Neue Rheinische Zeitung. Nr. 126. Köln, 26. Oktober 1848.haben hier zu entscheiden, ob wir in Preußen eine Bevölkerung aufnehmen wollen, die keine deutsche ist Abg. Kupfer erklärt sich in einer langweiligen Rede gegen die Amendements Philipps und Potworowski. Nach der deutschen Reichsverfassung dürfe kein deutscher Staat mit einem, einer andern Nationalität, keine andere Verbindung mehr haben, als die einer Personal-Union. Abg. Lisincki theilt in einer persönlichen Bemerkung mit, daß ihm die dieser Tage ein mit 4834 Unterschriften versehener Protest gegen die Demarkationslinie, aus seinem Wahlkreise eingereicht sei. Er verlangt die Verlesung, welches aber gegen die Geschäftsordnung ist. Abg. Richter spricht für das Potworowskische Amendement. Wenn die polnischen Abgeordneten sich auf die Wiener Verträge berufen, so geschieht dies, weil ihnen dort der letzte Rest ihrer Selbstständigkeit zugesichert wurde; seien wir daher nicht weniger freimüthig als die Fürsten. Diese ließen den Polen nicht allein ihre Nationalität, sondern Land und Nationalität. Ich habe daher das Vertrauen, daß wir uns auch zu dieser Höhe erheben werden und eine vollständige Restitution bewirken. Eine Demarkationslinie heißt aber nicht Restitution. Restitution ist, daß man das alte Unrecht ganz wieder gut macht und das unrechtmäßig Angeeignete vollständig zurückgiebt. Nach einigen Zwischenfällen und persönlichen Bemerkungen und thatsächlichen Berichtigungen erhält der Abg. Seeger das Wort. In einer sehr langen Rede setzt er seine Ansichten über die deutschen und polnischen Nationalitäten auseinander. Er verliest mehrere Bekanntmachungen der deutschen und polnischen Bevölkerung vom März d. J. Die Eine, worin das polnische Comite sich erklärt, daß ein eigenes Parlament in Posen zusammenkommen müsse und man nicht für die Berliner und Frankfurter Versammlungen wählen dürfe. Er schließt damit, daß es nur ein Mittel gebe, das der Theilung, und daß man daher die Festsetzung der Demarkationslinie beschleunigen möge. In dieser langen Rede hat er die polnischen Abgeordneten und die polnische Bevölkerung mehrmals angegriffen, welches wieder eine Reihe persönlicher und thatsächlicher Bemerkungen der polnischen Abgeordneten hervorruft. Abg. D'Ester: Ich berufe mich in dieser Angelegenheit nicht auf die Verträge von 1815, diese sind verrufen genug, sondern auf die Versprechungen des März. Sie wissen, daß einer Deputation des Großherzogthums am 21. März das Versprechen einer nationalen Reorganisation gegeben wurde. Dieses Versprechen steht in gleichem Verhältniß, wie alle andern des März und müssen ebenso ausgeführt werden. Erst am 30. März tauchte im Ministerrath die Idee auf, einige Kreise von der Reorganisation auszuschließen. Die Regierung hat aber in der ganzen Provinz Posen die Wahlen zu der National-Versammlung angeordnet und setzte demnach voraus, daß auch die polnische Bevölkerung an der Verfassung Theil nehmen solle. Dieser Ansicht sind auch die Abgeordneten polnischer Nation, welche von Anfang an in unserer Mitte sitzen. Durch die Demarkationslinie wird nur festgesetzt werden, daß die Bewohner, welche sich hinter jener Linie befinden, nicht mehr Theil an die Frankfurter Versammlung haben und daß die dortigen Beschlüsse keine Kraft für sie haben. Die Idee, das Versprechen einer nationalen Reorganisation brachte einen solchen Jubel in der Provinz Posen hervor und unterdrückte die schon aufgetauchte Idee einer sofortigen Wiederherstellung des polnischen Reiches. Sogar die Deutschen waren Anfangs damit zufrieden. Die letzten Ereignisse haben zwar bewiesen, daß Deutsche und Polen nicht mehr friedlich zusammen leben können und daß eine Trennung stattfinden muß. Aber untersuchen wir, woher diese Zerwürfnisse entstanden sind. Die Regierung hatte den Civil- und Militairbehörden einen sich entgegenstehenden Standpunkt einnehmen lassen. Während die Civilbehörden friedlich handelten, griff der General Colomb in jeder Hinsicht eigenmächtig ein. Er wollte das polnische Comite verhaften und widersetzte sich den Verfügungen des Generals Willisen. General Colomb ordnete mobile Kolonnen zur Unterdrückung der polnischen Bevölkerung an. Von Potsdam wird dies ungesetzliche Verfahren des Generals Colomb anerkannt. Trotzdem daß ein verantwortliches Ministerium existirte, schreibt der General Neumann auf allerhöchsten Befehl am 3. April an den General Reyher, daß der König die Maßregeln des Generals Colomb billige. Wollen wir eine Reorganisation und Sicherstellung der Nationalitäten, so geben Sie eine freie Gemeinde-Ordnung, eine selbstständige Kreis- und Bezirks-Ordnung, haben Sie die gegeben, so kann sich iede Nationalität zur Geltung bringen. Eine solche Reorganisation will man am Rhein, will man an der russischen und polnischen Gränze. Die polnische Bevölkerung will unserer freien Institutionen auch theilhaftig werden und sieht darin die ihnen versprochene Reorganisation, deshalb wollen sie in unserer Verfassung eingeschlossen sein. (Bravo links). Abg. v. Berg. Ich werde mich bemühen, Ihnen zu zeigen, daß, wenn man die deutsche Frage hier zur Sprache gebracht hat, man nicht Unrecht gethan. Man beantragte, daß die deutschen Kreise der Provinz Posen in Deutschland aufgenommen würden, und die deutsche Nationalversammlung beschloß, diese Kreise aufzunehmen, und die deutsche Gränze einige Meilen gegen Osten hinauszuschieben. Dazu gehört aber die Einwilligung Preußens. Wir dürfen den spätern Beschlüssen nicht vorausgreifen durch irgend eine Bestimmung. Das Amendement Philips verlangt die Rechte der polnischen Nationalität garantirt. Es ist dies nichts anderes, als was schon in Frankfurt beschlossen ist. Man hat erwiedert, daß hier dazu nicht der Platz sei, aber wir wollen endlich den Zweifeln ein Ende machen. Als man die Reorganisation des Großherzogthums versprach, war man sich nicht klar, daß der ganze Staat einer Reorganisation bedarf. Man zog sich später zurück, aus welchen Gründen, ist unbekannt geblieben, und noch weiß man nicht, was damit geschehen sollte. Nach einer vorgelesenen Mittheilung des General Pfuel schien es zwar damals Absicht zu sein, durch die Reorganisation Rußland in Gefahr zu bringen. Der Minister Pfuel sprach zwar damals seinen Unwillen aus, als seine Mittheilung hier vorgelesen worden, da es seine Privatmeinung wäre. Ich kann Ihnen aber mittheilen, daß jener Brief sich unter den offiziellen Aktenstücken befindet, welche der Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten, übergeben wurde. Hätte die Regierung damals das Großherzogthum Posen sich reorganisiren lassen, so hätte sie die Provinz von neuem erobert. Erkennen wir an, daß der polnischen Bevölkerung die Nationalität garantirt werden muß, sowohl diesseits als jenseits der Demarkationslinie, daß jedem Theile sein Recht werde. Minister Eichmann. Die Demarkationslinie, wie sie im Mai festgestellt worden, hätte die Frankfurter Versammlung angenommen. Abg. v. Berg. Die Frankfurter Versammlung hat mit der Festsetzung der Demarkationslinie gar nichts zu thun, das ist eine reine Verwaltungsmaßregel. Nachdem noch mehrere Redner und der Minister des Auswärtigen gesprochen hatten, wird die Debatte endlich geschlossen, und man schreitet zur Abstimmung. Der Kommissionsentwurf, lautend: "Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange, bilden das Preußische Staatsgebiet" wird mit großer Majorität angenommen und die Amendements Brodowski und Auerswald werden verworfen. Das Zusatz-Amendement des Abgeord. Philipps kommt hierauf zur Abstimmung, es lautet: "Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem Preußischen Staate eingeräumten besonderen Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen." Die Abstimmung ist zweifelhaft, es muß gezählt werden. Das Resultat: das Amendement ist mit 177 gegen 174 Stimmen angenommen. Die Rechte verlangt die namentliche Abstimmung. Resultat: 157 dafür; 164 dagegen; dies erregt Mißtrauen zur Linken und es wird vielseitig gegen die Richtigkeit dieser Zahlen protestirt. Man bringt zur Sprache, daß der Abg. Riebe beim Namensaufruf für das Amendement gestimmt habe und daß er nachher von einem deutschposen'schen Abgeordneten so lange gedrängt wurde, bis er nach einer Viertelstunde sein Votum umändern ließ. Der Abg. Riebe gesteht zu, daß er von seinem Kollegen nach der Abstimmung bewogen wurde, gegen das Amendement zu stimmen. Der Präsident entscheidet, daß sein erstes Votum gelten müsse und die Zahlen darnach abzuändern seien. Auch gegen das Votum des Ministerpräsidenten Pfuel wird protestirt. Er ist zwar vor einigen Tagen in Birnbaum gewählt worden, aber er hat noch kein Wahlprotokoll eingereicht, sich auch noch nicht als Abgeordneter gemeldet. Demnach könne er seine Stimme heute noch nicht abgeben. Endlich finden die Sekretäre, daß sie sich geirrt, und daß sie eine Seite mit 15 Stimmen für und 9 gegen das Amendement zuzuzählen vergessen. Große Aufregung. Das Resultat wäre nun, mit Zurückrechnung Riebe's Stimme: 173 für und 172 gegen das Amendement. Dies will man nun wieder nicht von der Rechten gelten lassen. Sie beantragen, daß die Abstimmung des Abg. Riebe gegen das Amendement gelten solle. Nach Ansicht des Präsidenten ist das ein selbstständiger Antrag, der erst Morgen zur Debatte kommen könne. Nachdem dieser Streit über die Abstimmung eine Stunde lang mit der größten Leidenschaftlichkeit von beiden Seiten geführt worden war, wird die Sitzung nach 3 Uhr endlich geschlossen. 103 Berlin, 23. Okt. Das Ministerium ist heute wieder in beiden wichtigen Abstimmungen geschlagen worden. Es hatte sich für das Amendement Auerswald erklärt, und dasselbe wird mit großer Majorität verworfen; (ungefähr 210 gegen 130) es sprach mit aller Energie gegen das Amendement Philipps und es wird angenommen. Uebrigens erging es dem Ministerium der bewaffneten Reaktion noch bei allen wichtigen Fragen nicht anders. Es erklärte sich gegen die unentgeldliche Aufhebung der Jagdgerechtigkeit, der Feudallasten, der Laudemien etc. und sie ging doch mit großer Majorität durch. In Potsdam will man nun alle diese Gesetze nicht genehmigen. Pfuel und Kisker wollen aber eher ihre Entlassung nehmen, als sich zu solchen antikonstitntionellen Maßregeln verstehen. (?) Seit gestern Abend spricht man hier vielfach von der Abdankung Pfuels und Kiskers.(?) Als Grund der Abdankung (!!) wird auch noch angegeben, daß man in Potsdam, die Klubs unterdrücken und den zum 26. zusammenberufenen demokratischen Congreß auf Wunsch der Frankfurter Centralgewalt unterdrücken will. Das Kriegsministerium mit der Präsidentschaft soll bereits dem Grafen Brandenburg angeboten, von diesem aber ausgeschlagen sein. Sollte nun Pfuel auf seine Entlassung bestehen, so würden Radowitz oder Wrangel seine Stelle bekommen. Aus allen solchen Maßregeln läßt sich schließen, daß die Kamarilla einen großen Schlag ausführen will. Die Truppen sind um Berlin zusammengezogen, können aber bei der schlechten Witterung nicht länger im Freien kantoniren. Will man sie nicht unbenutzt wieder auseinanderschicken, so muß man einen Zusammenstoß provociren. Man wird einen Hauptschlag ausführen wollen. Heute hat man angefangen die fliegenden Korps zu entwaffnen. Mit dem bewaffneten Studentenkorps hat man in der Art den Anfang gemacht, daß man dessen Waffendepot mit Beschlag belegte und den Befehl gegeben, die vorhandenen 500 Degen und 30 Büchsen ins Zeughaus abzuliefern. Man wagt sich noch nicht so weit, allen Studenten die Waffen abzuverlangen, und nahm fürs Erste nur die vorräthigen Waffen in Beschlag. Daß soviel im Depot vorhanden waren, kommt daher, daß es zufällig kurz nach den Ferien ist, und die Studenten ihre Waffen noch nicht wieder abgeholt hatten. Die andern Korps hierdurch aufmerksam gemacht, werden alle vorräthigen Waffen schnell an den Mann zu bringen wissen. Der König hat sich veranlaßt gefunden, das Benehmen der Bürgerwehr am 16. d. zu belobigen. Er hat folgende Kabinetsordre, vom Minister Eichmann kontrasignirt, an das Kommando der Bürgerwehr abgesendet: "Die Bürgerwehr meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin hat bei den beklagenswerthen Ereignissen des gestrigen Tages sich würdig gezeigt ihres Berufes, meines Vertrauens und der Ehre, die Ich ihr erzeigte, als Ich ihr im März die Waffen in die Hand gab zur Vertheidigung des Thrones, unserer Gesetze und der gestörten Ordnung. Ich gebe Ihnen auf, der Bürgerwehr Meinen anerkennenden Dank dafür in Meinem Namen auszusprechen. Ich spreche ihn aus mit dem Gefühle einer erfüllten Hoffnung, eines gerechtfertigten Vertrauens, einer trostreichen Aussicht in die Zukunft. Sanssouci, den 17. Oktober 1848. Friedrich Wilhelm." Als diese Kabinetsordre in den Klubs vorgelesen wurde, wurde sie mit dem größten Unwillen aufgenommen. So klug ist die Bourgeois auch, den Sinn solcher Worte deuten zu können und er ist entrüstet über eine solche Sprache, das ist nicht die Sprache vom 19. März, die klang ganz anders. Berlin, 21. Octbr. Wir hofften, die Charlottenburger Vorfälle sollten das Verdienst haben, einzig in ihrer Art dazustehen. Leider aber haben sie in der blutigen Elbinger Geburtstagsfeier ihresgleichen gefunden. Wie wir hören, ist von der Regierung bereits ein Kommissarius nach Elbing geschickt, der an Ort und Stelle von der Lage der Dinge Kenntniß nehmen soll. Er wird dort ein Rest von Reaktionären vorfinden, denen gefährliche Pläne schon lange im Stillen wuchern, und die jetzt zum zweiten Male die Straßen Elbings mit Blut gefärbt haben. Die frühere Wohlfeilheit der Lebensbedürfnisse hatte allmälig eine bedeutende Zahl von pensionirten Offizieren nach Elbing gelockt. Sie begründeten dort einen Heerd der Reaktion-Intriguants; die bei der herrschenden liberalen Richtung nicht ihre Rechnung fanden, schlossen sich den Grauköpfen mit rothem Kragen an. So entstand allmälig eine Liga, die jede liberale Regung zu ersticken sich bemühte und mit ihren heißesten Wünschen ein Auto da Fe aller Liberalen herbeisehnte. Wie unwillkommen dieser Clique die Märzrevolution war, läßt sich leicht denken; ist es ja in weiteren Kreisen bekannt geworden, daß einer dieser Herren die Bezeichnung "Urwähler" als Schimpfwort braucht. In Elbing wie anderswo ist ein großer Theil des Volkes noch ohne politisches Bewußtsein, und da die Reaktionäre kein Mittel für ihre Zwecke zu schlecht halten, so gelang es ihnen, die Kehlen und Fäuste der Proletarier für sich zu gewinnen. Aber wir könnten der Reaktion mit jenem Griechen sagen: "Wehe Euch, wenn das Volk zur Besinnung kommt!" (Nat.