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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848.

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Schuselka: Das wird die Zukunft entscheiden. Wir haben im Ausschuß eine Kanonenkugel liegen; der sie geschickt hat, war z. B. ein Feind.

Der Antrag auf Druck der Depesche Fischer's wird angenommen. Brestl zeigt seinen Austritt aus der Permanenz an, weil er vor Anstrengung schwach (-köpfig) geworden. Smereker an seine Stelle.

Goldmark denunzirt den Abgeordneten Pfretschner als solchen, der noch gar nicht im Ausschusse gewesen. Auf den Antrag Zimmers werden Polaczek und Wörz hineingethan.

Borrosch will die Disziplinar-Verordnung noch um 2 §§ vermehrt wissen, wodurch ein Kriegsgericht, und bei schweren Strafen eine Appellation bestimmt würde. Darüber neue Debatte, die damit endet, daß heute wieder eine neue Debatte geführt werden solle u. s. w.

Präsident lies't einen Brief Adolf Schneiders (Postmeister aus Böhmen) vor, worin derselbe als Abgeordneter resignirt, weil er 20,000 Deutsche und 30,000 Czechen zu vertreten habe und bei der ausgebrochenen Kollision (denken Sie an den prager Aufruf der Czechen) nicht mehr zu wirken vermöge. (Unvernehmbares Zischen.)

Präsident lies't einen am 6. Oktober von mehren Abgeordneten zur Eröffnung der Sitzung an Strobach gesendeten Aufruf vor, und legt ihn auf den Tisch des Hauses. Goldmark vermißt mehrere Unterschriften; alle Frösche schreien, sie seien ebenfalls dabei gewesen, aber vergessen worden. Auf Schuselka's Antrag wird bestimmt, daß von der ganzen Geschichte nichts gedruckt werden soll. (Sie genehmigen also Strobach's Verrath!) Der Minister Krauß, der nach den geschnappten 8 Millionen die Versammlung ignorirt und kaum mehr besucht, ist eingetreten; Pillersdorf, der nun auch das Maul hält, besucht ihn, wird mit Glanz empfangen. Da tritt ein Bauer aus Galizien herzu, überreicht eine Eingabe unter höchst devoten Komplimenten, wird aber ignorirt.

Polaczek versichert, daß in Böhmen die Aufregung ungeheuer sei. (Wird ignorirt.) Ich entfernte mich aus degout.

Neuestes aus dem Reichstage. 12 Uhr. Schuselka betritt die Tribüne: Es ist eine Deputation der Frankfurter Linken hier angelangt, bestehend aus 4 Mitgliedern, Fröbel, Blum, Hartmann u. s. w. Sie bringen eine Adresse, aus welcher ich die Worte: Große Verdienste der Reichstags-Majorität (?) und der Wiener Demokraten, (vom Volke nichts) deutsches Wien, Brudervolk, Bewunderung, Fortfahren in Bestrebungen u. s. w. aufschnappe, und daß die Frankfurterin den Antrag ihrer sehr rechten Linken auf Erlassung dieser Adresse verworfen. Bei der Schlußphrase: "Voranleuchten Wien's in Deutschland" erheben Versammlung und Journalisten ein famoses Bravo. - Schuselka verlies't dann neue Beistands-Adressen; sie beginnen sämmtlich mit den Worten: "Gewitterschwangere Wolken", um mit "Anarchie und Reaktion" zu enden. Keine geht über den Bourgeoisgeist hinaus. Ein schriftlicher Bericht Löhner's wird verlesen, worin er die Mühen seiner Sendung beschreibt. Die Nordbahn verlangt eine neue Erklärung des Reichstags, daß sie kein Militär befördern solle, da von Böhmen her welches geschickt werden soll. Schuselka will, daß der Reichstag sich auf den frühern Beschluß berufe, das Militär müsse fern bleiben, damit Anarchie fern bleibe. Er kündigt an, daß ein neuer Schritt gethan worden; alles in Spannung. Schuselka: Die Majestät muß abermals durch eine Deputation angegangen werden, wir müssen eine neue Adresse an Sie senden, damit die Anarchie nicht aufkommt. Wir müssen sagen, daß die Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Wien fortdauern, wir müssen verlangen, daß alle Truppen aus Niederöstreich zurückgezogen und die Garnison auf ein Minimum reduzirt werde; daß die Truppen sofort vereidet und die Minister ernannt werden.

Borrosch will mehr als den Eid; er will, daß die Truppen nur auf Requisition der Stadtbehörden hinführe einschreiten, daß in der Stadt, wo der Reichstag sitzt, sich überhaupt kein Militär befinde. (Die Sitzung dauert noch fort.)

Der Oberkommandant Messenhausen zeigt mittelst Maueranschlag an, daß die ungarische Armee unter dem Befehl der Generale Czanyi und Monza die Gränze überschritten habe und gegen Jellachich im Anmarsch sei, daß es daher zum blutigen Zusammenstoße vor Wien kommen müsse und er das Belvedere darum sehr stark besetzt habe. Lagerkommandant ist Generallieutenant Bem. Das Hauptquartier ist im Belvedere; es ist ein vollständiges Lager dort organisirt. Es sollte mich sehr wundern, wenn die Ordnungsesel im Reichstage die Ungarn nicht heimgehen heißen, Jellachich, wenn er bittet, entschlüpfen lassen und dann einen Krieg gegen das Volk, welches viel Luft bezeigt, die Kerls aufzuhängen, führen. Im Falle des Siegs werden diese Elenden gewiß nicht versäumen, ihn ihrem Geiste und Muthe allein zuzuschreiben.

Wien, 17. Octbr.

Wie uns aus sicherer Quelle zukommt, haben die entwichenen czechischen Deputirten Rieger und Hawlizek eine lange Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz zu Prag gepflogen. - Auch der vielbekannte Graf Stadion, der ehemalige Gouverneur von Galizien, hält sich dermalen in Prag auf. - Der gewesene Präsident Strobach wurde von dem Deputirten Prato in Anklagestand gesetzt; allein die Verhandlung wurde in Berücksichtigung der ausgesprochenen Amnestie von dem Reichstage fallen gelassen. - Der Deputirte Leopold Neumann befindet sich dermalen zu Triest. - Der Oberkommandant Messenhauser hat an den Ban Jellachich gestern eine Zuschrift gerichtet; er verlangt eine deutliche Erklärung, was der kroatische Anführer eigentlich beabsichtige und fordert ihn auf, das östreichische Gebiet zu räumen. Die Antwort auf diese Zuschrift enthält die einfache Erklärung, daß sich der Baron Jellachich auf eine so lange Zuschrift in keine längere Erörterung einlassen könne. - So eben erhalten wir ein Schreiben aus Prag, welches uns davon benachrichtigt, daß das Zeughaus daselbst gestürmt werde.

Die Zögerung der Ungarn hat hier Bestürzung hervorgebracht; man fing an, an den Magyaren und ihrem gegebenen Versprechen, an dem Fortgang der guten Sache überhaupt zu zweifeln; ja ein großer Theil der Bevölkerung wollte sich, wenn auch nutzlos, in den Tod stürzen, um seine Erbitterung, seinen Grimm loszulassen. Nun ist die Sache noch mehr aufgeklärt, warum die Ungarn säumen. Es war nämlich Zwistigkeit im Heere ausgebrochen, welche die Reorganisirung desselben nothwendig gemacht; dazu war natürlich einige Zeit erforderlich. - Ein Courier bringt uns den Bericht über Stand und Lage der ungarischen Armee. Als Bevollmächtigter des ungarischen Reichstags unter dem Titel eines Generalkommissärs befindet sich Cszanyi im Lager, ihm beigegeben ist Pazmandy, der Präsident des Unterhauses. Kommandirender General ist Moga, zu welchem gestern Abend Perzett mit seiner Mannschaft gestoßen ist, so daß die Zahl der Gesammtarmee gegen 65,000 Mann sich beläuft. 10,000 Mann mobiler Garde unter der Führung des ausgezeichneten, besonders beliebten Obristen Ivanka trennt sich von dem Hauptkörper und begibt sich über Preßburg nach Haimburg, um von der Seite den Angriff der Magyaren nachdrücklichst zu unterstützen. 15 Offiziere, unter ihnen Nasvary, der berühmte Redner, sind als verdächtig nach Pesth geschickt und eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden. Die östreichischen Offiziere der Regimenter Ernst und Wasa haben, weil sie die östreichische Gränze nicht überschreiten wollten, quittirt; die Soldaten haben neue Offiziere aus ihrer Mitte gewählt.

Von Preßburg sind an das hiesige Oberkommando 110 Ctr. Pulver geschickt worden. - In der Gegend des Belvedere wird von der kampflustigen Bevölkerung Wiens ein befestigtes Lager bezogen. Generalkommandant ist Generallieutenant Bem, dem von der Legion 5 Adjudanten beigegeben sind. Eine Intendantur und ein Feldlazareth werden in Verbindung mit dem Lager in's Leben treten.

- Die uns zugekommene Wiener Nachricht vom Aufstande in Prag, auch von der Allgemeinen Oestr. Zeitung mitgetheilt, scheint sich zu bestätigen durch folgende Correspondenz der A. O. Zeitung:

Görlitz, 16. Octbr. So eben Nachmittag 4 Uhr, hört man auf allen nahegeliegenden hohen Punkten immerwährenden Kanonendonner. Nach dem Urtheile von Sachverständigen soll dies von Prag herrühren.

Ollmütz, 14. Okt.

So eben 4 1/4 Uhr hielt der Kaiser seinen Einzug in der Festung Ollmütz mit ungefähr 2000 Mann Soldaten, die Kanonen und das übrige Militär ließ er vor derselben zurück, da dieselbe ohnehin mit Militär überfüllt ist; ihm zur Seite ritt Fürst Windischgrätz. In seinem Gefolge befanden sich gegen 100 berittene Bauern mit schwarzgelben Kokarden und einer schwarzgelben Fahne, sie waren nach ihrer eigenen Aussage von ihrer Herrschaft (Baron Königsbrunn zu Dub, Domherr in Ollmütz) gezwungen!! worden. Empörend betrugen sich die Kürassiere, die sich in der Umgebung des Kaisers befanden - vor der Stadt sprengten sie auf einen daselbst stehenden Studirenden los, rissen ihm den Säbel vom Leibe, zerbrachen ihn, rissen auch die Buchstaben aus dem Stürmer heraus. In der Stadt ritt ein Kürassier mit gezogenem Säbel unter mehrere daselbst stehende Studenten, und schrie, herunter mit den Federn, herunter ihr Hunde mit den Mützen, er mußte sich aber gleich zurückziehen; das thaten die Soldaten des Kaisers. Wie drückend bis jetzt schon die Militärherrschaft hier war, dazu diene als Beweis: die wenigen Garden und Studenten, die den Wienern zu Hülfe kommen konnten, mußten sich einzeln, ohne Waffen, ohne irgend ein Abzeichen eines Studenten oder Garden zum Thore hinausschleichen, und einzeln in die verschiedenen Waggons setzen, denn Militär hält den Bahnhof stark besetzt und läßt Niemanden Mißliebigen hinausfahren. Täglich fallen beinahe Arretirungen wegen eines freien Wortes vor und man hört die Offiziere reden, in 8 Tagen darf Niemand mehr einen Säbel tragen, und wie soll man sich gegen diese Anmaßungen schützen, da man bei ihren Behörden keine Hülfe bekömmt, und auf jeden waffenfähigen Mann 10 Soldaten und 2 Kanonen im Durchschnitt kommen?! (Grad' aus.)

!!! Frankfurt, 19. Oktober 1848.

- Sitzung der National-Versammlung.

Tagesordnung: Beginn der Berathung über den Verfassungsentwurf und einige Ergänzungswahlen in die Ausschüsse. - In der Kirche ist es bereits so kalt, daß die meisten Vertreter in Paletots da sitzen. Den Berichterstattern erfrieren die Finger vor der Tagesordnung:

Schubert im Namen des Ausschusses für die österreichischen Angelegenheiten.

Der Ausschuß hat 3 Sitzungen in 26 Stunden gehabt, trotzdem die National-Versammlung den Antrag: "in 24 Stunden Berichtnzu erstatten" verworfen hat. - Die Majorität des Ausschusses (10 Mitglieder, von Beisler, Schubert, etc.) hat die Anträge gestellt: 1) Die vom Reichsministerium bis jetzt gefaßten Beschlüsse gut zu heißen. 2) Dasselbe aufzufordern, weitere Schritte zu thun, um die deutschen Interessen in Oestreich zu wahren. - Die Minorität (5 Mitglieder Kirchgessner, Pattay, Venedey etc.) beantragt: 1) Das Ministerium ist aufzufordern, bei den gegenwärtigen Zuständen in Oestreich, alle in Frage gestellten deutschen Interessen in Schutz zu nehmen und mit allen Kräften zu stützen. 2) Alle deutschen Truppen Oestreichs den jetzt daselbst bestehenden Gewalten (Reichstag etc.) zur Verfügung zu stellen. 3) Mit Ausführung dieser Maaßregeln die für Oestreich erwählten Reichskommissäre zu betrauen. - Der Bericht wird bis Morgen gedruckt sein. (Bravo!)

Hierauf interpelliren Franke (Schleswig) und von Reden den Minister des Inneren in der Angelegenheit Schleswigs. - Ihre Interpellationen beziehen sich auf die widersprechenden Eingriffe, welche Seitens Dänemark in die Waffenstillstandsbedingungen geschehen. (Jetzt also!)

Schmerling wird Montag antworten, aber heute schon an den Reichsgesandten in Koppenhagen deshalb schreiben. - Nach einer Interpellation von Möllings über die vollkommene Anerkennung der deutschen Centralgewalt von allen deutschen Einzelstaaten liest der Präsident mehrere dringliche Anträge: 1) von Jahn (Gelächter): "Das Reichsamt Mähren sei in Gefahr wegen (!!) des Eindringens der Ungarn. Preußen, Sachsen und Thüringen sei zum Schutze von Mähren aufzufordern. (Die Linke (!) unterstützt höhnisch die Dringlichkeit des Antrags, alle andern bleiben lachend sitzen.) 2) Dr, Liebelt beantragt dringlich: "Die Posener Frage nochmals zur Berathung zu bringen." (Gelächter. - Links: was ist da zu lachen? Gagern: Dies Lachen sei die Wirkung der Reciprocität -) Der Antrag wird nicht dringlich erkannt, und soll an den Ausschuß gehen. -

Liebelt zieht seinen Antrag zurück, da er nur vor der Beschlußnahme über das Reich (Verfassungsausschuß) Werth hat; protestirt aber im Namen der Majorität der Bewohner des Großherzogthums gegen die Einverleibung.

