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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 128. Köln, 28. Oktober 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 128. Köln, Samstag den 28. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Wien. (Reichstagssitzung. - Vermischtes. - Der Centralpunkt der Gesammtmonarchie - Dr. Franke. - Verproviantirung. - Der Landesvertheidigungsausschuß zu Pesth). Berlin. (Vereinbarersitzung. - Die Kommission für Aufhebung des Belagerungszustandes in Posen. - Pfuel. - Bürgerwehrplakat. - Parisius. - Die "National-Zeitung" über die Ministerkrisis). Breslau. (Neuigkeiten der "Breslauer Zeitung"). Aus Schlesien. (Revolutionärer Zustand) Kujavien. (Bildung und Verbreitung der Liga Polska). München. (Adresse an den König). Karlsruhe. (Eine Verhaftung). Schleswig. (Proklamationen).

Italien. (Aufstand zu Mailand. - Modena in Belagerungszustand). Turin. (Der Waffenstillstand. - Antwort des Ministeriums).

Franz. Republik. Paris. (Die "Maske ist gefallen." - Zahlungssaumseligkeit der Könige. - Erklärung eines Polen. - Raspail. - Noch ein Beitrag zur Charakteristik der honnetten Republik. - Neue Ministerkrisis. - Marrast. - Die Verfassungskommission. - Banketts. Changarnier. - National-Versammlung).

Holland. Amsterdam. (Das Ministerium. - Beabsichtigtes Sparsystem. Cholera).

Großbritannien. London. (Die irländischen Verurtheilten. - Die Cholera).

Amerika. New-York. (Hecker. - Die deutschen Arbeitervereine. - Die Wahlen in den Vereinigten-Staaten. - Manifest der Farbigen - Zustand von Mexiko. - Aufstand zu Tabasko. - Indianeraufstand zu Yukatan unterdrückt. - Die "rothe" Majestät von Brasilien).

Deutschland.
61 Wien, 21. October.

Reichstagssitzung. 11 Uhr. Präsident Smolka. Auf den Galerien treiben sich czechische Abgeordnete umher, welche die Anwesenden zu zählen scheinen, um ein Versehen bei der Beschlußfähigkeit der Versammlung aufzuschnappen und den giftigen Zigeunern nach Prag einzusenden. - Auf den privilegirten Plätzen neben den Diplomatenlogen entdecke ich die Gesichter einiger mir aus den Kaffeehäusern bekannten Spione.

Der Präsident zeigt an, daß die neueste Adresse an den Kaiser gestern abgegangen sei und das Ministerium einen Namens des Reichsverwesers erlassenen von den Reichs-Kommissarien Welker und Mosle unterzeichneten aus Passau vom 19. Oct. datirten Aufruf zur Kenntnißnahme eingereicht habe.

Derselbe wird vorgelesen und vermag selbst einem östreichischen Reichstage nur ein mitleidiges Lächeln und Zischen zu entlocken. Sie werden das antidiluvianische Machwerk, welches eben mit einem noch antidiluvianischern in den Straßen angeklebt wird, schon kennen; ich bin daher der Mühe enthoben, Ihnen diese Reichsbrocken mitzutheilen. Der erste beste in Schweinsleder geheftete, mit schwarz-roth-goldenen Anfangsbuchstaben gedruckte mittelalterliche Rechtsschinken wird Ihnen ähnliche Muster aufweisen können.

Die Wahlmänner Mährisch-Trübau's zeigen die unbefugte Rückkehr ihres Abgeordneten Weigl an und fordern eine Neuwahl für den Deserteur. (Vielfaches Bravo.)

Präsident: Ich glaube, daß die Sache durch unsern Beschluß von gestern erledigt wird.

Sierakowski: Ich bin der Ansicht, daß die Neuwahl sofort ausgeschrieben werden muß, weil die Kommittenten dieselbe peremtorisch verlangen.

Borrosch: Ich kann mich dieser Ansicht nur anschließen. Die Simme des Volks, und um diese handelt es sich hier, muß allzeit den Vorzug, die Oberhand behalten, wir müßten die Volksfreiheit denn praktisch aberkennen wollen. (Bravo.)

Brestl (dieser Dummkopf ist der Abgeordnete der Aula): Wir haben eine Frist von 10 Tagen zur Rückkehr der Abgeordneten bestimmt; wir können nicht davon abgehen, denn ich muß der Lehre entschieden widersprechen, als ob die Wahlmänner den Abgeordneten willkürlich zurückrufen könnten.

Paul: Ebenso.

Demel: Ebenso. Wir würden uns auf diese Weise jeder beschränkten Einsicht unserer Kommittenten unterwerfen. (Einige wollen Bravo rufen.)

Kavalko: Antworten wir den Wahlmännern von Mährisch-Trübau, daß wir in dieser Beziehung bereits einen Beschluß gefaßt haben und theilen wir ihnen denselben mit.

Borrosch: Um auf die Anspielung eines Redners zu antworten, muß ich bemerken, daß ich auch von keinem einzigen meiner Wahlmänner ein Mißtrauensvotum erhalten habe. Uebrigens ist es ein himmelweiter Unterschied, ein bloßes Mißtrauensvotum erhalten und ein meineidiger Fahnen-Flüchtling sein. In einer Versammlung, wie die unsrige, müssen alle Parteien vorhanden sein können und es darf selbst nicht an Republikanern fehlen, wenn sie die Allgemeinheit aller Meinungen gehörig ausdrücken soll. - Wenn Herrn aber keine Linke wollen, so kann es auch geschehen, daß sie einmal keine Rechte mehr wollen. Ich könnte manche Schmach und Schande bekannt machen, welche die entflohenen Abgeordneten sich haben zu Schulden kommen lassen; wenn Briefe an die zurückgebliebenen Abgeordneten mit der direkten Aufforderung geschrieben werden, Wien zu verlassen, so gehört dies in diese Kategorie. - Der Abg. Weigl, von welchem es sich hier handelt, war in seinen Wahlbezirk zurückgekehrt, hatte seine Mission also aufgegeben und seine Kommittenten können daher mit Recht auf Neuwahl dringen.

Dilewski: Wir dürfen nichts aus Leidenschaft ändern, was wir beschlossen.

Umlauft (der immer mehr zum ursprünglichen Charakter zurückkehrt, damit er wieder in Sedlnitzki's Schaar treten könne)-Ich kann die Sache nur vom praktischen Gesichtspunkte betrachten; wir wissen danach nicht einmal, ob die 25 Unterschriften die von Wahlmännern oder Wählern sind. Wir müssen an unserm Beschlusse festhalten.

Polaczek: Der einzelne Fall darf um so weniger eine Ausnahme machen, als unser Beschluß ja gerade im Interesse der Wahlmänner gefaßt wurde.

Die Tagesordnung wird verlangt und angenommen.

Schuselka berichtet über eingelaufene Unterstützungsgelder. Die kleine Stadt Steier befindet sich mit vorläufig 400 Fl. darunter. (Bravo.) - Nachdem wir das Schreiben an Auersperg wegen Abschneiden der Zufuhren abgeschickt haben, erhalten wir von demselben folgende Antwort:

"An einen löblichen (!) Ausschuß des hohen Reichstags.

Indem ich den Empfang der geschätzten Zuschrift bestätige, kann ich nur bemerken, daß, nachdem Se. Majestät der Kaiser den Oberbefehl über sämmtliche um Wien konzentrirte Truppen, dem Fürsten Windischgrätz übertragen haben, die Erledigung der Fragepunkte nicht mehr von mir abhängt. Ich werde Sr. Durchlaucht indessen die erhaltene Depesche mittheilen. - Die vorgenommenen Entwaffnungen mußten aus strategischen Rücksichten geschehen, werden jedoch wahrscheinlich nur vorübergehend sein. (Zischen.) Hauptquartier Inzersdorf 20. October 1848. Graf Auersperg." - Da Auersperg versprochen hat, unsere Depesche dem Fürsten Windischgrätz zu übersenden, so haben wir beschlossen, eine Antwort desselben abzuwarten und ihm, trifft sie nicht ehestens ein, die Depesche selbst einzuschicken. - Die Nationalgarde von Purkersdorf beschwert sich ebenfalls über Entwaffnung durch Auersperg's Militär; auch diese Beschwerde wird sich nach jener Antwort erledigen müssen.

Krauß ist unterdessen eingetreten und besteigt die Tribüne: Ich bin in der Lage, eine Mittheilung zu machen, die mir vor einer halben Stunde zugekommen ist. Der Minister Wessenberg (?) hat mir nämlich folgendes Allerhöchste Manifest zugeschickt:

"Wir Ferdinand I. u. s. w. entbieten u. s. w.

Durch die blutigen Ereignisse, welche seit dem 6. ds. Unsere Haupt- und Residenzstadt Wien in einen Schauplatz anarchischer Wirren umgewandelt haben, auf das tiefste betrübt und in Unserm Innern erschüttert, sahen Wir Uns genöthigt, Unsern Sitz zeitweilig nach Unserer königlichen Hauptstadt Olmütz zu verlegen. Mit gleicher Betrübniß erfüllt Unser Herz die eingetretene Nothwendigkeit, zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung und zum Schutze der an den Greueln des Aufstandes nicht betheiligten Staatsbürger, militärische Maßregeln zu ergreifen.

Doch wollen Wir, daß in der Anordnung dieses Uns abgedrungenen äußersten Mittels nur so weit gegangen werde, als es zur Herstellung der Ruhe und Sicherheit und zum Schutze Unserer getreuen Staatsbürger, sowie für Aufrechthaltung der Würde Unseres konstitutionellen Thrones nöthig sein wird.

Es ist Unser fester, unveränderlicher Wille, daß die Unsern Völkern gewährten Rechte und Freiheiten, wenn sie auch von einzelnen Böswilligen und Mißgeleiteten mißbraucht worden sind, in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben und Wir verbürgen solche neuerdings durch Unser kaiserliches Wort.

Auch wollen Wir, daß die von dem konstitutionellen Reichstage bereits gefaßten und von Uns sanktionirten Beschlüsse, namentlich jene über die Aufhebung des Unterthanen-Verbandes, die Entlastung und Gleichstellung des Grundbesitzes gegen die im Prinzipe vom Reichstage anerkannte billige Entschädigung aufrecht erhalten und Unserer bereits erlassenen Anordnung gemäß in Vollzug gebracht werde.

