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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 124. Köln, 24. Oktober 1848.

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zusammengehalten ist. Die frevelnde Hand einiger Empörer soll nicht dieses schöne Verhältniß lösen. Mein Vertrauen in euch steht unerschütterlich fest. An eurer Spitze sehe ich ruhig der Zukunft entgegen: denn wir haben Kampf und Sieg noch nicht verlernt. Es lebe der Kaiser! Es lebe das Vaterland! (Gez.) Graf Radetzky, Feldmarschall."

103 Berlin, 20. Octbr.

Wie wir gestern schon im Voraus mittheilten, hat die Rechte zum Schutze ihrer persönlichen Sicherheit durch den Abg. v. Meusebach folgenden "besonders dringenden Antrag" vor der Tagesordnung stellen lassen. Der Antrag lautet: "In Erwägung der vor den Ausgängen des Schauspielhauses in neuerer Zeit wiederholt vorgekommenen, die Würde der Versammlung verletzenden Excesse, ist das Ministerium zu ersuchen, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer und bis nach dem Schlusse der Sitzungen der Versammlungen mit gebührender Strenge (haarscharf geschliffenen Schwertern) gehandhabt werde."

Die Abgeordneten Waldeck und Esser haben folgenden Antrag zum 24. d. M. eingebracht: 1) Kein Erlaß kann als ein Gesetz gelten und als solches durch die Gesetzsammlung bekannt gemacht werden, welcher nicht von der konstituirenden Versammlung in Berlin beschlossen, angenommen, oder genehmigt worden ist. 2) Diejenigen Erlasse der Frankfurter Central-Gewalt oder verfassunggebenden Versammlung, welche innere Angelegenheiten der einzelnen Länder, namentlich Polizeiwesen und Strafgesetzgebung zum Gegenstande haben, können für Preußen erst durch die Genehmigung der preußischen Volksvertreter gesetzliche Geltung erlangen.

Das königliche Land- und Stadtgericht zu Pleschen hat auf die, durch mehrere Zeugenvernehmungen unterstützte Denunciation des Bürgermeisters Kart daselbst, gegen Justiz-Kammissarius und Notarins, zur Zeit Abgeordneten von Lisiecki die Kriminal-Untersuchung und Verhaftung, "wegen Theilnahme an der letzten Insurrektion im Großherzogthume Posen und wegen Majestätsbeleidigung unterm 4. August festgesetzt," demnächst die Genehmigung Seitens der Vereinbarer-Versammlung beantragt.

Da aber nach der Kabinetsordre vom 9. d. M. für alle in der Provinz Posen bis zum 1. Juli begangenen politischen und damit in Verbindung stehenden Vergehen und Verbrechen gegen Beamte, welche sich bei der Insurrektion betheiligt haben, keine härtere Strafe als die Dienstentlassung erkannt werden darf; demnach die schweren Strafen, womit das in Rede stehende Hauptvergehen nach den allgemeinen Landesgesetzen bedroht ist, also fortfallen; da ferner bei der in Folge der neuesten politischen Ereignisse eingetretenen allgemeinen Aufregung der Gemüther und dem sich mehr als je durch Wort und That kundgegebenen Streben aller Nationalität nach Freiheit, das Verfahren des Angeklagten seinen gehässigen Charakter verliert; da keine Gefahr der Flucht vorhanden, auch keine Besorgniß der Verdunkelung des Sachverhalts obwaltet, da der Beweis größtentheils erhoben ist; da endlich die Anträge der Kommission zur Untersuchung des Zwiespalts zwischen den Deutschen und Polen im Großherzogthum Posen Behufs Pacifikation desselben in nächster Zeit zu erwarten, wodurch vielleicht auch diese Untersuchung ihre Erledigung finden könnte: stellt die Petitionskommission den Antrag: "daß die vom Königl. Land- und Stadtgerichte zu Pleschen beantragte Genehmigung zur Einleitung der Kriminal-Untersuchung gegen den Abg. von Lisiecki, resp. zu dessen Verhaftung während der Dauer ihrer Sitzung nicht ertheilt werde."

Die Kommission zur Untersuchung der Zustände der Weber und Spinner hat über den Antrag des Abg. D'Ester, betreffend die Unterstützung der Weber und Spinner in der Grafschaft Ravensberg, heute ihren Bericht vertheilen lassen. Derselbe beantragt, das Ministerium zu ersuchen, diejenigen Geldmittel zu überweisen, welche erforderlich sind, um den ärmern Spinnern und Webern der Kreise Herford, Bielefeld, Halle, Minden, Lübbecke und Wiedenbrück lohnende, ihre Subsistenz sichernde Arbeit zu verschaffen.

103 Berlin, 20. Octbr.

Abends 7 Uhr. Soeben komme ich von dem großen feierlichen Leichenbegängnisse zurück. Die gefallenen Arbeiter sind so feierlich begraben worden, wie es Berlin noch nie sah. Man kann ohne Uebertreibung behaupten, daß der heutige Leichenzug den des 22. März übertraf. Auf der großen Freitreppe des Opernhauses waren die Särge mit den Leichen aufgestellt. Von 1 bis 3 Uhr dauerte der Anzug der (mehr als 60) verschiedenen Klubs, Gewerke, Landwehrmänner und der sämmtlichen Arbeiter. Ihre Zahl betrug über 30,000 Mann. Um 3 Uhr wurde der Zug vom bewaffneten Handwerkervereine eröffnet; dann folgte das Studenten-Corps; hierauf die Särge; alsdann die am 16. d. Verwundeten; hierauf der Central-Ausschuß der Demokraten Deutschlands, die Linke der National-Versammlung und so fort. Als sich die letzten Züge gegen 5 Uhr am Opernhause in Bewegung setzten, waren die ersten schon in dem weit vor der Stadt belegenen Jerusalemer Kirchhofe angekommen. Hier wurden von Abgeordneten der Linken (D'Ester, Waldeck, Jung, Gladbach) und Andern angemessene Reden gehalten. - Die demokratischen Klubs zogen gegen 6 Uhr mit Fackel nach der Stadt zurück, vor Mylius-Hotel und brachten der daselbst versammelten Linken ein dreimaliges donnerndes Lebehoch. Die Fackeln wurden alsdann auf dem Platze vor dem Sitzungssaale der Vereinbarer-Versammlung verbrannt, wobei der Rechten und der Majorität, welche gegen die feierliche Bestattung stimmten, ein Pereat mit obligater Katzenmusik gebracht wurde.

Die Abgeordneten der Linken haben zu den Kosten dieses Leichenzuges 400 Rthlr. gegeben. Der Magistrat hatte den Stadtverordneten vorgeschlagen, 200 Rthlr. zu den Kosten dieses Zuges beizutragen, aber auch dies wurde von den Letztern verweigert.

Der Polizei-Präsident hat seine Einwilligung zu dem Zuge, in der Art wie er stattfand, nicht geben wollen. Der Magistrat wollte ebenfalls den Begräbnißplatz auf dem Kirchhofe nicht bewilligen. Aber man sagte ihnen, daß trotz ihrer Weigerung, alles werde ausgeführt werden, wie es einmal angeordnet sei.

103 Berlin, 20. Oktober.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.

Dringender Antrag des Abgeordneten Krause. (Sagen.) Die Versammlung wolle beschließen: daß der von mir eingereichte Gesetz-Entwurf zur Einkommensteuer, entweder:
a) einer besonders zu erwählenden Kommission, aus jeder Abtheilung 2 Mitglieder, oder
b) der Fachkommission für Finanz- und Steuer-Angelegenheiten überwiesen werden und
c) daß diese Kommission vorzugsweise mit der Begutachtung, resp. dem Entwurfe eines derartigen Gesetzes sich beschäftigen möge. -

Die Versammlung beschließt, nachdem der Antragsteller den Passus ad a) fallen ließ, mit großer Majorität die Annahme des Antrages.

Dringender Antrag der Abgeordneten Bergmann und Pilot. Die Versammlung wolle beschließen: "Das hohe Staats-Ministerium zu ersuchen, den Zusammentritt von Communal-Landtagen, als solchen, nicht ferner zu dulden, und zur unumgänglich nöthigen Erledigung der unaufschiebbaren laufenden Geschäfte in anderer Weise Vorsorge zu treffen." - Es werden keine Einwürfe gegen die Dringlichkeit gemacht. -

Abg. Bergmann: Zum 6. November d. J. ist ein Kommunal-Landtag der Altmarkt ausgeschrieben worden, welcher in bisheriger Weise abgehalten werden soll. Die Bevölkerung der Altmarkt, namentlich die ländliche, ist dadurch in Besorgniß und Aufregung versetzt, und erwartet von der Versammlung die Beseitigung der aus dem Zusammentritt jener Korporation ihr drohenden Gefahr. Denn zu diesem Landtage gehört jeder Rittergutsbesitzer der Provinz, während nur 8 Abgeordnete der Städte und ein Abgeordneter aus der ländlichen Bevölkerung jedes Kreises. Die Zusammensetzung des Landtags läßt demnach die ganze Bevölkerung mit Ausnahme der Rittergutsbesitzer nichts gutes erwarten. -

Nachdem einige Abgeordnete für und gegen den Antrag gesprochen erhält der Abg. Pilet das Wort: Da die amtliche Zusammenberufung des Kommunallandtags in Zweifel gezogen worden ist, so werde ich Ihnen die vom 11. September datirte, vom damaligen Oberpräsidenten der Provinz Sachsen v. Bonin (der jetzt am Ministertische sitzt) erlassene Bekanntmachung mittheilen. (Er verliest dieselbe.) Der Kommunallandtag ist also zur Besorgung der laufenden Geschäfte zusammenberufen, welche aber so geringfügig sein müssen, vielleicht die Rechnungsablage und dergl, so sehe ich nicht ein, warum diese nicht vom Ministerium kommissarisch besorgt werden können.

Finanzminister Bonin: Die Zusammenberufung des Kommunallandtags war vorzugsweise deshalb nöthig um die Rechnungsabnahme über den Bau einer Chaussee, vorschriftsmäßig zu besorgen Das Ministerium wird einer Kommission, die dazu niedergesetzt würde, gern die nöthigen Mittheilungen machen.

Die Antragsteller modificiren ihren Antrag dahin, diese Angelegenheit einer Kommission zu überweisen. Mit großer Majorität angenommen. -

Dringende Interpellation des Abg.Pauckert: Am 17. Juni c. haben die Kreisstände des Zauch-Belziger Kreises beschlossen: eine halbjährige Klassensteuer einzuziehen um angeblich brodlos gewordenen Arbeitern Mittel zur Beschäftigung, namentlich bei vorzunehmenden Wegebauten, zu verschaffen. - Dieser Beschluß ist am 25. Juni c. von der Königl. Regierung bestätigt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des Gesetzes vom 24. Juli, wonach die Befugnisse der Kreisstände: Ausgaben beschließen zu können, aufgehoben wurden, den Kreis-Einsassen publizirt worden. - Da dieser Beschluß lediglich im Interesse Einzelner, besonders der wenigen großen Grundbesitzer gefaßt worden ist, so hat derselbe bei der sehr großen Mehrheit der Kreisbewohner durch seine Härte, sechs Monate hindurch die doppelte Klassensteuer in gegenwärtiger gedrückter Zeit aufbringen zu lassen, die größte Unzufriedenheit, ja Aufregung verursacht, und ist von den Vertretern sämmtlicher Stadt- und fast aller Landgemeinden dagegen auf's Entschiedenste protestirt worden. - In Betracht nun, daß das Gesetz vom 24. Juli c. alle am gedachten Tage noch nicht publizirten oder in Ausführung begriffenen Kreistagsbeschlüsse betrifft, erlaube ich mir das hohe Ministerium des Innern zu interpelliren: "ob dasselbe der Ansicht ist, daß diejenigen Beschlüsse der Kreisstände, die neue Steuer-Auflagen anordnen, für die Kreis-Einsassen auch dann bindende Kraft haben, wenn dieselben zwar kurze Zeit vor Emanation des Gesetzes vom 24. Juli c. gefaßt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des angeführten Gesetzes den Kreisbewohnern publizirt worden sind, und was dasselbe eventualiter zur Verhinderung der Ausführung des in Rede stehenden Beschlusses zu thun gedenkt?" -

Der Minister des Innern antwortet: daß, da der Beschluß der Kreisstände vor Erlassung des Gesetzes vom 24. Juli von der Regierung genehmigt wurde, so ist derselbe rechtsgültig und nicht wieder zurückzunehmen.

Der Interpellant kann sich damit nicht einverstanden erklären und wird in Folge dessen einen Antrag stellen. -

Das Ministerium hatte zum heutigen Tage, seinen Beschluß auf den Antrag des Abg. Pokrzywnicki, betreffend die Aufhebung des Belagerungszustandes der Stadt Posen, versprochen. - Der Minister-Präsident erklärte, daß der dorthin gesandte Kommissar vorgestern zurückgekehrt sei, dessen Berichte aber das Ministerium nicht veranlassen können, den Belagerungszustand aufzuheben. Das Ministerium legt die von Posen erhaltenen Schriftstücke vor und die Versammlung möge nun prüfen lassen, ob nach diesen Vorlagen der Belagerungszustand aufzuheben sei oder nicht. -

Nachdem mehrere Redner für und gegen die Zweckmäßigkeit des Fortbestehens des Belagerungszustandes, und welcher Kommission die eingereichten desfallsigen Vorlagen und Anträge zuzuweisen seien, gesprochen hatten, beschließt die Versammlung diese Angelegenheit der bereits bestehenden Kommission über die Posener Angelegenheit zur Berichterstattung zu überlassen. -

Hierauf geht die Versammlung zur Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über.