Präsident: Die Protestation sei hier nicht am Ort.

Dahm fragt den Präsidenten, warum der Advokat Werner aus Baden, welcher notorisch zum Abgeordneten für die Nationalversammlung erwählt ist, nicht einberufen?

Gagern lies't die betreffenden Aktenstücke vor, woraus sich schließlich ergibt, daß Werner politischer Flüchtling und steckbrieflich verfolgt ist. Es ist in dieser Angelegenheit heut an die badische Regierung geschrieben.

Dahm beantragt: "In Erwägung, daß die Wahl des Abgeordneten Werner unbezweifelte Thatsache ist etc., den etc. Werner vorläufig sofort in der Versammlung zuzulassen." - Zur Begründung der Dringlichkeit erhält er das Wort nicht.

Wichmann fragt den internationalen Ausschuß, was aus dem ihm zugewiesenen Berichte wegen Entschädigung der durch den schleswig-holsteinischen Krieg entstandenen Kriegsschäden geworden?

N. N. vom internationalen Ausschuß, weiß nicht, was damit geschehen. (Gelächter.)

Tagesordnung:

Berathung über den Verfassungsentwurf: I. Reich. II. Reichsgewalt. - Nach Verwerfung eines Antrags von Schreiner "die Reichsgewalt vor dem Reich zu berathen" geht man zu Abschnitt I. (das Reich) über.

§. 1. des Entwurfs des Verfassungsausschusses lautet: "Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes. Die Verhältnisse des Herzogthums Schleswig und die Grenzbestimmung im Großherzogthum Posen bleiben der definitiven Anordnung vorbehalten."

Hierzu kommen eine Menge Ammendements, welche vorzüglich in Betreff Schleswigs mit dem Verfassungsentwurf verschiedener Ansicht sind.

Sie folgen bei der Abstimmung.

Auf die Diskussion wird nicht verzichtet. Sie beginnt mit

Claussen, (Schleswig), welcher mit mehreren beantragt, den §. 1 also lauten zu lassen: "das deutsche Reich besteht aus dem Gebiete des deutschen Bundes und dem Herzogthum Schleswig. Die Gränzen des letzteren werden später festgestellt." Schleswig will er schon jetzt zum deutschen Bunde, damit die demnächst zu erlassenden Grundrechte des deutschen Volkes auch für Schleswig in Anwendung kommen. Auch säßen ja die Schleswig'schen Abgeordneten hier. Und durch die Nichtaufnahme in den deutschen Bund würde die Trennung Schleswigs von Holstein ausgesprochen.

Franke, (auch ein Schleswiger), ist entgegengesetzter Ansicht mit seinem Landsmann Claussen. Ist mit dem §. des Ausschusses einverstanden. Ueber Schleswig lasse sich jetzt noch nichts Entschiedenes beschließen. Unter anderem sagt er: (hört! hört!) "9/10 der Bewohner von Schleswig seien einverstanden mit dem Beschluß der National-Versammlung über den Waffenstillstand. Das zehnte Zehntel wären die Mitglieder demokratischer Vereine. (Bravo im Centrum.)

Jacobi, (aus Churhessen) hat zum Antrag des Ausschusses ergänzende Anträge gestellt. Er vermißt in der Fassung derselben eine genaue Bestimmung des Umfangs des deutschen Reichs; ferner die namentliche Aufführung der Einzelstaaten. Auch spricht der Redner von der allgemein erkannten Nothwendigkeit der Mediatisirung der kleinern deutschen Staaten, die sich durch eigene Kraft nicht mehr halten könnten. Es solle im §. 1 ausgesprochen werden, daß eine Mediatisirung demnächst stattfinden werde.

Zachariä spricht für den Paragraphen wie der Verfassungsausschuß ihn vorgeschlagen, weil derselbe alle faktischen und rechtlichen Beschaffenheiten des deutschen Reiches erschöpft. In Bezug auf Schleswig ließe sich die rechtliche Aufnahme in's deutsche Reich auch nicht bestimmen, trotz Vorparlament etc.

Bally, (Schlesien), empfiehlt folgende Fassung für den Paragraphen: "das wiederhergestellte deutsche Reich umfaßt das ehemalige Gebiet des deutschen Bundes, nebst denjenigen Landestheilen, welche später in den deutschen Bund aufgenommen worden sind, und demnächst noch aufgenommen werden sollen."

Reichensperger ist mit dem einverstanden, was Zachariä und Franke zur Begründung der Fassung des Verfassungsausschusses gesagt haben und macht noch einige interessenlose Bemerkungen dazu.

Prof. Hagen (aus Heidelberg): Die Aufgabe, an die wir herangetreten, ist die schwierigste, die wir unternommen. Es handelt sich um die Erschaffung der Einheit, die wir schaffen sollen, ohne die Centralisation zu unserm Prinzip zu machen. Es fragt sich, wie das politisch-einheitliche Element mit dem individuellen in Einklang zu bringen ist. Wenn uns dies gelingt, haben wir ein Werk geschaffen, woran die ganze Geschichte sich anschließen wird, u. s. f. folgt ein vortrefflicher akademischer Vortrag über deutsches Natur- und Staatsrecht (im Centrum ruft einer: "kurz!") Zum Schluß beweist er, daß die Dynastien nur die Anarchie repräsentiren. (Einzelne Bravo). Die Einheit in Deutschland kann nur mit der Freiheit zu Stande kommen. Dies vorausgeschickt, kann der Redner dem Entwurf des Ausschusses im Allgemeinen seine Zustimmung nicht versagen. Aber Konfliktfälle der Einheit mit den Partikularstaaten werden so lange stattfinden, bis man Deutschland eine andere Eintheilung gegeben habe. Hierzu schlägt er das Schaffrat'sche Amendement vor, welches Deutschland in 21 Kreise theilt. (Bravo!)

Beckerath, (Minister) Bekämpft die Amendements von Claussen und Jacoby. Man möchte sich hüten, in das Verfassungswerk, was vorzüglich den Grund zur Einigung Deutschlands legen soll, nicht jetzt schon allerlei Fremdartiges einzumischen. Das Provisorium Schleswigs ließe sich nicht auf einmal in ein Definitivum verwandeln. Folgt noch einmal eine kurze Rechtfertigung des Beschlusses über den Waffenstillstand. v. Beckerath macht den Paragraphen des Ausschusses den Centren so plausibel, daß über dessen Annahme kein Zweifel mehr ist. (Sehr schwaches Bravo und Zischen).

Esmarch (Schleswig) ist wieder anderer Ansicht als sein Landsmann Franke und muß dessen faktischen Anführungen ganz entschieden widersprechen. (Links: Hört!) Die Rede des Hrn. Franke hat ihn mit Entrüstung erfüllt (Bravo!), er (Esmarch) glaubt, daß Hr. Franke diese Rede mit Rücksicht auf Koppenhagen gehalten (Lautes Bravo links, Präsident verweist es dem Redner, Hrn. Franke solche Vorwürfe zu machen. Links: Dazu hat der Präsident das Recht nicht.) Der Redner ist natürlich für das Amendement von Claussen. (S. oben.) (Bravo links.)

Beseler (auch ein Schleswiger) schließt sich natürlich an seinen lieben Landsmann Franke an, fühlt sich über nichts in dessen Rede entrüstet und ist ganz entgegengesetzter Ansicht als Hr. Esmarch (wiederum sein Landsmann.) (Bravo im Centrum.) Er ist natürlich für den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurf, den er nach einer erbaulichen Rede von einer halben Stunde bestens anempfiehlt.

Man ruft Schluß! und Reden!

Präsident: Es könnte die Diskussion noch lange nicht geschlossen werden

Grävell (spricht unverständlich. Unruhe und spaßhafte Unterbrechungen begleiten seine Rede. Präsident bittet mehrmals um Ruhe, welche nicht eintritt. Man unterscheidet: Laut! Schluß! Bravo! Ruhe! Gelächter etc.

Nach ihm Fiebig aus Posen (unverständlich).

Michelsen (Schleswig) für den Verfassungsentwurf. (Schluß! Schluß!)

Dr. Liebelt gegen den Paragraphen des Verfassungsentwurfs, weil er darin Eingriffe in die Volkssouverainetät erblickt. Man habe sich an das Prinzip der Nationalitäten zu halten bei der Gründung eines einigen Deutschlands. Die Aufnahme der nichtdeutschen Stämme sei abhängig zu machen von dem Willen der Völker.

Jordan aus Berlin: Es ist gar nicht zweifelhaft, daß Claussens' Antrag wegen Schleswig verworfen werden wird, zweifelt aber eben so wenig, daß man dies wieder gegen die Versammlung benutzen wird, als ob dieselbe von Schleswig nichts wissen wolle, was keineswegs des Fall sei. (Bravo im Centrum) Nur schwache Menschen pflegten sich für die Zukunft durch Gelübde zu binden, wie Classen hier mit Schleswig thun wolle. Wir werden Schleswig schon behalten. (Centrum: Sehr gut! Bravo!) In der Posenschen Sache habe man heute etwas durch das Fenster hineinbringen wollen, was man längst zum großen Thor hinausgeworfen. Hr. Jordan greift Hrn. Liebelt an. Der Berliner Literat denuncirt und bringt Libelts Namen einigemal mit der rothen Republik zusammen, erklärt aber auf den Einwurf des Präsidenten, daß er nicht persönlich sein wolle. (Schluß! Schluß!)

Liebelt verlangt das Wort in einer question personelle. Die Versammlung gewährt ihm dasselbe mit zweifelhafter Majorität.

Liebelt: Jordan habe gesagt, die Polen repräsentiren überall die rothe Republik. (Tumult. Nicht wahr.) Da ich selbst ein Pole bin ... (Tumult. Wollen hier keine Polen! Deutsche!) Weist die Aeußerung von Hrn. Jordan zurück. (Schluß! Schluß!)

Die Debatte wird geschlossen. Der Berichterstatter Riesser spricht für die Fassung des Ausschusses. Seine Rede ist von Bravo begleitet.

Die Verbesserungsanträge werden zur Unterstützung gebracht.

Es werden unterstützt die von Claussen, Liebelt, Schaffrath, Höffken und Jenny.

Verworfen die von Bally, Hergenhahn, Grävell.

Bei der Abstimmung wird § 1 (Art. I.) des Verfassungsausschusses (s. oben) angenommen. Die Amendements fallen sämmtlich weg.

Man schreitet zu den Ergänzungswahlen.

* Berlin, 19. Okt.

Ein Artikel der "Vossischen Zeitung" von heute zeigt deutlich, welche Stimmung über die neulichen Reden des Königs in Berlin herrscht. Die Vossische sagt nämlich:

"Was im Augenblicke neben den traurigen Ereignissen des 16. die Gemüther am meisten beschäftigt, das sind die Reden, welche der König am 15. an die Gratulationsdeputationen der Nationalversammlung und der Bürgerwehr gerichtet hat. Wir haben uns der genauern Mittheilungen ihres Inhaltes enthalten, weil wir nicht zweifelten, daß das offizielle Blatt der Regierung einen wortgetreuen Abdruck bringen würde. Dies ist jedoch unterblieben und scheint daraus zu folgen, einerseits, daß eine Aufzeichnung jener Reden gar nicht stattgefunden hat, andererseits, daß die Minister nicht geneigt sind, mit ihrer Verantwortlichkeit für dieselben einzutreten. Hieraus dürfte nun weiter geschlossen werden, daß jenen Reden und ihrem Inhalt eine offizielle Bedeutung nicht beizumessen ist, daß sie vielmehr nur als Aeußerungen der Privatperson des Königs anzusehen sind und für die Beurtheilung unserer staatlichen Zukunft als einflußlos erachtet werden sollen."

Wenn das Ministerium "nicht geneigt" war, die "Verantwortlichkeit" für die königl. Aeußerungen zu übernehmen, so hatte es sofort abzudanken.

Die Aeußerungen des Königs an seinen Leibarzt, Kammerjunker oder Adjutanten können "Privatäußerungen" sein. Aber die Antwort auf eine offizielle Deputation des preußischen Reichstags! Das ist unmöglich - im konstitutionellen Sinne.

* Berlin, 19. October.

Die Kanalarbeiter veröffentlichten gestern den folgenden Anschlag über die Ereignisse vom 16.

Bewohner Berlins! Alle Berichte, hinsichtlich der Unruhen auf dem Köpnicker Felde, sind nicht ausreichend, um ein richtiges Urtheil fällen zu können. Bewohner Berlins! Hört, hört!! Am Donnerstag den 12. d. M. wurde von sämmtlichen Kanalarbeitern eine Deputation an den Minister für öffentliche Arbeiten, Finanzminister v. Bonin abgeschickt um zu bewirken, daß die Dampfmaschine, welche Tags vorher auf dem Köpnicker Felde abgeladen war, nicht aufgestellt werde; obgleich die Deputation persönlich zum Minister v. Bonin ging, so hatte sie dennoch ihr Gesuch schriftlich aufgesetzt; nachdem v. Bonin die Deputation angehört hatte, erklärte derselbe, man möge schriftlich einkommen; als die Deputation das schriftliche Gesuch vorlegte, erklärte derselbe: "Ich weiß von einer Dampfmaschine am Kanale durchaus nichts und kann einen Befehl, den ich nicht gegeben, auch nicht aufheben; jedoch sind die Arbeiter in ihrem vollen Rechte, wenn sie nicht zugeben, eine Maschine aufstellen zu lassen, welche dahin zielt, Arbeiter brodlos zu machen." Minister v. Bonin schrieb persönlich an den Baumeister Hildebrand in Gegenwart der Deputation, worin derselbe dem etc. Hildebrand aufgab, sofort über die Zweckmäßigkeit der Maschine Bericht zu erstatten und vorläufig die Maschine nicht aufstellen zu lassen. Ein Bote vom Ministerium nahm dieses Schreiben an sich, und die Deputation begab sich zu dem etc. Hildebrandt, derselbe war aber nicht zu Hause. Die Deputation begab sich nunmehr nach der Baustelle, um ihn dort aufzusuchen, war jedoch nicht zu finden. Als die Deputation an der Stelle ankam, wo die Maschine abgeladen worden war, hatte dieselbe schon Beschädigungen, aber nur unerhebliche, erlitten, und zwar dadurch, daß der etc. Hildebrand, während die Deputation noch anwesend, auf der Baustelle erklärte: "die Maschine wird aufgestellt!" Daß der etc. Hildebrand nicht befugt ist, einen solchen absoluten Befehl zu ertheilen, ist wohl einleuchend. Gegen 5 Uhr Nachmittags kamen

Schuselka: Das wird die Zukunft entscheiden. Wir haben im Ausschuß eine Kanonenkugel liegen; der sie geschickt hat, war z. B. ein Feind.