Ebenso ist es Unser fester Wille, daß das begonnene Verfassungswerk von dem konstituirenden Reichstage in einer der vollen Gleichberechtigung aller Unserer Völker entsprechenden Weise ungestört und ununterbrochen fortgesetzt werde, damit solches in Bälde Meiner Sanktion unterlegt und einem gedeihlichen Ende zugeführt werden könne.

Dieses möglich zu machen wird der Gegenstand Unserer ernsten Sorgfalt sein und Wir rechnen dabei auf die Einsicht, Anerkennung und bewährte Loyalität unserer getreuen Völker.

Gegeben in Unserer Hauptstadt Ollmütz, den 19. Okt. 1848.

Ferdinand. Wessenberg."

Die Aufnahme dieses Manifestes war äußerst kalt. Einige wollten Bravo rufen, wurden aber von den Zischern übertönt.

Krauß: Auch ist mir ein Schreiben der deutschen Centralgewalt zugekommen; die Herren, welche es überbringen, haben sich jedoch nicht bei mir eingefunden, weshalb ich mich noch nicht darüber äußern kann. (Er macht sich eiligst davon).

Präsident: An der Tagesordnung sind die Wahlberichte. (Nun mache ich mich auch davon).

Wien, 22. Oktbr.

Der Politische Privat-Telegraph schreibt: Die Dynastie tritt schroff auf und verwischt die Sympathie des Volkes bis auf die letzte Spur. Die Deputation des Gemeinderaths wurde beim Kaiser gar nicht vorgelassen und das ganze Ergebniß der Sendung beschränkt sich darauf, daß Wessenberg den Deputirten die schriftliche Weisung gab, sie möchten sich, was Ruhe und Ordnung betrifft, an Windischgrätz wenden und daß in Ollmütz nichts weiter zu suchen sei. Das Manifest des Kaisers vom 16. Okt. ist in verschiedenen Theilen der Monarchie und besonders beim Heere bekannt geworden und enthält blutige Drohungen gegen die Stadt Wien. Dasselbe wurde vor der Veröffentlichung mehreren anwesenden Deputirten zu Ollmütz gezeigt. Diese sollen aufs Entschiedenste dagegen protestirt und erklärt haben, daß für den Fall der Veröffentlichung sie sich in die Bezirke begeben würden, um das Volk gegen diese Maßnahme des Hofes zu bewegen. Dies mag der Grund sein, daß diese Proklamation vom 16. in Wien nicht offiziell bekannt gemacht wurde. Das Centralcomite unternimmt jedoch die Veröffentlichung. Ein Erlaß von Welker und Mosle im Namen des Reichsverwesers, von Passau aus datirt, widerspricht dem verbreiteten Gerüchte, als sollten deutsche Reichstruppen nach Wien kommen, um die Sache der Dynastie zu verfechten und enthält die Erklärung, daß die Centralgewalt die deutsche Sache in Oestreich vertreten und die konstitutionelle Freiheit, wie sie im Lande bestehe, auch in Wien beschützen werde. Dieser Erlaß brachte ein Lächeln sowohl innerhalb als außerhalb der Kammer hervor. - Einer verläßlichen Mittheilung zufolge soll eine Deputation der früher hier in Garnison gelegenen Offiziere unter Auersperg, in unserem Hauptquartier die Zusicherung gegeben haben, daß sie gegen das Wiener Volk und gegen die Wiener Freiheit nicht kämpfen werden.

Admiral Albini hat Ankona mit eilf Schiffen wieder verlassen, und segelt vor Venedig, um die frühere Thätigkeit wieder zu beginnen. Der östreichische Vice-Admiral Kudriafsky hat sich unter dem Vorwand einer Krankheit zurückgezogen und seine Stelle einem Oberlieutenant, den die Matrosen eine Landratte nennen, übergeben. - Der in Mailand ausgebrochene Zwist zwischen den magyarischen und kroatischen Soldaten hat den Marschall Radetzky zu der dringenden Forderung veranlaßt, daß ihm 40,000 Mann Hülfstruppen gesendet werden. Die Beobachtungen vom Stephansthurm aus sind jetzt durch Nebel und Regenwetter erschwert, fast unmöglich gemacht und daher muß man sich nach den Angaben der Zureisenden in Beziehung auf die Stellung der Heere richten. Die Ungarn versichern fortwährend, daß sie kommen, um die Kroaten anzugreifen und den Wienern zu helfen. Man berichtet uns, daß Ivanka die Vorhut kommandire und 20 Kanonen auf dem rechten Flügel führe, daß 300 Czikos (ungarische Roßhirten) sich verschworen haben, den Jellachich, wenn es zum Kampfe kommen sollte, todt oder lebendig zu bringen; daß Kossuth mit 15,000 Mann und 16 Kanonen der Hauptarmee nachrücke und daß für die nächsten Tage dennoch eine Schlacht zu erwarten stehe.

Die Gährung in den Provinzen mehrt sich. In der Stadt selbst steigt sie noch seit der Veröffentlichung des kaiserl. Ediktes; auf ein so verwegenes blutiges Spiel war man doch nicht vorbereitet. Aller Verkehr mit Wien von außen ist gehemmt und gestört; die Zufuhr von Lebensmitteln zur Verpflegung der Kranken sogar wurde von den belagernden Soldaten geweigert. Die Post wird nicht nur verzögert, sondern fast gänzlich hintangehalten. Ueber Reisende und alle Personen, welche sich entfernen wollen, wird eine peinlich strenge Kontrolle geführt. Oestreich kostet den Vorgeschmack einer Militärherrschaft. Alle Rücksicht für das Volk hat aufgehört.

Die Barrikaden in der Stadt sind abgetragen, die in den Vorstädten und an den Linien werden nach zweckmäßigeren Angaben umgebaut. Für verflossene Nacht waren alle Garden konsignirt, weil man einen Einfall des Militärs befürchtete. Es ist vor der Hand bei der bloßen Erwartung geblieben.

Die norddeutsche Post ist, ohne daß man hier den Grund weiß, seit mehreren Tagen ausgeblieben.

Wien, 22. Okt.

Dr. Frank, Hauptmann der mobilen Garde bei Floridsdorf, wurde heute Nachmittag von den k. k. Vorposten gefangen genommen.

- Heute kamen 2 Schiffe mit Lebensmitteln, welche vor Floridsdorf von den Grenadieren am Ufer mit Feuern bedroht wurden. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern wußten jedoch die Grenadiere so zu beschäftigen, daß die Schiffe indessen durchpassirten.

Der Landes-Vertheidigungs-Ausschuß zu Pesth hat die Beschlagnahme aller in Ungarn befindlichen geistlichen Güter und Beneficien des mit dem Verbrechen des Landesverraths beladenen Bischofs zu Agram Johann Haulik, so wie die Exkorporation der unter der Agramer bischöflichen Gerichtsbarkeit stehenden Murahoz, und Einverleibung derselben in das Steinamangersche Bisthum beschlossen, und wegen der Effektuirung dieses Beschlusses die nöthige Verfügung getroffen.

Der aus Galizien durch den Duklaer-Paß nach Ungarn eingebrochene, sich General nennende Simonics, hat sich nach Bartfeld wieder zurückgezogen. Die Nationalgarden der angrenzenden Komitate sind aufgefordert zu dessen Vernichtung, und auf seinen Kopf ist vom ungarischen Landesvertheidigungs-Ausschusse ein Preis gesetzt von 100 fl. C.-M. und auf die Köpfe eines jeden seiner Leute 20 fl. C.-M.

Wien, 22. Okt.

Kremsier ist ein Städtchen im Olmützer Kreise der Markgrafschaft Mähren, mit etwa 2000 Einwohnern, einem Residenzschlosse des Erzbischofs von Olmütz, einem Gymnasium etc. und nach reiflicher Ueberlegung der czechischen Exdeputirten der künftige Sitz des östreichischen konstituirenden Reichstages. Die czechischen Exdeputirten hatten ursprünglich Brünn ausersehen, aber Brünn hat zu viel Revolutionselemente in sich. Eine Voraussicht, die der politischen Weisheit Palackys alle Ehre macht. Auch ist es nicht genug slavisch, und schließt in seinen Mauern, gleich Wien ein Proletariat ein. Eine gefährliche Nachbarschaft für heldenmüthige Senatoren. Auch ist Kremsier ein ruhiges Städtchen ohne Wühler, ohne Publizisten, hat keine akademische Legion, sondern nur fürst-erzbischöfliche Grenadier-Invaliden. Ein anderer Grund für Kremsier ist auch der, daß keine Buchdruckerpresse sich daselbst befindet, folglich auch keine wühlerischen Zeitungen erscheinen können. Für den Druck der Sitzungsprotokolle kann die fürstlich Windischgrätzsche Feldpresse benutzt werden.

Wir können noch tausend Gründe anführen, die Kremsier ganz besonders eignen, der Centralpunkt der östreichisch-slavischen "Gesammtmonarchie" zu werden. Unerwähnt dürfen wir aber nicht lassen, daß im vorigen Herbste daselbst eine sogenannte "Beseda" abgehalten wurde, welche eigentlich nur das Vorparlament des Reichstages war.

Ein anderer Plan dieser Herren ist der, den Slavenkongreß in zweiter Auflage nach Agram einzuberufen.

Zur Charakterisirung des Organs des Slaven Herrn Hawliczek führen wir auch heute eine Stelle aus demselben an. Es ist eine Korrespondenz eines Herrn Wilem Dusan, in welcher es wörtlich heißt: "Euch (die czechischen Exdeputirten) loben wir, den Polen fluchen wir!!!" (Grad' aus.)

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 128. Köln, Samstag den 28. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Wien. (Reichstagssitzung. ‒ Vermischtes. ‒ Der Centralpunkt der Gesammtmonarchie ‒ Dr. Franke. ‒ Verproviantirung. ‒ Der Landesvertheidigungsausschuß zu Pesth). Berlin. (Vereinbarersitzung. ‒ Die Kommission für Aufhebung des Belagerungszustandes in Posen. ‒ Pfuel. ‒ Bürgerwehrplakat. ‒ Parisius. ‒ Die „National-Zeitung“ über die Ministerkrisis). Breslau. (Neuigkeiten der „Breslauer Zeitung“). Aus Schlesien. (Revolutionärer Zustand) Kujavien. (Bildung und Verbreitung der Liga Polska). München. (Adresse an den König). Karlsruhe. (Eine Verhaftung). Schleswig. (Proklamationen).

