Neue Rheinische Zeitung. Nr. 123. Köln, 22. Oktober 1848. Zweite Ausgabe.Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln. In seiner Rede vom 16. Oktober (Stenographischer Bericht p. 2651) richtet der Biedermann Bassermann folgende Apostrophe an die Nationalversammlung zu Frankfurt: "Es ist eine Thatsache, daß die Banden, welche zu Worringen Hurrah schrieen diesen Mördern (Lichnowsky's und Auerswald's), daß diese Banden Niemand anders zur Herrschaft bringen wollten, als die linke Seite dieses Hauses. In derselben Volksversammlung, wo man den Mördern ein Hurrah rief, rief man ein Hoch der linken Seite dieses Hauses. Das ist eine Thatsache, meine Herren. Diese ist nicht zu leugnen." Brutus Bassermann sagt's und Brutus Wassermann ist ein "ehrenwerther Mann" und Brutus Bassermann ist nebendem gefeit gegen jede Kritik durch sein Votum über die Maßregeln zum Schutze der Nationalversammlung. "Das ist eine Thatsache, meine Herren, diese ist nicht zu leugnen." Es wird Herrn Bassermann bekannt sein, daß man sich in jüngster Zeit nicht gescheut hat, den Evangelisten selbst schriftstellerische Wunder nachzuweisen, Wunderthaten gegen die Geographie, gegen die Chronologie und was dergleichen profane Kleinigkeiten mehr sind. Wir hoffen, die Sicherheitsmaßregeln, die Herr Bassermann zu seinem eigenen Schutze votirt hat, stellen ihn nicht über die Evangelisten. Kommen wir zur Evangelienkritik. "Das ist eine Thatsache, meine Herren, diese ist nicht zu leugnen." Der Evangelist behauptet also, daß die Banden in der Volksversammlung zu Worringen, die am achtzehnten, schreibe achtzehnten September stattgefundene Ermordung Lichnowsky's und Auerwald's leben ließen und gleichzeitig die Linke zu Frankfurt. Die Versammlung zu Worringen fand am siebenzehnten September Statt, die Ermordung Auerswald's und Lichnowsky's aber erst am achtzehnten September. "Das ist eine Thatsache," Herr Bassermann, "diese ist nicht zu leugnen." Ein Wunder, bei Gott ein Wunder! Der "ehrenwerthe" Bassermann läßt am siebenzehnten September 1848 zu Worringen eine "Ermordung" feiern, die sich erst am achtzehnten September 1848 zu Frankfurt zugetragen hat. Der "ehrenwerthe" Bassermann schuldet den Worringer "Banden" eine Aufklärung. Die Bassermann'sche Versammlung zu Worringen hat also, profan zu reden, niemals stattgefunden. Und die "Hochs," die auf derselben ausgebracht wurden, sind, profan zu reden, eine akustische Täuschung Bassermann's. Und profan zu reden, hat Bassermann, was man im gewöhnlichen Leben eine Lüge nennt, debitirt und zwar eine abscheuliche Lüge, eine Lüge unter erschwerenden Umständen, eine Lüge, welche die linke Seite der moralischen Mitschuld an der Frankfurter "Ermordung" bezüchtigen sollte. Im höheren geistlichen Sinne, im verborgenen Sinne aber befindet sich der Evangelist Bassermann mitten in der Wahrheit und mit Recht predigt er in sittlich entrüstetem salbungstriefendem Kanzeltone der linken Seite zu: "Und nun muß ich gestehen, daß, wenn ich, ein politischer Mann, stehend auf der Stelle, wohin ich berufen bin, um das Vaterland zu retten aus der Gefahr, in der es schwebt, sähe, daß Rohheit und Mordlust mich zur Herrschaft bringen wollen, wenn ich auf solcher Seite Sympathieen fände, [unleserliches Material] wahrlich ich würde mich bergen in den entferntesten Winkel des Vaterlandes, und würde mit mir zu Rathe gehen, ob ich auf dem rechten Wege sei, und ich glaube, ich würde zur Erkenntniß kommen, daß ich nicht auf dem rechten Wege sein könne, (wenn ich mich links halte), denn der rechte Weg kann nur der sein, auf dem ich die Sympathieen erndte von sittlicher, von patriotischer und vaterländischer ("patriotisch!" und "vaterländisch." Angenehme Variation!) Gesinnung: denn was ist die Freiheit Anderes, was wollen wir Anderes für unser Vaterland erringen, als den Zustand, wo die Besten, die Edelsten herrschen." Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß der ehrenwerthe Hr. Bassermann ein "politischer Mann" ist. Wir halten ihn ganz dazu berufen, "das Vaterland zu retten." Ein Mann, der den 27. September 1848 auf den 28. September 1848 folgen lassen kann, was kein Gott vermag, ein solcher Mann ist der Mann, wahrhaft auserwählt und "berufen," das "Vaterland zu retten." Deutschland hat gefunden den Retter, den großen Mann, den Bassermann. Und es wird seiner Definition der "Freiheit" zujauchzen, daß sie nichts anderes ist, als die "Herrschaft" der Edelsten, der Besten, der Biedermänner, der Bassermänner. Vor allem aber wird es an das große Wort des badischen Deputirten glauben: "Was wollen wir anders für unser Vaterland, als den Zustand, wo die Edelsten, die Besten (euphemistische Umschreibung für Bassermann und seine Kollegen) herrschen." Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Deutschland nach der Dynastie Bassermann. Hoch klingt das Lied vom braven Mann, vom Bassermann. Pauken und Trompeten huld'gen seiner jungen Herrlichkeit. X Dortmund, 21. Oktober. Der "berühmte Volks-General Böhm von dem in Nro. 121 Ihres sehr geschätzten Blattes gesprochen wird, heißt Bem und ist ein Pole. Mag sein daß er deutscher Abkunft ist. Bem war vor dem Unabhängigkeitskriege von 1831 Artilleriehauptmann. Im Kriege avancirte er schnell zum Oberst und zum General. Der Glanzpunkt seines militärischen Wirkens war die Schlacht bei Ostrolenka. Vor dieser Schlacht handelte es sich darum, die polnische Armee unter Skrzinecki (sp. Skschinezki) auf dem rechten Narewufer in der guten Position bei Ostrolenka zu vereinigen und den Russen die Schlacht anzubieten. Durch eine schnelle Flankenbewegung des General Diebitsch war eine polnische Division ins Gedränge gekommen und hatte Mühe die Brücke von Ostrolenka zu passiren. Noch war das berühmte 4te Regiment und ein anderes, dessen Nummer meinem Gedächtniß entfallen ist auf dem linken Ufer. Die russische Uebermacht drängte, und eine der besten Brigaden der polnischen Armee war in Gefahr abgeschnitten und aufgerieben zu werden. Da rück Oberst Bem mit der ganzen polnischen reitenden Artillerie von 12 Geschützen im Galop gegen die russischen Kolonnen vor und eröffnet auf 400 Schritt ein mörderisches Kartätschenfeuer. Bem verließ nicht eher seine kühne Stellung als bis die polnischen Bataillone die Brücke passirt hatten. Dieses ebenso kühne als wohlberechnete Manöver begründete Bem's Ruf als Artilleristen und Taktiker. - Bem ist entschiedener Demokrat und ein Mann von Charakter. Sie wissen, daß es unter den Polen zwei Parteien giebt, die demokratische und aristokratische. Diese Parteien findet man überall wo es ein selbst eignes politisches Leben giebt, und die eine oder andere Partei nicht schon einen vollständigen Sieg errungen hätte. Auch ist dieser innere Parteizwist nicht das eigentliche Unglück Polens, sondern die Verräther sind es, welche das Land an Rußland verkaufen. Die guten Deutschen, welche früher unter dem Joch des Absolutismus ihre Einigkeit zu rühmen und mit einer gewissen komischen Selbstgenügsamkeit auf die Parteikämpfe in Frankreich, England, der Schweiz, Spanien u. s. w. herabpublicken pflegten, machen jetzt auch die Erfahrung - wenn auch etwas sehr spät - daß da wo freies politisches Leben sich regt, Parteikampf unvermeidlich ist. 103 Berlin, 19. Okt. Wir haben zur morgenden Sitzung von unserer liebenswürdigen rechten Seite einen dringenden Antrag, den Schutz der Versammlung betreffend, zu erwarten. Die hohen Vereinbarer möchten sich gerne, wie ihre Frankfurter Genossen, mit einer Truppenmacht umgeben und unter dem Schutze der Kanonen und Kartätschen berathen. Konstabler, die der Minister des Innern mit Freuden anbot, scheinen nach den Worten des Abg. Rehfeld, dieses tapfern Helden, noch nicht einmal zu genügen. Nach den Aeußerungen der Centren, durch ihre Organe: Uhlich und Kirchmann, läßt sich aber erwarten, daß die Rechte mit ihrem Antrage morgen wieder glänzend durchfallen wird. Sie muß sich schon an diese Drohungen gewöhnen. Außer diesem Antrage sind zu morgen oder übermorgen schon mehrere dringende Interpellationen und Anträge angemeldet. Unsere Opposition sorgt schon dafür, daß das Ministerium immer in Thätigkeit gehalten wird. Abg. Pauckert will das Ministerium wegen der von den Kreisständen des Zauch-Belziger Kreises ausgeschriebenen Steuer interpelliren; nach dem Beschlusse der Versammlung haben die Kreisstände die Befugnisse nicht mehr. Die Abgeordneten Feierabend und Richter wollen wegen der Verpachtung der Domänen in den östlichen Provinzen interpelliren; Abgeordneter Gladbach gleichfalls, in