mit den Worten: "Vom Chateau-Rouge ging 1847 die erste Protestation gegen die Monarchie ans, in demselben Saale werden die Repräsentanten der demokratischen Sache einen feierlichen Toast auf die Republik bringen." - Ein anderes Bankett der "demokratischen Republik" unter der Präsidentschaft von Lamennais wird auf den 17. d. M. angekündigt. Ebenso wurde in Mans trotz, aller Intrigen der frühern Beamten Louis Philipps, ein großes Bankett abgehalten. - Der Expräsident des demokratischen Klubs Bonne-Nouvelle zeigt die Bildung eines neuen Klubs von Batignolles-Monceaux an. Paris, 18. Okt. Die Stimmung des Kleinbürgers und Arbeiters wird täglich gereizter. Die reaktionären Blätter beweisen sich natürlich als übergefälliges Echo dieser Stimmung und zeigten gestern Abend sogar an, daß ein neuer Sturm gegen die Nationalversammlung losbrechen solle! Aus diesen Gründen erscheint diesen Morgender Moniteur mit folgender Anzeige auf seiner ersten Spalte: "Gewisse Journale verbreiten Gerüchte, die angeblich in dem Vorsaale der Nationalversammlung liefen, und laut derer das Volk eine feindliche Demonstration gegen die Regierung beabsichtige. Diese Gerüchte, wenn sie ihren Ursprung wirklich in den Pas-Perdus hatten, sind durchaus falsch und erlogen. Es ist ein derartiges Vorhaben weder signalisirt, prämeditirt, noch operirt worden. Uebrigens ist die Regierung, durch die Gesetze gegen die Volkszusammenrottungen, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen bewaffnet, fest entschlossen, jeder aufrührerischen Bewegung mit aller gesetzlichen Strenge entgegen zu treten, von welcher Partei sie auch immer ausgehe." (Moniteur.)- Gestern Nachmittags hat also das erste demokratisch-sociale Bankett unter Pierre Leroux, Proudhon, Cabet, Greppo, Alton Shee etc. an der Barriere Poissoniere, unserer Anzeige gemäß stattgefunden. Die Zahl der Gäste betrug etwa 2300 a 1 Fr. Die halbe Linke; namentlich Ledru-Rollin, Lamennais etc. hatten ihren Besuch zugesagt; allein Cavaignac hat sie beschworen, demselben nicht beizuwohnen, weil er sonst für den öffentlichen Frieden nicht länger stehen könne Hr. Proudhon, Leroux, Cabet, Madier de Monjau und Alton Shee haben gesprochen und dabei vorzüglich der Wiener gedacht. In den Debats und der Gazette des Tribunaux befinden sich diesen Morgen einige freilich nur sehr dürftige und gehässige Notizen über die gefallenen Trinksprüche u. A. Hier die Hauptsache, nämlich die verlesene und genehmigte Proklamation an das Volk! Brüder! Wir sind weit entfernt von dem Tage, an welchem sich nach heldenmüthigen Kämpfen die Republik siegreich und glänzend wie die aufgehende Sonne am Weltmorgen emporhob, jenem Bilde gleich, das das heiligste Symbol aller Hoffnungen der Zukunft, Freiheit, Gleichheit, Verbrüderung in lebendiger Weise darstellt. Von einem Ende Europa's zum andern jauchzten ihr die Nationen Beifall zu und vom neuen Geiste, vom Hauche der Regeneration durchdrungen, zerbrachen auch sie ihre alten Fesseln im Namen jenes Rechts, das Frankreich feierlich verkündet hatte. Es erntete hievon sofort selbst die Früchte; in der politischen Ordnung fielen alle Privilegien und das allgemeine Stimmrecht wurde eingeführt. In der gesellschaftlichen Ordnung wurde die Selbstständigkeit des Arbeiters als Grundbedingung zu einer Aenderung der Form der Arbeit selbst anerkannt, damit eine gleichmäßigere Vertheilung der Produkte erzielt und Jedem sein Leben in der solidarisch verpflichteten Gesellschaft garantirt werde. Bald darauf sammelten und organisirten sich die im Februar besiegten Parteien wieder. Ueberall, wohin ihre Hände reichten, bestrebten sie sich durch Verläumdung und Ränke, der Republik Feinde und der Regierung Hindernisse zu schaffen. Sich nach und nach wieder in die Staatsverwaltung einschleichend, flößten sie derselben ihre Grundsätze, ihre Leidenschaften wieder ein und gebrauchten die revolutionäre Macht, die sie sich anzueignen gewußt, als Waffe gegen die Revolution selbst. Man wich zurück bis zu den Thüren der Monarchie. - Hier stehen wir in diesem Augenblick: den Männern der Monarchie sind die Schicksale der Republik anvertraut! Wir begreifen die Befürchtungen des Volkes und seine nur wahrlich allzusehr gerechtfertigte Entrüstung. Doch möge es sich nicht über alles Maaß allarmiren und sich vorzüglich gegen tückische Herausforderungen hüten. Was man daher auch immer aufbieten möge, um es zu verheerenden Unvorsichtigkeiten zu stoßen, möge es doch ruhig und fest Herr über sich selbst bleiben, um auch der Herr der Zukunft zu werden. Auf diese Weise wird es seine Stärke beweisen und sie voll und durch Einigkeit unbesiegbar wieder äußern, wenn es noch einmal nothwendig werden sollte, daß sie dem Recht zu Hülfe eilte. Was uns beerifft, die wir mit dem Titel seiner Vertreter beehrt sind, so wissen wir, wozu uns dieser Titel verpflichtet; wir kennen unsere Pflichten und werden sie erfüllen. Hervorgegangen aus dem Volke, vereinigt mit dem Volke, werden wir mit ihm kämpfen und, es ist unser Glaube, mit ihm siegen." Paris, 17. Oktober 1848 (Folgen die sämmtlichen Unterschriften der äußersten Linken oder des bekannten Berges der Nationalversammlung). Obenstehende Proklamation ist zum Druck befördert worden und wird bereits in den volkreichsten Stadtvierteln massenhaft ausgetheilt. An der Börse, die so eben (Mittags 1 1/2 Uhr) eröffnet wird, verursacht sie einigen Schrecken und die Fonds machen Miene, zu weichen. Offenbar stehen wir am Beginn einer in der Weltgeschichte beispiellosen Krisis und doch sagen die Leute in den Cafe's: Tant mieux! Paris lebt bekanntlich in den Klubs und Cafe's, und je finsterer die Wolken sich häufen, desto heiterer werden oft seine Züge. Der Pariser lacht selbst noch im Elende! - Ein nicht unwesentliches Element zur Gährung in gewissen Legionen der hiesigen Bürgerwehr liegt in dem diktatorischen Auftreten des Generals Changarnier, ihres Befehlshabers. Man lese als Beleg hierfür einen Brief Hingrais, des Obersten der 10. Legion, im National. - Jules Favre, der bekannte bombastische Advokat der Nationalpartei in der Nationalversammlung, den jüngst ein deutsches Blatt einen der "größten Redner des heutigen Frankreichs" nannte, ist auf dem Wege der Genesung. Er hatte das hitzige Fieber. - Im Faubourg St. Antoine ist man eben im Begriff, sozialistische Kramladen zu errichten. - Marie, Justizminister, soll heute einen Dekretentwurf vorlegen, der neue Strenge gegen die Zeitungspresse und Klubs fordert. Gegen diese Zugeständnisse wird der Belagerungszustand aufgehoben. Nationalversammlung. Sitzung vom 18. Oktbr. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Abraham Dubois protestirt gegen einige Stellen des gestrigen Protokolls. Sie sollen berichtigt werden. Dies geschieht. Die Versammlung genehmigt eine Selbststeuer des Sommedepartements, zur Aufbringung eines Kapitals zu Bauten für das Proletariat. Sie geht zur Berathung des neuen Spezialgesetzes über die Majorität bei Geschwornen-Gerichten über. Man entsinnt sich, daß die provisorische Regierung die zur Verurtheilung eines Verbrechers erforderliche Majorität auf 9 erhöhte. Dieser liberale Akt gab Veranlassung zu vielen Freisprechungen. Die Reaktion hatte daher nichts Eiligeres zu thun, als auch diese Februarpflanze auszurotten. Sie setzte die Zahl wieder auf 7 fest und trieb diese Reduktion heute zur Berathung. Meaulle, ein halbliberaler junger Deputirter aus dem Isle- u. Vilain-Department, trägt darauf an, die Majorität auf mindestens 8 zu erhöhen. Cremieux, Berichterstatter, erzählt jedoch, daß sich so viele Staatsanwaltschaften in den Departements gegen die Vermehrung der Majoritätszahl erhoben, daß er selbst auf Abschaffung der 9 und resp, Herabsetzung auf 7 antrage. Es seien zu viele Verbrecher, die selbst ihre Missethaten eingestanden, bei 9 freigesprochen worden und die bürgerliche Gesellschaft gefährdet (!) Alem Rousseau, auch ein halbliberaler Provinzialstädter, unterstützt das Meaulle'sche Ammendement. Die Versammlung, wegen des schlechten Wetters sehr zahlreich, schreit aber Schluß! Schluß! Mehrere Bänke: Zettelabstimmung! Dieselbe gibt folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 729. Für den Antrag 165, dagegen 564. Also verworfen. Farconnet stellt den Zusatz: "Bei Todesurtheilen, d. h. Kapitalverbrechen solle die Todesstrafe nur vollzogen werden, wenn die Jury ihr Schuldig mit Einstimmigkeit aussprach etc." Base bekämpft diese Milde. Sie sei der Wahrheit des Gesetzes entgegegen. Alle Meuchler ohne Ausnahme müßten sterben. St. Romme möchte den Zusatz retten. Vergebens. Die Versammlung verwirft ihn. Charamaule, der Unermüdliche, beantragt die Majorität bei Todesstrafen auf 9. Dies verräth Sympathie für die prov. Regierung und wird verworfen. Tassel möchte das Loos der Angeklagten dadurch mildern, daß die erleichternden Umstände mit simpler Majorität angenommen würden etc. Valette bekämpft dieß jedoch und der ursprüngliche Entwurf, wie er an die Stelle des Artikels 4 des Dekrets vom 7. März 1848 getreten, geht durch. Die Versammlung kehrt zur Verfassungsdebatte zurück und nimmt ohne erhebliche Debatte die Artikel 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 und 100, alle von der Gerichtspflege handelnd, an. Die Artikel 101, 102 und 103 werden, als von dem Schlußsatze des Art. 100 abhälngig, unterdrückt. Artikel 104 und 103 werden angenommen. Letzterer lautet: "Der Präsident der Republik steht unter der Gerichtsbarkeit des Obertribunals, kann nur auf Antrag der Nationalversammlung in Anklagestand versetzt werden, sowohl für öffentliche als Privat-Verbrechen." Statt zu Art. 106 (Kapitel IX. von der Land-und Seemacht, überhaupt von den Kräften der Republik handelnd) überzugehen, nimmt die Versammlung einen Antrag vor, der von der legitimistischen Partei ausgeht und zum Zwecke hat, die unterdrückten oder vorbehaltenen Artikel 74, 75 und 76 durch zwei andere zu ergänzen, welche lauten: Die öffentliche Verwaltung soll nach folgenden Prinzipien eingerichtet werden: a) Gestion durch Verwaltungsbeamte, die aus dem allgemeinen Stimmrecht und aus den Lokalinteressen selbst hervorgehen. b) Delegation der Centralgewalt in politischer Hinsicht zur Ueberwachung der allgemeinen Interessen etc. [Spaltenumbruch] darüber zu urtheilen, wann die Verhandlungen zum Schluß kommen werden. Es scheint fest, als wenn Lord Palmerston und General Cavaignac eben nicht große Lust hätten, die schwere Verantwortlichkeit des von Admiral Baudin und Sir William Parker bisher Geschehenen zu übernehmen. Außerdem mag es Schwierigkeiten verursachen, daß Oestreich in dieser Sache noch gar nicht gehört wurde und gewiß ist es, daß Rußland sich beklagte, und wie einige sagen, sogar dagegen protestirte, daß man in der ganzen Angelegenheit so irregulär zu Werke gehe. Der König von Neapel ist noch immer Willens, die bereits durch Lord Minto angebotenen Bedingungen, nämlich die Konstitution von 1812 zu bewilligen, wenn seine Souverainetät erhalten bleibt. Einer gänzlichen Trennung wird er aber nie seine Zustimmung geben. Mit der Konstitution von 1812 sind die Sizilianer aber keineswegs mehr zufrieden, und Frankreich und England würden ein solches Arrangement nur mit Gewalt bei ihren Protegirten zu Stande bringen. * Mailand, 11. Oktbr. Kaum hatte sich die Nachricht der Wiener Ereignisse hier verbreitet, als auch schon die Ungarn mit dem Geschrei: „Todt den Kroaten!