Waldeck, D'Ester und Elsner haben folgendes Amendement gestellt:
"Laudemien, Marktgroschen, Gewinngelder, überhaupt alle Abgaben irgend einer Art, welche von einem Grundstücke bei Besitzveränderungen oder Heirathen der Besitzer, sei es in herrschender oder dienender Hand, entrichtet werden müssen, sind ohne Entschädigung aufgehoben."

Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 203 gegen 131 Stimmen verworfen.

Jetzt kommt das Amendement Schulze (Delitsch) und Bucher zur Abstimmung: "Die Berechtigung der Obereigenthümer, Erbverpächter und Guts- oder Grundherren."
a. Besitzveränderungsabgaben irgend einer Art, namentlich Laudemien. bei Veränderungsfällen in der herrschenden Hand zu erheben, und ebenso b. bei Veränderungen in der dienenden Hand, sofern das verpflichtete Grundstück, sei es durch Vererbung (einschließlich der Erbschaftstheilung) oder durch Ueberlassung unter Lebenden an Verwandte des Besitzers in der auf- und absteigenden Linie, oder an Ehegatten oder Verlobte desselben übergeht; c. außerdem in allen Fällen der dienenden Hand, wenn die Verpflichtung nicht erweislich aus einem geschlossenen besondern Vertrage herrührt, sind ohne Entschädigung aufgehoben."

Mit 178 gegen 160 Stimmen angenommen.

Schluß der Sitzung.

103 Berlin, 21. Okt.

Sitzung der Vereinbarerversammlung.

Der Abg. Otto von Liegnitz übergiebt dem Präsidenten eine Petition des Liegnitzer Landwehrvereins; trotz der Mittheilung des Kriegsministers, daß die Landwehr nur in einigen Kreisen Schlesiens einberufen werden solle, geschieht dies dennoch nach und nach in fast allen Kreisen. Diese Einberufung hat in Liegnitz die größte Aufregung hervorgerufen und die einberufenen Landwehrmänner haben sich geweigert, sich einkleiden zu lassen. Die übergebene Petition bittet die Versammlung vermittelnd einzugreifen.

In Bezug der vielen eingegangenen Petitionen, welche von der Kommission gewöhnlich zur Uebergabe an die betreffenden Ministerien verwiesen werden, dies aber ohne Bewilligung der Versammlung nicht geschehen konnte, so beschließt die Versammlung, die Kommission zu beauftragen, die betreffenden Petitionen ohne Weiteres dem Ministerium zu überweisen.

Der Abg. v. Meusebach verliest hierauf seinen dringlichen Antrag, daß das Ministerium zu ersuchen sei, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer der Sitzung der Versammlung mit gebührender Strenge gehandhabt werde. Der Antragsteller fährt fort: Insulte, wie die vorgekommenen, gegen Abgeordnete verletzen die Würde der Versammlung, weil sie nicht gegen die Person, sondern gegen die Vertreter des Landes als solche und gegen die Meinungen gerichtet sind, welche die Vertreter des Volkes nach Ueberzeugung und Gewissen frei auszusprechen die Pflicht haben. Die vorgekommenen Exzesse stellen überdies die Versammlung unter den Schein der Unfreiheit, unter den Schein des Terrorismus der Massen. Das Land hat ein Recht zu verlangen, daß die Versammlung das ihrige thue, um auch diesen Schein zu beseitigen.

Von der linken Seite wird die Dringlichkeit bestritten und nach namentlicher Abstimmung auch mit 171 gegen 160 Stimmen verworfen. Der Antrag ist sonach in die Abtheilung verwiesen, wird aber deshalb vom Antragsteller zurückgenommen und fügt hinzu, daß trotz dieser Abstimmung, es die Pflicht der Minister sei, für die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung zu sorgen. Er spricht von Anarchie, die hier herrsche, welches großen Lärm und Widerspruch links hervorruft.

Minister des Innern: die Pflicht, an die wir wiederholt erinnert worden sind, liegt uns schwer am Herzen und wir wollen auch dafür sorgen, daß Schutzmänner (links: wir wollen keine) oder Bürgerwehr aufgestellt werden, um die Mitglieder zu schützen. Die Schwierigkeit einer durchgreifenden Polizeimaßregel liegt in der Organisation der Bürgerwehr. Wir werden aber alles mögliche thun, um dem Verlangen der Minorität nachezukommen.

Hierauf wird die Tribüne von Abgeordneten bestürmt, welche alle persönliche Bemerkungen machen wollen. Abg. Schramm sagte: Die Versammlung hat sich unter den Schutz der Versammlung gestellt, trotzdem ist in den Kellern dieses Hauses Bürgerwehr versteckt, wir wollen aber gar keinen Schutz.

Abg. Schmidt aus Beeskow erzählt, daß er Volksredner gehört habe, welche die Linke das Haupt nenne und das Volk die Glieder. Wie könnte also das Haupt die Glieder fallen lassen? - In diesem Tone fährt er unter Gelächter und Mißfallensbezeugungen fort.

Abg. Waldeck, daß der Minister gegen den Beschluß der Versammlung keine Polizeimaßregeln treffen dürfe. Die Majorität hat sich entschieden dagegen erklärt.

Abg. Jung protestirt als Abgeordneter der Stadt Berlin gegen den Ausdruck des Abg. Meusebach, daß in Berlin Anarchie herrsche. Davon weiß wohl bloß der Redner.

Abg. Krause. (Sagan) Ich war Mitglied des vereinigten Landtags, des vereinigten Ausschusses und bin auch vom Anfang an in dieser Versammlung gewesen, ich bin aber hier noch nie im Geringsten insultirt worden; wahrscheinlich liege es daher an dem. eigenen Benehmen der Abgeordneten, daß sie insultirt wurden (Dies bringt einen ungeheuren Sturm zur Rechten hervor und der Präsident Grabow, der selbst zur äußersten Rechten gehört, rief den Redner zur Ordnung. Da verlangte man von der Linken auch den Ordnungsruf gegen den Abg. Schmidt. Große Aufregung.)

Der Minister des Innern wiederholt, daß er es für seine Pflicht halte, die Ordnung auf allen Straßen und Plätzen zu erhalten.

Der Präsident Grabow, der sich bei dieser ganzen Angelegenheit sehr parteiisch benimmt, sucht die Versammlung endlich zu beruhigen.

Dringende Interpellation des Abgeordneten Feierabend und Richter: Die öffentlichen Blätter ergeben, daß einem in Heidelberg wohnnden Agenten die Veräußerung der pachtlos werdenden Domänen an Bewohner aus den südwestlichen Provinzen des preußischen Staats und aus dem südlichen Deutschland überhaupt übertragen worden ist; das Ministerium wolle daher erklären: ob und aus welchen Gründen die Bewohner der östlichen Provinzen von der Theilnahme an der Kolonisation auf den Domänen ausgeschlossen sind?

Der Minister will in acht Tagen genaue Auskunft ertheilen, da er erst Berichte über diesen Fall einholen will.

Hierauf kommt die schleunige Interpellation des Abg. Phillips: Das Staatsministerium wolle sich darüber äußern: ob es von den blutigen Vorgängen in Elbing am 15. Oktober bereits amtliche Kenntniß erhalten habe, und welche Maßregeln es in Bezug auf dieses Ereigniß zu ergreifen Willens sei.

Der Abg. Phillips erklärt den Hergang dieser Ereignisse sehr ausführlich. Der Königsberger Preußenverein, dessen Programm den Satz enthält: "Die Regierung rechnet auf uns", hat einen Zweigverein in Elbing gegründet. Dieselben Personen, welche vor einigen Wochen eine Emeute machten, wurden jeht die thätigsten Mitglieder des Preußenvereins. Er verlangte zum Geburtstage des Königs einen großen Aufzug und Illumination. Letztere wurde vom Magistrat nicht bewilligt, da er die Folgen voraussah und theilte daher seine Ansichten der Bevölkerung in einer Bekanntmachung mit. Die Aufwiegler drangen am Abend jedoch auf Illumination und zerstörten mehrere Häuser, welche nicht illuminirt waren. Die Bürgerwehr mußte einschreiten und es hat mehrere Menschenleben gekostet. Das Ministerium müsse daher eine strenge Untersuchung anordnen, damit den Heuchlern, die den Namen des Königs mißbrauchen, die Larve vom Gesichte gerissen, daß dem wühlerischen Treiben der reaktionären Partei entgegengetreten und dieser Natter endlich der Kopf zertreten werde.

Der Minister des Innern erklärt, daß er bereits Berichte über diesen Vorfall erhalten, daß eine Untersuchung eingeleitet und daß er von dem Satze des Preußenverein-Programms: "die Regierung rechnet auf uns" nichts wisse.

Im Laufe der Sitzung hat der Abg. Waldeck eine dringende Interpellation eingereicht, welche auch von der Majorität als dringend anerkannt wird. Der Baurath Helft hat nämlich heute Morgen an den Arbeitsstellen auf dem Köpnicker Felde eine Bekanntmachung erlassen, wonach heute 100 Arbeiter entlassen werden sollen, als eine Ahndung für die am 12. d. M. stattgefundene Zerstörung einer Maschine. Außerdem wäre die gerichtliche Untersuchung gegen diejenigen eingeleitet, welche sich bei der Zerstörung der Maschiene betheiligt hatten. Die Schuldigen würden entlassen werden, nachdem dieser Vorfall in ihren Arbeitsbüchern vermerkt worden. Endlich wird den Arbeitern angekündigt, daß ihnen für die, im Laufe dieser Woche versäumten Arbeitsstunden kein Lohn könne ausgezahlt werden, da sogar die National-Versammlung über diesen Punkt hinweggegangen sei, ohne ihn dem Ministerium zu empfehlen.

Der Abg. Waldeck interpellirt nun den Minister darüber, wie man ohne Weiteres in der jetzt so aufgeregten Zeit, wo es der Berliner Bevölkerung kaum gelungen, die Einigkeit und die Ruhe wieder herzustellen - 100 Arbeiter als Ahndung der Zerstörung der Maschiene entlassen könne? Wie man die alte Decimirungsstrafe anwenden und schuldige oder unschuldige gemeinsam mit einander entlassen könne, da dies nur wieder Unruhen hervorbringen werde. Was ist ein solches Plakat anders, als eine Aufforderung zum Aufruhr?

Der Minister Bonin hält alles Angeordnete für nothwendig. Die hundert Arbeiter müssen entlassen werden, weil keine Arbeit für sie da sei.

Der Abg. Behrends wird in Folge dieser Antwort einen Antrag stellen. Die Prioritätskommission hat über dessen Zulassung zu entscheiden. Während der Entscheidung wird Nr. 6 und 8 des §. 1. des Gesetzes wegen unentgeldlicher Aufhebung der Feudallasten angenommen.

Die Prioritäts-Kommission erkennt die Dringlichkeit des Behrendsschen Antrages an. Er lautet: "Die hohe Versammlung möge beschließen, das Staatsministerium zu ersuchen, die heute durch den Baurath Helft angekündigte Entlassung der Arbeiter zu suspendiren." Zur Motivirung der Dringlichkeit weist der Abg. Behrends auf den Widerspruch hin, zwischen der heutigen Erklärung des Ministeriums und der Bekanntmachung des Bauraths Helft. Die letztere stellt die Arbeitseinstellung als Strafe hin. Man wird begreifen, welche Aufregung jede Strafandrohung hervorruft.

Abg. Tamnau erklärt sich gegen die Dringlichkeit. Er glaubt nicht, daß eine Angelegenheit der Berliner Arbeiter wichtiger ist, als die des ganzen Landes, die hier zu berathen sind. Die Sache ist eine Verwaltungsmaßregel, die den Ministern überlassen bleiben muß.

Abg. Temme: Ich halte die Sache für sehr dringend, (von der Rechten: Ja!) ja, trotz ihres ironischen Ja! Ich will nicht auf diese Einführung eines neuen Strafsystems aufmerksam machen, auf diese Dezimirung armer Arbeiter; ich will nicht aufmerksam machen darauf, daß, wer die Macht hat, nachgiebig sein muß; ich erinnere daran, daß das Ministerium Pfuel unter dem Schutz von 50,000 Bajonnetten aufgetreten ist. Muß man da nicht denken, daß dies Alles Werk der Reaktion sei? Erwägen Sie, welche Folgen die Erklärung des Ministerium haben kann, und wenn Sie es wohl mit dem Vaterland meinen, so werden Sie dem Antrage beistimmen.