-Ztg.)Berlin, 24. Okt. Die Wahl des Hrn. v. Vincke zum Abgeordneten ist in der Sitzung der Nationalversammlung am Sonnabend als gültig anerkannt worden. Es ist noch nicht bestimmt, ob Hr. v. Vincke sofort seinen Sitz einnehmen wird. Der frühere Minister, Hr. v. Bodelschwingh, soll an Stelle des, wegen seiner Ernennung zum Kriminalgerichts-Direktor ausgeschiedenen Abgeordneten Harrassowitz, für den Teltower Kreis gewählt worden sein. Die Teltower Bauern sind doch ein tüchtiger Schlag Leute! (Neue Pr. Z.)Birnbaum, 12. Okt. Heute wurde hier an der Stelle des Deputirten Rißmann, der sein Mandat niedergelegt hat, eine Neuwahl für die Berliner Nationalversammlung getroffen, bei der sich leider die polnischen Wahlmänner nicht vollständig betheiligten. Die Zahl der anwesenden Wahlmänner betrug 74; absolute Stimmenmehrheit 38; davon erhielt General Pfuel (den das Journal des Debats, wahrscheinlich einem Witze der Neuen Rheinischen folgend, Pfuel d' Höllenstein genannt hat) 42, Hr. Hasa von Lewitz 26, der Exminister Märcker 6 Stimmen. Hr. v. Pfuel ist demnach zum Vereinbarer erwählt. * Dortmund, 25. Okt. Unser "rechtes" Westphalen, welches in Frankfurt glanzvoll durch Hrn. v. Vincke vertreten ist, hat auch endlich in Berlin in der Person des Hrn. Schultz (Oberlandesgerichtsassessors) seinen "Redner" gefunden. Der Parteihaß wird jetzt sich nicht mehr zu sagen erlauben, daß die Westphalen in Berlin keine drei Worte zusammenbringen können. Hr. Schultz ist eine christlich-westphälische Gemüthsinnerlichkeit. Aeußerlich ist wenig an Hrn. Schultz. Diabolisches ist in ihm nur soviel, als das Studium der westphälischen Juristerei in ihn hineingebracht hat. Wenn Heine in seinem Wintermärchen die Westphalen sentimentale Eichen nennt, so muß man wohl unterscheiden Westphalen grenzt an Holland. Neben den Gemüthsmenschen gibt es bei uns eine erschreckliche Zahl jener kalten, trockenen, schweigsamen, kalkulirenden, hinhorchenden, abwartenden holländischen Biedermänner, welche die Interessen des Staats mit ihren eigenen angenehm zu verknüpfen wissen. Warum sitzt Hr. Schultz neben Hrn. Harkort, Ostermann, Müllensiefen u. s. w.? Weil er die Anschauungsweise dieser Vertreter theilt? mag sein, aber es wäre auch gemüthlos, sich von seinen lieben Landsleuten zu trennen. Es wäre das gegen die deutsche Einigkeit. Unsere Holländer werden den gemüthlichen Schultz schon zu benutzen wissen. Schon in seiner Jungfernrede stellte sich Hr. Schultz auf den Standtpunkt des Gefühls und flötete von "jenem Gefühl", welches in Millionen nach Herstellung gesetzlicher Ruhe und Ordnung sich rege. Bei seinem zweiten Debüt, welches einen so kläglichen Ausgang für ihn nahm, sprach das "entrüstete Gemüth" aus ihm. Es wäre viel gemüthvoller gewesen, wenn Hr. D'Ester zu den sentimentalen Eichen hingegangen wäre und hätte ihnen gesagt: Liebe Leut', seid doch so gut und nehmt euch der armen Hungerleider im Ravensbergischen an. Die entrüsteten Worte, welche Hr. Schultz zur Versammlung sprach, erinnern lebhaft an eine ähnliche Scene im hiesigen Karneval 1847. Hr. Schultz war Narrenpräsident, wozu er viel Geschick hatte; sprach sich aber als solcher gegen das Einmischen der Politik, vorzugsweise gegen die Demokratie aus, von welcher er sagte, daß sie keinen Hund hinter den Ofen weglocken könnte. Der Präsident fand lebhafte Opposition. Da stürzte Hr. Schultz mit leichtfüßiger Schnelligkeit auf die Rednerbühne und donnerte die entrüsteten Worte: die Art und Weise, wie man hier die karnevalistischen Vergnügungen betreibt, ist einer hohen Narrenversammlung unwürdig. Dortmund hatte lange Zeit seine Hoffnungen auf Hrn. Ostermann (auch Oberlandesgerichtsassessor) gebaut. Mit seinem Abstimmen scheint man auch zufrieden zu sein. Selbst damit, daß er (nach der Köln. Ztg.) zu den "ausgezeichneten" Mitgliedern gehört, welche gegen das Jagdgesetz stimmten. Dortmund möchte aber gar zu gern einmal auch einen "Redner" haben. Hr. Ostermann ist Dortmunder Patrizier und galt hier, und zwar mit Recht, für das erste politische Glied. Als Hr. Ostermann lange Zeit schweigsam wie das Grab war, sagte man sich hier: Hr. Ostermann ist schlau, er paßt seine Zeit ab. Als er einmal für den Schluß einer Debatte sprach (unter allgemeiner Heiterkeit) so hieß es: Jetzt kommt's. Als er endlich zum stellvertretenden Schriftführer ernannt wurde, da rief man: da haben wir's. Hr. Ostermann hat sich hier die Gemüther ein wenig entfremdet, weil er zu patriziermäßig mit den Dortmundern umspringt. Andere westphälische Vertreter schreiben sich die Finger ab, für ihre heimathlichen Wochenblätter. Hr. Ostermann hat erst zwei winzige, schlechtstylisirte Briefchen hierher geschickt. In einem dieser Briefchen nennt er die Revolution einen mystischen Begriff, und schließt also: ich muß schließen, weil ich in die Versemmlung muß. Trotz alle dem hofft man hier, daß Hr. Harkort, Minister des Innern, Hr. Müllensiefen Minister des Handels und Hr. Ostermann Justizminister noch werden könnten. Bei Gott ist Alles möglich. 31 Minden, 22. Okt. Außer der Ihrer Zeitung schon mitgetheilten Mißhandlung eines hiesigen Bürgers sind noch mehrere Exzesse der Soldaten gegen "friedliche" Menschen bekannt geworden. Das veranlaßte den demokratischen Verein und den Volksverein, eine Volksversammlung zusammenzuberufen, um zu berathen, wie diesem Soldatenübermuthe ein Ende zu machen sei. Die Bürger dürfen nicht mehr wagen, unbewaffnet Abends ihr Haus zu verlassen. Wie Räuber fallen die Soldaten über Wehrlose her, und prügeln sie, ja "sie würden das noch ärger treiben" sagen sie. Ob sie dazu Befehle von Oben erhalten haben, weiß ich nicht - die Feindseligkeiten der Soldateska sind aber zum größten Theile der Aufreizung der Offiziere gegen "nicht preußisch Gesinnte", gewiß auch der unwiderstehlichen Beredtsamkeit des Obristen S. zuzuschreiben, der den Soldaten den Befehl ertheilt haben soll, Jeden auf die Wache zu schleppen oder - hinter die Ohren zu schlagen, der ihnen Plakate, wie die der "Demokraten Berlins an die Soldaten" anzubieten wage. Genug, die Bürger sind empört über diese schmählichen Excesse. In der Volksversammlung riefen die Mittheilungen der einzelnen Redner eine große Entrüstung hervor. Eine Kommission wurde gewählt, welche eine Sammlung aller vorgekommenen Excesse mit den Zeugenaussagen veranstalten und auf Grund dieses Materials eine Adresse an die Nat.-Versammlung in Berlin zur Interpellation an das Kriegsministerium entwerfen soll. Mit der einfachen Untersuchung von Seiten der Militärbehörden wollten sich die Bürger nicht zufriedenstellen. Sie wollen, daß der Stein'sche Antrag und Beschluß gegen die Reaktion im Heere, nicht nur auf dem Papier bleibe, und daß den Kriegsknechten die irrige Meinung benommen werde, als besäßen sie das Privilegium, die Bürger zu prügeln. Diese müssen sonst glauben, den Helden in rothblauen Röcken sei ein Freibrief für alle Rohheiten und Excesse ertheilt worden. 100 Bielefeld, 23. Okt. Am gestrigen Tage fand in dem Dorfe Brackwede eine große Volksversammlung statt. Es waren an 3000 Menschen versammelt. Der demokratische Verein hatte sie berufen, um das Verhältniß der Urwähler zu den s. g. konstituirenden Versammlungen von Frankfurt und Berlin zu besprechen. Weil die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfinden konnte, so wurde sie in einem großen Garten, also in einem "geschlossenen Raume" abgehalten. Die Behörden nämlich hatten sie - aus Mangel an Gründen, zur Verhütung möglicher Weise stattfinden könnender Excesse und Unruhen verboten. Der Landruth sprach in einer Unterredung mit dem Vorsitzenden des demokratischen Vereins, Kaufmann Rempel, die Ansicht aus: "er könne aus dem § 4 des Gesetzes vom 6. April nur herauslesen, daß die Regierung überhaupt Volksversammlungen nicht dulden dürfe!" Nicht "dulden" dürfe! So interpretiren königl. Behörden das "Versammlungsrecht." In der That können sie jede Volksversammlung unter dem Vorgeben, "daß die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet seien, verhindern. Also - die Versammlung wurde verboten, fand aber doch in dem "geschlossenen Raume" statt. Der erste Redner, Fr. Schnacke, forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Frankfurt auszusprechen, daß diese "Gesellschaft" das Vertrauen des Volkes verloren habe, insbesondere den Abgeordneten Schreiber aufzufordern, sein Mandat in die Hände seiner Wähler zurückzugeben. R. Rempel sprach über die Gemeindeordnung, wie sie von den Deputirten der Linken entworfen worden ist, und forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Berlin diese aufzufordern, daß sie bei ihren Berathungen über die Gemeindeordnung nur diesen D'Ester'schen Entwurf zu Grunde legen möge, dann auch, dem Abgeordneten d'Ester den Dank der Versammlung dafür auszusprechen, daß er sich so warm der Interessen unserer armen Spinner und Weber angenommen habe. Die Adressen waren bald mit einer Menge Unterschriften bedeckt und die Versammlung ging in "Ruhe und Ordnung" auseinander. Die Bielefelder Heuler, die einen Einfall in die Stadt und einen Raubzug befürchteten, in die Kaserne liefen, um für den "möglichen Fall einer möglichen Aufregung" möglichst rasch mit den Bajonetten bei der Hand zu sein, konnten noch einmal ruhig schlafen. Der Muth dieser konstitutionellen Bürger ist bewunderungswürdig! Der demokratische Verein hat die Nationalversammlung in Berlin aufgefordert: 1) in die Verfassung einen, das Versammlungsrecht des Volkes vor Uebergriffen von Seiten der Staatsgewalt sicherstellenden Paragraphen aufzunehmen. 