“ durch alle Straßen liefen. Radetzky drohte, sie decimiren zu lassen. Die Bevölkerung ist in der größten Aufregung. Radetzky konsignirte die Truppen in ihre Quartiere und untersagte ihnen allen Umgang mit einander. Die Thore der Stadt wurden geschlossen. Zahlreiche Patrouillen mit Kanonen durchzogen die verschiedenen Stadttheile. Fünf ungarische Offiziere, die sich zu Radetzky begeben hatten, um ihren Abschied zu fordern, wurden nach der Festung geschickt. Eine große Menge Soldaten versammelten sich auf dem Platze, ihre Freilassung fordernd, da sie abreisen wollten. * Turin, 12. Okt. Die Nachrichten aus Wien durchfuhren die ganze Stadt wie ein elektrischer Schlag. Eine zahllose Volksmasse begab sich unter die Fenster der Minister und schrie: „Krieg! Krieg!“ Allgemein sagt man, daß das Kabinet den Augenblick für geeignet gehalten hat, um von den vermittelnden Mächten eine definitive Resolution zu verlangen. Man spricht heute Morgen nur von einer Note, die das Ministerium an England und Frankreich gesandt haben soll, um ihnen mitzutheilen, daß die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden sollen, dafern sie Oestreich nicht zu einem ehrenvollen Frieden bewegen. Aus Pavia hört man, daß die Ungarn und die Kroaten aneinander gerathen sind. In Toskana ist die Aufregung sehr groß. Das Volk von Livorno hat erklärt, daß es nach Florenz marschieren werde, wenn das Ministerium nicht innerhalb drei Tagen geändert sei. Holland. * Der Kaffee kommt den Holländern theuer zu stehen. Wie wir bereits durch das Amsterdamer Handelsblatt erfuhren, haben die Kinder der „moralsten Nation“ vor Kurzem auf Java eine bedeutende Schlappe davon getragen. Wir erhalten darüber jetzt eine Menge Details, und wenn wir der Javanesischen Presse trauen dürfen, so hat sich der Sieg blos in den Reihen geirrt, so daß nach den Theorieen Jomini's die Besiegten eigentlich die Sieger sein mußten und vice versa. Die Hauptsache ist aber, daß die Holländer in dem Augenblicke, wo sie sich für die Herren von Bali und der Landenge von Lombock hielten, total auf's Haupt geschlagen wurden. Die durch das Gouvernement von Java vorbereitete Expedition verließ Bezockoe in den ersten Tagen des Juni und bestand aus 4 Kriegsdampfschiffen, aus 2 Briggs der königlichen Marine und aus vielen kleineren Fahrzeugen mit zusammen 5000 Mann. Die Insulaner ließen ihre Feinde ruhig landen und zogen sich eine halbe Meile weit in's Innere, nach dem Fort Djaga-Raga zurück, wo sie sich am besten halten zu können glaubten. Zwei Tage reichten für die Holländer hin, um nach allen Regeln der Kriegskunst die Offensive zu ergreifen. Dies geschah endlich und die Artillerie hatte auch bald so viel Bresche geschossen, daß die Infanterie mit gefälltem Bayonnette die äußern Wälle nehmen konnte. Schon ist man ziemlich weit vorgedrungen und glaubt seines Sieges gewiß zu sein, da nahen plötzlich bedeutende Verstärkungen für die Insulaner und ehe man sich's versieht, ist man von allen Seiten umringt. Ein mörderischer Kampf beginnt jetzt'z man wehrt sich bis auf's Aeußerste und erst als man 300 Granaten, 400 Kugeln, 400 Kartätschen und 80,000 Packete Patronen verschossen und doppelt so viel Leute verloren hat als die Insulaner, zieht man sich, oder wältzt man sich vielmehr in der wildesten Flucht zurück in die Schiffe. Nach einer solchen Niederlage blieb den Holländern nichts anderes übrig, als Bali aufzugeben und die Anker zur Rückkehr zu lichten. General-Major Van-der-Wyck hat aber versprochen, eines Tages wiederzukommen und sich zu revangiren, sobald es die Finanzen der Kolonie erlauben. Wehe den Insulanern, wenn sich dann das Glück der Waffen wendete! Die düstere Geschichte der Eroberung von Java würde um ein schreckliches Blatt reicher werden. Französische Republik. 17 Paris, 18. Okt. Mit beflügeltem Schritte geht es bergunter, die Entscheidung wird bald losbrechen. Die drei royalistischen Minister erhielten in der Kammer eine hübsche Majorität von 500 gegen 150, Cavaignac wird von den Reaktionären der Thierspartei gepriesen als der „große Mann der Versöhnung“, und als die Bourgeoisrepublikaner zornig auffuhren, lachten sie ihnen unter die Nase. Der Expolizeipräfekt Ducoux konnte kaum vor dem Gebrüll und Gelächter der „Versöhnten“ seine Rede enden, worin er, obschon mit Stentorstimme begabt, dem afrikanischen Heiland und dem Herrn Dufaure den Text las.„Hr. Dr. Ducoux ist ein Mann, der nicht in unsere Zeit mehr paßt, sagt der Constitutionnel, er will noch den komischen, wenn nicht vielmehr beleidigenden Unterschied zwischen Republikanern vor undnach dem Februar festhalten, das sind Flausen. Die lieben Rothen haben unter sich keine Talente, daher muß der Staat anderswo sich ein Ministerium zusammensuchen. Wir wollen uns freuen, die Ordnung ist jetzt gesichert.“ ‒ „Ja wohl, bemerkt La Reforme, nach Dufaure kommt Thiers, nach Thiers wer weiß was sonst noch? Da brillirt ein kaiserlicher Neffe, der mit Nikokaus sich speziell gut steht, was sehr schmeichelhaft sein muß für einen französischen Republikaner; da ist ‒ doch wozu prophezeien?“ Es wird jetzt allgemein von den Sozialdemokraten geglaubt, dies „Ministerium des Hochverraths an der Nation“ werde nicht eher weichen als bis es mit Büchsenkugeln entfernt wird; Cavaignac „der Apostat“ ist der Volksstrafe geweiht. Diese Entscheidungsschlacht wird vielleicht nicht in Paris allein geschlagen werden; Cavaignac scheint so etwas zu ahnen und sagte: „wenn ich das Ministerium nicht im Versöhnungssinne modifizire, so bekommen wir in den 86 Departements eben soviele Bartholomäusnächte, gegen die die alte ein Spaß war.“ Die „verhaßte“ Royalistenpartei Dufaure wird ihn übrigens im Stich lassen, sobald er sich von ihr losmachen will. Die nicht Versöhnte ( J. des Debats, Presse, und die Legitimistenblätrer) attakirt ihn schon jetzt als „Heuchler und Jongleur“. Daß er jetzt mehr Chancen zur Präsidentur hat als vor dieser „Versöhnung“, ist natürlich; Lamartine dagegen ist total abgetakelt und wird nicht leicht wieder flott werden, trotz seiner lächerlichen Prätentionen und seiner Wahlpilgerschaft durch den französischen Süden, wo er „die Harfe des kindisch gewordenen Troubadour“ schlägt, wie der „Constituant democrate“ in Toulouse sagt. Auch beglückt er den Buchhandel mit vier Broschüren über Dinge, die er nicht versteht. Der einzige in den Augen der Sozialdemokraten zulässige Kandidat ist Ledru-Rollin; er gilt nicht mit Unrecht als ein „ Mann mit revolutionären Inspirationen,“ aber ohne revolutionäre Reflexion, wie Proudhon neulich ganz richtig bemerkte. Seit er auf dem ersten großen social-demokratischen Banket in den elyseischen Feldern am 22. September die deutsche Demokratie von den franzosenfressenden Deutsch-Thümlern geschieden, ereifert sich Herr Alex. Weill in „La Presse“, Hr. Virmaitre im „Corsaire“ und das „Journal des Debats“ gleichermaßen über den „rothen Tribun“ und „die rothen Klubisten an Spree und Donau.“ Diese stets honnetten, wohlstylisirten Bourgeoisjournale begeisterten sich bekanntlich für den Malmöer Waffenstillstand, dessen Bruch das Debats „ inen Frevel gegen das kleine, hochherzige Heldenvolk der Dänen“ nannte, und bewies, die Deutschen brauchten eigentlich gar keine Kriegshäfen. „La Presse“ höhnte: „Wir sind gar neugierig, ob die Herren Republikaner von Frankfurt, die Elsaß und Posen, Mailand und Schleswig, Belgien und Gott weiß was noch Alles, einstecken möchten, obschon sie von edlen Gefühlen überfließen, einen allgemeinen europäischen Kampf riskiren werden; wir rathen ihnen nicht, Frankreich zu reizen.“ Nach der Frankfurter Tragödie geiferten wiederum diese Blätter, im Chorus mit dem belfernden Constitutionnel und dem verstohlen drein quäkenden „Siecle“ gegen die Wühler in dem „sonst so gebildeten Lande Kants und Göthe's,“ und übersetzten die Berichte der „Morning Post“ über das „Martyrium“ Lychnowski's und Auerswald's „dieser zwei vollendeten deutschen Edelleute“; Cavaignac sollte, ihnen zufolge, der Centralgewalt geschrieben haben: „so lange die deutschen Klubs fortblühten, sei kein Frieden in Deutschland möglich, sie möge sich in diesem Punkte Frankreich zum Muster nehmen.