Abg. v. Kirchmann: Ich und meine politischen Freunde (die Partei Rodbertus-Berg) sind allerdings der Ansicht, daß die Sache eine Verwaltungsmaßregel ist, und wenn wir auch nicht zugestehen, daß die Besprechung der Verwaltungsmaßregel dieser Versammlung entgegen ist, wenn wir auch glauben, daß der Ausdruck Ahndung in der öffentlichen Bekanntmachung nicht glücklich gewählt ist, wenn wir auch den jetzigen Zeitpunkt für die Ausführung dieser

zusammengehalten ist. Die frevelnde Hand einiger Empörer soll nicht dieses schöne Verhältniß lösen. Mein Vertrauen in euch steht unerschütterlich fest. An eurer Spitze sehe ich ruhig der Zukunft entgegen: denn wir haben Kampf und Sieg noch nicht verlernt. Es lebe der Kaiser! Es lebe das Vaterland! (Gez.) Graf Radetzky, Feldmarschall.“

103 Berlin, 20. Octbr.

Wie wir gestern schon im Voraus mittheilten, hat die Rechte zum Schutze ihrer persönlichen Sicherheit durch den Abg. v. Meusebach folgenden „besonders dringenden Antrag“ vor der Tagesordnung stellen lassen. Der Antrag lautet: „In Erwägung der vor den Ausgängen des Schauspielhauses in neuerer Zeit wiederholt vorgekommenen, die Würde der Versammlung verletzenden Excesse, ist das Ministerium zu ersuchen, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer und bis nach dem Schlusse der Sitzungen der Versammlungen mit gebührender Strenge (haarscharf geschliffenen Schwertern) gehandhabt werde.“

Die Abgeordneten Waldeck und Esser haben folgenden Antrag zum 24. d. M. eingebracht: 1) Kein Erlaß kann als ein Gesetz gelten und als solches durch die Gesetzsammlung bekannt gemacht werden, welcher nicht von der konstituirenden Versammlung in Berlin beschlossen, angenommen, oder genehmigt worden ist. 2) Diejenigen Erlasse der Frankfurter Central-Gewalt oder verfassunggebenden Versammlung, welche innere Angelegenheiten der einzelnen Länder, namentlich Polizeiwesen und Strafgesetzgebung zum Gegenstande haben, können für Preußen erst durch die Genehmigung der preußischen Volksvertreter gesetzliche Geltung erlangen.

Das königliche Land- und Stadtgericht zu Pleschen hat auf die, durch mehrere Zeugenvernehmungen unterstützte Denunciation des Bürgermeisters Kart daselbst, gegen Justiz-Kammissarius und Notarins, zur Zeit Abgeordneten von Lisiecki die Kriminal-Untersuchung und Verhaftung, „wegen Theilnahme an der letzten Insurrektion im Großherzogthume Posen und wegen Majestätsbeleidigung unterm 4. August festgesetzt,“ demnächst die Genehmigung Seitens der Vereinbarer-Versammlung beantragt.

Da aber nach der Kabinetsordre vom 9. d. M. für alle in der Provinz Posen bis zum 1. Juli begangenen politischen und damit in Verbindung stehenden Vergehen und Verbrechen gegen Beamte, welche sich bei der Insurrektion betheiligt haben, keine härtere Strafe als die Dienstentlassung erkannt werden darf; demnach die schweren Strafen, womit das in Rede stehende Hauptvergehen nach den allgemeinen Landesgesetzen bedroht ist, also fortfallen; da ferner bei der in Folge der neuesten politischen Ereignisse eingetretenen allgemeinen Aufregung der Gemüther und dem sich mehr als je durch Wort und That kundgegebenen Streben aller Nationalität nach Freiheit, das Verfahren des Angeklagten seinen gehässigen Charakter verliert; da keine Gefahr der Flucht vorhanden, auch keine Besorgniß der Verdunkelung des Sachverhalts obwaltet, da der Beweis größtentheils erhoben ist; da endlich die Anträge der Kommission zur Untersuchung des Zwiespalts zwischen den Deutschen und Polen im Großherzogthum Posen Behufs Pacifikation desselben in nächster Zeit zu erwarten, wodurch vielleicht auch diese Untersuchung ihre Erledigung finden könnte: stellt die Petitionskommission den Antrag: „daß die vom Königl. Land- und Stadtgerichte zu Pleschen beantragte Genehmigung zur Einleitung der Kriminal-Untersuchung gegen den Abg. von Lisiecki, resp. zu dessen Verhaftung während der Dauer ihrer Sitzung nicht ertheilt werde.“

Die Kommission zur Untersuchung der Zustände der Weber und Spinner hat über den Antrag des Abg. D'Ester, betreffend die Unterstützung der Weber und Spinner in der Grafschaft Ravensberg, heute ihren Bericht vertheilen lassen. Derselbe beantragt, das Ministerium zu ersuchen, diejenigen Geldmittel zu überweisen, welche erforderlich sind, um den ärmern Spinnern und Webern der Kreise Herford, Bielefeld, Halle, Minden, Lübbecke und Wiedenbrück lohnende, ihre Subsistenz sichernde Arbeit zu verschaffen.

103 Berlin, 20. Octbr.

Abends 7 Uhr. Soeben komme ich von dem großen feierlichen Leichenbegängnisse zurück. Die gefallenen Arbeiter sind so feierlich begraben worden, wie es Berlin noch nie sah. Man kann ohne Uebertreibung behaupten, daß der heutige Leichenzug den des 22. März übertraf. Auf der großen Freitreppe des Opernhauses waren die Särge mit den Leichen aufgestellt. Von 1 bis 3 Uhr dauerte der Anzug der (mehr als 60) verschiedenen Klubs, Gewerke, Landwehrmänner und der sämmtlichen Arbeiter. Ihre Zahl betrug über 30,000 Mann. Um 3 Uhr wurde der Zug vom bewaffneten Handwerkervereine eröffnet; dann folgte das Studenten-Corps; hierauf die Särge; alsdann die am 16. d. Verwundeten; hierauf der Central-Ausschuß der Demokraten Deutschlands, die Linke der National-Versammlung und so fort. Als sich die letzten Züge gegen 5 Uhr am Opernhause in Bewegung setzten, waren die ersten schon in dem weit vor der Stadt belegenen Jerusalemer Kirchhofe angekommen. Hier wurden von Abgeordneten der Linken (D'Ester, Waldeck, Jung, Gladbach) und Andern angemessene Reden gehalten. ‒ Die demokratischen Klubs zogen gegen 6 Uhr mit Fackel nach der Stadt zurück, vor Mylius-Hotel und brachten der daselbst versammelten Linken ein dreimaliges donnerndes Lebehoch. Die Fackeln wurden alsdann auf dem Platze vor dem Sitzungssaale der Vereinbarer-Versammlung verbrannt, wobei der Rechten und der Majorität, welche gegen die feierliche Bestattung stimmten, ein Pereat mit obligater Katzenmusik gebracht wurde.

Die Abgeordneten der Linken haben zu den Kosten dieses Leichenzuges 400 Rthlr. gegeben. Der Magistrat hatte den Stadtverordneten vorgeschlagen, 200 Rthlr. zu den Kosten dieses Zuges beizutragen, aber auch dies wurde von den Letztern verweigert.

Der Polizei-Präsident hat seine Einwilligung zu dem Zuge, in der Art wie er stattfand, nicht geben wollen. Der Magistrat wollte ebenfalls den Begräbnißplatz auf dem Kirchhofe nicht bewilligen. Aber man sagte ihnen, daß trotz ihrer Weigerung, alles werde ausgeführt werden, wie es einmal angeordnet sei.

103 Berlin, 20. Oktober.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.

Dringender Antrag des Abgeordneten Krause. (Sagen.) Die Versammlung wolle beschließen: daß der von mir eingereichte Gesetz-Entwurf zur Einkommensteuer, entweder:
a) einer besonders zu erwählenden Kommission, aus jeder Abtheilung 2 Mitglieder, oder
b) der Fachkommission für Finanz- und Steuer-Angelegenheiten überwiesen werden und
c) daß diese Kommission vorzugsweise mit der Begutachtung, resp. dem Entwurfe eines derartigen Gesetzes sich beschäftigen möge. ‒

Die Versammlung beschließt, nachdem der Antragsteller den Passus ad a) fallen ließ, mit großer Majorität die Annahme des Antrages.

Dringender Antrag der Abgeordneten Bergmann und Pilot. Die Versammlung wolle beschließen: „Das hohe Staats-Ministerium zu ersuchen, den Zusammentritt von Communal-Landtagen, als solchen, nicht ferner zu dulden, und zur unumgänglich nöthigen Erledigung der unaufschiebbaren laufenden Geschäfte in anderer Weise Vorsorge zu treffen.“ ‒ Es werden keine Einwürfe gegen die Dringlichkeit gemacht. ‒

Abg. Bergmann: Zum 6. November d. J. ist ein Kommunal-Landtag der Altmarkt ausgeschrieben worden, welcher in bisheriger Weise abgehalten werden soll. Die Bevölkerung der Altmarkt, namentlich die ländliche, ist dadurch in Besorgniß und Aufregung versetzt, und erwartet von der Versammlung die Beseitigung der aus dem Zusammentritt jener Korporation ihr drohenden Gefahr. Denn zu diesem Landtage gehört jeder Rittergutsbesitzer der Provinz, während nur 8 Abgeordnete der Städte und ein Abgeordneter aus der ländlichen Bevölkerung jedes Kreises. Die Zusammensetzung des Landtags läßt demnach die ganze Bevölkerung mit Ausnahme der Rittergutsbesitzer nichts gutes erwarten. ‒

Nachdem einige Abgeordnete für und gegen den Antrag gesprochen erhält der Abg. Pilet das Wort: Da die amtliche Zusammenberufung des Kommunallandtags in Zweifel gezogen worden ist, so werde ich Ihnen die vom 11. September datirte, vom damaligen Oberpräsidenten der Provinz Sachsen v. Bonin (der jetzt am Ministertische sitzt) erlassene Bekanntmachung mittheilen. (Er verliest dieselbe.) Der Kommunallandtag ist also zur Besorgung der laufenden Geschäfte zusammenberufen, welche aber so geringfügig sein müssen, vielleicht die Rechnungsablage und dergl, so sehe ich nicht ein, warum diese nicht vom Ministerium kommissarisch besorgt werden können.

Finanzminister Bonin: Die Zusammenberufung des Kommunallandtags war vorzugsweise deshalb nöthig um die Rechnungsabnahme über den Bau einer Chaussee, vorschriftsmäßig zu besorgen Das Ministerium wird einer Kommission, die dazu niedergesetzt würde, gern die nöthigen Mittheilungen machen.

Die Antragsteller modificiren ihren Antrag dahin, diese Angelegenheit einer Kommission zu überweisen. Mit großer Majorität angenommen. ‒

Dringende Interpellation des Abg.Pauckert: Am 17. Juni c. haben die Kreisstände des Zauch-Belziger Kreises beschlossen: eine halbjährige Klassensteuer einzuziehen um angeblich brodlos gewordenen Arbeitern Mittel zur Beschäftigung, namentlich bei vorzunehmenden Wegebauten, zu verschaffen. ‒ Dieser Beschluß ist am 25. Juni c. von der Königl. Regierung bestätigt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des Gesetzes vom 24. Juli, wonach die Befugnisse der Kreisstände: Ausgaben beschließen zu können, aufgehoben wurden, den Kreis-Einsassen publizirt worden. ‒ Da dieser Beschluß lediglich im Interesse Einzelner, besonders der wenigen großen Grundbesitzer gefaßt worden ist, so hat derselbe bei der sehr großen Mehrheit der Kreisbewohner durch seine Härte, sechs Monate hindurch die doppelte Klassensteuer in gegenwärtiger gedrückter Zeit aufbringen zu lassen, die größte Unzufriedenheit, ja Aufregung verursacht, und ist von den Vertretern sämmtlicher Stadt- und fast aller Landgemeinden dagegen auf's Entschiedenste protestirt worden. ‒ In Betracht nun, daß das Gesetz vom 24. Juli c. alle am gedachten Tage noch nicht publizirten oder in Ausführung begriffenen Kreistagsbeschlüsse betrifft, erlaube ich mir das hohe Ministerium des Innern zu interpelliren: „ob dasselbe der Ansicht ist, daß diejenigen Beschlüsse der Kreisstände, die neue Steuer-Auflagen anordnen, für die Kreis-Einsassen auch dann bindende Kraft haben, wenn dieselben zwar kurze Zeit vor Emanation des Gesetzes vom 24. Juli c. gefaßt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des angeführten Gesetzes den Kreisbewohnern publizirt worden sind, und was dasselbe eventualiter zur Verhinderung der Ausführung des in Rede stehenden Beschlusses zu thun gedenkt?“ ‒

Der Minister des Innern antwortet: daß, da der Beschluß der Kreisstände vor Erlassung des Gesetzes vom 24. Juli von der Regierung genehmigt wurde, so ist derselbe rechtsgültig und nicht wieder zurückzunehmen.

Der Interpellant kann sich damit nicht einverstanden erklären und wird in Folge dessen einen Antrag stellen. ‒

Das Ministerium hatte zum heutigen Tage, seinen Beschluß auf den Antrag des Abg. Pokrzywnicki, betreffend die Aufhebung des Belagerungszustandes der Stadt Posen, versprochen. ‒ Der Minister-Präsident erklärte, daß der dorthin gesandte Kommissar vorgestern zurückgekehrt sei, dessen Berichte aber das Ministerium nicht veranlassen können, den Belagerungszustand aufzuheben. Das Ministerium legt die von Posen erhaltenen Schriftstücke vor und die Versammlung möge nun prüfen lassen, ob nach diesen Vorlagen der Belagerungszustand aufzuheben sei oder nicht. ‒

Nachdem mehrere Redner für und gegen die Zweckmäßigkeit des Fortbestehens des Belagerungszustandes, und welcher Kommission die eingereichten desfallsigen Vorlagen und Anträge zuzuweisen seien, gesprochen hatten, beschließt die Versammlung diese Angelegenheit der bereits bestehenden Kommission über die Posener Angelegenheit zur Berichterstattung zu überlassen. ‒

Hierauf geht die Versammlung zur Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über.