Betreff einer Verfügung der königlichen Regierung zu Arnsberg, wegen der jüdischen Lehrer und Geistlichen, welche kein dem evangelischen Geistlichen ähnliches Ornat tragen sollen. Bemerkenswerth ist der vom Abg. Krause (Sagan) eingereichte Gesetzentwurf einer Einkommensteuer. Er schlägt eine progressive Einkommensteuer vor und zwar von 1/2 pCt. den niedrigsten Satz für die Arbeiter bis zu 20 pCt. bei einem Einkommen von 10,000 Thlr. und darüber jährlich. Das feierliche Leichenbegängniß der am Montag Gefallenen wird morgen stattfinden. Ein Comite, aus Mitgliedern der Linken und Klubpräsidenten bestehend, wird die Feierlichkeit anordnen. Alle Mitglieder der Linken, alle Klubs, alle Gewerke, die Maschinenarbeiter, die ganze Bürgerwehr und die fliegende Korps werden Theil nehmen. Auch Magistrat und Stadtverordneten werden folgen; zwar wollten sie den gefallenen Arbeitern diese Ehre nicht erweisen. Da aber die Gattin des gebliebenen Bürgerwehrmanns Schneider sich dahin entschlossen hat, ihren Gatten mit den Arbeitern zusammen beerdigen zu lassen, und der Magistrat beschlessen hat, dessen Leichenzuge zu folgen, so werden sie genöthigt sein, sich dem großen Leichenzuge anzuschließen. Die demokratischen Klubs haben nun beschlossen, aus ihrer Mitte einen gemeinschaftlichen Sicherheitsausschuß zu wählen. Das Volk soll einen Mittelpunkt haben, wohin es sich in den Tagen der Gefahr wenden kann. Ein Konstabler wurde gestern am hellen Tage auf seinem Posten von Arbeitern, welche ihm in Folge einer Denunciation und spätern Gefangennehmung eines Kameraden Rache schwuren, erschossen. Man fand diesen Sohn des Ministeriums der That leblos auf der Straße liegen. Die Thäter sind bis jetzt unbekannt geblieben. Die Schutzmänner sind als eine angenehme Erbschaft auch vom neuen Ministerium acceptirt worden. 103 Berlin, 19. Octbr. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Der Abg. Meusebach verlangt das Wort und macht die Mitheilung von dem, was ihm und seinen Freunden gestern beim Ausgange aus dem Saale begegnet. Ein Theil des Volkes hatte ein Spalier gebildet, wo alle Abgeordneten durchgehen mußten. Der Volkswitz habe dies "Spießruthenlaufen" genannt. Beim Durchgehen durch dieses Spalier seien mehrere Drohungen ausgestoßen worden und Stricke gezeigt, mit dem Ausruf: "die sind für die Rechte bestimmt!" Der Redner ergehet sich in langen Redensarten über diese Vorfälle, erinnert an ähnliche Scenen, die früher vorgefallen wären und erinnert, daß wenn das Volk einmal in Wuth sei, es sich auch an Mitgliedern der Linken vergreifen könnte. Er sei überzeugt, daß es gestern kein Ernst mit diesen Drohungen gewesen sei, aber er muß doch darauf bestehen, daß das Ministerium etwas zum Schutze der Versammlung thue. Abg. Rehfeld erzählt, daß er bei einem neulichen Drängen am Ausgange, einen Constabler aufforderte, Platz zu machen, derselbe habe geantwortet: "Ja, wenn Sie wahrhaft Volksvertreter wären, Sie sind aber Volksverräther!" - Es wird uns aber am Ende nichts mehr übrig bleiben, als daß wir uns zu unserm persönlichen Schutz bewaffnet hier einfinden. (Großes Gelächter zur Linken. Lachen Sie nicht darüber, zur Rechten.) Abg. Uhlich spricht sehr freundlich von dem Berliner Volke. Obgleich er, wie bekannt, kein Günstling desselben sei, habe man ihm doch stets nach einigen freundlichen Worten Platz gemacht. Wenn man nicht jedem Abgeordneten eine Sauvegarde bis in sein Haus gäbe, würde doch nichts helfen. Minister des Innern: Sie können wohl denken, daß dem Ministerium diese Vorwürfe sehr empfindlich sind, es gibt aber kein anderes Mittel, als ein großes Corps Schutzmänner vor dem Sitzungssaale aufzustellen. Vor einiger Zeit, als wir den Versuch dazu machten, dies zu thun, erhob sich großer Widerspruch dagegen. Ich weiß aber kein anderes Mittel, als die Aufstellung der Schutzmänner. Abg. Temme muß an die vielen Drohbriefe, die er und seine Freunde täglich erhalten, erinnern, und daß sogar dem Abg. Lipski am Abend des 15. eine Kugel durch das Fenster auf seinen Lehnstuhl flog. Aber nie ist es mir und meinen Freunden eingefallen, diese Drohungen und Anfälle zur Sprache zu bringen. Wenn darüber geklagt wird, daß die Versammlung nicht frei berathen könne, so erinnere er an den Armeebefehl Wrangels, der mit seinen 50,000 Mann Berlin cernirt habe. Dieses bedrohe die freie Berathung in höherem Maaße als alles Andere. Nachdem noch einige Mitglieder der Rechten, die ihnen gemachten Drohungen mitgetheilt, wird diese unerquickliche Debatte geschlossen. Man geht zur Tagesordnung über: die Fortsetzung der Berathung über den ersten Titel des Entwurfs der Verfassungs-Urkunde. Abg. Lüdicke als Berichterstatter vertheidigt den Kommissions-Entwurf des §. 1 , daß Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigem Umfange, das preußische Staatsgebiet bilden. Man müsse wohl anerkennen, daß den Einwohnern des Großherzogthums Posen polnischer Abkunft die wiederholt verheißene Reorganisation Seitens des Staats gewährt werden müsse, unbedenklich auch werde gewährt werden, daß aber jedenfalls an dieser Stelle, wo es sich lediglich vom Staatsgebiete handele, eine solche Erwähnung ungehörig erscheine, zumal auch jene Bewohner des Großherzogthums Posen den Wunsch, an der dem ganzen preußischen Staate zu gebenden Verfassung Theil zu nehmen, durch die Wahl und Entsendung der Abgeordneten zur gegenwärtigen Versammlung in Gemäßheit des Wahlgesetzes vom 8. April unzweideutig an den Tag gelegt hätten. Man war deßhalb der Meinung, daß der gewünschte Zusatz des §. 1. nicht passend, der späteren Erwägung aber anheimzugeben sei, ob an einer ander Stelle, etwa bei Art. 102, ein derartiger Vorbehalt zweckmäßig einzuschalten sein möchte. Abg. Philipps: Denjenigen, die außerhalb des Großherzogthums Posen leben, die diese Sache nur objectiv auffassen, können nur nach einer grüundlichen Beurtheilung aller diesen Gegenstand betreffende Urkunden und Traktate sich darüber auslassen. Deshalb wäre es wünschenswerth gewesen, wir hätten zuvor die Berichte der zur Regulirung der Angelegenheit des Großherzogthums Posen niedergesetzte Kommission angehört. Da dies aber nun nicht so ist, so müssen wir uns schon heute auf eine nähere Diskussion einlassen. - Er läßt sich alsdann darüber aus, daß die nichtdeutschen Volksstämme in Deutschland und in Preußen sich der Majorität unterordnen müssen, wenn man nur ihre Nationalitäten achte. Hier fragt sich aber nur, ob dem Großherzogthum Posen besondere Rechte zuzuertheilen seien, ob es eine besondere Konstitution erhalten müsse. - Er untersucht hierauf die Urkunden von 1815 und meint, daß der Aufruf vom 15. Mai 1850, nicht nur an die Polen, sondern an die Bewohner im Allgemeinen erlassen sei. Die deutsche Bevölkerung schreibe sich schon von frühern Jahrhunderten her und demnach müsse der Aufruf doch an beide Nationalitäten gerichtet gewesen sein. - Er hält es für eine ganz indifferente Frage, ob man von einer Personal- oder Staats-Union in Hinsicht des Großherzogthums sich entscheide. Hieraus zieht der Redner das Resultat, daß dem Großherzogthum zwar keine besondere Verfassung, aber doch besondere Rechte garantirt worden seien. Diese müssen heilig gehalten werden, und demnach ist er auch gegen die Demarkationslinie. Er stellt folgendes Amendement: "Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem preußischen Staate eingeräumten besondern Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen." Abg. Arntz: Der Artikel 1 der Verfassung scheint keine große Debatte hervorrufen zu können, und in einem andern Staate würde auch gar kein Grund dazu vorliegen. Wir müssen aber bemühet Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln. In seiner Rede vom 16. Oktober (Stenographischer Bericht p. 2651) richtet der Biedermann Bassermann folgende Apostrophe an die Nationalversammlung zu Frankfurt: „Es ist eine Thatsache, daß die Banden, welche zu Worringen Hurrah schrieen diesen Mördern (Lichnowsky's und Auerswald's), daß diese Banden Niemand anders zur Herrschaft bringen wollten, als die linke Seite dieses Hauses. In derselben Volksversammlung, wo man den Mördern ein Hurrah rief, rief man ein Hoch der linken Seite dieses Hauses. Das ist eine Thatsache, meine Herren. Diese ist nicht zu leugnen.“ Brutus Bassermann sagt's und Brutus Wassermann ist ein „ehrenwerther Mann“ und Brutus Bassermann ist nebendem gefeit gegen jede Kritik durch sein Votum über die Maßregeln zum Schutze der Nationalversammlung. „Das ist eine Thatsache, meine Herren, diese ist nicht zu leugnen.