Der Antrag auf Druck der Depesche Fischer's wird angenommen. Brestl zeigt seinen Austritt aus der Permanenz an, weil er vor Anstrengung schwach (-köpfig) geworden. Smereker an seine Stelle.

Goldmark denunzirt den Abgeordneten Pfretschner als solchen, der noch gar nicht im Ausschusse gewesen. Auf den Antrag Zimmers werden Polaczek und Wörz hineingethan.

Borrosch will die Disziplinar-Verordnung noch um 2 §§ vermehrt wissen, wodurch ein Kriegsgericht, und bei schweren Strafen eine Appellation bestimmt würde. Darüber neue Debatte, die damit endet, daß heute wieder eine neue Debatte geführt werden solle u. s. w.

Präsident lies't einen Brief Adolf Schneiders (Postmeister aus Böhmen) vor, worin derselbe als Abgeordneter resignirt, weil er 20,000 Deutsche und 30,000 Czechen zu vertreten habe und bei der ausgebrochenen Kollision (denken Sie an den prager Aufruf der Czechen) nicht mehr zu wirken vermöge. (Unvernehmbares Zischen.)

Präsident lies't einen am 6. Oktober von mehren Abgeordneten zur Eröffnung der Sitzung an Strobach gesendeten Aufruf vor, und legt ihn auf den Tisch des Hauses. Goldmark vermißt mehrere Unterschriften; alle Frösche schreien, sie seien ebenfalls dabei gewesen, aber vergessen worden. Auf Schuselka's Antrag wird bestimmt, daß von der ganzen Geschichte nichts gedruckt werden soll. (Sie genehmigen also Strobach's Verrath!) Der Minister Krauß, der nach den geschnappten 8 Millionen die Versammlung ignorirt und kaum mehr besucht, ist eingetreten; Pillersdorf, der nun auch das Maul hält, besucht ihn, wird mit Glanz empfangen. Da tritt ein Bauer aus Galizien herzu, überreicht eine Eingabe unter höchst devoten Komplimenten, wird aber ignorirt.

Polaczek versichert, daß in Böhmen die Aufregung ungeheuer sei. (Wird ignorirt.) Ich entfernte mich aus dégòut.

Neuestes aus dem Reichstage. 12 Uhr. Schuselka betritt die Tribüne: Es ist eine Deputation der Frankfurter Linken hier angelangt, bestehend aus 4 Mitgliedern, Fröbel, Blum, Hartmann u. s. w. Sie bringen eine Adresse, aus welcher ich die Worte: Große Verdienste der Reichstags-Majorität (?) und der Wiener Demokraten, (vom Volke nichts) deutsches Wien, Brudervolk, Bewunderung, Fortfahren in Bestrebungen u. s. w. aufschnappe, und daß die Frankfurterin den Antrag ihrer sehr rechten Linken auf Erlassung dieser Adresse verworfen. Bei der Schlußphrase: „Voranleuchten Wien's in Deutschland“ erheben Versammlung und Journalisten ein famoses Bravo. ‒ Schuselka verlies't dann neue Beistands-Adressen; sie beginnen sämmtlich mit den Worten: „Gewitterschwangere Wolken“, um mit „Anarchie und Reaktion“ zu enden. Keine geht über den Bourgeoisgeist hinaus. Ein schriftlicher Bericht Löhner's wird verlesen, worin er die Mühen seiner Sendung beschreibt. Die Nordbahn verlangt eine neue Erklärung des Reichstags, daß sie kein Militär befördern solle, da von Böhmen her welches geschickt werden soll. Schuselka will, daß der Reichstag sich auf den frühern Beschluß berufe, das Militär müsse fern bleiben, damit Anarchie fern bleibe. Er kündigt an, daß ein neuer Schritt gethan worden; alles in Spannung. Schuselka: Die Majestät muß abermals durch eine Deputation angegangen werden, wir müssen eine neue Adresse an Sie senden, damit die Anarchie nicht aufkommt. Wir müssen sagen, daß die Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Wien fortdauern, wir müssen verlangen, daß alle Truppen aus Niederöstreich zurückgezogen und die Garnison auf ein Minimum reduzirt werde; daß die Truppen sofort vereidet und die Minister ernannt werden.

Borrosch will mehr als den Eid; er will, daß die Truppen nur auf Requisition der Stadtbehörden hinführe einschreiten, daß in der Stadt, wo der Reichstag sitzt, sich überhaupt kein Militär befinde. (Die Sitzung dauert noch fort.)

Der Oberkommandant Messenhausen zeigt mittelst Maueranschlag an, daß die ungarische Armee unter dem Befehl der Generale Czanyi und Monza die Gränze überschritten habe und gegen Jellachich im Anmarsch sei, daß es daher zum blutigen Zusammenstoße vor Wien kommen müsse und er das Belvedere darum sehr stark besetzt habe. Lagerkommandant ist Generallieutenant Bem. Das Hauptquartier ist im Belvedere; es ist ein vollständiges Lager dort organisirt. Es sollte mich sehr wundern, wenn die Ordnungsesel im Reichstage die Ungarn nicht heimgehen heißen, Jellachich, wenn er bittet, entschlüpfen lassen und dann einen Krieg gegen das Volk, welches viel Luft bezeigt, die Kerls aufzuhängen, führen. Im Falle des Siegs werden diese Elenden gewiß nicht versäumen, ihn ihrem Geiste und Muthe allein zuzuschreiben.

Wien, 17. Octbr.

Wie uns aus sicherer Quelle zukommt, haben die entwichenen czechischen Deputirten Rieger und Hawlizek eine lange Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz zu Prag gepflogen. ‒ Auch der vielbekannte Graf Stadion, der ehemalige Gouverneur von Galizien, hält sich dermalen in Prag auf. ‒ Der gewesene Präsident Strobach wurde von dem Deputirten Prato in Anklagestand gesetzt; allein die Verhandlung wurde in Berücksichtigung der ausgesprochenen Amnestie von dem Reichstage fallen gelassen. ‒ Der Deputirte Leopold Neumann befindet sich dermalen zu Triest. ‒ Der Oberkommandant Messenhauser hat an den Ban Jellachich gestern eine Zuschrift gerichtet; er verlangt eine deutliche Erklärung, was der kroatische Anführer eigentlich beabsichtige und fordert ihn auf, das östreichische Gebiet zu räumen. Die Antwort auf diese Zuschrift enthält die einfache Erklärung, daß sich der Baron Jellachich auf eine so lange Zuschrift in keine längere Erörterung einlassen könne. ‒ So eben erhalten wir ein Schreiben aus Prag, welches uns davon benachrichtigt, daß das Zeughaus daselbst gestürmt werde.

Die Zögerung der Ungarn hat hier Bestürzung hervorgebracht; man fing an, an den Magyaren und ihrem gegebenen Versprechen, an dem Fortgang der guten Sache überhaupt zu zweifeln; ja ein großer Theil der Bevölkerung wollte sich, wenn auch nutzlos, in den Tod stürzen, um seine Erbitterung, seinen Grimm loszulassen. Nun ist die Sache noch mehr aufgeklärt, warum die Ungarn säumen. Es war nämlich Zwistigkeit im Heere ausgebrochen, welche die Reorganisirung desselben nothwendig gemacht; dazu war natürlich einige Zeit erforderlich. ‒ Ein Courier bringt uns den Bericht über Stand und Lage der ungarischen Armee. Als Bevollmächtigter des ungarischen Reichstags unter dem Titel eines Generalkommissärs befindet sich Cszanyi im Lager, ihm beigegeben ist Pazmandy, der Präsident des Unterhauses. Kommandirender General ist Moga, zu welchem gestern Abend Perzett mit seiner Mannschaft gestoßen ist, so daß die Zahl der Gesammtarmee gegen 65,000 Mann sich beläuft. 10,000 Mann mobiler Garde unter der Führung des ausgezeichneten, besonders beliebten Obristen Ivanka trennt sich von dem Hauptkörper und begibt sich über Preßburg nach Haimburg, um von der Seite den Angriff der Magyaren nachdrücklichst zu unterstützen. 15 Offiziere, unter ihnen Nasvary, der berühmte Redner, sind als verdächtig nach Pesth geschickt und eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden. Die östreichischen Offiziere der Regimenter Ernst und Wasa haben, weil sie die östreichische Gränze nicht überschreiten wollten, quittirt; die Soldaten haben neue Offiziere aus ihrer Mitte gewählt.

Von Preßburg sind an das hiesige Oberkommando 110 Ctr. Pulver geschickt worden. ‒ In der Gegend des Belvedere wird von der kampflustigen Bevölkerung Wiens ein befestigtes Lager bezogen. Generalkommandant ist Generallieutenant Bem, dem von der Legion 5 Adjudanten beigegeben sind. Eine Intendantur und ein Feldlazareth werden in Verbindung mit dem Lager in's Leben treten.

‒ Die uns zugekommene Wiener Nachricht vom Aufstande in Prag, auch von der Allgemeinen Oestr. Zeitung mitgetheilt, scheint sich zu bestätigen durch folgende Correspondenz der A. O. Zeitung:

Görlitz, 16. Octbr. So eben Nachmittag 4 Uhr, hört man auf allen nahegeliegenden hohen Punkten immerwährenden Kanonendonner. Nach dem Urtheile von Sachverständigen soll dies von Prag herrühren.

Ollmütz, 14. Okt.

So eben 4 1/4 Uhr hielt der Kaiser seinen Einzug in der Festung Ollmütz mit ungefähr 2000 Mann Soldaten, die Kanonen und das übrige Militär ließ er vor derselben zurück, da dieselbe ohnehin mit Militär überfüllt ist; ihm zur Seite ritt Fürst Windischgrätz. In seinem Gefolge befanden sich gegen 100 berittene Bauern mit schwarzgelben Kokarden und einer schwarzgelben Fahne, sie waren nach ihrer eigenen Aussage von ihrer Herrschaft (Baron Königsbrunn zu Dub, Domherr in Ollmütz) gezwungen!! worden. Empörend betrugen sich die Kürassiere, die sich in der Umgebung des Kaisers befanden ‒ vor der Stadt sprengten sie auf einen daselbst stehenden Studirenden los, rissen ihm den Säbel vom Leibe, zerbrachen ihn, rissen auch die Buchstaben aus dem Stürmer heraus. In der Stadt ritt ein Kürassier mit gezogenem Säbel unter mehrere daselbst stehende Studenten, und schrie, herunter mit den Federn, herunter ihr Hunde mit den Mützen, er mußte sich aber gleich zurückziehen; das thaten die Soldaten des Kaisers. Wie drückend bis jetzt schon die Militärherrschaft hier war, dazu diene als Beweis: die wenigen Garden und Studenten, die den Wienern zu Hülfe kommen konnten, mußten sich einzeln, ohne Waffen, ohne irgend ein Abzeichen eines Studenten oder Garden zum Thore hinausschleichen, und einzeln in die verschiedenen Waggons setzen, denn Militär hält den Bahnhof stark besetzt und läßt Niemanden Mißliebigen hinausfahren. Täglich fallen beinahe Arretirungen wegen eines freien Wortes vor und man hört die Offiziere reden, in 8 Tagen darf Niemand mehr einen Säbel tragen, und wie soll man sich gegen diese Anmaßungen schützen, da man bei ihren Behörden keine Hülfe bekömmt, und auf jeden waffenfähigen Mann 10 Soldaten und 2 Kanonen im Durchschnitt kommen?! (Grad' aus.)

!!! Frankfurt, 19. Oktober 1848.

‒ Sitzung der National-Versammlung.

Tagesordnung: Beginn der Berathung über den Verfassungsentwurf und einige Ergänzungswahlen in die Ausschüsse. ‒ In der Kirche ist es bereits so kalt, daß die meisten Vertreter in Paletots da sitzen. Den Berichterstattern erfrieren die Finger vor der Tagesordnung:

Schubert im Namen des Ausschusses für die österreichischen Angelegenheiten.

Der Ausschuß hat 3 Sitzungen in 26 Stunden gehabt, trotzdem die National-Versammlung den Antrag: „in 24 Stunden Berichtnzu erstatten“ verworfen hat. ‒ Die Majorität des Ausschusses (10 Mitglieder, von Beisler, Schubert, etc.) hat die Anträge gestellt: 1) Die vom Reichsministerium bis jetzt gefaßten Beschlüsse gut zu heißen. 2) Dasselbe aufzufordern, weitere Schritte zu thun, um die deutschen Interessen in Oestreich zu wahren. ‒ Die Minorität (5 Mitglieder Kirchgessner, Pattay, Venedey etc.) beantragt: 1) Das Ministerium ist aufzufordern, bei den gegenwärtigen Zuständen in Oestreich, alle in Frage gestellten deutschen Interessen in Schutz zu nehmen und mit allen Kräften zu stützen. 2) Alle deutschen Truppen Oestreichs den jetzt daselbst bestehenden Gewalten (Reichstag etc.) zur Verfügung zu stellen. 3) Mit Ausführung dieser Maaßregeln die für Oestreich erwählten Reichskommissäre zu betrauen. ‒ Der Bericht wird bis Morgen gedruckt sein. (Bravo!)

Hierauf interpelliren Franke (Schleswig) und von Reden den Minister des Inneren in der Angelegenheit Schleswigs. ‒ Ihre Interpellationen beziehen sich auf die widersprechenden Eingriffe, welche Seitens Dänemark in die Waffenstillstandsbedingungen geschehen. (Jetzt also!)

Schmerling wird Montag antworten, aber heute schon an den Reichsgesandten in Koppenhagen deshalb schreiben. ‒ Nach einer Interpellation von Möllings über die vollkommene Anerkennung der deutschen Centralgewalt von allen deutschen Einzelstaaten liest der Präsident mehrere dringliche Anträge: 1) von Jahn (Gelächter): „Das Reichsamt Mähren sei in Gefahr wegen (!!) des Eindringens der Ungarn. Preußen, Sachsen und Thüringen sei zum Schutze von Mähren aufzufordern. (Die Linke (!) unterstützt höhnisch die Dringlichkeit des Antrags, alle andern bleiben lachend sitzen.) 2) Dr, Liebelt beantragt dringlich: „Die Posener Frage nochmals zur Berathung zu bringen.“ (Gelächter. ‒ Links: was ist da zu lachen? Gagern: Dies Lachen sei die Wirkung der Reciprocität ‒) Der Antrag wird nicht dringlich erkannt, und soll an den Ausschuß gehen. ‒

Liebelt zieht seinen Antrag zurück, da er nur vor der Beschlußnahme über das Reich (Verfassungsausschuß) Werth hat; protestirt aber im Namen der Majorität der Bewohner des Großherzogthums gegen die Einverleibung.