Italien. (Aufstand zu Mailand. ‒ Modena in Belagerungszustand). Turin. (Der Waffenstillstand. ‒ Antwort des Ministeriums).

Franz. Republik. Paris. (Die „Maske ist gefallen.“ ‒ Zahlungssaumseligkeit der Könige. ‒ Erklärung eines Polen. ‒ Raspail. ‒ Noch ein Beitrag zur Charakteristik der honnetten Republik. ‒ Neue Ministerkrisis. ‒ Marrast. ‒ Die Verfassungskommission. ‒ Banketts. Changarnier. ‒ National-Versammlung).

Holland. Amsterdam. (Das Ministerium. ‒ Beabsichtigtes Sparsystem. Cholera).

Großbritannien. London. (Die irländischen Verurtheilten. ‒ Die Cholera).

Amerika. New-York. (Hecker. ‒ Die deutschen Arbeitervereine. ‒ Die Wahlen in den Vereinigten-Staaten. ‒ Manifest der Farbigen ‒ Zustand von Mexiko. ‒ Aufstand zu Tabasko. ‒ Indianeraufstand zu Yukatan unterdrückt. ‒ Die „rothe“ Majestät von Brasilien).

Deutschland.
61 Wien, 21. October.

Reichstagssitzung. 11 Uhr. Präsident Smolka. Auf den Galerien treiben sich czechische Abgeordnete umher, welche die Anwesenden zu zählen scheinen, um ein Versehen bei der Beschlußfähigkeit der Versammlung aufzuschnappen und den giftigen Zigeunern nach Prag einzusenden. ‒ Auf den privilegirten Plätzen neben den Diplomatenlogen entdecke ich die Gesichter einiger mir aus den Kaffeehäusern bekannten Spione.

Der Präsident zeigt an, daß die neueste Adresse an den Kaiser gestern abgegangen sei und das Ministerium einen Namens des Reichsverwesers erlassenen von den Reichs-Kommissarien Welker und Mosle unterzeichneten aus Passau vom 19. Oct. datirten Aufruf zur Kenntnißnahme eingereicht habe.

Derselbe wird vorgelesen und vermag selbst einem östreichischen Reichstage nur ein mitleidiges Lächeln und Zischen zu entlocken. Sie werden das antidiluvianische Machwerk, welches eben mit einem noch antidiluvianischern in den Straßen angeklebt wird, schon kennen; ich bin daher der Mühe enthoben, Ihnen diese Reichsbrocken mitzutheilen. Der erste beste in Schweinsleder geheftete, mit schwarz-roth-goldenen Anfangsbuchstaben gedruckte mittelalterliche Rechtsschinken wird Ihnen ähnliche Muster aufweisen können.

Die Wahlmänner Mährisch-Trübau's zeigen die unbefugte Rückkehr ihres Abgeordneten Weigl an und fordern eine Neuwahl für den Deserteur. (Vielfaches Bravo.)

Präsident: Ich glaube, daß die Sache durch unsern Beschluß von gestern erledigt wird.

Sierakowski: Ich bin der Ansicht, daß die Neuwahl sofort ausgeschrieben werden muß, weil die Kommittenten dieselbe peremtorisch verlangen.

Borrosch: Ich kann mich dieser Ansicht nur anschließen. Die Simme des Volks, und um diese handelt es sich hier, muß allzeit den Vorzug, die Oberhand behalten, wir müßten die Volksfreiheit denn praktisch aberkennen wollen. (Bravo.)

Brestl (dieser Dummkopf ist der Abgeordnete der Aula): Wir haben eine Frist von 10 Tagen zur Rückkehr der Abgeordneten bestimmt; wir können nicht davon abgehen, denn ich muß der Lehre entschieden widersprechen, als ob die Wahlmänner den Abgeordneten willkürlich zurückrufen könnten.

Paul: Ebenso.

Demel: Ebenso. Wir würden uns auf diese Weise jeder beschränkten Einsicht unserer Kommittenten unterwerfen. (Einige wollen Bravo rufen.)

Kavalkó: Antworten wir den Wahlmännern von Mährisch-Trübau, daß wir in dieser Beziehung bereits einen Beschluß gefaßt haben und theilen wir ihnen denselben mit.

Borrosch: Um auf die Anspielung eines Redners zu antworten, muß ich bemerken, daß ich auch von keinem einzigen meiner Wahlmänner ein Mißtrauensvotum erhalten habe. Uebrigens ist es ein himmelweiter Unterschied, ein bloßes Mißtrauensvotum erhalten und ein meineidiger Fahnen-Flüchtling sein. In einer Versammlung, wie die unsrige, müssen alle Parteien vorhanden sein können und es darf selbst nicht an Republikanern fehlen, wenn sie die Allgemeinheit aller Meinungen gehörig ausdrücken soll. ‒ Wenn Herrn aber keine Linke wollen, so kann es auch geschehen, daß sie einmal keine Rechte mehr wollen. Ich könnte manche Schmach und Schande bekannt machen, welche die entflohenen Abgeordneten sich haben zu Schulden kommen lassen; wenn Briefe an die zurückgebliebenen Abgeordneten mit der direkten Aufforderung geschrieben werden, Wien zu verlassen, so gehört dies in diese Kategorie. ‒ Der Abg. Weigl, von welchem es sich hier handelt, war in seinen Wahlbezirk zurückgekehrt, hatte seine Mission also aufgegeben und seine Kommittenten können daher mit Recht auf Neuwahl dringen.

Dilewski: Wir dürfen nichts aus Leidenschaft ändern, was wir beschlossen.

Umlauft (der immer mehr zum ursprünglichen Charakter zurückkehrt, damit er wieder in Sedlnitzki's Schaar treten könne)-Ich kann die Sache nur vom praktischen Gesichtspunkte betrachten; wir wissen danach nicht einmal, ob die 25 Unterschriften die von Wahlmännern oder Wählern sind. Wir müssen an unserm Beschlusse festhalten.

Polaczek: Der einzelne Fall darf um so weniger eine Ausnahme machen, als unser Beschluß ja gerade im Interesse der Wahlmänner gefaßt wurde.

Die Tagesordnung wird verlangt und angenommen.

Schuselka berichtet über eingelaufene Unterstützungsgelder. Die kleine Stadt Steier befindet sich mit vorläufig 400 Fl. darunter. (Bravo.) ‒ Nachdem wir das Schreiben an Auersperg wegen Abschneiden der Zufuhren abgeschickt haben, erhalten wir von demselben folgende Antwort:

„An einen löblichen (!) Ausschuß des hohen Reichstags.

Indem ich den Empfang der geschätzten Zuschrift bestätige, kann ich nur bemerken, daß, nachdem Se. Majestät der Kaiser den Oberbefehl über sämmtliche um Wien konzentrirte Truppen, dem Fürsten Windischgrätz übertragen haben, die Erledigung der Fragepunkte nicht mehr von mir abhängt. Ich werde Sr. Durchlaucht indessen die erhaltene Depesche mittheilen. ‒ Die vorgenommenen Entwaffnungen mußten aus strategischen Rücksichten geschehen, werden jedoch wahrscheinlich nur vorübergehend sein. (Zischen.) Hauptquartier Inzersdorf 20. October 1848. Graf Auersperg.“ ‒ Da Auersperg versprochen hat, unsere Depesche dem Fürsten Windischgrätz zu übersenden, so haben wir beschlossen, eine Antwort desselben abzuwarten und ihm, trifft sie nicht ehestens ein, die Depesche selbst einzuschicken. ‒ Die Nationalgarde von Purkersdorf beschwert sich ebenfalls über Entwaffnung durch Auersperg's Militär; auch diese Beschwerde wird sich nach jener Antwort erledigen müssen.

Krauß ist unterdessen eingetreten und besteigt die Tribüne: Ich bin in der Lage, eine Mittheilung zu machen, die mir vor einer halben Stunde zugekommen ist. Der Minister Wessenberg (?) hat mir nämlich folgendes Allerhöchste Manifest zugeschickt:

„Wir Ferdinand I. u. s. w. entbieten u. s. w.

Durch die blutigen Ereignisse, welche seit dem 6. ds. Unsere Haupt- und Residenzstadt Wien in einen Schauplatz anarchischer Wirren umgewandelt haben, auf das tiefste betrübt und in Unserm Innern erschüttert, sahen Wir Uns genöthigt, Unsern Sitz zeitweilig nach Unserer königlichen Hauptstadt Olmütz zu verlegen. Mit gleicher Betrübniß erfüllt Unser Herz die eingetretene Nothwendigkeit, zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung und zum Schutze der an den Greueln des Aufstandes nicht betheiligten Staatsbürger, militärische Maßregeln zu ergreifen.

Doch wollen Wir, daß in der Anordnung dieses Uns abgedrungenen äußersten Mittels nur so weit gegangen werde, als es zur Herstellung der Ruhe und Sicherheit und zum Schutze Unserer getreuen Staatsbürger, sowie für Aufrechthaltung der Würde Unseres konstitutionellen Thrones nöthig sein wird.

Es ist Unser fester, unveränderlicher Wille, daß die Unsern Völkern gewährten Rechte und Freiheiten, wenn sie auch von einzelnen Böswilligen und Mißgeleiteten mißbraucht worden sind, in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben und Wir verbürgen solche neuerdings durch Unser kaiserliches Wort.

Auch wollen Wir, daß die von dem konstitutionellen Reichstage bereits gefaßten und von Uns sanktionirten Beschlüsse, namentlich jene über die Aufhebung des Unterthanen-Verbandes, die Entlastung und Gleichstellung des Grundbesitzes gegen die im Prinzipe vom Reichstage anerkannte billige Entschädigung aufrecht erhalten und Unserer bereits erlassenen Anordnung gemäß in Vollzug gebracht werde.