Waldeck, D'Ester und Elsner haben folgendes Amendement gestellt:
„Laudemien, Marktgroschen, Gewinngelder, überhaupt alle Abgaben irgend einer Art, welche von einem Grundstücke bei Besitzveränderungen oder Heirathen der Besitzer, sei es in herrschender oder dienender Hand, entrichtet werden müssen, sind ohne Entschädigung aufgehoben.“

Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 203 gegen 131 Stimmen verworfen.

Jetzt kommt das Amendement Schulze (Delitsch) und Bucher zur Abstimmung: „Die Berechtigung der Obereigenthümer, Erbverpächter und Guts- oder Grundherren.“
a. Besitzveränderungsabgaben irgend einer Art, namentlich Laudemien. bei Veränderungsfällen in der herrschenden Hand zu erheben, und ebenso b. bei Veränderungen in der dienenden Hand, sofern das verpflichtete Grundstück, sei es durch Vererbung (einschließlich der Erbschaftstheilung) oder durch Ueberlassung unter Lebenden an Verwandte des Besitzers in der auf- und absteigenden Linie, oder an Ehegatten oder Verlobte desselben übergeht; c. außerdem in allen Fällen der dienenden Hand, wenn die Verpflichtung nicht erweislich aus einem geschlossenen besondern Vertrage herrührt, sind ohne Entschädigung aufgehoben.“

Mit 178 gegen 160 Stimmen angenommen.

Schluß der Sitzung.

103 Berlin, 21. Okt.

Sitzung der Vereinbarerversammlung.

Der Abg. Otto von Liegnitz übergiebt dem Präsidenten eine Petition des Liegnitzer Landwehrvereins; trotz der Mittheilung des Kriegsministers, daß die Landwehr nur in einigen Kreisen Schlesiens einberufen werden solle, geschieht dies dennoch nach und nach in fast allen Kreisen. Diese Einberufung hat in Liegnitz die größte Aufregung hervorgerufen und die einberufenen Landwehrmänner haben sich geweigert, sich einkleiden zu lassen. Die übergebene Petition bittet die Versammlung vermittelnd einzugreifen.

In Bezug der vielen eingegangenen Petitionen, welche von der Kommission gewöhnlich zur Uebergabe an die betreffenden Ministerien verwiesen werden, dies aber ohne Bewilligung der Versammlung nicht geschehen konnte, so beschließt die Versammlung, die Kommission zu beauftragen, die betreffenden Petitionen ohne Weiteres dem Ministerium zu überweisen.

Der Abg. v. Meusebach verliest hierauf seinen dringlichen Antrag, daß das Ministerium zu ersuchen sei, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer der Sitzung der Versammlung mit gebührender Strenge gehandhabt werde. Der Antragsteller fährt fort: Insulte, wie die vorgekommenen, gegen Abgeordnete verletzen die Würde der Versammlung, weil sie nicht gegen die Person, sondern gegen die Vertreter des Landes als solche und gegen die Meinungen gerichtet sind, welche die Vertreter des Volkes nach Ueberzeugung und Gewissen frei auszusprechen die Pflicht haben. Die vorgekommenen Exzesse stellen überdies die Versammlung unter den Schein der Unfreiheit, unter den Schein des Terrorismus der Massen. Das Land hat ein Recht zu verlangen, daß die Versammlung das ihrige thue, um auch diesen Schein zu beseitigen.

Von der linken Seite wird die Dringlichkeit bestritten und nach namentlicher Abstimmung auch mit 171 gegen 160 Stimmen verworfen. Der Antrag ist sonach in die Abtheilung verwiesen, wird aber deshalb vom Antragsteller zurückgenommen und fügt hinzu, daß trotz dieser Abstimmung, es die Pflicht der Minister sei, für die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung zu sorgen. Er spricht von Anarchie, die hier herrsche, welches großen Lärm und Widerspruch links hervorruft.

Minister des Innern: die Pflicht, an die wir wiederholt erinnert worden sind, liegt uns schwer am Herzen und wir wollen auch dafür sorgen, daß Schutzmänner (links: wir wollen keine) oder Bürgerwehr aufgestellt werden, um die Mitglieder zu schützen. Die Schwierigkeit einer durchgreifenden Polizeimaßregel liegt in der Organisation der Bürgerwehr. Wir werden aber alles mögliche thun, um dem Verlangen der Minorität nachezukommen.

Hierauf wird die Tribüne von Abgeordneten bestürmt, welche alle persönliche Bemerkungen machen wollen. Abg. Schramm sagte: Die Versammlung hat sich unter den Schutz der Versammlung gestellt, trotzdem ist in den Kellern dieses Hauses Bürgerwehr versteckt, wir wollen aber gar keinen Schutz.

Abg. Schmidt aus Beeskow erzählt, daß er Volksredner gehört habe, welche die Linke das Haupt nenne und das Volk die Glieder. Wie könnte also das Haupt die Glieder fallen lassen? ‒ In diesem Tone fährt er unter Gelächter und Mißfallensbezeugungen fort.

Abg. Waldeck, daß der Minister gegen den Beschluß der Versammlung keine Polizeimaßregeln treffen dürfe. Die Majorität hat sich entschieden dagegen erklärt.

Abg. Jung protestirt als Abgeordneter der Stadt Berlin gegen den Ausdruck des Abg. Meusebach, daß in Berlin Anarchie herrsche. Davon weiß wohl bloß der Redner.

Abg. Krause. (Sagan) Ich war Mitglied des vereinigten Landtags, des vereinigten Ausschusses und bin auch vom Anfang an in dieser Versammlung gewesen, ich bin aber hier noch nie im Geringsten insultirt worden; wahrscheinlich liege es daher an dem. eigenen Benehmen der Abgeordneten, daß sie insultirt wurden (Dies bringt einen ungeheuren Sturm zur Rechten hervor und der Präsident Grabow, der selbst zur äußersten Rechten gehört, rief den Redner zur Ordnung. Da verlangte man von der Linken auch den Ordnungsruf gegen den Abg. Schmidt. Große Aufregung.)

Der Minister des Innern wiederholt, daß er es für seine Pflicht halte, die Ordnung auf allen Straßen und Plätzen zu erhalten.

Der Präsident Grabow, der sich bei dieser ganzen Angelegenheit sehr parteiisch benimmt, sucht die Versammlung endlich zu beruhigen.

Dringende Interpellation des Abgeordneten Feierabend und Richter: Die öffentlichen Blätter ergeben, daß einem in Heidelberg wohnnden Agenten die Veräußerung der pachtlos werdenden Domänen an Bewohner aus den südwestlichen Provinzen des preußischen Staats und aus dem südlichen Deutschland überhaupt übertragen worden ist; das Ministerium wolle daher erklären: ob und aus welchen Gründen die Bewohner der östlichen Provinzen von der Theilnahme an der Kolonisation auf den Domänen ausgeschlossen sind?

Der Minister will in acht Tagen genaue Auskunft ertheilen, da er erst Berichte über diesen Fall einholen will.

Hierauf kommt die schleunige Interpellation des Abg. Phillips: Das Staatsministerium wolle sich darüber äußern: ob es von den blutigen Vorgängen in Elbing am 15. Oktober bereits amtliche Kenntniß erhalten habe, und welche Maßregeln es in Bezug auf dieses Ereigniß zu ergreifen Willens sei.

Der Abg. Phillips erklärt den Hergang dieser Ereignisse sehr ausführlich. Der Königsberger Preußenverein, dessen Programm den Satz enthält: „Die Regierung rechnet auf uns“, hat einen Zweigverein in Elbing gegründet. Dieselben Personen, welche vor einigen Wochen eine Emeute machten, wurden jeht die thätigsten Mitglieder des Preußenvereins. Er verlangte zum Geburtstage des Königs einen großen Aufzug und Illumination. Letztere wurde vom Magistrat nicht bewilligt, da er die Folgen voraussah und theilte daher seine Ansichten der Bevölkerung in einer Bekanntmachung mit. Die Aufwiegler drangen am Abend jedoch auf Illumination und zerstörten mehrere Häuser, welche nicht illuminirt waren. Die Bürgerwehr mußte einschreiten und es hat mehrere Menschenleben gekostet. Das Ministerium müsse daher eine strenge Untersuchung anordnen, damit den Heuchlern, die den Namen des Königs mißbrauchen, die Larve vom Gesichte gerissen, daß dem wühlerischen Treiben der reaktionären Partei entgegengetreten und dieser Natter endlich der Kopf zertreten werde.

Der Minister des Innern erklärt, daß er bereits Berichte über diesen Vorfall erhalten, daß eine Untersuchung eingeleitet und daß er von dem Satze des Preußenverein-Programms: „die Regierung rechnet auf uns“ nichts wisse.

Im Laufe der Sitzung hat der Abg. Waldeck eine dringende Interpellation eingereicht, welche auch von der Majorität als dringend anerkannt wird. Der Baurath Helft hat nämlich heute Morgen an den Arbeitsstellen auf dem Köpnicker Felde eine Bekanntmachung erlassen, wonach heute 100 Arbeiter entlassen werden sollen, als eine Ahndung für die am 12. d. M. stattgefundene Zerstörung einer Maschine. Außerdem wäre die gerichtliche Untersuchung gegen diejenigen eingeleitet, welche sich bei der Zerstörung der Maschiene betheiligt hatten. Die Schuldigen würden entlassen werden, nachdem dieser Vorfall in ihren Arbeitsbüchern vermerkt worden. Endlich wird den Arbeitern angekündigt, daß ihnen für die, im Laufe dieser Woche versäumten Arbeitsstunden kein Lohn könne ausgezahlt werden, da sogar die National-Versammlung über diesen Punkt hinweggegangen sei, ohne ihn dem Ministerium zu empfehlen.

Der Abg. Waldeck interpellirt nun den Minister darüber, wie man ohne Weiteres in der jetzt so aufgeregten Zeit, wo es der Berliner Bevölkerung kaum gelungen, die Einigkeit und die Ruhe wieder herzustellen ‒ 100 Arbeiter als Ahndung der Zerstörung der Maschiene entlassen könne? Wie man die alte Decimirungsstrafe anwenden und schuldige oder unschuldige gemeinsam mit einander entlassen könne, da dies nur wieder Unruhen hervorbringen werde. Was ist ein solches Plakat anders, als eine Aufforderung zum Aufruhr?

Der Minister Bonin hält alles Angeordnete für nothwendig. Die hundert Arbeiter müssen entlassen werden, weil keine Arbeit für sie da sei.

Der Abg. Behrends wird in Folge dieser Antwort einen Antrag stellen. Die Prioritätskommission hat über dessen Zulassung zu entscheiden. Während der Entscheidung wird Nr. 6 und 8 des §. 1. des Gesetzes wegen unentgeldlicher Aufhebung der Feudallasten angenommen.

Die Prioritäts-Kommission erkennt die Dringlichkeit des Behrendsschen Antrages an. Er lautet: „Die hohe Versammlung möge beschließen, das Staatsministerium zu ersuchen, die heute durch den Baurath Helft angekündigte Entlassung der Arbeiter zu suspendiren.“ Zur Motivirung der Dringlichkeit weist der Abg. Behrends auf den Widerspruch hin, zwischen der heutigen Erklärung des Ministeriums und der Bekanntmachung des Bauraths Helft. Die letztere stellt die Arbeitseinstellung als Strafe hin. Man wird begreifen, welche Aufregung jede Strafandrohung hervorruft.

Abg. Tamnau erklärt sich gegen die Dringlichkeit. Er glaubt nicht, daß eine Angelegenheit der Berliner Arbeiter wichtiger ist, als die des ganzen Landes, die hier zu berathen sind. Die Sache ist eine Verwaltungsmaßregel, die den Ministern überlassen bleiben muß.

Abg. Temme: Ich halte die Sache für sehr dringend, (von der Rechten: Ja!) ja, trotz ihres ironischen Ja! Ich will nicht auf diese Einführung eines neuen Strafsystems aufmerksam machen, auf diese Dezimirung armer Arbeiter; ich will nicht aufmerksam machen darauf, daß, wer die Macht hat, nachgiebig sein muß; ich erinnere daran, daß das Ministerium Pfuel unter dem Schutz von 50,000 Bajonnetten aufgetreten ist. Muß man da nicht denken, daß dies Alles Werk der Reaktion sei? Erwägen Sie, welche Folgen die Erklärung des Ministerium haben kann, und wenn Sie es wohl mit dem Vaterland meinen, so werden Sie dem Antrage beistimmen.