2) bis zum Erlaß dieses Gesetzes aber den Behörden den Paragraphen 4 des Gesetzes vom 6. April über Volksversammlungen dahin zu interpretiren, daß das Versammlungsrecht "unter freiem Himmel" nicht durch Uebergriffe der Behörden gefährdet werde. Koblenz, 24. Octbr. Die vom hiesigen demokratischen Vereine beschlossene, mit mehr als 700 Unterschriften bedeckte Mißtrauensadresse an Hrn. Schlink in Berlin lautet, wie folgt: "Die Bürger der Stadt Koblenz, welche immer an der Spitze des zeitgemäßen Fortschrittes standen, bezweckten auch in diesem Frühjahre, die Abgeordnetenversammlung in Berlin mit einem Deputirten zu beschicken, der mit Kraft und Muth die Rechte des haben hier zu entscheiden, ob wir in Preußen eine Bevölkerung aufnehmen wollen, die keine deutsche ist Abg. Kupfer erklärt sich in einer langweiligen Rede gegen die Amendements Philipps und Potworowski. Nach der deutschen Reichsverfassung dürfe kein deutscher Staat mit einem, einer andern Nationalität, keine andere Verbindung mehr haben, als die einer Personal-Union. Abg. Lisincki theilt in einer persönlichen Bemerkung mit, daß ihm die dieser Tage ein mit 4834 Unterschriften versehener Protest gegen die Demarkationslinie, aus seinem Wahlkreise eingereicht sei. Er verlangt die Verlesung, welches aber gegen die Geschäftsordnung ist. Abg. Richter spricht für das Potworowskische Amendement. Wenn die polnischen Abgeordneten sich auf die Wiener Verträge berufen, so geschieht dies, weil ihnen dort der letzte Rest ihrer Selbstständigkeit zugesichert wurde; seien wir daher nicht weniger freimüthig als die Fürsten. Diese ließen den Polen nicht allein ihre Nationalität, sondern Land und Nationalität. Ich habe daher das Vertrauen, daß wir uns auch zu dieser Höhe erheben werden und eine vollständige Restitution bewirken. Eine Demarkationslinie heißt aber nicht Restitution. Restitution ist, daß man das alte Unrecht ganz wieder gut macht und das unrechtmäßig Angeeignete vollständig zurückgiebt. Nach einigen Zwischenfällen und persönlichen Bemerkungen und thatsächlichen Berichtigungen erhält der Abg. Seeger das Wort. In einer sehr langen Rede setzt er seine Ansichten über die deutschen und polnischen Nationalitäten auseinander. Er verliest mehrere Bekanntmachungen der deutschen und polnischen Bevölkerung vom März d. J. Die Eine, worin das polnische Comite sich erklärt, daß ein eigenes Parlament in Posen zusammenkommen müsse und man nicht für die Berliner und Frankfurter Versammlungen wählen dürfe. Er schließt damit, daß es nur ein Mittel gebe, das der Theilung, und daß man daher die Festsetzung der Demarkationslinie beschleunigen möge. In dieser langen Rede hat er die polnischen Abgeordneten und die polnische Bevölkerung mehrmals angegriffen, welches wieder eine Reihe persönlicher und thatsächlicher Bemerkungen der polnischen Abgeordneten hervorruft. Abg. D'Ester: Ich berufe mich in dieser Angelegenheit nicht auf die Verträge von 1815, diese sind verrufen genug, sondern auf die Versprechungen des März. Sie wissen, daß einer Deputation des Großherzogthums am 21. März das Versprechen einer nationalen Reorganisation gegeben wurde. Dieses Versprechen steht in gleichem Verhältniß, wie alle andern des März und müssen ebenso ausgeführt werden. Erst am 30. März tauchte im Ministerrath die Idee auf, einige Kreise von der Reorganisation auszuschließen. Die Regierung hat aber in der ganzen Provinz Posen die Wahlen zu der National-Versammlung angeordnet und setzte demnach voraus, daß auch die polnische Bevölkerung an der Verfassung Theil nehmen solle. Dieser Ansicht sind auch die Abgeordneten polnischer Nation, welche von Anfang an in unserer Mitte sitzen. Durch die Demarkationslinie wird nur festgesetzt werden, daß die Bewohner, welche sich hinter jener Linie befinden, nicht mehr Theil an die Frankfurter Versammlung haben und daß die dortigen Beschlüsse keine Kraft für sie haben. Die Idee, das Versprechen einer nationalen Reorganisation brachte einen solchen Jubel in der Provinz Posen hervor und unterdrückte die schon aufgetauchte Idee einer sofortigen Wiederherstellung des polnischen Reiches. Sogar die Deutschen waren Anfangs damit zufrieden. Die letzten Ereignisse haben zwar bewiesen, daß Deutsche und Polen nicht mehr friedlich zusammen leben können und daß eine Trennung stattfinden muß. Aber untersuchen wir, woher diese Zerwürfnisse entstanden sind. Die Regierung hatte den Civil- und Militairbehörden einen sich entgegenstehenden Standpunkt einnehmen lassen. Während die Civilbehörden friedlich handelten, griff der General Colomb in jeder Hinsicht eigenmächtig ein. Er wollte das polnische Comite verhaften und widersetzte sich den Verfügungen des Generals Willisen. General Colomb ordnete mobile Kolonnen zur Unterdrückung der polnischen Bevölkerung an. Von Potsdam wird dies ungesetzliche Verfahren des Generals Colomb anerkannt. Trotzdem daß ein verantwortliches Ministerium existirte, schreibt der General Neumann auf allerhöchsten Befehl am 3. April an den General Reyher, daß der König die Maßregeln des Generals Colomb billige. Wollen wir eine Reorganisation und Sicherstellung der Nationalitäten, so geben Sie eine freie Gemeinde-Ordnung, eine selbstständige Kreis- und Bezirks-Ordnung, haben Sie die gegeben, so kann sich iede Nationalität zur Geltung bringen. Eine solche Reorganisation will man am Rhein, will man an der russischen und polnischen Gränze. Die polnische Bevölkerung will unserer freien Institutionen auch theilhaftig werden und sieht darin die ihnen versprochene Reorganisation, deshalb wollen sie in unserer Verfassung eingeschlossen sein. (Bravo links). Abg. v. Berg. Ich werde mich bemühen, Ihnen zu zeigen, daß, wenn man die deutsche Frage hier zur Sprache gebracht hat, man nicht Unrecht gethan. Man beantragte, daß die deutschen Kreise der Provinz Posen in Deutschland aufgenommen würden, und die deutsche Nationalversammlung beschloß, diese Kreise aufzunehmen, und die deutsche Gränze einige Meilen gegen Osten hinauszuschieben. Dazu gehört aber die Einwilligung Preußens. Wir dürfen den spätern Beschlüssen nicht vorausgreifen durch irgend eine Bestimmung. Das Amendement Philips verlangt die Rechte der polnischen Nationalität garantirt. Es ist dies nichts anderes, als was schon in Frankfurt beschlossen ist. Man hat erwiedert, daß hier dazu nicht der Platz sei, aber wir wollen endlich den Zweifeln ein Ende machen. Als man die Reorganisation des Großherzogthums versprach, war man sich nicht klar, daß der ganze Staat einer Reorganisation bedarf. Man zog sich später zurück, aus welchen Gründen, ist unbekannt geblieben, und noch weiß man nicht, was damit geschehen sollte. Nach einer vorgelesenen Mittheilung des General Pfuel schien es zwar damals Absicht zu sein, durch die Reorganisation Rußland in Gefahr zu bringen. Der Minister Pfuel sprach zwar damals seinen Unwillen aus, als seine Mittheilung hier vorgelesen worden, da es seine Privatmeinung wäre. Ich kann Ihnen aber mittheilen, daß jener Brief sich unter den offiziellen Aktenstücken befindet, welche der Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten, übergeben wurde. Hätte die Regierung damals das Großherzogthum Posen sich reorganisiren lassen, so hätte sie die Provinz von neuem erobert. Erkennen wir an, daß der polnischen Bevölkerung die Nationalität garantirt werden muß, sowohl diesseits als jenseits der Demarkationslinie, daß jedem Theile sein Recht werde. Minister Eichmann. Die Demarkationslinie, wie sie im Mai festgestellt worden, hätte die Frankfurter Versammlung angenommen. Abg. v. Berg. Die Frankfurter Versammlung hat mit der Festsetzung der Demarkationslinie gar nichts zu thun, das ist eine reine Verwaltungsmaßregel. Nachdem noch mehrere Redner und der Minister des Auswärtigen gesprochen hatten, wird die Debatte endlich geschlossen, und man schreitet zur Abstimmung. Der Kommissionsentwurf, lautend: „Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange, bilden das Preußische Staatsgebiet“ wird mit großer Majorität angenommen und die Amendements Brodowski und Auerswald werden verworfen. Das Zusatz-Amendement des Abgeord. Philipps kommt hierauf zur Abstimmung, es lautet: „Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem Preußischen Staate eingeräumten besonderen Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen.“ Die Abstimmung ist zweifelhaft, es muß gezählt werden. Das Resultat: das Amendement ist mit 177 gegen 174 Stimmen angenommen. Die Rechte verlangt die namentliche Abstimmung. Resultat: 157 dafür; 164 dagegen; dies erregt Mißtrauen zur Linken und es wird vielseitig gegen die Richtigkeit dieser Zahlen protestirt. Man bringt zur Sprache, daß der Abg. Riebe beim Namensaufruf für das Amendement gestimmt habe und daß er nachher von einem deutschposen'schen Abgeordneten so lange gedrängt wurde, bis er nach einer Viertelstunde sein Votum umändern ließ. Der Abg. Riebe gesteht zu, daß er von seinem Kollegen nach der Abstimmung bewogen wurde, gegen das Amendement zu stimmen. Der Präsident entscheidet, daß sein erstes Votum gelten müsse und die Zahlen darnach abzuändern seien. Auch gegen das Votum des Ministerpräsidenten Pfuel wird protestirt. Er ist zwar vor einigen Tagen in Birnbaum gewählt worden, aber er hat noch kein Wahlprotokoll eingereicht, sich auch noch nicht als Abgeordneter gemeldet. Demnach könne er seine Stimme heute noch nicht abgeben. Endlich finden die Sekretäre, daß sie sich geirrt, und daß sie eine Seite mit 15 Stimmen für und 9 gegen das Amendement zuzuzählen vergessen. Große Aufregung. Das Resultat wäre nun, mit Zurückrechnung Riebe's Stimme: 173 für und 172 gegen das Amendement. Dies will man nun wieder nicht von der Rechten gelten lassen. Sie beantragen, daß die Abstimmung des Abg. Riebe gegen das Amendement gelten solle. Nach Ansicht des Präsidenten ist das ein selbstständiger Antrag, der erst Morgen zur Debatte kommen könne. Nachdem dieser Streit über die Abstimmung eine Stunde lang mit der größten Leidenschaftlichkeit von beiden Seiten geführt worden war, wird die Sitzung nach 3 Uhr endlich geschlossen. 103 Berlin, 23. Okt. Das Ministerium ist heute wieder in beiden wichtigen Abstimmungen geschlagen worden. Es hatte sich für das Amendement Auerswald erklärt, und dasselbe wird mit großer Majorität verworfen; (ungefähr 210 gegen 130) es sprach mit aller Energie gegen das Amendement Philipps und es wird angenommen. Uebrigens erging es dem Ministerium der bewaffneten Reaktion noch bei allen wichtigen Fragen nicht anders. Es erklärte sich gegen die unentgeldliche Aufhebung der Jagdgerechtigkeit, der Feudallasten, der Laudemien etc. und sie ging doch mit großer Majorität durch. In Potsdam will man nun alle diese Gesetze nicht genehmigen. Pfuel und Kisker wollen aber eher ihre Entlassung nehmen, als sich zu solchen antikonstitntionellen Maßregeln verstehen. (?) Seit gestern Abend spricht man hier vielfach von der Abdankung Pfuels und Kiskers.(?) Als Grund der Abdankung (!!) wird auch noch angegeben, daß man in Potsdam, die Klubs unterdrücken und den zum 26. zusammenberufenen demokratischen Congreß auf Wunsch der Frankfurter Centralgewalt unterdrücken will. Das Kriegsministerium mit der Präsidentschaft soll bereits dem Grafen Brandenburg angeboten, von diesem aber ausgeschlagen sein. Sollte nun Pfuel auf seine Entlassung bestehen, so würden Radowitz oder Wrangel seine Stelle bekommen. Aus allen solchen Maßregeln läßt sich schließen, daß die Kamarilla einen großen Schlag ausführen will. Die Truppen sind um Berlin zusammengezogen, können aber bei der schlechten Witterung nicht länger im Freien kantoniren. Will man sie nicht unbenutzt wieder auseinanderschicken, so muß man einen Zusammenstoß provociren. Man wird einen Hauptschlag ausführen wollen. Heute hat man angefangen die fliegenden Korps zu entwaffnen. Mit dem bewaffneten Studentenkorps hat man in der Art den Anfang gemacht, daß man dessen Waffendepot mit Beschlag belegte und den Befehl gegeben, die vorhandenen 500 Degen und 30 Büchsen ins Zeughaus abzuliefern. Man wagt sich noch nicht so weit, allen Studenten die Waffen abzuverlangen, und nahm fürs Erste nur die vorräthigen Waffen in Beschlag. Daß soviel im Depot vorhanden waren, kommt daher, daß es zufällig kurz nach den Ferien ist, und die Studenten ihre Waffen noch nicht wieder abgeholt hatten. Die andern Korps hierdurch aufmerksam gemacht, werden alle vorräthigen Waffen schnell an den Mann zu bringen wissen. Der König hat sich veranlaßt gefunden, das Benehmen der Bürgerwehr am 16. d. zu belobigen. Er hat folgende Kabinetsordre, vom Minister Eichmann kontrasignirt, an das Kommando der Bürgerwehr abgesendet: „Die Bürgerwehr meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin hat bei den beklagenswerthen Ereignissen des gestrigen Tages sich würdig gezeigt ihres Berufes, meines Vertrauens und der Ehre, die Ich ihr erzeigte, als Ich ihr im März die Waffen in die Hand gab zur Vertheidigung des Thrones, unserer Gesetze und der gestörten Ordnung. Ich gebe Ihnen auf, der Bürgerwehr Meinen anerkennenden Dank dafür in Meinem Namen auszusprechen. Ich spreche ihn aus mit dem Gefühle einer erfüllten Hoffnung, eines gerechtfertigten Vertrauens, einer trostreichen Aussicht in die Zukunft. Sanssouci, den 17. Oktober 1848. Friedrich Wilhelm.