Präsident: Die Protestation sei hier nicht am Ort.

Dahm fragt den Präsidenten, warum der Advokat Werner aus Baden, welcher notorisch zum Abgeordneten für die Nationalversammlung erwählt ist, nicht einberufen?

Gagern lies't die betreffenden Aktenstücke vor, woraus sich schließlich ergibt, daß Werner politischer Flüchtling und steckbrieflich verfolgt ist. Es ist in dieser Angelegenheit heut an die badische Regierung geschrieben.

Dahm beantragt: „In Erwägung, daß die Wahl des Abgeordneten Werner unbezweifelte Thatsache ist etc., den etc. Werner vorläufig sofort in der Versammlung zuzulassen.“ ‒ Zur Begründung der Dringlichkeit erhält er das Wort nicht.

Wichmann fragt den internationalen Ausschuß, was aus dem ihm zugewiesenen Berichte wegen Entschädigung der durch den schleswig-holsteinischen Krieg entstandenen Kriegsschäden geworden?

N. N. vom internationalen Ausschuß, weiß nicht, was damit geschehen. (Gelächter.)

Tagesordnung:

Berathung über den Verfassungsentwurf: I. Reich. II. Reichsgewalt. ‒ Nach Verwerfung eines Antrags von Schreiner „die Reichsgewalt vor dem Reich zu berathen“ geht man zu Abschnitt I. (das Reich) über.

§. 1. des Entwurfs des Verfassungsausschusses lautet: „Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes. Die Verhältnisse des Herzogthums Schleswig und die Grenzbestimmung im Großherzogthum Posen bleiben der definitiven Anordnung vorbehalten.“

Hierzu kommen eine Menge Ammendements, welche vorzüglich in Betreff Schleswigs mit dem Verfassungsentwurf verschiedener Ansicht sind.

Sie folgen bei der Abstimmung.

Auf die Diskussion wird nicht verzichtet. Sie beginnt mit

Claussen, (Schleswig), welcher mit mehreren beantragt, den §. 1 also lauten zu lassen: „das deutsche Reich besteht aus dem Gebiete des deutschen Bundes und dem Herzogthum Schleswig. Die Gränzen des letzteren werden später festgestellt.“ Schleswig will er schon jetzt zum deutschen Bunde, damit die demnächst zu erlassenden Grundrechte des deutschen Volkes auch für Schleswig in Anwendung kommen. Auch säßen ja die Schleswig'schen Abgeordneten hier. Und durch die Nichtaufnahme in den deutschen Bund würde die Trennung Schleswigs von Holstein ausgesprochen.

Franke, (auch ein Schleswiger), ist entgegengesetzter Ansicht mit seinem Landsmann Claussen. Ist mit dem §. des Ausschusses einverstanden. Ueber Schleswig lasse sich jetzt noch nichts Entschiedenes beschließen. Unter anderem sagt er: (hört! hört!) „9/10 der Bewohner von Schleswig seien einverstanden mit dem Beschluß der National-Versammlung über den Waffenstillstand. Das zehnte Zehntel wären die Mitglieder demokratischer Vereine. (Bravo im Centrum.)

Jacobi, (aus Churhessen) hat zum Antrag des Ausschusses ergänzende Anträge gestellt. Er vermißt in der Fassung derselben eine genaue Bestimmung des Umfangs des deutschen Reichs; ferner die namentliche Aufführung der Einzelstaaten. Auch spricht der Redner von der allgemein erkannten Nothwendigkeit der Mediatisirung der kleinern deutschen Staaten, die sich durch eigene Kraft nicht mehr halten könnten. Es solle im §. 1 ausgesprochen werden, daß eine Mediatisirung demnächst stattfinden werde.

Zachariä spricht für den Paragraphen wie der Verfassungsausschuß ihn vorgeschlagen, weil derselbe alle faktischen und rechtlichen Beschaffenheiten des deutschen Reiches erschöpft. In Bezug auf Schleswig ließe sich die rechtliche Aufnahme in's deutsche Reich auch nicht bestimmen, trotz Vorparlament etc.

Bally, (Schlesien), empfiehlt folgende Fassung für den Paragraphen: „das wiederhergestellte deutsche Reich umfaßt das ehemalige Gebiet des deutschen Bundes, nebst denjenigen Landestheilen, welche später in den deutschen Bund aufgenommen worden sind, und demnächst noch aufgenommen werden sollen.“

Reichensperger ist mit dem einverstanden, was Zachariä und Franke zur Begründung der Fassung des Verfassungsausschusses gesagt haben und macht noch einige interessenlose Bemerkungen dazu.

Prof. Hagen (aus Heidelberg): Die Aufgabe, an die wir herangetreten, ist die schwierigste, die wir unternommen. Es handelt sich um die Erschaffung der Einheit, die wir schaffen sollen, ohne die Centralisation zu unserm Prinzip zu machen. Es fragt sich, wie das politisch-einheitliche Element mit dem individuellen in Einklang zu bringen ist. Wenn uns dies gelingt, haben wir ein Werk geschaffen, woran die ganze Geschichte sich anschließen wird, u. s. f. folgt ein vortrefflicher akademischer Vortrag über deutsches Natur- und Staatsrecht (im Centrum ruft einer: „kurz!“) Zum Schluß beweist er, daß die Dynastien nur die Anarchie repräsentiren. (Einzelne Bravo). Die Einheit in Deutschland kann nur mit der Freiheit zu Stande kommen. Dies vorausgeschickt, kann der Redner dem Entwurf des Ausschusses im Allgemeinen seine Zustimmung nicht versagen. Aber Konfliktfälle der Einheit mit den Partikularstaaten werden so lange stattfinden, bis man Deutschland eine andere Eintheilung gegeben habe. Hierzu schlägt er das Schaffrat'sche Amendement vor, welches Deutschland in 21 Kreise theilt. (Bravo!)

Beckerath, (Minister) Bekämpft die Amendements von Claussen und Jacoby. Man möchte sich hüten, in das Verfassungswerk, was vorzüglich den Grund zur Einigung Deutschlands legen soll, nicht jetzt schon allerlei Fremdartiges einzumischen. Das Provisorium Schleswigs ließe sich nicht auf einmal in ein Definitivum verwandeln. Folgt noch einmal eine kurze Rechtfertigung des Beschlusses über den Waffenstillstand. v. Beckerath macht den Paragraphen des Ausschusses den Centren so plausibel, daß über dessen Annahme kein Zweifel mehr ist. (Sehr schwaches Bravo und Zischen).

Esmarch (Schleswig) ist wieder anderer Ansicht als sein Landsmann Franke und muß dessen faktischen Anführungen ganz entschieden widersprechen. (Links: Hört!) Die Rede des Hrn. Franke hat ihn mit Entrüstung erfüllt (Bravo!), er (Esmarch) glaubt, daß Hr. Franke diese Rede mit Rücksicht auf Koppenhagen gehalten (Lautes Bravo links, Präsident verweist es dem Redner, Hrn. Franke solche Vorwürfe zu machen. Links: Dazu hat der Präsident das Recht nicht.) Der Redner ist natürlich für das Amendement von Claussen. (S. oben.) (Bravo links.)

Beseler (auch ein Schleswiger) schließt sich natürlich an seinen lieben Landsmann Franke an, fühlt sich über nichts in dessen Rede entrüstet und ist ganz entgegengesetzter Ansicht als Hr. Esmarch (wiederum sein Landsmann.) (Bravo im Centrum.) Er ist natürlich für den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurf, den er nach einer erbaulichen Rede von einer halben Stunde bestens anempfiehlt.

Man ruft Schluß! und Reden!

Präsident: Es könnte die Diskussion noch lange nicht geschlossen werden

Grävell (spricht unverständlich. Unruhe und spaßhafte Unterbrechungen begleiten seine Rede. Präsident bittet mehrmals um Ruhe, welche nicht eintritt. Man unterscheidet: Laut! Schluß! Bravo! Ruhe! Gelächter etc.

Nach ihm Fiebig aus Posen (unverständlich).

Michelsen (Schleswig) für den Verfassungsentwurf. (Schluß! Schluß!)

Dr. Liebelt gegen den Paragraphen des Verfassungsentwurfs, weil er darin Eingriffe in die Volkssouverainetät erblickt. Man habe sich an das Prinzip der Nationalitäten zu halten bei der Gründung eines einigen Deutschlands. Die Aufnahme der nichtdeutschen Stämme sei abhängig zu machen von dem Willen der Völker.

Jordan aus Berlin: Es ist gar nicht zweifelhaft, daß Claussens' Antrag wegen Schleswig verworfen werden wird, zweifelt aber eben so wenig, daß man dies wieder gegen die Versammlung benutzen wird, als ob dieselbe von Schleswig nichts wissen wolle, was keineswegs des Fall sei. (Bravo im Centrum) Nur schwache Menschen pflegten sich für die Zukunft durch Gelübde zu binden, wie Classen hier mit Schleswig thun wolle. Wir werden Schleswig schon behalten. (Centrum: Sehr gut! Bravo!) In der Posenschen Sache habe man heute etwas durch das Fenster hineinbringen wollen, was man längst zum großen Thor hinausgeworfen. Hr. Jordan greift Hrn. Liebelt an. Der Berliner Literat denuncirt und bringt Libelts Namen einigemal mit der rothen Republik zusammen, erklärt aber auf den Einwurf des Präsidenten, daß er nicht persönlich sein wolle. (Schluß! Schluß!)

Liebelt verlangt das Wort in einer question personelle. Die Versammlung gewährt ihm dasselbe mit zweifelhafter Majorität.

Liebelt: Jordan habe gesagt, die Polen repräsentiren überall die rothe Republik. (Tumult. Nicht wahr.) Da ich selbst ein Pole bin … (Tumult. Wollen hier keine Polen! Deutsche!) Weist die Aeußerung von Hrn. Jordan zurück. (Schluß! Schluß!)

Die Debatte wird geschlossen. Der Berichterstatter Riesser spricht für die Fassung des Ausschusses. Seine Rede ist von Bravo begleitet.

Die Verbesserungsanträge werden zur Unterstützung gebracht.

Es werden unterstützt die von Claussen, Liebelt, Schaffrath, Höffken und Jenny.

Verworfen die von Bally, Hergenhahn, Grävell.

Bei der Abstimmung wird § 1 (Art. I.) des Verfassungsausschusses (s. oben) angenommen. Die Amendements fallen sämmtlich weg.

Man schreitet zu den Ergänzungswahlen.

* Berlin, 19. Okt.

Ein Artikel der „Vossischen Zeitung“ von heute zeigt deutlich, welche Stimmung über die neulichen Reden des Königs in Berlin herrscht. Die Vossische sagt nämlich:

„Was im Augenblicke neben den traurigen Ereignissen des 16. die Gemüther am meisten beschäftigt, das sind die Reden, welche der König am 15. an die Gratulationsdeputationen der Nationalversammlung und der Bürgerwehr gerichtet hat. Wir haben uns der genauern Mittheilungen ihres Inhaltes enthalten, weil wir nicht zweifelten, daß das offizielle Blatt der Regierung einen wortgetreuen Abdruck bringen würde. Dies ist jedoch unterblieben und scheint daraus zu folgen, einerseits, daß eine Aufzeichnung jener Reden gar nicht stattgefunden hat, andererseits, daß die Minister nicht geneigt sind, mit ihrer Verantwortlichkeit für dieselben einzutreten. Hieraus dürfte nun weiter geschlossen werden, daß jenen Reden und ihrem Inhalt eine offizielle Bedeutung nicht beizumessen ist, daß sie vielmehr nur als Aeußerungen der Privatperson des Königs anzusehen sind und für die Beurtheilung unserer staatlichen Zukunft als einflußlos erachtet werden sollen.“

Wenn das Ministerium „nicht geneigt“ war, die „Verantwortlichkeit“ für die königl. Aeußerungen zu übernehmen, so hatte es sofort abzudanken.

Die Aeußerungen des Königs an seinen Leibarzt, Kammerjunker oder Adjutanten können „Privatäußerungen“ sein. Aber die Antwort auf eine offizielle Deputation des preußischen Reichstags! Das ist unmöglich ‒ im konstitutionellen Sinne.

* Berlin, 19. October.

Die Kanalarbeiter veröffentlichten gestern den folgenden Anschlag über die Ereignisse vom 16.

Bewohner Berlins! Alle Berichte, hinsichtlich der Unruhen auf dem Köpnicker Felde, sind nicht ausreichend, um ein richtiges Urtheil fällen zu können. Bewohner Berlins! Hört, hört!! Am Donnerstag den 12. d. M. wurde von sämmtlichen Kanalarbeitern eine Deputation an den Minister für öffentliche Arbeiten, Finanzminister v. Bonin abgeschickt um zu bewirken, daß die Dampfmaschine, welche Tags vorher auf dem Köpnicker Felde abgeladen war, nicht aufgestellt werde; obgleich die Deputation persönlich zum Minister v. Bonin ging, so hatte sie dennoch ihr Gesuch schriftlich aufgesetzt; nachdem v. Bonin die Deputation angehört hatte, erklärte derselbe, man möge schriftlich einkommen; als die Deputation das schriftliche Gesuch vorlegte, erklärte derselbe: „Ich weiß von einer Dampfmaschine am Kanale durchaus nichts und kann einen Befehl, den ich nicht gegeben, auch nicht aufheben; jedoch sind die Arbeiter in ihrem vollen Rechte, wenn sie nicht zugeben, eine Maschine aufstellen zu lassen, welche dahin zielt, Arbeiter brodlos zu machen.“ Minister v. Bonin schrieb persönlich an den Baumeister Hildebrand in Gegenwart der Deputation, worin derselbe dem etc. Hildebrand aufgab, sofort über die Zweckmäßigkeit der Maschine Bericht zu erstatten und vorläufig die Maschine nicht aufstellen zu lassen. Ein Bote vom Ministerium nahm dieses Schreiben an sich, und die Deputation begab sich zu dem etc. Hildebrandt, derselbe war aber nicht zu Hause. Die Deputation begab sich nunmehr nach der Baustelle, um ihn dort aufzusuchen, war jedoch nicht zu finden. Als die Deputation an der Stelle ankam, wo die Maschine abgeladen worden war, hatte dieselbe schon Beschädigungen, aber nur unerhebliche, erlitten, und zwar dadurch, daß der etc. Hildebrand, während die Deputation noch anwesend, auf der Baustelle erklärte: „die Maschine wird aufgestellt!“ Daß der etc. Hildebrand nicht befugt ist, einen solchen absoluten Befehl zu ertheilen, ist wohl einleuchend. Gegen 5 Uhr Nachmittags kamen