Abg. v. Kirchmann: Ich und meine politischen Freunde (die Partei Rodbertus-Berg) sind allerdings der Ansicht, daß die Sache eine Verwaltungsmaßregel ist, und wenn wir auch nicht zugestehen, daß die Besprechung der Verwaltungsmaßregel dieser Versammlung entgegen ist, wenn wir auch glauben, daß der Ausdruck Ahndung in der öffentlichen Bekanntmachung nicht glücklich gewählt ist, wenn wir auch den jetzigen Zeitpunkt für die Ausführung dieser

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zusammengehalten ist. Die frevelnde Hand einiger Empörer soll nicht dieses schöne Verhältniß lösen. Mein Vertrauen in euch steht unerschütterlich fest. An eurer Spitze sehe ich ruhig der Zukunft entgegen: denn wir haben Kampf und Sieg noch nicht verlernt. Es lebe der Kaiser! Es lebe das Vaterland! (Gez.) Graf <hi rendition="#g">Radetzky,</hi> Feldmarschall.&#x201C;</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 20. Octbr.</head>
          <p>Wie wir gestern schon im Voraus mittheilten, hat die Rechte zum Schutze ihrer persönlichen Sicherheit durch den Abg. v. <hi rendition="#g">Meusebach</hi> folgenden &#x201E;besonders dringenden Antrag&#x201C; vor der Tagesordnung stellen lassen. Der Antrag lautet: &#x201E;In Erwägung der vor den Ausgängen des Schauspielhauses in neuerer Zeit wiederholt vorgekommenen, die Würde der Versammlung verletzenden Excesse, ist das Ministerium zu ersuchen, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer und bis nach dem Schlusse der Sitzungen der Versammlungen mit <hi rendition="#g">gebührender Strenge</hi> (haarscharf geschliffenen Schwertern) gehandhabt werde.&#x201C;</p>
          <p>Die Abgeordneten <hi rendition="#g">Waldeck</hi> und <hi rendition="#g">Esser</hi> haben folgenden Antrag zum 24. d. M. eingebracht: 1) Kein Erlaß kann als ein Gesetz gelten und als solches durch die Gesetzsammlung bekannt gemacht werden, welcher nicht von der konstituirenden Versammlung in Berlin beschlossen, angenommen, oder genehmigt worden ist. 2) Diejenigen Erlasse der Frankfurter Central-Gewalt oder verfassunggebenden Versammlung, welche <hi rendition="#g">innere</hi> Angelegenheiten der einzelnen Länder, namentlich Polizeiwesen und Strafgesetzgebung zum Gegenstande haben, können für Preußen erst durch die Genehmigung der preußischen Volksvertreter gesetzliche Geltung erlangen.</p>
          <p>Das königliche Land- und Stadtgericht zu <hi rendition="#g">Pleschen</hi> hat auf die, durch mehrere Zeugenvernehmungen unterstützte Denunciation des Bürgermeisters <hi rendition="#g">Kart</hi> daselbst, gegen Justiz-Kammissarius und Notarins, zur Zeit Abgeordneten <hi rendition="#g">von Lisiecki</hi> die Kriminal-Untersuchung und Verhaftung, &#x201E;wegen Theilnahme an der letzten Insurrektion im Großherzogthume Posen und wegen Majestätsbeleidigung unterm 4. August festgesetzt,&#x201C; demnächst die Genehmigung Seitens der Vereinbarer-Versammlung beantragt.</p>
          <p>Da aber nach der Kabinetsordre vom 9. d. M. für alle in der Provinz Posen bis zum 1. Juli begangenen politischen und damit in Verbindung stehenden Vergehen und Verbrechen gegen Beamte, welche sich bei der Insurrektion betheiligt haben, keine härtere Strafe als die Dienstentlassung erkannt werden darf; demnach die schweren Strafen, womit das in Rede stehende Hauptvergehen nach den allgemeinen Landesgesetzen bedroht ist, also fortfallen; da ferner bei der in Folge der neuesten politischen Ereignisse eingetretenen allgemeinen Aufregung der Gemüther und dem sich mehr als je durch Wort und That kundgegebenen Streben aller Nationalität nach Freiheit, das Verfahren des Angeklagten seinen gehässigen Charakter verliert; da keine Gefahr der Flucht vorhanden, auch keine Besorgniß der Verdunkelung des Sachverhalts obwaltet, da der Beweis größtentheils erhoben ist; da endlich die Anträge der Kommission zur Untersuchung des Zwiespalts zwischen den Deutschen und Polen im Großherzogthum Posen Behufs Pacifikation desselben in nächster Zeit zu erwarten, wodurch vielleicht auch diese Untersuchung ihre Erledigung finden könnte: stellt die Petitionskommission den Antrag: &#x201E;daß die vom Königl. Land- und Stadtgerichte zu Pleschen beantragte Genehmigung zur Einleitung der Kriminal-Untersuchung gegen den Abg. von <hi rendition="#g">Lisiecki,</hi> resp. zu dessen Verhaftung während der Dauer ihrer Sitzung nicht ertheilt werde.&#x201C;</p>
          <p>Die Kommission zur Untersuchung der Zustände der Weber und Spinner hat über den Antrag des Abg. <hi rendition="#g">D'Ester,</hi> betreffend die Unterstützung der Weber und Spinner in der Grafschaft Ravensberg, heute ihren Bericht vertheilen lassen. Derselbe beantragt, das Ministerium zu ersuchen, diejenigen Geldmittel zu überweisen, welche erforderlich sind, um den ärmern Spinnern und Webern der Kreise Herford, Bielefeld, Halle, Minden, Lübbecke und Wiedenbrück <hi rendition="#g">lohnende, ihre Subsistenz sichernde Arbeit</hi> zu verschaffen.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 20. Octbr.</head>
          <p>Abends 7 Uhr. Soeben komme ich von dem großen feierlichen Leichenbegängnisse zurück. Die gefallenen Arbeiter sind so feierlich begraben worden, wie es Berlin noch nie sah. Man kann ohne Uebertreibung behaupten, daß der heutige Leichenzug den des 22. März übertraf. Auf der großen Freitreppe des Opernhauses waren die Särge mit den Leichen aufgestellt. Von 1 bis 3 Uhr dauerte der Anzug der (mehr als 60) verschiedenen Klubs, Gewerke, Landwehrmänner und der sämmtlichen Arbeiter. Ihre Zahl betrug über 30,000 Mann. Um 3 Uhr wurde der Zug vom bewaffneten Handwerkervereine eröffnet; dann folgte das Studenten-Corps; hierauf die Särge; alsdann die am 16. d. Verwundeten; hierauf der Central-Ausschuß der Demokraten Deutschlands, die Linke der National-Versammlung und so fort. Als sich die letzten Züge gegen 5 Uhr am Opernhause in Bewegung setzten, waren die ersten schon in dem weit vor der Stadt belegenen Jerusalemer Kirchhofe angekommen. Hier wurden von Abgeordneten der Linken (D'Ester, Waldeck, Jung, Gladbach) und Andern angemessene Reden gehalten. &#x2012; Die demokratischen Klubs zogen gegen 6 Uhr mit Fackel nach der Stadt zurück, vor Mylius-Hotel und brachten der daselbst versammelten Linken ein dreimaliges donnerndes Lebehoch. Die Fackeln wurden alsdann auf dem Platze vor dem Sitzungssaale der Vereinbarer-Versammlung verbrannt, wobei der Rechten und der Majorität, welche gegen die feierliche Bestattung stimmten, ein <hi rendition="#g">Pereat</hi> mit obligater Katzenmusik gebracht wurde.</p>
          <p>Die Abgeordneten der Linken haben zu den Kosten dieses Leichenzuges 400 Rthlr. gegeben. Der Magistrat hatte den Stadtverordneten vorgeschlagen, 200 Rthlr. zu den Kosten dieses Zuges beizutragen, aber auch dies wurde von den Letztern verweigert.</p>
          <p>Der Polizei-Präsident hat seine Einwilligung zu dem Zuge, in der Art wie er stattfand, nicht geben wollen. Der Magistrat wollte ebenfalls den Begräbnißplatz auf dem Kirchhofe nicht bewilligen. Aber man sagte ihnen, daß trotz ihrer Weigerung, alles werde ausgeführt werden, wie es einmal angeordnet sei.</p>
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          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 20. Oktober.</head>
          <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.</p>
          <p>Dringender Antrag des Abgeordneten <hi rendition="#g">Krause.</hi> (Sagen.) Die Versammlung wolle beschließen: daß der von mir eingereichte Gesetz-Entwurf zur Einkommensteuer, entweder:<lb/>
a) einer besonders zu erwählenden Kommission, aus jeder Abtheilung 2 Mitglieder, oder<lb/>
b) der Fachkommission für Finanz- und Steuer-Angelegenheiten überwiesen werden und<lb/>
c) daß diese Kommission vorzugsweise mit der Begutachtung, resp. dem Entwurfe eines derartigen Gesetzes sich beschäftigen möge. &#x2012;</p>
          <p>Die Versammlung beschließt, nachdem der Antragsteller den Passus ad a) fallen ließ, mit großer Majorität die Annahme des Antrages.</p>
          <p>Dringender Antrag der Abgeordneten Bergmann und Pilot. Die Versammlung wolle beschließen: &#x201E;Das hohe Staats-Ministerium zu ersuchen, den Zusammentritt von Communal-Landtagen, als solchen, nicht ferner zu dulden, und zur unumgänglich nöthigen Erledigung der unaufschiebbaren laufenden Geschäfte in anderer Weise Vorsorge zu treffen.&#x201C; &#x2012; Es werden keine Einwürfe gegen die Dringlichkeit gemacht. &#x2012;</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Bergmann:</hi> Zum 6. November d. J. ist ein Kommunal-Landtag der Altmarkt ausgeschrieben worden, welcher in bisheriger Weise abgehalten werden soll. Die Bevölkerung der Altmarkt, namentlich die ländliche, ist dadurch in Besorgniß und Aufregung versetzt, und erwartet von der Versammlung die Beseitigung der aus dem Zusammentritt jener Korporation ihr drohenden Gefahr. Denn zu diesem Landtage gehört jeder Rittergutsbesitzer der Provinz, während nur 8 Abgeordnete der Städte und ein Abgeordneter aus der ländlichen Bevölkerung jedes Kreises. Die Zusammensetzung des Landtags läßt demnach die ganze Bevölkerung mit Ausnahme der Rittergutsbesitzer nichts gutes erwarten. &#x2012;</p>
          <p>Nachdem einige Abgeordnete für und gegen den Antrag gesprochen erhält der Abg. Pilet das Wort: Da die amtliche Zusammenberufung des Kommunallandtags in Zweifel gezogen worden ist, so werde ich Ihnen die vom 11. September datirte, vom damaligen Oberpräsidenten der Provinz Sachsen v. Bonin (der jetzt am Ministertische sitzt) erlassene Bekanntmachung mittheilen. (Er verliest dieselbe.) Der Kommunallandtag ist also zur Besorgung der laufenden Geschäfte zusammenberufen, welche aber so geringfügig sein müssen, vielleicht die Rechnungsablage und dergl, so sehe ich nicht ein, warum diese nicht vom Ministerium kommissarisch besorgt werden können.</p>
          <p>Finanzminister <hi rendition="#g">Bonin:</hi> Die Zusammenberufung des Kommunallandtags war vorzugsweise deshalb nöthig um die Rechnungsabnahme über den Bau einer Chaussee, vorschriftsmäßig zu besorgen Das Ministerium wird einer Kommission, die dazu niedergesetzt würde, gern die nöthigen Mittheilungen machen.</p>
          <p>Die Antragsteller modificiren ihren Antrag dahin, diese Angelegenheit einer Kommission zu überweisen. Mit großer Majorität angenommen. &#x2012;</p>
          <p>Dringende Interpellation des Abg.Pauckert: Am 17. Juni c. haben die Kreisstände des Zauch-Belziger Kreises beschlossen: eine halbjährige Klassensteuer einzuziehen um angeblich brodlos gewordenen Arbeitern Mittel zur Beschäftigung, namentlich bei vorzunehmenden Wegebauten, zu verschaffen. &#x2012; Dieser Beschluß ist am 25. Juni c. von der Königl. Regierung bestätigt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des Gesetzes vom 24. Juli, wonach die Befugnisse der Kreisstände: Ausgaben beschließen zu können, aufgehoben wurden, den Kreis-Einsassen publizirt worden. &#x2012; Da dieser Beschluß lediglich im Interesse Einzelner, besonders der wenigen großen Grundbesitzer gefaßt worden ist, so hat derselbe bei der sehr großen Mehrheit der Kreisbewohner durch seine Härte, sechs Monate hindurch die doppelte Klassensteuer in gegenwärtiger gedrückter Zeit aufbringen zu lassen, die größte Unzufriedenheit, ja Aufregung verursacht, und ist von den Vertretern sämmtlicher Stadt- und fast aller Landgemeinden dagegen auf's Entschiedenste protestirt worden. &#x2012; In Betracht nun, daß das Gesetz vom 24. Juli c. alle am gedachten Tage noch nicht publizirten oder in Ausführung begriffenen Kreistagsbeschlüsse betrifft, erlaube ich mir das hohe Ministerium des Innern zu interpelliren: &#x201E;ob dasselbe der Ansicht ist, daß diejenigen Beschlüsse der Kreisstände, die neue Steuer-Auflagen anordnen, für die Kreis-Einsassen auch dann bindende Kraft haben, wenn dieselben zwar kurze Zeit vor Emanation des Gesetzes vom 24. Juli c. gefaßt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des angeführten Gesetzes den Kreisbewohnern publizirt worden sind, und was dasselbe eventualiter zur Verhinderung der Ausführung des in Rede stehenden Beschlusses zu thun gedenkt?&#x201C; &#x2012;</p>