“ Als diese Kabinetsordre in den Klubs vorgelesen wurde, wurde sie mit dem größten Unwillen aufgenommen. So klug ist die Bourgeois auch, den Sinn solcher Worte deuten zu können und er ist entrüstet über eine solche Sprache, das ist nicht die Sprache vom 19. März, die klang ganz anders. Berlin, 21. Octbr. Wir hofften, die Charlottenburger Vorfälle sollten das Verdienst haben, einzig in ihrer Art dazustehen. Leider aber haben sie in der blutigen Elbinger Geburtstagsfeier ihresgleichen gefunden. Wie wir hören, ist von der Regierung bereits ein Kommissarius nach Elbing geschickt, der an Ort und Stelle von der Lage der Dinge Kenntniß nehmen soll. Er wird dort ein Rest von Reaktionären vorfinden, denen gefährliche Pläne schon lange im Stillen wuchern, und die jetzt zum zweiten Male die Straßen Elbings mit Blut gefärbt haben. Die frühere Wohlfeilheit der Lebensbedürfnisse hatte allmälig eine bedeutende Zahl von pensionirten Offizieren nach Elbing gelockt. Sie begründeten dort einen Heerd der Reaktion-Intriguants; die bei der herrschenden liberalen Richtung nicht ihre Rechnung fanden, schlossen sich den Grauköpfen mit rothem Kragen an. So entstand allmälig eine Liga, die jede liberale Regung zu ersticken sich bemühte und mit ihren heißesten Wünschen ein Auto da Fe aller Liberalen herbeisehnte. Wie unwillkommen dieser Clique die Märzrevolution war, läßt sich leicht denken; ist es ja in weiteren Kreisen bekannt geworden, daß einer dieser Herren die Bezeichnung „Urwähler“ als Schimpfwort braucht. In Elbing wie anderswo ist ein großer Theil des Volkes noch ohne politisches Bewußtsein, und da die Reaktionäre kein Mittel für ihre Zwecke zu schlecht halten, so gelang es ihnen, die Kehlen und Fäuste der Proletarier für sich zu gewinnen. Aber wir könnten der Reaktion mit jenem Griechen sagen: „Wehe Euch, wenn das Volk zur Besinnung kommt!“ (Nat.-Ztg.)Berlin, 24. Okt. Die Wahl des Hrn. v. Vincke zum Abgeordneten ist in der Sitzung der Nationalversammlung am Sonnabend als gültig anerkannt worden. Es ist noch nicht bestimmt, ob Hr. v. Vincke sofort seinen Sitz einnehmen wird. Der frühere Minister, Hr. v. Bodelschwingh, soll an Stelle des, wegen seiner Ernennung zum Kriminalgerichts-Direktor ausgeschiedenen Abgeordneten Harrassowitz, für den Teltower Kreis gewählt worden sein. Die Teltower Bauern sind doch ein tüchtiger Schlag Leute! (Neue Pr. Z.)Birnbaum, 12. Okt. Heute wurde hier an der Stelle des Deputirten Rißmann, der sein Mandat niedergelegt hat, eine Neuwahl für die Berliner Nationalversammlung getroffen, bei der sich leider die polnischen Wahlmänner nicht vollständig betheiligten. Die Zahl der anwesenden Wahlmänner betrug 74; absolute Stimmenmehrheit 38; davon erhielt General Pfuel (den das Journal des Debats, wahrscheinlich einem Witze der Neuen Rheinischen folgend, Pfuel d' Höllenstein genannt hat) 42, Hr. Hasa von Lewitz 26, der Exminister Märcker 6 Stimmen. Hr. v. Pfuel ist demnach zum Vereinbarer erwählt. * Dortmund, 25. Okt. Unser „rechtes“ Westphalen, welches in Frankfurt glanzvoll durch Hrn. v. Vincke vertreten ist, hat auch endlich in Berlin in der Person des Hrn. Schultz (Oberlandesgerichtsassessors) seinen „Redner“ gefunden. Der Parteihaß wird jetzt sich nicht mehr zu sagen erlauben, daß die Westphalen in Berlin keine drei Worte zusammenbringen können. Hr. Schultz ist eine christlich-westphälische Gemüthsinnerlichkeit. Aeußerlich ist wenig an Hrn. Schultz. Diabolisches ist in ihm nur soviel, als das Studium der westphälischen Juristerei in ihn hineingebracht hat. Wenn Heine in seinem Wintermärchen die Westphalen sentimentale Eichen nennt, so muß man wohl unterscheiden Westphalen grenzt an Holland. Neben den Gemüthsmenschen gibt es bei uns eine erschreckliche Zahl jener kalten, trockenen, schweigsamen, kalkulirenden, hinhorchenden, abwartenden holländischen Biedermänner, welche die Interessen des Staats mit ihren eigenen angenehm zu verknüpfen wissen. Warum sitzt Hr. Schultz neben Hrn. Harkort, Ostermann, Müllensiefen u. s. w.? Weil er die Anschauungsweise dieser Vertreter theilt? mag sein, aber es wäre auch gemüthlos, sich von seinen lieben Landsleuten zu trennen. Es wäre das gegen die deutsche Einigkeit. Unsere Holländer werden den gemüthlichen Schultz schon zu benutzen wissen. Schon in seiner Jungfernrede stellte sich Hr. Schultz auf den Standtpunkt des Gefühls und flötete von „jenem Gefühl“, welches in Millionen nach Herstellung gesetzlicher Ruhe und Ordnung sich rege. Bei seinem zweiten Debüt, welches einen so kläglichen Ausgang für ihn nahm, sprach das „entrüstete Gemüth“ aus ihm. Es wäre viel gemüthvoller gewesen, wenn Hr. D'Ester zu den sentimentalen Eichen hingegangen wäre und hätte ihnen gesagt: Liebe Leut', seid doch so gut und nehmt euch der armen Hungerleider im Ravensbergischen an. Die entrüsteten Worte, welche Hr. Schultz zur Versammlung sprach, erinnern lebhaft an eine ähnliche Scene im hiesigen Karneval 1847. Hr. Schultz war Narrenpräsident, wozu er viel Geschick hatte; sprach sich aber als solcher gegen das Einmischen der Politik, vorzugsweise gegen die Demokratie aus, von welcher er sagte, daß sie keinen Hund hinter den Ofen weglocken könnte. Der Präsident fand lebhafte Opposition. Da stürzte Hr. Schultz mit leichtfüßiger Schnelligkeit auf die Rednerbühne und donnerte die entrüsteten Worte: die Art und Weise, wie man hier die karnevalistischen Vergnügungen betreibt, ist einer hohen Narrenversammlung unwürdig. Dortmund hatte lange Zeit seine Hoffnungen auf Hrn. Ostermann (auch Oberlandesgerichtsassessor) gebaut. Mit seinem Abstimmen scheint man auch zufrieden zu sein. Selbst damit, daß er (nach der Köln. Ztg.) zu den „ausgezeichneten“ Mitgliedern gehört, welche gegen das Jagdgesetz stimmten. Dortmund möchte aber gar zu gern einmal auch einen „Redner“ haben. Hr. Ostermann ist Dortmunder Patrizier und galt hier, und zwar mit Recht, für das erste politische Glied. Als Hr. Ostermann lange Zeit schweigsam wie das Grab war, sagte man sich hier: Hr. Ostermann ist schlau, er paßt seine Zeit ab. Als er einmal für den Schluß einer Debatte sprach (unter allgemeiner Heiterkeit) so hieß es: Jetzt kommt's. Als er endlich zum stellvertretenden Schriftführer ernannt wurde, da rief man: da haben wir's. Hr. Ostermann hat sich hier die Gemüther ein wenig entfremdet, weil er zu patriziermäßig mit den Dortmundern umspringt. Andere westphälische Vertreter schreiben sich die Finger ab, für ihre heimathlichen Wochenblätter. Hr. Ostermann hat erst zwei winzige, schlechtstylisirte Briefchen hierher geschickt. In einem dieser Briefchen nennt er die Revolution einen mystischen Begriff, und schließt also: ich muß schließen, weil ich in die Versemmlung muß. Trotz alle dem hofft man hier, daß Hr. Harkort, Minister des Innern, Hr. Müllensiefen Minister des Handels und Hr. Ostermann Justizminister noch werden könnten. Bei Gott ist Alles möglich. 31 Minden, 22. Okt. Außer der Ihrer Zeitung schon mitgetheilten Mißhandlung eines hiesigen Bürgers sind noch mehrere Exzesse der Soldaten gegen „friedliche“ Menschen bekannt geworden. Das veranlaßte den demokratischen Verein und den Volksverein, eine Volksversammlung zusammenzuberufen, um zu berathen, wie diesem Soldatenübermuthe ein Ende zu machen sei. Die Bürger dürfen nicht mehr wagen, unbewaffnet Abends ihr Haus zu verlassen. Wie Räuber fallen die Soldaten über Wehrlose her, und prügeln sie, ja „sie würden das noch ärger treiben“ sagen sie. Ob sie dazu Befehle von Oben erhalten haben, weiß ich nicht ‒ die Feindseligkeiten der Soldateska sind aber zum größten Theile der Aufreizung der Offiziere gegen „nicht preußisch Gesinnte“, gewiß auch der unwiderstehlichen Beredtsamkeit des Obristen S. zuzuschreiben, der den Soldaten den Befehl ertheilt haben soll, Jeden auf die Wache zu schleppen oder ‒ hinter die Ohren zu schlagen, der ihnen Plakate, wie die der „Demokraten Berlins an die Soldaten“ anzubieten wage. Genug, die Bürger sind empört über diese schmählichen Excesse. In der Volksversammlung riefen die Mittheilungen der einzelnen Redner eine große Entrüstung hervor. Eine Kommission wurde gewählt, welche eine Sammlung aller vorgekommenen Excesse mit den Zeugenaussagen veranstalten und auf Grund dieses Materials eine Adresse an die Nat.-Versammlung in Berlin zur Interpellation an das Kriegsministerium entwerfen soll. Mit der einfachen Untersuchung von Seiten der Militärbehörden wollten sich die Bürger nicht zufriedenstellen. Sie wollen, daß der Stein'sche Antrag und Beschluß gegen die Reaktion im Heere, nicht nur auf dem Papier bleibe, und daß den Kriegsknechten die irrige Meinung benommen werde, als besäßen sie das Privilegium, die Bürger zu prügeln. Diese müssen sonst glauben, den Helden in rothblauen Röcken sei ein Freibrief für alle Rohheiten und Excesse ertheilt worden. 100 Bielefeld, 23. Okt. Am gestrigen Tage fand in dem Dorfe Brackwede eine große Volksversammlung statt. Es waren an 3000 Menschen versammelt. Der demokratische Verein hatte sie berufen, um das Verhältniß der Urwähler zu den s. g. konstituirenden Versammlungen von Frankfurt und Berlin zu besprechen. Weil die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfinden konnte, so wurde sie in einem großen Garten, also in einem „geschlossenen Raume“ abgehalten. Die Behörden nämlich hatten sie ‒ aus Mangel an Gründen, zur Verhütung möglicher Weise stattfinden könnender Excesse und Unruhen verboten. Der Landruth sprach in einer Unterredung mit dem Vorsitzenden des demokratischen Vereins, Kaufmann Rempel, die Ansicht aus: „er könne aus dem § 4 des Gesetzes vom 6. April nur herauslesen, daß die Regierung überhaupt Volksversammlungen nicht dulden dürfe!“ Nicht „dulden“ dürfe! So interpretiren königl. Behörden das „Versammlungsrecht.“ In der That können sie jede Volksversammlung unter dem Vorgeben, „daß die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet seien, verhindern. Also ‒ die Versammlung wurde verboten, fand aber doch in dem „geschlossenen Raume“ statt. Der erste Redner, Fr. Schnacke, forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Frankfurt auszusprechen, daß diese „Gesellschaft“ das Vertrauen des Volkes verloren habe, insbesondere den Abgeordneten Schreiber aufzufordern, sein Mandat in die Hände seiner Wähler zurückzugeben. R. Rempel sprach über die Gemeindeordnung, wie sie von den Deputirten der Linken entworfen worden ist, und forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Berlin diese aufzufordern, daß sie bei ihren Berathungen über die Gemeindeordnung nur diesen D'Ester'schen Entwurf zu Grunde legen möge, dann auch, dem Abgeordneten d'Ester den Dank der Versammlung dafür auszusprechen, daß er sich so warm der Interessen unserer armen Spinner und Weber angenommen habe. Die Adressen waren bald mit einer Menge Unterschriften bedeckt und die Versammlung ging in „Ruhe und Ordnung“ auseinander. Die Bielefelder Heuler, die einen Einfall in die Stadt und einen Raubzug befürchteten, in die Kaserne liefen, um für den „möglichen Fall einer möglichen Aufregung“ möglichst rasch mit den Bajonetten bei der Hand zu sein, konnten noch einmal ruhig schlafen. Der Muth dieser konstitutionellen Bürger ist bewunderungswürdig! Der demokratische Verein hat die Nationalversammlung in Berlin aufgefordert: 1) in die Verfassung einen, das Versammlungsrecht des Volkes vor Uebergriffen von Seiten der Staatsgewalt sicherstellenden Paragraphen aufzunehmen. 2) bis zum Erlaß dieses Gesetzes aber den Behörden den Paragraphen 4 des Gesetzes vom 6. April über Volksversammlungen dahin zu interpretiren, daß das Versammlungsrecht „unter freiem Himmel“ nicht durch Uebergriffe der Behörden gefährdet werde. Koblenz, 24. Octbr. Die vom hiesigen demokratischen Vereine beschlossene, mit mehr als 700 Unterschriften bedeckte Mißtrauensadresse an Hrn. Schlink in Berlin lautet, wie folgt: „Die Bürger der Stadt Koblenz, welche immer an der Spitze des zeitgemäßen Fortschrittes standen, bezweckten auch in diesem Frühjahre, die Abgeordnetenversammlung in Berlin mit einem Deputirten zu beschicken, der mit Kraft und Muth die Rechte des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar126_007" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0634"/> haben hier zu entscheiden, ob wir in Preußen eine Bevölkerung aufnehmen wollen, die keine deutsche ist</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Kupfer</hi> erklärt sich in einer langweiligen Rede gegen die Amendements Philipps und Potworowski. Nach der deutschen Reichsverfassung dürfe kein deutscher Staat mit einem, einer andern Nationalität, keine andere Verbindung mehr haben, als die einer Personal-Union.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Lisincki</hi> theilt in einer persönlichen Bemerkung mit, daß ihm die dieser Tage ein mit 4834 Unterschriften versehener Protest gegen die Demarkationslinie, aus seinem Wahlkreise eingereicht sei. Er verlangt die Verlesung, welches aber gegen die Geschäftsordnung ist.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Richter</hi> spricht für das Potworowskische Amendement. Wenn die polnischen Abgeordneten sich auf die Wiener Verträge berufen, so geschieht dies, weil ihnen dort der letzte Rest ihrer Selbstständigkeit zugesichert wurde; seien wir daher nicht weniger freimüthig als die Fürsten. Diese ließen den Polen nicht allein ihre Nationalität, sondern Land und Nationalität. Ich habe daher das Vertrauen, daß wir uns auch zu dieser Höhe erheben werden und eine vollständige Restitution bewirken. Eine Demarkationslinie heißt aber nicht Restitution. Restitution ist, daß man das alte Unrecht ganz wieder gut macht und das unrechtmäßig Angeeignete vollständig zurückgiebt.