“ Hr. Weill polterte dann gar fürchterlich gegen die „Banditen an der Spree, denen freilich Wrangel's Zuchtpeitsche sehr unanngnehm“, und prophezeite dem Struweschen Korps ein „verdientes Schmachende“; das „Journal des Debats“ lächelte höhnisch über die „Terroristen in dem gute Tafel liebenden Wien“; da brach es in Wien los, und diese pariser Dänenblätter, diese Jahn- und Lychnowskiblätter, wurden zu kompletten Kroatenblättern. „Jelachich, der große Held des Ostens, der Bändiger der Anarchie, der Zuchtmeister der deutschen Ruhestörer, der liebenswürdige, eine große Zukunft im stillen Busen tragende Banus“ und dergleichen Zuckerphrasen bekommt seit 8 Tagen der bedauerliche Leser dieser „ehrenwerthen“ Presse aufgetischt, und muß einstimmen ins Lob der kroatischen Rothmäntel trotz seines sonstigen Bourgeoisgrausens gegen alles Stehlen und gegen alles was roth ist. Die „Augsburger Zeitung“, ha! welch köstlichen Stoff bietet sie zur „genauen Kenntniß der Sache“! Und so wandert sie denn täglich in großen Dosen in diese franz. Kolonnen über. Daß die Magyaren lauter Hundejungen sind, und die reaktionären Tschechen lauter Engel, auch das erfährt der nach Wissen lechzende pariser Kleinbürger von seinem Thiersblättchen. Auf dem gestrigen Banket der Sozialdemokraten vor der Barriere Poissoniere, wo Cabet auf die Vereinigung aller Demokraten, Proudhon und Leroux auf die soziale Republik toasteten, ward mit besonderer Sympathie „der Wiener Befreiung“ gedacht. Es ist ein saures Stück Mühe, die vielen verrückten Meinungen „über die deutsche Demokratie“ zu widerlegen; La Reforme und einige Provinzialblätter sind darüber im Klaren, aber die „Demokratie pacifique“ sogar z. B. noch nicht; sie war dumm genug, den berüchtigten Schandaufsatz der Augsb. Ztg., worin der Elsaß reklamirt und Frankreich verhöhnt wird, demokratischer Feder beizumessen und den Jelachich als einen „modernen Wallenstein“ sich vorzustellen, der „im Herzen Demokrat“ sei; was eine scharfe Erwiderung Seitens des pariser deutschen Vereins zur Folge haben dürfte. „La Citoyen “ von Dijon sagt: „Ohne Deutschlands Demokraten, die den Elsaß und Lothringen nicht uns abnehmen wollen, wie ihnen unsere beiderseitigen reaktionären Gegner aufbürden, kann sich die französische Republik nicht auf den Beinen erhalten; unsere Eitelkeit will es leugnen, aber diese Wahrheit wird sich uns noch einmal sehr empfindlich machen. Es ist ein Wahnwitz, den deutschen Demokraten in die Schuhe schieben wollen, was eine ihnen feindliche, eigentlich Deutschthümler (Teutons, Tudesques) oder Franzosenfresser (Gallophages, Francophages) zu titulirende Ultrapatrioten- oder Ultranationalitätspartei verübt gegen Posen und Italien, und gegen andere Nachbaren verüben möchte. Wir dürfen die kostbare Allianz nicht verschmähen, die uns mit ihnen lächelt; weder wir, noch sie denken dabei an Länderdiebstahl, sondern nur an schleunigstes Niederschlagen der Despoten von Gottes und Goldesgnaden,“ u. s. w. * Paris, 16. Okt. Die Demonstrationen gegen die Regierungspartei durch Abhaltung von Banketten vermehren sich wie vor der Februarrevolution. ‒ Am Sonntag wurde an der Barriere von Severs das 6te Bankett der Schriftsetzer abgehalten. Für L. Blanc war ein Ehrenplatz offen gelassen. Bürger Carbon schloß eine kurze Anrede an die Versammlung mit dem Toaste: „es lebe die demokratische Republik!“ Von allen Seiten schrie man: „und die sociale“. Carbon antwortete, daß er sich keines Pleonasmus habe bedienen wollen; er verstehe keine demokratische Republik, die nicht social sei. Den Schluß bildete eine Kollekte für die Familien der Deportirten. ‒ In Montpellier hat ebenfalls ein großes demokratisches Bankett Statt gefunden, welches 3000 Theilnehmer zählte. Zahlreiche Toaste wurden ausgebracht auf „die politischen und socialen Konsequenzen der Revolution.“ ‒ Ein demokratisches Bankett der Presse ist auf den 29. d. M. angesagt mit den Worten: „Vom Chateau-Rouge ging 1847 die erste Protestation gegen die Monarchie ans, in demselben Saale werden die Repräsentanten der demokratischen Sache einen feierlichen Toast auf die Republik bringen.“ ‒ Ein anderes Bankett der „demokratischen Republik“ unter der Präsidentschaft von Lamennais wird auf den 17. d. M. angekündigt. Ebenso wurde in Mans trotz, aller Intrigen der frühern Beamten Louis Philipps, ein großes Bankett abgehalten. ‒ Der Expräsident des demokratischen Klubs Bonne-Nouvelle zeigt die Bildung eines neuen Klubs von Batignolles-Monceaux an. Paris, 18. Okt. Die Stimmung des Kleinbürgers und Arbeiters wird täglich gereizter. Die reaktionären Blätter beweisen sich natürlich als übergefälliges Echo dieser Stimmung und zeigten gestern Abend sogar an, daß ein neuer Sturm gegen die Nationalversammlung losbrechen solle! Aus diesen Gründen erscheint diesen Morgender Moniteur mit folgender Anzeige auf seiner ersten Spalte: „Gewisse Journale verbreiten Gerüchte, die angeblich in dem Vorsaale der Nationalversammlung liefen, und laut derer das Volk eine feindliche Demonstration gegen die Regierung beabsichtige. Diese Gerüchte, wenn sie ihren Ursprung wirklich in den Pas-Perdus hatten, sind durchaus falsch und erlogen. Es ist ein derartiges Vorhaben weder signalisirt, prämeditirt, noch operirt worden. Uebrigens ist die Regierung, durch die Gesetze gegen die Volkszusammenrottungen, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen bewaffnet, fest entschlossen, jeder aufrührerischen Bewegung mit aller gesetzlichen Strenge entgegen zu treten, von welcher Partei sie auch immer ausgehe.“ (Moniteur.)‒ Gestern Nachmittags hat also das erste demokratisch-sociale Bankett unter Pierre Leroux, Proudhon, Cabet, Greppo, Alton Shee etc. an der Barriere Poissoniere, unserer Anzeige gemäß stattgefunden. Die Zahl der Gäste betrug etwa 2300 à 1 Fr. Die halbe Linke; namentlich Ledru-Rollin, Lamennais etc. hatten ihren Besuch zugesagt; allein Cavaignac hat sie beschworen, demselben nicht beizuwohnen, weil er sonst für den öffentlichen Frieden nicht länger stehen könne Hr. Proudhon, Leroux, Cabet, Madier de Monjau und Alton Shee haben gesprochen und dabei vorzüglich der Wiener gedacht. In den Debats und der Gazette des Tribunaux befinden sich diesen Morgen einige freilich nur sehr dürftige und gehässige Notizen über die gefallenen Trinksprüche u. A. Hier die Hauptsache, nämlich die verlesene und genehmigte Proklamation an das Volk! Brüder! Wir sind weit entfernt von dem Tage, an welchem sich nach heldenmüthigen Kämpfen die Republik siegreich und glänzend wie die aufgehende Sonne am Weltmorgen emporhob, jenem Bilde gleich, das das heiligste Symbol aller Hoffnungen der Zukunft, Freiheit, Gleichheit, Verbrüderung in lebendiger Weise darstellt. Von einem Ende Europa's zum andern jauchzten ihr die Nationen Beifall zu und vom neuen Geiste, vom Hauche der Regeneration durchdrungen, zerbrachen auch sie ihre alten Fesseln im Namen jenes Rechts, das Frankreich feierlich verkündet hatte. Es erntete hievon sofort selbst die Früchte; in der politischen Ordnung fielen alle Privilegien und das allgemeine Stimmrecht wurde eingeführt. In der gesellschaftlichen Ordnung wurde die Selbstständigkeit des Arbeiters als Grundbedingung zu einer Aenderung der Form der Arbeit selbst anerkannt, damit eine gleichmäßigere Vertheilung der Produkte erzielt und Jedem sein Leben in der solidarisch verpflichteten Gesellschaft garantirt werde. Bald darauf sammelten und organisirten sich die im Februar besiegten Parteien wieder. Ueberall, wohin ihre Hände reichten, bestrebten sie sich durch Verläumdung und Ränke, der Republik Feinde und der Regierung Hindernisse zu schaffen. Sich nach und nach wieder in die Staatsverwaltung einschleichend, flößten sie derselben ihre Grundsätze, ihre Leidenschaften wieder ein und gebrauchten die revolutionäre Macht, die sie sich anzueignen gewußt, als Waffe gegen die Revolution selbst. Man wich zurück bis zu den Thüren der Monarchie. ‒ Hier stehen wir in diesem Augenblick: den Männern der Monarchie sind die Schicksale der Republik anvertraut! Wir begreifen die Befürchtungen des Volkes und seine nur wahrlich allzusehr gerechtfertigte Entrüstung. Doch möge es sich nicht über alles Maaß allarmiren und sich vorzüglich gegen tückische Herausforderungen hüten. Was man daher auch immer aufbieten möge, um es zu verheerenden Unvorsichtigkeiten zu stoßen, möge es doch ruhig und fest Herr über sich selbst bleiben, um auch der Herr der Zukunft zu werden. Auf diese Weise wird es seine Stärke beweisen und sie voll und durch Einigkeit unbesiegbar wieder äußern, wenn es noch einmal nothwendig werden sollte, daß sie dem Recht zu Hülfe eilte. Was uns beerifft, die wir mit dem Titel seiner Vertreter beehrt sind, so wissen wir, wozu uns dieser Titel verpflichtet; wir kennen unsere Pflichten und werden sie erfüllen. Hervorgegangen aus dem Volke, vereinigt mit dem Volke, werden wir mit ihm kämpfen und, es ist unser Glaube, mit ihm siegen.“ Paris, 17. Oktober 1848 (Folgen die sämmtlichen Unterschriften der äußersten Linken oder des bekannten Berges der Nationalversammlung). Obenstehende Proklamation ist zum Druck befördert worden und wird bereits in den volkreichsten Stadtvierteln massenhaft ausgetheilt. An der Börse, die so eben (Mittags 1 1/2 Uhr) eröffnet wird, verursacht sie einigen Schrecken und die Fonds machen Miene, zu weichen. Offenbar stehen wir am Beginn einer in der Weltgeschichte beispiellosen Krisis und doch sagen die Leute in den Cafe's: Tant mieux! Paris lebt bekanntlich in den Klubs und Cafe's, und je finsterer die Wolken sich häufen, desto heiterer werden oft seine Züge. Der Pariser lacht selbst noch im Elende! ‒ Ein nicht unwesentliches Element zur Gährung in gewissen Legionen der hiesigen Bürgerwehr liegt in dem diktatorischen Auftreten des Generals Changarnier, ihres Befehlshabers. Man lese als Beleg hierfür einen Brief Hingrais, des Obersten der 10. Legion, im National. ‒ Jules Favre, der bekannte bombastische Advokat der Nationalpartei in der Nationalversammlung, den jüngst ein deutsches Blatt einen der „größten Redner des heutigen Frankreichs“ nannte, ist auf dem Wege der Genesung. Er hatte das hitzige Fieber. ‒ Im Faubourg St. Antoine ist man eben im Begriff, sozialistische Kramladen zu errichten. ‒ Marie, Justizminister, soll heute einen Dekretentwurf vorlegen, der neue Strenge gegen die Zeitungspresse und Klubs fordert. Gegen diese Zugeständnisse wird der Belagerungszustand aufgehoben. Nationalversammlung. Sitzung vom 18. Oktbr. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast. Abraham Dubois protestirt gegen einige Stellen des gestrigen Protokolls. Sie sollen berichtigt werden. Dies geschieht. Die Versammlung genehmigt eine Selbststeuer des Sommedepartements, zur Aufbringung eines Kapitals zu Bauten für das Proletariat. Sie geht zur Berathung des neuen Spezialgesetzes über die Majorität bei Geschwornen-Gerichten über. Man entsinnt sich, daß die provisorische Regierung die zur Verurtheilung eines Verbrechers erforderliche Majorität auf 9 erhöhte. Dieser liberale Akt gab Veranlassung zu vielen Freisprechungen. Die Reaktion hatte daher nichts Eiligeres zu thun, als auch diese Februarpflanze auszurotten. Sie setzte die Zahl wieder auf 7 fest und trieb diese Reduktion heute zur Berathung. Meaulle, ein halbliberaler junger Deputirter aus dem Isle- u. Vilain-Department, trägt darauf an, die Majorität auf mindestens 8 zu erhöhen. Cremieux, Berichterstatter, erzählt jedoch, daß sich so viele Staatsanwaltschaften in den Departements gegen die Vermehrung der Majoritätszahl erhoben, daß er selbst auf Abschaffung der 9 und resp, Herabsetzung auf 7 antrage. Es seien zu viele Verbrecher, die selbst ihre Missethaten eingestanden, bei 9 freigesprochen worden und die bürgerliche Gesellschaft gefährdet (!) Alem Rousseau, auch ein halbliberaler Provinzialstädter, unterstützt das Meaulle'sche Ammendement. Die Versammlung, wegen des schlechten Wetters sehr zahlreich, schreit aber Schluß! Schluß! Mehrere Bänke: Zettelabstimmung! Dieselbe gibt folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 729. Für den Antrag 165, dagegen 564. Also verworfen. Farconnet stellt den Zusatz: „Bei Todesurtheilen, d. h. Kapitalverbrechen solle die Todesstrafe nur vollzogen werden, wenn die Jury ihr Schuldig mit Einstimmigkeit aussprach etc.