Ebenso ist es Unser fester Wille, daß das begonnene Verfassungswerk von dem konstituirenden Reichstage in einer der vollen Gleichberechtigung aller Unserer Völker entsprechenden Weise ungestört und ununterbrochen fortgesetzt werde, damit solches in Bälde Meiner Sanktion unterlegt und einem gedeihlichen Ende zugeführt werden könne.

Dieses möglich zu machen wird der Gegenstand Unserer ernsten Sorgfalt sein und Wir rechnen dabei auf die Einsicht, Anerkennung und bewährte Loyalität unserer getreuen Völker.

Gegeben in Unserer Hauptstadt Ollmütz, den 19. Okt. 1848.

Ferdinand. Wessenberg.“

Die Aufnahme dieses Manifestes war äußerst kalt. Einige wollten Bravo rufen, wurden aber von den Zischern übertönt.

Krauß: Auch ist mir ein Schreiben der deutschen Centralgewalt zugekommen; die Herren, welche es überbringen, haben sich jedoch nicht bei mir eingefunden, weshalb ich mich noch nicht darüber äußern kann. (Er macht sich eiligst davon).

Präsident: An der Tagesordnung sind die Wahlberichte. (Nun mache ich mich auch davon).

Wien, 22. Oktbr.

Der Politische Privat-Telegraph schreibt: Die Dynastie tritt schroff auf und verwischt die Sympathie des Volkes bis auf die letzte Spur. Die Deputation des Gemeinderaths wurde beim Kaiser gar nicht vorgelassen und das ganze Ergebniß der Sendung beschränkt sich darauf, daß Wessenberg den Deputirten die schriftliche Weisung gab, sie möchten sich, was Ruhe und Ordnung betrifft, an Windischgrätz wenden und daß in Ollmütz nichts weiter zu suchen sei. Das Manifest des Kaisers vom 16. Okt. ist in verschiedenen Theilen der Monarchie und besonders beim Heere bekannt geworden und enthält blutige Drohungen gegen die Stadt Wien. Dasselbe wurde vor der Veröffentlichung mehreren anwesenden Deputirten zu Ollmütz gezeigt. Diese sollen aufs Entschiedenste dagegen protestirt und erklärt haben, daß für den Fall der Veröffentlichung sie sich in die Bezirke begeben würden, um das Volk gegen diese Maßnahme des Hofes zu bewegen. Dies mag der Grund sein, daß diese Proklamation vom 16. in Wien nicht offiziell bekannt gemacht wurde. Das Centralcomite unternimmt jedoch die Veröffentlichung. Ein Erlaß von Welker und Mosle im Namen des Reichsverwesers, von Passau aus datirt, widerspricht dem verbreiteten Gerüchte, als sollten deutsche Reichstruppen nach Wien kommen, um die Sache der Dynastie zu verfechten und enthält die Erklärung, daß die Centralgewalt die deutsche Sache in Oestreich vertreten und die konstitutionelle Freiheit, wie sie im Lande bestehe, auch in Wien beschützen werde. Dieser Erlaß brachte ein Lächeln sowohl innerhalb als außerhalb der Kammer hervor. ‒ Einer verläßlichen Mittheilung zufolge soll eine Deputation der früher hier in Garnison gelegenen Offiziere unter Auersperg, in unserem Hauptquartier die Zusicherung gegeben haben, daß sie gegen das Wiener Volk und gegen die Wiener Freiheit nicht kämpfen werden.

Admiral Albini hat Ankona mit eilf Schiffen wieder verlassen, und segelt vor Venedig, um die frühere Thätigkeit wieder zu beginnen. Der östreichische Vice-Admiral Kudriafsky hat sich unter dem Vorwand einer Krankheit zurückgezogen und seine Stelle einem Oberlieutenant, den die Matrosen eine Landratte nennen, übergeben. ‒ Der in Mailand ausgebrochene Zwist zwischen den magyarischen und kroatischen Soldaten hat den Marschall Radetzky zu der dringenden Forderung veranlaßt, daß ihm 40,000 Mann Hülfstruppen gesendet werden. Die Beobachtungen vom Stephansthurm aus sind jetzt durch Nebel und Regenwetter erschwert, fast unmöglich gemacht und daher muß man sich nach den Angaben der Zureisenden in Beziehung auf die Stellung der Heere richten. Die Ungarn versichern fortwährend, daß sie kommen, um die Kroaten anzugreifen und den Wienern zu helfen. Man berichtet uns, daß Ivanka die Vorhut kommandire und 20 Kanonen auf dem rechten Flügel führe, daß 300 Czikos (ungarische Roßhirten) sich verschworen haben, den Jellachich, wenn es zum Kampfe kommen sollte, todt oder lebendig zu bringen; daß Kossuth mit 15,000 Mann und 16 Kanonen der Hauptarmee nachrücke und daß für die nächsten Tage dennoch eine Schlacht zu erwarten stehe.

Die Gährung in den Provinzen mehrt sich. In der Stadt selbst steigt sie noch seit der Veröffentlichung des kaiserl. Ediktes; auf ein so verwegenes blutiges Spiel war man doch nicht vorbereitet. Aller Verkehr mit Wien von außen ist gehemmt und gestört; die Zufuhr von Lebensmitteln zur Verpflegung der Kranken sogar wurde von den belagernden Soldaten geweigert. Die Post wird nicht nur verzögert, sondern fast gänzlich hintangehalten. Ueber Reisende und alle Personen, welche sich entfernen wollen, wird eine peinlich strenge Kontrolle geführt. Oestreich kostet den Vorgeschmack einer Militärherrschaft. Alle Rücksicht für das Volk hat aufgehört.

Die Barrikaden in der Stadt sind abgetragen, die in den Vorstädten und an den Linien werden nach zweckmäßigeren Angaben umgebaut. Für verflossene Nacht waren alle Garden konsignirt, weil man einen Einfall des Militärs befürchtete. Es ist vor der Hand bei der bloßen Erwartung geblieben.

Die norddeutsche Post ist, ohne daß man hier den Grund weiß, seit mehreren Tagen ausgeblieben.

Wien, 22. Okt.

Dr. Frank, Hauptmann der mobilen Garde bei Floridsdorf, wurde heute Nachmittag von den k. k. Vorposten gefangen genommen.

‒ Heute kamen 2 Schiffe mit Lebensmitteln, welche vor Floridsdorf von den Grenadieren am Ufer mit Feuern bedroht wurden. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern wußten jedoch die Grenadiere so zu beschäftigen, daß die Schiffe indessen durchpassirten.

Der Landes-Vertheidigungs-Ausschuß zu Pesth hat die Beschlagnahme aller in Ungarn befindlichen geistlichen Güter und Beneficien des mit dem Verbrechen des Landesverraths beladenen Bischofs zu Agram Johann Haulik, so wie die Exkorporation der unter der Agramer bischöflichen Gerichtsbarkeit stehenden Murahoz, und Einverleibung derselben in das Steinamangersche Bisthum beschlossen, und wegen der Effektuirung dieses Beschlusses die nöthige Verfügung getroffen.

Der aus Galizien durch den Duklaer-Paß nach Ungarn eingebrochene, sich General nennende Simonics, hat sich nach Bartfeld wieder zurückgezogen. Die Nationalgarden der angrenzenden Komitate sind aufgefordert zu dessen Vernichtung, und auf seinen Kopf ist vom ungarischen Landesvertheidigungs-Ausschusse ein Preis gesetzt von 100 fl. C.-M. und auf die Köpfe eines jeden seiner Leute 20 fl. C.-M.

Wien, 22. Okt.

Kremsier ist ein Städtchen im Olmützer Kreise der Markgrafschaft Mähren, mit etwa 2000 Einwohnern, einem Residenzschlosse des Erzbischofs von Olmütz, einem Gymnasium etc. und nach reiflicher Ueberlegung der czechischen Exdeputirten der künftige Sitz des östreichischen konstituirenden Reichstages. Die czechischen Exdeputirten hatten ursprünglich Brünn ausersehen, aber Brünn hat zu viel Revolutionselemente in sich. Eine Voraussicht, die der politischen Weisheit Palackys alle Ehre macht. Auch ist es nicht genug slavisch, und schließt in seinen Mauern, gleich Wien ein Proletariat ein. Eine gefährliche Nachbarschaft für heldenmüthige Senatoren. Auch ist Kremsier ein ruhiges Städtchen ohne Wühler, ohne Publizisten, hat keine akademische Legion, sondern nur fürst-erzbischöfliche Grenadier-Invaliden. Ein anderer Grund für Kremsier ist auch der, daß keine Buchdruckerpresse sich daselbst befindet, folglich auch keine wühlerischen Zeitungen erscheinen können. Für den Druck der Sitzungsprotokolle kann die fürstlich Windischgrätzsche Feldpresse benutzt werden.

Wir können noch tausend Gründe anführen, die Kremsier ganz besonders eignen, der Centralpunkt der östreichisch-slavischen „Gesammtmonarchie“ zu werden. Unerwähnt dürfen wir aber nicht lassen, daß im vorigen Herbste daselbst eine sogenannte „Beseda“ abgehalten wurde, welche eigentlich nur das Vorparlament des Reichstages war.

Ein anderer Plan dieser Herren ist der, den Slavenkongreß in zweiter Auflage nach Agram einzuberufen.

Zur Charakterisirung des Organs des Slaven Herrn Hawliczek führen wir auch heute eine Stelle aus demselben an. Es ist eine Korrespondenz eines Herrn Wilem Dusan, in welcher es wörtlich heißt: „Euch (die czechischen Exdeputirten) loben wir, den Polen fluchen wir!!!“ (Grad' aus.)