          <p>Der Minister des Innern antwortet: daß, da der Beschluß der Kreisstände vor Erlassung des Gesetzes vom 24. Juli von der Regierung genehmigt wurde, so ist derselbe rechtsgültig und nicht wieder zurückzunehmen.</p>
          <p>Der Interpellant kann sich damit nicht einverstanden erklären und wird in Folge dessen einen Antrag stellen. &#x2012;</p>
          <p>Das Ministerium hatte zum heutigen Tage, seinen Beschluß auf den Antrag des Abg. Pokrzywnicki, betreffend die Aufhebung des Belagerungszustandes der Stadt Posen, versprochen. &#x2012; Der Minister-Präsident erklärte, daß der dorthin gesandte Kommissar vorgestern zurückgekehrt sei, dessen Berichte aber das Ministerium nicht veranlassen können, den Belagerungszustand aufzuheben. Das Ministerium legt die von Posen erhaltenen Schriftstücke vor und die Versammlung möge nun prüfen lassen, ob nach diesen Vorlagen der Belagerungszustand aufzuheben sei oder nicht. &#x2012;</p>
          <p>Nachdem mehrere Redner für und gegen die Zweckmäßigkeit des Fortbestehens des Belagerungszustandes, und welcher Kommission die eingereichten desfallsigen Vorlagen und Anträge zuzuweisen seien, gesprochen hatten, beschließt die Versammlung diese Angelegenheit der bereits bestehenden Kommission über die Posener Angelegenheit zur Berichterstattung zu überlassen. &#x2012;</p>
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a. Besitzveränderungsabgaben irgend einer Art, namentlich Laudemien. bei Veränderungsfällen in der herrschenden Hand zu erheben, und ebenso b. bei Veränderungen in der dienenden Hand, sofern das verpflichtete Grundstück, sei es durch Vererbung (einschließlich der Erbschaftstheilung) oder durch Ueberlassung unter Lebenden an Verwandte des Besitzers in der auf- und absteigenden Linie, oder an Ehegatten oder Verlobte desselben übergeht; c. außerdem in allen Fällen der dienenden Hand, wenn die Verpflichtung nicht erweislich aus einem geschlossenen besondern Vertrage herrührt, sind ohne Entschädigung aufgehoben.&#x201C;</p>
          <p>Mit 178 gegen 160 Stimmen angenommen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung.</p>
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          <p>In Bezug der vielen eingegangenen Petitionen, welche von der Kommission gewöhnlich zur Uebergabe an die betreffenden Ministerien verwiesen werden, dies aber ohne Bewilligung der Versammlung nicht geschehen konnte, so beschließt die Versammlung, die Kommission zu beauftragen, die betreffenden Petitionen ohne Weiteres dem Ministerium zu überweisen.</p>
          <p>Der Abg. v. <hi rendition="#g">Meusebach</hi> verliest hierauf seinen dringlichen Antrag, daß das Ministerium zu ersuchen sei, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer der Sitzung der Versammlung mit gebührender Strenge gehandhabt werde. Der Antragsteller fährt fort: Insulte, wie die vorgekommenen, gegen Abgeordnete verletzen die Würde der Versammlung, weil sie nicht gegen die Person, sondern gegen die Vertreter des Landes als solche und gegen die Meinungen gerichtet sind, welche die Vertreter des Volkes nach Ueberzeugung und Gewissen frei auszusprechen die Pflicht haben. Die vorgekommenen Exzesse stellen überdies die Versammlung unter den Schein der Unfreiheit, unter den Schein des Terrorismus der Massen. Das Land hat ein Recht zu verlangen, daß die Versammlung das ihrige thue, um auch diesen Schein zu beseitigen.</p>
          <p>Von der linken Seite wird die Dringlichkeit bestritten und nach namentlicher Abstimmung auch mit 171 gegen 160 Stimmen verworfen. Der Antrag ist sonach in die Abtheilung verwiesen, wird aber deshalb vom Antragsteller zurückgenommen und fügt hinzu, daß trotz dieser Abstimmung, es die Pflicht der Minister sei, für die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung zu sorgen. Er spricht von Anarchie, die hier herrsche, welches großen Lärm und Widerspruch links hervorruft.</p>
          <p><hi rendition="#g">Minister des Innern:</hi> die Pflicht, an die wir wiederholt erinnert worden sind, liegt uns schwer am Herzen und wir wollen auch dafür sorgen, daß Schutzmänner (links: wir wollen keine) oder Bürgerwehr aufgestellt werden, um die Mitglieder zu schützen. Die Schwierigkeit einer durchgreifenden Polizeimaßregel liegt in der Organisation der Bürgerwehr. Wir werden aber alles mögliche thun, um dem Verlangen der Minorität nachezukommen.</p>
          <p>Hierauf wird die Tribüne von Abgeordneten bestürmt, welche alle persönliche Bemerkungen machen wollen. Abg. <hi rendition="#g">Schramm</hi> sagte: Die Versammlung hat sich unter den Schutz der Versammlung gestellt, trotzdem ist in den Kellern dieses Hauses Bürgerwehr versteckt, wir wollen aber gar keinen Schutz.</p>
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          <p>Abg. <hi rendition="#g">Waldeck,</hi> daß der Minister gegen den Beschluß der Versammlung keine Polizeimaßregeln treffen dürfe. Die Majorität hat sich entschieden dagegen erklärt.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Jung</hi> protestirt als Abgeordneter der Stadt Berlin gegen den Ausdruck des Abg. Meusebach, daß in Berlin Anarchie herrsche. Davon weiß wohl bloß der Redner.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Krause.</hi> (Sagan) Ich war Mitglied des vereinigten Landtags, des vereinigten Ausschusses und bin auch vom Anfang an in dieser Versammlung gewesen, ich bin aber hier noch nie im Geringsten insultirt worden; wahrscheinlich liege es daher an dem. eigenen Benehmen der Abgeordneten, daß sie insultirt wurden (Dies bringt einen ungeheuren Sturm zur Rechten hervor und der Präsident Grabow, der selbst zur äußersten Rechten gehört, rief den Redner zur Ordnung. Da verlangte man von der Linken auch den Ordnungsruf gegen den Abg. Schmidt. Große Aufregung.)</p>
          <p>Der Minister des Innern wiederholt, daß er es für seine Pflicht halte, die Ordnung auf allen Straßen und Plätzen zu erhalten.</p>
          <p>Der Präsident <hi rendition="#g">Grabow,</hi> der sich bei dieser ganzen Angelegenheit sehr parteiisch benimmt, sucht die Versammlung endlich zu beruhigen.</p>
          <p>Dringende Interpellation des Abgeordneten <hi rendition="#g">Feierabend</hi> und <hi rendition="#g">Richter:</hi> Die öffentlichen Blätter ergeben, daß einem in Heidelberg wohnnden Agenten die Veräußerung der pachtlos werdenden Domänen an Bewohner aus den südwestlichen Provinzen des preußischen Staats und aus dem südlichen Deutschland überhaupt übertragen worden ist; das Ministerium wolle daher erklären: ob und aus welchen Gründen die Bewohner der östlichen Provinzen von der Theilnahme an der Kolonisation auf den Domänen ausgeschlossen sind?</p>
          <p>Der Minister will in acht Tagen genaue Auskunft ertheilen, da er erst Berichte über diesen Fall einholen will.</p>
          <p>Hierauf kommt die schleunige Interpellation des Abg. <hi rendition="#g">Phillips:</hi> Das Staatsministerium wolle sich darüber äußern: ob es von den blutigen Vorgängen in Elbing am 15. Oktober bereits amtliche Kenntniß erhalten habe, und welche Maßregeln es in Bezug auf dieses Ereigniß zu ergreifen Willens sei.</p>
          <p>Der Abg. Phillips erklärt den Hergang dieser Ereignisse sehr ausführlich. Der Königsberger Preußenverein, dessen Programm den Satz enthält: &#x201E;Die Regierung rechnet auf uns&#x201C;, hat einen Zweigverein in Elbing gegründet. Dieselben Personen, welche vor einigen Wochen eine Emeute machten, wurden jeht die thätigsten Mitglieder des Preußenvereins. Er verlangte zum Geburtstage des Königs einen großen Aufzug und Illumination. Letztere wurde vom Magistrat nicht bewilligt, da er die Folgen voraussah und theilte daher seine Ansichten der Bevölkerung in einer Bekanntmachung mit. Die Aufwiegler drangen am Abend jedoch auf Illumination und zerstörten mehrere Häuser, welche nicht illuminirt waren. Die Bürgerwehr mußte einschreiten und es hat mehrere Menschenleben gekostet. Das Ministerium müsse daher eine strenge Untersuchung anordnen, damit den Heuchlern, die den Namen des Königs mißbrauchen, die Larve vom Gesichte gerissen, daß dem wühlerischen Treiben der reaktionären Partei entgegengetreten und dieser Natter endlich der Kopf zertreten werde.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Minister des Innern</hi> erklärt, daß er bereits Berichte über diesen Vorfall erhalten, daß eine Untersuchung eingeleitet und daß er von dem Satze des Preußenverein-Programms: &#x201E;die Regierung rechnet auf uns&#x201C; nichts wisse.</p>
          <p>Im Laufe der Sitzung hat der Abg. <hi rendition="#g">Waldeck</hi> eine dringende Interpellation eingereicht, welche auch von der Majorität als dringend anerkannt wird. Der Baurath Helft hat nämlich heute Morgen an den Arbeitsstellen auf dem Köpnicker Felde eine Bekanntmachung erlassen, wonach heute 100 Arbeiter entlassen werden sollen, als eine Ahndung für die am 12. d. M. stattgefundene Zerstörung einer Maschine. Außerdem wäre die gerichtliche Untersuchung gegen diejenigen eingeleitet, welche sich bei der Zerstörung der Maschiene betheiligt hatten. Die Schuldigen würden entlassen werden, nachdem dieser Vorfall in ihren Arbeitsbüchern vermerkt worden. Endlich wird den Arbeitern angekündigt, daß ihnen für die, im Laufe dieser Woche versäumten Arbeitsstunden kein Lohn könne ausgezahlt werden, da sogar die National-Versammlung über diesen Punkt hinweggegangen sei, ohne ihn dem Ministerium zu empfehlen.</p>
          <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Waldeck</hi> interpellirt nun den Minister darüber, wie man ohne Weiteres in der jetzt so aufgeregten Zeit, wo es der Berliner Bevölkerung kaum gelungen, die Einigkeit und die Ruhe wieder herzustellen &#x2012; 100 Arbeiter als Ahndung der Zerstörung der Maschiene entlassen könne? Wie man die alte Decimirungsstrafe anwenden und schuldige oder unschuldige gemeinsam mit einander entlassen könne, da dies nur wieder Unruhen hervorbringen werde. Was ist ein solches Plakat anders, als eine Aufforderung zum Aufruhr?</p>
          <p>Der Minister <hi rendition="#g">Bonin</hi> hält alles Angeordnete für nothwendig. Die hundert Arbeiter müssen entlassen werden, weil keine Arbeit für sie da sei.</p>
          <p>Der Abg. Behrends wird in Folge dieser Antwort einen Antrag stellen. Die Prioritätskommission hat über dessen Zulassung zu entscheiden. Während der Entscheidung wird Nr. 6 und 8 des §. 1. des Gesetzes wegen unentgeldlicher Aufhebung der Feudallasten angenommen.</p>
          <p>Die Prioritäts-Kommission erkennt die Dringlichkeit des Behrendsschen Antrages an. Er lautet: &#x201E;Die hohe Versammlung möge beschließen, das Staatsministerium zu ersuchen, die heute durch den Baurath Helft angekündigte Entlassung der Arbeiter zu suspendiren.&#x201C; Zur Motivirung der Dringlichkeit weist der Abg. Behrends auf den Widerspruch hin, zwischen der heutigen Erklärung des Ministeriums und der Bekanntmachung des Bauraths Helft. Die letztere stellt die Arbeitseinstellung als Strafe hin. Man wird begreifen, welche Aufregung jede Strafandrohung hervorruft.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Tamnau</hi> erklärt sich gegen die Dringlichkeit. Er glaubt nicht, daß eine Angelegenheit der Berliner Arbeiter wichtiger ist, als die des ganzen Landes, die hier zu berathen sind. Die Sache ist eine Verwaltungsmaßregel, die den Ministern überlassen bleiben muß.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Temme:</hi> Ich halte die Sache für sehr dringend, (von der Rechten: Ja!) ja, trotz ihres ironischen Ja! Ich will nicht auf diese Einführung eines neuen Strafsystems aufmerksam machen, auf diese Dezimirung armer Arbeiter; ich will nicht aufmerksam machen darauf, daß, wer die Macht hat, nachgiebig sein muß; ich erinnere daran, daß das Ministerium Pfuel unter dem Schutz von 50,000 Bajonnetten aufgetreten ist. Muß man da nicht denken, daß dies Alles Werk der Reaktion sei? Erwägen Sie, welche Folgen die Erklärung des Ministerium haben kann, und wenn Sie es wohl mit dem Vaterland meinen, so werden Sie dem Antrage beistimmen.</p>