“ Base bekämpft diese Milde. Sie sei der Wahrheit des Gesetzes entgegegen. Alle Meuchler ohne Ausnahme müßten sterben. St. Romme möchte den Zusatz retten. Vergebens. Die Versammlung verwirft ihn. Charamaule, der Unermüdliche, beantragt die Majorität bei Todesstrafen auf 9. Dies verräth Sympathie für die prov. Regierung und wird verworfen. Tassel möchte das Loos der Angeklagten dadurch mildern, daß die erleichternden Umstände mit simpler Majorität angenommen würden etc. Valette bekämpft dieß jedoch und der ursprüngliche Entwurf, wie er an die Stelle des Artikels 4 des Dekrets vom 7. März 1848 getreten, geht durch. Die Versammlung kehrt zur Verfassungsdebatte zurück und nimmt ohne erhebliche Debatte die Artikel 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 und 100, alle von der Gerichtspflege handelnd, an. Die Artikel 101, 102 und 103 werden, als von dem Schlußsatze des Art. 100 abhälngig, unterdrückt. Artikel 104 und 103 werden angenommen. Letzterer lautet: „Der Präsident der Republik steht unter der Gerichtsbarkeit des Obertribunals, kann nur auf Antrag der Nationalversammlung in Anklagestand versetzt werden, sowohl für öffentliche als Privat-Verbrechen.“ Statt zu Art. 106 (Kapitel IX. von der Land-und Seemacht, überhaupt von den Kräften der Republik handelnd) überzugehen, nimmt die Versammlung einen Antrag vor, der von der legitimistischen Partei ausgeht und zum Zwecke hat, die unterdrückten oder vorbehaltenen Artikel 74, 75 und 76 durch zwei andere zu ergänzen, welche lauten: Die öffentliche Verwaltung soll nach folgenden Prinzipien eingerichtet werden: a) Gestion durch Verwaltungsbeamte, die aus dem allgemeinen Stimmrecht und aus den Lokalinteressen selbst hervorgehen. b) Delegation der Centralgewalt in politischer Hinsicht zur Ueberwachung der allgemeinen Interessen etc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar122_014" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0615"/><cb n="1"/> darüber zu urtheilen, wann die Verhandlungen zum Schluß kommen werden. Es scheint fest, als wenn Lord Palmerston und General Cavaignac eben nicht große Lust hätten, die schwere Verantwortlichkeit des von Admiral Baudin und Sir William Parker bisher Geschehenen zu übernehmen. Außerdem mag es Schwierigkeiten verursachen, daß Oestreich in dieser Sache noch gar nicht gehört wurde und gewiß ist es, daß Rußland sich beklagte, und wie einige sagen, sogar dagegen protestirte, daß man in der ganzen Angelegenheit so irregulär zu Werke gehe.</p> <p>Der König von Neapel ist noch immer Willens, die bereits durch Lord Minto angebotenen Bedingungen, nämlich die Konstitution von 1812 zu bewilligen, wenn seine Souverainetät erhalten bleibt. Einer gänzlichen Trennung wird er aber nie seine Zustimmung geben. Mit der Konstitution von 1812 sind die Sizilianer aber keineswegs mehr zufrieden, und Frankreich und England würden ein solches Arrangement nur mit Gewalt bei ihren Protegirten zu Stande bringen.</p> </div> <div xml:id="ar122_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Mailand, 11. Oktbr.</head> <p>Kaum hatte sich die Nachricht der Wiener Ereignisse hier verbreitet, als auch schon die Ungarn mit dem Geschrei: „Todt den Kroaten!“ durch alle Straßen liefen. Radetzky drohte, sie decimiren zu lassen. Die Bevölkerung ist in der größten Aufregung. Radetzky konsignirte die Truppen in ihre Quartiere und untersagte ihnen allen Umgang mit einander. Die Thore der Stadt wurden geschlossen. Zahlreiche Patrouillen mit Kanonen durchzogen die verschiedenen Stadttheile. Fünf ungarische Offiziere, die sich zu Radetzky begeben hatten, um ihren Abschied zu fordern, wurden nach der Festung geschickt. Eine große Menge Soldaten versammelten sich auf dem Platze, ihre Freilassung fordernd, da sie abreisen wollten.</p> </div> <div xml:id="ar122_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 12. Okt.</head> <p>Die Nachrichten aus Wien durchfuhren die ganze Stadt wie ein elektrischer Schlag. Eine zahllose Volksmasse begab sich unter die Fenster der Minister und schrie: „Krieg! Krieg!“ Allgemein sagt man, daß das Kabinet den Augenblick für geeignet gehalten hat, um von den vermittelnden Mächten eine definitive Resolution zu verlangen. Man spricht heute Morgen nur von einer Note, die das Ministerium an England und Frankreich gesandt haben soll, um ihnen mitzutheilen, daß die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden sollen, dafern sie Oestreich nicht zu einem ehrenvollen Frieden bewegen. Aus Pavia hört man, daß die Ungarn und die Kroaten aneinander gerathen sind. In Toskana ist die Aufregung sehr groß. Das Volk von Livorno hat erklärt, daß es nach Florenz marschieren werde, wenn das Ministerium nicht innerhalb drei Tagen geändert sei.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Holland.</head> <div xml:id="ar122_017" type="jArticle"> <head> <bibl> <author>*</author> </bibl> </head> <p>Der Kaffee kommt den Holländern theuer zu stehen. Wie wir bereits durch das Amsterdamer Handelsblatt erfuhren, haben die Kinder der „moralsten Nation“ vor Kurzem auf Java eine bedeutende Schlappe davon getragen.</p> <p>Wir erhalten darüber jetzt eine Menge Details, und wenn wir der Javanesischen Presse trauen dürfen, so hat sich der Sieg blos in den Reihen geirrt, so daß nach den Theorieen Jomini's die Besiegten eigentlich die Sieger sein mußten und vice versa. Die Hauptsache ist aber, daß die Holländer in dem Augenblicke, wo sie sich für die Herren von Bali und der Landenge von Lombock hielten, total auf's Haupt geschlagen wurden.</p> <p>Die durch das Gouvernement von Java vorbereitete Expedition verließ Bezockoe in den ersten Tagen des Juni und bestand aus 4 Kriegsdampfschiffen, aus 2 Briggs der königlichen Marine und aus vielen kleineren Fahrzeugen mit zusammen 5000 Mann.</p> <p>Die Insulaner ließen ihre Feinde ruhig landen und zogen sich eine halbe Meile weit in's Innere, nach dem Fort Djaga-Raga zurück, wo sie sich am besten halten zu können glaubten. Zwei Tage reichten für die Holländer hin, um nach allen Regeln der Kriegskunst die Offensive zu ergreifen. Dies geschah endlich und die Artillerie hatte auch bald so viel Bresche geschossen, daß die Infanterie mit gefälltem Bayonnette die äußern Wälle nehmen konnte. Schon ist man ziemlich weit vorgedrungen und glaubt seines Sieges gewiß zu sein, da nahen plötzlich bedeutende Verstärkungen für die Insulaner und ehe man sich's versieht, ist man von allen Seiten umringt. Ein mörderischer Kampf beginnt jetzt'z man wehrt sich bis auf's Aeußerste und erst als man 300 Granaten, 400 Kugeln, 400 Kartätschen und 80,000 Packete Patronen verschossen und doppelt so viel Leute verloren hat als die Insulaner, zieht man sich, oder wältzt man sich vielmehr in der wildesten Flucht zurück in die Schiffe.</p> <p>Nach einer solchen Niederlage blieb den Holländern nichts anderes übrig, als Bali aufzugeben und die Anker zur Rückkehr zu lichten.</p> <p>General-Major Van-der-Wyck hat aber versprochen, eines Tages wiederzukommen und sich zu revangiren, sobald es die Finanzen der Kolonie erlauben. Wehe den Insulanern, wenn sich dann das Glück der Waffen wendete! Die düstere Geschichte der Eroberung von Java würde um ein schreckliches Blatt reicher werden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar122_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 18. Okt.</head> <p>Mit beflügeltem Schritte geht es bergunter, die Entscheidung wird bald losbrechen. Die drei royalistischen Minister erhielten in der Kammer eine hübsche Majorität von 500 gegen 150, Cavaignac wird von den Reaktionären der Thierspartei gepriesen als der „große Mann der Versöhnung“, und als die Bourgeoisrepublikaner zornig auffuhren, lachten sie ihnen unter die Nase. Der Expolizeipräfekt Ducoux konnte kaum vor dem Gebrüll und Gelächter der „Versöhnten“ seine Rede enden, worin er, obschon mit Stentorstimme begabt, dem afrikanischen Heiland und dem Herrn Dufaure den Text las.„Hr. Dr. Ducoux ist ein Mann, der nicht in unsere Zeit mehr paßt, sagt der Constitutionnel, er will noch den komischen, wenn nicht vielmehr beleidigenden Unterschied zwischen Republikanern <hi rendition="#g">vor</hi> und<hi rendition="#g">nach</hi> dem Februar festhalten, das sind Flausen. Die lieben <hi rendition="#g">Rothen</hi> haben unter sich keine Talente, daher muß der Staat anderswo sich ein Ministerium zusammensuchen. Wir wollen uns freuen, die Ordnung ist jetzt gesichert.“ ‒ „Ja wohl, bemerkt La Reforme, nach Dufaure kommt Thiers, nach Thiers wer weiß was sonst noch? Da brillirt ein kaiserlicher Neffe, der mit Nikokaus sich speziell gut steht, was sehr schmeichelhaft sein muß für einen französischen Republikaner; da ist ‒ doch wozu prophezeien?“ Es wird jetzt allgemein von den Sozialdemokraten geglaubt, dies „Ministerium des Hochverraths an der Nation“ werde nicht eher weichen als bis es mit Büchsenkugeln entfernt wird; Cavaignac „der Apostat“ ist der Volksstrafe geweiht. Diese Entscheidungsschlacht wird vielleicht nicht in Paris allein geschlagen werden; Cavaignac scheint so etwas zu ahnen und sagte: „wenn ich das Ministerium nicht im Versöhnungssinne modifizire, so bekommen wir in den 86 Departements eben soviele Bartholomäusnächte, gegen die die alte ein Spaß war.