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 128. Köln, Samstag den 28. Oktober. 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Wien. (Reichstagssitzung. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; Der Centralpunkt der Gesammtmonarchie &#x2012; Dr. Franke. &#x2012; Verproviantirung. &#x2012; Der Landesvertheidigungsausschuß zu Pesth). Berlin. (Vereinbarersitzung. &#x2012; Die Kommission <hi rendition="#g">für</hi> Aufhebung des Belagerungszustandes in Posen. &#x2012; Pfuel. &#x2012; Bürgerwehrplakat. &#x2012; Parisius. &#x2012; Die &#x201E;National-Zeitung&#x201C; über die Ministerkrisis). Breslau. (Neuigkeiten der &#x201E;Breslauer Zeitung&#x201C;). Aus Schlesien. (Revolutionärer Zustand) Kujavien. (Bildung und Verbreitung der Liga Polska). München. (Adresse an den König). Karlsruhe. (Eine Verhaftung). Schleswig. (Proklamationen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Aufstand zu Mailand. &#x2012; Modena in Belagerungszustand). Turin. (Der Waffenstillstand. &#x2012; Antwort des Ministeriums).</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris. (Die &#x201E;Maske ist gefallen.&#x201C; &#x2012; Zahlungssaumseligkeit der Könige. &#x2012; Erklärung eines Polen. &#x2012; Raspail. &#x2012; Noch ein Beitrag zur Charakteristik der honnetten Republik. &#x2012; Neue Ministerkrisis. &#x2012; Marrast. &#x2012; Die Verfassungskommission. &#x2012; Banketts. Changarnier. &#x2012; National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Holland.</hi> Amsterdam. (Das Ministerium. &#x2012; Beabsichtigtes Sparsystem. Cholera).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Die irländischen Verurtheilten. &#x2012; Die Cholera).</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika.</hi> New-York. (Hecker. &#x2012; Die deutschen Arbeitervereine. &#x2012; Die Wahlen in den Vereinigten-Staaten. &#x2012; Manifest der Farbigen &#x2012; Zustand von Mexiko. &#x2012; Aufstand zu Tabasko. &#x2012; Indianeraufstand zu Yukatan unterdrückt. &#x2012; Die &#x201E;rothe&#x201C; Majestät von Brasilien).</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 21. October.</head>
          <p>Reichstagssitzung. 11 Uhr. Präsident <hi rendition="#g">Smolka.</hi> Auf den Galerien treiben sich czechische Abgeordnete umher, welche die Anwesenden zu zählen scheinen, um ein Versehen bei der Beschlußfähigkeit der Versammlung aufzuschnappen und den giftigen Zigeunern nach Prag einzusenden. &#x2012; Auf den privilegirten Plätzen neben den Diplomatenlogen entdecke ich die Gesichter einiger mir aus den Kaffeehäusern bekannten Spione.</p>
          <p>Der Präsident zeigt an, daß die neueste Adresse an den Kaiser gestern abgegangen sei und das Ministerium einen Namens des Reichsverwesers erlassenen von den Reichs-Kommissarien <hi rendition="#g">Welker</hi> und <hi rendition="#g">Mosle</hi> unterzeichneten aus Passau vom 19. Oct. datirten Aufruf zur Kenntnißnahme eingereicht habe.</p>
          <p>Derselbe wird vorgelesen und vermag selbst einem östreichischen Reichstage nur ein mitleidiges Lächeln und Zischen zu entlocken. Sie werden das antidiluvianische Machwerk, welches eben mit einem noch antidiluvianischern in den Straßen angeklebt wird, schon kennen; ich bin daher der Mühe enthoben, Ihnen diese Reichsbrocken mitzutheilen. Der erste beste in Schweinsleder geheftete, mit schwarz-roth-goldenen Anfangsbuchstaben gedruckte mittelalterliche Rechtsschinken wird Ihnen ähnliche Muster aufweisen können.</p>
          <p>Die Wahlmänner Mährisch-Trübau's zeigen die unbefugte Rückkehr ihres Abgeordneten Weigl an und fordern eine Neuwahl für den Deserteur. (Vielfaches Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Ich glaube, daß die Sache durch unsern Beschluß von gestern erledigt wird.</p>
          <p><hi rendition="#g">Sierakowski:</hi> Ich bin der Ansicht, daß die Neuwahl sofort ausgeschrieben werden muß, weil die Kommittenten dieselbe peremtorisch verlangen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Ich kann mich dieser Ansicht nur anschließen. Die Simme des Volks, und um diese handelt es sich hier, muß allzeit den Vorzug, die Oberhand behalten, wir müßten die Volksfreiheit denn praktisch aberkennen wollen. (Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Brestl</hi> (dieser Dummkopf ist der Abgeordnete der Aula): Wir haben eine Frist von 10 Tagen zur Rückkehr der Abgeordneten bestimmt; wir können nicht davon abgehen, denn ich muß der Lehre entschieden widersprechen, als ob die Wahlmänner den Abgeordneten willkürlich zurückrufen könnten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Paul: </hi>Ebenso.</p>
          <p><hi rendition="#g">Demel: </hi>Ebenso. Wir würden uns auf diese Weise jeder beschränkten Einsicht unserer Kommittenten unterwerfen. (Einige wollen Bravo rufen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Kavalkó:</hi> Antworten wir den Wahlmännern von Mährisch-Trübau, daß wir in dieser Beziehung bereits einen Beschluß gefaßt haben und theilen wir ihnen denselben mit.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch:</hi> Um auf die Anspielung eines Redners zu antworten, muß ich bemerken, daß ich auch von keinem einzigen meiner Wahlmänner ein Mißtrauensvotum erhalten habe. Uebrigens ist es ein himmelweiter Unterschied, ein bloßes Mißtrauensvotum erhalten und ein meineidiger Fahnen-Flüchtling sein. In einer Versammlung, wie die unsrige, müssen alle Parteien vorhanden sein können und <hi rendition="#g">es darf selbst nicht an Republikanern fehlen,</hi> wenn sie die Allgemeinheit aller Meinungen gehörig ausdrücken soll. &#x2012; Wenn Herrn aber keine Linke wollen, so kann es auch geschehen, daß sie einmal keine Rechte mehr wollen. Ich könnte manche Schmach und Schande bekannt machen, welche die entflohenen Abgeordneten sich haben zu Schulden kommen lassen; wenn Briefe an die zurückgebliebenen Abgeordneten mit der direkten Aufforderung geschrieben werden, Wien zu verlassen, so gehört dies in diese Kategorie. &#x2012; Der Abg. <hi rendition="#g">Weigl,</hi> von welchem es sich hier handelt, war in seinen Wahlbezirk zurückgekehrt, hatte seine Mission also aufgegeben und seine Kommittenten können daher mit Recht auf Neuwahl dringen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Dilewski:</hi> Wir dürfen nichts aus Leidenschaft ändern, was wir beschlossen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Umlauft</hi> (der immer mehr zum ursprünglichen Charakter zurückkehrt, damit er wieder in Sedlnitzki's Schaar treten könne)-Ich kann die Sache nur vom praktischen Gesichtspunkte betrachten; wir wissen danach nicht einmal, ob die 25 Unterschriften die von Wahlmännern oder Wählern sind. Wir müssen an unserm Beschlusse festhalten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Polaczek:</hi> Der einzelne Fall darf um so weniger eine Ausnahme machen, als unser Beschluß ja gerade im Interesse der Wahlmänner gefaßt wurde.</p>
          <p>Die Tagesordnung wird verlangt und angenommen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> berichtet über eingelaufene Unterstützungsgelder. Die kleine Stadt Steier befindet sich mit vorläufig 400 Fl. darunter. (Bravo.) &#x2012; Nachdem wir das Schreiben an Auersperg wegen Abschneiden der Zufuhren abgeschickt haben, erhalten wir von demselben folgende Antwort:</p>
          <p>&#x201E;An einen löblichen (!) Ausschuß des hohen Reichstags.</p>
          <p>Indem ich den Empfang der geschätzten Zuschrift bestätige, kann ich nur bemerken, daß, nachdem Se. Majestät der Kaiser den Oberbefehl über sämmtliche um Wien konzentrirte Truppen, dem Fürsten <hi rendition="#g">Windischgrätz</hi> übertragen haben, die Erledigung der Fragepunkte nicht mehr von mir abhängt. Ich werde Sr. Durchlaucht indessen die erhaltene Depesche mittheilen. &#x2012; Die vorgenommenen Entwaffnungen mußten aus strategischen Rücksichten geschehen, werden jedoch wahrscheinlich nur vorübergehend sein. (Zischen.) Hauptquartier Inzersdorf 20. October 1848. Graf Auersperg.&#x201C; &#x2012; Da Auersperg versprochen hat, unsere Depesche dem Fürsten Windischgrätz zu übersenden, so haben wir beschlossen, eine Antwort desselben abzuwarten und ihm, trifft sie nicht ehestens ein, die Depesche selbst einzuschicken. &#x2012; Die Nationalgarde von Purkersdorf beschwert sich ebenfalls über Entwaffnung durch Auersperg's Militär; auch diese Beschwerde wird sich nach jener Antwort erledigen müssen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Krauß</hi> ist unterdessen eingetreten und besteigt die Tribüne: Ich bin in der Lage, eine Mittheilung zu machen, die mir vor einer halben Stunde zugekommen ist. Der Minister Wessenberg (?) hat mir nämlich folgendes Allerhöchste Manifest zugeschickt:</p>
          <p>&#x201E;Wir Ferdinand I. u. s. w. entbieten u. s. w.</p>
          <p>Durch die blutigen Ereignisse, welche seit dem 6. ds. Unsere Haupt- und Residenzstadt Wien in einen Schauplatz anarchischer Wirren umgewandelt haben, auf das tiefste betrübt und in Unserm Innern erschüttert, sahen Wir Uns genöthigt, Unsern Sitz zeitweilig nach Unserer königlichen Hauptstadt Olmütz zu verlegen. Mit gleicher Betrübniß erfüllt Unser Herz die eingetretene Nothwendigkeit, zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung und zum Schutze der an den Greueln des Aufstandes nicht betheiligten Staatsbürger, militärische Maßregeln zu ergreifen.</p>