          <p>Abg. v. <hi rendition="#g">Kirchmann:</hi> Ich und meine politischen Freunde (die Partei Rodbertus-Berg) sind allerdings der Ansicht, daß die Sache eine Verwaltungsmaßregel ist, und wenn wir auch nicht zugestehen, daß die Besprechung der Verwaltungsmaßregel dieser Versammlung entgegen ist, wenn wir auch glauben, daß der Ausdruck Ahndung in der öffentlichen Bekanntmachung nicht glücklich gewählt ist, wenn wir auch den jetzigen Zeitpunkt für die Ausführung dieser
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[0626/0002] zusammengehalten ist. Die frevelnde Hand einiger Empörer soll nicht dieses schöne Verhältniß lösen. Mein Vertrauen in euch steht unerschütterlich fest. An eurer Spitze sehe ich ruhig der Zukunft entgegen: denn wir haben Kampf und Sieg noch nicht verlernt. Es lebe der Kaiser! Es lebe das Vaterland! (Gez.) Graf Radetzky, Feldmarschall.“ 103 Berlin, 20. Octbr. Wie wir gestern schon im Voraus mittheilten, hat die Rechte zum Schutze ihrer persönlichen Sicherheit durch den Abg. v. Meusebach folgenden „besonders dringenden Antrag“ vor der Tagesordnung stellen lassen. Der Antrag lautet: „In Erwägung der vor den Ausgängen des Schauspielhauses in neuerer Zeit wiederholt vorgekommenen, die Würde der Versammlung verletzenden Excesse, ist das Ministerium zu ersuchen, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer und bis nach dem Schlusse der Sitzungen der Versammlungen mit gebührender Strenge (haarscharf geschliffenen Schwertern) gehandhabt werde.“ Die Abgeordneten Waldeck und Esser haben folgenden Antrag zum 24. d. M. eingebracht: 1) Kein Erlaß kann als ein Gesetz gelten und als solches durch die Gesetzsammlung bekannt gemacht werden, welcher nicht von der konstituirenden Versammlung in Berlin beschlossen, angenommen, oder genehmigt worden ist. 2) Diejenigen Erlasse der Frankfurter Central-Gewalt oder verfassunggebenden Versammlung, welche innere Angelegenheiten der einzelnen Länder, namentlich Polizeiwesen und Strafgesetzgebung zum Gegenstande haben, können für Preußen erst durch die Genehmigung der preußischen Volksvertreter gesetzliche Geltung erlangen. Das königliche Land- und Stadtgericht zu Pleschen hat auf die, durch mehrere Zeugenvernehmungen unterstützte Denunciation des Bürgermeisters Kart daselbst, gegen Justiz-Kammissarius und Notarins, zur Zeit Abgeordneten von Lisiecki die Kriminal-Untersuchung und Verhaftung, „wegen Theilnahme an der letzten Insurrektion im Großherzogthume Posen und wegen Majestätsbeleidigung unterm 4. August festgesetzt,“ demnächst die Genehmigung Seitens der Vereinbarer-Versammlung beantragt. Da aber nach der Kabinetsordre vom 9. d. M. für alle in der Provinz Posen bis zum 1. Juli begangenen politischen und damit in Verbindung stehenden Vergehen und Verbrechen gegen Beamte, welche sich bei der Insurrektion betheiligt haben, keine härtere Strafe als die Dienstentlassung erkannt werden darf; demnach die schweren Strafen, womit das in Rede stehende Hauptvergehen nach den allgemeinen Landesgesetzen bedroht ist, also fortfallen; da ferner bei der in Folge der neuesten politischen Ereignisse eingetretenen allgemeinen Aufregung der Gemüther und dem sich mehr als je durch Wort und That kundgegebenen Streben aller Nationalität nach Freiheit, das Verfahren des Angeklagten seinen gehässigen Charakter verliert; da keine Gefahr der Flucht vorhanden, auch keine Besorgniß der Verdunkelung des Sachverhalts obwaltet, da der Beweis größtentheils erhoben ist; da endlich die Anträge der Kommission zur Untersuchung des Zwiespalts zwischen den Deutschen und Polen im Großherzogthum Posen Behufs Pacifikation desselben in nächster Zeit zu erwarten, wodurch vielleicht auch diese Untersuchung ihre Erledigung finden könnte: stellt die Petitionskommission den Antrag: „daß die vom Königl. Land- und Stadtgerichte zu Pleschen beantragte Genehmigung zur Einleitung der Kriminal-Untersuchung gegen den Abg. von Lisiecki, resp. zu dessen Verhaftung während der Dauer ihrer Sitzung nicht ertheilt werde.“ Die Kommission zur Untersuchung der Zustände der Weber und Spinner hat über den Antrag des Abg. D'Ester, betreffend die Unterstützung der Weber und Spinner in der Grafschaft Ravensberg, heute ihren Bericht vertheilen lassen. Derselbe beantragt, das Ministerium zu ersuchen, diejenigen Geldmittel zu überweisen, welche erforderlich sind, um den ärmern Spinnern und Webern der Kreise Herford, Bielefeld, Halle, Minden, Lübbecke und Wiedenbrück lohnende, ihre Subsistenz sichernde Arbeit zu verschaffen. 103 Berlin, 20. Octbr. Abends 7 Uhr. Soeben komme ich von dem großen feierlichen Leichenbegängnisse zurück. Die gefallenen Arbeiter sind so feierlich begraben worden, wie es Berlin noch nie sah. Man kann ohne Uebertreibung behaupten, daß der heutige Leichenzug den des 22. März übertraf. Auf der großen Freitreppe des Opernhauses waren die Särge mit den Leichen aufgestellt. Von 1 bis 3 Uhr dauerte der Anzug der (mehr als 60) verschiedenen Klubs, Gewerke, Landwehrmänner und der sämmtlichen Arbeiter. Ihre Zahl betrug über 30,000 Mann. Um 3 Uhr wurde der Zug vom bewaffneten Handwerkervereine eröffnet; dann folgte das Studenten-Corps; hierauf die Särge; alsdann die am 16. d. Verwundeten; hierauf der Central-Ausschuß der Demokraten Deutschlands, die Linke der National-Versammlung und so fort. Als sich die letzten Züge gegen 5 Uhr am Opernhause in Bewegung setzten, waren die ersten schon in dem weit vor der Stadt belegenen Jerusalemer Kirchhofe angekommen. Hier wurden von Abgeordneten der Linken (D'Ester, Waldeck, Jung, Gladbach) und Andern angemessene Reden gehalten. ‒ Die demokratischen Klubs zogen gegen 6 Uhr mit Fackel nach der Stadt zurück, vor Mylius-Hotel und brachten der daselbst versammelten Linken ein dreimaliges donnerndes Lebehoch. Die Fackeln wurden alsdann auf dem Platze vor dem Sitzungssaale der Vereinbarer-Versammlung verbrannt, wobei der Rechten und der Majorität, welche gegen die feierliche Bestattung stimmten, ein Pereat mit obligater Katzenmusik gebracht wurde. Die Abgeordneten der Linken haben zu den Kosten dieses Leichenzuges 400 Rthlr. gegeben. Der Magistrat hatte den Stadtverordneten vorgeschlagen, 200 Rthlr. zu den Kosten dieses Zuges beizutragen, aber auch dies wurde von den Letztern verweigert. Der Polizei-Präsident hat seine Einwilligung zu dem Zuge, in der Art wie er stattfand, nicht geben wollen. Der Magistrat wollte ebenfalls den Begräbnißplatz auf dem Kirchhofe nicht bewilligen. Aber man sagte ihnen, daß trotz ihrer Weigerung, alles werde ausgeführt werden, wie es einmal angeordnet sei. 103 Berlin, 20. Oktober. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Dringender Antrag des Abgeordneten Krause. (Sagen.) Die Versammlung wolle beschließen: daß der von mir eingereichte Gesetz-Entwurf zur Einkommensteuer, entweder: a) einer besonders zu erwählenden Kommission, aus jeder Abtheilung 2 Mitglieder, oder b) der Fachkommission für Finanz- und Steuer-Angelegenheiten überwiesen werden und c) daß diese Kommission vorzugsweise mit der Begutachtung, resp. dem Entwurfe eines derartigen Gesetzes sich beschäftigen möge. ‒ Die Versammlung beschließt, nachdem der Antragsteller den Passus ad a) fallen ließ, mit großer Majorität die Annahme des Antrages. Dringender Antrag der Abgeordneten Bergmann und Pilot. Die Versammlung wolle beschließen: „Das hohe Staats-Ministerium zu ersuchen, den Zusammentritt von Communal-Landtagen, als solchen, nicht ferner zu dulden, und zur unumgänglich nöthigen Erledigung der unaufschiebbaren laufenden Geschäfte in anderer Weise Vorsorge zu treffen.“ ‒ Es werden keine Einwürfe gegen die Dringlichkeit gemacht. ‒ Abg. Bergmann: Zum 6. November d. J. ist ein Kommunal-Landtag der Altmarkt ausgeschrieben worden, welcher in bisheriger Weise abgehalten werden soll. Die Bevölkerung der Altmarkt, namentlich die ländliche, ist dadurch in Besorgniß und Aufregung versetzt, und erwartet von der Versammlung die Beseitigung der aus dem Zusammentritt jener Korporation ihr drohenden Gefahr. Denn zu diesem Landtage gehört jeder Rittergutsbesitzer der Provinz, während nur 8 Abgeordnete der Städte und ein Abgeordneter aus der ländlichen Bevölkerung jedes Kreises. Die Zusammensetzung des Landtags läßt demnach die ganze Bevölkerung mit Ausnahme der Rittergutsbesitzer nichts gutes erwarten. ‒ Nachdem einige Abgeordnete für und gegen den Antrag gesprochen erhält der Abg. Pilet das Wort: Da die amtliche Zusammenberufung des Kommunallandtags in Zweifel gezogen worden ist, so werde ich Ihnen die vom 11. September datirte, vom damaligen Oberpräsidenten der Provinz Sachsen v. Bonin (der jetzt am Ministertische sitzt) erlassene Bekanntmachung mittheilen. (Er verliest dieselbe.) Der Kommunallandtag ist also zur Besorgung der laufenden Geschäfte zusammenberufen, welche aber so geringfügig sein müssen, vielleicht die Rechnungsablage und dergl, so sehe ich nicht ein, warum diese nicht vom Ministerium kommissarisch besorgt werden können. Finanzminister Bonin: Die Zusammenberufung des Kommunallandtags war vorzugsweise deshalb nöthig um die Rechnungsabnahme über den Bau einer Chaussee, vorschriftsmäßig zu besorgen Das Ministerium wird einer Kommission, die dazu niedergesetzt würde, gern die nöthigen Mittheilungen machen. Die Antragsteller modificiren ihren Antrag dahin, diese Angelegenheit einer Kommission zu überweisen. Mit großer Majorität angenommen. ‒ Dringende Interpellation des Abg.Pauckert: Am 17. Juni c. haben die Kreisstände des Zauch-Belziger Kreises beschlossen: eine halbjährige Klassensteuer einzuziehen um angeblich brodlos gewordenen Arbeitern Mittel zur Beschäftigung, namentlich bei vorzunehmenden Wegebauten, zu verschaffen. ‒ Dieser Beschluß ist am 25. Juni c. von der Königl. Regierung bestätigt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des Gesetzes vom 24. Juli, wonach die Befugnisse der Kreisstände: Ausgaben beschließen zu können, aufgehoben wurden, den Kreis-Einsassen publizirt worden. ‒ Da dieser Beschluß lediglich im Interesse Einzelner, besonders der wenigen großen Grundbesitzer gefaßt worden ist, so hat derselbe bei der sehr großen Mehrheit der Kreisbewohner durch seine Härte, sechs Monate hindurch die doppelte Klassensteuer in gegenwärtiger gedrückter Zeit aufbringen zu lassen, die größte Unzufriedenheit, ja Aufregung verursacht, und ist von den Vertretern sämmtlicher Stadt- und fast aller Landgemeinden dagegen auf's Entschiedenste protestirt worden. ‒ In Betracht nun, daß das Gesetz vom 24. Juli c. alle am gedachten Tage noch nicht publizirten oder in Ausführung begriffenen Kreistagsbeschlüsse betrifft, erlaube ich mir das hohe Ministerium des Innern zu interpelliren: „ob dasselbe der Ansicht ist, daß diejenigen Beschlüsse der Kreisstände, die neue Steuer-Auflagen anordnen, für die Kreis-Einsassen auch dann bindende Kraft haben, wenn dieselben zwar kurze Zeit vor Emanation des Gesetzes vom 24. Juli c. gefaßt, aber erst längere Zeit nach Erlaß des angeführten Gesetzes den Kreisbewohnern publizirt worden sind, und was dasselbe eventualiter zur Verhinderung der Ausführung des in Rede stehenden Beschlusses zu thun gedenkt?“ ‒ Der Minister des Innern antwortet: daß, da der Beschluß der Kreisstände vor Erlassung des Gesetzes vom 24. Juli von der Regierung genehmigt wurde, so ist derselbe rechtsgültig und nicht wieder zurückzunehmen. Der Interpellant kann sich damit nicht einverstanden erklären und wird in Folge dessen einen Antrag stellen. ‒ Das Ministerium hatte zum heutigen Tage, seinen Beschluß auf den Antrag des Abg. Pokrzywnicki, betreffend die Aufhebung des Belagerungszustandes der Stadt Posen, versprochen. ‒ Der Minister-Präsident erklärte, daß der dorthin gesandte Kommissar vorgestern zurückgekehrt sei, dessen Berichte aber das Ministerium nicht veranlassen können, den Belagerungszustand aufzuheben. Das Ministerium legt die von Posen erhaltenen Schriftstücke vor und die Versammlung möge nun prüfen lassen, ob nach diesen Vorlagen der Belagerungszustand aufzuheben sei oder nicht. ‒ Nachdem mehrere Redner für und gegen die Zweckmäßigkeit des Fortbestehens des Belagerungszustandes, und welcher Kommission die eingereichten desfallsigen Vorlagen und Anträge zuzuweisen seien, gesprochen hatten, beschließt die Versammlung diese Angelegenheit der bereits bestehenden Kommission über die Posener Angelegenheit zur Berichterstattung zu überlassen. ‒ Hierauf geht die Versammlung zur Berathung des Gesetzes wegen Aufhebung verschiedener Lasten und Abgaben über. Waldeck, D'Ester und Elsner haben folgendes Amendement gestellt: „Laudemien, Marktgroschen, Gewinngelder, überhaupt alle Abgaben irgend einer Art, welche von einem Grundstücke bei Besitzveränderungen oder Heirathen der Besitzer, sei es in herrschender oder dienender Hand, entrichtet werden müssen, sind ohne Entschädigung aufgehoben.