“ Die „verhaßte“ Royalistenpartei Dufaure wird ihn übrigens im Stich lassen, sobald er sich von ihr losmachen will. Die nicht Versöhnte ( J. des Debats, Presse, und die Legitimistenblätrer) attakirt ihn schon jetzt als „Heuchler und Jongleur“. Daß er jetzt mehr Chancen zur Präsidentur hat als vor dieser „Versöhnung“, ist natürlich; Lamartine dagegen ist total abgetakelt und wird nicht leicht wieder flott werden, trotz seiner lächerlichen Prätentionen und seiner Wahlpilgerschaft durch den französischen Süden, wo er „die Harfe des kindisch gewordenen Troubadour“ schlägt, wie der „Constituant democrate“ in Toulouse sagt. Auch beglückt er den Buchhandel mit vier Broschüren über Dinge, die er nicht versteht. Der einzige in den Augen der Sozialdemokraten zulässige Kandidat ist Ledru-Rollin; er gilt nicht mit Unrecht als ein „ Mann mit revolutionären Inspirationen,“ aber ohne revolutionäre Reflexion, wie Proudhon neulich ganz richtig bemerkte. Seit er auf dem ersten großen social-demokratischen Banket in den elyseischen Feldern am 22. September die deutsche Demokratie von den franzosenfressenden Deutsch-Thümlern geschieden, ereifert sich Herr Alex. Weill in „La Presse“, Hr. Virmaitre im „Corsaire“ und das „Journal des Debats“ gleichermaßen über den „rothen Tribun“ und „die rothen Klubisten an Spree und Donau.“ Diese stets honnetten, wohlstylisirten Bourgeoisjournale begeisterten sich bekanntlich für den Malmöer Waffenstillstand, dessen Bruch das Debats „ inen Frevel gegen das kleine, hochherzige Heldenvolk der Dänen“ nannte, und bewies, die Deutschen brauchten eigentlich gar keine Kriegshäfen. „La Presse“ höhnte: „Wir sind gar neugierig, ob die Herren Republikaner von Frankfurt, die Elsaß und Posen, Mailand und Schleswig, Belgien und Gott weiß was noch Alles, einstecken möchten, obschon sie von edlen Gefühlen überfließen, einen allgemeinen europäischen Kampf riskiren werden; wir rathen ihnen nicht, <hi rendition="#g">Frankreich zu reizen.</hi>“ Nach der Frankfurter Tragödie geiferten wiederum diese Blätter, im Chorus mit dem belfernden Constitutionnel und dem verstohlen drein quäkenden „Siecle“ gegen die Wühler in dem „sonst so gebildeten Lande Kants und Göthe's,“ und übersetzten die Berichte der „Morning Post“ über das „Martyrium“ Lychnowski's und Auerswald's „dieser zwei vollendeten deutschen Edelleute“; Cavaignac sollte, ihnen zufolge, der Centralgewalt geschrieben haben: „so lange die deutschen Klubs fortblühten, sei kein Frieden in Deutschland möglich, sie möge sich in diesem Punkte Frankreich zum Muster nehmen.“ Hr. Weill polterte dann gar fürchterlich gegen die „Banditen an der Spree, denen freilich Wrangel's Zuchtpeitsche sehr unanngnehm“, und prophezeite dem Struweschen Korps ein „verdientes Schmachende“; das „Journal des Debats“ lächelte höhnisch über die „Terroristen in dem gute Tafel liebenden Wien“; da brach es in Wien los, und diese pariser Dänenblätter, diese Jahn- und Lychnowskiblätter, wurden zu kompletten Kroatenblättern.</p> <p>„Jelachich, der große Held des Ostens, der Bändiger der Anarchie, der Zuchtmeister der deutschen Ruhestörer, der liebenswürdige, eine große Zukunft im stillen Busen tragende Banus“ und dergleichen Zuckerphrasen bekommt seit 8 Tagen der bedauerliche Leser dieser „ehrenwerthen“ Presse aufgetischt, und muß einstimmen ins Lob der kroatischen Rothmäntel trotz seines sonstigen Bourgeoisgrausens gegen alles Stehlen und gegen alles was roth ist. Die „Augsburger Zeitung“, ha! welch köstlichen Stoff bietet sie zur „genauen Kenntniß der Sache“! Und so wandert sie denn täglich in großen Dosen in diese franz. Kolonnen über. Daß die Magyaren lauter Hundejungen sind, und die reaktionären Tschechen lauter Engel, auch das erfährt der nach Wissen lechzende pariser Kleinbürger von seinem Thiersblättchen.</p> <p>Auf dem gestrigen Banket der Sozialdemokraten vor der Barriere Poissoniere, wo Cabet auf die Vereinigung aller Demokraten, Proudhon und Leroux auf die soziale Republik toasteten, ward mit besonderer Sympathie „der Wiener Befreiung“ gedacht. Es ist ein saures Stück Mühe, die vielen verrückten Meinungen „über die deutsche Demokratie“ zu widerlegen; La Reforme und einige Provinzialblätter sind darüber im Klaren, aber die „Demokratie pacifique“ sogar z. B. noch nicht; sie war dumm genug, den berüchtigten Schandaufsatz der Augsb. Ztg., worin der Elsaß reklamirt und Frankreich verhöhnt wird, demokratischer Feder beizumessen und den Jelachich als einen „modernen Wallenstein“ sich vorzustellen, der „im Herzen Demokrat“ sei; was eine scharfe Erwiderung Seitens des pariser deutschen Vereins zur Folge haben dürfte. „La Citoyen “ von Dijon sagt: „Ohne Deutschlands Demokraten, die den Elsaß und Lothringen nicht uns abnehmen wollen, wie ihnen unsere beiderseitigen reaktionären Gegner aufbürden, kann sich die französische Republik nicht auf den Beinen erhalten; unsere Eitelkeit will es leugnen, aber diese Wahrheit wird sich uns noch einmal sehr empfindlich machen. Es ist ein Wahnwitz, den deutschen Demokraten in die Schuhe schieben wollen, was eine ihnen feindliche, eigentlich Deutschthümler (Teutons, Tudesques) oder Franzosenfresser (Gallophages, Francophages) zu titulirende Ultrapatrioten- oder Ultranationalitätspartei verübt gegen Posen und Italien, und gegen andere Nachbaren verüben möchte. Wir dürfen die kostbare Allianz nicht verschmähen, die uns mit ihnen lächelt; weder wir, noch sie denken dabei an Länderdiebstahl, sondern nur an schleunigstes Niederschlagen der Despoten von Gottes und Goldesgnaden,“ u. s. w.</p> </div> <div xml:id="ar122_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 16. Okt.</head> <p>Die Demonstrationen gegen die Regierungspartei durch Abhaltung von Banketten vermehren sich wie vor der Februarrevolution.</p> <p>‒ Am Sonntag wurde an der Barriere von Severs das 6te Bankett der Schriftsetzer abgehalten. Für L. Blanc war ein Ehrenplatz offen gelassen. Bürger Carbon schloß eine kurze Anrede an die Versammlung mit dem Toaste: „es lebe die <hi rendition="#g">demokratische</hi> Republik!“ Von allen Seiten schrie man: „und die sociale“. Carbon antwortete, daß er sich keines Pleonasmus habe bedienen wollen; er verstehe keine demokratische Republik, die nicht <hi rendition="#g">social</hi> sei. Den Schluß bildete eine Kollekte für die Familien der Deportirten.</p> <p>‒ In Montpellier hat ebenfalls ein großes demokratisches Bankett Statt gefunden, welches 3000 Theilnehmer zählte. Zahlreiche Toaste wurden ausgebracht auf „die politischen und socialen Konsequenzen der Revolution.“</p> <p>‒ Ein demokratisches Bankett der Presse ist auf den 29. d. M. angesagt mit den Worten: „Vom Chateau-Rouge ging 1847 die erste Protestation gegen die Monarchie ans, in demselben Saale werden die Repräsentanten der demokratischen Sache einen feierlichen Toast auf die Republik bringen.“</p> <p>‒ Ein anderes Bankett der „demokratischen Republik“ unter der Präsidentschaft von Lamennais wird auf den 17. d. M. angekündigt.</p> <p>Ebenso wurde in Mans trotz, aller Intrigen der frühern Beamten Louis Philipps, ein großes Bankett abgehalten.</p> <p>‒ Der Expräsident des demokratischen Klubs Bonne-Nouvelle zeigt die Bildung eines neuen Klubs von Batignolles-Monceaux an.</p> </div> <div xml:id="ar122_020" type="jArticle"> <head>Paris, 18. Okt.</head> <p>Die Stimmung des Kleinbürgers und Arbeiters wird täglich gereizter. Die reaktionären Blätter beweisen sich natürlich als übergefälliges Echo dieser Stimmung und zeigten gestern Abend sogar an, daß ein neuer Sturm gegen die Nationalversammlung losbrechen solle! Aus diesen Gründen erscheint diesen Morgen<hi rendition="#g">der Moniteur</hi> mit folgender Anzeige auf seiner ersten Spalte:</p> <p>„Gewisse Journale verbreiten Gerüchte, die angeblich in dem Vorsaale der Nationalversammlung liefen, und laut derer das Volk eine feindliche Demonstration gegen die Regierung beabsichtige. Diese Gerüchte, wenn sie ihren Ursprung wirklich in den Pas-Perdus hatten, sind durchaus falsch und erlogen. Es ist ein derartiges Vorhaben weder signalisirt, prämeditirt, noch operirt worden. Uebrigens ist die Regierung, durch die Gesetze gegen die Volkszusammenrottungen, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen bewaffnet, fest entschlossen, jeder aufrührerischen Bewegung mit aller gesetzlichen Strenge entgegen zu treten, von welcher Partei sie auch immer ausgehe.“</p> <bibl>(Moniteur.)</bibl> </div> <div xml:id="ar122_021" type="jArticle"> <p>‒ Gestern Nachmittags hat also das erste <hi rendition="#g">demokratisch-sociale Bankett</hi> unter Pierre Leroux, Proudhon, Cabet, Greppo, Alton Shee etc. an der Barriere Poissoniere, unserer Anzeige gemäß stattgefunden. Die Zahl der Gäste betrug etwa 2300 à 1 Fr. Die halbe Linke; namentlich Ledru-Rollin, Lamennais etc. hatten ihren Besuch zugesagt; allein Cavaignac hat sie beschworen, demselben nicht beizuwohnen, weil er sonst für den öffentlichen Frieden nicht länger stehen könne Hr. Proudhon, Leroux, Cabet, Madier de Monjau und Alton Shee haben gesprochen und dabei vorzüglich der <hi rendition="#g">Wiener</hi> gedacht. In den Debats und der Gazette des Tribunaux befinden sich diesen Morgen einige freilich nur sehr dürftige und gehässige Notizen über die gefallenen Trinksprüche u. A. Hier die Hauptsache, nämlich die verlesene und genehmigte</p> <p> <hi rendition="#g">Proklamation an das Volk!