          <p>Doch wollen Wir, daß in der Anordnung dieses Uns abgedrungenen äußersten Mittels nur so weit gegangen werde, als es zur Herstellung der Ruhe und Sicherheit und zum Schutze Unserer getreuen Staatsbürger, sowie für Aufrechthaltung der Würde Unseres konstitutionellen Thrones nöthig sein wird.</p>
          <p>Es ist Unser fester, unveränderlicher Wille, daß die Unsern Völkern gewährten Rechte und Freiheiten, wenn sie auch von einzelnen Böswilligen und Mißgeleiteten mißbraucht worden sind, in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben und Wir verbürgen solche neuerdings durch Unser kaiserliches Wort.</p>
          <p>Auch wollen Wir, daß die von dem konstitutionellen Reichstage bereits gefaßten und von Uns sanktionirten Beschlüsse, namentlich jene über die Aufhebung des Unterthanen-Verbandes, die Entlastung und Gleichstellung des Grundbesitzes gegen die im Prinzipe vom Reichstage anerkannte billige Entschädigung aufrecht erhalten und Unserer bereits erlassenen Anordnung gemäß in Vollzug gebracht werde.</p>
          <p>Ebenso ist es Unser fester Wille, daß das begonnene Verfassungswerk von dem konstituirenden Reichstage in einer der vollen Gleichberechtigung aller Unserer Völker entsprechenden Weise ungestört und ununterbrochen fortgesetzt werde, damit solches in Bälde Meiner Sanktion unterlegt und einem gedeihlichen Ende zugeführt werden könne.</p>
          <p>Dieses möglich zu machen wird der Gegenstand Unserer ernsten Sorgfalt sein und Wir rechnen dabei auf die Einsicht, Anerkennung und bewährte Loyalität unserer getreuen Völker.</p>
          <p>Gegeben in Unserer Hauptstadt Ollmütz, den 19. Okt. 1848.</p>
          <p>Ferdinand. Wessenberg.&#x201C;</p>
          <p>Die Aufnahme dieses Manifestes war äußerst kalt. Einige wollten Bravo rufen, wurden aber von den Zischern übertönt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Krauß:</hi> Auch ist mir ein Schreiben der deutschen Centralgewalt zugekommen; die Herren, welche es überbringen, haben sich jedoch nicht bei mir eingefunden, weshalb ich mich noch nicht darüber äußern kann. (Er macht sich eiligst davon).</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> An der Tagesordnung sind die Wahlberichte. (Nun mache ich mich auch davon).</p>
        </div>
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          <head>Wien, 22. Oktbr.</head>
          <p>Der Politische Privat-Telegraph schreibt: Die Dynastie tritt schroff auf und verwischt die Sympathie des Volkes bis auf die letzte Spur. Die Deputation des Gemeinderaths wurde beim Kaiser gar nicht vorgelassen und das ganze Ergebniß der Sendung beschränkt sich darauf, daß Wessenberg den Deputirten die schriftliche Weisung gab, sie möchten sich, was Ruhe und Ordnung betrifft, an Windischgrätz wenden und daß in Ollmütz nichts weiter zu suchen sei. Das Manifest des Kaisers vom 16. Okt. ist in verschiedenen Theilen der Monarchie und besonders beim Heere bekannt geworden und enthält blutige Drohungen gegen die Stadt Wien. Dasselbe wurde vor der Veröffentlichung mehreren anwesenden Deputirten zu Ollmütz gezeigt. Diese sollen aufs Entschiedenste dagegen protestirt und erklärt haben, daß für den Fall der Veröffentlichung sie sich in die Bezirke begeben würden, um das Volk gegen diese Maßnahme des Hofes zu bewegen. Dies mag der Grund sein, daß diese Proklamation vom 16. in Wien nicht offiziell bekannt gemacht wurde. Das Centralcomite unternimmt jedoch die Veröffentlichung. Ein Erlaß von Welker und Mosle im Namen des Reichsverwesers, von Passau aus datirt, widerspricht dem verbreiteten Gerüchte, als sollten deutsche Reichstruppen nach Wien kommen, um die Sache der Dynastie zu verfechten und enthält die Erklärung, daß die Centralgewalt die deutsche Sache in Oestreich vertreten und die konstitutionelle Freiheit, wie sie im Lande bestehe, auch in Wien beschützen werde. Dieser Erlaß brachte ein Lächeln sowohl innerhalb als außerhalb der Kammer hervor. &#x2012; Einer verläßlichen Mittheilung zufolge soll eine Deputation der früher hier in Garnison gelegenen Offiziere unter Auersperg, in unserem Hauptquartier die Zusicherung gegeben haben, daß sie gegen das Wiener Volk und gegen die Wiener Freiheit nicht kämpfen werden.</p>
          <p>Admiral Albini hat Ankona mit eilf Schiffen wieder verlassen, und segelt vor Venedig, um die frühere Thätigkeit wieder zu beginnen. Der östreichische Vice-Admiral Kudriafsky hat sich unter dem Vorwand einer Krankheit zurückgezogen und seine Stelle einem Oberlieutenant, den die Matrosen eine Landratte nennen, übergeben. &#x2012; Der in Mailand ausgebrochene Zwist zwischen den magyarischen und kroatischen Soldaten hat den Marschall Radetzky zu der dringenden Forderung veranlaßt, daß ihm 40,000 Mann Hülfstruppen gesendet werden. Die Beobachtungen vom Stephansthurm aus sind jetzt durch Nebel und Regenwetter erschwert, fast unmöglich gemacht und daher muß man sich nach den Angaben der Zureisenden in Beziehung auf die Stellung der Heere richten. Die Ungarn versichern fortwährend, daß sie kommen, um die Kroaten anzugreifen und den Wienern zu helfen. Man berichtet uns, daß Ivanka die Vorhut kommandire und 20 Kanonen auf dem rechten Flügel führe, daß 300 Czikos (ungarische Roßhirten) sich verschworen haben, den Jellachich, wenn es zum Kampfe kommen sollte, todt oder lebendig zu bringen; daß Kossuth mit 15,000 Mann und 16 Kanonen der Hauptarmee nachrücke und daß für die nächsten Tage dennoch eine Schlacht zu erwarten stehe.</p>
          <p>Die Gährung in den Provinzen mehrt sich. In der Stadt selbst steigt sie noch seit der Veröffentlichung des kaiserl. Ediktes; auf ein so verwegenes blutiges Spiel war man doch nicht vorbereitet. Aller Verkehr mit Wien von außen ist gehemmt und gestört; die Zufuhr von Lebensmitteln zur Verpflegung der Kranken sogar wurde von den belagernden Soldaten geweigert. Die Post wird nicht nur verzögert, sondern fast gänzlich hintangehalten. Ueber Reisende und alle Personen, welche sich entfernen wollen, wird eine peinlich strenge Kontrolle geführt. Oestreich kostet den Vorgeschmack einer Militärherrschaft. Alle Rücksicht für das Volk hat aufgehört.</p>
          <p>Die Barrikaden in der Stadt sind abgetragen, die in den Vorstädten und an den Linien werden nach zweckmäßigeren Angaben umgebaut. Für verflossene Nacht waren alle Garden konsignirt, weil man einen Einfall des Militärs befürchtete. Es ist vor der Hand bei der bloßen Erwartung geblieben.</p>
          <p>Die norddeutsche Post ist, ohne daß man hier den Grund weiß, seit mehreren Tagen ausgeblieben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar128_003" type="jArticle">
          <head>Wien, 22. Okt.</head>
          <p>Dr. Frank, Hauptmann der mobilen Garde bei Floridsdorf, wurde heute Nachmittag von den k. k. Vorposten gefangen genommen.</p>
          <p>&#x2012; Heute kamen 2 Schiffe mit Lebensmitteln, welche vor Floridsdorf von den Grenadieren am Ufer mit Feuern bedroht wurden. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern wußten jedoch die Grenadiere so zu beschäftigen, daß die Schiffe indessen durchpassirten.</p>
          <p>Der Landes-Vertheidigungs-Ausschuß zu Pesth hat die Beschlagnahme aller in Ungarn befindlichen geistlichen Güter und Beneficien des mit dem Verbrechen des Landesverraths beladenen Bischofs zu Agram Johann Haulik, so wie die Exkorporation der unter der Agramer bischöflichen Gerichtsbarkeit stehenden Murahoz, und Einverleibung derselben in das Steinamangersche Bisthum beschlossen, und wegen der Effektuirung dieses Beschlusses die nöthige Verfügung getroffen.</p>
          <p>Der aus Galizien durch den Duklaer-Paß nach Ungarn eingebrochene, sich General nennende Simonics, hat sich nach Bartfeld wieder zurückgezogen. Die Nationalgarden der angrenzenden Komitate sind aufgefordert zu dessen Vernichtung, und auf seinen Kopf ist vom ungarischen Landesvertheidigungs-Ausschusse ein Preis gesetzt von 100 fl. C.-M. und auf die Köpfe eines jeden seiner Leute 20 fl. C.-M.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar128_004" type="jArticle">
          <head>Wien, 22. Okt.</head>
          <p>Kremsier ist ein Städtchen im Olmützer Kreise der Markgrafschaft Mähren, mit etwa 2000 Einwohnern, einem Residenzschlosse des Erzbischofs von Olmütz, einem Gymnasium etc. und nach reiflicher Ueberlegung der czechischen Exdeputirten der künftige Sitz des östreichischen konstituirenden Reichstages. Die czechischen Exdeputirten hatten ursprünglich Brünn ausersehen, aber Brünn hat zu viel Revolutionselemente in sich. Eine Voraussicht, die der politischen Weisheit Palackys alle Ehre macht. Auch ist es nicht genug slavisch, und schließt in seinen Mauern, gleich Wien ein Proletariat ein. Eine gefährliche Nachbarschaft für heldenmüthige Senatoren. Auch ist Kremsier ein ruhiges Städtchen ohne Wühler, ohne Publizisten, hat keine akademische Legion, sondern nur fürst-erzbischöfliche Grenadier-Invaliden. Ein anderer Grund für Kremsier ist auch der, daß keine Buchdruckerpresse sich daselbst befindet, folglich auch keine wühlerischen Zeitungen erscheinen können. Für den Druck der Sitzungsprotokolle kann die fürstlich Windischgrätzsche Feldpresse benutzt werden.</p>