“ Dies Amendement wird nach namentlicher Abstimmung mit 203 gegen 131 Stimmen verworfen. Jetzt kommt das Amendement Schulze (Delitsch) und Bucher zur Abstimmung: „Die Berechtigung der Obereigenthümer, Erbverpächter und Guts- oder Grundherren.“ a. Besitzveränderungsabgaben irgend einer Art, namentlich Laudemien. bei Veränderungsfällen in der herrschenden Hand zu erheben, und ebenso b. bei Veränderungen in der dienenden Hand, sofern das verpflichtete Grundstück, sei es durch Vererbung (einschließlich der Erbschaftstheilung) oder durch Ueberlassung unter Lebenden an Verwandte des Besitzers in der auf- und absteigenden Linie, oder an Ehegatten oder Verlobte desselben übergeht; c. außerdem in allen Fällen der dienenden Hand, wenn die Verpflichtung nicht erweislich aus einem geschlossenen besondern Vertrage herrührt, sind ohne Entschädigung aufgehoben.“ Mit 178 gegen 160 Stimmen angenommen. Schluß der Sitzung. 103 Berlin, 21. Okt. Sitzung der Vereinbarerversammlung. Der Abg. Otto von Liegnitz übergiebt dem Präsidenten eine Petition des Liegnitzer Landwehrvereins; trotz der Mittheilung des Kriegsministers, daß die Landwehr nur in einigen Kreisen Schlesiens einberufen werden solle, geschieht dies dennoch nach und nach in fast allen Kreisen. Diese Einberufung hat in Liegnitz die größte Aufregung hervorgerufen und die einberufenen Landwehrmänner haben sich geweigert, sich einkleiden zu lassen. Die übergebene Petition bittet die Versammlung vermittelnd einzugreifen. In Bezug der vielen eingegangenen Petitionen, welche von der Kommission gewöhnlich zur Uebergabe an die betreffenden Ministerien verwiesen werden, dies aber ohne Bewilligung der Versammlung nicht geschehen konnte, so beschließt die Versammlung, die Kommission zu beauftragen, die betreffenden Petitionen ohne Weiteres dem Ministerium zu überweisen. Der Abg. v. Meusebach verliest hierauf seinen dringlichen Antrag, daß das Ministerium zu ersuchen sei, Sorge zu tragen, daß die öffentliche Ordnung auf dem freien Platze vor dem Schauspielhause während der Dauer der Sitzung der Versammlung mit gebührender Strenge gehandhabt werde. Der Antragsteller fährt fort: Insulte, wie die vorgekommenen, gegen Abgeordnete verletzen die Würde der Versammlung, weil sie nicht gegen die Person, sondern gegen die Vertreter des Landes als solche und gegen die Meinungen gerichtet sind, welche die Vertreter des Volkes nach Ueberzeugung und Gewissen frei auszusprechen die Pflicht haben. Die vorgekommenen Exzesse stellen überdies die Versammlung unter den Schein der Unfreiheit, unter den Schein des Terrorismus der Massen. Das Land hat ein Recht zu verlangen, daß die Versammlung das ihrige thue, um auch diesen Schein zu beseitigen. Von der linken Seite wird die Dringlichkeit bestritten und nach namentlicher Abstimmung auch mit 171 gegen 160 Stimmen verworfen. Der Antrag ist sonach in die Abtheilung verwiesen, wird aber deshalb vom Antragsteller zurückgenommen und fügt hinzu, daß trotz dieser Abstimmung, es die Pflicht der Minister sei, für die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung zu sorgen. Er spricht von Anarchie, die hier herrsche, welches großen Lärm und Widerspruch links hervorruft. Minister des Innern: die Pflicht, an die wir wiederholt erinnert worden sind, liegt uns schwer am Herzen und wir wollen auch dafür sorgen, daß Schutzmänner (links: wir wollen keine) oder Bürgerwehr aufgestellt werden, um die Mitglieder zu schützen. Die Schwierigkeit einer durchgreifenden Polizeimaßregel liegt in der Organisation der Bürgerwehr. Wir werden aber alles mögliche thun, um dem Verlangen der Minorität nachezukommen. Hierauf wird die Tribüne von Abgeordneten bestürmt, welche alle persönliche Bemerkungen machen wollen. Abg. Schramm sagte: Die Versammlung hat sich unter den Schutz der Versammlung gestellt, trotzdem ist in den Kellern dieses Hauses Bürgerwehr versteckt, wir wollen aber gar keinen Schutz. Abg. Schmidt aus Beeskow erzählt, daß er Volksredner gehört habe, welche die Linke das Haupt nenne und das Volk die Glieder. Wie könnte also das Haupt die Glieder fallen lassen? ‒ In diesem Tone fährt er unter Gelächter und Mißfallensbezeugungen fort. Abg. Waldeck, daß der Minister gegen den Beschluß der Versammlung keine Polizeimaßregeln treffen dürfe. Die Majorität hat sich entschieden dagegen erklärt. Abg. Jung protestirt als Abgeordneter der Stadt Berlin gegen den Ausdruck des Abg. Meusebach, daß in Berlin Anarchie herrsche. Davon weiß wohl bloß der Redner. Abg. Krause. (Sagan) Ich war Mitglied des vereinigten Landtags, des vereinigten Ausschusses und bin auch vom Anfang an in dieser Versammlung gewesen, ich bin aber hier noch nie im Geringsten insultirt worden; wahrscheinlich liege es daher an dem. eigenen Benehmen der Abgeordneten, daß sie insultirt wurden (Dies bringt einen ungeheuren Sturm zur Rechten hervor und der Präsident Grabow, der selbst zur äußersten Rechten gehört, rief den Redner zur Ordnung. Da verlangte man von der Linken auch den Ordnungsruf gegen den Abg. Schmidt. Große Aufregung.) Der Minister des Innern wiederholt, daß er es für seine Pflicht halte, die Ordnung auf allen Straßen und Plätzen zu erhalten. Der Präsident Grabow, der sich bei dieser ganzen Angelegenheit sehr parteiisch benimmt, sucht die Versammlung endlich zu beruhigen. Dringende Interpellation des Abgeordneten Feierabend und Richter: Die öffentlichen Blätter ergeben, daß einem in Heidelberg wohnnden Agenten die Veräußerung der pachtlos werdenden Domänen an Bewohner aus den südwestlichen Provinzen des preußischen Staats und aus dem südlichen Deutschland überhaupt übertragen worden ist; das Ministerium wolle daher erklären: ob und aus welchen Gründen die Bewohner der östlichen Provinzen von der Theilnahme an der Kolonisation auf den Domänen ausgeschlossen sind? Der Minister will in acht Tagen genaue Auskunft ertheilen, da er erst Berichte über diesen Fall einholen will. Hierauf kommt die schleunige Interpellation des Abg. Phillips: Das Staatsministerium wolle sich darüber äußern: ob es von den blutigen Vorgängen in Elbing am 15. Oktober bereits amtliche Kenntniß erhalten habe, und welche Maßregeln es in Bezug auf dieses Ereigniß zu ergreifen Willens sei. Der Abg. Phillips erklärt den Hergang dieser Ereignisse sehr ausführlich. Der Königsberger Preußenverein, dessen Programm den Satz enthält: „Die Regierung rechnet auf uns“, hat einen Zweigverein in Elbing gegründet. Dieselben Personen, welche vor einigen Wochen eine Emeute machten, wurden jeht die thätigsten Mitglieder des Preußenvereins. Er verlangte zum Geburtstage des Königs einen großen Aufzug und Illumination. Letztere wurde vom Magistrat nicht bewilligt, da er die Folgen voraussah und theilte daher seine Ansichten der Bevölkerung in einer Bekanntmachung mit. Die Aufwiegler drangen am Abend jedoch auf Illumination und zerstörten mehrere Häuser, welche nicht illuminirt waren. Die Bürgerwehr mußte einschreiten und es hat mehrere Menschenleben gekostet. Das Ministerium müsse daher eine strenge Untersuchung anordnen, damit den Heuchlern, die den Namen des Königs mißbrauchen, die Larve vom Gesichte gerissen, daß dem wühlerischen Treiben der reaktionären Partei entgegengetreten und dieser Natter endlich der Kopf zertreten werde. Der Minister des Innern erklärt, daß er bereits Berichte über diesen Vorfall erhalten, daß eine Untersuchung eingeleitet und daß er von dem Satze des Preußenverein-Programms: „die Regierung rechnet auf uns“ nichts wisse. Im Laufe der Sitzung hat der Abg. Waldeck eine dringende Interpellation eingereicht, welche auch von der Majorität als dringend anerkannt wird. Der Baurath Helft hat nämlich heute Morgen an den Arbeitsstellen auf dem Köpnicker Felde eine Bekanntmachung erlassen, wonach heute 100 Arbeiter entlassen werden sollen, als eine Ahndung für die am 12. d. M. stattgefundene Zerstörung einer Maschine. Außerdem wäre die gerichtliche Untersuchung gegen diejenigen eingeleitet, welche sich bei der Zerstörung der Maschiene betheiligt hatten. Die Schuldigen würden entlassen werden, nachdem dieser Vorfall in ihren Arbeitsbüchern vermerkt worden. Endlich wird den Arbeitern angekündigt, daß ihnen für die, im Laufe dieser Woche versäumten Arbeitsstunden kein Lohn könne ausgezahlt werden, da sogar die National-Versammlung über diesen Punkt hinweggegangen sei, ohne ihn dem Ministerium zu empfehlen. Der Abg. Waldeck interpellirt nun den Minister darüber, wie man ohne Weiteres in der jetzt so aufgeregten Zeit, wo es der Berliner Bevölkerung kaum gelungen, die Einigkeit und die Ruhe wieder herzustellen ‒ 100 Arbeiter als Ahndung der Zerstörung der Maschiene entlassen könne? Wie man die alte Decimirungsstrafe anwenden und schuldige oder unschuldige gemeinsam mit einander entlassen könne, da dies nur wieder Unruhen hervorbringen werde. Was ist ein solches Plakat anders, als eine Aufforderung zum Aufruhr? Der Minister Bonin hält alles Angeordnete für nothwendig. Die hundert Arbeiter müssen entlassen werden, weil keine Arbeit für sie da sei. Der Abg. Behrends wird in Folge dieser Antwort einen Antrag stellen. Die Prioritätskommission hat über dessen Zulassung zu entscheiden. Während der Entscheidung wird Nr. 6 und 8 des §. 1. des Gesetzes wegen unentgeldlicher Aufhebung der Feudallasten angenommen. Die Prioritäts-Kommission erkennt die Dringlichkeit des Behrendsschen Antrages an. Er lautet: „Die hohe Versammlung möge beschließen, das Staatsministerium zu ersuchen, die heute durch den Baurath Helft angekündigte Entlassung der Arbeiter zu suspendiren.“ Zur Motivirung der Dringlichkeit weist der Abg. Behrends auf den Widerspruch hin, zwischen der heutigen Erklärung des Ministeriums und der Bekanntmachung des Bauraths Helft. Die letztere stellt die Arbeitseinstellung als Strafe hin. Man wird begreifen, welche Aufregung jede Strafandrohung hervorruft. Abg. Tamnau erklärt sich gegen die Dringlichkeit. Er glaubt nicht, daß eine Angelegenheit der Berliner Arbeiter wichtiger ist, als die des ganzen Landes, die hier zu berathen sind. Die Sache ist eine Verwaltungsmaßregel, die den Ministern überlassen bleiben muß. Abg. Temme: Ich halte die Sache für sehr dringend, (von der Rechten: Ja!) ja, trotz ihres ironischen Ja! Ich will nicht auf diese Einführung eines neuen Strafsystems aufmerksam machen, auf diese Dezimirung armer Arbeiter; ich will nicht aufmerksam machen darauf, daß, wer die Macht hat, nachgiebig sein muß; ich erinnere daran, daß das Ministerium Pfuel unter dem Schutz von 50,000 Bajonnetten aufgetreten ist. Muß man da nicht denken, daß dies Alles Werk der Reaktion sei? Erwägen Sie, welche Folgen die Erklärung des Ministerium haben kann, und wenn Sie es wohl mit dem Vaterland meinen, so werden Sie dem Antrage beistimmen. Abg. v. Kirchmann: Ich und meine politischen Freunde (die Partei Rodbertus-Berg) sind allerdings der Ansicht, daß die Sache eine Verwaltungsmaßregel ist, und wenn wir auch nicht zugestehen, daß die Besprechung der Verwaltungsmaßregel dieser Versammlung entgegen ist, wenn wir auch glauben, daß der Ausdruck Ahndung in der öffentlichen Bekanntmachung nicht glücklich gewählt ist, wenn wir auch den jetzigen Zeitpunkt für die Ausführung dieser

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 124. Köln, 24. Oktober 1848, S. 0626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz124_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.