</hi> </p> <p>Brüder! Wir sind weit entfernt von dem Tage, an welchem sich nach heldenmüthigen Kämpfen die Republik siegreich und glänzend wie die aufgehende Sonne am Weltmorgen emporhob, jenem Bilde gleich, das das heiligste Symbol aller Hoffnungen der Zukunft, Freiheit, Gleichheit, Verbrüderung in lebendiger Weise darstellt. Von einem Ende Europa's zum andern jauchzten ihr die Nationen Beifall zu und vom neuen Geiste, vom Hauche der Regeneration durchdrungen, zerbrachen auch sie ihre alten Fesseln im Namen jenes Rechts, das Frankreich feierlich verkündet hatte. Es erntete hievon sofort selbst die Früchte; in der politischen Ordnung fielen alle Privilegien und das allgemeine Stimmrecht wurde eingeführt. In der gesellschaftlichen Ordnung wurde die Selbstständigkeit des Arbeiters als Grundbedingung zu einer Aenderung der Form der Arbeit selbst anerkannt, damit eine gleichmäßigere Vertheilung der Produkte erzielt und Jedem sein Leben in der solidarisch verpflichteten Gesellschaft garantirt werde. Bald darauf sammelten und organisirten sich die im Februar besiegten Parteien wieder. Ueberall, wohin ihre Hände reichten, bestrebten sie sich durch Verläumdung und Ränke, der Republik Feinde und der Regierung Hindernisse zu schaffen. Sich nach und nach wieder in die Staatsverwaltung einschleichend, flößten sie derselben ihre Grundsätze, ihre Leidenschaften wieder ein und gebrauchten die revolutionäre Macht, die sie sich anzueignen gewußt, als Waffe gegen die Revolution selbst. Man wich zurück bis zu den Thüren der Monarchie. ‒ Hier stehen wir in diesem Augenblick: den Männern der Monarchie sind die Schicksale der Republik anvertraut! Wir begreifen die Befürchtungen des Volkes und seine nur wahrlich allzusehr gerechtfertigte Entrüstung. Doch möge es sich nicht über alles Maaß allarmiren und sich vorzüglich gegen tückische Herausforderungen hüten. Was man daher auch immer aufbieten möge, um es zu verheerenden Unvorsichtigkeiten zu stoßen, möge es doch ruhig und fest Herr über sich selbst bleiben, um auch der Herr der Zukunft zu werden. Auf diese Weise wird es seine Stärke beweisen und sie voll und durch Einigkeit unbesiegbar wieder äußern, wenn es noch einmal nothwendig werden sollte, daß sie dem Recht zu Hülfe eilte. Was uns beerifft, die wir mit dem Titel seiner Vertreter beehrt sind, so wissen wir, wozu uns dieser Titel verpflichtet; wir kennen unsere Pflichten und werden sie erfüllen. Hervorgegangen aus dem Volke, vereinigt mit dem Volke, werden wir mit ihm kämpfen und, es ist unser Glaube, mit ihm siegen.“</p> <p>Paris, 17. Oktober 1848</p> <p>(Folgen die sämmtlichen Unterschriften der äußersten Linken oder des bekannten Berges der Nationalversammlung).</p> <p>Obenstehende Proklamation ist zum Druck befördert worden und wird bereits in den volkreichsten Stadtvierteln massenhaft ausgetheilt. An der Börse, die so eben (Mittags 1 1/2 Uhr) eröffnet wird, verursacht sie einigen Schrecken und die Fonds machen Miene, zu weichen. Offenbar stehen wir am Beginn einer in der Weltgeschichte beispiellosen Krisis und doch sagen die Leute in den Cafe's: Tant mieux! Paris lebt bekanntlich in den Klubs und Cafe's, und je finsterer die Wolken sich häufen, desto heiterer werden oft seine Züge. Der Pariser lacht selbst noch im Elende!</p> <p>‒ Ein nicht unwesentliches Element zur Gährung in gewissen Legionen der hiesigen Bürgerwehr liegt in dem diktatorischen Auftreten des Generals Changarnier, ihres Befehlshabers. Man lese als Beleg hierfür einen Brief Hingrais, des Obersten der 10. Legion, im National.</p> <p>‒ Jules Favre, der bekannte bombastische Advokat der Nationalpartei in der Nationalversammlung, den jüngst ein deutsches Blatt einen der „größten Redner des heutigen Frankreichs“ nannte, ist auf dem Wege der Genesung. Er hatte das hitzige Fieber.</p> <p>‒ Im Faubourg St. Antoine ist man eben im Begriff, sozialistische Kramladen zu errichten.</p> <p>‒ Marie, Justizminister, soll heute einen Dekretentwurf vorlegen, der neue Strenge gegen die Zeitungspresse und Klubs fordert.</p> <p>Gegen diese Zugeständnisse wird der Belagerungszustand aufgehoben.</p> <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 18. Oktbr. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.</p> <p><hi rendition="#g">Abraham Dubois</hi> protestirt gegen einige Stellen des gestrigen Protokolls. Sie sollen berichtigt werden. Dies geschieht.</p> <p>Die Versammlung genehmigt eine Selbststeuer des Sommedepartements, zur Aufbringung eines Kapitals zu Bauten für das Proletariat.</p> <p>Sie geht zur Berathung des neuen Spezialgesetzes über die Majorität bei Geschwornen-Gerichten über. Man entsinnt sich, daß die provisorische Regierung die zur Verurtheilung eines Verbrechers erforderliche Majorität auf 9 erhöhte.</p> <p>Dieser liberale Akt gab Veranlassung zu vielen Freisprechungen. Die Reaktion hatte daher nichts Eiligeres zu thun, als auch diese Februarpflanze auszurotten. Sie setzte die Zahl wieder auf 7 fest und trieb diese Reduktion heute zur Berathung.</p> <p><hi rendition="#g">Meaulle,</hi> ein halbliberaler junger Deputirter aus dem Isle- u. Vilain-Department, trägt darauf an, die Majorität auf mindestens 8 zu erhöhen.</p> <p><hi rendition="#g">Cremieux,</hi> Berichterstatter, erzählt jedoch, daß sich so viele Staatsanwaltschaften in den Departements gegen die Vermehrung der Majoritätszahl erhoben, daß er selbst auf Abschaffung der 9 und resp, Herabsetzung auf 7 antrage. Es seien zu viele Verbrecher, die selbst ihre Missethaten eingestanden, bei 9 freigesprochen worden und die bürgerliche Gesellschaft gefährdet (!)</p> <p><hi rendition="#g">Alem Rousseau,</hi> auch ein halbliberaler Provinzialstädter, unterstützt das Meaulle'sche Ammendement.</p> <p>Die Versammlung, wegen des schlechten Wetters sehr zahlreich, schreit aber Schluß! Schluß!</p> <p>Mehrere Bänke: Zettelabstimmung! Dieselbe gibt folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 729. Für den Antrag 165, dagegen 564. Also verworfen.</p> <p><hi rendition="#g">Farconnet</hi> stellt den Zusatz: „Bei Todesurtheilen, d. h. Kapitalverbrechen solle die Todesstrafe nur vollzogen werden, wenn die Jury ihr Schuldig mit Einstimmigkeit aussprach etc.“</p> <p><hi rendition="#g">Base</hi> bekämpft diese Milde. Sie sei der Wahrheit des Gesetzes entgegegen. Alle Meuchler ohne Ausnahme müßten sterben.</p> <p><hi rendition="#g">St. Romme</hi> möchte den Zusatz retten. Vergebens. Die Versammlung verwirft ihn.</p> <p><hi rendition="#g">Charamaule,</hi> der Unermüdliche, beantragt die Majorität bei Todesstrafen auf 9.</p> <p>Dies verräth Sympathie für die prov. Regierung und wird verworfen.</p> <p><hi rendition="#g">Tassel</hi> möchte das Loos der Angeklagten dadurch mildern, daß die erleichternden Umstände mit simpler Majorität angenommen würden etc.</p> <p><hi rendition="#g">Valette</hi> bekämpft dieß jedoch und der ursprüngliche Entwurf, wie er an die Stelle des Artikels 4 des Dekrets vom 7. März 1848 getreten, geht durch.</p> <p>Die Versammlung kehrt zur Verfassungsdebatte zurück und nimmt ohne erhebliche Debatte die Artikel 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 und 100, alle von der Gerichtspflege handelnd, an.</p> <p>Die Artikel 101, 102 und 103 werden, als von dem Schlußsatze des Art. 100 abhälngig, unterdrückt.</p> <p>Artikel 104 und 103 werden angenommen. Letzterer lautet: „Der Präsident der Republik steht unter der Gerichtsbarkeit des Obertribunals, kann nur auf Antrag der Nationalversammlung in Anklagestand versetzt werden, sowohl für öffentliche als Privat-Verbrechen.“</p> <p>Statt zu Art. 106 (Kapitel IX. von der Land-und Seemacht, überhaupt von den Kräften der Republik handelnd) überzugehen, nimmt die Versammlung einen Antrag vor, der von der legitimistischen Partei ausgeht und zum Zwecke hat, die unterdrückten oder vorbehaltenen Artikel 74, 75 und 76 durch zwei andere zu ergänzen, welche lauten:</p> <p>Die öffentliche Verwaltung soll nach folgenden Prinzipien eingerichtet werden: a) Gestion durch Verwaltungsbeamte, die aus dem allgemeinen Stimmrecht und aus den Lokalinteressen selbst hervorgehen. b) Delegation der Centralgewalt in politischer Hinsicht zur Ueberwachung der allgemeinen Interessen etc.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0615/0003]
darüber zu urtheilen, wann die Verhandlungen zum Schluß kommen werden. Es scheint fest, als wenn Lord Palmerston und General Cavaignac eben nicht große Lust hätten, die schwere Verantwortlichkeit des von Admiral Baudin und Sir William Parker bisher Geschehenen zu übernehmen. Außerdem mag es Schwierigkeiten verursachen, daß Oestreich in dieser Sache noch gar nicht gehört wurde und gewiß ist es, daß Rußland sich beklagte, und wie einige sagen, sogar dagegen protestirte, daß man in der ganzen Angelegenheit so irregulär zu Werke gehe.
Der König von Neapel ist noch immer Willens, die bereits durch Lord Minto angebotenen Bedingungen, nämlich die Konstitution von 1812 zu bewilligen, wenn seine Souverainetät erhalten bleibt. Einer gänzlichen Trennung wird er aber nie seine Zustimmung geben. Mit der Konstitution von 1812 sind die Sizilianer aber keineswegs mehr zufrieden, und Frankreich und England würden ein solches Arrangement nur mit Gewalt bei ihren Protegirten zu Stande bringen.
* Mailand, 11. Oktbr. Kaum hatte sich die Nachricht der Wiener Ereignisse hier verbreitet, als auch schon die Ungarn mit dem Geschrei: „Todt den Kroaten!“ durch alle Straßen liefen. Radetzky drohte, sie decimiren zu lassen. Die Bevölkerung ist in der größten Aufregung. Radetzky konsignirte die Truppen in ihre Quartiere und untersagte ihnen allen Umgang mit einander. Die Thore der Stadt wurden geschlossen. Zahlreiche Patrouillen mit Kanonen durchzogen die verschiedenen Stadttheile. Fünf ungarische Offiziere, die sich zu Radetzky begeben hatten, um ihren Abschied zu fordern, wurden nach der Festung geschickt. Eine große Menge Soldaten versammelten sich auf dem Platze, ihre Freilassung fordernd, da sie abreisen wollten.
* Turin, 12. Okt. Die Nachrichten aus Wien durchfuhren die ganze Stadt wie ein elektrischer Schlag. Eine zahllose Volksmasse begab sich unter die Fenster der Minister und schrie: „Krieg! Krieg!“ Allgemein sagt man, daß das Kabinet den Augenblick für geeignet gehalten hat, um von den vermittelnden Mächten eine definitive Resolution zu verlangen. Man spricht heute Morgen nur von einer Note, die das Ministerium an England und Frankreich gesandt haben soll, um ihnen mitzutheilen, daß die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden sollen, dafern sie Oestreich nicht zu einem ehrenvollen Frieden bewegen. Aus Pavia hört man, daß die Ungarn und die Kroaten aneinander gerathen sind. In Toskana ist die Aufregung sehr groß. Das Volk von Livorno hat erklärt, daß es nach Florenz marschieren werde, wenn das Ministerium nicht innerhalb drei Tagen geändert sei.
Holland. * Der Kaffee kommt den Holländern theuer zu stehen. Wie wir bereits durch das Amsterdamer Handelsblatt erfuhren, haben die Kinder der „moralsten Nation“ vor Kurzem auf Java eine bedeutende Schlappe davon getragen.
Wir erhalten darüber jetzt eine Menge Details, und wenn wir der Javanesischen Presse trauen dürfen, so hat sich der Sieg blos in den Reihen geirrt, so daß nach den Theorieen Jomini's die Besiegten eigentlich die Sieger sein mußten und vice versa. Die Hauptsache ist aber, daß die Holländer in dem Augenblicke, wo sie sich für die Herren von Bali und der Landenge von Lombock hielten, total auf's Haupt geschlagen wurden.