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          <p><hi rendition="#g">Schuselka:</hi> Das wird die Zukunft entscheiden. Wir haben im Ausschuß eine Kanonenkugel liegen; der sie geschickt hat, war z. B. ein Feind.</p>
          <p>Der Antrag auf Druck der Depesche Fischer's wird angenommen. Brestl zeigt seinen Austritt aus der Permanenz an, weil er vor Anstrengung schwach (-köpfig) geworden. Smereker an seine Stelle.</p>
          <p><hi rendition="#g">Goldmark</hi> denunzirt den Abgeordneten Pfretschner als solchen, der noch gar nicht im Ausschusse gewesen. Auf den Antrag Zimmers werden Polaczek und Wörz hineingethan.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> will die Disziplinar-Verordnung noch um 2 §§ vermehrt wissen, wodurch ein Kriegsgericht, und bei schweren Strafen eine Appellation bestimmt würde. Darüber neue Debatte, die damit endet, daß heute wieder eine neue Debatte geführt werden solle u. s. w.</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> lies't einen Brief Adolf Schneiders (Postmeister aus Böhmen) vor, worin derselbe als Abgeordneter resignirt, weil er 20,000 Deutsche und 30,000 Czechen zu vertreten habe und bei der ausgebrochenen Kollision (denken Sie an den prager Aufruf der Czechen) nicht mehr zu wirken vermöge. (Unvernehmbares Zischen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> lies't einen am 6. Oktober von mehren Abgeordneten zur Eröffnung der Sitzung an Strobach gesendeten Aufruf vor, und legt ihn auf den Tisch des Hauses. Goldmark vermißt mehrere Unterschriften; alle Frösche schreien, sie seien ebenfalls dabei gewesen, aber vergessen worden. Auf Schuselka's Antrag wird bestimmt, daß von der ganzen Geschichte nichts gedruckt werden soll. (Sie genehmigen also Strobach's Verrath!) Der Minister Krauß, der nach den geschnappten 8 Millionen die Versammlung ignorirt und kaum mehr besucht, ist eingetreten; Pillersdorf, der nun auch das Maul hält, besucht ihn, wird mit Glanz empfangen. Da tritt ein Bauer aus Galizien herzu, überreicht eine Eingabe unter höchst devoten Komplimenten, wird aber ignorirt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Polaczek</hi> versichert, daß in Böhmen die Aufregung ungeheuer sei. (Wird ignorirt.) Ich entfernte mich aus dégòut.</p>
          <p>Neuestes aus dem Reichstage. 12 Uhr. <hi rendition="#g">Schuselka</hi> betritt die Tribüne: Es ist eine Deputation der Frankfurter Linken hier angelangt, bestehend aus 4 Mitgliedern, Fröbel, Blum, Hartmann u. s. w. Sie bringen eine Adresse, aus welcher ich die Worte: Große Verdienste der Reichstags-Majorität (?) und der Wiener Demokraten, (vom Volke nichts) deutsches Wien, Brudervolk, Bewunderung, Fortfahren in Bestrebungen u. s. w. aufschnappe, und daß die Frankfurterin den Antrag ihrer sehr <hi rendition="#g">rechten</hi> Linken auf Erlassung dieser Adresse verworfen. Bei der Schlußphrase: &#x201E;Voranleuchten Wien's in Deutschland&#x201C; erheben Versammlung und Journalisten ein famoses Bravo. &#x2012; Schuselka verlies't dann neue Beistands-Adressen; sie beginnen sämmtlich mit den Worten: &#x201E;Gewitterschwangere Wolken&#x201C;, um mit &#x201E;Anarchie und Reaktion&#x201C; zu enden. Keine geht über den Bourgeoisgeist hinaus. Ein schriftlicher Bericht Löhner's wird verlesen, worin er die Mühen seiner Sendung beschreibt. Die Nordbahn verlangt eine neue Erklärung des Reichstags, daß sie kein Militär befördern solle, da von Böhmen her welches geschickt werden soll. Schuselka will, daß der Reichstag sich auf den frühern Beschluß berufe, das Militär müsse fern bleiben, damit Anarchie fern bleibe. Er kündigt an, daß ein neuer Schritt gethan worden; alles in Spannung. Schuselka: Die Majestät muß abermals durch eine Deputation angegangen werden, wir müssen eine neue Adresse an Sie senden, damit die Anarchie nicht aufkommt. Wir müssen sagen, daß die Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Wien fortdauern, wir müssen verlangen, daß alle Truppen aus Niederöstreich zurückgezogen und die Garnison auf ein Minimum reduzirt werde; daß die Truppen sofort vereidet und die Minister ernannt werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> will mehr als den Eid; er will, daß die Truppen nur auf Requisition der Stadtbehörden hinführe einschreiten, daß in der Stadt, wo der Reichstag sitzt, sich überhaupt kein Militär befinde. (Die Sitzung dauert noch fort.)</p>
          <p>Der Oberkommandant Messenhausen zeigt mittelst Maueranschlag an, daß die ungarische Armee unter dem Befehl der Generale Czanyi und Monza die Gränze überschritten habe und gegen Jellachich im Anmarsch sei, daß es daher zum blutigen Zusammenstoße vor Wien kommen müsse und er das Belvedere darum sehr stark besetzt habe. Lagerkommandant ist Generallieutenant Bem. Das Hauptquartier ist im Belvedere; es ist ein vollständiges Lager dort organisirt. Es sollte mich sehr wundern, wenn die Ordnungsesel im Reichstage die Ungarn nicht heimgehen heißen, Jellachich, wenn er bittet, entschlüpfen lassen und dann einen Krieg gegen das Volk, welches viel Luft bezeigt, die Kerls aufzuhängen, führen. Im Falle des Siegs werden diese Elenden gewiß nicht versäumen, ihn ihrem Geiste und Muthe allein zuzuschreiben.</p>
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          <head>Wien, 17. Octbr.</head>
          <p>Wie uns aus sicherer Quelle zukommt, haben die entwichenen czechischen Deputirten Rieger und Hawlizek eine lange Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz zu Prag gepflogen. &#x2012; Auch der vielbekannte Graf Stadion, der ehemalige Gouverneur von Galizien, hält sich dermalen in Prag auf. &#x2012; Der gewesene Präsident Strobach wurde von dem Deputirten Prato in Anklagestand gesetzt; allein die Verhandlung wurde in Berücksichtigung der ausgesprochenen Amnestie von dem Reichstage fallen gelassen. &#x2012; Der Deputirte Leopold Neumann befindet sich dermalen zu Triest. &#x2012; Der Oberkommandant Messenhauser hat an den Ban Jellachich gestern eine Zuschrift gerichtet; er verlangt eine deutliche Erklärung, was der kroatische Anführer eigentlich beabsichtige und fordert ihn auf, das östreichische Gebiet zu räumen. Die Antwort auf diese Zuschrift enthält die einfache Erklärung, daß sich der Baron Jellachich auf eine so lange Zuschrift in keine längere Erörterung einlassen könne. &#x2012; So eben erhalten wir ein Schreiben aus Prag, welches uns davon benachrichtigt, <hi rendition="#g">daß das Zeughaus daselbst gestürmt werde.</hi> </p>
          <p>Die Zögerung der Ungarn hat hier Bestürzung hervorgebracht; man fing an, an den Magyaren und ihrem gegebenen Versprechen, an dem Fortgang der guten Sache überhaupt zu zweifeln; ja ein großer Theil der Bevölkerung wollte sich, wenn auch nutzlos, in den Tod stürzen, um seine Erbitterung, seinen Grimm loszulassen. Nun ist die Sache noch mehr aufgeklärt, warum die Ungarn säumen. Es war nämlich Zwistigkeit im Heere ausgebrochen, welche die Reorganisirung desselben nothwendig gemacht; dazu war natürlich einige Zeit erforderlich. &#x2012; Ein Courier bringt uns den Bericht über Stand und Lage der ungarischen Armee. Als Bevollmächtigter des ungarischen Reichstags unter dem Titel eines Generalkommissärs befindet sich Cszanyi im Lager, ihm beigegeben ist Pazmandy, der Präsident des Unterhauses. Kommandirender General ist Moga, zu welchem gestern Abend Perzett mit seiner Mannschaft gestoßen ist, so daß die Zahl der Gesammtarmee gegen 65,000 Mann sich beläuft. 10,000 Mann mobiler Garde unter der Führung des ausgezeichneten, besonders beliebten Obristen Ivanka trennt sich von dem Hauptkörper und begibt sich über Preßburg nach Haimburg, um von der Seite den Angriff der Magyaren nachdrücklichst zu unterstützen. 15 Offiziere, unter ihnen Nasvary, der berühmte Redner, sind als verdächtig nach Pesth geschickt und eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden. Die östreichischen Offiziere der Regimenter Ernst und Wasa haben, weil sie die östreichische Gränze nicht überschreiten wollten, quittirt; die Soldaten haben neue Offiziere aus ihrer Mitte gewählt.</p>
          <p>Von Preßburg sind an das hiesige Oberkommando 110 Ctr. Pulver geschickt worden. &#x2012; In der Gegend des Belvedere wird von der kampflustigen Bevölkerung Wiens ein befestigtes Lager bezogen. Generalkommandant ist Generallieutenant Bem, dem von der Legion 5 Adjudanten beigegeben sind. Eine Intendantur und ein Feldlazareth werden in Verbindung mit dem Lager in's Leben treten.</p>
          <p>&#x2012; Die uns zugekommene <hi rendition="#g">Wiener</hi> Nachricht vom <hi rendition="#g">Aufstande in Prag,</hi> auch von der Allgemeinen Oestr. Zeitung mitgetheilt, scheint sich zu bestätigen durch folgende Correspondenz der A. O. Zeitung:</p>
          <p><hi rendition="#g">Görlitz,</hi> 16. Octbr. So eben Nachmittag 4 Uhr, hört man auf allen nahegeliegenden hohen Punkten immerwährenden Kanonendonner. Nach dem Urtheile von Sachverständigen soll dies von Prag herrühren.</p>
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          <head>Ollmütz, 14. Okt.</head>
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          <p>&#x2012; Sitzung der National-Versammlung.</p>
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          <p>Der Ausschuß hat 3 Sitzungen in 26 Stunden gehabt, trotzdem die National-Versammlung den Antrag: &#x201E;in 24 Stunden Berichtnzu erstatten&#x201C; verworfen hat. &#x2012; Die Majorität des Ausschusses (10 Mitglieder, von Beisler, Schubert, etc.) hat die Anträge gestellt: 1) Die vom Reichsministerium bis jetzt gefaßten Beschlüsse gut zu heißen. 2) Dasselbe aufzufordern, weitere Schritte zu thun, um die deutschen Interessen in Oestreich zu wahren. &#x2012; Die Minorität (5 Mitglieder Kirchgessner, Pattay, Venedey etc.) beantragt: 1) Das Ministerium ist aufzufordern, bei den gegenwärtigen Zuständen in Oestreich, alle in Frage gestellten deutschen Interessen in Schutz zu nehmen und mit allen Kräften zu stützen. 2) Alle deutschen Truppen Oestreichs den jetzt daselbst bestehenden Gewalten (Reichstag etc.) zur Verfügung zu stellen. 3) Mit Ausführung dieser Maaßregeln die für Oestreich erwählten Reichskommissäre zu betrauen. &#x2012; Der Bericht wird bis Morgen gedruckt sein. (Bravo!)</p>
          <p>Hierauf interpelliren Franke (Schleswig) und von Reden den Minister des Inneren in der Angelegenheit Schleswigs. &#x2012; Ihre Interpellationen beziehen sich auf die widersprechenden Eingriffe, welche Seitens Dänemark in die Waffenstillstandsbedingungen geschehen. (Jetzt also!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> wird Montag antworten, aber heute schon an den Reichsgesandten in Koppenhagen deshalb schreiben. &#x2012; Nach einer Interpellation von Möllings über die vollkommene Anerkennung der deutschen Centralgewalt von allen deutschen Einzelstaaten liest der Präsident mehrere dringliche Anträge: 1) von Jahn (Gelächter): &#x201E;Das Reichsamt Mähren sei in Gefahr wegen (!!) des Eindringens der Ungarn. Preußen, Sachsen und Thüringen sei zum Schutze von Mähren aufzufordern. (Die Linke (!) unterstützt höhnisch die Dringlichkeit des Antrags, alle andern bleiben lachend sitzen.) 2) Dr, Liebelt beantragt dringlich: &#x201E;Die Posener Frage nochmals zur Berathung zu bringen.&#x201C; (Gelächter. &#x2012; Links: was ist da zu lachen? Gagern: Dies Lachen sei die Wirkung der Reciprocität &#x2012;) Der Antrag wird nicht dringlich erkannt, und soll an den Ausschuß gehen. &#x2012;</p>
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          <p><hi rendition="#g">Dahm</hi> fragt den Präsidenten, warum der Advokat Werner aus Baden, welcher notorisch zum Abgeordneten für die Nationalversammlung erwählt ist, nicht einberufen?</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> lies't die betreffenden Aktenstücke vor, woraus sich schließlich ergibt, daß Werner politischer Flüchtling und steckbrieflich verfolgt ist. Es ist in dieser Angelegenheit heut an die badische Regierung geschrieben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dahm</hi> beantragt: &#x201E;In Erwägung, daß die Wahl des Abgeordneten Werner unbezweifelte Thatsache ist etc., den etc. Werner vorläufig sofort in der Versammlung zuzulassen.&#x201C; &#x2012; Zur Begründung der Dringlichkeit erhält er das Wort <hi rendition="#g">nicht.</hi> </p>
          <p><hi rendition="#g">Wichmann</hi> fragt den internationalen Ausschuß, was aus dem ihm zugewiesenen Berichte wegen Entschädigung der durch den schleswig-holsteinischen Krieg entstandenen Kriegsschäden geworden?</p>
          <p>N. N. vom internationalen Ausschuß, weiß nicht, was damit geschehen. (Gelächter.)</p>
          <p> <hi rendition="#g">Tagesordnung:</hi> </p>
          <p>Berathung über den Verfassungsentwurf: I. Reich. II. Reichsgewalt. &#x2012; Nach Verwerfung eines Antrags von Schreiner &#x201E;die Reichsgewalt vor dem Reich zu berathen&#x201C; geht man zu Abschnitt I. (das Reich) über.</p>