          <p>Wir können noch tausend Gründe anführen, die Kremsier ganz besonders eignen, der Centralpunkt der östreichisch-slavischen &#x201E;Gesammtmonarchie&#x201C; zu werden. Unerwähnt dürfen wir aber nicht lassen, daß im vorigen Herbste daselbst eine sogenannte &#x201E;Beseda&#x201C; abgehalten wurde, welche eigentlich nur das Vorparlament des Reichstages war.</p>
          <p>Ein anderer Plan dieser Herren ist der, den Slavenkongreß in zweiter Auflage nach Agram einzuberufen.</p>
          <p>Zur Charakterisirung des Organs des Slaven Herrn Hawliczek führen wir auch heute eine Stelle aus demselben an. Es ist eine Korrespondenz eines Herrn Wilem Dusan, in welcher es wörtlich heißt: &#x201E;Euch (die czechischen Exdeputirten) loben wir, den <hi rendition="#g">Polen fluchen wir!!!</hi>&#x201C; (Grad' aus.)</p>
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[0643/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 128. Köln, Samstag den 28. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (Reichstagssitzung. ‒ Vermischtes. ‒ Der Centralpunkt der Gesammtmonarchie ‒ Dr. Franke. ‒ Verproviantirung. ‒ Der Landesvertheidigungsausschuß zu Pesth). Berlin. (Vereinbarersitzung. ‒ Die Kommission für Aufhebung des Belagerungszustandes in Posen. ‒ Pfuel. ‒ Bürgerwehrplakat. ‒ Parisius. ‒ Die „National-Zeitung“ über die Ministerkrisis). Breslau. (Neuigkeiten der „Breslauer Zeitung“). Aus Schlesien. (Revolutionärer Zustand) Kujavien. (Bildung und Verbreitung der Liga Polska). München. (Adresse an den König). Karlsruhe. (Eine Verhaftung). Schleswig. (Proklamationen). Italien. (Aufstand zu Mailand. ‒ Modena in Belagerungszustand). Turin. (Der Waffenstillstand. ‒ Antwort des Ministeriums). Franz. Republik. Paris. (Die „Maske ist gefallen.“ ‒ Zahlungssaumseligkeit der Könige. ‒ Erklärung eines Polen. ‒ Raspail. ‒ Noch ein Beitrag zur Charakteristik der honnetten Republik. ‒ Neue Ministerkrisis. ‒ Marrast. ‒ Die Verfassungskommission. ‒ Banketts. Changarnier. ‒ National-Versammlung). Holland. Amsterdam. (Das Ministerium. ‒ Beabsichtigtes Sparsystem. Cholera). Großbritannien. London. (Die irländischen Verurtheilten. ‒ Die Cholera). Amerika. New-York. (Hecker. ‒ Die deutschen Arbeitervereine. ‒ Die Wahlen in den Vereinigten-Staaten. ‒ Manifest der Farbigen ‒ Zustand von Mexiko. ‒ Aufstand zu Tabasko. ‒ Indianeraufstand zu Yukatan unterdrückt. ‒ Die „rothe“ Majestät von Brasilien). Deutschland. 61 Wien, 21. October. Reichstagssitzung. 11 Uhr. Präsident Smolka. Auf den Galerien treiben sich czechische Abgeordnete umher, welche die Anwesenden zu zählen scheinen, um ein Versehen bei der Beschlußfähigkeit der Versammlung aufzuschnappen und den giftigen Zigeunern nach Prag einzusenden. ‒ Auf den privilegirten Plätzen neben den Diplomatenlogen entdecke ich die Gesichter einiger mir aus den Kaffeehäusern bekannten Spione. Der Präsident zeigt an, daß die neueste Adresse an den Kaiser gestern abgegangen sei und das Ministerium einen Namens des Reichsverwesers erlassenen von den Reichs-Kommissarien Welker und Mosle unterzeichneten aus Passau vom 19. Oct. datirten Aufruf zur Kenntnißnahme eingereicht habe. Derselbe wird vorgelesen und vermag selbst einem östreichischen Reichstage nur ein mitleidiges Lächeln und Zischen zu entlocken. Sie werden das antidiluvianische Machwerk, welches eben mit einem noch antidiluvianischern in den Straßen angeklebt wird, schon kennen; ich bin daher der Mühe enthoben, Ihnen diese Reichsbrocken mitzutheilen. Der erste beste in Schweinsleder geheftete, mit schwarz-roth-goldenen Anfangsbuchstaben gedruckte mittelalterliche Rechtsschinken wird Ihnen ähnliche Muster aufweisen können. Die Wahlmänner Mährisch-Trübau's zeigen die unbefugte Rückkehr ihres Abgeordneten Weigl an und fordern eine Neuwahl für den Deserteur. (Vielfaches Bravo.) Präsident: Ich glaube, daß die Sache durch unsern Beschluß von gestern erledigt wird. Sierakowski: Ich bin der Ansicht, daß die Neuwahl sofort ausgeschrieben werden muß, weil die Kommittenten dieselbe peremtorisch verlangen. Borrosch: Ich kann mich dieser Ansicht nur anschließen. Die Simme des Volks, und um diese handelt es sich hier, muß allzeit den Vorzug, die Oberhand behalten, wir müßten die Volksfreiheit denn praktisch aberkennen wollen. (Bravo.) Brestl (dieser Dummkopf ist der Abgeordnete der Aula): Wir haben eine Frist von 10 Tagen zur Rückkehr der Abgeordneten bestimmt; wir können nicht davon abgehen, denn ich muß der Lehre entschieden widersprechen, als ob die Wahlmänner den Abgeordneten willkürlich zurückrufen könnten. Paul: Ebenso. Demel: Ebenso. Wir würden uns auf diese Weise jeder beschränkten Einsicht unserer Kommittenten unterwerfen. (Einige wollen Bravo rufen.) Kavalkó: Antworten wir den Wahlmännern von Mährisch-Trübau, daß wir in dieser Beziehung bereits einen Beschluß gefaßt haben und theilen wir ihnen denselben mit. Borrosch: Um auf die Anspielung eines Redners zu antworten, muß ich bemerken, daß ich auch von keinem einzigen meiner Wahlmänner ein Mißtrauensvotum erhalten habe. Uebrigens ist es ein himmelweiter Unterschied, ein bloßes Mißtrauensvotum erhalten und ein meineidiger Fahnen-Flüchtling sein. In einer Versammlung, wie die unsrige, müssen alle Parteien vorhanden sein können und es darf selbst nicht an Republikanern fehlen, wenn sie die Allgemeinheit aller Meinungen gehörig ausdrücken soll. ‒ Wenn Herrn aber keine Linke wollen, so kann es auch geschehen, daß sie einmal keine Rechte mehr wollen. Ich könnte manche Schmach und Schande bekannt machen, welche die entflohenen Abgeordneten sich haben zu Schulden kommen lassen; wenn Briefe an die zurückgebliebenen Abgeordneten mit der direkten Aufforderung geschrieben werden, Wien zu verlassen, so gehört dies in diese Kategorie. ‒ Der Abg. Weigl, von welchem es sich hier handelt, war in seinen Wahlbezirk zurückgekehrt, hatte seine Mission also aufgegeben und seine Kommittenten können daher mit Recht auf Neuwahl dringen. Dilewski: Wir dürfen nichts aus Leidenschaft ändern, was wir beschlossen. Umlauft (der immer mehr zum ursprünglichen Charakter zurückkehrt, damit er wieder in Sedlnitzki's Schaar treten könne)-Ich kann die Sache nur vom praktischen Gesichtspunkte betrachten; wir wissen danach nicht einmal, ob die 25 Unterschriften die von Wahlmännern oder Wählern sind. Wir müssen an unserm Beschlusse festhalten. Polaczek: Der einzelne Fall darf um so weniger eine Ausnahme machen, als unser Beschluß ja gerade im Interesse der Wahlmänner gefaßt wurde. Die Tagesordnung wird verlangt und angenommen. Schuselka berichtet über eingelaufene Unterstützungsgelder. Die kleine Stadt Steier befindet sich mit vorläufig 400 Fl. darunter. (Bravo.) ‒ Nachdem wir das Schreiben an Auersperg wegen Abschneiden der Zufuhren abgeschickt haben, erhalten wir von demselben folgende Antwort: „An einen löblichen (!) Ausschuß des hohen Reichstags. Indem ich den Empfang der geschätzten Zuschrift bestätige, kann ich nur bemerken, daß, nachdem Se. Majestät der Kaiser den Oberbefehl über sämmtliche um Wien konzentrirte Truppen, dem Fürsten Windischgrätz übertragen haben, die Erledigung der Fragepunkte nicht mehr von mir abhängt. Ich werde Sr. Durchlaucht indessen die erhaltene Depesche mittheilen. ‒ Die vorgenommenen Entwaffnungen mußten aus strategischen Rücksichten geschehen, werden jedoch wahrscheinlich nur vorübergehend sein. (Zischen.) Hauptquartier Inzersdorf 20. October 1848. Graf Auersperg.“ ‒ Da Auersperg versprochen hat, unsere Depesche dem Fürsten Windischgrätz zu übersenden, so haben wir beschlossen, eine Antwort desselben abzuwarten und ihm, trifft sie nicht ehestens ein, die Depesche selbst einzuschicken. ‒ Die Nationalgarde von Purkersdorf beschwert sich ebenfalls über Entwaffnung durch Auersperg's Militär; auch diese Beschwerde wird sich nach jener Antwort erledigen müssen. Krauß ist unterdessen eingetreten und besteigt die Tribüne: Ich bin in der Lage, eine Mittheilung zu machen, die mir vor einer halben Stunde zugekommen ist. Der Minister Wessenberg (?) hat mir nämlich folgendes Allerhöchste Manifest zugeschickt: „Wir Ferdinand I. u. s. w. entbieten u. s. w. Durch die blutigen Ereignisse, welche seit dem 6. ds. Unsere Haupt- und Residenzstadt Wien in einen Schauplatz anarchischer Wirren umgewandelt haben, auf das tiefste betrübt und in Unserm Innern erschüttert, sahen Wir Uns genöthigt, Unsern Sitz zeitweilig nach Unserer königlichen Hauptstadt Olmütz zu verlegen. Mit gleicher Betrübniß erfüllt Unser Herz die eingetretene Nothwendigkeit, zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung und zum Schutze der an den Greueln des Aufstandes nicht betheiligten Staatsbürger, militärische Maßregeln zu ergreifen. Doch wollen Wir, daß in der Anordnung dieses Uns abgedrungenen äußersten Mittels nur so weit gegangen werde, als es zur Herstellung der Ruhe und Sicherheit und zum Schutze Unserer getreuen Staatsbürger, sowie für Aufrechthaltung der Würde Unseres konstitutionellen Thrones nöthig sein wird. Es ist Unser fester, unveränderlicher Wille, daß die Unsern Völkern gewährten Rechte und Freiheiten, wenn sie auch von einzelnen Böswilligen und Mißgeleiteten mißbraucht worden sind, in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben und Wir verbürgen solche neuerdings durch Unser kaiserliches Wort. Auch wollen Wir, daß die von dem konstitutionellen Reichstage bereits gefaßten und von Uns sanktionirten Beschlüsse, namentlich jene über die Aufhebung des Unterthanen-Verbandes, die Entlastung und Gleichstellung des Grundbesitzes gegen die im Prinzipe vom Reichstage anerkannte billige Entschädigung aufrecht erhalten und Unserer bereits erlassenen Anordnung gemäß in Vollzug gebracht werde. Ebenso ist es Unser fester Wille, daß das begonnene Verfassungswerk von dem konstituirenden Reichstage in einer der vollen Gleichberechtigung aller Unserer Völker entsprechenden Weise ungestört und ununterbrochen fortgesetzt werde, damit solches in Bälde Meiner Sanktion unterlegt und einem gedeihlichen Ende zugeführt werden könne. Dieses möglich zu machen wird der Gegenstand Unserer ernsten Sorgfalt sein und Wir rechnen dabei auf die Einsicht, Anerkennung und bewährte Loyalität unserer getreuen Völker. Gegeben in Unserer Hauptstadt Ollmütz, den 19. Okt. 1848. Ferdinand. Wessenberg.