“ Es wird Herrn Bassermann bekannt sein, daß man sich in jüngster Zeit nicht gescheut hat, den Evangelisten selbst schriftstellerische Wunder nachzuweisen, Wunderthaten gegen die Geographie, gegen die Chronologie und was dergleichen profane Kleinigkeiten mehr sind. Wir hoffen, die Sicherheitsmaßregeln, die Herr Bassermann zu seinem eigenen Schutze votirt hat, stellen ihn nicht über die Evangelisten. Kommen wir zur Evangelienkritik. „Das ist eine Thatsache, meine Herren, diese ist nicht zu leugnen.“ Der Evangelist behauptet also, daß die Banden in der Volksversammlung zu Worringen, die am achtzehnten, schreibe achtzehnten September stattgefundene Ermordung Lichnowsky's und Auerwald's leben ließen und gleichzeitig die Linke zu Frankfurt. Die Versammlung zu Worringen fand am siebenzehnten September Statt, die Ermordung Auerswald's und Lichnowsky's aber erst am achtzehnten September. „Das ist eine Thatsache,“ Herr Bassermann, „diese ist nicht zu leugnen.“ Ein Wunder, bei Gott ein Wunder! Der „ehrenwerthe“ Bassermann läßt am siebenzehnten September 1848 zu Worringen eine „Ermordung“ feiern, die sich erst am achtzehnten September 1848 zu Frankfurt zugetragen hat. Der „ehrenwerthe“ Bassermann schuldet den Worringer „Banden“ eine Aufklärung. Die Bassermann'sche Versammlung zu Worringen hat also, profan zu reden, niemals stattgefunden. Und die „Hochs,“ die auf derselben ausgebracht wurden, sind, profan zu reden, eine akustische Täuschung Bassermann's. Und profan zu reden, hat Bassermann, was man im gewöhnlichen Leben eine Lüge nennt, debitirt und zwar eine abscheuliche Lüge, eine Lüge unter erschwerenden Umständen, eine Lüge, welche die linke Seite der moralischen Mitschuld an der Frankfurter „Ermordung“ bezüchtigen sollte. Im höheren geistlichen Sinne, im verborgenen Sinne aber befindet sich der Evangelist Bassermann mitten in der Wahrheit und mit Recht predigt er in sittlich entrüstetem salbungstriefendem Kanzeltone der linken Seite zu: „Und nun muß ich gestehen, daß, wenn ich, ein politischer Mann, stehend auf der Stelle, wohin ich berufen bin, um das Vaterland zu retten aus der Gefahr, in der es schwebt, sähe, daß Rohheit und Mordlust mich zur Herrschaft bringen wollen, wenn ich auf solcher Seite Sympathieen fände, [unleserliches Material] wahrlich ich würde mich bergen in den entferntesten Winkel des Vaterlandes, und würde mit mir zu Rathe gehen, ob ich auf dem rechten Wege sei, und ich glaube, ich würde zur Erkenntniß kommen, daß ich nicht auf dem rechten Wege sein könne, (wenn ich mich links halte), denn der rechte Weg kann nur der sein, auf dem ich die Sympathieen erndte von sittlicher, von patriotischer und vaterländischer („patriotisch!“ und „vaterländisch.“ Angenehme Variation!) Gesinnung: denn was ist die Freiheit Anderes, was wollen wir Anderes für unser Vaterland erringen, als den Zustand, wo die Besten, die Edelsten herrschen.“ Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß der ehrenwerthe Hr. Bassermann ein „politischer Mann“ ist. Wir halten ihn ganz dazu berufen, „das Vaterland zu retten.“ Ein Mann, der den 27. September 1848 auf den 28. September 1848 folgen lassen kann, was kein Gott vermag, ein solcher Mann ist der Mann, wahrhaft auserwählt und „berufen,“ das „Vaterland zu retten.“ Deutschland hat gefunden den Retter, den großen Mann, den Bassermann. Und es wird seiner Definition der „Freiheit“ zujauchzen, daß sie nichts anderes ist, als die „Herrschaft“ der Edelsten, der Besten, der Biedermänner, der Bassermänner. Vor allem aber wird es an das große Wort des badischen Deputirten glauben: „Was wollen wir anders für unser Vaterland, als den Zustand, wo die Edelsten, die Besten (euphemistische Umschreibung für Bassermann und seine Kollegen) herrschen.“ Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Deutschland nach der Dynastie Bassermann. Hoch klingt das Lied vom braven Mann, vom Bassermann. Pauken und Trompeten huld'gen seiner jungen Herrlichkeit. X Dortmund, 21. Oktober. Der „berühmte Volks-General Böhm von dem in Nro. 121 Ihres sehr geschätzten Blattes gesprochen wird, heißt Bem und ist ein Pole. Mag sein daß er deutscher Abkunft ist. Bem war vor dem Unabhängigkeitskriege von 1831 Artilleriehauptmann. Im Kriege avancirte er schnell zum Oberst und zum General. Der Glanzpunkt seines militärischen Wirkens war die Schlacht bei Ostrolenka. Vor dieser Schlacht handelte es sich darum, die polnische Armee unter Skrzinecki (sp. Skschinezki) auf dem rechten Narewufer in der guten Position bei Ostrolenka zu vereinigen und den Russen die Schlacht anzubieten. Durch eine schnelle Flankenbewegung des General Diebitsch war eine polnische Division ins Gedränge gekommen und hatte Mühe die Brücke von Ostrolenka zu passiren. Noch war das berühmte 4te Regiment und ein anderes, dessen Nummer meinem Gedächtniß entfallen ist auf dem linken Ufer. Die russische Uebermacht drängte, und eine der besten Brigaden der polnischen Armee war in Gefahr abgeschnitten und aufgerieben zu werden. Da rück Oberst Bem mit der ganzen polnischen reitenden Artillerie von 12 Geschützen im Galop gegen die russischen Kolonnen vor und eröffnet auf 400 Schritt ein mörderisches Kartätschenfeuer. Bem verließ nicht eher seine kühne Stellung als bis die polnischen Bataillone die Brücke passirt hatten. Dieses ebenso kühne als wohlberechnete Manöver begründete Bem's Ruf als Artilleristen und Taktiker. ‒ Bem ist entschiedener Demokrat und ein Mann von Charakter. Sie wissen, daß es unter den Polen zwei Parteien giebt, die demokratische und aristokratische. Diese Parteien findet man überall wo es ein selbst eignes politisches Leben giebt, und die eine oder andere Partei nicht schon einen vollständigen Sieg errungen hätte. Auch ist dieser innere Parteizwist nicht das eigentliche Unglück Polens, sondern die Verräther sind es, welche das Land an Rußland verkaufen. Die guten Deutschen, welche früher unter dem Joch des Absolutismus ihre Einigkeit zu rühmen und mit einer gewissen komischen Selbstgenügsamkeit auf die Parteikämpfe in Frankreich, England, der Schweiz, Spanien u. s. w. herabpublicken pflegten, machen jetzt auch die Erfahrung ‒ wenn auch etwas sehr spät ‒ daß da wo freies politisches Leben sich regt, Parteikampf unvermeidlich ist. 103 Berlin, 19. Okt. Wir haben zur morgenden Sitzung von unserer liebenswürdigen rechten Seite einen dringenden Antrag, den Schutz der Versammlung betreffend, zu erwarten. Die hohen Vereinbarer möchten sich gerne, wie ihre Frankfurter Genossen, mit einer Truppenmacht umgeben und unter dem Schutze der Kanonen und Kartätschen berathen. Konstabler, die der Minister des Innern mit Freuden anbot, scheinen nach den Worten des Abg. Rehfeld, dieses tapfern Helden, noch nicht einmal zu genügen. Nach den Aeußerungen der Centren, durch ihre Organe: Uhlich und Kirchmann, läßt sich aber erwarten, daß die Rechte mit ihrem Antrage morgen wieder glänzend durchfallen wird. Sie muß sich schon an diese Drohungen gewöhnen. Außer diesem Antrage sind zu morgen oder übermorgen schon mehrere dringende Interpellationen und Anträge angemeldet. Unsere Opposition sorgt schon dafür, daß das Ministerium immer in Thätigkeit gehalten wird. Abg. Pauckert will das Ministerium wegen der von den Kreisständen des Zauch-Belziger Kreises ausgeschriebenen Steuer interpelliren; nach dem Beschlusse der Versammlung haben die Kreisstände die Befugnisse nicht mehr. Die Abgeordneten Feierabend und Richter wollen wegen der Verpachtung der Domänen in den östlichen Provinzen interpelliren; Abgeordneter Gladbach gleichfalls, in Betreff einer Verfügung der königlichen Regierung zu Arnsberg, wegen der jüdischen Lehrer und Geistlichen, welche kein dem evangelischen Geistlichen ähnliches Ornat tragen sollen. Bemerkenswerth ist der vom Abg. Krause (Sagan) eingereichte Gesetzentwurf einer Einkommensteuer. Er schlägt eine progressive Einkommensteuer vor und zwar von 1/2 pCt. den niedrigsten Satz für die Arbeiter bis zu 20 pCt. bei einem Einkommen von 10,000 Thlr. und darüber jährlich. Das feierliche Leichenbegängniß der am Montag Gefallenen wird morgen stattfinden. Ein Comite, aus Mitgliedern der Linken und Klubpräsidenten bestehend, wird die Feierlichkeit anordnen. Alle Mitglieder der Linken, alle Klubs, alle Gewerke, die Maschinenarbeiter, die ganze Bürgerwehr und die fliegende Korps werden Theil nehmen. Auch Magistrat und Stadtverordneten werden folgen; zwar wollten sie den gefallenen Arbeitern diese Ehre nicht erweisen. Da aber die Gattin des gebliebenen Bürgerwehrmanns Schneider sich dahin entschlossen hat, ihren Gatten mit den Arbeitern zusammen beerdigen zu lassen, und der Magistrat beschlessen hat, dessen Leichenzuge zu folgen, so werden sie genöthigt sein, sich dem großen Leichenzuge anzuschließen. Die demokratischen Klubs haben nun beschlossen, aus ihrer Mitte einen gemeinschaftlichen Sicherheitsausschuß zu wählen. Das Volk soll einen Mittelpunkt haben, wohin es sich in den Tagen der Gefahr wenden kann. Ein Konstabler wurde gestern am hellen Tage auf seinem Posten von Arbeitern, welche ihm in Folge einer Denunciation und spätern Gefangennehmung eines Kameraden Rache schwuren, erschossen. Man fand diesen Sohn des Ministeriums der That leblos auf der Straße liegen. Die Thäter sind bis jetzt unbekannt geblieben. Die Schutzmänner sind als eine angenehme Erbschaft auch vom neuen Ministerium acceptirt worden. 