          <p>§. 1. des Entwurfs des Verfassungsausschusses lautet: &#x201E;Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes. Die Verhältnisse des Herzogthums Schleswig und die Grenzbestimmung im Großherzogthum Posen bleiben der definitiven Anordnung vorbehalten.&#x201C;</p>
          <p>Hierzu kommen eine Menge Ammendements, welche vorzüglich in Betreff Schleswigs mit dem Verfassungsentwurf verschiedener Ansicht sind.</p>
          <p>Sie folgen bei der Abstimmung.</p>
          <p>Auf die Diskussion wird nicht verzichtet. Sie beginnt mit </p>
          <p><hi rendition="#g">Claussen,</hi> (Schleswig), welcher mit mehreren beantragt, den §. 1 also lauten zu lassen: &#x201E;das deutsche Reich besteht aus dem Gebiete des deutschen Bundes und dem Herzogthum Schleswig. Die Gränzen des letzteren werden später festgestellt.&#x201C; Schleswig will er schon jetzt zum deutschen Bunde, damit die demnächst zu erlassenden Grundrechte des deutschen Volkes auch für Schleswig in Anwendung kommen. Auch säßen ja die Schleswig'schen Abgeordneten hier. Und durch die Nichtaufnahme in den deutschen Bund würde die Trennung Schleswigs von Holstein ausgesprochen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Franke,</hi> (auch ein Schleswiger), ist entgegengesetzter Ansicht mit seinem Landsmann Claussen. Ist mit dem §. des Ausschusses einverstanden. Ueber Schleswig lasse sich jetzt noch nichts Entschiedenes beschließen. Unter anderem sagt er: (hört! hört!) &#x201E;9/10 der Bewohner von Schleswig seien einverstanden mit dem Beschluß der National-Versammlung über den Waffenstillstand. Das zehnte Zehntel wären die Mitglieder demokratischer Vereine. (Bravo im Centrum.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Jacobi,</hi> (aus Churhessen) hat zum Antrag des Ausschusses ergänzende Anträge gestellt. Er vermißt in der Fassung derselben eine genaue Bestimmung des Umfangs des deutschen Reichs; ferner die namentliche Aufführung der Einzelstaaten. Auch spricht der Redner von der allgemein erkannten Nothwendigkeit der Mediatisirung der kleinern deutschen Staaten, die sich durch eigene Kraft nicht mehr halten könnten. Es solle im §. 1 ausgesprochen werden, daß eine Mediatisirung demnächst stattfinden werde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Zachariä</hi> spricht für den Paragraphen wie der Verfassungsausschuß ihn vorgeschlagen, weil derselbe alle faktischen und rechtlichen Beschaffenheiten des deutschen Reiches erschöpft. In Bezug auf Schleswig ließe sich die rechtliche Aufnahme in's deutsche Reich auch nicht bestimmen, trotz Vorparlament etc.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bally,</hi> (Schlesien), empfiehlt folgende Fassung für den Paragraphen: &#x201E;das wiederhergestellte deutsche Reich umfaßt das ehemalige Gebiet des deutschen Bundes, nebst denjenigen Landestheilen, welche später in den deutschen Bund aufgenommen worden sind, und demnächst noch aufgenommen werden sollen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Reichensperger</hi> ist mit dem einverstanden, was Zachariä und Franke zur Begründung der Fassung des Verfassungsausschusses gesagt haben und macht noch einige interessenlose Bemerkungen dazu.</p>
          <p>Prof. <hi rendition="#g">Hagen</hi> (aus Heidelberg): Die Aufgabe, an die wir herangetreten, ist die schwierigste, die wir unternommen. Es handelt sich um die Erschaffung der Einheit, die wir schaffen sollen, ohne die Centralisation zu unserm Prinzip zu machen. Es fragt sich, wie das politisch-einheitliche Element mit dem individuellen in Einklang zu bringen ist. Wenn uns dies gelingt, haben wir ein Werk geschaffen, woran die ganze Geschichte sich anschließen wird, u. s. f. folgt ein vortrefflicher akademischer Vortrag über deutsches Natur- und Staatsrecht (im Centrum ruft einer: &#x201E;kurz!&#x201C;) Zum Schluß beweist er, daß die Dynastien nur die Anarchie repräsentiren. (Einzelne Bravo). Die Einheit in Deutschland kann nur mit der Freiheit zu Stande kommen. Dies vorausgeschickt, kann der Redner dem Entwurf des Ausschusses im Allgemeinen seine Zustimmung nicht versagen. Aber Konfliktfälle der Einheit mit den Partikularstaaten werden so lange stattfinden, bis man Deutschland eine andere Eintheilung gegeben habe. Hierzu schlägt er das Schaffrat'sche Amendement vor, welches Deutschland in 21 Kreise theilt. (Bravo!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Beckerath,</hi> (Minister) Bekämpft die Amendements von Claussen und Jacoby. Man möchte sich hüten, in das Verfassungswerk, was vorzüglich den Grund zur Einigung Deutschlands legen soll, nicht jetzt schon allerlei Fremdartiges einzumischen. Das Provisorium Schleswigs ließe sich nicht auf einmal in ein Definitivum verwandeln. Folgt noch einmal eine kurze Rechtfertigung des Beschlusses über den Waffenstillstand. v. Beckerath macht den Paragraphen des Ausschusses den Centren so plausibel, daß über dessen Annahme kein Zweifel mehr ist. (Sehr schwaches Bravo und Zischen).</p>
          <p><hi rendition="#g">Esmarch</hi> (Schleswig) ist wieder anderer Ansicht als sein Landsmann Franke und muß dessen faktischen Anführungen ganz entschieden widersprechen. (Links: Hört!) Die Rede des Hrn. Franke hat ihn mit Entrüstung erfüllt (Bravo!), er (Esmarch) glaubt, daß Hr. Franke diese Rede mit Rücksicht auf Koppenhagen gehalten (Lautes Bravo links, Präsident verweist es dem Redner, Hrn. Franke solche Vorwürfe zu machen. Links: Dazu hat der Präsident das Recht nicht.) Der Redner ist natürlich für das Amendement von Claussen. (S. oben.) (Bravo links.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Beseler</hi> (auch ein Schleswiger) schließt sich natürlich an seinen lieben Landsmann Franke an, fühlt sich über nichts in dessen Rede entrüstet und ist ganz entgegengesetzter Ansicht als Hr. Esmarch (wiederum sein Landsmann.) (Bravo im Centrum.) Er ist natürlich für den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurf, den er nach einer erbaulichen Rede von einer halben Stunde bestens anempfiehlt.</p>
          <p>Man ruft Schluß! und Reden!</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Es könnte die Diskussion noch lange nicht geschlossen werden</p>
          <p><hi rendition="#g">Grävell</hi> (spricht unverständlich. Unruhe und spaßhafte Unterbrechungen begleiten seine Rede. Präsident bittet mehrmals um Ruhe, welche nicht eintritt. Man unterscheidet: Laut! Schluß! Bravo! Ruhe! Gelächter etc.</p>
          <p>Nach ihm <hi rendition="#g">Fiebig</hi> aus Posen (unverständlich).</p>
          <p><hi rendition="#g">Michelsen</hi> (Schleswig) für den Verfassungsentwurf. (Schluß! Schluß!)</p>
          <p>Dr. <hi rendition="#g">Liebelt</hi> gegen den Paragraphen des Verfassungsentwurfs, weil er darin Eingriffe in die Volkssouverainetät erblickt. Man habe sich an das Prinzip der Nationalitäten zu halten bei der Gründung eines einigen Deutschlands. Die Aufnahme der nichtdeutschen Stämme sei abhängig zu machen von dem Willen der Völker.</p>
          <p><hi rendition="#g">Jordan</hi> aus Berlin: Es ist gar nicht zweifelhaft, daß Claussens' Antrag wegen Schleswig verworfen werden wird, zweifelt aber eben so wenig, daß man dies wieder gegen die Versammlung benutzen wird, als ob dieselbe von Schleswig nichts wissen wolle, was keineswegs des Fall sei. (Bravo im Centrum) Nur schwache Menschen pflegten sich für die Zukunft durch Gelübde zu binden, wie Classen hier mit Schleswig thun wolle. Wir werden Schleswig schon behalten. (Centrum: Sehr gut! Bravo!) In der Posenschen Sache habe man heute etwas durch das Fenster hineinbringen wollen, was man längst zum großen Thor hinausgeworfen. Hr. Jordan greift Hrn. Liebelt an. Der Berliner Literat denuncirt und bringt Libelts Namen einigemal mit der rothen Republik zusammen, erklärt aber auf den Einwurf des Präsidenten, daß er nicht persönlich sein wolle. (Schluß! Schluß!)</p>
          <p>Liebelt verlangt das Wort in einer question personelle. Die Versammlung gewährt ihm dasselbe mit zweifelhafter Majorität.</p>
          <p><hi rendition="#g">Liebelt:</hi> Jordan habe gesagt, die Polen repräsentiren überall die rothe Republik. (Tumult. Nicht wahr.) Da ich selbst ein Pole bin &#x2026; (Tumult. Wollen hier keine Polen! Deutsche!) Weist die Aeußerung von Hrn. Jordan zurück. (Schluß! Schluß!)</p>
          <p>Die Debatte wird geschlossen. Der Berichterstatter Riesser spricht für die Fassung des Ausschusses. Seine Rede ist von Bravo begleitet.</p>
          <p>Die Verbesserungsanträge werden zur Unterstützung gebracht.</p>
          <p>Es werden unterstützt die von Claussen, Liebelt, Schaffrath, Höffken und Jenny.</p>
          <p>Verworfen die von Bally, Hergenhahn, Grävell.</p>
          <p>Bei der Abstimmung wird § 1 (Art. I.) des Verfassungsausschusses (s. oben) angenommen. Die Amendements fallen sämmtlich weg.</p>
          <p>Man schreitet zu den Ergänzungswahlen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar123-1_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 19. Okt.</head>
          <p>Ein Artikel der &#x201E;<hi rendition="#g">Vossischen Zeitung</hi>&#x201C; von heute zeigt deutlich, welche Stimmung über die neulichen Reden des Königs in Berlin herrscht. Die Vossische sagt nämlich:</p>
          <p>&#x201E;Was im Augenblicke neben den traurigen Ereignissen des 16. die Gemüther am meisten beschäftigt, das sind die Reden, welche der König am 15. an die Gratulationsdeputationen der Nationalversammlung und der Bürgerwehr gerichtet hat. Wir haben uns der genauern Mittheilungen ihres Inhaltes enthalten, weil wir nicht zweifelten, daß das offizielle Blatt der Regierung einen wortgetreuen Abdruck bringen würde. Dies ist jedoch unterblieben und scheint daraus zu folgen, einerseits, daß eine Aufzeichnung jener Reden gar nicht stattgefunden hat, andererseits, <hi rendition="#g">daß die Minister nicht geneigt sind, mit ihrer Verantwortlichkeit für dieselben einzutreten.</hi> Hieraus dürfte nun weiter geschlossen werden, daß jenen Reden und ihrem Inhalt <hi rendition="#g">eine offizielle Bedeutung nicht beizumessen ist,</hi> daß sie vielmehr nur <hi rendition="#g">als Aeußerungen der Privatperson des Königs</hi> anzusehen sind und für die Beurtheilung unserer staatlichen Zukunft als <hi rendition="#g">einflußlos</hi> erachtet werden sollen.&#x201C;</p>
          <p>Wenn das Ministerium &#x201E;<hi rendition="#g">nicht geneigt</hi>&#x201C; war, die &#x201E;<hi rendition="#g">Verantwortlichkeit</hi>&#x201C; für die königl. Aeußerungen zu übernehmen, so hatte es sofort abzudanken.</p>
          <p>Die Aeußerungen des Königs an seinen Leibarzt, Kammerjunker oder Adjutanten können &#x201E;<hi rendition="#g">Privatäußerungen</hi>&#x201C; sein. Aber die Antwort auf eine <hi rendition="#g">offizielle Deputation des preußischen Reichstags!</hi> Das ist unmöglich &#x2012; im konstitutionellen Sinne.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar123-1_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 19. October.</head>
          <p>Die Kanalarbeiter veröffentlichten gestern den folgenden Anschlag über die Ereignisse vom 16.</p>