“ Die Aufnahme dieses Manifestes war äußerst kalt. Einige wollten Bravo rufen, wurden aber von den Zischern übertönt. Krauß: Auch ist mir ein Schreiben der deutschen Centralgewalt zugekommen; die Herren, welche es überbringen, haben sich jedoch nicht bei mir eingefunden, weshalb ich mich noch nicht darüber äußern kann. (Er macht sich eiligst davon). Präsident: An der Tagesordnung sind die Wahlberichte. (Nun mache ich mich auch davon). Wien, 22. Oktbr. Der Politische Privat-Telegraph schreibt: Die Dynastie tritt schroff auf und verwischt die Sympathie des Volkes bis auf die letzte Spur. Die Deputation des Gemeinderaths wurde beim Kaiser gar nicht vorgelassen und das ganze Ergebniß der Sendung beschränkt sich darauf, daß Wessenberg den Deputirten die schriftliche Weisung gab, sie möchten sich, was Ruhe und Ordnung betrifft, an Windischgrätz wenden und daß in Ollmütz nichts weiter zu suchen sei. Das Manifest des Kaisers vom 16. Okt. ist in verschiedenen Theilen der Monarchie und besonders beim Heere bekannt geworden und enthält blutige Drohungen gegen die Stadt Wien. Dasselbe wurde vor der Veröffentlichung mehreren anwesenden Deputirten zu Ollmütz gezeigt. Diese sollen aufs Entschiedenste dagegen protestirt und erklärt haben, daß für den Fall der Veröffentlichung sie sich in die Bezirke begeben würden, um das Volk gegen diese Maßnahme des Hofes zu bewegen. Dies mag der Grund sein, daß diese Proklamation vom 16. in Wien nicht offiziell bekannt gemacht wurde. Das Centralcomite unternimmt jedoch die Veröffentlichung. Ein Erlaß von Welker und Mosle im Namen des Reichsverwesers, von Passau aus datirt, widerspricht dem verbreiteten Gerüchte, als sollten deutsche Reichstruppen nach Wien kommen, um die Sache der Dynastie zu verfechten und enthält die Erklärung, daß die Centralgewalt die deutsche Sache in Oestreich vertreten und die konstitutionelle Freiheit, wie sie im Lande bestehe, auch in Wien beschützen werde. Dieser Erlaß brachte ein Lächeln sowohl innerhalb als außerhalb der Kammer hervor. ‒ Einer verläßlichen Mittheilung zufolge soll eine Deputation der früher hier in Garnison gelegenen Offiziere unter Auersperg, in unserem Hauptquartier die Zusicherung gegeben haben, daß sie gegen das Wiener Volk und gegen die Wiener Freiheit nicht kämpfen werden. Admiral Albini hat Ankona mit eilf Schiffen wieder verlassen, und segelt vor Venedig, um die frühere Thätigkeit wieder zu beginnen. Der östreichische Vice-Admiral Kudriafsky hat sich unter dem Vorwand einer Krankheit zurückgezogen und seine Stelle einem Oberlieutenant, den die Matrosen eine Landratte nennen, übergeben. ‒ Der in Mailand ausgebrochene Zwist zwischen den magyarischen und kroatischen Soldaten hat den Marschall Radetzky zu der dringenden Forderung veranlaßt, daß ihm 40,000 Mann Hülfstruppen gesendet werden. Die Beobachtungen vom Stephansthurm aus sind jetzt durch Nebel und Regenwetter erschwert, fast unmöglich gemacht und daher muß man sich nach den Angaben der Zureisenden in Beziehung auf die Stellung der Heere richten. Die Ungarn versichern fortwährend, daß sie kommen, um die Kroaten anzugreifen und den Wienern zu helfen. Man berichtet uns, daß Ivanka die Vorhut kommandire und 20 Kanonen auf dem rechten Flügel führe, daß 300 Czikos (ungarische Roßhirten) sich verschworen haben, den Jellachich, wenn es zum Kampfe kommen sollte, todt oder lebendig zu bringen; daß Kossuth mit 15,000 Mann und 16 Kanonen der Hauptarmee nachrücke und daß für die nächsten Tage dennoch eine Schlacht zu erwarten stehe. Die Gährung in den Provinzen mehrt sich. In der Stadt selbst steigt sie noch seit der Veröffentlichung des kaiserl. Ediktes; auf ein so verwegenes blutiges Spiel war man doch nicht vorbereitet. Aller Verkehr mit Wien von außen ist gehemmt und gestört; die Zufuhr von Lebensmitteln zur Verpflegung der Kranken sogar wurde von den belagernden Soldaten geweigert. Die Post wird nicht nur verzögert, sondern fast gänzlich hintangehalten. Ueber Reisende und alle Personen, welche sich entfernen wollen, wird eine peinlich strenge Kontrolle geführt. Oestreich kostet den Vorgeschmack einer Militärherrschaft. Alle Rücksicht für das Volk hat aufgehört. Die Barrikaden in der Stadt sind abgetragen, die in den Vorstädten und an den Linien werden nach zweckmäßigeren Angaben umgebaut. Für verflossene Nacht waren alle Garden konsignirt, weil man einen Einfall des Militärs befürchtete. Es ist vor der Hand bei der bloßen Erwartung geblieben. Die norddeutsche Post ist, ohne daß man hier den Grund weiß, seit mehreren Tagen ausgeblieben. Wien, 22. Okt. Dr. Frank, Hauptmann der mobilen Garde bei Floridsdorf, wurde heute Nachmittag von den k. k. Vorposten gefangen genommen. ‒ Heute kamen 2 Schiffe mit Lebensmitteln, welche vor Floridsdorf von den Grenadieren am Ufer mit Feuern bedroht wurden. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern wußten jedoch die Grenadiere so zu beschäftigen, daß die Schiffe indessen durchpassirten. Der Landes-Vertheidigungs-Ausschuß zu Pesth hat die Beschlagnahme aller in Ungarn befindlichen geistlichen Güter und Beneficien des mit dem Verbrechen des Landesverraths beladenen Bischofs zu Agram Johann Haulik, so wie die Exkorporation der unter der Agramer bischöflichen Gerichtsbarkeit stehenden Murahoz, und Einverleibung derselben in das Steinamangersche Bisthum beschlossen, und wegen der Effektuirung dieses Beschlusses die nöthige Verfügung getroffen. Der aus Galizien durch den Duklaer-Paß nach Ungarn eingebrochene, sich General nennende Simonics, hat sich nach Bartfeld wieder zurückgezogen. Die Nationalgarden der angrenzenden Komitate sind aufgefordert zu dessen Vernichtung, und auf seinen Kopf ist vom ungarischen Landesvertheidigungs-Ausschusse ein Preis gesetzt von 100 fl. C.-M. und auf die Köpfe eines jeden seiner Leute 20 fl. C.-M. Wien, 22. Okt. Kremsier ist ein Städtchen im Olmützer Kreise der Markgrafschaft Mähren, mit etwa 2000 Einwohnern, einem Residenzschlosse des Erzbischofs von Olmütz, einem Gymnasium etc. und nach reiflicher Ueberlegung der czechischen Exdeputirten der künftige Sitz des östreichischen konstituirenden Reichstages. Die czechischen Exdeputirten hatten ursprünglich Brünn ausersehen, aber Brünn hat zu viel Revolutionselemente in sich. Eine Voraussicht, die der politischen Weisheit Palackys alle Ehre macht. Auch ist es nicht genug slavisch, und schließt in seinen Mauern, gleich Wien ein Proletariat ein. Eine gefährliche Nachbarschaft für heldenmüthige Senatoren. Auch ist Kremsier ein ruhiges Städtchen ohne Wühler, ohne Publizisten, hat keine akademische Legion, sondern nur fürst-erzbischöfliche Grenadier-Invaliden. Ein anderer Grund für Kremsier ist auch der, daß keine Buchdruckerpresse sich daselbst befindet, folglich auch keine wühlerischen Zeitungen erscheinen können. Für den Druck der Sitzungsprotokolle kann die fürstlich Windischgrätzsche Feldpresse benutzt werden. Wir können noch tausend Gründe anführen, die Kremsier ganz besonders eignen, der Centralpunkt der östreichisch-slavischen „Gesammtmonarchie“ zu werden. Unerwähnt dürfen wir aber nicht lassen, daß im vorigen Herbste daselbst eine sogenannte „Beseda“ abgehalten wurde, welche eigentlich nur das Vorparlament des Reichstages war. Ein anderer Plan dieser Herren ist der, den Slavenkongreß in zweiter Auflage nach Agram einzuberufen. Zur Charakterisirung des Organs des Slaven Herrn Hawliczek führen wir auch heute eine Stelle aus demselben an. Es ist eine Korrespondenz eines Herrn Wilem Dusan, in welcher es wörtlich heißt: „Euch (die czechischen Exdeputirten) loben wir, den Polen fluchen wir!!!“ (Grad' aus.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 128. Köln, 28. Oktober 1848, S. 0643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz128_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.