</p> <p>Nach einigen Zwischenfällen und persönlichen Bemerkungen und thatsächlichen Berichtigungen erhält der Abg. <hi rendition="#g">Seeger</hi> das Wort. In einer sehr langen Rede setzt er seine Ansichten über die deutschen und polnischen Nationalitäten auseinander. Er verliest mehrere Bekanntmachungen der deutschen und polnischen Bevölkerung vom März d. J. Die Eine, worin das polnische Comite sich erklärt, daß ein eigenes Parlament in Posen zusammenkommen müsse und man nicht für die Berliner und Frankfurter Versammlungen wählen dürfe. Er schließt damit, daß es nur ein Mittel gebe, das der Theilung, und daß man daher die Festsetzung der Demarkationslinie beschleunigen möge. In dieser langen Rede hat er die polnischen Abgeordneten und die polnische Bevölkerung mehrmals angegriffen, welches wieder eine Reihe persönlicher und thatsächlicher Bemerkungen der polnischen Abgeordneten hervorruft.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">D'Ester:</hi> Ich berufe mich in dieser Angelegenheit nicht auf die Verträge von 1815, diese sind verrufen genug, sondern auf die Versprechungen des März. Sie wissen, daß einer Deputation des Großherzogthums am 21. März das Versprechen einer nationalen Reorganisation gegeben wurde. Dieses Versprechen steht in gleichem Verhältniß, wie alle andern des März und müssen ebenso ausgeführt werden. Erst am 30. März tauchte im Ministerrath die Idee auf, einige Kreise von der Reorganisation auszuschließen. Die Regierung hat aber in der ganzen Provinz Posen die Wahlen zu der National-Versammlung angeordnet und setzte demnach voraus, daß auch die polnische Bevölkerung an der Verfassung Theil nehmen solle. Dieser Ansicht sind auch die Abgeordneten polnischer Nation, welche von Anfang an in unserer Mitte sitzen. Durch die Demarkationslinie wird nur festgesetzt werden, daß die Bewohner, welche sich hinter jener Linie befinden, nicht mehr Theil an die Frankfurter Versammlung haben und daß die dortigen Beschlüsse keine Kraft für sie haben. Die Idee, das Versprechen einer nationalen Reorganisation brachte einen solchen Jubel in der Provinz Posen hervor und unterdrückte die schon aufgetauchte Idee einer sofortigen Wiederherstellung des polnischen Reiches. Sogar die Deutschen waren Anfangs damit zufrieden. Die letzten Ereignisse haben zwar bewiesen, daß Deutsche und Polen nicht mehr friedlich zusammen leben können und daß eine Trennung stattfinden muß. Aber untersuchen wir, woher diese Zerwürfnisse entstanden sind. Die Regierung hatte den Civil- und Militairbehörden einen sich entgegenstehenden Standpunkt einnehmen lassen. Während die Civilbehörden friedlich handelten, griff der General Colomb in jeder Hinsicht eigenmächtig ein. Er wollte das polnische Comite verhaften und widersetzte sich den Verfügungen des Generals Willisen. General Colomb ordnete mobile Kolonnen zur Unterdrückung der polnischen Bevölkerung an. Von Potsdam wird dies ungesetzliche Verfahren des Generals Colomb anerkannt. Trotzdem daß ein verantwortliches Ministerium existirte, schreibt der General Neumann auf allerhöchsten Befehl am 3. April an den General Reyher, daß der König die Maßregeln des Generals Colomb billige. Wollen wir eine Reorganisation und Sicherstellung der Nationalitäten, so geben Sie eine freie Gemeinde-Ordnung, eine selbstständige Kreis- und Bezirks-Ordnung, haben Sie die gegeben, so kann sich iede Nationalität zur Geltung bringen. Eine solche Reorganisation will man am Rhein, will man an der russischen und polnischen Gränze. Die polnische Bevölkerung will unserer freien Institutionen auch theilhaftig werden und sieht darin die ihnen versprochene Reorganisation, deshalb wollen sie in unserer Verfassung eingeschlossen sein. (Bravo links).</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Berg.</hi> Ich werde mich bemühen, Ihnen zu zeigen, daß, wenn man die deutsche Frage hier zur Sprache gebracht hat, man nicht Unrecht gethan. Man beantragte, daß die deutschen Kreise der Provinz Posen in Deutschland aufgenommen würden, und die deutsche Nationalversammlung beschloß, diese Kreise aufzunehmen, und die deutsche Gränze einige Meilen gegen Osten hinauszuschieben. Dazu gehört aber die Einwilligung Preußens. Wir dürfen den spätern Beschlüssen nicht vorausgreifen durch irgend eine Bestimmung. Das Amendement Philips verlangt die Rechte der polnischen Nationalität garantirt. Es ist dies nichts anderes, als was schon in Frankfurt beschlossen ist. Man hat erwiedert, daß hier dazu nicht der Platz sei, aber wir wollen endlich den Zweifeln ein Ende machen. Als man die Reorganisation des Großherzogthums versprach, war man sich nicht klar, daß der ganze Staat einer Reorganisation bedarf. Man zog sich später zurück, aus welchen Gründen, ist unbekannt geblieben, und noch weiß man nicht, was damit geschehen sollte. Nach einer vorgelesenen Mittheilung des General Pfuel schien es zwar damals Absicht zu sein, durch die Reorganisation Rußland in Gefahr zu bringen. Der Minister Pfuel sprach zwar damals seinen Unwillen aus, als seine Mittheilung hier vorgelesen worden, da es seine Privatmeinung wäre. Ich kann Ihnen aber mittheilen, daß jener Brief sich unter den offiziellen Aktenstücken befindet, welche der Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten, übergeben wurde. Hätte die Regierung damals das Großherzogthum Posen sich reorganisiren lassen, so hätte sie die Provinz von neuem erobert. Erkennen wir an, daß der polnischen Bevölkerung die Nationalität garantirt werden muß, sowohl diesseits als jenseits der Demarkationslinie, daß jedem Theile sein Recht werde.</p> <p>Minister <hi rendition="#g">Eichmann.</hi> Die Demarkationslinie, wie sie im Mai festgestellt worden, hätte die Frankfurter Versammlung angenommen.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">v. Berg.</hi> Die Frankfurter Versammlung hat mit der Festsetzung der Demarkationslinie gar nichts zu thun, das ist eine reine Verwaltungsmaßregel.</p> <p>Nachdem noch mehrere Redner und der Minister des Auswärtigen gesprochen hatten, wird die Debatte endlich geschlossen, und man schreitet zur Abstimmung. Der Kommissionsentwurf, lautend:</p> <p>„Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange, bilden das Preußische Staatsgebiet“</p> <p>wird mit großer Majorität angenommen und die Amendements Brodowski und Auerswald werden verworfen. Das Zusatz-Amendement des Abgeord. <hi rendition="#g">Philipps</hi> kommt hierauf zur Abstimmung, es lautet:</p> <p>„Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem Preußischen Staate eingeräumten besonderen Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen.“</p> <p>Die Abstimmung ist zweifelhaft, es muß gezählt werden. Das Resultat: das Amendement ist mit 177 gegen 174 Stimmen angenommen. Die Rechte verlangt die namentliche Abstimmung. Resultat: 157 dafür; 164 dagegen; dies erregt Mißtrauen zur Linken und es wird vielseitig gegen die Richtigkeit dieser Zahlen protestirt. Man bringt zur Sprache, daß der Abg. <hi rendition="#g">Riebe</hi> beim Namensaufruf <hi rendition="#g">für</hi> das Amendement gestimmt habe und daß er nachher von einem deutschposen'schen Abgeordneten so lange gedrängt wurde, bis er nach einer Viertelstunde sein Votum umändern ließ. Der Abg. <hi rendition="#g">Riebe</hi> gesteht zu, daß er von seinem Kollegen nach der Abstimmung bewogen wurde, <hi rendition="#g">gegen</hi> das Amendement zu stimmen. Der Präsident entscheidet, daß sein erstes Votum gelten müsse und die Zahlen darnach abzuändern seien. Auch gegen das Votum des Ministerpräsidenten <hi rendition="#g">Pfuel</hi> wird protestirt. Er ist zwar vor einigen Tagen in Birnbaum gewählt worden, aber er hat noch kein Wahlprotokoll eingereicht, sich auch noch nicht als Abgeordneter gemeldet. Demnach könne er seine Stimme heute noch nicht abgeben. Endlich finden die Sekretäre, daß sie sich geirrt, und daß sie eine Seite mit 15 Stimmen für und 9 gegen das Amendement zuzuzählen vergessen. Große Aufregung. Das Resultat wäre nun, mit Zurückrechnung Riebe's Stimme: 173 für und 172 gegen das Amendement. Dies will man nun wieder nicht von der Rechten gelten lassen. Sie beantragen, daß die Abstimmung des Abg. Riebe <hi rendition="#g">gegen</hi> das Amendement gelten solle. Nach Ansicht des Präsidenten ist das ein selbstständiger Antrag, der erst Morgen zur Debatte kommen könne. Nachdem dieser Streit über die Abstimmung eine Stunde lang mit der größten Leidenschaftlichkeit von beiden Seiten geführt worden war, wird die Sitzung nach 3 Uhr endlich geschlossen.</p> </div> <div xml:id="ar126_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 23. Okt.</head> <p>Das Ministerium ist heute wieder in beiden wichtigen Abstimmungen geschlagen worden. Es hatte sich für das Amendement Auerswald erklärt, und dasselbe wird mit großer Majorität verworfen; (ungefähr 210 gegen 130) es sprach mit aller Energie gegen das Amendement <hi rendition="#g">Philipps</hi> und es wird angenommen. Uebrigens erging es dem Ministerium der bewaffneten Reaktion noch bei allen wichtigen Fragen nicht anders. Es erklärte sich gegen die unentgeldliche Aufhebung der Jagdgerechtigkeit, der Feudallasten, der Laudemien etc. und sie ging doch mit großer Majorität durch. In Potsdam will man nun alle diese Gesetze nicht genehmigen. <hi rendition="#g">Pfuel</hi> und <hi rendition="#g">Kisker</hi> wollen aber eher ihre Entlassung nehmen, als sich zu solchen antikonstitntionellen Maßregeln verstehen. (?) <hi rendition="#g">Seit gestern Abend spricht</hi> man hier <hi rendition="#g">vielfach</hi> von der <hi rendition="#g">Abdankung Pfuels</hi> und <hi rendition="#g">Kiskers.(?)</hi> Als Grund der Abdankung (!!) wird auch noch angegeben, daß man in Potsdam, die Klubs unterdrücken und den zum 26. zusammenberufenen <hi rendition="#g">demokratischen Congreß</hi> auf Wunsch der Frankfurter Centralgewalt unterdrücken will. Das Kriegsministerium mit der Präsidentschaft soll bereits dem Grafen <hi rendition="#g">Brandenburg</hi> angeboten, von diesem aber ausgeschlagen sein. Sollte nun <hi rendition="#g">Pfuel</hi> auf seine Entlassung bestehen, so würden <hi rendition="#g">Radowitz</hi> oder <hi rendition="#g">Wrangel</hi> seine Stelle bekommen.</p> <p>Aus allen solchen Maßregeln läßt sich schließen, daß die Kamarilla einen großen Schlag ausführen will. Die Truppen sind um Berlin zusammengezogen, können aber bei der schlechten Witterung nicht länger im Freien kantoniren. Will man sie nicht unbenutzt wieder auseinanderschicken, so muß man einen Zusammenstoß provociren. Man wird einen Hauptschlag ausführen wollen.</p> <p>Heute hat man angefangen die fliegenden Korps zu entwaffnen. Mit dem bewaffneten Studentenkorps hat man in der Art den Anfang gemacht, daß man dessen Waffendepot mit Beschlag belegte und den Befehl gegeben, die vorhandenen 500 Degen und 30 Büchsen ins Zeughaus abzuliefern. Man wagt sich noch nicht so weit, allen Studenten die Waffen abzuverlangen, und nahm fürs Erste nur die vorräthigen Waffen in Beschlag. Daß soviel im Depot vorhanden waren, kommt daher, daß es zufällig kurz nach den Ferien ist, und die Studenten ihre Waffen noch nicht wieder abgeholt hatten. Die andern Korps hierdurch aufmerksam gemacht, werden alle vorräthigen Waffen schnell an den Mann zu bringen wissen.</p> <p>Der König hat sich veranlaßt gefunden, das Benehmen der Bürgerwehr am 16. d. zu belobigen. Er hat folgende Kabinetsordre, vom Minister Eichmann kontrasignirt, an das Kommando der Bürgerwehr abgesendet: „Die Bürgerwehr meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin hat bei den beklagenswerthen Ereignissen des gestrigen Tages sich würdig gezeigt ihres Berufes, meines Vertrauens und der Ehre, die Ich ihr erzeigte, als Ich ihr im März die Waffen in die Hand gab zur Vertheidigung des Thrones, unserer Gesetze und der gestörten Ordnung. Ich gebe Ihnen auf, der Bürgerwehr Meinen anerkennenden Dank dafür in Meinem Namen auszusprechen. Ich spreche ihn aus mit dem Gefühle einer erfüllten Hoffnung, eines gerechtfertigten Vertrauens, einer trostreichen Aussicht in die Zukunft.</p> <p>Sanssouci, den 17. Oktober 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm.</hi>“</p> <p>Als diese Kabinetsordre in den Klubs vorgelesen wurde, wurde sie mit dem größten Unwillen aufgenommen. So klug ist die Bourgeois auch, den Sinn solcher Worte deuten zu können und er ist entrüstet über eine solche Sprache, das ist nicht die Sprache vom 19. März, die klang ganz anders.</p> </div> <div xml:id="ar126_009" type="jArticle"> <head>Berlin, 21. Octbr.