          <p>Bewohner Berlins! Alle Berichte, hinsichtlich der Unruhen auf dem Köpnicker Felde, sind nicht ausreichend, um ein richtiges Urtheil fällen zu können. Bewohner Berlins! Hört, hört!! Am Donnerstag den 12. d. M. wurde von sämmtlichen Kanalarbeitern eine Deputation an den Minister für öffentliche Arbeiten, Finanzminister v. Bonin abgeschickt um zu bewirken, daß die Dampfmaschine, welche Tags vorher auf dem Köpnicker Felde abgeladen war, nicht aufgestellt werde; obgleich die Deputation persönlich zum Minister v. Bonin ging, so hatte sie dennoch ihr Gesuch schriftlich aufgesetzt; nachdem v. Bonin die Deputation angehört hatte, erklärte derselbe, man möge schriftlich einkommen; als die Deputation das schriftliche Gesuch vorlegte, erklärte derselbe: &#x201E;Ich weiß von einer Dampfmaschine am Kanale durchaus nichts und kann einen Befehl, den ich nicht gegeben, auch nicht aufheben; jedoch sind die Arbeiter in ihrem vollen Rechte, wenn sie nicht zugeben, eine Maschine aufstellen zu lassen, welche dahin zielt, Arbeiter brodlos zu machen.&#x201C; Minister v. Bonin schrieb persönlich an den Baumeister Hildebrand in Gegenwart der Deputation, worin derselbe dem etc. Hildebrand aufgab, sofort über die Zweckmäßigkeit der Maschine Bericht zu erstatten und vorläufig die Maschine nicht aufstellen zu lassen. Ein Bote vom Ministerium nahm dieses Schreiben an sich, und die Deputation begab sich zu dem etc. Hildebrandt, derselbe war aber nicht zu Hause. Die Deputation begab sich nunmehr nach der Baustelle, um ihn dort aufzusuchen, war jedoch nicht zu finden. Als die Deputation an der Stelle ankam, wo die Maschine abgeladen worden war, hatte dieselbe schon Beschädigungen, aber nur unerhebliche, erlitten, und zwar dadurch, daß der etc. Hildebrand, während die Deputation noch anwesend, auf der Baustelle erklärte: &#x201E;die Maschine wird aufgestellt!&#x201C; Daß der etc. Hildebrand nicht befugt ist, einen solchen absoluten Befehl zu ertheilen, ist wohl einleuchend. Gegen 5 Uhr Nachmittags kamen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0618/0002] Schuselka: Das wird die Zukunft entscheiden. Wir haben im Ausschuß eine Kanonenkugel liegen; der sie geschickt hat, war z. B. ein Feind. Der Antrag auf Druck der Depesche Fischer's wird angenommen. Brestl zeigt seinen Austritt aus der Permanenz an, weil er vor Anstrengung schwach (-köpfig) geworden. Smereker an seine Stelle. Goldmark denunzirt den Abgeordneten Pfretschner als solchen, der noch gar nicht im Ausschusse gewesen. Auf den Antrag Zimmers werden Polaczek und Wörz hineingethan. Borrosch will die Disziplinar-Verordnung noch um 2 §§ vermehrt wissen, wodurch ein Kriegsgericht, und bei schweren Strafen eine Appellation bestimmt würde. Darüber neue Debatte, die damit endet, daß heute wieder eine neue Debatte geführt werden solle u. s. w. Präsident lies't einen Brief Adolf Schneiders (Postmeister aus Böhmen) vor, worin derselbe als Abgeordneter resignirt, weil er 20,000 Deutsche und 30,000 Czechen zu vertreten habe und bei der ausgebrochenen Kollision (denken Sie an den prager Aufruf der Czechen) nicht mehr zu wirken vermöge. (Unvernehmbares Zischen.) Präsident lies't einen am 6. Oktober von mehren Abgeordneten zur Eröffnung der Sitzung an Strobach gesendeten Aufruf vor, und legt ihn auf den Tisch des Hauses. Goldmark vermißt mehrere Unterschriften; alle Frösche schreien, sie seien ebenfalls dabei gewesen, aber vergessen worden. Auf Schuselka's Antrag wird bestimmt, daß von der ganzen Geschichte nichts gedruckt werden soll. (Sie genehmigen also Strobach's Verrath!) Der Minister Krauß, der nach den geschnappten 8 Millionen die Versammlung ignorirt und kaum mehr besucht, ist eingetreten; Pillersdorf, der nun auch das Maul hält, besucht ihn, wird mit Glanz empfangen. Da tritt ein Bauer aus Galizien herzu, überreicht eine Eingabe unter höchst devoten Komplimenten, wird aber ignorirt. Polaczek versichert, daß in Böhmen die Aufregung ungeheuer sei. (Wird ignorirt.) Ich entfernte mich aus dégòut. Neuestes aus dem Reichstage. 12 Uhr. Schuselka betritt die Tribüne: Es ist eine Deputation der Frankfurter Linken hier angelangt, bestehend aus 4 Mitgliedern, Fröbel, Blum, Hartmann u. s. w. Sie bringen eine Adresse, aus welcher ich die Worte: Große Verdienste der Reichstags-Majorität (?) und der Wiener Demokraten, (vom Volke nichts) deutsches Wien, Brudervolk, Bewunderung, Fortfahren in Bestrebungen u. s. w. aufschnappe, und daß die Frankfurterin den Antrag ihrer sehr rechten Linken auf Erlassung dieser Adresse verworfen. Bei der Schlußphrase: „Voranleuchten Wien's in Deutschland“ erheben Versammlung und Journalisten ein famoses Bravo. ‒ Schuselka verlies't dann neue Beistands-Adressen; sie beginnen sämmtlich mit den Worten: „Gewitterschwangere Wolken“, um mit „Anarchie und Reaktion“ zu enden. Keine geht über den Bourgeoisgeist hinaus. Ein schriftlicher Bericht Löhner's wird verlesen, worin er die Mühen seiner Sendung beschreibt. Die Nordbahn verlangt eine neue Erklärung des Reichstags, daß sie kein Militär befördern solle, da von Böhmen her welches geschickt werden soll. Schuselka will, daß der Reichstag sich auf den frühern Beschluß berufe, das Militär müsse fern bleiben, damit Anarchie fern bleibe. Er kündigt an, daß ein neuer Schritt gethan worden; alles in Spannung. Schuselka: Die Majestät muß abermals durch eine Deputation angegangen werden, wir müssen eine neue Adresse an Sie senden, damit die Anarchie nicht aufkommt. Wir müssen sagen, daß die Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Wien fortdauern, wir müssen verlangen, daß alle Truppen aus Niederöstreich zurückgezogen und die Garnison auf ein Minimum reduzirt werde; daß die Truppen sofort vereidet und die Minister ernannt werden. Borrosch will mehr als den Eid; er will, daß die Truppen nur auf Requisition der Stadtbehörden hinführe einschreiten, daß in der Stadt, wo der Reichstag sitzt, sich überhaupt kein Militär befinde. (Die Sitzung dauert noch fort.) Der Oberkommandant Messenhausen zeigt mittelst Maueranschlag an, daß die ungarische Armee unter dem Befehl der Generale Czanyi und Monza die Gränze überschritten habe und gegen Jellachich im Anmarsch sei, daß es daher zum blutigen Zusammenstoße vor Wien kommen müsse und er das Belvedere darum sehr stark besetzt habe. Lagerkommandant ist Generallieutenant Bem. Das Hauptquartier ist im Belvedere; es ist ein vollständiges Lager dort organisirt. Es sollte mich sehr wundern, wenn die Ordnungsesel im Reichstage die Ungarn nicht heimgehen heißen, Jellachich, wenn er bittet, entschlüpfen lassen und dann einen Krieg gegen das Volk, welches viel Luft bezeigt, die Kerls aufzuhängen, führen. Im Falle des Siegs werden diese Elenden gewiß nicht versäumen, ihn ihrem Geiste und Muthe allein zuzuschreiben. Wien, 17. Octbr. Wie uns aus sicherer Quelle zukommt, haben die entwichenen czechischen Deputirten Rieger und Hawlizek eine lange Unterredung mit dem Fürsten Windischgrätz zu Prag gepflogen. ‒ Auch der vielbekannte Graf Stadion, der ehemalige Gouverneur von Galizien, hält sich dermalen in Prag auf. ‒ Der gewesene Präsident Strobach wurde von dem Deputirten Prato in Anklagestand gesetzt; allein die Verhandlung wurde in Berücksichtigung der ausgesprochenen Amnestie von dem Reichstage fallen gelassen. ‒ Der Deputirte Leopold Neumann befindet sich dermalen zu Triest. ‒ Der Oberkommandant Messenhauser hat an den Ban Jellachich gestern eine Zuschrift gerichtet; er verlangt eine deutliche Erklärung, was der kroatische Anführer eigentlich beabsichtige und fordert ihn auf, das östreichische Gebiet zu räumen. Die Antwort auf diese Zuschrift enthält die einfache Erklärung, daß sich der Baron Jellachich auf eine so lange Zuschrift in keine längere Erörterung einlassen könne. ‒ So eben erhalten wir ein Schreiben aus Prag, welches uns davon benachrichtigt, daß das Zeughaus daselbst gestürmt werde. Die Zögerung der Ungarn hat hier Bestürzung hervorgebracht; man fing an, an den Magyaren und ihrem gegebenen Versprechen, an dem Fortgang der guten Sache überhaupt zu zweifeln; ja ein großer Theil der Bevölkerung wollte sich, wenn auch nutzlos, in den Tod stürzen, um seine Erbitterung, seinen Grimm loszulassen. Nun ist die Sache noch mehr aufgeklärt, warum die Ungarn säumen. Es war nämlich Zwistigkeit im Heere ausgebrochen, welche die Reorganisirung desselben nothwendig gemacht; dazu war natürlich einige Zeit erforderlich. ‒ Ein Courier bringt uns den Bericht über Stand und Lage der ungarischen Armee. Als Bevollmächtigter des ungarischen Reichstags unter dem Titel eines Generalkommissärs befindet sich Cszanyi im Lager, ihm beigegeben ist Pazmandy, der Präsident des Unterhauses. Kommandirender General ist Moga, zu welchem gestern Abend Perzett mit seiner Mannschaft gestoßen ist, so daß die Zahl der Gesammtarmee gegen 65,000 Mann sich beläuft. 10,000 Mann mobiler Garde unter der Führung des ausgezeichneten, besonders beliebten Obristen Ivanka trennt sich von dem Hauptkörper und begibt sich über Preßburg nach Haimburg, um von der Seite den Angriff der Magyaren nachdrücklichst zu unterstützen. 15 Offiziere, unter ihnen Nasvary, der berühmte Redner, sind als verdächtig nach Pesth geschickt und eine Untersuchung gegen sie eingeleitet worden. Die östreichischen Offiziere der Regimenter Ernst und Wasa haben, weil sie die östreichische Gränze nicht überschreiten wollten, quittirt; die Soldaten haben neue Offiziere aus ihrer Mitte gewählt. Von Preßburg sind an das hiesige Oberkommando 110 Ctr. Pulver geschickt worden. ‒ In der Gegend des Belvedere wird von der kampflustigen Bevölkerung Wiens ein befestigtes Lager bezogen. Generalkommandant ist Generallieutenant Bem, dem von der Legion 5 Adjudanten beigegeben sind. Eine Intendantur und ein Feldlazareth werden in Verbindung mit dem Lager in's Leben treten. ‒ Die uns zugekommene Wiener Nachricht vom Aufstande in Prag, auch von der Allgemeinen Oestr. Zeitung mitgetheilt, scheint sich zu bestätigen durch folgende Correspondenz der A. O. Zeitung: Görlitz, 16. Octbr. So eben Nachmittag 4 Uhr, hört man auf allen nahegeliegenden hohen Punkten immerwährenden Kanonendonner. Nach dem Urtheile von Sachverständigen soll dies von Prag herrühren. Ollmütz, 14. Okt. So eben 4 1/4 Uhr hielt der Kaiser seinen Einzug in der Festung Ollmütz mit ungefähr 2000 Mann Soldaten, die Kanonen und das übrige Militär ließ er vor derselben zurück, da dieselbe ohnehin mit Militär überfüllt ist; ihm zur Seite ritt Fürst Windischgrätz. In seinem Gefolge befanden sich gegen 100 berittene Bauern mit schwarzgelben Kokarden und einer schwarzgelben Fahne, sie waren nach ihrer eigenen Aussage von ihrer Herrschaft (Baron Königsbrunn zu Dub, Domherr in Ollmütz) gezwungen!! worden. Empörend betrugen sich die Kürassiere, die sich in der Umgebung des Kaisers befanden ‒ vor der Stadt sprengten sie auf einen daselbst stehenden Studirenden los, rissen ihm den Säbel vom Leibe, zerbrachen ihn, rissen auch die Buchstaben aus dem Stürmer heraus. In der Stadt ritt ein Kürassier mit gezogenem Säbel unter mehrere daselbst stehende Studenten, und schrie, herunter mit den Federn, herunter ihr Hunde mit den Mützen, er mußte sich aber gleich zurückziehen; das thaten die Soldaten des Kaisers. Wie drückend bis jetzt schon die Militärherrschaft hier war, dazu diene als Beweis: die wenigen Garden und Studenten, die den Wienern zu Hülfe kommen konnten, mußten sich einzeln, ohne Waffen, ohne irgend ein Abzeichen eines Studenten oder Garden zum Thore hinausschleichen, und einzeln in die verschiedenen Waggons setzen, denn Militär hält den Bahnhof stark besetzt und läßt Niemanden Mißliebigen hinausfahren. Täglich fallen beinahe Arretirungen wegen eines freien Wortes vor und man hört die Offiziere reden, in 8 Tagen darf Niemand mehr einen Säbel tragen, und wie soll man sich gegen diese Anmaßungen schützen, da man bei ihren Behörden keine Hülfe bekömmt, und auf jeden waffenfähigen Mann 10 Soldaten und 2 Kanonen im Durchschnitt kommen?! (Grad' aus.) !!! Frankfurt, 19. Oktober 1848. ‒ Sitzung der National-Versammlung. Tagesordnung: Beginn der Berathung über den Verfassungsentwurf und einige Ergänzungswahlen in die Ausschüsse. ‒ In der Kirche ist es bereits so kalt, daß die meisten Vertreter in Paletots da sitzen. Den Berichterstattern erfrieren die Finger vor der Tagesordnung: Schubert im Namen des Ausschusses für die österreichischen Angelegenheiten. Der Ausschuß hat 3 Sitzungen in 26 Stunden gehabt, trotzdem die National-Versammlung den Antrag: „in 24 Stunden Berichtnzu erstatten“ verworfen hat. ‒ Die Majorität des Ausschusses (10 Mitglieder, von Beisler, Schubert, etc.) hat die Anträge gestellt: 1) Die vom Reichsministerium bis jetzt gefaßten Beschlüsse gut zu heißen. 2) Dasselbe aufzufordern, weitere Schritte zu thun, um die deutschen Interessen in Oestreich zu wahren. ‒ Die Minorität (5 Mitglieder Kirchgessner, Pattay, Venedey etc.) beantragt: 1) Das Ministerium ist aufzufordern, bei den gegenwärtigen Zuständen in Oestreich, alle in Frage gestellten deutschen Interessen in Schutz zu nehmen und mit allen Kräften zu stützen. 2) Alle deutschen Truppen Oestreichs den jetzt daselbst bestehenden Gewalten (Reichstag etc.) zur Verfügung zu stellen. 3) Mit Ausführung dieser Maaßregeln die für Oestreich erwählten Reichskommissäre zu betrauen. ‒ Der Bericht wird bis Morgen gedruckt sein. (Bravo!) Hierauf interpelliren Franke (Schleswig) und von Reden den Minister des Inneren in der Angelegenheit Schleswigs. ‒ Ihre Interpellationen beziehen sich auf die widersprechenden Eingriffe, welche Seitens Dänemark in die Waffenstillstandsbedingungen geschehen. (Jetzt also!) Schmerling wird Montag antworten, aber heute schon an den Reichsgesandten in Koppenhagen deshalb schreiben. ‒ Nach einer Interpellation von Möllings über die vollkommene Anerkennung der deutschen Centralgewalt von allen deutschen Einzelstaaten liest der Präsident mehrere dringliche Anträge: 1) von Jahn (Gelächter): „Das Reichsamt Mähren sei in Gefahr wegen (!!) des Eindringens der Ungarn. Preußen, Sachsen und Thüringen sei zum Schutze von Mähren aufzufordern. (Die Linke (!) unterstützt höhnisch die Dringlichkeit des Antrags, alle andern bleiben lachend sitzen.) 2) Dr, Liebelt beantragt dringlich: „Die Posener Frage nochmals zur Berathung zu bringen.