Die durch das Gouvernement von Java vorbereitete Expedition verließ Bezockoe in den ersten Tagen des Juni und bestand aus 4 Kriegsdampfschiffen, aus 2 Briggs der königlichen Marine und aus vielen kleineren Fahrzeugen mit zusammen 5000 Mann.
Die Insulaner ließen ihre Feinde ruhig landen und zogen sich eine halbe Meile weit in's Innere, nach dem Fort Djaga-Raga zurück, wo sie sich am besten halten zu können glaubten. Zwei Tage reichten für die Holländer hin, um nach allen Regeln der Kriegskunst die Offensive zu ergreifen. Dies geschah endlich und die Artillerie hatte auch bald so viel Bresche geschossen, daß die Infanterie mit gefälltem Bayonnette die äußern Wälle nehmen konnte. Schon ist man ziemlich weit vorgedrungen und glaubt seines Sieges gewiß zu sein, da nahen plötzlich bedeutende Verstärkungen für die Insulaner und ehe man sich's versieht, ist man von allen Seiten umringt. Ein mörderischer Kampf beginnt jetzt'z man wehrt sich bis auf's Aeußerste und erst als man 300 Granaten, 400 Kugeln, 400 Kartätschen und 80,000 Packete Patronen verschossen und doppelt so viel Leute verloren hat als die Insulaner, zieht man sich, oder wältzt man sich vielmehr in der wildesten Flucht zurück in die Schiffe.
Nach einer solchen Niederlage blieb den Holländern nichts anderes übrig, als Bali aufzugeben und die Anker zur Rückkehr zu lichten.
General-Major Van-der-Wyck hat aber versprochen, eines Tages wiederzukommen und sich zu revangiren, sobald es die Finanzen der Kolonie erlauben. Wehe den Insulanern, wenn sich dann das Glück der Waffen wendete! Die düstere Geschichte der Eroberung von Java würde um ein schreckliches Blatt reicher werden.
Französische Republik. 17 Paris, 18. Okt. Mit beflügeltem Schritte geht es bergunter, die Entscheidung wird bald losbrechen. Die drei royalistischen Minister erhielten in der Kammer eine hübsche Majorität von 500 gegen 150, Cavaignac wird von den Reaktionären der Thierspartei gepriesen als der „große Mann der Versöhnung“, und als die Bourgeoisrepublikaner zornig auffuhren, lachten sie ihnen unter die Nase. Der Expolizeipräfekt Ducoux konnte kaum vor dem Gebrüll und Gelächter der „Versöhnten“ seine Rede enden, worin er, obschon mit Stentorstimme begabt, dem afrikanischen Heiland und dem Herrn Dufaure den Text las.„Hr. Dr. Ducoux ist ein Mann, der nicht in unsere Zeit mehr paßt, sagt der Constitutionnel, er will noch den komischen, wenn nicht vielmehr beleidigenden Unterschied zwischen Republikanern vor undnach dem Februar festhalten, das sind Flausen. Die lieben Rothen haben unter sich keine Talente, daher muß der Staat anderswo sich ein Ministerium zusammensuchen. Wir wollen uns freuen, die Ordnung ist jetzt gesichert.“ ‒ „Ja wohl, bemerkt La Reforme, nach Dufaure kommt Thiers, nach Thiers wer weiß was sonst noch? Da brillirt ein kaiserlicher Neffe, der mit Nikokaus sich speziell gut steht, was sehr schmeichelhaft sein muß für einen französischen Republikaner; da ist ‒ doch wozu prophezeien?“ Es wird jetzt allgemein von den Sozialdemokraten geglaubt, dies „Ministerium des Hochverraths an der Nation“ werde nicht eher weichen als bis es mit Büchsenkugeln entfernt wird; Cavaignac „der Apostat“ ist der Volksstrafe geweiht. Diese Entscheidungsschlacht wird vielleicht nicht in Paris allein geschlagen werden; Cavaignac scheint so etwas zu ahnen und sagte: „wenn ich das Ministerium nicht im Versöhnungssinne modifizire, so bekommen wir in den 86 Departements eben soviele Bartholomäusnächte, gegen die die alte ein Spaß war.“ Die „verhaßte“ Royalistenpartei Dufaure wird ihn übrigens im Stich lassen, sobald er sich von ihr losmachen will. Die nicht Versöhnte ( J. des Debats, Presse, und die Legitimistenblätrer) attakirt ihn schon jetzt als „Heuchler und Jongleur“. Daß er jetzt mehr Chancen zur Präsidentur hat als vor dieser „Versöhnung“, ist natürlich; Lamartine dagegen ist total abgetakelt und wird nicht leicht wieder flott werden, trotz seiner lächerlichen Prätentionen und seiner Wahlpilgerschaft durch den französischen Süden, wo er „die Harfe des kindisch gewordenen Troubadour“ schlägt, wie der „Constituant democrate“ in Toulouse sagt. Auch beglückt er den Buchhandel mit vier Broschüren über Dinge, die er nicht versteht. Der einzige in den Augen der Sozialdemokraten zulässige Kandidat ist Ledru-Rollin; er gilt nicht mit Unrecht als ein „ Mann mit revolutionären Inspirationen,“ aber ohne revolutionäre Reflexion, wie Proudhon neulich ganz richtig bemerkte. Seit er auf dem ersten großen social-demokratischen Banket in den elyseischen Feldern am 22. September die deutsche Demokratie von den franzosenfressenden Deutsch-Thümlern geschieden, ereifert sich Herr Alex. Weill in „La Presse“, Hr. Virmaitre im „Corsaire“ und das „Journal des Debats“ gleichermaßen über den „rothen Tribun“ und „die rothen Klubisten an Spree und Donau.“ Diese stets honnetten, wohlstylisirten Bourgeoisjournale begeisterten sich bekanntlich für den Malmöer Waffenstillstand, dessen Bruch das Debats „ inen Frevel gegen das kleine, hochherzige Heldenvolk der Dänen“ nannte, und bewies, die Deutschen brauchten eigentlich gar keine Kriegshäfen. „La Presse“ höhnte: „Wir sind gar neugierig, ob die Herren Republikaner von Frankfurt, die Elsaß und Posen, Mailand und Schleswig, Belgien und Gott weiß was noch Alles, einstecken möchten, obschon sie von edlen Gefühlen überfließen, einen allgemeinen europäischen Kampf riskiren werden; wir rathen ihnen nicht, Frankreich zu reizen.“ Nach der Frankfurter Tragödie geiferten wiederum diese Blätter, im Chorus mit dem belfernden Constitutionnel und dem verstohlen drein quäkenden „Siecle“ gegen die Wühler in dem „sonst so gebildeten Lande Kants und Göthe's,“ und übersetzten die Berichte der „Morning Post“ über das „Martyrium“ Lychnowski's und Auerswald's „dieser zwei vollendeten deutschen Edelleute“; Cavaignac sollte, ihnen zufolge, der Centralgewalt geschrieben haben: „so lange die deutschen Klubs fortblühten, sei kein Frieden in Deutschland möglich, sie möge sich in diesem Punkte Frankreich zum Muster nehmen.“ Hr. Weill polterte dann gar fürchterlich gegen die „Banditen an der Spree, denen freilich Wrangel's Zuchtpeitsche sehr unanngnehm“, und prophezeite dem Struweschen Korps ein „verdientes Schmachende“; das „Journal des Debats“ lächelte höhnisch über die „Terroristen in dem gute Tafel liebenden Wien“; da brach es in Wien los, und diese pariser Dänenblätter, diese Jahn- und Lychnowskiblätter, wurden zu kompletten Kroatenblättern.
„Jelachich, der große Held des Ostens, der Bändiger der Anarchie, der Zuchtmeister der deutschen Ruhestörer, der liebenswürdige, eine große Zukunft im stillen Busen tragende Banus“ und dergleichen Zuckerphrasen bekommt seit 8 Tagen der bedauerliche Leser dieser „ehrenwerthen“ Presse aufgetischt, und muß einstimmen ins Lob der kroatischen Rothmäntel trotz seines sonstigen Bourgeoisgrausens gegen alles Stehlen und gegen alles was roth ist. Die „Augsburger Zeitung“, ha! welch köstlichen Stoff bietet sie zur „genauen Kenntniß der Sache“! Und so wandert sie denn täglich in großen Dosen in diese franz. Kolonnen über. Daß die Magyaren lauter Hundejungen sind, und die reaktionären Tschechen lauter Engel, auch das erfährt der nach Wissen lechzende pariser Kleinbürger von seinem Thiersblättchen.
Auf dem gestrigen Banket der Sozialdemokraten vor der Barriere Poissoniere, wo Cabet auf die Vereinigung aller Demokraten, Proudhon und Leroux auf die soziale Republik toasteten, ward mit besonderer Sympathie „der Wiener Befreiung“ gedacht. Es ist ein saures Stück Mühe, die vielen verrückten Meinungen „über die deutsche Demokratie“ zu widerlegen; La Reforme und einige Provinzialblätter sind darüber im Klaren, aber die „Demokratie pacifique“ sogar z. B. noch nicht; sie war dumm genug, den berüchtigten Schandaufsatz der Augsb. Ztg., worin der Elsaß reklamirt und Frankreich verhöhnt wird, demokratischer Feder beizumessen und den Jelachich als einen „modernen Wallenstein“ sich vorzustellen, der „im Herzen Demokrat“ sei; was eine scharfe Erwiderung Seitens des pariser deutschen Vereins zur Folge haben dürfte. „La Citoyen “ von Dijon sagt: „Ohne Deutschlands Demokraten, die den Elsaß und Lothringen nicht uns abnehmen wollen, wie ihnen unsere beiderseitigen reaktionären Gegner aufbürden, kann sich die französische Republik nicht auf den Beinen erhalten; unsere Eitelkeit will es leugnen, aber diese Wahrheit wird sich uns noch einmal sehr empfindlich machen. Es ist ein Wahnwitz, den deutschen Demokraten in die Schuhe schieben wollen, was eine ihnen feindliche, eigentlich Deutschthümler (Teutons, Tudesques) oder Franzosenfresser (Gallophages, Francophages) zu titulirende Ultrapatrioten- oder Ultranationalitätspartei verübt gegen Posen und Italien, und gegen andere Nachbaren verüben möchte. Wir dürfen die kostbare Allianz nicht verschmähen, die uns mit ihnen lächelt; weder wir, noch sie denken dabei an Länderdiebstahl, sondern nur an schleunigstes Niederschlagen der Despoten von Gottes und Goldesgnaden,“ u. s. w.
* Paris, 16. Okt. Die Demonstrationen gegen die Regierungspartei durch Abhaltung von Banketten vermehren sich wie vor der Februarrevolution.
‒ Am Sonntag wurde an der Barriere von Severs das 6te Bankett der Schriftsetzer abgehalten. Für L. Blanc war ein Ehrenplatz offen gelassen. Bürger Carbon schloß eine kurze Anrede an die Versammlung mit dem Toaste: „es lebe die demokratische Republik!“ Von allen Seiten schrie man: „und die sociale“. Carbon antwortete, daß er sich keines Pleonasmus habe bedienen wollen; er verstehe keine demokratische Republik, die nicht social sei. Den Schluß bildete eine Kollekte für die Familien der Deportirten.