</head> <p>Wir hofften, die Charlottenburger Vorfälle sollten das Verdienst haben, einzig in ihrer Art dazustehen. Leider aber haben sie in der blutigen Elbinger Geburtstagsfeier ihresgleichen gefunden. Wie wir hören, ist von der Regierung bereits ein Kommissarius nach Elbing geschickt, der an Ort und Stelle von der Lage der Dinge Kenntniß nehmen soll. Er wird dort ein Rest von Reaktionären vorfinden, denen gefährliche Pläne schon lange im Stillen wuchern, und die jetzt zum zweiten Male die Straßen Elbings mit Blut gefärbt haben. Die frühere Wohlfeilheit der Lebensbedürfnisse hatte allmälig eine bedeutende Zahl von pensionirten Offizieren nach Elbing gelockt. Sie begründeten dort einen Heerd der Reaktion-Intriguants; die bei der herrschenden liberalen Richtung nicht ihre Rechnung fanden, schlossen sich den Grauköpfen mit rothem Kragen an. So entstand allmälig eine Liga, die jede liberale Regung zu ersticken sich bemühte und mit ihren heißesten Wünschen ein Auto da Fe aller Liberalen herbeisehnte. Wie unwillkommen dieser Clique die Märzrevolution war, läßt sich leicht denken; ist es ja in weiteren Kreisen bekannt geworden, daß einer dieser Herren die Bezeichnung „Urwähler“ als Schimpfwort braucht. In Elbing wie anderswo ist ein großer Theil des Volkes noch ohne politisches Bewußtsein, und da die Reaktionäre kein Mittel für ihre Zwecke zu schlecht halten, so gelang es ihnen, die Kehlen und Fäuste der Proletarier für sich zu gewinnen. Aber wir könnten der Reaktion mit jenem Griechen sagen: „Wehe Euch, wenn das Volk zur Besinnung kommt!“</p> <bibl>(Nat.-Ztg.)</bibl> </div> <div xml:id="ar126_010" type="jArticle"> <head>Berlin, 24. Okt.</head> <p>Die Wahl des Hrn. v. Vincke zum Abgeordneten ist in der Sitzung der Nationalversammlung am Sonnabend als gültig anerkannt worden. Es ist noch nicht bestimmt, ob Hr. v. Vincke sofort seinen Sitz einnehmen wird.</p> <p>Der frühere Minister, Hr. v. Bodelschwingh, soll an Stelle des, wegen seiner Ernennung zum Kriminalgerichts-Direktor ausgeschiedenen Abgeordneten Harrassowitz, für den Teltower Kreis gewählt worden sein. Die Teltower Bauern sind doch ein tüchtiger Schlag Leute!</p> <bibl>(Neue Pr. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar126_011" type="jArticle"> <head>Birnbaum, 12. Okt.</head> <p>Heute wurde hier an der Stelle des Deputirten Rißmann, der sein Mandat niedergelegt hat, eine Neuwahl für die Berliner Nationalversammlung getroffen, bei der sich leider die polnischen Wahlmänner nicht vollständig betheiligten. Die Zahl der anwesenden Wahlmänner betrug 74; absolute Stimmenmehrheit 38; davon erhielt General Pfuel (den das Journal des Debats, wahrscheinlich einem Witze der Neuen Rheinischen folgend, Pfuel d' Höllenstein genannt hat) 42, Hr. Hasa von Lewitz 26, der Exminister Märcker 6 Stimmen. Hr. v. Pfuel ist demnach zum Vereinbarer erwählt.</p> </div> <div xml:id="ar126_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Dortmund, 25. Okt.</head> <p>Unser „rechtes“ Westphalen, welches in Frankfurt glanzvoll durch Hrn. v. Vincke vertreten ist, hat auch endlich in Berlin in der Person des Hrn. Schultz (Oberlandesgerichtsassessors) seinen „Redner“ gefunden. Der Parteihaß wird jetzt sich nicht mehr zu sagen erlauben, daß die Westphalen in Berlin keine drei Worte zusammenbringen können. Hr. Schultz ist eine christlich-westphälische Gemüthsinnerlichkeit. Aeußerlich ist wenig an Hrn. Schultz. Diabolisches ist in ihm nur soviel, als das Studium der westphälischen Juristerei in ihn hineingebracht hat. Wenn Heine in seinem Wintermärchen die Westphalen sentimentale Eichen nennt, so muß man wohl unterscheiden Westphalen grenzt an Holland. Neben den Gemüthsmenschen gibt es bei uns eine erschreckliche Zahl jener kalten, trockenen, schweigsamen, kalkulirenden, hinhorchenden, abwartenden holländischen Biedermänner, welche die Interessen des Staats mit ihren eigenen angenehm zu verknüpfen wissen. Warum sitzt Hr. Schultz neben Hrn. Harkort, Ostermann, Müllensiefen u. s. w.? Weil er die Anschauungsweise dieser Vertreter theilt? mag sein, aber es wäre auch gemüthlos, sich von seinen lieben Landsleuten zu trennen. Es wäre das gegen die deutsche Einigkeit. Unsere Holländer werden den gemüthlichen Schultz schon zu benutzen wissen. Schon in seiner Jungfernrede stellte sich Hr. Schultz auf den Standtpunkt des Gefühls und flötete von „jenem Gefühl“, welches in Millionen nach Herstellung gesetzlicher Ruhe und Ordnung sich rege. Bei seinem zweiten Debüt, welches einen so kläglichen Ausgang für ihn nahm, sprach das „entrüstete Gemüth“ aus ihm. Es wäre viel gemüthvoller gewesen, wenn Hr. D'Ester zu den sentimentalen Eichen hingegangen wäre und hätte ihnen gesagt: Liebe Leut', seid doch so gut und nehmt euch der armen Hungerleider im Ravensbergischen an. Die entrüsteten Worte, welche Hr. Schultz zur Versammlung sprach, erinnern lebhaft an eine ähnliche Scene im hiesigen Karneval 1847. Hr. Schultz war Narrenpräsident, wozu er viel Geschick hatte; sprach sich aber als solcher gegen das Einmischen der Politik, vorzugsweise gegen die Demokratie aus, von welcher er sagte, daß sie keinen Hund hinter den Ofen weglocken könnte. Der Präsident fand lebhafte Opposition. Da stürzte Hr. Schultz mit leichtfüßiger Schnelligkeit auf die Rednerbühne und donnerte die entrüsteten Worte: die Art und Weise, wie man hier die karnevalistischen Vergnügungen betreibt, ist einer hohen Narrenversammlung unwürdig.</p> <p>Dortmund hatte lange Zeit seine Hoffnungen auf Hrn. Ostermann (auch Oberlandesgerichtsassessor) gebaut. Mit seinem Abstimmen scheint man auch zufrieden zu sein. Selbst damit, daß er (nach der Köln. Ztg.) zu den „ausgezeichneten“ Mitgliedern gehört, welche gegen das Jagdgesetz stimmten. Dortmund möchte aber gar zu gern einmal auch einen „Redner“ haben. Hr. Ostermann ist Dortmunder Patrizier und galt hier, und zwar mit Recht, für das erste politische Glied.</p> <p>Als Hr. Ostermann lange Zeit schweigsam wie das Grab war, sagte man sich hier: Hr. Ostermann ist schlau, er paßt seine Zeit ab. Als er einmal für den Schluß einer Debatte sprach (unter allgemeiner Heiterkeit) so hieß es: Jetzt kommt's. Als er endlich zum stellvertretenden Schriftführer ernannt wurde, da rief man: da haben wir's. Hr. Ostermann hat sich hier die Gemüther ein wenig entfremdet, weil er zu patriziermäßig mit den Dortmundern umspringt. Andere westphälische Vertreter schreiben sich die Finger ab, für ihre heimathlichen Wochenblätter. Hr. Ostermann hat erst zwei winzige, schlechtstylisirte Briefchen hierher geschickt. In einem dieser Briefchen nennt er die Revolution einen <hi rendition="#g">mystischen Begriff,</hi> und schließt also: ich muß schließen, weil ich in die Versemmlung muß. Trotz alle dem hofft man hier, daß Hr. Harkort, Minister des Innern, Hr. Müllensiefen Minister des Handels und Hr. Ostermann Justizminister noch werden könnten. Bei Gott ist Alles möglich.</p> </div> <div xml:id="ar126_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>31</author></bibl> Minden, 22. Okt.</head> <p>Außer der Ihrer Zeitung schon mitgetheilten Mißhandlung eines hiesigen Bürgers sind noch mehrere Exzesse der Soldaten gegen „friedliche“ Menschen bekannt geworden. Das veranlaßte den demokratischen Verein und den Volksverein, eine Volksversammlung zusammenzuberufen, um zu berathen, wie diesem Soldatenübermuthe ein Ende zu machen sei. Die Bürger dürfen nicht mehr wagen, unbewaffnet Abends ihr Haus zu verlassen. Wie Räuber fallen die Soldaten über Wehrlose her, und prügeln sie, ja „sie würden das noch ärger treiben“ sagen sie. Ob sie dazu Befehle von Oben erhalten haben, weiß ich nicht ‒ die Feindseligkeiten der Soldateska sind aber zum größten Theile der Aufreizung der Offiziere gegen „nicht preußisch Gesinnte“, gewiß auch der unwiderstehlichen Beredtsamkeit des Obristen S. zuzuschreiben, der den Soldaten den Befehl ertheilt haben soll, Jeden auf die Wache zu schleppen oder ‒ hinter die Ohren zu schlagen, der ihnen Plakate, wie die der „Demokraten Berlins an die Soldaten“ anzubieten wage. Genug, die Bürger sind empört über diese schmählichen Excesse. In der Volksversammlung riefen die Mittheilungen der einzelnen Redner eine große Entrüstung hervor. Eine Kommission wurde gewählt, welche eine Sammlung aller vorgekommenen Excesse mit den Zeugenaussagen veranstalten und auf Grund dieses Materials eine Adresse an die Nat.-Versammlung in Berlin zur Interpellation an das Kriegsministerium entwerfen soll. Mit der einfachen Untersuchung von Seiten der Militärbehörden wollten sich die Bürger nicht zufriedenstellen. Sie wollen, daß der Stein'sche Antrag und Beschluß gegen die Reaktion im Heere, nicht nur auf dem Papier bleibe, und daß den Kriegsknechten die irrige Meinung benommen werde, als besäßen sie das Privilegium, die Bürger zu prügeln. Diese müssen sonst glauben, den Helden in rothblauen Röcken sei ein <hi rendition="#g">Freibrief</hi> für alle Rohheiten und Excesse ertheilt worden.</p> </div> <div xml:id="ar126_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>100</author></bibl> Bielefeld, 23. Okt.</head> <p>Am gestrigen Tage fand in dem Dorfe Brackwede eine große Volksversammlung statt. Es waren an 3000 Menschen versammelt. Der demokratische Verein hatte sie berufen, um das Verhältniß der Urwähler zu den s. g. konstituirenden Versammlungen von Frankfurt und Berlin zu besprechen. Weil die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfinden konnte, so wurde sie in einem großen Garten, also in einem „geschlossenen Raume“ abgehalten. Die Behörden nämlich hatten sie ‒ aus Mangel an Gründen, zur Verhütung möglicher Weise stattfinden könnender Excesse und Unruhen verboten. Der Landruth sprach in einer Unterredung mit dem Vorsitzenden des demokratischen Vereins, Kaufmann Rempel, die Ansicht aus: „er könne aus dem § 4 des Gesetzes vom 6. April <hi rendition="#g">nur</hi> herauslesen, daß die Regierung überhaupt Volksversammlungen nicht dulden dürfe!“ Nicht „dulden“ dürfe! So interpretiren königl. Behörden das <hi rendition="#g">„Versammlungsrecht.“</hi> In der That können sie jede Volksversammlung unter dem Vorgeben, „daß die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet seien, verhindern. Also ‒ die Versammlung wurde <hi rendition="#g">verboten,</hi> fand aber doch in dem „geschlossenen Raume“ statt. Der erste Redner, Fr. Schnacke, forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Frankfurt auszusprechen, daß diese „Gesellschaft“ das Vertrauen des Volkes verloren habe, insbesondere den Abgeordneten Schreiber aufzufordern, sein Mandat in die Hände seiner Wähler zurückzugeben. R. Rempel sprach über die Gemeindeordnung, wie sie von den Deputirten der Linken entworfen worden ist, und forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Berlin diese aufzufordern, daß sie bei ihren Berathungen über die Gemeindeordnung nur diesen D'Ester'schen Entwurf zu Grunde legen möge, dann auch, dem Abgeordneten d'Ester den Dank der Versammlung dafür auszusprechen, daß er sich so warm der Interessen unserer armen Spinner und Weber angenommen habe. Die Adressen waren bald mit einer Menge Unterschriften bedeckt und die Versammlung ging in „Ruhe und Ordnung“ auseinander. Die Bielefelder Heuler, die einen Einfall in die Stadt und einen Raubzug befürchteten, in die Kaserne liefen, um für den „möglichen Fall einer möglichen Aufregung“ möglichst rasch mit den Bajonetten bei der Hand zu sein, konnten noch einmal ruhig schlafen. Der Muth dieser konstitutionellen Bürger ist bewunderungswürdig!</p> <p>Der demokratische Verein hat die Nationalversammlung in Berlin aufgefordert:</p> <p>1) in die Verfassung einen, das Versammlungsrecht des Volkes vor Uebergriffen von Seiten der Staatsgewalt sicherstellenden Paragraphen aufzunehmen.</p> <p>2) bis zum Erlaß dieses Gesetzes aber den Behörden den Paragraphen 4 des Gesetzes vom 6. April über Volksversammlungen dahin zu interpretiren, daß das Versammlungsrecht „unter freiem Himmel“ nicht durch Uebergriffe der Behörden gefährdet werde.</p> </div> <div xml:id="ar126_015" type="jArticle"> <head>Koblenz, 24. Octbr.</head> <p>Die vom hiesigen demokratischen Vereine beschlossene, mit mehr als 700 Unterschriften bedeckte Mißtrauensadresse an Hrn. <hi rendition="#g">Schlink</hi> in Berlin lautet, wie folgt: „Die Bürger der Stadt Koblenz, welche immer an der Spitze des zeitgemäßen Fortschrittes standen, bezweckten auch in diesem Frühjahre, die Abgeordnetenversammlung in Berlin mit einem Deputirten zu beschicken, der mit Kraft und Muth die Rechte des </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0634/0002]
haben hier zu entscheiden, ob wir in Preußen eine Bevölkerung aufnehmen wollen, die keine deutsche ist
Abg. Kupfer erklärt sich in einer langweiligen Rede gegen die Amendements Philipps und Potworowski. Nach der deutschen Reichsverfassung dürfe kein deutscher Staat mit einem, einer andern Nationalität, keine andere Verbindung mehr haben, als die einer Personal-Union.