103 Berlin, 19. Octbr. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Der Abg. Meusebach verlangt das Wort und macht die Mitheilung von dem, was ihm und seinen Freunden gestern beim Ausgange aus dem Saale begegnet. Ein Theil des Volkes hatte ein Spalier gebildet, wo alle Abgeordneten durchgehen mußten. Der Volkswitz habe dies „Spießruthenlaufen“ genannt. Beim Durchgehen durch dieses Spalier seien mehrere Drohungen ausgestoßen worden und Stricke gezeigt, mit dem Ausruf: „die sind für die Rechte bestimmt!“ Der Redner ergehet sich in langen Redensarten über diese Vorfälle, erinnert an ähnliche Scenen, die früher vorgefallen wären und erinnert, daß wenn das Volk einmal in Wuth sei, es sich auch an Mitgliedern der Linken vergreifen könnte. Er sei überzeugt, daß es gestern kein Ernst mit diesen Drohungen gewesen sei, aber er muß doch darauf bestehen, daß das Ministerium etwas zum Schutze der Versammlung thue. Abg. Rehfeld erzählt, daß er bei einem neulichen Drängen am Ausgange, einen Constabler aufforderte, Platz zu machen, derselbe habe geantwortet: „Ja, wenn Sie wahrhaft Volksvertreter wären, Sie sind aber Volksverräther!“ ‒ Es wird uns aber am Ende nichts mehr übrig bleiben, als daß wir uns zu unserm persönlichen Schutz bewaffnet hier einfinden. (Großes Gelächter zur Linken. Lachen Sie nicht darüber, zur Rechten.) Abg. Uhlich spricht sehr freundlich von dem Berliner Volke. Obgleich er, wie bekannt, kein Günstling desselben sei, habe man ihm doch stets nach einigen freundlichen Worten Platz gemacht. Wenn man nicht jedem Abgeordneten eine Sauvegarde bis in sein Haus gäbe, würde doch nichts helfen. Minister des Innern: Sie können wohl denken, daß dem Ministerium diese Vorwürfe sehr empfindlich sind, es gibt aber kein anderes Mittel, als ein großes Corps Schutzmänner vor dem Sitzungssaale aufzustellen. Vor einiger Zeit, als wir den Versuch dazu machten, dies zu thun, erhob sich großer Widerspruch dagegen. Ich weiß aber kein anderes Mittel, als die Aufstellung der Schutzmänner. Abg. Temme muß an die vielen Drohbriefe, die er und seine Freunde täglich erhalten, erinnern, und daß sogar dem Abg. Lipski am Abend des 15. eine Kugel durch das Fenster auf seinen Lehnstuhl flog. Aber nie ist es mir und meinen Freunden eingefallen, diese Drohungen und Anfälle zur Sprache zu bringen. Wenn darüber geklagt wird, daß die Versammlung nicht frei berathen könne, so erinnere er an den Armeebefehl Wrangels, der mit seinen 50,000 Mann Berlin cernirt habe. Dieses bedrohe die freie Berathung in höherem Maaße als alles Andere. Nachdem noch einige Mitglieder der Rechten, die ihnen gemachten Drohungen mitgetheilt, wird diese unerquickliche Debatte geschlossen. Man geht zur Tagesordnung über: die Fortsetzung der Berathung über den ersten Titel des Entwurfs der Verfassungs-Urkunde. Abg. Lüdicke als Berichterstatter vertheidigt den Kommissions-Entwurf des §. 1 , daß Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigem Umfange, das preußische Staatsgebiet bilden. Man müsse wohl anerkennen, daß den Einwohnern des Großherzogthums Posen polnischer Abkunft die wiederholt verheißene Reorganisation Seitens des Staats gewährt werden müsse, unbedenklich auch werde gewährt werden, daß aber jedenfalls an dieser Stelle, wo es sich lediglich vom Staatsgebiete handele, eine solche Erwähnung ungehörig erscheine, zumal auch jene Bewohner des Großherzogthums Posen den Wunsch, an der dem ganzen preußischen Staate zu gebenden Verfassung Theil zu nehmen, durch die Wahl und Entsendung der Abgeordneten zur gegenwärtigen Versammlung in Gemäßheit des Wahlgesetzes vom 8. April unzweideutig an den Tag gelegt hätten. Man war deßhalb der Meinung, daß der gewünschte Zusatz des §. 1. nicht passend, der späteren Erwägung aber anheimzugeben sei, ob an einer ander Stelle, etwa bei Art. 102, ein derartiger Vorbehalt zweckmäßig einzuschalten sein möchte. Abg. Philipps: Denjenigen, die außerhalb des Großherzogthums Posen leben, die diese Sache nur objectiv auffassen, können nur nach einer grüundlichen Beurtheilung aller diesen Gegenstand betreffende Urkunden und Traktate sich darüber auslassen. Deshalb wäre es wünschenswerth gewesen, wir hätten zuvor die Berichte der zur Regulirung der Angelegenheit des Großherzogthums Posen niedergesetzte Kommission angehört. Da dies aber nun nicht so ist, so müssen wir uns schon heute auf eine nähere Diskussion einlassen. ‒ Er läßt sich alsdann darüber aus, daß die nichtdeutschen Volksstämme in Deutschland und in Preußen sich der Majorität unterordnen müssen, wenn man nur ihre Nationalitäten achte. Hier fragt sich aber nur, ob dem Großherzogthum Posen besondere Rechte zuzuertheilen seien, ob es eine besondere Konstitution erhalten müsse. ‒ Er untersucht hierauf die Urkunden von 1815 und meint, daß der Aufruf vom 15. Mai 1850, nicht nur an die Polen, sondern an die Bewohner im Allgemeinen erlassen sei. Die deutsche Bevölkerung schreibe sich schon von frühern Jahrhunderten her und demnach müsse der Aufruf doch an beide Nationalitäten gerichtet gewesen sein. ‒ Er hält es für eine ganz indifferente Frage, ob man von einer Personal- oder Staats-Union in Hinsicht des Großherzogthums sich entscheide. Hieraus zieht der Redner das Resultat, daß dem Großherzogthum zwar keine besondere Verfassung, aber doch besondere Rechte garantirt worden seien. Diese müssen heilig gehalten werden, und demnach ist er auch gegen die Demarkationslinie. Er stellt folgendes Amendement: „Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem preußischen Staate eingeräumten besondern Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen.“ Abg. Arntz: Der Artikel 1 der Verfassung scheint keine große Debatte hervorrufen zu können, und in einem andern Staate würde auch gar kein Grund dazu vorliegen. Wir müssen aber bemühet <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0621"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848. Zweite Ausgabe.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar123-2_001" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln.</head> <p>In seiner Rede vom 16. 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Das ist eine Thatsache,</hi> meine Herren. <hi rendition="#g">Diese ist nicht zu leugnen.</hi>“</p> <p>Brutus Bassermann sagt's und Brutus Wassermann ist ein „ehrenwerther Mann“ und Brutus Bassermann ist nebendem gefeit gegen jede Kritik durch sein Votum über die Maßregeln zum Schutze der Nationalversammlung.</p> <p>„<hi rendition="#g">Das ist eine Thatsache,</hi> meine Herren, <hi rendition="#g">diese ist nicht zu leugnen.</hi>“</p> <p>Es wird Herrn Bassermann bekannt sein, daß man sich in jüngster Zeit nicht gescheut hat, den Evangelisten selbst <hi rendition="#g">schriftstellerische Wunder</hi> nachzuweisen, Wunderthaten gegen die Geographie, gegen die Chronologie und was dergleichen profane Kleinigkeiten mehr sind.</p> <p>Wir hoffen, die Sicherheitsmaßregeln, die Herr Bassermann zu seinem eigenen Schutze votirt hat, stellen ihn nicht <hi rendition="#g">über</hi> die Evangelisten. Kommen wir zur Evangelienkritik.</p> <p>„<hi rendition="#g">Das ist eine Thatsache,</hi> meine Herren, <hi rendition="#g">diese ist nicht zu leugnen.</hi>“</p> <p>Der Evangelist behauptet also, daß die Banden in der <hi rendition="#g">Volksversammlung zu Worringen,</hi> die am <hi rendition="#g">achtzehnten,</hi> schreibe <hi rendition="#g">achtzehnten</hi> September stattgefundene <hi rendition="#g">Ermordung</hi> Lichnowsky's und Auerwald's leben ließen und gleichzeitig die <hi rendition="#g">Linke zu Frankfurt.</hi> </p> <p> <hi rendition="#g">Die Versammlung zu Worringen fand am siebenzehnten September Statt, die Ermordung Auerswald's und Lichnowsky's aber erst am achtzehnten September.