“ (Gelächter. ‒ Links: was ist da zu lachen? Gagern: Dies Lachen sei die Wirkung der Reciprocität ‒) Der Antrag wird nicht dringlich erkannt, und soll an den Ausschuß gehen. ‒ Liebelt zieht seinen Antrag zurück, da er nur vor der Beschlußnahme über das Reich (Verfassungsausschuß) Werth hat; protestirt aber im Namen der Majorität der Bewohner des Großherzogthums gegen die Einverleibung. Präsident: Die Protestation sei hier nicht am Ort. Dahm fragt den Präsidenten, warum der Advokat Werner aus Baden, welcher notorisch zum Abgeordneten für die Nationalversammlung erwählt ist, nicht einberufen? Gagern lies't die betreffenden Aktenstücke vor, woraus sich schließlich ergibt, daß Werner politischer Flüchtling und steckbrieflich verfolgt ist. Es ist in dieser Angelegenheit heut an die badische Regierung geschrieben. Dahm beantragt: „In Erwägung, daß die Wahl des Abgeordneten Werner unbezweifelte Thatsache ist etc., den etc. Werner vorläufig sofort in der Versammlung zuzulassen.“ ‒ Zur Begründung der Dringlichkeit erhält er das Wort nicht. Wichmann fragt den internationalen Ausschuß, was aus dem ihm zugewiesenen Berichte wegen Entschädigung der durch den schleswig-holsteinischen Krieg entstandenen Kriegsschäden geworden? N. N. vom internationalen Ausschuß, weiß nicht, was damit geschehen. (Gelächter.) Tagesordnung: Berathung über den Verfassungsentwurf: I. Reich. II. Reichsgewalt. ‒ Nach Verwerfung eines Antrags von Schreiner „die Reichsgewalt vor dem Reich zu berathen“ geht man zu Abschnitt I. (das Reich) über. §. 1. des Entwurfs des Verfassungsausschusses lautet: „Das deutsche Reich besteht aus dem Gebiet des bisherigen deutschen Bundes. Die Verhältnisse des Herzogthums Schleswig und die Grenzbestimmung im Großherzogthum Posen bleiben der definitiven Anordnung vorbehalten.“ Hierzu kommen eine Menge Ammendements, welche vorzüglich in Betreff Schleswigs mit dem Verfassungsentwurf verschiedener Ansicht sind. Sie folgen bei der Abstimmung. Auf die Diskussion wird nicht verzichtet. Sie beginnt mit Claussen, (Schleswig), welcher mit mehreren beantragt, den §. 1 also lauten zu lassen: „das deutsche Reich besteht aus dem Gebiete des deutschen Bundes und dem Herzogthum Schleswig. Die Gränzen des letzteren werden später festgestellt.“ Schleswig will er schon jetzt zum deutschen Bunde, damit die demnächst zu erlassenden Grundrechte des deutschen Volkes auch für Schleswig in Anwendung kommen. Auch säßen ja die Schleswig'schen Abgeordneten hier. Und durch die Nichtaufnahme in den deutschen Bund würde die Trennung Schleswigs von Holstein ausgesprochen. Franke, (auch ein Schleswiger), ist entgegengesetzter Ansicht mit seinem Landsmann Claussen. Ist mit dem §. des Ausschusses einverstanden. Ueber Schleswig lasse sich jetzt noch nichts Entschiedenes beschließen. Unter anderem sagt er: (hört! hört!) „9/10 der Bewohner von Schleswig seien einverstanden mit dem Beschluß der National-Versammlung über den Waffenstillstand. Das zehnte Zehntel wären die Mitglieder demokratischer Vereine. (Bravo im Centrum.) Jacobi, (aus Churhessen) hat zum Antrag des Ausschusses ergänzende Anträge gestellt. Er vermißt in der Fassung derselben eine genaue Bestimmung des Umfangs des deutschen Reichs; ferner die namentliche Aufführung der Einzelstaaten. Auch spricht der Redner von der allgemein erkannten Nothwendigkeit der Mediatisirung der kleinern deutschen Staaten, die sich durch eigene Kraft nicht mehr halten könnten. Es solle im §. 1 ausgesprochen werden, daß eine Mediatisirung demnächst stattfinden werde. Zachariä spricht für den Paragraphen wie der Verfassungsausschuß ihn vorgeschlagen, weil derselbe alle faktischen und rechtlichen Beschaffenheiten des deutschen Reiches erschöpft. In Bezug auf Schleswig ließe sich die rechtliche Aufnahme in's deutsche Reich auch nicht bestimmen, trotz Vorparlament etc. Bally, (Schlesien), empfiehlt folgende Fassung für den Paragraphen: „das wiederhergestellte deutsche Reich umfaßt das ehemalige Gebiet des deutschen Bundes, nebst denjenigen Landestheilen, welche später in den deutschen Bund aufgenommen worden sind, und demnächst noch aufgenommen werden sollen.“ Reichensperger ist mit dem einverstanden, was Zachariä und Franke zur Begründung der Fassung des Verfassungsausschusses gesagt haben und macht noch einige interessenlose Bemerkungen dazu. Prof. Hagen (aus Heidelberg): Die Aufgabe, an die wir herangetreten, ist die schwierigste, die wir unternommen. Es handelt sich um die Erschaffung der Einheit, die wir schaffen sollen, ohne die Centralisation zu unserm Prinzip zu machen. Es fragt sich, wie das politisch-einheitliche Element mit dem individuellen in Einklang zu bringen ist. Wenn uns dies gelingt, haben wir ein Werk geschaffen, woran die ganze Geschichte sich anschließen wird, u. s. f. folgt ein vortrefflicher akademischer Vortrag über deutsches Natur- und Staatsrecht (im Centrum ruft einer: „kurz!“) Zum Schluß beweist er, daß die Dynastien nur die Anarchie repräsentiren. (Einzelne Bravo). Die Einheit in Deutschland kann nur mit der Freiheit zu Stande kommen. Dies vorausgeschickt, kann der Redner dem Entwurf des Ausschusses im Allgemeinen seine Zustimmung nicht versagen. Aber Konfliktfälle der Einheit mit den Partikularstaaten werden so lange stattfinden, bis man Deutschland eine andere Eintheilung gegeben habe. Hierzu schlägt er das Schaffrat'sche Amendement vor, welches Deutschland in 21 Kreise theilt. (Bravo!) Beckerath, (Minister) Bekämpft die Amendements von Claussen und Jacoby. Man möchte sich hüten, in das Verfassungswerk, was vorzüglich den Grund zur Einigung Deutschlands legen soll, nicht jetzt schon allerlei Fremdartiges einzumischen. Das Provisorium Schleswigs ließe sich nicht auf einmal in ein Definitivum verwandeln. Folgt noch einmal eine kurze Rechtfertigung des Beschlusses über den Waffenstillstand. v. Beckerath macht den Paragraphen des Ausschusses den Centren so plausibel, daß über dessen Annahme kein Zweifel mehr ist. (Sehr schwaches Bravo und Zischen). Esmarch (Schleswig) ist wieder anderer Ansicht als sein Landsmann Franke und muß dessen faktischen Anführungen ganz entschieden widersprechen. (Links: Hört!) Die Rede des Hrn. Franke hat ihn mit Entrüstung erfüllt (Bravo!), er (Esmarch) glaubt, daß Hr. Franke diese Rede mit Rücksicht auf Koppenhagen gehalten (Lautes Bravo links, Präsident verweist es dem Redner, Hrn. Franke solche Vorwürfe zu machen. Links: Dazu hat der Präsident das Recht nicht.) Der Redner ist natürlich für das Amendement von Claussen. (S. oben.) (Bravo links.) Beseler (auch ein Schleswiger) schließt sich natürlich an seinen lieben Landsmann Franke an, fühlt sich über nichts in dessen Rede entrüstet und ist ganz entgegengesetzter Ansicht als Hr. Esmarch (wiederum sein Landsmann.) (Bravo im Centrum.) Er ist natürlich für den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurf, den er nach einer erbaulichen Rede von einer halben Stunde bestens anempfiehlt. Man ruft Schluß! und Reden! Präsident: Es könnte die Diskussion noch lange nicht geschlossen werden Grävell (spricht unverständlich. Unruhe und spaßhafte Unterbrechungen begleiten seine Rede. Präsident bittet mehrmals um Ruhe, welche nicht eintritt. Man unterscheidet: Laut! Schluß! Bravo! Ruhe! Gelächter etc. Nach ihm Fiebig aus Posen (unverständlich). Michelsen (Schleswig) für den Verfassungsentwurf. (Schluß! Schluß!) Dr. Liebelt gegen den Paragraphen des Verfassungsentwurfs, weil er darin Eingriffe in die Volkssouverainetät erblickt. Man habe sich an das Prinzip der Nationalitäten zu halten bei der Gründung eines einigen Deutschlands. Die Aufnahme der nichtdeutschen Stämme sei abhängig zu machen von dem Willen der Völker. Jordan aus Berlin: Es ist gar nicht zweifelhaft, daß Claussens' Antrag wegen Schleswig verworfen werden wird, zweifelt aber eben so wenig, daß man dies wieder gegen die Versammlung benutzen wird, als ob dieselbe von Schleswig nichts wissen wolle, was keineswegs des Fall sei. (Bravo im Centrum) Nur schwache Menschen pflegten sich für die Zukunft durch Gelübde zu binden, wie Classen hier mit Schleswig thun wolle. Wir werden Schleswig schon behalten. (Centrum: Sehr gut! Bravo!) In der Posenschen Sache habe man heute etwas durch das Fenster hineinbringen wollen, was man längst zum großen Thor hinausgeworfen. Hr. Jordan greift Hrn. Liebelt an. Der Berliner Literat denuncirt und bringt Libelts Namen einigemal mit der rothen Republik zusammen, erklärt aber auf den Einwurf des Präsidenten, daß er nicht persönlich sein wolle. (Schluß! Schluß!) Liebelt verlangt das Wort in einer question personelle. Die Versammlung gewährt ihm dasselbe mit zweifelhafter Majorität. Liebelt: Jordan habe gesagt, die Polen repräsentiren überall die rothe Republik. (Tumult. Nicht wahr.) Da ich selbst ein Pole bin … (Tumult. Wollen hier keine Polen! Deutsche!) Weist die Aeußerung von Hrn. Jordan zurück. (Schluß! Schluß!) Die Debatte wird geschlossen. Der Berichterstatter Riesser spricht für die Fassung des Ausschusses. Seine Rede ist von Bravo begleitet. Die Verbesserungsanträge werden zur Unterstützung gebracht. Es werden unterstützt die von Claussen, Liebelt, Schaffrath, Höffken und Jenny. Verworfen die von Bally, Hergenhahn, Grävell. Bei der Abstimmung wird § 1 (Art. I.) des Verfassungsausschusses (s. oben) angenommen. Die Amendements fallen sämmtlich weg. Man schreitet zu den Ergänzungswahlen. * Berlin, 19. Okt. Ein Artikel der „Vossischen Zeitung“ von heute zeigt deutlich, welche Stimmung über die neulichen Reden des Königs in Berlin herrscht. Die Vossische sagt nämlich: „Was im Augenblicke neben den traurigen Ereignissen des 16. die Gemüther am meisten beschäftigt, das sind die Reden, welche der König am 15. an die Gratulationsdeputationen der Nationalversammlung und der Bürgerwehr gerichtet hat. Wir haben uns der genauern Mittheilungen ihres Inhaltes enthalten, weil wir nicht zweifelten, daß das offizielle Blatt der Regierung einen wortgetreuen Abdruck bringen würde. Dies ist jedoch unterblieben und scheint daraus zu folgen, einerseits, daß eine Aufzeichnung jener Reden gar nicht stattgefunden hat, andererseits, daß die Minister nicht geneigt sind, mit ihrer Verantwortlichkeit für dieselben einzutreten. Hieraus dürfte nun weiter geschlossen werden, daß jenen Reden und ihrem Inhalt eine offizielle Bedeutung nicht beizumessen ist, daß sie vielmehr nur als Aeußerungen der Privatperson des Königs anzusehen sind und für die Beurtheilung unserer staatlichen Zukunft als einflußlos erachtet werden sollen.“ Wenn das Ministerium „nicht geneigt“ war, die „Verantwortlichkeit“ für die königl. Aeußerungen zu übernehmen, so hatte es sofort abzudanken. Die Aeußerungen des Königs an seinen Leibarzt, Kammerjunker oder Adjutanten können „Privatäußerungen“ sein. Aber die Antwort auf eine offizielle Deputation des preußischen Reichstags! Das ist unmöglich ‒ im konstitutionellen Sinne. * Berlin, 19. October. Die Kanalarbeiter veröffentlichten gestern den folgenden Anschlag über die Ereignisse vom 16. Bewohner Berlins! Alle Berichte, hinsichtlich der Unruhen auf dem Köpnicker Felde, sind nicht ausreichend, um ein richtiges Urtheil fällen zu können. Bewohner Berlins! Hört, hört!! Am Donnerstag den 12. d. M. wurde von sämmtlichen Kanalarbeitern eine Deputation an den Minister für öffentliche Arbeiten, Finanzminister v. Bonin abgeschickt um zu bewirken, daß die Dampfmaschine, welche Tags vorher auf dem Köpnicker Felde abgeladen war, nicht aufgestellt werde; obgleich die Deputation persönlich zum Minister v. Bonin ging, so hatte sie dennoch ihr Gesuch schriftlich aufgesetzt; nachdem v. Bonin die Deputation angehört hatte, erklärte derselbe, man möge schriftlich einkommen; als die Deputation das schriftliche Gesuch vorlegte, erklärte derselbe: „Ich weiß von einer Dampfmaschine am Kanale durchaus nichts und kann einen Befehl, den ich nicht gegeben, auch nicht aufheben; jedoch sind die Arbeiter in ihrem vollen Rechte, wenn sie nicht zugeben, eine Maschine aufstellen zu lassen, welche dahin zielt, Arbeiter brodlos zu machen.“ Minister v. Bonin schrieb persönlich an den Baumeister Hildebrand in Gegenwart der Deputation, worin derselbe dem etc. Hildebrand aufgab, sofort über die Zweckmäßigkeit der Maschine Bericht zu erstatten und vorläufig die Maschine nicht aufstellen zu lassen. Ein Bote vom Ministerium nahm dieses Schreiben an sich, und die Deputation begab sich zu dem etc. Hildebrandt, derselbe war aber nicht zu Hause. Die Deputation begab sich nunmehr nach der Baustelle, um ihn dort aufzusuchen, war jedoch nicht zu finden. Als die Deputation an der Stelle ankam, wo die Maschine abgeladen worden war, hatte dieselbe schon Beschädigungen, aber nur unerhebliche, erlitten, und zwar dadurch, daß der etc. Hildebrand, während die Deputation noch anwesend, auf der Baustelle erklärte: „die Maschine wird aufgestellt!“ Daß der etc. Hildebrand nicht befugt ist, einen solchen absoluten Befehl zu ertheilen, ist wohl einleuchend. Gegen 5 Uhr Nachmittags kamen

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848, S. 0618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz123i_1848/2>, abgerufen am 29.03.2024.