Abg. Lisincki theilt in einer persönlichen Bemerkung mit, daß ihm die dieser Tage ein mit 4834 Unterschriften versehener Protest gegen die Demarkationslinie, aus seinem Wahlkreise eingereicht sei. Er verlangt die Verlesung, welches aber gegen die Geschäftsordnung ist.
Abg. Richter spricht für das Potworowskische Amendement. Wenn die polnischen Abgeordneten sich auf die Wiener Verträge berufen, so geschieht dies, weil ihnen dort der letzte Rest ihrer Selbstständigkeit zugesichert wurde; seien wir daher nicht weniger freimüthig als die Fürsten. Diese ließen den Polen nicht allein ihre Nationalität, sondern Land und Nationalität. Ich habe daher das Vertrauen, daß wir uns auch zu dieser Höhe erheben werden und eine vollständige Restitution bewirken. Eine Demarkationslinie heißt aber nicht Restitution. Restitution ist, daß man das alte Unrecht ganz wieder gut macht und das unrechtmäßig Angeeignete vollständig zurückgiebt.
Nach einigen Zwischenfällen und persönlichen Bemerkungen und thatsächlichen Berichtigungen erhält der Abg. Seeger das Wort. In einer sehr langen Rede setzt er seine Ansichten über die deutschen und polnischen Nationalitäten auseinander. Er verliest mehrere Bekanntmachungen der deutschen und polnischen Bevölkerung vom März d. J. Die Eine, worin das polnische Comite sich erklärt, daß ein eigenes Parlament in Posen zusammenkommen müsse und man nicht für die Berliner und Frankfurter Versammlungen wählen dürfe. Er schließt damit, daß es nur ein Mittel gebe, das der Theilung, und daß man daher die Festsetzung der Demarkationslinie beschleunigen möge. In dieser langen Rede hat er die polnischen Abgeordneten und die polnische Bevölkerung mehrmals angegriffen, welches wieder eine Reihe persönlicher und thatsächlicher Bemerkungen der polnischen Abgeordneten hervorruft.
Abg. D'Ester: Ich berufe mich in dieser Angelegenheit nicht auf die Verträge von 1815, diese sind verrufen genug, sondern auf die Versprechungen des März. Sie wissen, daß einer Deputation des Großherzogthums am 21. März das Versprechen einer nationalen Reorganisation gegeben wurde. Dieses Versprechen steht in gleichem Verhältniß, wie alle andern des März und müssen ebenso ausgeführt werden. Erst am 30. März tauchte im Ministerrath die Idee auf, einige Kreise von der Reorganisation auszuschließen. Die Regierung hat aber in der ganzen Provinz Posen die Wahlen zu der National-Versammlung angeordnet und setzte demnach voraus, daß auch die polnische Bevölkerung an der Verfassung Theil nehmen solle. Dieser Ansicht sind auch die Abgeordneten polnischer Nation, welche von Anfang an in unserer Mitte sitzen. Durch die Demarkationslinie wird nur festgesetzt werden, daß die Bewohner, welche sich hinter jener Linie befinden, nicht mehr Theil an die Frankfurter Versammlung haben und daß die dortigen Beschlüsse keine Kraft für sie haben. Die Idee, das Versprechen einer nationalen Reorganisation brachte einen solchen Jubel in der Provinz Posen hervor und unterdrückte die schon aufgetauchte Idee einer sofortigen Wiederherstellung des polnischen Reiches. Sogar die Deutschen waren Anfangs damit zufrieden. Die letzten Ereignisse haben zwar bewiesen, daß Deutsche und Polen nicht mehr friedlich zusammen leben können und daß eine Trennung stattfinden muß. Aber untersuchen wir, woher diese Zerwürfnisse entstanden sind. Die Regierung hatte den Civil- und Militairbehörden einen sich entgegenstehenden Standpunkt einnehmen lassen. Während die Civilbehörden friedlich handelten, griff der General Colomb in jeder Hinsicht eigenmächtig ein. Er wollte das polnische Comite verhaften und widersetzte sich den Verfügungen des Generals Willisen. General Colomb ordnete mobile Kolonnen zur Unterdrückung der polnischen Bevölkerung an. Von Potsdam wird dies ungesetzliche Verfahren des Generals Colomb anerkannt. Trotzdem daß ein verantwortliches Ministerium existirte, schreibt der General Neumann auf allerhöchsten Befehl am 3. April an den General Reyher, daß der König die Maßregeln des Generals Colomb billige. Wollen wir eine Reorganisation und Sicherstellung der Nationalitäten, so geben Sie eine freie Gemeinde-Ordnung, eine selbstständige Kreis- und Bezirks-Ordnung, haben Sie die gegeben, so kann sich iede Nationalität zur Geltung bringen. Eine solche Reorganisation will man am Rhein, will man an der russischen und polnischen Gränze. Die polnische Bevölkerung will unserer freien Institutionen auch theilhaftig werden und sieht darin die ihnen versprochene Reorganisation, deshalb wollen sie in unserer Verfassung eingeschlossen sein. (Bravo links).
Abg. v. Berg. Ich werde mich bemühen, Ihnen zu zeigen, daß, wenn man die deutsche Frage hier zur Sprache gebracht hat, man nicht Unrecht gethan. Man beantragte, daß die deutschen Kreise der Provinz Posen in Deutschland aufgenommen würden, und die deutsche Nationalversammlung beschloß, diese Kreise aufzunehmen, und die deutsche Gränze einige Meilen gegen Osten hinauszuschieben. Dazu gehört aber die Einwilligung Preußens. Wir dürfen den spätern Beschlüssen nicht vorausgreifen durch irgend eine Bestimmung. Das Amendement Philips verlangt die Rechte der polnischen Nationalität garantirt. Es ist dies nichts anderes, als was schon in Frankfurt beschlossen ist. Man hat erwiedert, daß hier dazu nicht der Platz sei, aber wir wollen endlich den Zweifeln ein Ende machen. Als man die Reorganisation des Großherzogthums versprach, war man sich nicht klar, daß der ganze Staat einer Reorganisation bedarf. Man zog sich später zurück, aus welchen Gründen, ist unbekannt geblieben, und noch weiß man nicht, was damit geschehen sollte. Nach einer vorgelesenen Mittheilung des General Pfuel schien es zwar damals Absicht zu sein, durch die Reorganisation Rußland in Gefahr zu bringen. Der Minister Pfuel sprach zwar damals seinen Unwillen aus, als seine Mittheilung hier vorgelesen worden, da es seine Privatmeinung wäre. Ich kann Ihnen aber mittheilen, daß jener Brief sich unter den offiziellen Aktenstücken befindet, welche der Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten, übergeben wurde. Hätte die Regierung damals das Großherzogthum Posen sich reorganisiren lassen, so hätte sie die Provinz von neuem erobert. Erkennen wir an, daß der polnischen Bevölkerung die Nationalität garantirt werden muß, sowohl diesseits als jenseits der Demarkationslinie, daß jedem Theile sein Recht werde.
Minister Eichmann. Die Demarkationslinie, wie sie im Mai festgestellt worden, hätte die Frankfurter Versammlung angenommen.
Abg. v. Berg. Die Frankfurter Versammlung hat mit der Festsetzung der Demarkationslinie gar nichts zu thun, das ist eine reine Verwaltungsmaßregel.
Nachdem noch mehrere Redner und der Minister des Auswärtigen gesprochen hatten, wird die Debatte endlich geschlossen, und man schreitet zur Abstimmung. Der Kommissionsentwurf, lautend:
„Alle Landestheile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange, bilden das Preußische Staatsgebiet“
wird mit großer Majorität angenommen und die Amendements Brodowski und Auerswald werden verworfen. Das Zusatz-Amendement des Abgeord. Philipps kommt hierauf zur Abstimmung, es lautet:
„Den Bewohnern des Großherzogthums Posen werden die ihnen bei der Verbindung des Großherzogthums Posen mit dem Preußischen Staate eingeräumten besonderen Rechte gewährleistet. Ein gleichzeitig mit dieser Verfassungs-Urkunde zu erlassendes organisches Gesetz wird diese Rechte näher festsetzen.“
Die Abstimmung ist zweifelhaft, es muß gezählt werden. Das Resultat: das Amendement ist mit 177 gegen 174 Stimmen angenommen. Die Rechte verlangt die namentliche Abstimmung. Resultat: 157 dafür; 164 dagegen; dies erregt Mißtrauen zur Linken und es wird vielseitig gegen die Richtigkeit dieser Zahlen protestirt. Man bringt zur Sprache, daß der Abg. Riebe beim Namensaufruf für das Amendement gestimmt habe und daß er nachher von einem deutschposen'schen Abgeordneten so lange gedrängt wurde, bis er nach einer Viertelstunde sein Votum umändern ließ. Der Abg. Riebe gesteht zu, daß er von seinem Kollegen nach der Abstimmung bewogen wurde, gegen das Amendement zu stimmen. Der Präsident entscheidet, daß sein erstes Votum gelten müsse und die Zahlen darnach abzuändern seien. Auch gegen das Votum des Ministerpräsidenten Pfuel wird protestirt. Er ist zwar vor einigen Tagen in Birnbaum gewählt worden, aber er hat noch kein Wahlprotokoll eingereicht, sich auch noch nicht als Abgeordneter gemeldet. Demnach könne er seine Stimme heute noch nicht abgeben. Endlich finden die Sekretäre, daß sie sich geirrt, und daß sie eine Seite mit 15 Stimmen für und 9 gegen das Amendement zuzuzählen vergessen. Große Aufregung. Das Resultat wäre nun, mit Zurückrechnung Riebe's Stimme: 173 für und 172 gegen das Amendement. Dies will man nun wieder nicht von der Rechten gelten lassen. Sie beantragen, daß die Abstimmung des Abg. Riebe gegen das Amendement gelten solle. Nach Ansicht des Präsidenten ist das ein selbstständiger Antrag, der erst Morgen zur Debatte kommen könne. Nachdem dieser Streit über die Abstimmung eine Stunde lang mit der größten Leidenschaftlichkeit von beiden Seiten geführt worden war, wird die Sitzung nach 3 Uhr endlich geschlossen.
103 Berlin, 23. Okt. Das Ministerium ist heute wieder in beiden wichtigen Abstimmungen geschlagen worden. Es hatte sich für das Amendement Auerswald erklärt, und dasselbe wird mit großer Majorität verworfen; (ungefähr 210 gegen 130) es sprach mit aller Energie gegen das Amendement Philipps und es wird angenommen. Uebrigens erging es dem Ministerium der bewaffneten Reaktion noch bei allen wichtigen Fragen nicht anders. Es erklärte sich gegen die unentgeldliche Aufhebung der Jagdgerechtigkeit, der Feudallasten, der Laudemien etc. und sie ging doch mit großer Majorität durch. In Potsdam will man nun alle diese Gesetze nicht genehmigen. Pfuel und Kisker wollen aber eher ihre Entlassung nehmen, als sich zu solchen antikonstitntionellen Maßregeln verstehen. (?) Seit gestern Abend spricht man hier vielfach von der Abdankung Pfuels und Kiskers.(?) Als Grund der Abdankung (!!) wird auch noch angegeben, daß man in Potsdam, die Klubs unterdrücken und den zum 26. zusammenberufenen demokratischen Congreß auf Wunsch der Frankfurter Centralgewalt unterdrücken will. Das Kriegsministerium mit der Präsidentschaft soll bereits dem Grafen Brandenburg angeboten, von diesem aber ausgeschlagen sein. Sollte nun Pfuel auf seine Entlassung bestehen, so würden Radowitz oder Wrangel seine Stelle bekommen.
Aus allen solchen Maßregeln läßt sich schließen, daß die Kamarilla einen großen Schlag ausführen will. Die Truppen sind um Berlin zusammengezogen, können aber bei der schlechten Witterung nicht länger im Freien kantoniren. Will man sie nicht unbenutzt wieder auseinanderschicken, so muß man einen Zusammenstoß provociren. Man wird einen Hauptschlag ausführen wollen.
Heute hat man angefangen die fliegenden Korps zu entwaffnen. Mit dem bewaffneten Studentenkorps hat man in der Art den Anfang gemacht, daß man dessen Waffendepot mit Beschlag belegte und den Befehl gegeben, die vorhandenen 500 Degen und 30 Büchsen ins Zeughaus abzuliefern. Man wagt sich noch nicht so weit, allen Studenten die Waffen abzuverlangen, und nahm fürs Erste nur die vorräthigen Waffen in Beschlag. Daß soviel im Depot vorhanden waren, kommt daher, daß es zufällig kurz nach den Ferien ist, und die Studenten ihre Waffen noch nicht wieder abgeholt hatten. Die andern Korps hierdurch aufmerksam gemacht, werden alle vorräthigen Waffen schnell an den Mann zu bringen wissen.
Der König hat sich veranlaßt gefunden, das Benehmen der Bürgerwehr am 16. d. zu belobigen. Er hat folgende Kabinetsordre, vom Minister Eichmann kontrasignirt, an das Kommando der Bürgerwehr abgesendet: „Die Bürgerwehr meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin hat bei den beklagenswerthen Ereignissen des gestrigen Tages sich würdig gezeigt ihres Berufes, meines Vertrauens und der Ehre, die Ich ihr erzeigte, als Ich ihr im März die Waffen in die Hand gab zur Vertheidigung des Thrones, unserer Gesetze und der gestörten Ordnung. Ich gebe Ihnen auf, der Bürgerwehr Meinen anerkennenden Dank dafür in Meinem Namen auszusprechen. Ich spreche ihn aus mit dem Gefühle einer erfüllten Hoffnung, eines gerechtfertigten Vertrauens, einer trostreichen Aussicht in die Zukunft.