</hi> </p> <p>„<hi rendition="#g">Das ist eine Thatsache,</hi>“ Herr Bassermann, „<hi rendition="#g">diese ist nicht zu leugnen.</hi>“ Ein Wunder, bei Gott ein Wunder! Der „ehrenwerthe“ Bassermann läßt am <hi rendition="#g">siebenzehnten</hi> September 1848 zu <hi rendition="#g">Worringen</hi> eine „Ermordung“ feiern, die sich erst am <hi rendition="#g">achtzehnten</hi> September 1848 zu <hi rendition="#g">Frankfurt</hi> zugetragen hat. Der „ehrenwerthe“ Bassermann schuldet den Worringer „Banden“ eine Aufklärung.</p> <p>Die Bassermann'sche Versammlung zu Worringen hat also, profan zu reden, niemals stattgefunden. Und die „Hochs,“ die auf derselben ausgebracht wurden, sind, profan zu reden, eine akustische Täuschung Bassermann's. Und profan zu reden, hat Bassermann, was man im gewöhnlichen Leben eine <hi rendition="#g">Lüge</hi> nennt, debitirt und zwar eine abscheuliche Lüge, eine Lüge unter erschwerenden Umständen, eine Lüge, welche die <hi rendition="#g">linke Seite</hi> der moralischen Mitschuld an der Frankfurter „Ermordung“ bezüchtigen sollte.</p> <p>Im höheren <hi rendition="#g">geistlichen</hi> Sinne, im verborgenen Sinne aber befindet sich der Evangelist <hi rendition="#g">Bassermann</hi> mitten in der Wahrheit und mit Recht predigt er in <hi rendition="#g">sittlich</hi> entrüstetem salbungstriefendem Kanzeltone der linken Seite zu:</p> <p>„Und nun muß ich gestehen, daß, wenn ich, ein <hi rendition="#g">politischer Mann,</hi> stehend auf der Stelle, wohin ich berufen bin, um das <hi rendition="#g">Vaterland zu retten aus der Gefahr, in der es schwebt,</hi> sähe, daß Rohheit und Mordlust mich zur Herrschaft bringen wollen, wenn ich auf solcher Seite Sympathieen fände, <gap reason="illegible"/> wahrlich ich würde mich bergen in den entferntesten Winkel des Vaterlandes, und würde mit mir zu Rathe gehen, ob ich auf dem rechten Wege sei, und ich glaube, ich würde zur Erkenntniß kommen, daß ich nicht auf dem rechten Wege sein könne, (wenn ich mich <hi rendition="#g">links</hi> halte), denn der rechte Weg kann nur der sein, auf dem ich die Sympathieen erndte von sittlicher, von patriotischer und vaterländischer („patriotisch!“ <hi rendition="#g">und</hi> „<hi rendition="#g">vaterländisch.</hi>“ Angenehme Variation!) Gesinnung: denn was ist die <hi rendition="#g">Freiheit</hi> Anderes, was wollen wir Anderes für unser Vaterland erringen, als den Zustand, wo die <hi rendition="#g">Besten,</hi> die <hi rendition="#g">Edelsten herrschen.</hi>“</p> <p>Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß der ehrenwerthe Hr. Bassermann ein „<hi rendition="#g">politischer</hi> Mann“ ist. Wir halten ihn ganz dazu berufen, „<hi rendition="#g">das Vaterland zu retten.</hi>“ Ein Mann, der den 27. September 1848 auf den 28. September 1848 folgen lassen kann, was kein Gott vermag, ein solcher Mann ist der Mann, wahrhaft auserwählt und „berufen,“ das „<hi rendition="#g">Vaterland zu retten.</hi>“ Deutschland hat gefunden den Retter, den großen Mann, den <hi rendition="#g">Bassermann.</hi> Und es wird seiner Definition der „<hi rendition="#g">Freiheit</hi>“ zujauchzen, daß sie nichts anderes ist, als die „<hi rendition="#g">Herrschaft</hi>“ der Edelsten, der Besten, der Biedermänner, der <hi rendition="#g">Bassermänner.</hi> Vor allem aber wird es an das große Wort des badischen Deputirten glauben:</p> <p>„Was <hi rendition="#g">wollen wir</hi> anders für unser Vaterland, als den Zustand, wo die Edelsten, die Besten (euphemistische Umschreibung für Bassermann und seine Kollegen) <hi rendition="#g">herrschen.</hi>“ Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Deutschland nach der Dynastie <hi rendition="#g">Bassermann.</hi> Hoch klingt das Lied vom <hi rendition="#g">braven Mann,</hi> vom <hi rendition="#g">Bassermann. Pauken und Trompeten huld'gen seiner jungen Herrlichkeit.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar123-2_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Dortmund, 21. Oktober.</head> <p>Der „berühmte Volks-General Böhm von dem in Nro. 121 Ihres sehr geschätzten Blattes gesprochen wird, heißt <hi rendition="#g">Bem</hi> und ist ein Pole. Mag sein daß er deutscher Abkunft ist. Bem war vor dem Unabhängigkeitskriege von 1831 Artilleriehauptmann. Im Kriege avancirte er schnell zum Oberst und zum General. Der Glanzpunkt seines militärischen Wirkens war die Schlacht bei Ostrolenka. Vor dieser Schlacht handelte es sich darum, die polnische Armee unter Skrzinecki (sp. Skschinezki) auf dem rechten Narewufer in der guten Position bei Ostrolenka zu vereinigen und den Russen die Schlacht anzubieten. Durch eine schnelle Flankenbewegung des General Diebitsch war eine polnische Division ins Gedränge gekommen und hatte Mühe die Brücke von Ostrolenka zu passiren. Noch war das berühmte 4te Regiment und ein anderes, dessen Nummer meinem Gedächtniß entfallen ist auf dem linken Ufer. Die russische Uebermacht drängte, und eine der besten Brigaden der polnischen Armee war in Gefahr abgeschnitten und aufgerieben zu werden. Da rück Oberst Bem mit der ganzen polnischen reitenden Artillerie von 12 Geschützen im Galop gegen die russischen Kolonnen vor und eröffnet auf 400 Schritt ein mörderisches Kartätschenfeuer. Bem verließ nicht eher seine kühne Stellung als bis die polnischen Bataillone die Brücke passirt hatten. Dieses ebenso kühne als wohlberechnete Manöver begründete Bem's Ruf als Artilleristen und Taktiker. ‒ Bem ist entschiedener Demokrat und ein Mann von Charakter. Sie wissen, daß es unter den Polen zwei Parteien giebt, die demokratische und aristokratische. Diese Parteien findet man überall wo es ein selbst eignes politisches Leben giebt, und die eine oder andere Partei nicht schon einen vollständigen Sieg errungen hätte. Auch ist dieser innere Parteizwist nicht das eigentliche Unglück Polens, sondern die Verräther sind es, welche das Land an Rußland verkaufen. Die guten Deutschen, welche früher unter dem Joch des Absolutismus ihre Einigkeit zu rühmen und mit einer gewissen komischen Selbstgenügsamkeit auf die Parteikämpfe in Frankreich, England, der Schweiz, Spanien u. s. w. herabpublicken pflegten, machen jetzt auch die Erfahrung ‒ wenn auch etwas sehr spät ‒ daß da wo freies politisches Leben sich regt, Parteikampf unvermeidlich ist.</p> </div> <div xml:id="ar123-2_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 19. Okt.</head> <p>Wir haben zur morgenden Sitzung von unserer liebenswürdigen rechten Seite einen dringenden Antrag, den Schutz der Versammlung betreffend, zu erwarten. Die hohen Vereinbarer möchten sich gerne, wie ihre Frankfurter Genossen, mit einer Truppenmacht umgeben und unter dem Schutze der Kanonen und Kartätschen berathen. Konstabler, die der Minister des Innern mit Freuden anbot, scheinen nach den Worten des Abg. Rehfeld, dieses tapfern Helden, noch nicht einmal zu genügen. Nach den Aeußerungen der Centren, durch ihre Organe: Uhlich und Kirchmann, läßt sich aber erwarten, daß die Rechte mit ihrem Antrage morgen wieder glänzend durchfallen wird. Sie muß sich schon an diese Drohungen gewöhnen.</p> <p>Außer diesem Antrage sind zu morgen oder übermorgen schon mehrere dringende Interpellationen und Anträge angemeldet. Unsere Opposition sorgt schon dafür, daß das Ministerium immer in Thätigkeit gehalten wird. Abg. Pauckert will das Ministerium wegen der von den Kreisständen des Zauch-Belziger Kreises ausgeschriebenen Steuer interpelliren; nach dem Beschlusse der Versammlung haben die Kreisstände die Befugnisse nicht mehr. Die Abgeordneten Feierabend und Richter wollen wegen der Verpachtung der Domänen in den östlichen Provinzen interpelliren; Abgeordneter Gladbach gleichfalls, in Betreff einer Verfügung der königlichen Regierung zu Arnsberg, wegen der jüdischen Lehrer und Geistlichen, welche kein dem evangelischen Geistlichen ähnliches Ornat tragen sollen.</p> <p>Bemerkenswerth ist der vom Abg. Krause (Sagan) eingereichte Gesetzentwurf einer Einkommensteuer. Er schlägt eine progressive Einkommensteuer vor und zwar von 1/2 pCt. den niedrigsten Satz für die Arbeiter bis zu 20 pCt. bei einem Einkommen von 10,000 Thlr. und darüber jährlich.