‒ In Montpellier hat ebenfalls ein großes demokratisches Bankett Statt gefunden, welches 3000 Theilnehmer zählte. Zahlreiche Toaste wurden ausgebracht auf „die politischen und socialen Konsequenzen der Revolution.“
‒ Ein demokratisches Bankett der Presse ist auf den 29. d. M. angesagt mit den Worten: „Vom Chateau-Rouge ging 1847 die erste Protestation gegen die Monarchie ans, in demselben Saale werden die Repräsentanten der demokratischen Sache einen feierlichen Toast auf die Republik bringen.“
‒ Ein anderes Bankett der „demokratischen Republik“ unter der Präsidentschaft von Lamennais wird auf den 17. d. M. angekündigt.
Ebenso wurde in Mans trotz, aller Intrigen der frühern Beamten Louis Philipps, ein großes Bankett abgehalten.
‒ Der Expräsident des demokratischen Klubs Bonne-Nouvelle zeigt die Bildung eines neuen Klubs von Batignolles-Monceaux an.
Paris, 18. Okt. Die Stimmung des Kleinbürgers und Arbeiters wird täglich gereizter. Die reaktionären Blätter beweisen sich natürlich als übergefälliges Echo dieser Stimmung und zeigten gestern Abend sogar an, daß ein neuer Sturm gegen die Nationalversammlung losbrechen solle! Aus diesen Gründen erscheint diesen Morgender Moniteur mit folgender Anzeige auf seiner ersten Spalte:
„Gewisse Journale verbreiten Gerüchte, die angeblich in dem Vorsaale der Nationalversammlung liefen, und laut derer das Volk eine feindliche Demonstration gegen die Regierung beabsichtige. Diese Gerüchte, wenn sie ihren Ursprung wirklich in den Pas-Perdus hatten, sind durchaus falsch und erlogen. Es ist ein derartiges Vorhaben weder signalisirt, prämeditirt, noch operirt worden. Uebrigens ist die Regierung, durch die Gesetze gegen die Volkszusammenrottungen, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen bewaffnet, fest entschlossen, jeder aufrührerischen Bewegung mit aller gesetzlichen Strenge entgegen zu treten, von welcher Partei sie auch immer ausgehe.“
(Moniteur.) ‒ Gestern Nachmittags hat also das erste demokratisch-sociale Bankett unter Pierre Leroux, Proudhon, Cabet, Greppo, Alton Shee etc. an der Barriere Poissoniere, unserer Anzeige gemäß stattgefunden. Die Zahl der Gäste betrug etwa 2300 à 1 Fr. Die halbe Linke; namentlich Ledru-Rollin, Lamennais etc. hatten ihren Besuch zugesagt; allein Cavaignac hat sie beschworen, demselben nicht beizuwohnen, weil er sonst für den öffentlichen Frieden nicht länger stehen könne Hr. Proudhon, Leroux, Cabet, Madier de Monjau und Alton Shee haben gesprochen und dabei vorzüglich der Wiener gedacht. In den Debats und der Gazette des Tribunaux befinden sich diesen Morgen einige freilich nur sehr dürftige und gehässige Notizen über die gefallenen Trinksprüche u. A. Hier die Hauptsache, nämlich die verlesene und genehmigte
Proklamation an das Volk!
Brüder! Wir sind weit entfernt von dem Tage, an welchem sich nach heldenmüthigen Kämpfen die Republik siegreich und glänzend wie die aufgehende Sonne am Weltmorgen emporhob, jenem Bilde gleich, das das heiligste Symbol aller Hoffnungen der Zukunft, Freiheit, Gleichheit, Verbrüderung in lebendiger Weise darstellt. Von einem Ende Europa's zum andern jauchzten ihr die Nationen Beifall zu und vom neuen Geiste, vom Hauche der Regeneration durchdrungen, zerbrachen auch sie ihre alten Fesseln im Namen jenes Rechts, das Frankreich feierlich verkündet hatte. Es erntete hievon sofort selbst die Früchte; in der politischen Ordnung fielen alle Privilegien und das allgemeine Stimmrecht wurde eingeführt. In der gesellschaftlichen Ordnung wurde die Selbstständigkeit des Arbeiters als Grundbedingung zu einer Aenderung der Form der Arbeit selbst anerkannt, damit eine gleichmäßigere Vertheilung der Produkte erzielt und Jedem sein Leben in der solidarisch verpflichteten Gesellschaft garantirt werde. Bald darauf sammelten und organisirten sich die im Februar besiegten Parteien wieder. Ueberall, wohin ihre Hände reichten, bestrebten sie sich durch Verläumdung und Ränke, der Republik Feinde und der Regierung Hindernisse zu schaffen. Sich nach und nach wieder in die Staatsverwaltung einschleichend, flößten sie derselben ihre Grundsätze, ihre Leidenschaften wieder ein und gebrauchten die revolutionäre Macht, die sie sich anzueignen gewußt, als Waffe gegen die Revolution selbst. Man wich zurück bis zu den Thüren der Monarchie. ‒ Hier stehen wir in diesem Augenblick: den Männern der Monarchie sind die Schicksale der Republik anvertraut! Wir begreifen die Befürchtungen des Volkes und seine nur wahrlich allzusehr gerechtfertigte Entrüstung. Doch möge es sich nicht über alles Maaß allarmiren und sich vorzüglich gegen tückische Herausforderungen hüten. Was man daher auch immer aufbieten möge, um es zu verheerenden Unvorsichtigkeiten zu stoßen, möge es doch ruhig und fest Herr über sich selbst bleiben, um auch der Herr der Zukunft zu werden. Auf diese Weise wird es seine Stärke beweisen und sie voll und durch Einigkeit unbesiegbar wieder äußern, wenn es noch einmal nothwendig werden sollte, daß sie dem Recht zu Hülfe eilte. Was uns beerifft, die wir mit dem Titel seiner Vertreter beehrt sind, so wissen wir, wozu uns dieser Titel verpflichtet; wir kennen unsere Pflichten und werden sie erfüllen. Hervorgegangen aus dem Volke, vereinigt mit dem Volke, werden wir mit ihm kämpfen und, es ist unser Glaube, mit ihm siegen.“
Paris, 17. Oktober 1848
(Folgen die sämmtlichen Unterschriften der äußersten Linken oder des bekannten Berges der Nationalversammlung).
Obenstehende Proklamation ist zum Druck befördert worden und wird bereits in den volkreichsten Stadtvierteln massenhaft ausgetheilt. An der Börse, die so eben (Mittags 1 1/2 Uhr) eröffnet wird, verursacht sie einigen Schrecken und die Fonds machen Miene, zu weichen. Offenbar stehen wir am Beginn einer in der Weltgeschichte beispiellosen Krisis und doch sagen die Leute in den Cafe's: Tant mieux! Paris lebt bekanntlich in den Klubs und Cafe's, und je finsterer die Wolken sich häufen, desto heiterer werden oft seine Züge. Der Pariser lacht selbst noch im Elende!
‒ Ein nicht unwesentliches Element zur Gährung in gewissen Legionen der hiesigen Bürgerwehr liegt in dem diktatorischen Auftreten des Generals Changarnier, ihres Befehlshabers. Man lese als Beleg hierfür einen Brief Hingrais, des Obersten der 10. Legion, im National.
‒ Jules Favre, der bekannte bombastische Advokat der Nationalpartei in der Nationalversammlung, den jüngst ein deutsches Blatt einen der „größten Redner des heutigen Frankreichs“ nannte, ist auf dem Wege der Genesung. Er hatte das hitzige Fieber.
‒ Im Faubourg St. Antoine ist man eben im Begriff, sozialistische Kramladen zu errichten.
‒ Marie, Justizminister, soll heute einen Dekretentwurf vorlegen, der neue Strenge gegen die Zeitungspresse und Klubs fordert.
Gegen diese Zugeständnisse wird der Belagerungszustand aufgehoben.
Nationalversammlung. Sitzung vom 18. Oktbr. Anfang 12 1/2 Uhr. Präsident Marrast.
Abraham Dubois protestirt gegen einige Stellen des gestrigen Protokolls. Sie sollen berichtigt werden. Dies geschieht.
Die Versammlung genehmigt eine Selbststeuer des Sommedepartements, zur Aufbringung eines Kapitals zu Bauten für das Proletariat.
Sie geht zur Berathung des neuen Spezialgesetzes über die Majorität bei Geschwornen-Gerichten über. Man entsinnt sich, daß die provisorische Regierung die zur Verurtheilung eines Verbrechers erforderliche Majorität auf 9 erhöhte.
Dieser liberale Akt gab Veranlassung zu vielen Freisprechungen. Die Reaktion hatte daher nichts Eiligeres zu thun, als auch diese Februarpflanze auszurotten. Sie setzte die Zahl wieder auf 7 fest und trieb diese Reduktion heute zur Berathung.
Meaulle, ein halbliberaler junger Deputirter aus dem Isle- u. Vilain-Department, trägt darauf an, die Majorität auf mindestens 8 zu erhöhen.
Cremieux, Berichterstatter, erzählt jedoch, daß sich so viele Staatsanwaltschaften in den Departements gegen die Vermehrung der Majoritätszahl erhoben, daß er selbst auf Abschaffung der 9 und resp, Herabsetzung auf 7 antrage. Es seien zu viele Verbrecher, die selbst ihre Missethaten eingestanden, bei 9 freigesprochen worden und die bürgerliche Gesellschaft gefährdet (!)
Alem Rousseau, auch ein halbliberaler Provinzialstädter, unterstützt das Meaulle'sche Ammendement.
Die Versammlung, wegen des schlechten Wetters sehr zahlreich, schreit aber Schluß! Schluß!
Mehrere Bänke: Zettelabstimmung! Dieselbe gibt folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 729. Für den Antrag 165, dagegen 564. Also verworfen.
Farconnet stellt den Zusatz: „Bei Todesurtheilen, d. h. Kapitalverbrechen solle die Todesstrafe nur vollzogen werden, wenn die Jury ihr Schuldig mit Einstimmigkeit aussprach etc.“
Base bekämpft diese Milde. Sie sei der Wahrheit des Gesetzes entgegegen. Alle Meuchler ohne Ausnahme müßten sterben.
St. Romme möchte den Zusatz retten. Vergebens. Die Versammlung verwirft ihn.
Charamaule, der Unermüdliche, beantragt die Majorität bei Todesstrafen auf 9.
Dies verräth Sympathie für die prov. Regierung und wird verworfen.
Tassel möchte das Loos der Angeklagten dadurch mildern, daß die erleichternden Umstände mit simpler Majorität angenommen würden etc.
Valette bekämpft dieß jedoch und der ursprüngliche Entwurf, wie er an die Stelle des Artikels 4 des Dekrets vom 7. März 1848 getreten, geht durch.
Die Versammlung kehrt zur Verfassungsdebatte zurück und nimmt ohne erhebliche Debatte die Artikel 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 und 100, alle von der Gerichtspflege handelnd, an.
Die Artikel 101, 102 und 103 werden, als von dem Schlußsatze des Art. 100 abhälngig, unterdrückt.
Artikel 104 und 103 werden angenommen. Letzterer lautet: „Der Präsident der Republik steht unter der Gerichtsbarkeit des Obertribunals, kann nur auf Antrag der Nationalversammlung in Anklagestand versetzt werden, sowohl für öffentliche als Privat-Verbrechen.“
Statt zu Art. 106 (Kapitel IX. von der Land-und Seemacht, überhaupt von den Kräften der Republik handelnd) überzugehen, nimmt die Versammlung einen Antrag vor, der von der legitimistischen Partei ausgeht und zum Zwecke hat, die unterdrückten oder vorbehaltenen Artikel 74, 75 und 76 durch zwei andere zu ergänzen, welche lauten:
Die öffentliche Verwaltung soll nach folgenden Prinzipien eingerichtet werden: a) Gestion durch Verwaltungsbeamte, die aus dem allgemeinen Stimmrecht und aus den Lokalinteressen selbst hervorgehen. b) Delegation der Centralgewalt in politischer Hinsicht zur Ueberwachung der allgemeinen Interessen etc.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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