Sanssouci, den 17. Oktober 1848.
Friedrich Wilhelm.“
Als diese Kabinetsordre in den Klubs vorgelesen wurde, wurde sie mit dem größten Unwillen aufgenommen. So klug ist die Bourgeois auch, den Sinn solcher Worte deuten zu können und er ist entrüstet über eine solche Sprache, das ist nicht die Sprache vom 19. März, die klang ganz anders.
Berlin, 21. Octbr. Wir hofften, die Charlottenburger Vorfälle sollten das Verdienst haben, einzig in ihrer Art dazustehen. Leider aber haben sie in der blutigen Elbinger Geburtstagsfeier ihresgleichen gefunden. Wie wir hören, ist von der Regierung bereits ein Kommissarius nach Elbing geschickt, der an Ort und Stelle von der Lage der Dinge Kenntniß nehmen soll. Er wird dort ein Rest von Reaktionären vorfinden, denen gefährliche Pläne schon lange im Stillen wuchern, und die jetzt zum zweiten Male die Straßen Elbings mit Blut gefärbt haben. Die frühere Wohlfeilheit der Lebensbedürfnisse hatte allmälig eine bedeutende Zahl von pensionirten Offizieren nach Elbing gelockt. Sie begründeten dort einen Heerd der Reaktion-Intriguants; die bei der herrschenden liberalen Richtung nicht ihre Rechnung fanden, schlossen sich den Grauköpfen mit rothem Kragen an. So entstand allmälig eine Liga, die jede liberale Regung zu ersticken sich bemühte und mit ihren heißesten Wünschen ein Auto da Fe aller Liberalen herbeisehnte. Wie unwillkommen dieser Clique die Märzrevolution war, läßt sich leicht denken; ist es ja in weiteren Kreisen bekannt geworden, daß einer dieser Herren die Bezeichnung „Urwähler“ als Schimpfwort braucht. In Elbing wie anderswo ist ein großer Theil des Volkes noch ohne politisches Bewußtsein, und da die Reaktionäre kein Mittel für ihre Zwecke zu schlecht halten, so gelang es ihnen, die Kehlen und Fäuste der Proletarier für sich zu gewinnen. Aber wir könnten der Reaktion mit jenem Griechen sagen: „Wehe Euch, wenn das Volk zur Besinnung kommt!“
(Nat.-Ztg.) Berlin, 24. Okt. Die Wahl des Hrn. v. Vincke zum Abgeordneten ist in der Sitzung der Nationalversammlung am Sonnabend als gültig anerkannt worden. Es ist noch nicht bestimmt, ob Hr. v. Vincke sofort seinen Sitz einnehmen wird.
Der frühere Minister, Hr. v. Bodelschwingh, soll an Stelle des, wegen seiner Ernennung zum Kriminalgerichts-Direktor ausgeschiedenen Abgeordneten Harrassowitz, für den Teltower Kreis gewählt worden sein. Die Teltower Bauern sind doch ein tüchtiger Schlag Leute!
(Neue Pr. Z.) Birnbaum, 12. Okt. Heute wurde hier an der Stelle des Deputirten Rißmann, der sein Mandat niedergelegt hat, eine Neuwahl für die Berliner Nationalversammlung getroffen, bei der sich leider die polnischen Wahlmänner nicht vollständig betheiligten. Die Zahl der anwesenden Wahlmänner betrug 74; absolute Stimmenmehrheit 38; davon erhielt General Pfuel (den das Journal des Debats, wahrscheinlich einem Witze der Neuen Rheinischen folgend, Pfuel d' Höllenstein genannt hat) 42, Hr. Hasa von Lewitz 26, der Exminister Märcker 6 Stimmen. Hr. v. Pfuel ist demnach zum Vereinbarer erwählt.
* Dortmund, 25. Okt. Unser „rechtes“ Westphalen, welches in Frankfurt glanzvoll durch Hrn. v. Vincke vertreten ist, hat auch endlich in Berlin in der Person des Hrn. Schultz (Oberlandesgerichtsassessors) seinen „Redner“ gefunden. Der Parteihaß wird jetzt sich nicht mehr zu sagen erlauben, daß die Westphalen in Berlin keine drei Worte zusammenbringen können. Hr. Schultz ist eine christlich-westphälische Gemüthsinnerlichkeit. Aeußerlich ist wenig an Hrn. Schultz. Diabolisches ist in ihm nur soviel, als das Studium der westphälischen Juristerei in ihn hineingebracht hat. Wenn Heine in seinem Wintermärchen die Westphalen sentimentale Eichen nennt, so muß man wohl unterscheiden Westphalen grenzt an Holland. Neben den Gemüthsmenschen gibt es bei uns eine erschreckliche Zahl jener kalten, trockenen, schweigsamen, kalkulirenden, hinhorchenden, abwartenden holländischen Biedermänner, welche die Interessen des Staats mit ihren eigenen angenehm zu verknüpfen wissen. Warum sitzt Hr. Schultz neben Hrn. Harkort, Ostermann, Müllensiefen u. s. w.? Weil er die Anschauungsweise dieser Vertreter theilt? mag sein, aber es wäre auch gemüthlos, sich von seinen lieben Landsleuten zu trennen. Es wäre das gegen die deutsche Einigkeit. Unsere Holländer werden den gemüthlichen Schultz schon zu benutzen wissen. Schon in seiner Jungfernrede stellte sich Hr. Schultz auf den Standtpunkt des Gefühls und flötete von „jenem Gefühl“, welches in Millionen nach Herstellung gesetzlicher Ruhe und Ordnung sich rege. Bei seinem zweiten Debüt, welches einen so kläglichen Ausgang für ihn nahm, sprach das „entrüstete Gemüth“ aus ihm. Es wäre viel gemüthvoller gewesen, wenn Hr. D'Ester zu den sentimentalen Eichen hingegangen wäre und hätte ihnen gesagt: Liebe Leut', seid doch so gut und nehmt euch der armen Hungerleider im Ravensbergischen an. Die entrüsteten Worte, welche Hr. Schultz zur Versammlung sprach, erinnern lebhaft an eine ähnliche Scene im hiesigen Karneval 1847. Hr. Schultz war Narrenpräsident, wozu er viel Geschick hatte; sprach sich aber als solcher gegen das Einmischen der Politik, vorzugsweise gegen die Demokratie aus, von welcher er sagte, daß sie keinen Hund hinter den Ofen weglocken könnte. Der Präsident fand lebhafte Opposition. Da stürzte Hr. Schultz mit leichtfüßiger Schnelligkeit auf die Rednerbühne und donnerte die entrüsteten Worte: die Art und Weise, wie man hier die karnevalistischen Vergnügungen betreibt, ist einer hohen Narrenversammlung unwürdig.
Dortmund hatte lange Zeit seine Hoffnungen auf Hrn. Ostermann (auch Oberlandesgerichtsassessor) gebaut. Mit seinem Abstimmen scheint man auch zufrieden zu sein. Selbst damit, daß er (nach der Köln. Ztg.) zu den „ausgezeichneten“ Mitgliedern gehört, welche gegen das Jagdgesetz stimmten. Dortmund möchte aber gar zu gern einmal auch einen „Redner“ haben. Hr. Ostermann ist Dortmunder Patrizier und galt hier, und zwar mit Recht, für das erste politische Glied.
Als Hr. Ostermann lange Zeit schweigsam wie das Grab war, sagte man sich hier: Hr. Ostermann ist schlau, er paßt seine Zeit ab. Als er einmal für den Schluß einer Debatte sprach (unter allgemeiner Heiterkeit) so hieß es: Jetzt kommt's. Als er endlich zum stellvertretenden Schriftführer ernannt wurde, da rief man: da haben wir's. Hr. Ostermann hat sich hier die Gemüther ein wenig entfremdet, weil er zu patriziermäßig mit den Dortmundern umspringt. Andere westphälische Vertreter schreiben sich die Finger ab, für ihre heimathlichen Wochenblätter. Hr. Ostermann hat erst zwei winzige, schlechtstylisirte Briefchen hierher geschickt. In einem dieser Briefchen nennt er die Revolution einen mystischen Begriff, und schließt also: ich muß schließen, weil ich in die Versemmlung muß. Trotz alle dem hofft man hier, daß Hr. Harkort, Minister des Innern, Hr. Müllensiefen Minister des Handels und Hr. Ostermann Justizminister noch werden könnten. Bei Gott ist Alles möglich.
31 Minden, 22. Okt. Außer der Ihrer Zeitung schon mitgetheilten Mißhandlung eines hiesigen Bürgers sind noch mehrere Exzesse der Soldaten gegen „friedliche“ Menschen bekannt geworden. Das veranlaßte den demokratischen Verein und den Volksverein, eine Volksversammlung zusammenzuberufen, um zu berathen, wie diesem Soldatenübermuthe ein Ende zu machen sei. Die Bürger dürfen nicht mehr wagen, unbewaffnet Abends ihr Haus zu verlassen. Wie Räuber fallen die Soldaten über Wehrlose her, und prügeln sie, ja „sie würden das noch ärger treiben“ sagen sie. Ob sie dazu Befehle von Oben erhalten haben, weiß ich nicht ‒ die Feindseligkeiten der Soldateska sind aber zum größten Theile der Aufreizung der Offiziere gegen „nicht preußisch Gesinnte“, gewiß auch der unwiderstehlichen Beredtsamkeit des Obristen S. zuzuschreiben, der den Soldaten den Befehl ertheilt haben soll, Jeden auf die Wache zu schleppen oder ‒ hinter die Ohren zu schlagen, der ihnen Plakate, wie die der „Demokraten Berlins an die Soldaten“ anzubieten wage. Genug, die Bürger sind empört über diese schmählichen Excesse. In der Volksversammlung riefen die Mittheilungen der einzelnen Redner eine große Entrüstung hervor. Eine Kommission wurde gewählt, welche eine Sammlung aller vorgekommenen Excesse mit den Zeugenaussagen veranstalten und auf Grund dieses Materials eine Adresse an die Nat.-Versammlung in Berlin zur Interpellation an das Kriegsministerium entwerfen soll. Mit der einfachen Untersuchung von Seiten der Militärbehörden wollten sich die Bürger nicht zufriedenstellen. Sie wollen, daß der Stein'sche Antrag und Beschluß gegen die Reaktion im Heere, nicht nur auf dem Papier bleibe, und daß den Kriegsknechten die irrige Meinung benommen werde, als besäßen sie das Privilegium, die Bürger zu prügeln. Diese müssen sonst glauben, den Helden in rothblauen Röcken sei ein Freibrief für alle Rohheiten und Excesse ertheilt worden.
100 Bielefeld, 23. Okt. Am gestrigen Tage fand in dem Dorfe Brackwede eine große Volksversammlung statt. Es waren an 3000 Menschen versammelt. Der demokratische Verein hatte sie berufen, um das Verhältniß der Urwähler zu den s. g. konstituirenden Versammlungen von Frankfurt und Berlin zu besprechen. Weil die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfinden konnte, so wurde sie in einem großen Garten, also in einem „geschlossenen Raume“ abgehalten. Die Behörden nämlich hatten sie ‒ aus Mangel an Gründen, zur Verhütung möglicher Weise stattfinden könnender Excesse und Unruhen verboten. Der Landruth sprach in einer Unterredung mit dem Vorsitzenden des demokratischen Vereins, Kaufmann Rempel, die Ansicht aus: „er könne aus dem § 4 des Gesetzes vom 6. April nur herauslesen, daß die Regierung überhaupt Volksversammlungen nicht dulden dürfe!“ Nicht „dulden“ dürfe! So interpretiren königl. Behörden das „Versammlungsrecht.“ In der That können sie jede Volksversammlung unter dem Vorgeben, „daß die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet seien, verhindern. Also ‒ die Versammlung wurde verboten, fand aber doch in dem „geschlossenen Raume“ statt. Der erste Redner, Fr. Schnacke, forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Frankfurt auszusprechen, daß diese „Gesellschaft“ das Vertrauen des Volkes verloren habe, insbesondere den Abgeordneten Schreiber aufzufordern, sein Mandat in die Hände seiner Wähler zurückzugeben. R. Rempel sprach über die Gemeindeordnung, wie sie von den Deputirten der Linken entworfen worden ist, und forderte die Versammlung auf, in einer Adresse an die Nationalversammlung in Berlin diese aufzufordern, daß sie bei ihren Berathungen über die Gemeindeordnung nur diesen D'Ester'schen Entwurf zu Grunde legen möge, dann auch, dem Abgeordneten d'Ester den Dank der Versammlung dafür auszusprechen, daß er sich so warm der Interessen unserer armen Spinner und Weber angenommen habe. Die Adressen waren bald mit einer Menge Unterschriften bedeckt und die Versammlung ging in „Ruhe und Ordnung“ auseinander. Die Bielefelder Heuler, die einen Einfall in die Stadt und einen Raubzug befürchteten, in die Kaserne liefen, um für den „möglichen Fall einer möglichen Aufregung“ möglichst rasch mit den Bajonetten bei der Hand zu sein, konnten noch einmal ruhig schlafen. Der Muth dieser konstitutionellen Bürger ist bewunderungswürdig!
Der demokratische Verein hat die Nationalversammlung in Berlin aufgefordert:
1) in die Verfassung einen, das Versammlungsrecht des Volkes vor Uebergriffen von Seiten der Staatsgewalt sicherstellenden Paragraphen aufzunehmen.
2) bis zum Erlaß dieses Gesetzes aber den Behörden den Paragraphen 4 des Gesetzes vom 6. April über Volksversammlungen dahin zu interpretiren, daß das Versammlungsrecht „unter freiem Himmel“ nicht durch Uebergriffe der Behörden gefährdet werde.
Koblenz, 24. Octbr. Die vom hiesigen demokratischen Vereine beschlossene, mit mehr als 700 Unterschriften bedeckte Mißtrauensadresse an Hrn. Schlink in Berlin lautet, wie folgt: „Die Bürger der Stadt Koblenz, welche immer an der Spitze des zeitgemäßen Fortschrittes standen, bezweckten auch in diesem Frühjahre, die Abgeordnetenversammlung in Berlin mit einem Deputirten zu beschicken, der mit Kraft und Muth die Rechte des
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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