</p> <p>Das feierliche Leichenbegängniß der am Montag Gefallenen wird morgen stattfinden. Ein Comite, aus Mitgliedern der Linken und Klubpräsidenten bestehend, wird die Feierlichkeit anordnen. Alle Mitglieder der Linken, alle Klubs, alle Gewerke, die Maschinenarbeiter, die ganze Bürgerwehr und die fliegende Korps werden Theil nehmen. Auch Magistrat und Stadtverordneten werden folgen; zwar wollten sie den gefallenen Arbeitern diese Ehre nicht erweisen. Da aber die Gattin des gebliebenen Bürgerwehrmanns Schneider sich dahin entschlossen hat, ihren Gatten mit den Arbeitern zusammen beerdigen zu lassen, und der Magistrat beschlessen hat, dessen Leichenzuge zu folgen, so werden sie genöthigt sein, sich dem großen Leichenzuge anzuschließen.</p> <p>Die demokratischen Klubs haben nun beschlossen, aus ihrer Mitte einen gemeinschaftlichen <hi rendition="#g">Sicherheitsausschuß</hi> zu wählen. Das Volk soll einen Mittelpunkt haben, wohin es sich in den Tagen der Gefahr wenden kann.</p> <p>Ein Konstabler wurde gestern am hellen Tage auf seinem Posten von Arbeitern, welche ihm in Folge einer Denunciation und spätern Gefangennehmung eines Kameraden Rache schwuren, erschossen. Man fand diesen Sohn des Ministeriums der That leblos auf der Straße liegen. Die Thäter sind bis jetzt unbekannt geblieben. Die Schutzmänner sind als eine angenehme Erbschaft auch vom neuen Ministerium acceptirt worden.</p> </div> <div xml:id="ar123-2_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 19. Octbr.</head> <p> <hi rendition="#g">Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.</hi> </p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Meusebach</hi> verlangt das Wort und macht die Mitheilung von dem, was ihm und seinen Freunden gestern beim Ausgange aus dem Saale begegnet. Ein Theil des Volkes hatte ein Spalier gebildet, wo alle Abgeordneten durchgehen mußten. Der Volkswitz habe dies „Spießruthenlaufen“ genannt. Beim Durchgehen durch dieses Spalier seien mehrere Drohungen ausgestoßen worden und Stricke gezeigt, mit dem Ausruf: „die sind für die Rechte bestimmt!“ Der Redner ergehet sich in langen Redensarten über diese Vorfälle, erinnert an ähnliche Scenen, die früher vorgefallen wären und erinnert, daß wenn das Volk einmal in Wuth sei, es sich auch an Mitgliedern der Linken vergreifen könnte. Er sei überzeugt, daß es gestern kein Ernst mit diesen Drohungen gewesen sei, aber er muß doch darauf bestehen, daß das Ministerium etwas zum Schutze der Versammlung thue.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Rehfeld</hi> erzählt, daß er bei einem neulichen Drängen am Ausgange, einen Constabler aufforderte, Platz zu machen, derselbe habe geantwortet: „Ja, wenn Sie wahrhaft Volksvertreter wären, Sie sind aber <hi rendition="#g">Volksverräther!</hi>“ ‒ Es wird uns aber am Ende nichts mehr übrig bleiben, als daß wir uns zu unserm persönlichen Schutz <hi rendition="#g">bewaffnet</hi> hier einfinden. (Großes Gelächter zur Linken. Lachen Sie nicht darüber, zur Rechten.)</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Uhlich</hi> spricht sehr freundlich von dem Berliner Volke. Obgleich er, wie bekannt, kein Günstling desselben sei, habe man ihm doch stets nach einigen freundlichen Worten Platz gemacht. Wenn man nicht jedem Abgeordneten eine Sauvegarde bis in sein Haus gäbe, würde doch nichts helfen.</p> <p><hi rendition="#g">Minister des Innern:</hi> Sie können wohl denken, daß dem Ministerium diese Vorwürfe sehr empfindlich sind, es gibt aber kein anderes Mittel, als ein großes Corps Schutzmänner vor dem Sitzungssaale aufzustellen. Vor einiger Zeit, als wir den Versuch dazu machten, dies zu thun, erhob sich großer Widerspruch dagegen. Ich weiß aber kein anderes Mittel, als die Aufstellung der Schutzmänner.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Temme</hi> muß an die vielen Drohbriefe, die er und seine Freunde täglich erhalten, erinnern, und daß sogar dem Abg. Lipski am Abend des 15. eine Kugel durch das Fenster auf seinen Lehnstuhl flog. Aber nie ist es mir und meinen Freunden eingefallen, diese Drohungen und Anfälle zur Sprache zu bringen. Wenn darüber geklagt wird, daß die Versammlung nicht frei berathen könne, so erinnere er an den Armeebefehl Wrangels, der mit seinen 50,000 Mann Berlin cernirt habe. Dieses bedrohe die freie Berathung in höherem Maaße als alles Andere.</p> <p>Nachdem noch einige Mitglieder der Rechten, die ihnen gemachten Drohungen mitgetheilt, wird diese unerquickliche Debatte geschlossen.</p> <p>Man geht zur Tagesordnung über: die Fortsetzung der Berathung über den ersten Titel des Entwurfs der Verfassungs-Urkunde.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Lüdicke</hi> als Berichterstatter vertheidigt den Kommissions-Entwurf des §. 1 , daß <hi rendition="#g">Alle</hi> Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigem Umfange, das preußische Staatsgebiet bilden. Man müsse wohl anerkennen, daß den Einwohnern des Großherzogthums Posen polnischer Abkunft die wiederholt verheißene Reorganisation Seitens des Staats gewährt werden müsse, unbedenklich auch werde gewährt werden, daß aber jedenfalls an dieser Stelle, wo es sich lediglich vom Staatsgebiete handele, eine solche Erwähnung ungehörig erscheine, zumal auch jene Bewohner des Großherzogthums Posen den Wunsch, an der dem ganzen preußischen Staate zu gebenden Verfassung Theil zu nehmen, durch die Wahl und Entsendung der Abgeordneten zur gegenwärtigen Versammlung in Gemäßheit des Wahlgesetzes vom 8. April unzweideutig an den Tag gelegt hätten. Man war deßhalb der Meinung, daß der gewünschte Zusatz des §. 1. nicht passend, der späteren Erwägung aber anheimzugeben sei, ob an einer ander Stelle, etwa bei Art. 102, ein derartiger Vorbehalt zweckmäßig einzuschalten sein möchte.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Philipps:</hi> Denjenigen, die außerhalb des Großherzogthums Posen leben, die diese Sache nur objectiv auffassen, können nur nach einer grüundlichen Beurtheilung aller diesen Gegenstand betreffende Urkunden und Traktate sich darüber auslassen. Deshalb wäre es wünschenswerth gewesen, wir hätten zuvor die Berichte der zur Regulirung der Angelegenheit des Großherzogthums Posen niedergesetzte Kommission angehört. Da dies aber nun nicht so ist, so müssen wir uns schon heute auf eine nähere Diskussion einlassen. ‒ Er läßt sich alsdann darüber aus, daß die nichtdeutschen Volksstämme in Deutschland und in Preußen sich der Majorität unterordnen müssen, wenn man nur ihre Nationalitäten achte. Hier fragt sich aber nur, ob dem Großherzogthum Posen besondere Rechte zuzuertheilen seien, ob es eine besondere Konstitution erhalten müsse. ‒ Er untersucht hierauf die Urkunden von 1815 und meint, daß der Aufruf vom 15. Mai 1850, nicht nur an die Polen, sondern an die Bewohner im Allgemeinen erlassen sei. Die deutsche Bevölkerung schreibe sich schon von frühern Jahrhunderten her und demnach müsse der Aufruf doch an beide Nationalitäten gerichtet gewesen sein. ‒ Er hält es für eine ganz indifferente Frage, ob man von einer Personal- oder Staats-Union in Hinsicht des Großherzogthums sich entscheide. Hieraus zieht der Redner das Resultat, daß dem Großherzogthum zwar keine besondere Verfassung, aber doch besondere Rechte garantirt worden seien. Diese müssen heilig gehalten werden, und demnach ist er auch gegen die Demarkationslinie. Er stellt folgendes Amendement:</p> <p>„Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem preußischen Staate eingeräumten besondern Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen.“</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Arntz:</hi> Der Artikel 1 der Verfassung scheint keine große Debatte hervorrufen zu können, und in einem andern Staate würde auch gar kein Grund dazu vorliegen. Wir müssen aber bemühet </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0621/0001]
Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 123. Köln, Sonntag den 22. Oktober. 1848. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln. In seiner Rede vom 16. Oktober (Stenographischer Bericht p. 2651) richtet der Biedermann Bassermann folgende Apostrophe an die Nationalversammlung zu Frankfurt:
„Es ist eine Thatsache, daß die Banden, welche zu Worringen Hurrah schrieen diesen Mördern (Lichnowsky's und Auerswald's), daß diese Banden Niemand anders zur Herrschaft bringen wollten, als die linke Seite dieses Hauses. In derselben Volksversammlung, wo man den Mördern ein Hurrah rief, rief man ein Hoch der linken Seite dieses Hauses. Das ist eine Thatsache, meine Herren. Diese ist nicht zu leugnen.“
Brutus Bassermann sagt's und Brutus Wassermann ist ein „ehrenwerther Mann“ und Brutus Bassermann ist nebendem gefeit gegen jede Kritik durch sein Votum über die Maßregeln zum Schutze der Nationalversammlung.
„Das ist eine Thatsache, meine Herren, diese ist nicht zu leugnen.“
Es wird Herrn Bassermann bekannt sein, daß man sich in jüngster Zeit nicht gescheut hat, den Evangelisten selbst schriftstellerische Wunder nachzuweisen, Wunderthaten gegen die Geographie, gegen die Chronologie und was dergleichen profane Kleinigkeiten mehr sind.
Wir hoffen, die Sicherheitsmaßregeln, die Herr Bassermann zu seinem eigenen Schutze votirt hat, stellen ihn nicht über die Evangelisten. Kommen wir zur Evangelienkritik.
„Das ist eine Thatsache, meine Herren, diese ist nicht zu leugnen.“
Der Evangelist behauptet also, daß die Banden in der Volksversammlung zu Worringen, die am achtzehnten, schreibe achtzehnten September stattgefundene Ermordung Lichnowsky's und Auerwald's leben ließen und gleichzeitig die Linke zu Frankfurt.
Die Versammlung zu Worringen fand am siebenzehnten September Statt, die Ermordung Auerswald's und Lichnowsky's aber erst am achtzehnten September.
„Das ist eine Thatsache,“ Herr Bassermann, „diese ist nicht zu leugnen.“ Ein Wunder, bei Gott ein Wunder! Der „ehrenwerthe“ Bassermann läßt am siebenzehnten September 1848 zu Worringen eine „Ermordung“ feiern, die sich erst am achtzehnten September 1848 zu Frankfurt zugetragen hat. Der „ehrenwerthe“ Bassermann schuldet den Worringer „Banden“ eine Aufklärung.
Die Bassermann'sche Versammlung zu Worringen hat also, profan zu reden, niemals stattgefunden. Und die „Hochs,“ die auf derselben ausgebracht wurden, sind, profan zu reden, eine akustische Täuschung Bassermann's. Und profan zu reden, hat Bassermann, was man im gewöhnlichen Leben eine Lüge nennt, debitirt und zwar eine abscheuliche Lüge, eine Lüge unter erschwerenden Umständen, eine Lüge, welche die linke Seite der moralischen Mitschuld an der Frankfurter „Ermordung“ bezüchtigen sollte.
Im höheren geistlichen Sinne, im verborgenen Sinne aber befindet sich der Evangelist Bassermann mitten in der Wahrheit und mit Recht predigt er in sittlich entrüstetem salbungstriefendem Kanzeltone der linken Seite zu:
„Und nun muß ich gestehen, daß, wenn ich, ein politischer Mann, stehend auf der Stelle, wohin ich berufen bin, um das Vaterland zu retten aus der Gefahr, in der es schwebt, sähe, daß Rohheit und Mordlust mich zur Herrschaft bringen wollen, wenn ich auf solcher Seite Sympathieen fände, _ wahrlich ich würde mich bergen in den entferntesten Winkel des Vaterlandes, und würde mit mir zu Rathe gehen, ob ich auf dem rechten Wege sei, und ich glaube, ich würde zur Erkenntniß kommen, daß ich nicht auf dem rechten Wege sein könne, (wenn ich mich links halte), denn der rechte Weg kann nur der sein, auf dem ich die Sympathieen erndte von sittlicher, von patriotischer und vaterländischer („patriotisch!“ und „vaterländisch.“ Angenehme Variation!) Gesinnung: denn was ist die Freiheit Anderes, was wollen wir Anderes für unser Vaterland erringen, als den Zustand, wo die Besten, die Edelsten herrschen.“
Wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß der ehrenwerthe Hr. Bassermann ein „politischer Mann“ ist. Wir halten ihn ganz dazu berufen, „das Vaterland zu retten.“ Ein Mann, der den 27. September 1848 auf den 28. September 1848 folgen lassen kann, was kein Gott vermag, ein solcher Mann ist der Mann, wahrhaft auserwählt und „berufen,“ das „Vaterland zu retten.“ Deutschland hat gefunden den Retter, den großen Mann, den Bassermann. Und es wird seiner Definition der „Freiheit“ zujauchzen, daß sie nichts anderes ist, als die „Herrschaft“ der Edelsten, der Besten, der Biedermänner, der Bassermänner. Vor allem aber wird es an das große Wort des badischen Deputirten glauben:
„Was wollen wir anders für unser Vaterland, als den Zustand, wo die Edelsten, die Besten (euphemistische Umschreibung für Bassermann und seine Kollegen) herrschen.“ Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Deutschland nach der Dynastie Bassermann. Hoch klingt das Lied vom braven Mann, vom Bassermann. Pauken und Trompeten huld'gen seiner jungen Herrlichkeit.
X Dortmund, 21. Oktober. Der „berühmte Volks-General Böhm von dem in Nro. 121 Ihres sehr geschätzten Blattes gesprochen wird, heißt Bem und ist ein Pole. Mag sein daß er deutscher Abkunft ist. Bem war vor dem Unabhängigkeitskriege von 1831 Artilleriehauptmann. Im Kriege avancirte er schnell zum Oberst und zum General. Der Glanzpunkt seines militärischen Wirkens war die Schlacht bei Ostrolenka. Vor dieser Schlacht handelte es sich darum, die polnische Armee unter Skrzinecki (sp. Skschinezki) auf dem rechten Narewufer in der guten Position bei Ostrolenka zu vereinigen und den Russen die Schlacht anzubieten. Durch eine schnelle Flankenbewegung des General Diebitsch war eine polnische Division ins Gedränge gekommen und hatte Mühe die Brücke von Ostrolenka zu passiren. Noch war das berühmte 4te Regiment und ein anderes, dessen Nummer meinem Gedächtniß entfallen ist auf dem linken Ufer. Die russische Uebermacht drängte, und eine der besten Brigaden der polnischen Armee war in Gefahr abgeschnitten und aufgerieben zu werden. Da rück Oberst Bem mit der ganzen polnischen reitenden Artillerie von 12 Geschützen im Galop gegen die russischen Kolonnen vor und eröffnet auf 400 Schritt ein mörderisches Kartätschenfeuer. Bem verließ nicht eher seine kühne Stellung als bis die polnischen Bataillone die Brücke passirt hatten. Dieses ebenso kühne als wohlberechnete Manöver begründete Bem's Ruf als Artilleristen und Taktiker. ‒ Bem ist entschiedener Demokrat und ein Mann von Charakter. Sie wissen, daß es unter den Polen zwei Parteien giebt, die demokratische und aristokratische. Diese Parteien findet man überall wo es ein selbst eignes politisches Leben giebt, und die eine oder andere Partei nicht schon einen vollständigen Sieg errungen hätte. Auch ist dieser innere Parteizwist nicht das eigentliche Unglück Polens, sondern die Verräther sind es, welche das Land an Rußland verkaufen. Die guten Deutschen, welche früher unter dem Joch des Absolutismus ihre Einigkeit zu rühmen und mit einer gewissen komischen Selbstgenügsamkeit auf die Parteikämpfe in Frankreich, England, der Schweiz, Spanien u. s. w. herabpublicken pflegten, machen jetzt auch die Erfahrung ‒ wenn auch etwas sehr spät ‒ daß da wo freies politisches Leben sich regt, Parteikampf unvermeidlich ist.
103 Berlin, 19. Okt. Wir haben zur morgenden Sitzung von unserer liebenswürdigen rechten Seite einen dringenden Antrag, den Schutz der Versammlung betreffend, zu erwarten. Die hohen Vereinbarer möchten sich gerne, wie ihre Frankfurter Genossen, mit einer Truppenmacht umgeben und unter dem Schutze der Kanonen und Kartätschen berathen. Konstabler, die der Minister des Innern mit Freuden anbot, scheinen nach den Worten des Abg. Rehfeld, dieses tapfern Helden, noch nicht einmal zu genügen. Nach den Aeußerungen der Centren, durch ihre Organe: Uhlich und Kirchmann, läßt sich aber erwarten, daß die Rechte mit ihrem Antrage morgen wieder glänzend durchfallen wird. Sie muß sich schon an diese Drohungen gewöhnen.
Außer diesem Antrage sind zu morgen oder übermorgen schon mehrere dringende Interpellationen und Anträge angemeldet. Unsere Opposition sorgt schon dafür, daß das Ministerium immer in Thätigkeit gehalten wird. Abg. Pauckert will das Ministerium wegen der von den Kreisständen des Zauch-Belziger Kreises ausgeschriebenen Steuer interpelliren; nach dem Beschlusse der Versammlung haben die Kreisstände die Befugnisse nicht mehr. Die Abgeordneten Feierabend und Richter wollen wegen der Verpachtung der Domänen in den östlichen Provinzen interpelliren; Abgeordneter Gladbach gleichfalls, in Betreff einer Verfügung der königlichen Regierung zu Arnsberg, wegen der jüdischen Lehrer und Geistlichen, welche kein dem evangelischen Geistlichen ähnliches Ornat tragen sollen.
Bemerkenswerth ist der vom Abg. Krause (Sagan) eingereichte Gesetzentwurf einer Einkommensteuer. Er schlägt eine progressive Einkommensteuer vor und zwar von 1/2 pCt. den niedrigsten Satz für die Arbeiter bis zu 20 pCt. bei einem Einkommen von 10,000 Thlr. und darüber jährlich.
Das feierliche Leichenbegängniß der am Montag Gefallenen wird morgen stattfinden. Ein Comite, aus Mitgliedern der Linken und Klubpräsidenten bestehend, wird die Feierlichkeit anordnen. Alle Mitglieder der Linken, alle Klubs, alle Gewerke, die Maschinenarbeiter, die ganze Bürgerwehr und die fliegende Korps werden Theil nehmen. Auch Magistrat und Stadtverordneten werden folgen; zwar wollten sie den gefallenen Arbeitern diese Ehre nicht erweisen. Da aber die Gattin des gebliebenen Bürgerwehrmanns Schneider sich dahin entschlossen hat, ihren Gatten mit den Arbeitern zusammen beerdigen zu lassen, und der Magistrat beschlessen hat, dessen Leichenzuge zu folgen, so werden sie genöthigt sein, sich dem großen Leichenzuge anzuschließen.
Die demokratischen Klubs haben nun beschlossen, aus ihrer Mitte einen gemeinschaftlichen Sicherheitsausschuß zu wählen. Das Volk soll einen Mittelpunkt haben, wohin es sich in den Tagen der Gefahr wenden kann.
Ein Konstabler wurde gestern am hellen Tage auf seinem Posten von Arbeitern, welche ihm in Folge einer Denunciation und spätern Gefangennehmung eines Kameraden Rache schwuren, erschossen. Man fand diesen Sohn des Ministeriums der That leblos auf der Straße liegen. Die Thäter sind bis jetzt unbekannt geblieben. Die Schutzmänner sind als eine angenehme Erbschaft auch vom neuen Ministerium acceptirt worden.
103 Berlin, 19. Octbr. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.
Der Abg. Meusebach verlangt das Wort und macht die Mitheilung von dem, was ihm und seinen Freunden gestern beim Ausgange aus dem Saale begegnet. Ein Theil des Volkes hatte ein Spalier gebildet, wo alle Abgeordneten durchgehen mußten. Der Volkswitz habe dies „Spießruthenlaufen“ genannt. Beim Durchgehen durch dieses Spalier seien mehrere Drohungen ausgestoßen worden und Stricke gezeigt, mit dem Ausruf: „die sind für die Rechte bestimmt!“ Der Redner ergehet sich in langen Redensarten über diese Vorfälle, erinnert an ähnliche Scenen, die früher vorgefallen wären und erinnert, daß wenn das Volk einmal in Wuth sei, es sich auch an Mitgliedern der Linken vergreifen könnte. Er sei überzeugt, daß es gestern kein Ernst mit diesen Drohungen gewesen sei, aber er muß doch darauf bestehen, daß das Ministerium etwas zum Schutze der Versammlung thue.
Abg. Rehfeld erzählt, daß er bei einem neulichen Drängen am Ausgange, einen Constabler aufforderte, Platz zu machen, derselbe habe geantwortet: „Ja, wenn Sie wahrhaft Volksvertreter wären, Sie sind aber Volksverräther!“ ‒ Es wird uns aber am Ende nichts mehr übrig bleiben, als daß wir uns zu unserm persönlichen Schutz bewaffnet hier einfinden. (Großes Gelächter zur Linken. Lachen Sie nicht darüber, zur Rechten.)
Abg. Uhlich spricht sehr freundlich von dem Berliner Volke. Obgleich er, wie bekannt, kein Günstling desselben sei, habe man ihm doch stets nach einigen freundlichen Worten Platz gemacht. Wenn man nicht jedem Abgeordneten eine Sauvegarde bis in sein Haus gäbe, würde doch nichts helfen.
Minister des Innern: Sie können wohl denken, daß dem Ministerium diese Vorwürfe sehr empfindlich sind, es gibt aber kein anderes Mittel, als ein großes Corps Schutzmänner vor dem Sitzungssaale aufzustellen. Vor einiger Zeit, als wir den Versuch dazu machten, dies zu thun, erhob sich großer Widerspruch dagegen. Ich weiß aber kein anderes Mittel, als die Aufstellung der Schutzmänner.
Abg. Temme muß an die vielen Drohbriefe, die er und seine Freunde täglich erhalten, erinnern, und daß sogar dem Abg. Lipski am Abend des 15. eine Kugel durch das Fenster auf seinen Lehnstuhl flog. Aber nie ist es mir und meinen Freunden eingefallen, diese Drohungen und Anfälle zur Sprache zu bringen. Wenn darüber geklagt wird, daß die Versammlung nicht frei berathen könne, so erinnere er an den Armeebefehl Wrangels, der mit seinen 50,000 Mann Berlin cernirt habe. Dieses bedrohe die freie Berathung in höherem Maaße als alles Andere.
Nachdem noch einige Mitglieder der Rechten, die ihnen gemachten Drohungen mitgetheilt, wird diese unerquickliche Debatte geschlossen.
Man geht zur Tagesordnung über: die Fortsetzung der Berathung über den ersten Titel des Entwurfs der Verfassungs-Urkunde.
Abg. Lüdicke als Berichterstatter vertheidigt den Kommissions-Entwurf des §. 1 , daß Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigem Umfange, das preußische Staatsgebiet bilden. Man müsse wohl anerkennen, daß den Einwohnern des Großherzogthums Posen polnischer Abkunft die wiederholt verheißene Reorganisation Seitens des Staats gewährt werden müsse, unbedenklich auch werde gewährt werden, daß aber jedenfalls an dieser Stelle, wo es sich lediglich vom Staatsgebiete handele, eine solche Erwähnung ungehörig erscheine, zumal auch jene Bewohner des Großherzogthums Posen den Wunsch, an der dem ganzen preußischen Staate zu gebenden Verfassung Theil zu nehmen, durch die Wahl und Entsendung der Abgeordneten zur gegenwärtigen Versammlung in Gemäßheit des Wahlgesetzes vom 8. April unzweideutig an den Tag gelegt hätten. Man war deßhalb der Meinung, daß der gewünschte Zusatz des §. 1. nicht passend, der späteren Erwägung aber anheimzugeben sei, ob an einer ander Stelle, etwa bei Art. 102, ein derartiger Vorbehalt zweckmäßig einzuschalten sein möchte.
Abg. Philipps: Denjenigen, die außerhalb des Großherzogthums Posen leben, die diese Sache nur objectiv auffassen, können nur nach einer grüundlichen Beurtheilung aller diesen Gegenstand betreffende Urkunden und Traktate sich darüber auslassen. Deshalb wäre es wünschenswerth gewesen, wir hätten zuvor die Berichte der zur Regulirung der Angelegenheit des Großherzogthums Posen niedergesetzte Kommission angehört. Da dies aber nun nicht so ist, so müssen wir uns schon heute auf eine nähere Diskussion einlassen. ‒ Er läßt sich alsdann darüber aus, daß die nichtdeutschen Volksstämme in Deutschland und in Preußen sich der Majorität unterordnen müssen, wenn man nur ihre Nationalitäten achte. Hier fragt sich aber nur, ob dem Großherzogthum Posen besondere Rechte zuzuertheilen seien, ob es eine besondere Konstitution erhalten müsse. ‒ Er untersucht hierauf die Urkunden von 1815 und meint, daß der Aufruf vom 15. Mai 1850, nicht nur an die Polen, sondern an die Bewohner im Allgemeinen erlassen sei. Die deutsche Bevölkerung schreibe sich schon von frühern Jahrhunderten her und demnach müsse der Aufruf doch an beide Nationalitäten gerichtet gewesen sein. ‒ Er hält es für eine ganz indifferente Frage, ob man von einer Personal- oder Staats-Union in Hinsicht des Großherzogthums sich entscheide. Hieraus zieht der Redner das Resultat, daß dem Großherzogthum zwar keine besondere Verfassung, aber doch besondere Rechte garantirt worden seien. Diese müssen heilig gehalten werden, und demnach ist er auch gegen die Demarkationslinie. Er stellt folgendes Amendement:
„Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem preußischen Staate eingeräumten besondern Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen.“
Abg. Arntz: Der Artikel 1 der Verfassung scheint keine große Debatte hervorrufen zu können, und in einem andern Staate würde auch gar kein Grund dazu vorliegen. Wir müssen aber bemühet
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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